Brücke ins nichts

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Marco Gsellmann

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Aug 6, 2005, 10:40:44 AM8/6/05
to
Meldung bei Spiegel-Online:

http://www.spiegel.de/spiegel/inhalt/0,1518,366470,00.html

VERSCHWENDUNG ÖFFENTLICHER GELDER

Brücke ins Nichts

Eine rund 20 Millionen Euro teure Brücke wird dieser Tage bei Rödental in
Oberfranken fertig gestellt - vorerst jedoch ohne Aussicht auf Nutzung.

Die Itztalbrücke ist für die ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt gedacht, doch der
Bund legte das 1991 groß angekündigte "Verkehrsprojekt Deutsche Einheit
Nummer 8" aus Geldmangel auf Eis. Nur die 868 Meter lange Itztalbrücke wurde
schon mal gebaut - und nun an beiden Seiten mit großen Toren verschlossen,
damit niemand darauf herumturnt. Bis zum ersten Mal ein Zug über das 30
Meter hohe Bauwerk fährt, kann es drei Jahrzehnte dauern.

Die Gemeinde Rödental befürchtet, dass das Millionenprojekt dann schon
wieder sanierungsbedürftig sein könnte. Die Anregung der Gemeinde, auf die
Brücke einen schicken ICE-Waggon mit Restaurant zu setzen und den Gästen von
dort den Ausblick über das idyllische Itztal zu ermöglichen, fand bei der
Deutschen Bahn bislang keinen Anklang. Das Gleiche gilt für den Vorschlag,
auf der ungenutzten Überquerung eine Skater-Strecke einzurichten.


Klaus von der Heyde

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Aug 6, 2005, 11:22:21 AM8/6/05
to
Marco Gsellmann wrote:

> Die Anregung der Gemeinde, auf die
> Brücke einen schicken ICE-Waggon mit Restaurant zu setzen und den Gästen von
> dort den Ausblick über das idyllische Itztal zu ermöglichen, fand bei der
> Deutschen Bahn bislang keinen Anklang.

Dabei hätte sie doch den ein oder anderen 605 dafür übrig!

Klaus

Steffen Bertz

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Aug 6, 2005, 4:37:03 PM8/6/05
to
Marco Gsellmann meinte am Sat, 6 Aug 2005 in 18 Zeilen:

> Meldung bei Spiegel-Online:

> Die Itztalbrücke ist für die ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt gedacht, doch der
> Bund legte das 1991 groß angekündigte "Verkehrsprojekt Deutsche Einheit
> Nummer 8" aus Geldmangel auf Eis. Nur die 868 Meter lange Itztalbrücke wurde
> schon mal gebaut - und nun an beiden Seiten mit großen Toren verschlossen,
> damit niemand darauf herumturnt. Bis zum ersten Mal ein Zug über das 30
> Meter hohe Bauwerk fährt, kann es drei Jahrzehnte dauern.

Das nenn ich mal langfristig angelegte Verkehrspolitik. Stünde anderen
Bereichen auch mal ganz gut.

SCNR
Steffen (der das Stichwort "baurechtserhaltende Maßnahme" in den Raum wirft)
--
visit me: http://people.freenet.de/steffeniminternet
Unsere Zeit ist so aufregend, daß man die Menschen eigentlich
nur noch mit Langeweile schockieren kann. (Samuel Beckett)

Bastian D. Bode

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Aug 7, 2005, 10:13:43 AM8/7/05
to

Deswegen hat's die Bahn ja abgelehnt, die 605 haben kein Restaurant.
;-)

Gruss
Bastian

Frank Lakemann

unread,
Aug 8, 2005, 3:01:57 PM8/8/05
to
Marco Gsellmann zitierte:

> Die Itztalbrücke ist für die ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt gedacht, doch der
> Bund legte das 1991 groß angekündigte "Verkehrsprojekt Deutsche Einheit
> Nummer 8" aus Geldmangel auf Eis. Nur die 868 Meter lange Itztalbrücke wurde
> schon mal gebaut - und nun an beiden Seiten mit großen Toren verschlossen,
> damit niemand darauf herumturnt. Bis zum ersten Mal ein Zug über das 30
> Meter hohe Bauwerk fährt, kann es drei Jahrzehnte dauern.

Will man jetzt für jedes Bauwerk im Zuge dieser NBS eine solche Meldung
schreiben - wahrscheinlich ja. Es existieren schon mehrere Brücken und
Tunnel, also langsam wird das langweilig.
Für den Bau der A71/A73 im gleichen Bereich ist offenbar Geld ohne Ende
da, das ist grüne Verkehrspoitik...

Gruß, Frank

Carsten Weber

unread,
Aug 9, 2005, 3:15:07 AM8/9/05
to
"Frank Lakemann" <fl-usene...@expires-2005-09-30.arcornews.de> schrieb
im Newsbeitrag news:dd8h94.3...@lakemann.de.vu...

Von den Autofahreren werden auch keine 10% Eigenanteil verlangt. ...

Gruß Carsten


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Mathias Boelckow

unread,
Aug 9, 2005, 6:09:17 PM8/9/05
to
Frank Lakemann <fl-usene...@expires-2005-09-30.arcornews.de>
schrieb/wrote uns/us:

>> Die Itztalbrücke ist für die ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt gedacht, doch der
>> Bund legte das 1991 groß angekündigte "Verkehrsprojekt Deutsche Einheit
>> Nummer 8" aus Geldmangel auf Eis.

[..]

>Für den Bau der A71/A73 im gleichen Bereich ist offenbar Geld ohne Ende
>da, das ist grüne Verkehrspoitik...

Der zuständige Bundesminister heißt Stolpe und hat mit
Bündnis90/Grünen nichts zu tun, außer dass er mit diesen in einer
Koalition ist. Was Du siehst ist spezialdemokratische Verkehrspolitik.


Der Grüne Anteil am Investitonsgeschehen beschränkte sich im
wesentlichen auf das Drängen, den Investitionrückstand im Bestandsnetz
abzubauen. Das ist lässt sich leider nur schlecht verkaufen, da keine
Grundsteine gelegt und Bänder durchschnitten werden und während der
Renovierung die Bauarbeiten zu Verkehrseinschränkungen führen. Leider
waren in der zweiten rot/grünen Legislatur auch die
Regionalisierungsmittel und Investitonen ständig unter Druck z.B.
durch das Koch/Steinbrück-Papier. Wie die Prognosen zur Bundestagswahl
derzeit aussehen, muss das Netz vermutlich demnächst 4 Jahre ohne
wesentliche staatliche Zuwendungen längs kommen.

Im Koalitionsvertrag steht auf ausdrückliches Drängen von Ali Schmidt,
dass das Netz nicht verkauft wird, sehr zum Ärger vom Freund des
Autokanzlers und DB-Chef Mehdorn.

Der Nutzen der NBS im Verhältnis zu den Kosten ist umstritten, wie
auch hier in der Gruppe erkennbar. Insofern steht die NBS nicht gerade
ganz oben auf der Grünen Wunschliste.

Gruß, Mathias Bölckow

Frank Lakemann

unread,
Aug 9, 2005, 6:33:28 PM8/9/05
to
Mathias Boelckow schrieb:

>>Für den Bau der A71/A73 im gleichen Bereich ist offenbar Geld ohne Ende
>>da, das ist grüne Verkehrspoitik...
>
> Der zuständige Bundesminister heißt Stolpe und hat mit
> Bündnis90/Grünen nichts zu tun, außer dass er mit diesen in einer
> Koalition ist. Was Du siehst ist spezialdemokratische Verkehrspolitik.

Irgendwie habe ich mir dennoch bei einer solchen Regierungsbeteiligung
eine andere Gewichtung der Mittel für den Verkehr vorgestellt. Von
Verschlimmbesserungen wie bei den "Fahrgastrechten", rede ich schon
gar nicht mehr.

> Der Grüne Anteil am Investitonsgeschehen beschränkte sich im
> wesentlichen auf das Drängen, den Investitionrückstand im Bestandsnetz
> abzubauen. Das ist lässt sich leider nur schlecht verkaufen, da keine
> Grundsteine gelegt und Bänder durchschnitten werden und während der
> Renovierung die Bauarbeiten zu Verkehrseinschränkungen führen.

Das ist sicher richtig und auch wichtig, trotzdem kommt mir die Galle
hoch wenn ich sehe, wie immer wieder völlig neue Autobahnstücke in
vergleichsweise kurzer Zeit aus dem Boden gestampft werden (incl. der
nötigen Ingenieurbauten) und gleichzeitig für die Bahn kaum Geld zur
Erhaltung des Netzes da ist (bzw. eingesetzt wird). Wie ich an anderer
Stelle schon schrieb - nach Ökologie fragt ja keiner.

> Der Nutzen der NBS im Verhältnis zu den Kosten ist umstritten, wie
> auch hier in der Gruppe erkennbar. Insofern steht die NBS nicht gerade
> ganz oben auf der Grünen Wunschliste.

Das Problem ist mMn, daß die potentiellen Nutzer, insbesondere dieser
NBS, kaum eine Lobby haben.

Gruß, Frank

Achim Stenzel

unread,
Aug 10, 2005, 11:05:24 AM8/10/05
to
Frank Lakemann schrieb:

> Irgendwie habe ich mir dennoch bei einer solchen Regierungsbeteiligung
> eine andere Gewichtung der Mittel für den Verkehr vorgestellt. Von
> Verschlimmbesserungen wie bei den "Fahrgastrechten", rede ich schon
> gar nicht mehr.

Es gibt zahlreiche Politikfelder, bei denen nicht nur die
Wähler, sondern auch die Mitglieder der Grünen mehr Grün im
Gesamtbild gewünscht hätten.

Das dem nicht so ist, liegt zT an den Präferenzen derer, die in
Berlin grüne Politik machen, zT am Koalitionspartner, zT am
Bundesrat und zT am Geld.

Gruß,
Achim

space...@web.de

unread,
Aug 10, 2005, 1:21:38 PM8/10/05
to

Marco Gsellmann schrieb:
> http://www.spiegel.de/spiegel/inhalt/0,1518,366470,00.html

> Brücke ins Nichts
> Eine rund 20 Millionen Euro teure Brücke wird dieser Tage bei Rödental in
> Oberfranken fertig gestellt - vorerst jedoch ohne Aussicht auf Nutzung.

"In den Sand gesetzt" kann man dazu nicht sagen,
sie steht ja nicht am Strand. :-)))
K.L.

Mathias Boelckow

unread,
Aug 10, 2005, 7:38:39 PM8/10/05
to
Frank Lakemann <fl-usene...@expires-2005-09-30.arcornews.de>
schrieb/wrote uns/us:

>Mathias Boelckow schrieb:


>
>>>Für den Bau der A71/A73 im gleichen Bereich ist offenbar Geld ohne Ende
>>>da, das ist grüne Verkehrspoitik...
>>
>> Der zuständige Bundesminister heißt Stolpe und hat mit
>> Bündnis90/Grünen nichts zu tun, außer dass er mit diesen in einer
>> Koalition ist. Was Du siehst ist spezialdemokratische Verkehrspolitik.
>
>Irgendwie habe ich mir dennoch bei einer solchen Regierungsbeteiligung
>eine andere Gewichtung der Mittel für den Verkehr vorgestellt.

Die Gewichtung wurde im Verhältnis zur Regierung Kohl deutlich
umgeschichtet. Problem in der ersten Legislatur war, dass die DB in
der langen Regierungszeit CDU/FDP die Planungskapazität auf knapp über
Null zurückgeschraubt hat, denn mehr wurde nicht benötigt. Ab 1998
standen dann ausreichend Mittel zur Verfügung, nur konnten diese von
der DB Anfangs mangels kompetenter Mitarbeiter nicht genutzt werden.
In dieser Legislatur gab es ständige Versuche, die Mittel für den
Bahnbau zu streichen. Wenn SPD und CDU sich da einig sind, können die
Grünen nur noch die Koalitionsfrage stellen. Vermutlich hätte damit
deutlicher gedroht werden müssen. Jetzt sind zudem starke Tendenzen
innerhalb der SPD wahrnehmbar, die die Rolle als Juniorpartner in
einer großen Koalition akzeptieren. D.h. wegen des vorzeitigen Endes
dieser Legislatur dürften viele Vereinbarungen, was an Investitionen
erfolgen muss, geplatzt sein. Die SPD fühlt sich m.W. nicht mehr daran
gebunden.


>Von
>Verschlimmbesserungen wie bei den "Fahrgastrechten", rede ich schon
>gar nicht mehr.

Die Verschlimmbesserungen sind offenbar dem Populismus des
Verbraucherschutzministerium zuzurechnen. Aus den Reihen der Grünen
Fachleute für Verkehrpolitik soll es eine unmissverständliche
Ablehnung gegeben haben, die offenbar ignoriert wurde.

>> Der Grüne Anteil am Investitonsgeschehen beschränkte sich im
>> wesentlichen auf das Drängen, den Investitionrückstand im Bestandsnetz
>> abzubauen. Das ist lässt sich leider nur schlecht verkaufen, da keine
>> Grundsteine gelegt und Bänder durchschnitten werden und während der
>> Renovierung die Bauarbeiten zu Verkehrseinschränkungen führen.
>
>Das ist sicher richtig und auch wichtig, trotzdem kommt mir die Galle
>hoch wenn ich sehe, wie immer wieder völlig neue Autobahnstücke in
>vergleichsweise kurzer Zeit aus dem Boden gestampft werden (incl. der
>nötigen Ingenieurbauten) und gleichzeitig für die Bahn kaum Geld zur
>Erhaltung des Netzes da ist (bzw. eingesetzt wird). Wie ich an anderer
>Stelle schon schrieb - nach Ökologie fragt ja keiner.

Ja, wobei es m.E. noch etwas komplizierter ist. Wenn staatliches Geld
in eine Strecke gesteckt wird, die nachher weder Anschlussgleise noch
Überholmöglichkeiten hat und dafür 20 Arbeitsplätze eingespart wurden,
muss man schon nach dem volkswirtschaftlichen Nutzen fragen. Wie jeder
anständige Betrieb, bekommt die DB das Geld schon irgendwie
verballert. Die Frage ist nur, ob das Ergebnis das Geld wert war.
Gerade NBS sind letztlich zumeist extrem teuer geworden.

>> Der Nutzen der NBS im Verhältnis zu den Kosten ist umstritten, wie
>> auch hier in der Gruppe erkennbar. Insofern steht die NBS nicht gerade
>> ganz oben auf der Grünen Wunschliste.
>
>Das Problem ist mMn, daß die potentiellen Nutzer, insbesondere dieser
>NBS, kaum eine Lobby haben.

Erwünschte Lobbyarbeit ist ein ganz wesentlicher Punkt, warum von
Grüner Seite versucht wurde, die Verkehrsleistung privater,
unabhängiger EVU zu erhöhen. Leider ist deren Anteil weit davon
entfernt wirklich schlagkräftig zu sein.

Gruß, Mathias Bölckow

Klaus von der Heyde

unread,
Aug 11, 2005, 3:35:48 AM8/11/05
to
Mathias Boelckow wrote:

> Ab 1998
> standen dann ausreichend Mittel zur Verfügung, nur konnten diese von
> der DB Anfangs mangels kompetenter Mitarbeiter nicht genutzt werden.

Und das war der regierung völlig unbekannt? Solcherart massnahmen, die
unkoordiniert ablaufen und nur kurzfristig zeigen sollen, wie viel man
doch für die eisenbahn tut, verstärkten nur den eindruck, dass die
rotgrüne regierung überfordert war - gut gewollt, aber nicht gut
gemacht.

> In dieser Legislatur gab es ständige Versuche, die Mittel für den
> Bahnbau zu streichen. Wenn SPD und CDU sich da einig sind, können die
> Grünen nur noch die Koalitionsfrage stellen.

Das ist manchmal geradezu erwünscht.

> Ja, wobei es m.E. noch etwas komplizierter ist. Wenn staatliches Geld
> in eine Strecke gesteckt wird, die nachher weder Anschlussgleise noch
> Überholmöglichkeiten hat und dafür 20 Arbeitsplätze eingespart wurden,
> muss man schon nach dem volkswirtschaftlichen Nutzen fragen.

Der nutzen kann sehr wohl gegeben sein, wenn man bedenkt, dass ÖPNV
nicht selbstzweck ist, sondern wie jede art von beförderung nur ein
mittel. Wenn der ÖPNV zu teuer betrieben wird (das geld muss ja auch
irgendwo her kommen), kann das noch mehr arbeitsplätze kosten.
Mit einem effizienten betrieb bekommen der fahrgast und der
steuerzahler mehr fürs geld.
Ähnliches gilt auch für die infrastruktur für den SPFV.

Klaus

Jan Marco Funke

unread,
Aug 11, 2005, 5:27:03 AM8/11/05
to
Am 11.08.2005 01:38 schrieb Mathias Boelckow:
> Frank Lakemann <fl-usene...@expires-2005-09-30.arcornews.de>
> schrieb/wrote uns/us:

>>Von


>>Verschlimmbesserungen wie bei den "Fahrgastrechten", rede ich schon
>>gar nicht mehr.
>
> Die Verschlimmbesserungen sind offenbar dem Populismus des
> Verbraucherschutzministerium zuzurechnen. Aus den Reihen der Grünen
> Fachleute für Verkehrpolitik soll es eine unmissverständliche
> Ablehnung gegeben haben, die offenbar ignoriert wurde.

Frau Künast hört also nicht mal auf die Experten ihrer eigenen Partei?
Traurig, traurig...

>>> Der Grüne Anteil am Investitonsgeschehen beschränkte sich im
>>> wesentlichen auf das Drängen, den Investitionrückstand im Bestandsnetz
>>> abzubauen. Das ist lässt sich leider nur schlecht verkaufen, da keine
>>> Grundsteine gelegt und Bänder durchschnitten werden und während der
>>> Renovierung die Bauarbeiten zu Verkehrseinschränkungen führen.
>>
>>Das ist sicher richtig und auch wichtig, trotzdem kommt mir die Galle
>>hoch wenn ich sehe, wie immer wieder völlig neue Autobahnstücke in
>>vergleichsweise kurzer Zeit aus dem Boden gestampft werden (incl. der
>>nötigen Ingenieurbauten) und gleichzeitig für die Bahn kaum Geld zur
>>Erhaltung des Netzes da ist (bzw. eingesetzt wird). Wie ich an anderer
>>Stelle schon schrieb - nach Ökologie fragt ja keiner.
>
> Ja, wobei es m.E. noch etwas komplizierter ist. Wenn staatliches Geld
> in eine Strecke gesteckt wird, die nachher weder Anschlussgleise noch
> Überholmöglichkeiten hat und dafür 20 Arbeitsplätze eingespart wurden,
> muss man schon nach dem volkswirtschaftlichen Nutzen fragen. Wie jeder
> anständige Betrieb, bekommt die DB das Geld schon irgendwie
> verballert. Die Frage ist nur, ob das Ergebnis das Geld wert war.
> Gerade NBS sind letztlich zumeist extrem teuer geworden.

Am Montag kam im Radio NDR Info eine halbstündige Reportage zum Thema:
'Mit Tempo 300 in die Zukunft? Die Deutsche Bahn vor dem Börsengang'
http://www.ndrinfo.de/ndrinfo_pages_std/0,2758,OID1647046_REF652,00.html

Dort wurde zum Schluß auch die Frage gestellt, ob die Investitionen in
teure Neubaustrecken wirklich sinnvoll sind. Die durchschnittliche
Reiseweite der Fahrgäste im Fernverkehr läge irgendwo um die 200 km, und
bei diesen recht kurzen Reiseweiten käme es auf ein paar Minuten mehr
oder weniger meist gar nicht so sehr an, zumal das Bestandsnetz
zunehmend vernachlässigt und langsamer werde. Gelobt wurde die Schweiz,
die erstmal einen Wunsch-ITF geplant habe und zur Verwirklichung dieses
Fahrplans nun entsprechend bedarfsgerecht ausbauen würde, um möglichst
günstige Anschlüsse in alle Richtungen zu jeder halben Stunde an allen
Knoten herzustellen, während in Deutschland völlig ohne Konzept hier und
da wenige neue HGV-Strecken gebaut würden, deren Nutzen oft höchst
fragwürdig sei. An München - Nürnberg wurde der zu geringe
Fahrzeitgewinn im Verhältnis zu den horrenden Kosten, an Nürnberg -
Erfurt generell die von vornherein abzusehende mangelnde Auslastung und
an Köln/Rhein-Main die Tatsache kritisiert, dass die Fluggesellschaften
zwischen den Ballungsräumen Rhein/Main/Neckar und Rhein/Ruhr immer noch
genauso viele Fluggäste transportieren wie vor Eröffnung dieser NBS.

--
Jan Marco Funke

Joachim Schmid

unread,
Aug 11, 2005, 6:39:05 AM8/11/05
to
Mathias Boelckow verfasste am 11.08.2005 01:38:

>>>>Für den Bau der A71/A73 im gleichen Bereich ist offenbar Geld ohne Ende
>>>>da, das ist grüne Verkehrspoitik...
>>>
>>>Der zuständige Bundesminister heißt Stolpe und hat mit
>>>Bündnis90/Grünen nichts zu tun, außer dass er mit diesen in einer
>>>Koalition ist. Was Du siehst ist spezialdemokratische Verkehrspolitik.

Entschuldige bitte, aber das halte ich für Unfug. Es gibt
Kolitionsverträge und -ausschüsse, in denen gemeinsam die politische
Linie festgelegt wird. Die Grünen konnten so manches ihrer
Lieblingsthemen und -schätzchen durchsetzen. Nur in der Verkehrspolitik
haben sie seltsamerweise fast 8 Jahre lang geschlafen.

> Die Gewichtung wurde im Verhältnis zur Regierung Kohl deutlich
> umgeschichtet. Problem in der ersten Legislatur war, dass die DB in
> der langen Regierungszeit CDU/FDP die Planungskapazität auf knapp über
> Null zurückgeschraubt hat, denn mehr wurde nicht benötigt.

Das ist auch Unfug. Die NBS Köln - Frankfurt ist ebenso wie die
Verkehrsprojekte "Deutsche Einheit" (inkl. ABS und NBS nach Berlin)
bereits unter der Kohl-Regierung begonnen worden. Eben so gab es laufend
Baumaßnahmen im regionalen Bereich. Es waren also durchaus Planer
beschäftigt. Zudem gab und gibt es genug externe Ingenieurkapazität.

Was kann Kohl dafür, dass die DB unter Schröder jahrelang nicht einmal
die bereit gestellten Gelder vollständig abgerufen hat? Wenn die DB ihre
eigenen Planungskapazitäten jahrelang nicht bedarfsgerecht entwickelt,
muss sich das auch die Bundesregierung als Vertreterin des Eigentümers
anrechnen lassen. Aber die hat ja lieber aktienrechtswidrig
Vorstandsverträge vorzeitig verlängert, anstatt Aufsichtsrechte
wahrzunehmen ...

> In dieser Legislatur gab es ständige Versuche, die Mittel für den
> Bahnbau zu streichen.

Du wolltest sagen: In dieser Legislaturperiode wurde konzeptlos und sehr
kurzatmig am Verkehrswegebau herumhantiert, weil man die Finanzierung
nicht in den Griff bekam. _Keiner_ der Verkehrsträger hatte
Planungssicherheit. Ich kenne da einige Autobahn-Baumaßnahmen, die auch
ein Hü und Hott durchmachten. Eine davon direkt vor meiner Tür - weil
hier die Finanzierung verpennt und verschleppt wurde, haben 3
Ortschaften unter dem Umwegverkehr eines seit Jahren teilweise
gesperrten Autobahnkreuzes zu leiden.

Nebenbei ist ja ein offenes Geheimnis, dass es bei den Grünen eine
einflussreiche Gruppe gibt, die auch Bahn-NBS nicht mögen.

> Die Verschlimmbesserungen sind offenbar dem Populismus des
> Verbraucherschutzministerium zuzurechnen. Aus den Reihen der Grünen
> Fachleute für Verkehrpolitik soll es eine unmissverständliche
> Ablehnung gegeben haben, die offenbar ignoriert wurde.

Frau Künast agiert also gegen ihre eigene Partei? Was den Populismus
Grüner Politik betrifft, sind wir uns allerdings einig.

Joachim

Ulrich Onken

unread,
Aug 11, 2005, 2:49:18 PM8/11/05
to
Hallo,

Joachim Schmid wrote:

> Was kann Kohl dafür, dass die DB unter Schröder jahrelang nicht einmal
> die bereit gestellten Gelder vollständig abgerufen hat? Wenn die DB ihre
> eigenen Planungskapazitäten jahrelang nicht bedarfsgerecht entwickelt,
> muss sich das auch die Bundesregierung als Vertreterin des Eigentümers
> anrechnen lassen. Aber die hat ja lieber aktienrechtswidrig
> Vorstandsverträge vorzeitig verlängert, anstatt Aufsichtsrechte
> wahrzunehmen ...

Nach meiner Erinnerung hat spätestens Mehdorn-Vorgänger Ludewig mit
der Politik des Nicht-Abrufens von öffentlichen Geldern begonnen.
"Die Welt" spricht davon, dass bereits seit 1994 Investitionen in
die Bahn-Infrastruktur vernachlässigt wurden hat, also mitten in der
Ära Kohl. Quelle: http://www.welt.de/daten/2001/04/15/0415un247437.htx .

Ludewig war von Kohl in sein Amt gehievt worden und musste erst im
September 1999 gehen.

Grüsse
Uli

Ulrich Onken

unread,
Aug 11, 2005, 2:51:02 PM8/11/05
to
Hallo,

Joachim Schmid wrote:

> Was kann Kohl dafür, dass die DB unter Schröder jahrelang nicht einmal
> die bereit gestellten Gelder vollständig abgerufen hat? Wenn die DB ihre
> eigenen Planungskapazitäten jahrelang nicht bedarfsgerecht entwickelt,
> muss sich das auch die Bundesregierung als Vertreterin des Eigentümers
> anrechnen lassen. Aber die hat ja lieber aktienrechtswidrig
> Vorstandsverträge vorzeitig verlängert, anstatt Aufsichtsrechte
> wahrzunehmen ...

Nach meiner Erinnerung hat spätestens Mehdorn-Vorgänger Ludewig mit

der Politik des Nicht-Abrufens von öffentlichen Geldern begonnen.
"Die Welt" spricht davon, dass bereits seit 1994 Investitionen in

die Bahn-Infrastruktur vernachlässigt wurden, also mitten in der Ära

Joachim Schmid

unread,
Aug 12, 2005, 1:11:38 AM8/12/05
to
Ulrich Onken verfasste am 11.08.2005 20:51:

> Nach meiner Erinnerung hat spätestens Mehdorn-Vorgänger Ludewig mit
> der Politik des Nicht-Abrufens von öffentlichen Geldern begonnen.

> ...


>
> Ludewig war von Kohl in sein Amt gehievt worden und musste erst im
> September 1999 gehen.

Richtig. D.h. aber, dass die aktuelle Regierung in ihrer ganzen Zeit
nicht dagegen vorgegangen ist, und dass Schröders Liebling Mehdorn 6
Jahre lang damit fortfahren durfte.

Joachim

Mathias Boelckow

unread,
Aug 12, 2005, 7:58:58 AM8/12/05
to
Joachim Schmid <E94...@yahoo.de> schrieb/wrote uns/us:

>Mathias Boelckow verfasste am 11.08.2005 01:38:
>
>>>>>Für den Bau der A71/A73 im gleichen Bereich ist offenbar Geld ohne Ende
>>>>>da, das ist grüne Verkehrspoitik...
>>>>
>>>>Der zuständige Bundesminister heißt Stolpe und hat mit
>>>>Bündnis90/Grünen nichts zu tun, außer dass er mit diesen in einer
>>>>Koalition ist. Was Du siehst ist spezialdemokratische Verkehrspolitik.
>
>Entschuldige bitte, aber das halte ich für Unfug. Es gibt
>Kolitionsverträge und -ausschüsse, in denen gemeinsam die politische
>Linie festgelegt wird. Die Grünen konnten so manches ihrer
>Lieblingsthemen und -schätzchen durchsetzen. Nur in der Verkehrspolitik
>haben sie seltsamerweise fast 8 Jahre lang geschlafen.

Mein Eindruck ist vielmehr, dass die Grünen erst in den 90ern das Feld
der klassischen Verkehrspolitik für sich entdeckt haben. Zuvor gab
ökologisch motivierten Widerstand gegen große Infrastruktur-Projekte,
also insbesondere Autobahnen und die Fahrradförderung in den
Innenstädten. Dazu aus Klimaschutz und um die Resourcen zu schonen
Tempo 100 auf Autobahnen und 5 Mark für den Liter Benzin. Tempo 30 in
der Stadt wurde eher für die Verkehrssicherheit gefordert.

Das macht für sich genommen aber noch keine Verkehrspolitik. Dazu muss
eine Zielvorstellung entwickelt werden und versucht werden, diese
politisch umzusetzen. Das ist nach meiner Beobachtung erst in den
letzten Jahren so diskutiert worden, u.a. aus dem Zwiespalt, dass das
eigene Klientel deutlich zum mobileren Teil der Bevölkerung gehört.
D.h. es gab den ausdrücklichen Wunsch, Mobilität zu ermöglichen, und
gleichzeitig diese Mobilität so umweltverträglich und unfallfrei wie
möglich zu machen und die Gesundheitsbelastung insbesondere durch
Lärm, Abgase und Feinstaub stark zu verringern.

Bemerkenswert war, dass insbesondere der SPNV und dort besonders der
Wettbewerb nach meiner Beobachtung eine zentrale Rolle Grüner
Verkehrspolitik spielte. Soweit die Länder die Regionalisierungsmittel
sinnvoll verwendet haben, ist es dort erkennbar zu einer
Angebotsverbesserung gekommen. Inzwischen weiß DB Regio, dass die
Strecken an Mitbewerber gehen, wenn die angebotene Leistung zu
schlecht ist. Nachteil ist natürlich für die Grünen, dass das außer
Insidern kaum jemand mitbekommt. Trittin als Tf des ersten ICE auf der
NBS durch den Thüringer Wald wäre viel presswirksamer gewesen, aber
der hätte sich ohnehin hinter Mehdorn, Schröder und Stolpe einreihen
müssen.

Eine echter Missgriff mag im Nachhinein sein, dass Mehdorn weiter
agieren durfte. Die Hoffnung, er würde seine unbestrittene Fähigkeit,
Dinge durchzusetzen, zur Ausweitung des Eisenbahnverkehrs einsetzen,
erfüllte sich leider nicht. Stattdessen hat er mit Blick auf den
Börsengang m.E. den Staat abgezockt und den Wettbewerb nach
Möglichkeit verhindert.

Über Autobahnen weiß ich nur aus dem Großraum Hamburg bescheid: Die
SPD wird es nicht mitmachen, wenn groß in der Presse steht, dass auf
Grund Grüner Intervention eine Autobahn zunächst nicht gebaut wird.
Man sollte aber die Wirkung nicht unterschätzen, bei einem chronisch
unterfinanzierten BVWP deutlich zu machen, dass das eine oder andere
Projekt vor Ort sehr kritisch gesehen wird.

Ein wichtiges Grünes Anliegen ist, dem Kraftverkehr die verursachten
Kosten aufzuerlegen. Mit der LKW-Maut ist, wenn auch unter erheblichen
Geburtswehen, zumindest der Einstieg in die Technik gelungen.
Langfristig lässt sich damit ein Hebel ansetzen, der dem Güterverkehr
auf der Bahn einen erheblichen Kostenvorteil verschafft. Die LKW-Maut
wurde nicht auf Wunsch der SPD in den Koalitionsvertrag geschrieben.

>> Die Gewichtung wurde im Verhältnis zur Regierung Kohl deutlich
>> umgeschichtet. Problem in der ersten Legislatur war, dass die DB in
>> der langen Regierungszeit CDU/FDP die Planungskapazität auf knapp über
>> Null zurückgeschraubt hat, denn mehr wurde nicht benötigt.

>Das ist auch Unfug. Die NBS Köln - Frankfurt ist ebenso wie die
>Verkehrsprojekte "Deutsche Einheit" (inkl. ABS und NBS nach Berlin)
>bereits unter der Kohl-Regierung begonnen worden. Eben so gab es laufend
>Baumaßnahmen im regionalen Bereich. Es waren also durchaus Planer
>beschäftigt. Zudem gab und gibt es genug externe Ingenieurkapazität.

Man mag mich da gern mit geeigneten Quellen oder Schlussfolgerungen
eines besseren belehren, aber m.W. war die DB ab 1998 rund 4 Jahre
nicht in der Lage die bereitgestellten Mittel sinnvoll zu verbauen,
weil eingearbeitete Ingenieure und sonstige Fachplaner nicht zur
Verfügung standen. Und 1995, als Hamburg–Berlin immerhin für 160km/h
ausgebaut war, wurde eben nicht VDE1 Lübeck–Bad Kleinen angegangen.

Mit den NBS gebe ich Dir durchaus recht, dass diese bereits unter Kohl
begonnen wurden. Damit waren die Mittel gebunden und standen nicht
mehr für ander Projekte zur Verfügung, d.h. es flossen erhebliche
Investitionsmittel in die Bahn, deren Nutzen anderswo wohlmöglich
erheblich größer gewesen wäre. Zusammen mit der nötigen Renovierung
vieler Strecken aus Bundesmitteln blieb kaum Gestaltungsspielraum.

>Was kann Kohl dafür, dass die DB unter Schröder jahrelang nicht einmal
>die bereit gestellten Gelder vollständig abgerufen hat? Wenn die DB ihre
>eigenen Planungskapazitäten jahrelang nicht bedarfsgerecht entwickelt,
>muss sich das auch die Bundesregierung als Vertreterin des Eigentümers
>anrechnen lassen.

Du willst dem Management der DB vorwerfen, dass sie den
Regierungswechsel 1998 nicht vorhergesehen haben?

>Aber die hat ja lieber aktienrechtswidrig
>Vorstandsverträge vorzeitig verlängert, anstatt Aufsichtsrechte
>wahrzunehmen ...

H.M. sitzt dort auf Wunsch der SPD. Da die Arbeitnehmer auch mit ihm
leben können, dürfte er dort bleiben. Die Überlegung wäre aber
interessant, ob ggf. im Koalitionsvertrag stehen könnte, H.M. scheidet
zum nächstmöglichen Termin aus.

>> In dieser Legislatur gab es ständige Versuche, die Mittel für den
>> Bahnbau zu streichen.
>
>Du wolltest sagen: In dieser Legislaturperiode wurde konzeptlos und sehr
>kurzatmig am Verkehrswegebau herumhantiert, weil man die Finanzierung
>nicht in den Griff bekam. _Keiner_ der Verkehrsträger hatte
>Planungssicherheit. Ich kenne da einige Autobahn-Baumaßnahmen, die auch
>ein Hü und Hott durchmachten. Eine davon direkt vor meiner Tür - weil
>hier die Finanzierung verpennt und verschleppt wurde, haben 3
>Ortschaften unter dem Umwegverkehr eines seit Jahren teilweise
>gesperrten Autobahnkreuzes zu leiden.

Die Taktierereien hinterm BVWP scheinen mir recht heftig zu sein.
Zudem lässt sich kaum anderswo kurzfristig so viel Geld freischaufeln,
wenn der Bundeshaushalt abzurauschen droht.

>Nebenbei ist ja ein offenes Geheimnis, dass es bei den Grünen eine
>einflussreiche Gruppe gibt, die auch Bahn-NBS nicht mögen.

Nicht ganz. Das agiert m.W. keine geschlossene Gruppe. Es ist eher
allen klar, dass der Haushalt begrenzt ist. Somit stellt sich für jede
NBS die Frage, welche Maßnahmen deshalb nicht realisiert werden
können. Da schneiden die NBS meist nicht so gut ab. Dass man sich
nicht so gern mit den Ökologen in der Partei anlegt steht nach meiner
Beobachtung erst an zweiter Stelle.

>> Die Verschlimmbesserungen sind offenbar dem Populismus des
>> Verbraucherschutzministerium zuzurechnen. Aus den Reihen der Grünen
>> Fachleute für Verkehrpolitik soll es eine unmissverständliche
>> Ablehnung gegeben haben, die offenbar ignoriert wurde.
>
>Frau Künast agiert also gegen ihre eigene Partei?

Das wäre der Fall gewesen, wenn sie entgegen eines
Parteitagsbeschlusses oder zumindest Vorstandsvotums agiert hätte. Sie
hat den Referaten ihres Ministeriums mehr getraut, als den Leuten aus
der Partei die sich ausdrücklich als Verkehrspolitiker mit Schwerpunkt
Bahn mit der Thematik befassen.

>Was den Populismus
>Grüner Politik betrifft, sind wir uns allerdings einig.

Ganz ohne Populismus entsteht der Eindruck, es würde gar nicht
gehandelt. Ist leider so. Du schriebst ja selbst eingangs im Bezug auf
die Grünen:

>Nur in der Verkehrspolitik
>haben sie seltsamerweise fast 8 Jahre lang geschlafen.

Gruß, Mathias Bölckow

Joachim Schmid

unread,
Aug 12, 2005, 8:38:24 AM8/12/05
to
Mathias Boelckow verfasste am 12.08.2005 13:58:

> Mein Eindruck ist vielmehr, dass die Grünen erst in den 90ern das Feld

> der klassischen Verkehrspolitik für sich entdeckt haben. ...

Eine sehr gute Analyse, der ich mich anschließen kann. :-)

> Man mag mich da gern mit geeigneten Quellen oder Schlussfolgerungen
> eines besseren belehren, aber m.W. war die DB ab 1998 rund 4 Jahre
> nicht in der Lage die bereitgestellten Mittel sinnvoll zu verbauen,
> weil eingearbeitete Ingenieure und sonstige Fachplaner nicht zur
> Verfügung standen.

Welche Projekte sind denn 1998 schlagartig hinzu gekommen?

Ich sehe das noch immer so, dass die DB im Zuge des Unternehmensumbaus
zu viel Planungskapazität abgebaut hat und künftig von außen einkaufen
wollte. Dass diese Outsourcerei mit Problemen verbunden ist, war
abzusehen. Genau zur selben Zeit sind übrigens einige
Landesvermessungsämter auch in die Outsourcing-Falle getappt.

Der verschleppte Mittelabruf jener Jahre geht m.E. ganz primär auf die
internen Organisationsprobleme der DB zurück, die man in jener Zeit ja
an allen Ecken und Enden erleben durfte.

> Mit den NBS gebe ich Dir durchaus recht, dass diese bereits unter Kohl
> begonnen wurden. Damit waren die Mittel gebunden und standen nicht

> mehr für ander Projekte zur Verfügung, ...

Jedenfalls kann man aber nicht behaupten, dass vor 1998 bei der DB nicht
geplant und gebaut worden wäre.

> Du willst dem Management der DB vorwerfen, dass sie den
> Regierungswechsel 1998 nicht vorhergesehen haben?

Nein. Ich werfe dem Management der DB vor, so viel Kapazitäten abgebaut
zu haben, dass man nicht mehr ausreichend handlungsfähig war. Nochmals:
1998 sind nicht plötzlich die Milliarden auf die DB herabgeregnet. Fast
alle Projekte waren längst angestoßen, sie wurden nur beschleunigt.

Vor allem aber werfe ich der seit 1998 tätigen Bundesregierung vor, die
Umsetzbarkeit und Umsetzung ihrer eigenen Pläne und Beschlüsse durch
bundeseigene Unternehmen nicht hinreichend geprüft und durchgesetzt zu
haben.

>>Nebenbei ist ja ein offenes Geheimnis, dass es bei den Grünen eine
>>einflussreiche Gruppe gibt, die auch Bahn-NBS nicht mögen.
>

> Nicht ganz. Das agiert m.W. keine geschlossene Gruppe. ...

OK, es ist keine organisierte Gruppe. Aber die Fahrrad-Freaks,
Prinzip-Anti-Großprojektler und Öko-Fundis bei den Grünen sind immer
schnell zu einer Allianz auch gegen Bahn-NBS vereinigt. Bahn-Förderung
als allgemeines Ziel ja, konkrete Projekte zur Stärkung der Bahn nein.

>>Was den Populismus
>>Grüner Politik betrifft, sind wir uns allerdings einig.
>
> Ganz ohne Populismus entsteht der Eindruck, es würde gar nicht
> gehandelt.

Das sehe ich anders. Man kann auch sachgerecht und zielbewusst agieren,
statt Schaumblasen zu produzieren.

Joachim

Achim Stenzel

unread,
Aug 12, 2005, 9:39:47 AM8/12/05
to
Joachim Schmid schrieb:

> Das sehe ich anders. Man kann auch sachgerecht und zielbewusst agieren,
> statt Schaumblasen zu produzieren.

Das merkt dann nur keiner. Und im nächsten Wahlkampf muss man
sich dann fragen lassen, was man denn so vorzuweisen habe.

Wenn du eine ganze Wahlperiode sachgerecht und zielbewusst
handelst, steht das nicht auf S. 1 und kommt nicht in der
Tagesschau. Bändchen durchschneiden bei Einweihung von
$VERKEHRSWEG schon.

Dazu kommt, dass die Ergebnisse der mühseligen Kleinarbeit dann
auch noch als sebstverständlich und nicht als Verdienst von ein
paar hartnäckigen ABgebordneten angesehen werden.

Gruß,
Achim

Joachim Schmid

unread,
Aug 12, 2005, 11:44:18 AM8/12/05
to
Achim Stenzel verfasste am 12.08.2005 15:39:

>>Das sehe ich anders. Man kann auch sachgerecht und zielbewusst agieren,
>>statt Schaumblasen zu produzieren.
>
> Das merkt dann nur keiner.

Tatsächliche Erfolge merkt man schon.

Ein Bändchen durchschneidender Minister macht sich in der Presse gut -
einmalig. Schlechte Fahrpläne, unpünktlich fahrende Züge oder verstopfte
Straßen merken die Leute jedoch jeden Tag.

> Und im nächsten Wahlkampf muss man
> sich dann fragen lassen, was man denn so vorzuweisen habe.

Eben!

Joachim

Mathias Boelckow

unread,
Aug 12, 2005, 5:22:12 PM8/12/05
to
Joachim Schmid <E94...@yahoo.de> schrieb/wrote uns/us:

>> Man mag mich da gern mit geeigneten Quellen oder Schlussfolgerungen


>> eines besseren belehren, aber m.W. war die DB ab 1998 rund 4 Jahre
>> nicht in der Lage die bereitgestellten Mittel sinnvoll zu verbauen,
>> weil eingearbeitete Ingenieure und sonstige Fachplaner nicht zur
>> Verfügung standen.
>
>Welche Projekte sind denn 1998 schlagartig hinzu gekommen?

Mag sein, dass es weniger daran lag, sondern...

>Ich sehe das noch immer so, dass die DB im Zuge des Unternehmensumbaus
>zu viel Planungskapazität abgebaut hat und künftig von außen einkaufen
>wollte. Dass diese Outsourcerei mit Problemen verbunden ist, war
>abzusehen. Genau zur selben Zeit sind übrigens einige
>Landesvermessungsämter auch in die Outsourcing-Falle getappt.
>
>Der verschleppte Mittelabruf jener Jahre geht m.E. ganz primär auf die
>internen Organisationsprobleme der DB zurück, die man in jener Zeit ja
>an allen Ecken und Enden erleben durfte.

... Organisationsprobleme ursächlich für den schlechten Mittelabfluss
waren. Das kann man aber weder Mehdorn noch Rot-Grün anlasten, sondern
war der Zustand, wie die Bahn 1998 von Schwarz-Gelb und Ludewig
übernommen wurde. Man muss wohl Mehdorn auch zugestehen, dass unter
ihm die wilde Aufteilung in Geschäftsbereiche zu einem halbwegs
arbeitsfähigen Konzern umgestaltet wurden. Im Bereich PR und
Lobbyarbeit halte ich ihn sogar für ziemlich gut bzw. verdammt gut
aufgestellt.

>> Du willst dem Management der DB vorwerfen, dass sie den
>> Regierungswechsel 1998 nicht vorhergesehen haben?
>
>Nein. Ich werfe dem Management der DB vor, so viel Kapazitäten abgebaut
>zu haben, dass man nicht mehr ausreichend handlungsfähig war. Nochmals:
>1998 sind nicht plötzlich die Milliarden auf die DB herabgeregnet. Fast
>alle Projekte waren längst angestoßen, sie wurden nur beschleunigt.

Alternativ hätte man sie abblasen können.

>Vor allem aber werfe ich der seit 1998 tätigen Bundesregierung vor, die
>Umsetzbarkeit und Umsetzung ihrer eigenen Pläne und Beschlüsse durch
>bundeseigene Unternehmen nicht hinreichend geprüft und durchgesetzt zu
>haben.

Da liegt der eigentliche Haken. Bzw. ich neige dazu es politisch zu
betrachten, dass die SPD über Mehdorn den Koalitionsvertrag
ausgehebelt hat während die Grünen auf den unternehmerisch frei
handelnden Konzern hofften. Wobei spätestens nach der ersten
Rot-Grünen Legislatur klar war, dass sich das Schienennetz nicht für
den Wettbewerb eignet. Die eigentliche Grüne Forderung, das
Schienennetz in einer eigenen Gesellschaft (z.B. öffentlichen Rechts)
zu betreiben, ließ sich nicht im Koaltionsvertrag verankern.

Bemerkenswert finde ich, dass der von Dir formulierte Vorwurf nach
meine Wahrnehmung eher an die Grünen geht, als an die SPD, die die
Personalien Mehdorn und Stolpe (in dieser Reihenfolge) verantwortet.
Interessant wäre m.E. zu wissen, was die SPD mit ihrem Kurs bezweckt.
Optimum für die Bahn unter den rechnerisch möglichen Koalitionen wäre
sicherlich Schwarz-Grün eventuell unter Duldung der PDS. Wie
wahrscheinlich so etwas ist, muss jeder selbst auswürfeln.

>>>Nebenbei ist ja ein offenes Geheimnis, dass es bei den Grünen eine
>>>einflussreiche Gruppe gibt, die auch Bahn-NBS nicht mögen.
>>
>> Nicht ganz. Das agiert m.W. keine geschlossene Gruppe. ...
>
>OK, es ist keine organisierte Gruppe. Aber die Fahrrad-Freaks,

Wegen der Fahrradfreaks müssten im ICE ein paar Sitze zugunsten von
Mehrzweckabteilen verschwinden und Fahrradboxen in ausreichender Zahl
an jede Station und gut wäre.

>Prinzip-Anti-Großprojektler und

Die Verkehrsinfastruktur scheint der letzte Bereich zu sein, wo sich
ein Politiker ein monumentales Denkmal setzen kann.

>Öko-Fundis bei den Grünen

Die sind lange ausgetreten und nehmen übel.

>sind immer schnell zu einer Allianz auch gegen Bahn-NBS vereinigt.

Tatsächlich könnte ich auch jedesmal einen Wutanfall bekommen, wenn
ich einen Zug verpasse, weil nicht genug Auf- und Abgänge an einem
Bahnsteig vorhanden sind, aber gleichzeitig 100 Mio EUR je Minute
Fahrzeitgewinn auf NBS ausgegeben werden.

>Bahn-Förderung
>als allgemeines Ziel ja, konkrete Projekte zur Stärkung der Bahn nein.

Du meinst, statt der LKW Maut, hätte man lieber die Strecke durch den
Thüringer Wald bauen und auf einige hundert km Streckensanierung
verzichten sollen?

Eigentlich hat der Liebe Gott die Eisenbahnlinien schon ganz richtig
zwischen den Ballungsgebieten und auf den Siedlungsachsen angelegt.
Das Projekt, auf diese Strecken ansprechenden Verkehr zu fahren halte
ich für erfolgversprechender, als in jedem Jahrzehnt eine NBS für den
Fernverkehr fertigzustellen.

Aber mich würde mal interessieren, wie Du Dir das genau vorstellst.
Soll da im Koalitionsvertrag ein überarbeiter BVWP stehen? Wobei
dieser nur bereits beplante Projekte umfasst. Also müsste die Partei
Bündnis90/Die Grünen eine eigene Planungsabteilung vorhalten und die
Ergebnisse werden denn zu einer Koaltion verhandelt?

M.E. ist die Zielrichtung Trennung von Netz und Betrieb mit Verbleib
des Netzes unter staatlicher Entscheidungsbefugnis schon der richtige
Weg. Er ließ sich nur nicht durchsetzen.

>>>Was den Populismus
>>>Grüner Politik betrifft, sind wir uns allerdings einig.
>>
>> Ganz ohne Populismus entsteht der Eindruck, es würde gar nicht
>> gehandelt.
>
>Das sehe ich anders. Man kann auch sachgerecht und zielbewusst agieren,
>statt Schaumblasen zu produzieren.

Das wurde auch gemacht, aber von Dir nicht wahrgenommen.

Gruß, Mathias Bölckow

Mathias Boelckow

unread,
Aug 12, 2005, 6:26:14 PM8/12/05
to
Joachim Schmid <E94...@yahoo.de> schrieb/wrote uns/us:

>Achim Stenzel verfasste am 12.08.2005 15:39:


>
>>>Das sehe ich anders. Man kann auch sachgerecht und zielbewusst agieren,
>>>statt Schaumblasen zu produzieren.
>>
>> Das merkt dann nur keiner.
>
>Tatsächliche Erfolge merkt man schon.

Wie sollte denn so ein Erfolg aussehen?

Gruß, Mathias Bölckow

Mathias Boelckow

unread,
Aug 12, 2005, 6:26:14 PM8/12/05
to
Niels Bock <N...@arcor.de> schrieb/wrote uns/us:
>usenet0...@mathias-boelckow.de (Mathias Boelckow) schrieb:
>
>>Die Verschlimmbesserungen sind offenbar dem Populismus des
>>Verbraucherschutzministerium zuzurechnen. Aus den Reihen der Grünen
>>Fachleute für Verkehrpolitik soll es eine unmissverständliche
>>Ablehnung gegeben haben, die offenbar ignoriert wurde.
>
>Das Handeln des grün geführten Verbraucherschutzministeriums müssen
>sich die Grünen insgesamt aber zu einem ordentlichen Teil zurechnen
>lassen.

Gut gemeint ist eben manchmal das Gegenteil von gut.
Es ist vermutlich nicht nur bei den Grünen das Problem, dass einige
Leute sich zu wichtig finden, um bei denen nachzufragen, die davon
etwas verstehen, wenn sie glauben selbst genug zu wissen. Manchmal
werden dafür aber auch diese hochwichtigen Leute bei den Grünen
richtig auf den Pott gesetzt. Dieser überflüssige Anhang an den
Beföderungsbestimmungen wurde allerdings m.W. bisher nicht als so
wichtig eingestuft.

>>Ja, wobei es m.E. noch etwas komplizierter ist. Wenn staatliches Geld
>>in eine Strecke gesteckt wird, die nachher weder Anschlussgleise noch
>>Überholmöglichkeiten hat und dafür 20 Arbeitsplätze eingespart wurden,
>>muss man schon nach dem volkswirtschaftlichen Nutzen fragen. Wie jeder
>>anständige Betrieb, bekommt die DB das Geld schon irgendwie
>>verballert. Die Frage ist nur, ob das Ergebnis das Geld wert war.
>

>Du spielst auf ESTW an? Die machen den Netzbetrieb rentabler und
>entlasten damit immerhin die öffentliche Hand.

Da die DB zu 100% dem Bund gehört, mag man das hoffen.
Der Personaleinsatz auf einigen Strecken mit alter Signaltechnik ist
wohl tatsächlich abenteuerlich. Andererseits scheint mir die extreme
Sparerei, was Personal und Gleise angeht, für dass allgegenwärtige
Chaos ursächlich, wenn der Betrieb mal nicht so glatt läuft.

>>Erwünschte Lobbyarbeit ist ein ganz wesentlicher Punkt, warum von
>>Grüner Seite versucht wurde, die Verkehrsleistung privater,
>>unabhängiger EVU zu erhöhen. Leider ist deren Anteil weit davon
>>entfernt wirklich schlagkräftig zu sein.
>

>Welche unabhängigen EVU sind damit gemeint?

Richtig breit aufgestellt scheint nur Connex zu sein. Ansonsten EVU
wie die PEG, Rail4chem,.. einschließliche aller Wald- und Wiesen- und
Bauzug-Bahnen. Nicht ganz die reine Lehre sind die mehr oder weniger
landeseigenen EVU wie AKN, Metronom usw.. Ich halte es jedenfalls für
einen wirklich wesentlichen Vorteil, dass ein Bundesland nunmehr nicht
als Bittsteller gegenüber der Bundesbehörde oder noch schlimmer dem
privaten Eisenbahnmonpolist auftritt, doch bitte den SPNV anständig zu
fahren. Wenn heute die DB sagt, sie kann nur 6 Wagen, dann wird eben
ein EVU gesucht das auch 8 Wagen kann, wenn es not tut. Es macht wenig
Sinn, noch ewig Geld in Investitionen zu verballern, wenn die Leute,
die die Eisenbahn schon jetzt nutzen wollen, keinen Platz mehr finden.

Gruß, Mathias Bölckow

Joachim Schmid

unread,
Aug 12, 2005, 6:57:36 PM8/12/05
to
Mathias Boelckow verfasste am 12.08.2005 23:22:

>>Welche Projekte sind denn 1998 schlagartig hinzu gekommen?
>
> Mag sein, dass es weniger daran lag, sondern...

> ... Organisationsprobleme ursächlich für den schlechten Mittelabfluss
> waren. Das kann man aber weder Mehdorn noch Rot-Grün anlasten, sondern
> war der Zustand, wie die Bahn 1998 von Schwarz-Gelb und Ludewig
> übernommen wurde.

Deine ursprüngliche (falsche) Behauptung war aber, dass unter
schwarz-gelb nichts gebaut worden wäre. Und eigenartigerweise hat es
rot-grün jahrelang nicht geschafft, für Abhilfe zu sorgen. Im Gegenteil,
die DB wurde sich selbst und einer neu installierten, betriebs- und
produktfremden Führungstruppe überlassen.

Ludewig war eine klare personalpolitische Fehlentscheidung, aber unter
ihm waren an den meisten Schaltstellen wenigstens noch erfahrene
Eisenbahner.

> Man muss wohl Mehdorn auch zugestehen, dass unter
> ihm die wilde Aufteilung in Geschäftsbereiche zu einem halbwegs
> arbeitsfähigen Konzern umgestaltet wurden. Im Bereich PR und
> Lobbyarbeit halte ich ihn sogar für ziemlich gut bzw. verdammt gut
> aufgestellt.

Äh, wie meinen?? Mehdorn hat die irre Divisionalisierung doch fröhlich
fortgsetzt, und mit seinen Trampeltier-Auftritten und den unsäglichen
Fehlleistungen seiner Lufthansa-Kameraden erst für das katastrophale
Image der DB gesorgt.

> ich neige dazu es politisch zu
> betrachten, dass die SPD über Mehdorn den Koalitionsvertrag
> ausgehebelt hat während die Grünen auf den unternehmerisch frei
> handelnden Konzern hofften.

Das ist eine interessante Sicht, der ich folgen kann. Aber warum gibst
du dafür der Vorgängerregierung die Schuld?

> Bemerkenswert finde ich, dass der von Dir formulierte Vorwurf nach
> meine Wahrnehmung eher an die Grünen geht, als an die SPD, die die
> Personalien Mehdorn und Stolpe (in dieser Reihenfolge) verantwortet.

Mein Vorwurf geht an die Regierung insgesamt, und beide sie tragenden
Parteien. Die Grünen wollten diese Koalition, jetzt müssen sie auch für
alle Folgen mit verantwortlich zeichnen und können nicht nur
Rosinenpickerei betreiben. Wenn sie sich ausgerechnet in
umweltpolitischen Kernbereichen 2 Legislaturperioden weitgehend
abgemeldet und statt dessen lieber Showtanz in Umwelt-, Außen- und
Verbraucherministerium betrieben haben, geht das nun mal auf deren Kappe.

> Optimum für die Bahn unter den rechnerisch möglichen Koalitionen wäre
> sicherlich Schwarz-Grün eventuell unter Duldung der PDS. Wie
> wahrscheinlich so etwas ist, muss jeder selbst auswürfeln.

Mein Würfel ist dabei geplatzt... ;-)

> Wegen der Fahrradfreaks müssten im ICE ein paar Sitze zugunsten von
> Mehrzweckabteilen verschwinden und Fahrradboxen in ausreichender Zahl
> an jede Station und gut wäre.

Das glaube ich nicht. Die vertreten eher die Linie "Ortsnahe
Neigetechnik statt Schnellverkehr".

>>Prinzip-Anti-Großprojektler und
>
> Die Verkehrsinfastruktur scheint der letzte Bereich zu sein, wo sich
> ein Politiker ein monumentales Denkmal setzen kann.

... und ist einer der klassischen Bereiche für Verhinderungsaktivisten.

>>Öko-Fundis bei den Grünen
>
> Die sind lange ausgetreten und nehmen übel.

Ach? Im Umweltministerium mit seiner Windrad-Manie scheinen sie sich
ganz wohl zu fühlen.

> Tatsächlich könnte ich auch jedesmal einen Wutanfall bekommen, wenn
> ich einen Zug verpasse, weil nicht genug Auf- und Abgänge an einem
> Bahnsteig vorhanden sind, aber gleichzeitig 100 Mio EUR je Minute
> Fahrzeitgewinn auf NBS ausgegeben werden.

Warum werden immer wieder sich ergänzende Maßnahmen zu Alternativen
hochgespielt?

Ich habe übrigens noch nie einen Zug wegen fehlender Bahnsteigzugänge
verpasst, aber schon öfters wegen Verspätungen und fehlender Koordination.

>>Bahn-Förderung
>>als allgemeines Ziel ja, konkrete Projekte zur Stärkung der Bahn nein.
>
> Du meinst, statt der LKW Maut, hätte man lieber die Strecke durch den
> Thüringer Wald bauen und auf einige hundert km Streckensanierung
> verzichten sollen?

Schon wieder so ein künstlich geschaffener Widerspruch, den ich nicht
sehe. Die Lkw-Maut war überfällig und gut, wurde aber wieder mal
dilettantisch realisiert, und in Richtung "Verteuerung des
Straßentransports" hat man nicht einmal ansatzweise zu gehen gewagt.
Warum diese Maut der Thüringer NBS geschadet haben soll, bitte ich zu
erklären. Ebenso, welche mehrere hundert km Strecke mit dem Geld aus der
Verschleppung dieses Projekts zusätzlich saniert worden sind.

> Eigentlich hat der Liebe Gott die Eisenbahnlinien schon ganz richtig
> zwischen den Ballungsgebieten und auf den Siedlungsachsen angelegt.

Nur haben sich in den 100 Jahren seither andere Verkehrsträger mit
konkurrenzfähigeren Reisezeiten dazu gesellt.

> Das Projekt, auf diese Strecken ansprechenden Verkehr zu fahren halte
> ich für erfolgversprechender, als in jedem Jahrzehnt eine NBS für den
> Fernverkehr fertigzustellen.

Hast du die stundenlange Kurverei auf den alten Strecken durch
Württemberg, Werra- und Rheintal noch erlebt? Ohne die NBS wäre die Bahn
in den Relationen zwischen den westdeutschen Zentren heute nicht mehr
konkurrenzfähig. Was passiert, wenn man auf den alten Strecken bleibt,
konnte man ja an der Beerdigung des Fernverkehrs zwischen Sachsen und
Bayern sehen. Der Mehrfachausbau von Berlin nach Hamburg und Hannover
war hingegen auch aus meiner Sicht krasse Geldverpulverung.

> Aber mich würde mal interessieren, wie Du Dir das genau vorstellst.
> Soll da im Koalitionsvertrag ein überarbeiter BVWP stehen?

Man kann in Koalitionsverträgen sowohl eine grundsätzliche Richtung als
auch bestimmte Einzelmaßnahmen festlegen. Wenn man hingegen ein ganzes
Politikfeld weitgehend ausklammert, sind fehlende Erfolge unvermeidlich.

> Also müsste die Partei
> Bündnis90/Die Grünen eine eigene Planungsabteilung vorhalten und die
> Ergebnisse werden denn zu einer Koaltion verhandelt?

Für die Detailarbeit gibt es Kolitionsausschüsse, Bundestagsausschüsse,
und Fachministerien. Überall haben die Regierungsparteien das Sagen.
Wenn sich eine Koalitionspartei in Kernbereichen ihrer Politik nicht
durchsetzen kann, und eine Regierung nach 2 Legislaturperioden nur einen
verkehrspolitischen Scherbenhaufen hinterlassen hat, so muss sich das
jeder Kolitionspartner zurechnen lassen. Zu sagen: "Wir sind die tollen
Umweltretter, aber die böse SPD hat uns nicht gelassen", ist wenig redlich.

> M.E. ist die Zielrichtung Trennung von Netz und Betrieb mit Verbleib
> des Netzes unter staatlicher Entscheidungsbefugnis schon der richtige
> Weg. Er ließ sich nur nicht durchsetzen.

Ist das ein Erfolg? Nein.

>>Das sehe ich anders. Man kann auch sachgerecht und zielbewusst agieren,
>>statt Schaumblasen zu produzieren.
>
> Das wurde auch gemacht, aber von Dir nicht wahrgenommen.

Wo denn? Ich sehe keine "grüne" Verkehrspolitik. Man ein Bisschen mehr
Geld im Verkehrswegebau zur Schiene umgeschichtet, aber dieses Geld dann
wenig zielgerichtet verwendet. Die auch von dir gelobte Regionalisierung
der Finanzierung des Schienennahverkehrs stammt noch aus Kohl-Zeiten.
Und eigenartigerweise hat man es ja nicht einmal gewagt, europaweit
übliche und sinnvolle Dinge wie ein Tempolimit anzugehen. Das Ausufern
der Billigflieger ist auch eine Erscheinung der aktuellen Regierung.
Jaa, auch grüne Minister fliegen gerne, wie man inzwischen weiß.

Joachim

Reinhard Greulich

unread,
Aug 12, 2005, 7:03:53 PM8/12/05
to
Joachim Schmid schrieb am Sat, 13 Aug 2005 00:57:36 +0200:

>Die auch von dir gelobte Regionalisierung
>der Finanzierung des Schienennahverkehrs stammt noch aus Kohl-Zeiten.
>Und eigenartigerweise hat man es ja nicht einmal gewagt, europaweit
>übliche und sinnvolle Dinge wie ein Tempolimit anzugehen.

Das ist völlig richtig und auch zu kritisieren. Andererseits hat man
sehr grundlegende Dinge wie die Lkw-Maut begonnen, selbst wenn die
erste Umsetzung durch den jeweils amtierenden Verkehrsminister nicht
so sehr befriedigend aussah. Dass keine einzige starke Persönlichkeit
dieses Amt bekleidet hat, lässt vielleicht auf den Stellenwert der
Verkehrspolitik schließen, aber das war bei früheren Regierungen nicht
anders.

>Das Ausufern
>der Billigflieger ist auch eine Erscheinung der aktuellen Regierung.
>Jaa, auch grüne Minister fliegen gerne, wie man inzwischen weiß.

Mit Verlaub: Das ist nun Wahlkampfpolemik auf Stoiber-Niveau.
Billigflieger sind, wie Du sicher weißt, keineswegs eine Erscheinung,
die es nur auf deutschen Flughäfen gibt.

Gruß - Reinhard.
--
~=@=~ 70086 (52°22,726'N - 009°48,775'E)
Mailadresse im Header ist gültig.

Joachim Schmid

unread,
Aug 12, 2005, 7:04:51 PM8/12/05
to
Mathias Boelckow verfasste am 13.08.2005 00:26:

>>Tatsächliche Erfolge merkt man schon.
>
> Wie sollte denn so ein Erfolg aussehen?

Sichtbare Merkmale einer erfolgreichen Verkehrspolitik könnten z.B. sein:
Zunahme des Marktanteils der Bahn.
Pünktliche Züge.
Benutzerfreundliche Fahrpläne und Flächenerschließung.
Benutzer- und behindertenfreundliche Bahnanlagen.
Eindämmung des Straßenverkehrs in Siedlungen.
Eindämmung der Billigfliegerei.
Bekämpfung der Raserei im Straßenverkehr.
Weniger Staus.

Joachim

Joachim Schmid

unread,
Aug 12, 2005, 7:08:39 PM8/12/05
to
Mathias Boelckow verfasste am 13.08.2005 00:26:

> Andererseits scheint mir die extreme


> Sparerei, was Personal und Gleise angeht, für dass allgegenwärtige
> Chaos ursächlich, wenn der Betrieb mal nicht so glatt läuft.

Und dafür willst du nach 7 Jahren immer noch die Kohl-Regierung
verantwortlich machen?

> Ich halte es jedenfalls für
> einen wirklich wesentlichen Vorteil, dass ein Bundesland nunmehr nicht
> als Bittsteller gegenüber der Bundesbehörde oder noch schlimmer dem
> privaten Eisenbahnmonpolist auftritt, doch bitte den SPNV anständig zu
> fahren.

Seltsamerweise hat sich ausgerechnet das rot-grün regierte NRW viel zu
lange genau so verhalten. Die Wende kam hier erst nach der Katastrophe
vor 2 Jahren. Und plötzlich haben wir hier sichtbare Erfolge, nach denen
du vorher fragtest.

Joachim

Joachim Schmid

unread,
Aug 13, 2005, 5:10:46 AM8/13/05
to
Reinhard Greulich verfasste am 13.08.2005 01:03:

>>Das Ausufern
>>der Billigflieger ist auch eine Erscheinung der aktuellen Regierung.
>>Jaa, auch grüne Minister fliegen gerne, wie man inzwischen weiß.
>
> Mit Verlaub: Das ist nun Wahlkampfpolemik auf Stoiber-Niveau.

Ich bin in keiner Partei und habe es auch nicht nötig, hier für irgend
jemanden Wahlkampf zu machen - im Gegensatz zu einigen anderen Leuten
hier, die immer wieder ohne Anlass und Not Fußtritte gegen angeblich
autofreundliche/bahnfeindliche Parteien verteilen, die eigenartigerweise
nicht die Heimat des Autokanzlers sind.

Aber mich macht es stinkwütend, wenn die selben Leute, die dem Volk
Selbstbeschränkung bei der Wahl der Reisemittel predigen und ihren
Bediensteten für Dienstreisen selbst unter ungünstigsten Umständen nur
noch ein 2.-Klasse-DB-Ticket bezahlen wollen, fröhlich herumjetten.

> Billigflieger sind, wie Du sicher weißt, keineswegs eine Erscheinung,
> die es nur auf deutschen Flughäfen gibt.

Ja und? Es ist nun mal eine Erscheinung, die in die Amtszeit der
aktuellen Regierung fällt. Und wird auf deutschen Flughäfen wenigstens
angefangen, diesem Unsinn gegen zu steuern? Ne