Frank Möller <
butterspiege...@protonmail.com> wrote:
> Auch ein noch so "moderner DX-Body" (also eine Crop-Knipse) hat als Sucher
> noch immer nur ein Guckloch. Frank K., der sich neulich eine EOS 6D kommen
> ließ, war von der Größe _*dieses*_ Suchers ganz begeistert. Jetzt ist das
> aber nur ein für KB-Format relativ kleiner Sucher, denn er hat nur 97 %
> Bildfeldabdeckung bei nur 0,71-facher Vergrößerung.
Es war bei mir eher das Gefühl des Nachhausekommens. Ich habe 20 Jahre lang
teilweise intensivst mit KB-Kameras jeglicher Provenienz fotografiert, von
der Leica M3 bis zur Nikon F4. Dann war bei mir fotografisch ein paar Jahre
Burnout. Ich hatte zwar eine SLR-Ausrüstung zuhause liegen, aber eher in
der Art, wie sich ein Journalist nackt fühlt, wenn er keine Schreibmaschine
zuhause hat.
Dann kamen die ersten Digitalratschen. Ich weiß noch, wie ich das erste Mal
eine Olympus Camedia 2500L hatte, eine Dauerleihgabe meiner Firma, die mich
durch zwei Urlaube begleitet hat. Vom Output her war die gar nicht so
schlimm, aber für einen Systemkamera-Menschen ist so eine Bridge-Kiste
natürlich ein Sakrileg.
2004 habe ich mir meine erste DSLR gekauft, eine Canon EOS 300D. Die hatte
zwar eine Haptik wie ein Stück Seife, aber ein schön großes Gehäuse. Ich
erinnere mich noch daran, dass damals die EOS 350D in den Startlöchern
stand, für 200 Euro mehr. Ich habe abgewartet, bis die 350D im Laden war,
hab' sie einmal angefasst - und dann eine 300 D gekauft. Dazu mein damals
einziges Crop-Objektiv, ein 18-125 von Sigma. Gleichzeitig trennte sich
mein alter Vater von seiner SLR-Ausrüstung, die er sich Mitte der 1990er
auf mein Anraten hin gekauft hatte, und eine EOS 50E (die mit dieser
merkwürdigen Augensteuerung), ein 28-105, ein 70-300 und ein Systemblitz
wechselten in meinen Bestand.
Das 70-300 wirkte an einer Crop-Kamera natürlich spektakulär, aber im
Grunde waren beide Objektive für Vollformat gerechnet. Vor allem das 28-105
litt in den Folge an Unterforderung. Seinen Part spielte das 18-125 von
Sigma, zwar ohne USM und in spürbar schlechterer Qualität, aber dafür mit
Weitwinkel. Vor knapp zehn Jahren erlitt die 300D einen Unfalltod. Eine
Person, die ich gut kenne und der ich mittlerweile verziehen habe, tötete
die Kamera mit einer CF-Karte, die sie falsch herum in den Kartenschacht
zwängte, bis dieser hin war.
Ich habe mir dann für 200 Euro eine gut abgehangene EOS 200D geschossen. Es
gibt ja bei Kameras das Thema "Materialerotik". Ich habe mal von einem
Menschen gehört, der hatte eine Hasselblad 500 C in der Vitrine und damit
noch nie einen Film belichtet. Hin und wieder nahm er die Kamera aus dem
Schrank, spielte ein wenig damit rum und löste ein paarmal aus - dann
stellte er sie zurück. Ich kann den Mann gut verstehen.
Als ich die 20D in die Hand bekam, fühlte sich das für mich so an, als sei
das EOS-System im Digitalzeitalter angekommen. Fasst sich an wie eine
richtige Kamera, hört sich auch so an - und liefert eben Digitalbilder.
Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich mit Geld nicht so um mich werfe.
Zu den Leuten, die sich für 2K eine Kamera kaufen und dann nach einem Jahr
die Nachfolgerin für 2,3K kaufen, weil die jetzt auch Videos mit 60 FPS
kann, gehöre ich nicht. Ich habe noch nie mehr als 500 Euro für einen
Kamerabody ausgegeben - sehr oft jedoch schon viel weniger.
Vor einem guten halben Jahr haben meine Frau und ich eine nagelneue EOS
250D gekauft, unter anderem auch deshalb, weil sie so was von der Steuer
absetzen kann und weil sie auch hin und wieder ordentliche Fotos braucht.
Mit EF-S 28-55 IS USD hat das Ding 550 Euro gekostet, und auf dem Papier
ist das Teil der Knaller: Über 20 MP, kann alles außer Cappuccino kochen,
macht 5 Bilder pro Sekunde, kann HD-Video, alles Mögliche. Dennoch habe ich
mich dabei ertappt, dass ich viel lieber meine 15 Jahre alte EOS 20D in die
Hand nehme als dieses Spielzeug aus Polycarbonat.
Dann habe ich überlegt, ob ich die 20D nicht upgrade gegen eine 40D oder
50D - angeblich sind sie bei der 60D wieder von dieser massiven
Präzisionswerkzeug-Haptik abgekommen. Dann kam mir der bereits erwähnte
Artikel auf Golem.de in die Quere, wo sie darüber geschrieben haben, ob man
mit einer ollen 5D von 2005 heute noch arbeiten könne. Das brachte mich
dazu, nach 5D und Konsorten Ausschau zu halten. Die 6D, die ich jetzt habe,
hat sich für mich herauskristallisiert als die modernste Vollformat-DSLR
von Canon für unter 500 Euro. Und mit der fühle ich mich jetzt richtig
wohl: Alles fühlt sich so an, wie ich früher gedacht habe, dass sich eine
hochwertige Kamera anfühlen sollte. Die Kamera liegt richtig satt in meiner
großen Hand. Es macht Spaß sie anzufassen.
Dabei versuche ich, nicht dem Technikfetischismus zu erliegen, der so ein
spezielles Männerding ist. Ich kann mir zum Beispiel lebhaft vorstellen,
dass das EF 24-105 L IS USM viel besser performt als mein olles 28-105 USM
von 1995. aber die L-Scherbe kostet selbst gebraucht noch 500 Steine, das
28-105 liegt bereits in meiner Fototasche. Und ich finde die Bildergebnisse
wirklich hoch respektabel, eindeutig besser als erwartet. Ich habe keine
Bilder von der 50E zum Vergleich, ich habe seit bald 20 Jahren keinen
Analogfilm mehr belichtet. Aber ich habe den Eindruck, die Linse hat in 25
Jahren nicht so gut performt wie an dieser Kamera.
>
> Wenn ich durch den Sucher meines nach Deiner Definition sicher viel "zu
> alten Vollformat-Bodies" schaue, erlebt man das, was Frank K. erlebte, als
> er von Crop zur 6D mit vollem KB-Format wechselte, gleich nochmal, obwohl
> beides KB-Format ist, denn der Sucher meiner Gorilla-Knipse bietet 100 %
> Bildfeldabdeckung bei 0,76-facher Vergrößerung. Der ist gefühlt also
> nochmal 50 % größer als der Sucher der 6D.
Brauch' ich gar nicht. Damals, in der guten alten Zeit, hatten sehr gute
Kameras einen Sucher wie meine, und nur unbezahlbare Superprofiteile hatten
100%. Ich bin das gewohnt, so zu komponieren, ich bin zuhause angekommen.
Um nochmal auf die Frage des OP zurückzukommen. Nehmen wir mal an, er hat
schon eine ordentliche Crop-Kamera und ein paar Objektive, die auch 24x36
auszeichnen, dann würde ich mir an seiner Stelle durchaus überlegen, den
billigsten Vollformat-Body zu schießen, den es für sein System bei eBay
gibt. Wenn ich mal davon ausgehe, dass zum Beispiel eine EOS 5D in etwa auf
dem technischen Niveau meiner 20D ist, nur eben mit Vollformat und doppelt
so viel Pixel, dann kann man mit einem solchen Gerät immer noch
erstaunliche Sachen machen, wenn man sich Mühe gibt und weiß was man tut.
5D in erträglichem Zustand gehen so bei 250 Euro los, und die kriegt man
vermutlich in einem halben Jahr immer noch für 200 Euro verkauft, wenn man
merkt, dass es das jetzt doch nicht ist. Die Marktsituation bei den anderen
Marken habe ich nicht so verfolgt, ich nehme an, dass es da ähnlich
aussieht.
Ich wüsste allerdings nicht, was ich jemandem raten sollte, der keine
Vollformat-Objektive hat. Denn nur um einmal reinzuschnuppern wäre ein ganz
neues System doch etwas teuer, oder?