Am 29.08.2023 um 11:49 schrieb Michael S.:
> Hallo zusammen
Ich fasse das nochmal knapp zusammen:
Opel Astra K 1.0 Turbo-Benziner
EZ: 01-2017
Motorleistung: 66 kW (90 PS) oder 77 kW (105 PS)
Motorcode: B10XFL (10/2015 - 05/2018)
Realisierung des Ladedrucks des Turboladers:
Der Lader hat eine feste Turbinengeometrie, die Regelung passiert mit
Wastegate-Ventil.
Siehe:
https://www.turboparts1796.com/Turbolader-Opel-1Liter-MHI-49130-00103.html
Da gibt es ein paar Bilder.
Die Regelung des Wastegates wiederum geht über eine Druckdose und
Mechanik. Ist die Mechanik über den gesamten Bereich schön gängig und
nix ausgeschlagen/klapprig?
DTC OBD-II - P0299 "Turbocharger/Supercharger A Underboost Condition"
Hier eine umfangreiche Erklärung:
https://www.obd-codes.com/p0299
Wenn man die Liste einiger möglicher Gründe (ganz generisch für alle
möglichen Fahrzeuge) mal übersetzt:
* Ansaugtrakt für die Luft des Motors verengt oder undicht (Blockierung
oder Luftleck im Ansaugtrakt), da kann schon ein neuer Motorluftfilter
gute Dienste tun
* Ausgefallener oder beschädigter Turbolader (Hängen, Blockieren usw.)
* Ladedrucksensor defekt
* Defektes Wastegate-Bypass-Reglerventil (VW) - wenn mit Wastegate
* Zustand mit niedrigem Kraftstoffdruck (Isuzu)
* Turbolader-Steuermagnetventil klemmt (Isuzu)
* Defekter Einspritzdrucksensor (ICP) (Ford)
* Niedriger Öldruck (Ford)
* Fehler im Abgasrückführungs(AGR)-System (Ford)
* Fehler am Stellantrieb für Turbolader mit variabler Geometrie (VGT) (Ford)
* VGT-Leitschaufeln klemmen (Ford)
Noch was wichtiges:
Speicher dir den Freeze Frame zum DTC mit ab! Der hat eine Menge
Sensorwerte im Moment des Auftretens. Und diese Information löschst du
sonst mit dem DTC mit, wenn du den löschst.
> 2020 bin ich mit meinem Astra K 1.0 3-Zylinder über den Großglockner
> gefahren.
Mit oder ohne Anhänger?
> Kurz vor der höchsten Stelle auf ca. 2300m Höhe war die
> Leistung weg und die Motorkontrolleuchte an. Anfahren am Berg war kaum
> noch möglich, aber irgendwie habe ich es über den Pass zum Hotel
> geschafft. Am nächsten Tag in der Werkstatt wurde nach meiner Erinnerung
> der Fehler 0299 ausgelesen und zurückgesetzt oder war sogar schon weg.
> Auf einer Probefahrt tauchte der Fehler nicht mehr auf und das blieb
> auch so bis vergangenen Donnerstag (3 Jahre später).
OK, 3 Jahre keine Probleme? Dann muss das ja schon was außergewöhnliches
und intermittierendes sein.
Allerdings ist Großglockner auch irgendwie ne Ausnahmestrecke von der
Höhe her.
> Mit dem Wohnwagen gings die Tauernautobahn gegen Süden hoch, als auf ca.
> 1100 Höhenmeter plötzlich Leistung fehlte und die MKL an war, worauf ich
> mich dann auf den nächsten Parkplatz gerettet habe. Mit einem ODB-Dongle
> den Fehlercode 0299 ausgelesen und zurückgesetzt.
OBD => On Bord Diagnostics
OK, wieder der gleiche Diagnostic Trouble Code.
> Weiter gings. Nach ca.
> 1-2km kam die Lampe erneut. Auf dem Standstreifen mit Warnblinker und
> 50km/h also auf den nächsten Parkplatz, Fehler zurückgesetzt und mit
> wieder normaler Leistung weiter den Berg hoch. Ging nicht lange und der
> Fehler war wieder da. Wir haben uns dann irgendwie über den Pass
> (Maximalhöhe 1340m) gerettet und in Villach den Fehlercode
> zurückgesetzt. Den Rest des Weges nach Kroatien gings dann ohne weitere
> Probleme und ohne MKL und so sitze ich hier nun bei Regenwetter im
> Vorzelt und schreibe diesen Beitrag.
OK.
> Direkt vor dem Urlaub war das Auto bei der Inspektion. Trotzdem habe ich
> jetzt mal den Luftfilter gecheckt. Der ist sauber, aber vermutlich kein
> Originalersatzteil (MECAFILTER 39039321).
OK.
> Offensichtlich hängt das Problem mit dem niedrigeren Druck auf den
> Bergen zusammen. Ich wohne zwar im Schwarzwald und mache da regelmäßig
> Höhenmeter,
Auch mit Anhänger? Auch bei vergleichbaren Temperaturen?
> über 1000m gehts aber nie.
>
>
> Ich muss ja kommende Woche wieder zurück über den gleichen Pass und
> rechne damit, dass das wieder zum gleichen Problem führt.
Jupp, kann sein. Du kannst aber ggf. langsamer fahren.
P = W /t. Leistung ist Arbeit pro Zeit.
Dein Motor muss den Anhänger da drüber schleppen, aber du kannst ggf.
gerade auf der langen Steigung z.B. 70 oder 80 km/h statt 100 km/h
fahren. Dann braucht der Motor gleich viel weniger Leistung und der
Turbolader ist in einer anderen Stellung.
Und du kannst schauen, welchen Gang du nimmst. Höchster (5. Gang)
braucht mehr Drehmoment. Zweithöchster etwas mehr Drehzahl (4. Gang),
aber dann nicht so hohe Drücke.
> Die
> Restleistung im Notbetrieb reicht, um den Wohnwagen wieder auf die
> Nordseite zu bringen. Aber was dann? Wie befähige ich die Opel-Werkstatt
> (ist ein Geschäftswagen) dazu, den Fehler zu finden und nachhaltig zu
> beheben, ohne ganztägige Probefahrten in die Alpen zu unternehmen?
Schwierig. Aber ein Leistungsprüfstand hilft, wenn sie den haben oder
nutzen können. Darauf können sie Fahrwiderstände simulieren, dass z.B.
auch bei niedriger Geschwindigkeit schon viel Last gebraucht wird. Eine
Last, die sonst erst bei höherer Geschwindigkeit anfiele.
Was sie nicht hinbekommen: so dünne Luft simulieren. Siehe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Barometrische_H%C3%B6henformel
Aber vermutlich werden sie sich anschauen:
* Turbolader-Regelung und da die Mechanik, ggf. Pneumatik und Elektrik,
also ob da was hängt, undicht ist, und so. Ggf. auch die Software dazu.
> Was kann ich auf der Rückfahrt tun, um den Fehler vielleicht schon
> weiter eingrenzen zu können? Welche Daten soll ich mit welcher App über
> OBD aufzeichnen, um daraus vielleicht etwas schließen zu können? (Ich
> habe so einen orangen Konnwei-Dongle)
Du kannst da nicht viel machen. Ich würde mir ein paar PIDs (Live-Werte
von Sensoren) anschauen:
* Ladedruck
* angeforderte Newtonmeter Drehmoment
* Ansteuersignal für die Turbolader-Regelung, also dann an das
Wastegate-Ventil
* Luftmassenmesser
* was dein Höhendrucksensor (barometrischer Drucksensor) meint, welche
Umgebungshöhe gerade ist, sowas haben aber nicht alle Motorsteuerungen
Und du kannst deine Geschwindigkeit, Gang, Drehzahl,
Ansauglufttemperatur mal mit protokollieren.
> Eine (nicht nachhaltige) Idee wäre, am Luftfilter das Vlies außenrum
> runterzureißen. Sollte den Luftwiderstand ein wenig senken. Aber große
> Erwartungen habe ich nicht.
Nee, das wird Murks. Lass den Filter, wie er ist. Und schau dass er
richtig rum drin ist. Da ist ein Pfeil drauf für die Soll-Fließrichtung
der Ansaugluft.
> Ich habe meine Frau auf dem Pass mal Gasstöße machen lassen, während ich
> vorne in den Motor reingehört habe. Man hat dabei weder ein Turbopfeifen
> noch irgendwelche Undichtigkeiten hören können.
Verdacht: Motorsoftware schätzt die Turbolader-Funktion aus der
Entwicklung der Motorleistung, und diese aus der Entwicklung der
Fahrzeuggeschwindigkeit.
Die Software im Motorsteuergerät könnte deinen Anhängerbetrieb nicht
kennen. (z.B. wenn Nachrüst)
Und dann passen die Verhältnisse mit Anhänger nicht mehr. Der Astra ohne
Anhänger müsste sich bei Motorleistung x und Steigungswinkel y (vom
ESP-Steuergerät, das misst die Neigung) so und so bewegen, aber das tut
er nicht. Also wirft das Motorsteuergerät erstmal den DTC, dass es einen
zu geringen Druck vom Turbolader vermutet. Auf den DTCs verändert es
seinen Betriebsmodus dann in einen Limp mode. Wenn der DTC gelöscht
wird, geht er aus dem Limp mode wieder raus.
Die Lösung kann dann darin liegen, dem Motorsteuergerät den zeitweisen
Anhängerbetrieb klar zu machen.
Vorher muss aber natürlich alles mechanische untersucht werden, sowie
Sensorinformationen und Aktoransteuerung. Denn vielleicht fährt die
Motorsteuerung auch das Wastegate mal an eine Stelle, wo es sonst nur
selten verweilt. Dann kann es dort hängen, weil diese Position nicht
ordentlich geschmiert werden würde. Es wäre ein Zeichen, dass der Motor
eben sehr selten Volllast bekommt.
Das mal so ins Blaue.
Grüße, Ralf