Am 08.11.22 um 21:44 schrieb Jörg Tewes:
> Marcel Mueller schrieb:
>> Das kann man bestimmt so begründen, aber nahezu all das funktioniert
>> auch ohne DASH, und zwar seit Jahrzehnten. Jeder DVB-Stream hat
>> dieselben Anforderungen.
>
> Und jeder DVB-Stream teilt sich seine Datenrate mit 1000en von anderen
> Streams? Und ich dachte immer jeder Sender hätte einen
> Sat-Transponder, ok seit der Digitalisierung sind vermutlich mehrere
> Sender pro Transponder. Aber das ist mit dem Internet in etwa so
> vergleichbar wie ein Zug der eine eigene Trasse hat, mit einem Auto
> das über eine vielbefahrene Autobahn die gleiche Strecke zurücklegt.
Es ist eigentlich ziemlich egal ob die Streams über eine Straße mit
großer Kapazität fahren oder über viele Straßen mit geringerer Kapazität.
Was sich je nach Transportweg tatsächlich unterscheidet ist die zu
erwartende Fehlerrate. Die ist bei DVB-C am niedrigsten - keine
Umwelteinflüsse. Bei DVB-S(2) sieht es schon deutlich schlechter aus. Je
nach Wetter und Empfangsanlage, können schon mal Teile des Signal
gestört werden und nicht ankommen. Bei DVB-T kommen noch bewegte
Gegenstände, ungünstige Antennenpositionen und auch terrestrische
Störstrahlung (EMV) hinzu.
IP-Multicast-Streams wiederum haben eine nahezu mit DVB-C vergleichbare
Zuverlässigkeit. IP Punkt zu Punkt Streams wiederum haben gelegentliche
Paketverluste. (Kleines Paradoxon am Rande: obwohl es den Providern Geld
spart, soll man für IP-Multicast extra bezahlen.)
Um all dem Rechnung zu tragen, verwendet jeder Transportkanal sein
eigenes, geeignetes Modulationsverfahren bzw. Low-Level Protokoll (bei
IP) mit entsprechend viel Redundanz (Forward Error Correction).
Was sich weiterhin unterscheidet, sind die Kosten für die Bandbreite.
Bei DVB-S(2) ist sie billig. Bei IP Multicast und DVB-C muss man schon
ein wenig aufpassen. Tausende von Streams parallel geht da nicht ohne
weiteres. Naja, und bei DVB-T und IP Punkt zu Punkt kostet Banbreite
richtig Geld. Deshalb wird auf diesen Kanälen ein möglichst effizienter
Codec eingesetzt, üblicherweise HEVC. Bei IP Punkt zu Punkt sind zum
Teil auch noch ältere Codecs im Einsatz. In dem Fall wird halt dann bei
der Auflösung gespart.
Für Video on Demand eignet sich natürlich erstmal nur der ineffiziente
Punkt zu Punkt Transport. Aber AFAIK bietet Sky das auch schon lange
über DVB-S2 an.
Da die Bandbreiten für jeden Konsumenten (und auch Serverbetreiber)
andere Kosten verursacht, ist man schon früh dazu über gegangen,
IP-Stremas in verschiedenen Qualitäten anzubieten. Das wiederum wirft
die Frage auf, welche Qualität für mich die richtige ist. Und da kam die
Idee auf, die Qualität automatisch an die verfügbare Bandbreite
anzupassen, also den Streamsender immer mal zu wechseln. (Etwas analoges
machen UKW RDS-Radios auch, ganz ohne digital und DASH. Bei dem analogen
Zeug wechselt zwar nicht die theoretische Bandbreite, sehr wohl aber
die, die real beim Empfänger ankommt.)
Aus Konsumentensicht finde ich die dynamische Anpassung an die maximal
verfügbare Bandbreite eher doof. Weder will ich, dass für ein kleines
Handy-Display teuer und umweltschädlich Mobilvolumen verballert wird,
noch möchte ich auf einem (großen) TV eine Casting-Show für
Kompressionsartefakte sehen. Sowas macht man mit Quality of Service. Da
muss der 5GB Download für's Win11 Update halt mal warten.
Das einzige vielleicht schlaue an DASH ist, dass man Audio und Video
über unterschiedliche Kanäle überträgt. Das erspart dem Server, das
Signal für jede Kombination von Audio und Videoqualität für den
jeweiligen Stream-Empfänger zu multiplexen. Aber multiplexen ist jetzt
auch keine in irgendeiner Weise rechenzeitintensive Aufgabe.
Im Gegensatz zu neuen, effizienteren Codecs, die alle paar Jahre durchs
Dorf getrieben werden, bietet DASH daher nur geringen Mehrwert. Das
bringt mich zu dem Punkt dass vielleicht doch die parasitären Interessen
bei der Entscheidung dafür gar nicht im Hintergrund gestanden haben.
Marcel