On Wed, 27 Oct 2021 10:10:50 Till Kinstler wrote:
> Am 26.10.21 um 22:16 schrieb Stefan Froehlich:
> > Angeblich gibt es (bzw. gab es vor Corona) rund 50.000 Besitzer
> > einer BC100. Eine Zahl für die Österreichcard ist mir nicht
> > bekannt, aber ich bezweifle, dass hier *irgendjemand* bereit
> > wäre, 4k€ für eine Bahn-Netzkarte auszugeben, geschweige denn
> > ca. 5.000 Leute.
> Der Preis der BC100 scheint mir ziemlich gut an der
> "Sättigungsgrenze" für's Bahnfahren angesiedelt zu sein[*].
Davon gehe ich auch aus - man muss doch schon recht gut verdienen,
um einfach mal so 4k€ pro Jahr nur für Bahnfahren locker machen zu
können (vom Wollen noch gar nicht zu reden).
Man darf und kann die Bahnnetze hier und bei euch aber eigentlich
überhaupt nicht vergleichen. Ich brauche mir ja nur in einem
x-beliebigen Bahnhof die Umsteigemöglichkeiten anzuhören:
Hierzulande bekommt man im Fernverkehr idR zwei oder drei
Regionalzüge angeboten - in Deutschland dauert bereits das Vorlesen
der hochrangigen Umsteigeverbindungen eine gefühlte Viertelstunde.
Wir haben aber halt im großen und ganzen nur zwei Linien: Westbahn
(inkl. der Fortsetzung bis Vorarlberg) und Südbahn; für Masochisten
kommen noch Phyrn- und Tauernbahn dazu, alles andere ist Kleinkram.
Das reduziert die Kunden für eine reine Bahncard fast schon zwingend
auf Streckenpendler, und insofern war der hiesige Preis für die
Österreichcard wahrscheinlich ähnlich motiviert und gut gewählt, wie
der eurige für die BC100.
> Ich habe die Entstehung des Klimatickets in Österreich nicht
> verfolgt, vermute aber, dass hinter der Preisgestaltung andere
> Überlegungen als nur betriebswirtschaftliche stecken?
Ich würde das sogar auf "ausschließlich andere" abändern. Wien hat
vor ca. 10 Jahren beim Eintritt der Grünen in die Landesregierung
die Netzkarte um 365 Euro eingeführt - das war den Verkehrsbetrieben
nicht besonders recht, hat sich aber relativ rasch als Erfolgsmodell
erwiesen, die Zahl der verkauften Jahreskarten ist durch die Decke
gegangen.
Die Überlegungen zu einer österreichweiten Netzkarte gibt es schon
lange, sie sind aber nie sonderlich weit gekommen - ich nehme einmal
an, dass die Frage der Finanzierung angesichts diverser Verbünde und
Privatunternehmen, die alle auch noch teilweise aus öffentlichen
Geldern bezahlt werden, etwas komplexer sein dürfte. Mit dem
Eintritt der Grünen in die Bundesregierung Anfang 2020 haben sie
dann fast alles auf eine Karte gesetzt und das Klimaticket als das
Leuchtturmprojekt schlechthin definiert - dementsprechend viel Druck
war da jetzt auch dahinter, und trotzdem wäre es beinahe gescheitert
bzw. ist es auch nicht ganz in der ursprünglich geplanten Form
gekommen (so etas bietet ja reichlich Potential für aufstrebende
Politiker mit populistischer Ader - es wurde zB mit Verfassungsklage
gedroht, weil es nicht sein kann, dass man in einem kleinen
Bundesland genauso viel für das Länderticket bezahlt, wie in einem
großen).
Also man hätte da sicherlich auch und einfacher eine deutlich
kompliziertere Regelung finden können, aber gerade die Kernformel
"1 Euro/Tag für 1 Bundeslad, 3 Euro/Tag für ganz Österreich" war die
politisch relevante Aussage. Immerhin den zweiten Teil hat man jetzt
auch durchgebracht.
> Und auch nicht nur 3 * 365 = 1095... Gibt es dabei das Ziel, dass
> die Einnahmen für die beteiligten Verkehrsunternehmen gleich
> bleiben oder gleicht man deren eventuelle Einbußen aus?
150 M€ werden für die Finanzierung durch den Bund bereitgestellt,
weitere 100 M€ bezahlen die Länder. Nach welchem Schlüssel das auf
die Verbünde bzw. Verkehrsunternehmen aufgeteilt wird ist mir im
Detail nicht bekannt (mehr als Aussagen wie "Verhandlerkreise
sprechen bei der nunmehr gefundenen Einigung aber von einem guten
Ergebnis für die Bundesländer" sind mir nicht untergekommen).
Bis gestern (dem frühest möglichen Geltungstag) wurden btw bereits
75.000 Klimatickets verkauft, das ist also wohl im wesentlichen die
Zahl derer, die einen unmittelbaren finanziellen Vorteil dadurch
erfahren. Die Finanzierung ist für zwei Jahre gesichert, danach wird
neu verhandelt werden müssen - entweder ist das Ticket dann wieder
Geschichte, oder (besser) man wird es als Alterantive verwenden
können, um bei MIV-Fahrern die Daumenschrauben anzusetzen.
Servus,
Stefan
PS: rein persönlich hätte ich ja immer eine Ausdehung der BC100 auf
den gesamten DACH-Raum schön gefunden - dazu hätte sie IMO auch
nicht unbedingt teurer sein müssen, zumal die Zahl der
Grenz-Bahnpendler nahe bei Null sein dürfte
Latschen hinter den sieben Türen - Stefan!
(Sloganizer)