Am 21.10.2017 um 21:26 schrieb Martin K.:
> Hier ein sehr schönes Video über das skalierbare 48V Antriebssystem von Bosch. Der gleiche Motor wird eingesetzt bei Hybridautos, Roller, Motorräder, Elektroautos, ... Im aktuellen e.Go aber wohl nicht mehr.
>
>
http://youtu.be/4k5TDZ6irG4?t=5m39s
Leider viel Werbung, wenig Substanz.
Von wegen "one system fits all" und "plug and play". Wenn ich das höre,
ist bei mir immer der "Achtung, nun kommt der Werbeblock"-Modus aktiviert.
Zuerst mal: Bosch hat die Sparte Starter und Generatoren im Mai 2017 an
chinesische Investoren verkauft:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/bosch-generatoren-china-101.html
Das gezeigte sind ja Riemenstartergeneratoren - aus Automobilsicht, also
aufgebohrte Lichtmaschinen.
"Die seit 1914 bestehende Anlasser-Sparte des Autozulieferers Bosch
wird nach China verkauft. Ein entsprechender Vertrag mit einem
asiatischen Konsortium sei unterzeichnet worden, teilte Bosch mit. Die
Käufer des Bereiches Starter und Generatoren (SG) sind der Zulieferer
ZMJ (Zhengzhou Coal Mining Machinery Group) und die Investmentfirma
China Renaissance Capital Investment als Kapitalgeber. Über den
Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Zuvor hatte die "Frankfurter
Allgemeine Zeitung" darüber berichtet."
"Bosch hatte den Verkauf damit begründet, man sei in der Sparte zu
klein, um langfristig im Wettbewerb bestehen zu können."
"In dem Bereich Starter und Generatoren, der auch Start-Stopp-Systeme
und kleine Elektromotoren produziert, arbeiten knapp 7000 Mitarbeiter,
davon gut 1000 in Deutschland."
Wenn du also vermutest, Bosch hätte damit so ganz große Pläne - das
scheint nicht der Fall zu sein, sonst hätte man die Sparte behalten.
Und es sind auch Falschaussagen dabei:
Andrea Grewe: zeigt auf den 10.5 kW Motor und sagt, dass der aus dem
automotive sector kommen würde.
Jonny Smith fragt: What ist that in already?
Andrea Grewe: For example the Audi, "as a hybrid version".
Jonny Smith: The e-tron?
Andrea Grewe: Yeah.
Er: And it uses that? Oh does it really?
Andrea Grewe: Yeah. - und strahlt stolz übers ganze Gesicht
Dabei hat Audi schon den Begriff "e-tron" für alles mögliche benutzt.
Wenn man mal nur die Hybriden nimmt, worauf sie das eingeschränkt hat,
dann gibt es da:
Vergangene Audi Hybride: Q5, A6, A8 mit dem 2.0 TFSI Hybrid -> die
hatten alle ein System mit 266V und einen 40kW-Motor zwischen Motor und
Getriebe. Na gut, auch keiner davon hieß e-tron, sondern hybrid.
Audi A3 e-tron - der hat *keinen* solchen 48V-Riemenstartergenerator,
weil er mit 48V auch nix anfangen kann. Es gibt ein 14V-Bordnetz und
dann eins mit 352V daneben für Batterie und 75kW E-Motor.
Audi Q7 3.0 TDI e-tron - hat einen klassischen 14V-Generator von Valeo.
Dann 310V und 94 kW für den E-Motor. Die 48V für wenige Teile im
48V-Bordnetz kommen dann per DCDC-Wandler aus dem 12V-Bordnetz.
Erst der Audi A8 D5 (der ganz neue) - *da* bekommen alle einen solchen
48V-Riemenstartergenerator (werden dann alle Mild-Hybride), die heißen
aber nicht e-tron (außer die PHEV, die noch kommen sollen).
Die Produktion ist gerade erst gestartet, Auslieferung ab November.
Für ein knapp 100.000 EUR Auto in Basis, finde ich einen Pedelec-Akku
und eine aufgebohrte Lichtmaschine an sich ein bisschen wenig. Aus
meiner Sicht hätte es da gern Voll-Hybrid (ab ca. 40 kW) mit 1-2 kWh
Batterie sein dürfen. Audi tut jetzt in ein Auto dieser Preisklasse
rein: 0,5 kWh und davon nur die Hälfte nutzbar. Das ist so mild, dass
schon Blümchenkaffee draufstehen könnte.
Wie kann das also "proven technology from the automotive sector in
several, several hybrid cars" sein, wenn es doch gar nicht in Autos
verbaut wurde?
Renault Scenic/Grand Scenic dCi Hybrid Assist - 1.5 R4 Diesel - der hat
einen 48V Riemenstartergenerator - ist aber von Continental.
Kommende Mild-Hybride A8, A7, A6, A5, A4, Q5, Q7, Q8 bekommen den als
Riemenstartergenerator. Bestimmt auch beim Daimler, in den
Riemen-Starter-Generator-Varianten um den R4 Ottomotor, M264.
Die BEV-Modelle (M1) bekommen sowas auf 48V-Basis nicht, sondern potente
Elektromotoren auf einem wesentlich höheren Spannungsniveau. Kleine,
leichte L7e-Fahrzeuge ließen sich aber damit antreiben.
IMHO kann man diese Differenzierung auch nicht weglassen.
Und "our" Scooters -> Schwalbe.
"Our" Sportsbikes -> Elmoto.
4-11 kW finde ich schon heftig für ein "Sportsbike".
Und diese großen Batteriemodule dort, wie sie auf dem Tisch liegen, sind
für Zweiräder schon recht groß.
Die Skalierungsidee klingt erstmal nett, findet aber ihre Grenzen in der
Wirtschaftlichkeit.
2 E-Motoren heißt: doppelte Teileanzahl. Vermutlich billiger: gleich ein
größerer E-Motor.
Das kleine Auto dort im Hintergrund (ein früher e.go Life Prototyp, L7e,
max. 15 kW Leistung) hat also einen Doppelmotor und Doppel-Lader - und
so steht er da. Aber das kostet doch alles Geld. Und reicht nur für ein
wirklich kleines Auto L6e/L7e. 6 Batterien -> hätten dann auch 6x
Gehäuse, 6x BMS. Bekanntlich ist e.Go umgeschwenkt nun auf Klasse M1. Zu
wenig Power aus 48V, nun ist auch wieder ein Bosch-Motor an Bord, der
dann auf 230/280/380V läuft. Den Lader mussten sie dann mit anpassen,
BMS auch und die Hochvolt-Schutzebene einziehen.
Frage auch: Warum wendet sich etwas, was nur B2B verkauft wird, dann
dort an ein öffentliches Publikum?
Die retrofit-Idee müssen also wieder Hersteller machen. "Plug and Play"
in eine Schwalbe? Die Idee gibt es seit bestimmt 10 Jahren. Zu kaufen
ist die e-Schwalbe seit ganz kurzem. Montiert wird sie in Polen. Mit ab
5400 EUR mit dem 4kW-Motor ist sie ambitioniert bepreist, wenn ein Unu
(China-Import, auch mit Bosch-Motor, aber eben nur der Motor) bei
1800/2300/2800 EUR losgeht. (1/2/3kW). Und die Schwalbe ist neu
konstruiert, es ist kein retrofit. Unu - Batterie rausnehmbar das taugt
gut für Laternenparker in Mehrgeschossern, Schwalbe - Batterie fest
verbaut, das braucht ne Ladedose in Rollernähe.
Elmoto - war kein retrofit. Und was ich direkt sehe: die große Kette da.
Wozu? Wenn man sowas auch in-wheel machen kann? An einer Neukonstruktion
und für gerade mal 4 kW kann ich es nicht so recht verstehen, warum man
die verschleißanfällige, ölige Kette (oder einen Zahnriemen) da belässt
anstatt einen Radnabenmotor hinten zu benutzen.
Auch die e-Schwalbe hat da zwangsläufig einen Mittelmotor und einen
Riemen oder eine Kette nach hinten. Das Rad hinten wird/bleibt dadurch
schön leicht, aber man hat wieder den Ärger mit der Kette/Riemen.
Ein Elektromotor kann auch nicht Rekuperation "onbord" haben, wie da
gesagt wird, denn irgendwo muss die Energie ja hin - also braucht es
noch eine Batterie dazu.
Das 48V-Gesamtsystem kauft so kaum ein Kunde, denke ich. Mancher pickt
sich Sachen raus, aber ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass
dieses Gesamtsystem dort preislich mit anderen Angeboten konkurrieren
kann, wenn ein Kunde mal Stückzahl bauen will.
Nimmt man das alles zusammen, bleibt leider nicht viel übrig.
Die Retrofit-Idee ist nett und an sich dringend gebraucht - aber es
wurde kein Preis genannt. Erst zusammen mit einem Retrofit-Kit für
konkrete Fahrzeugmodelle (Zweiräder, leichte Pkw wie Smart und Co, alles
BEV) müsste dann ein konkurrenzfähiger Preis dran stehen und da habe ich
so meine Bedenken.
Die Verbreitung von 48V-Zweitbordnetz-Ideen in Pkw steht und fällt IMHO
mit einer Sachen: kann der 12V-Bleibatterie-Klops dann weg und eine
48V-Li-Ion-Batterie wird die einzige Batterie im Fahrzeug? Kann
zusätzlich der Anlasser weg und 12V-Lima durch einen DCDC-Wandler
ersetzt werden? *Dann* dürfte sich das recht schnell verbreiten. Lassen
die Hersteller hingegen den 12V-Blei-Klops drinnen, dann wird man die
48V wohl vor allem deshalb machen, um auch die Großverbraucher im
Bordnetz umzuziehen und noch mehr Luxus im Auto anzubieten.
Für den preissentitiven Massenmarkt glaube ich eher an kommende
12V-Mild-Hybrid-Systeme mit Li-Ionen-Batterie. Da kann man auch paar kW
rausziehen, für langsame Schleichfahrt.
Grüße,
Ralf