Unsere Bundesregierung möchte den Deutschlandtakt tatsächlich bis 2030
voll umsetzen!
Die Absicht bekundet sie jedenfalls. Aber großspurige Ankündigungen und
deren schmalspurige Umsetzung sind in der Politik ja bekanntlich zwei
Paar Schuhe.
Damit Ulf (oder wer auch immer) in zwölf Jahren auswerten kann, was
tatsächlich umgesetzt wurde und was nicht, poste ich die komplette
Pressemitteilung des Bundesverkehrsministers hier im Wortlaut:
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Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
Pressemitteilung - 080/2018
BM Scheuer: Deutschlandtakt macht Schienenverkehr pünktlicher, schneller
und verlässlicher
Das von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gestartete
"Zukunftsbündnis Schiene" aus Politik, Wirtschaft und Verbänden hat
heute seine Arbeit voll aufgenommen.
Scheuer: "Unser Zukunftsbündnis Schiene nimmt volle Fahrt auf. Gemeinsam
wollen wir bis 2030 die Zahl der Fahrgäste verdoppeln und mehr Güter auf
die Schiene holen. Und das bei gutem Service und hoher Qualität. Wir
wollen den Wow-Effekt und Bahnfahren als Leidenschaft. Das ist das
größte Projekt im Eisenbahnbereich seit der Bahnreform von 1994."
Bei dem Treffen im BMVI wurde u.a. der Gutachterentwurf für einen
Zielfahrplan des Deutschland-Takts präsentiert.
Scheuer: "Der Deutschlandtakt macht das Bahnfahren pünktlicher,
schneller und die Anschlüsse direkter und verlässlicher. Das bedeutet
für Bahnkunden: Optimale Verbindungen, kürzere Aufenthalte an den
Bahnhöfen und kürzere Fahrzeiten. Die Züge sind künftig öfter und
schneller überall."
Was ist der Deutschland-Takt?
Der Deutschland-Takt ist ein abgestimmter, vertakteter Zugfahrplan für
ganz Deutschland - von der regionalen Strecke bis hin zu den
Hauptverkehrsachsen. Er integriert Nah- und Fernverkehr und wird
zusammen mit den Ländern umgesetzt, die für den Nahverkehr
verantwortlich sind.
Öfter:
Auf Hauptachsen soll alle 30 Minuten ein Zug fahren
Schneller:
Optimierte Anschlüsse und passgenauer Infrastrukturausbau. Beispiele für
kürzere Reisezeiten: Stuttgart-Hamburg 4:27 statt 5:10 Stunden (-14%).
Berlin-Düsseldorf 3:34 statt 4:14 Stunden (-16%). Berlin-Bautzen 1:58
statt 3:20 Stunden (- 41%).
Überall:
Flächendeckendes Fernverkehrsnetz verbindet Städte und Regionen.
Zusätzliche Strecken zur Anbindung von Großstädten.
Der Deutschlandtakt wird auch für den Güterverkehr Vorteile bringen,
z.B. durch spezielle Trassen und den gezielten Infrastrukturausbau.
Wann und wie wird der Deutschlandtakt umgesetzt?
Am Deutschlandtakt wird sich in den kommenden Jahren der Ausbau der
Schieneninfrastruktur orientieren, z.B. an Bahnhöfen, an
Bahnhofseinfahrten und auf den Strecken (Mehrgleisigkeit). Die Umsetzung
des Deutschlandtaktes wird nun mit den Unternehmen und den Ländern
diskutiert, die Infrastrukturmaßnahmen werden geplant. Diese werden ab
2020 realisiert. Bis zum Jahr 2030 soll der Deutschlandtakt voll umsetzt
sein.
Was sind die weiteren Ziele des Zukunftsbündnisses Schiene?
Kapazitäten ausbauen
für eine zuverlässigere Bahn: Milliardeninvestitionen in Netz, Technik
(ETCS) und Elektrifizierung (bis 2025: 70 Prozent des Schienennetzes).
Wettbewerbsfähigkeit der Schiene stärken
für eine flexiblere Bahn: Weiterentwickelte Regeln zur Trassenvergabe
und -preisgestaltung. Interoperabilität von Tarifen für vernetzte Angebote
Lärmemissionen senken
für eine leisere Bahn: Lärmschutz am Gleis und Einsatz leiserer Züge,
damit die Bahn für alle ein guter Nachbar ist.
Digitalisierung, Automatisierung und Innovationen fördern
für eine modernere Bahn: Autonomes Fahren auf der Schiene,
Elektromobilität (z.B. Brennstoffzellentechnik).
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Quelle:
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2018/080-scheuer-deutschlandtakt.html
Unten auf der Seite findet ihr weitere Infos und den ersten bundesweiten
Fahrplanentwurf für den Fernverkehr sowie nach Bundesländern getrennt
für den Nahverkehr.
Erste und in der Sache durchaus berechtigte Kritik der Opposition gibt
es auch schon:
https://www.lok-report.de/news/deutschland/verkehr/item/7413-buendnis-90-die-gruenen-kein-deutschland-takt-ohne-infrastruktur-ausbau.html
Dann wäre noch die Frage, ob sich ein bundesweiter Halbstundentakt im
Fernverkehr eigenwirtschaftlich betrieben wirklich rechnet oder ob man
doch dazu übergehen muss, Leistungen wie im Nahverkehr auszuschreiben.
Und falls eigenwirtschaftlich, wer die vielen dafür benötigten Züge
finanziert? Die DB hat schon jetzt kein Geld mehr, um ihre bereits
bestellten ICE 4 zu bezahlen und die reichen für all die geplanten
Taktverdichtungen bei weitem noch nicht aus, zumal für das Konzept auch
noch viele zusätzliche HGV-Züge für 300 km/h benötigt werden...
Aber auf jeden Fall eine interessante Studie, die auf die Minute genau
zeigt, was mit moderaten Ausbauten in überschaubarer Zukunft alles
möglich wäre, wenn eine Verkehrswende in Deutschland politisch
tatsächlich gewollt wäre!
Noch meine Meinung zu einem konkreten Projekt:
Ambitioniert finde ich den Plan, Hamm - Bielefeld - Hannover auf 300
km/h auszubauen und die Fahrzeit Hamm - Hannover mit Halt in Bielefeld
auf 54 Minuten zu senken. Heute braucht der ICE bei einer Distanz von
177 km dafür 77 Minuten. Um auf 54 Minuten runter zu kommen, muss man
einen Schnitt von rund 200 km/h fahren. Das schafft die DB bundesweit
bisher nur auf ganz wenigen Strecken.
Hamm - Bielefeld lässt von der Trassierung 300 km/h wahrscheinlich sogar
ohne weiteres zu, in den 80er Jahren gab es da bereits Testfahrten mit
bis zu 317 km/h. Dennoch wird es mit kleinen Umbauten nicht getan sein.
Die Bahnsteige der Zwischenstationen liegen alle direkt an den
Durchfahrtsgleisen und müssen da weg, 300 fährt die DB nur auf fester
Fahrbahn, viele Straßenunterführungen sind ziemlich alt und die Brücken
müssten beim Ausbau komplett erneuert werden, es müssen in den
Ortsdurchfahrten jede Menge Lärmschutzwände gebaut werden, die gibt es
an dieser Strecke noch gar nicht und dann muss auch die Güterbahn für
den Nahverkehr auf 160 km/h ertüchtigt werden. Und eine komplett neue
Oberleitung ohne Quertragwerke und mit eigenen Masten für jedes der vier
Gleise wird sicher auch benötigt.
Bielefeld - Minden ist zwar ebenfalls schon viergleisig, lässt von der
kurvigen Trassierung aber nicht mehr als 140 - 160 km/h zu. Wenn man 300
fahren möchte, braucht man also durchgängig eine NBS von Bielefeld bis
Hannover. Bestimmt mit vielen Tunneln auf der NRW-Seite, denn zwischen
Bielefeld und Bückeburg durchquert man das ziemlich hügelige
Weserbergland. Bis 2030 wird das niemals fertig, zumal man noch nicht
mal richtig mit der Planung dieser ABS/NBS begonnen hat. Man kann
wahrscheinlich schon froh sein, wenn bis 2030 überhaupt mit dem Bau
begonnen wird.
Und dann ist da noch die Mitte-Deutschland-Verbindung. Den
Rhein-Ruhr-Express (RRX) Aachen - Dortmund - Paderborn - Kassel über
Erfurt - Jena - Chemnitz bis nach Dresden zu verlängern, finde ich eine
ziemlich eigenwillige Idee. Der RRX ist immer noch ein Zug des
Nahverkehrs ohne echten Langstreckenkomfort. Aber wahrscheinlich sind im
Ruhrpott keine weiteren Trassen frei und das wäre die einzige
Möglichkeit, Züge aus Rhein/Ruhr über Kassel hinaus nach Osten
durchzubinden. Bald also Aachen - Dresden umsteigefrei mit SWT und QDL?
Überhaupt werden in dem Konzept viele Strecken und Knoten sehr sehr
stark belastet. Ob das alles mit höherer Pünktlichkeit als heute fahrbar
wäre? Ich bin da ehrlich gesagt noch etwas skeptisch...