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Braune Flecken 17/04

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Braunbuch

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May 14, 2004, 8:46:27 AM5/14/04
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Braune Flecken
Dokumentiert Antisemitismus, Militarismus, Neofaschismus, Rassismus,
Revanchismus und Gegenwehr in Chemnitz, Sachsen und überhaupt
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Ausgabe 17/04 - 14. Mai 2004
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Mai 2004

Proteste in Torgau bei Ausstellungseröffnung
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Torgau. Unter dem Protest von NS-Opfern in Torgau ist die
Dauerausstellung "Spuren des Unrechts" eröffnet worden. Mit
Zwischenrufen und Flugblättern machte die Bundesvereinigung der
Opfer der NS-Militärjustiz auf eine Vernach-lässigung ihrer
Schicksalsgenossen aufmerksam, zu der es aus ihrer Sicht in der
Ausstellung kommt. Die Dokumentation widmet sich der national-
sozialistischen Militärjustiz, den beiden sowjetischen
Speziallagern 1945 bis 1948 und dem DDR-Strafvollzug in der
sächsischen Stadt von 1950 bis 1990. Sie wurde vom
Dokumentations- und Informationszentrum Torgau erarbeitet. (epd)
(Freie Presse 10.05.2004)

Blumen und Demos zum 8. Mai
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Berlin (Agenturen/ND). (...) Hunderte Menschen protestierten am
Sonnabend in Rheinland-Pfalz, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern
gegen Neonazi-Aufmärsche. Im rheinland-pfälzischen Marienfels
forderten rund 150 Rechtsextremisten den Wiederaufbau eines
SS-"Ehrenmals". Zugleich protestierten in dem kleinen Ort im
Taunus etwa 300 Gegendemonstranten einer "Allianz der Vernunft"
gegen Rechtsextremismus. Unbekannte hatten auf dem Friedhof Ende
April das angeblich einzige "Ehrenmal" für Gefallene der
Waffen-SS in Deutschland zerstört. In Rostock zogen rund 120
Rechtsradikale unter der Losung "8. Mai - wir kapitulieren nie!"
durch die Stadt. Mehrere hundert Antifaschisten gedachten mit
einer Demonstration des Tages der Befreiung und protestierten
gegen den Nazi-Aufmarsch (ND 10.05.2004)

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10. Mai 1933 - Bücherverbrennung:
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Offizieller Beginn der faschistischen Aktion zur "Säuberung"
öffentlicher und privater Bibliotheken in Deutschland von
humanistischen Werken deutscher und ausländischer Literatur und
Wissenschaft, damit zugleich Auftakt zur Verfolgung humanistisch
gesinnter Vertreter der Literatur, Kunst und Wissenschaft von
Weltrang. Am 10. Mai 1933 wurden auf dem Berliner Opernplatz und
auf vielen öffentlichen Plätzen deutscher Universitätsstädte
Bücher der zeitgenössischen Literatur von Weltgeltung und ein
wesentlicher Teil der Werke von Klassikern der europäischen
Literatur und Philosophie verbrannt.
Allein in der Zeit vom 10. bis 20. Mai 1933 fielen rund eine
Million Bücher der Vernichtung anheim. Die Beseitigung solcher
Werke wie der von Henri Barbusse, Johannes R. Becher, Bertolt
Brecht, Albert Einstein, Lion Feuchtwanger, Leonhard Frank, Maxim
Gorki, Heinrich Heine, Egon Erwin Kisch, Erich Mühsam, Heinrich
Mann, Thomas Mann, Erich Maria Remarque, Romain Rolland, Michail
Scholochow, Kurt Tucholsky, Voltaire, Arnold Zweig, Stefan Zweig,
von Karl Marx, Friedrich Engels und W.I. Lenin, von August Bebel,
Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg u. a. bedeutender Führer der
deutschen und der internationalen Arbeiterbewegung und zahlreicher
anderer sollte den deutschen Faschisten den Weg für die
Barbarisierung des deutschen Geisteslebens und die ideologische
Kriegsvorbereitung der deutschen Jugend frei machen. Die bald nach
diesem Gewaltakt veröffentlichten Verbotslisten des
nationalsozialistischen Propagandaministeriums erweiterten ständig
die Zahl der in Deutschland geächteten Bücher. Sie umfaßten schon
im Mai 1934 mehr als 3000 Bücher und Schriften.

(Wörterbuch der Geschichte, 1984)
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Ein Tag "Straße der Befreiung"
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Technischer K.O. für Dresdner Neonazis

Von Gunnar Schubert, Dresden

Der Tag der Befreiung wurde in Dresden zünftig begangen. Mit einer
Befreiung des Internets von diversen braunen Kampfsprüchen eines
Neonazi-Debattenforums.

Kurz nach eins am Samstagmorgen stand die Warnung auf der Homepage
des Nazi-Bündnisses "Nationales Bündnis Dresden" (NB), die Gruppe
"Katjuscha" werde das Forum übernehmen. Etwas später verschwanden
nach und nach die Einträge der letzten Monate, diese Mischung aus
Ressentiment, Orthografieschwäche und Eigenlob. 10.15 Uhr war der
letzte Eintrag verschwunden. Das Nazi-Bündnis aus NPD, DVU
"Republikanern" und "freien Kameraden" zur Kommunalwahl ist seit
dem 8. Mai technisch k.o.
Von einem zufällig gewählten Datum ist auch deshalb nicht
auszugehen, da am Vorabend die Plakatwerbung des NB begann, und am
Samstag die antisemitische "Junge Landsmannschaft Ostpreußen" deren
ehemaliger Vorsitzender für das NB kandidiert, ihren alljährlichen
Aufzug unter dem Motto "8. Mai Befreiung? Von Eigentum, Heimat und
Leben" angemeldet hatte. Knapp 100 Personen waren gefolgt. Nachdem
der Zug, wie bei den Dresdner Neonaziaufmärschen üblich, an der
Neuen Synagoge vorbeigeführt wurde, endete die Veranstaltung auf
dem vormaligen Adolf-Hitler-Platz vor der Semperoper.
Ständig unterbrochen von etwa 400 Antifaschisten, hielt der NB-
Kandidat Klaus Menzel eine Rede, in der er von der "zwanzigjährigen
Schande der Weimarer Republik" sprach. "Unsere Helden wurden 1945
gehängt." Dies alles war kein Grund für die zum Schutz des hierorts
gern als Rechtsextremisten verharmlosten Nazi-Nachwuchses
eingesetzten Polizisten einzugreifen. Gezielt wurden dagegen
Gegendemonstranten von Greiftrupps herausgezogen. Menzel hatte
durchaus Grund, sich im Anschluss "noch mal bei der deutschen
Polizei zu bedanken.
Die Gegner aller Hitler-Glorifizierungen nutzten den Rest des Tages
hingegen, um auf der Hauptstraße mit Musik und Feier den Alliierten
für die Zerschlagung der Nazi-Herrschaft zu danken. Und gaben der
Straße symbolisch den Namen zurück, den sie bereits in der DDR trug:
Straße der Befreiung. (ND 10.05.2004)

Attentat auf Synagoge verhindert
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Paris (AFP/ND). Die französischen Behörden haben nach eigenen
Angaben ein Attentat auf eine Synagoge in einem Vorort von Paris
verhindert. In der Nacht zum Sonnabend sei im Garten der Synagoge in
Villieus-le-Bel ein Sprengsatz entschärft worden, teilte
Innenminister Dominique de Villepin mit. Erst am Freitag waren an
einem jüdischen Denkmal im ostfranzösischen Fleury-deuent-Douaumont
bei Verdun Nazi-Schmierereien entdeckt worden. Eine Woche zuvor hatten
unbekannte Täter 127 Gräber auf dem jüdischen Friedhof Hattstatt-
Herrlisheim bei Colmar im Elsass geschändet. (ND 10.05.2004)

Einfallstor für Rechtsextremismus
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Esoterik-Experten warnen vor Verbreitung faschistischen Gedankenguts

Von Susann Witt-Stahl, Hamburg

Was mit vermeintlich harmlosen Gläserrücken oder Tarot-Karten-Legen
anfängt, gipfelt nicht selten in eine Hingabe an eine Blut- und
Boden- und Herren-menschen-Ideologie.

"Nachdem die meisten rechtsextremen Parteien einen Niedergang erleben
mussten, gilt die Esoterik als wichtigster Blockadebrecher der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung", sagt Rainer Fromm, der als
Kenner der Satanisten-Szene gilt. Der Journalist ist Berater der
Hamburger Innenbehörde, die jüngst die überarbeitete Neuauflage ihrer
Broschüre "Brennpunkt Esoterik" vorstellte. Sie wurde um
Rechtsradikalismus in der Esoterik erweitert.
Vom offenen militanten Neonazismus, über den Satanismus mit seiner
antijüdischen-antichristlichen und sozialdarwinistischen Ausrichtung,
ariosophische Rassenlehren, bis zu antisemitischen
Weltverschwörungstheorien in der Okkultismus-Szene sind so ziemlich
alle Facetten des Rechtsextremismus vertreten. "Sehr häufig finden
sich Lehren, die bestimmten Bevölkerungsgruppen das Lebensrecht
absprechen und die massenhafte Auslöschung von Menschenleben als
karmanistische Notwendigkeit propagieren", berichtete Fromm. So
betrachtet der Berliner "Reinkarnationstherapeut" Trutz Hardo die
Ermordung von Millionen Juden durch Gas im Nazi-Reich in seinem in
Deutschland verbotenen Roman "Jedem das Seine" als "welthistorisches
Ausgleichen vergangener Vergehen". Hardo wurde in der Vergangenheit
immer wieder von Fernsehsendeanstalten wie SAT.1 und RTL zu
"Massenrückführungen in frühere Leben" eingeladen.
Häufig verschanzen sich Neonazis hinter Esoterik, um ihre
verfassungsfeindlichen Aktivitäten unter dem Schutz der
"Religionsfreiheit" nachzugehen. Esoterik ist der Oberbegriff für
alle Lehren, die suggerieren, sie könnten Zugang zu allem
Verborgenem und Unbekannten schaffen. Die Neonazi-Szene habe entdeckt,
dass sich die Esoterik- oder "New Age"-Bewegung mit ihrem
Irrationalismus, Karma-Denken und ihren dogmatischen Heilslehren als
Wegbereiter für autoritäre und rechtsextreme Ideologien eigne,
konstatierten die Experten.
Zahlenmaterial darüber, wie sich die Verbindung von Okkultismus und
Rechtsradikalismus in der Kriminalitätsstatistik niederschlägt, gibt
es bisher nicht. "Leider werden die Hintergründe von rechtsextremen
Straftaten bei den polizeilichen Ermittlungen nahezu unberücksichtigt
gelassen", bedauerte Ursula Caberta, Leiterin der Arbeitsgruppe
Scientology. Die Esoterik-Experten forderten auch, dass sich der
Verfassungsschutz dem Thema verstärkt widmet. Schon die Unmengen an
verschwörungstheoretischer Literatur, die in New-Age-Buchhandlungen
über den Ladentisch gingen, und die von der NPD wieder entdeckte
Traditionspflege neuheidnischer Kultur seien Hinweis genug, warnte
Rainer Fromm, "dass Esoterik derzeit als das gefährlichste Einfalltor
des Rechtsextremismus zu werten ist". (ND 11.05.2004)

Klage abgewiesen
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Leipzig (dpa). Das jüdische Begegnungszentrum in Leipzig kann gebaut
werden. Das Verwaltungsgericht Leipzig wies am Dienstag die Klagen von
Anwohnern ab, die die Einrichtung verhindern wollten. (ND 12.05.2004)

Im März mehr Nazi-Straftaten
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Berlin (ND). Im März wurden vom Bundesinnenministerium 679
rechtsextremistisch motivierte Straftaten registriert. Darunter waren
30 Gewalttaten mit 14 Verletzten. Dies geht aus der Antwort des
Ministeriums auf die Anfrage der PDS-Bundestagsabgeordneten Petra Pau
hervor. Damit liegt laut Pau die März-Zahl um fast 100 Straftaten
höher als im Februar 2004, in dem bereits ein Anstieg solcher
Straftaten verbucht worden sei. (ND 12.05.2004)

Hakenkreuze am Rathaus von Vichy
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Moulins (AFP/ND). Das Rathaus der zentralfranzösischen Stadt Vichy ist
in der Nacht zu Dienstag mit Hakenkreuzen beschmiert worden. Die
Kriminalpolizei Clermont-Ferrand nahm Ermittlungen auf. In Frankreich
gab es in den vergan-genen Wochen wiederholt Schmierereien an
jüdischen Gedenk- und Gebetsstätten. Vichy war im Zweiten Weltkrieg
von 1940 bis 1944 unter deutscher Besatzung Sitz der mit den Nazis
zusammenarbeitenden Regierung unter Philippe Petain. (ND 12.05.2004)

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Aufruf der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/
Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA)

Die Mörder sind unter uns - Gegen die "Traditionspflege" der
Gebirgsjäger
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Alljährlich findet zu Pfingsten in Mittenwald das große
Traditionstreffen der Gebirgsjäger-Kameradschaft statt. Im vergangenen
Jahr wurden die Veteranen und die Aktiven der Bundeswehr, die sich
dort versammelten, öffentlich mit einem bisher totgeschwiegenen
Kapitel der Truppengeschichte konfrontiert.

Bei einem Hearing mit internationalen Zeitzeugen und einer Kundgebung
informierten der Arbeitskreis "Angreifbare Traditionspflege" und die
VVN-BdA über Verbrechen der Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg in
Griechenland, die Tausende von Opfern gefordert hatten. Eine Liste mit
den Namen von über 200 noch lebenden mutmaßlichen Kriegsverbrechern
wurde der Staatsanwaltschaft übergeben.

Bis heute leben die Mörder unter uns - keiner wurde bisher zur
Rechenschaft gezogen. Die Ermittlungen ziehen sich hin. Auch in diesem
Jahr werden deshalb im oberbayerischen Mittenwald der
"Traditionspflege" von Gebirgsjäger-Kameradschaft und Bundeswehr
öffentliche Informationen über die ungesühnten Wehrmachtsverbrechen
der Truppe in ganz Europa entgegen gestellt:

Samstag, den 29. Mai 2004

11.00 Uhr: Demonstration ab Bahnhof durch Mittenwald

15.00 bis 18.00 Uhr: Veranstaltung mit Zeitzeugen über
NS-Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger in Frankreich, Italien und
Griechenland, Eissporthalle Mittenwald

Sonntag, den 30. Mai 2004

Ab 9.00 Uhr: Kundgebung gegen das Pfingsttreffen am Hohen Brendten,
Straße zur Luttensee Kaserne, Mittenwald

Bestrafung der Kriegsverbrecher

Entschädigung aller NS-Opfer

Wer auf dem laufenden bleiben möchte: Bitte auf der Web Site
nachlesen:
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0024_mittenwald_2004.htm Bitte um
Unterstützung durch Spenden für VVN-BdA NRW: Postbank Essen
BLZ 360 100 43, Konto Nr. 282 12-435. Stichwort: Mittenwald 04.
Anmeldung zur Teilnahme bei VVN-BdA Bayern (Frauenlobstr. 24,
80337 München) und Nordrhein-Westfalen (Gathe 55, 42107 Wuppertal,
vvn-b...@freenet.de )

V.i.S.d.P.: Ernst Antoni, VVN-BdA, Frauenlobstr.24, 80337 München,
Eigendruck im Selbstverlag
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Präsidentenwahl mit Plädoyer Filbingers?
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Nazi-Jurist soll statt Hans Lauter Rede halten

Von Uwe Kalbe.

Schon die Nominierung von Hans Filbinger hat Proteste laut werden
lassen. Nun ist die Wahl zum Wahlmann der Bundesversammlung erfolgt und
Filbinger kommt als Alterspräsident vermutlich die Aufgabe zu, die
Versammlung zu eröffnen.

Hans Filbinger ist 90 Jahre alt und damit ein Jahr älter als Hans Lauter,
den die PDS Sachsen aufgestellt hat. Damit steht dem einstigen
Ministerpräsidenten Baden-Württembergs das Recht auf die Eröffnung der
Bundesversammlung zu. Die Personen Filbinger und Lauter führen weniger
wegen dieser Formalie zum Streit, sondern wegen der Symbolik, die diesen
Auftritt dank ihrer Biografien begleitet.
Hans Lauter - das erste Mal 1933 von den Nazis verhaftet und 1936 wegen
"Vorbereitung zum Hochverrat" zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, befand
sich quasi auf der Gegenseite Filbingers, der als Marinerichter der
Wehrmacht in Todesurteile gegen Deserteure verstrickt war. Wegen seiner
angeblichen Rolle als SED-Funktionär bei der Sprengung der Leipziger
Universitätskirche war Lauter überdies Gegenstand einer öffentlichen
Kampagne, die seine Aufstellung für die Bundesversammlung verhindern
sollte. Filbinger hingegen gilt für die CDU Baden-Württemberg darüber
hinaus nicht nur als unbescholten, sondern wohl gar als Stasi-Opfer.
So jedenfalls kann man die Geleitworte von Ministerpräsident Erwin Teufel
(CDU) für den "überzeugten Demokraten" bewerten, die dieser in einem 2003
erschienenen Buch seinem Amtsvorgänger widmete. Filbinger sei wegen
seiner Tätigkeit in der Wehrmacht "das Opfer einer Kampagne geworden".
Und weiter: "Seit der Wiedervereinigung wissen wir in welchem Maße die
Stasi der DDR mit-verantwortlich war für diese Kampagne."
Filbinger war 1978 nach wochenlangen Diskussionen unter dem Druck der
Öffentlichkeit zurückgetreten, nachdem Ralf Hochhuth ihn in der "Zeit" als
"furchtbaren Juristen" bezeichnet hatte. Klar wurde, dass er als Richter
in ungerechte Urteile der Nazijustiz verstrickt war. Filbinger, Mitglied
von SA und NSDAP, hatte nicht nur in Aufsätzen früh über
"Blutsgemeinschaft", "Schädlingen am Volksganzen" und "rassisch wertvollen
Teilen des deutschen Volkes" fabuliert, sondern war als Ankläger am
Todesurteil gegen einen Marine-soldaten beteiligt, der wegen
antinazistischer Äußerungen und Widersetzen verurteilt wurde, was
Filbinger als "Gesinnungsverfall" gewertet hatte. Zwei weitere Todesurteile,
die er selbst fällte, nannte Filbinger später verniedlichend
"Phantomurteile", weil die betroffenen Deserteure sich rechtzeitig nach
Schweden absetzten.
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten
argwöhnt deshalb, damit werde "der Geist eines Unbelehrbaren" in die
Versammlung einziehen, "der aus der deutschen Geschichte nichts gelernt
hat". Die Eröffnung durch einen ausgewiesenen Antifaschisten wie Lauter
hingegen, das wäre, "nachdem diese Versammlung wiederholt Mitträger des
NS-Regimes zu Bundespräsidenten gewählt hat, wirklich etwas Neues gewesen",
erklärte Bundessprecher Werner Pfennig. (ND 13.05.2004)

Die Hackenbergs aus Wuppertal
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Projektmesse gegen Rechtsextremismus öffnet heute in Berlin die Pforten

Von Jürgen Amendt

Mehr als 100 Gruppierungen und Projekte gegen Rechtsextremismus,
Rassismus und Antisemitismus werden sich heute und morgen erstmals
gemeinsam auf einer bundesweiten Messe in Berlin präsentieren. Die Messe
die unter dem Motto "Aktiv gegen Hass" steht, geht auf eine Initiative
des Bundesjugend-ministeriums und Bundeswirtschaftsministeriums zurück.

Vor drei Jahren starteten die beteiligten Ministerien das Aktionsprogramm
"Jugend für Toleranz und Demokratie". Im Rahmen dieses Programms und
seiner drei Teilprogramme "Xenos", "Civitas" und "Entimon" wurden nach
Angaben des Ministeriums seit dem bundesweit insgesamt 3625 Initiativen,
Projekte und lokale Netzwerke gefördert. Bis 2006 sollen seitens des
Bundes 182,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.
Rund 60 Prozent der Projekte ist bei "Entimon" angesiedelt. Das Programm
richtet sich an Haupt- und Berufsschüler, aber auch an Migranten und
Jugendliche mit rechtsextremen Einstellungen bzw. deren Eltern. Im
Zentrum des Programms steht laut Eigendarstellung die Förderung von
Maßnahmen zur Stärkung von Demokratie und Toleranz. Ziel ist u.a. die
"Einbindung von Menschen mit Migrationshintergrund in die Gesellschaft".
Wie das geschehen kann, demonstriert das Bonner Institut für
Migrationsforschung und interkulturelles Lernen e.V., das durch "Entimon"
finanziell unterstützt wurde. Auf einer Webseite wurde durch das Institut
das Familienalbum eines deutschen und seiner Frau, der Tochter einer
kurdischen Gastarbeiterfamilie aus der Türkei aufbereitet. In
Bildergeschichten wird die Familienchronik der Dersims und Hackenbergs
nacherzählt. Hediye Hackenberg, geborene Dersim, folgt zusammen mit ihrer
Mutter und ihren Geschwistern Mitte der 70er Jahre ihrem Vater nach
Deutschland nach, der in den 60er Jahren einer der ersten Gastarbeiter im
Ruhrgebiet war.
Die Messe wird heute von Bundesfamilien- und -jugendministerin Renate
Schmidt offiziell eröffnet. Neben den Projektpräsentationen und
künstlerischen Aufführungen sind auch Workshops u.a. zur Gewaltprävention
an Schulen, kulturelle Vielfalt in Unternehmen und interkulturelles Lernen
geplant.
Weitere Informationen unter www.entimon.de (ND 13.05.2004)

Ohne Filbinger-Rede
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Berlin (ND). Hans Filbinger, umstritten wegen seiner Verstrickung als
Marinerichter in Todesurteile der Nazis, wird nicht die Bundesversammlung
am 23. Mai in Berlin eröffnen. Anders als von ND berichtet, kommt dem
Präsidenten des Bundestages die Sitzungsleitung zu. (ND 14.05.2004)

Eltern abgeschoben, Kinder bleiben allein
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Ausländerbehörde ignoriert Grundrechte

Von Thomas Klein, Wiesbaden

Für Aufsehen und Entsetzen sorgt in Hessen das Schicksal einer kurdischen
Familie, die seit 10 Jahren in Deutschland gelebt hat. Mutter und Vater
wurden vor einer Woche in die Türkei abgeschoben. Die drei minderjährigen
Kinder blieben zurück.

Die 16-jährige Leyla und die 12-jährigen Zwillinge Baran und Berif Koyun
waren gerade auf dem Weg in die Schule, als sie davon erfahren, dass ihre
Eltern von der Polizei abgeholt werden. Seitdem sind sie verschwunden.
Was mit ihnen passiert, war und ist den Behörden offenbar egal. Auf
Antrag der Grünen war der Fall gestern Thema im Hessischen Landtag.
In der Konrad-Lorenz-Schule der Stadt Usingen ist das Entsetzen groß.
Klassenkameraden der durch die Polizeiaktion von ihren Eltern getrennten
Kindern lagen sich heulend in den Armen. Im Fernsehen erklärte eine
Mitschülerin unter Tränen: "Das ist unfair, was da passiert. Die haben
doch gar nichts getan, sondern wollen nur hier leben." Auch Hannes
Schiller, Lehrer an der Schule ist schockiert: "Ich habe es bisher nicht
für möglich gehalten, dass man in unserem Land minderjährige Kinder auf
diese Weise von ihren Eltern trennen kann".
Johannes Latsch, Sprecher der zuständigen Ausländerbehörde in Schwalbach
(Main-Taunus-Kreis), hält dem entgegen, dass die vorgenommene Abschiebung
rechtens gewesen sei. Schließlich gebe es keine rechtliche Grundlage, so
Latsch, dass eine Familie nur komplett abgeschoben werden dürfe.
Nach Auskunft von Katrin Knoblauch, der Frankfurter Anwältin der Familie,
leben die drei Kinder derzeit bei einem Verwandten und werden
voraussichtlich in den nächsten Tagen wieder zur Schule gehen. Die
zentrale Ausländerbehörde hat den Kindern inzwischen eine Duldung bis zum
Ende des Schuljahres in Aussicht gestellt.
Knoblauch sieht im Vorgehen der Behörden einen Verstoß gegen das
Grundgesetz und Menschenrechtskonventionen. Diese Einsschätzung teilen
die Grünen im hessischen Landtag. Sie fordern von der Landesregierung
eine Aufklärung des Falls. Das Vorgehen der Behörden und der Polizei
bezeichnete deren Fraktionsvorsitzender Tarek Al-Wazir als "einen Skandal,
insbesondere da zuständige Beamte nun mitteilten, dass die Kinder
"nachgeliefert" würden.
Auch eine christdemokratische Landesregierung, so die Forderung der Grünen
von den von ihnen in den Landtag eingebrachten Antrag, müsse ihr Handeln
"an dem im Grundgesetz garantierten Schutz von Ehe und Familie ausrichten".
Dieses Grundrecht gelte auch für alle in Hessen lebenden Menschen.
(ND 14.05.2004)

### Braunbuch, 09004 Chemnitz PF 443 ###
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