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Totalitarismus

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Tec Dian

unread,
Aug 4, 2000, 3:00:00 AM8/4/00
to
Immer wieder bekommt man zu hören, Stalin und Hitler wären fast identisch,
und ihr System auch. Stichwort Totalitarismus. Dazu werden immer die Toten
und die Lager aufgezählt, ohne näher hinzuschauen - weder, woher die Toten
kommen, noch wie die Lager funktionierten. Und schon gar nicht wird eine
Analyse der gesellschaftlichen Mechanismen betrieben. Tut man das nämlich,
dann sieht man das Folgende: Der wesentliche und entscheidende Unterschied
zwischen Hitlers Nationalsozialismus und Stalins Stalinismus besteht in der
Frage nach Weg und Ziel.

Der Nationalsozialismus hatte als Ziel die Vernichtung und die absolute
Herrschaft - auf dem Weg dahin gab es ein paar positive Nebeneffekte, wie
Vollbeschäftigung (was auch nicht ganz stimmt) usw.

Der Stalinismus hatte als Ziel das Wohl des Volkes, Fortschritt für alle -
auf dem Weg dahin wurde aber so viele und drastische Fehler gemacht, dass
das Ziel nur sehr unvollkommen, auf vielen Gebieten gar nicht erreicht
werden konnte (dabei gab es auch Vernichtung und absolute Herrschaft).

Soviel zum Thema Gleichsetzung von Nazionalsozialismus und Stalinismus. Das
versteht man natürlich nur, wenn man sich mit den ideologischen Grundlagen,
den gesellschaftlichen Mechanismen und den historischen Tatsachen
beschäftigt. Dazu (zu ernsthafter wissenschaftlicher Arbeit) sind aber nur
wenige bereit, bestimmt nicht dir, die auf Kommunisten immer mit
Schimpfwörtern, statt Argumenten antworten.

Der Kommunismus beruht gerade darauf, dass sich die Menschen kümmern (Das
weiß man nur, wenn man ihn verstanden hat). Das haben sie im Realsozialismus
viel zu wenig getan - daran ist er eingegangen. Also muss man das Ende der
DDR hauptsächlich auch deren Bürgern vorwerfen, nicht nur den Kommunisten.
Hätten diese Bürger nämlich nicht geschlafen und sich angepasst, sondern die
von uns Kommunisten geschaffenen Möglichkeiten, z.B. zur Basisdemokratie,
genutzt, hätten sie all das verhindern können, was heute am Realsozialismus
kritisiert wird.

Salut!
Tec

Ki-Heij

unread,
Aug 7, 2000, 3:00:00 AM8/7/00
to

Tec Dian schrieb in Nachricht ...

>
>Der Kommunismus beruht gerade darauf, dass sich die Menschen kümmern (Das
>weiß man nur, wenn man ihn verstanden hat). Das haben sie im
Realsozialismus
>viel zu wenig getan - daran ist er eingegangen. Also muss man das Ende der
>DDR hauptsächlich auch deren Bürgern vorwerfen, nicht nur den Kommunisten.
>Hätten diese Bürger nämlich nicht geschlafen und sich angepasst, sondern
die
>von uns Kommunisten geschaffenen Möglichkeiten, z.B. zur Basisdemokratie,
>genutzt, hätten sie all das verhindern können, was heute am Realsozialismus
>kritisiert wird.


Na ja, aber oft bestanden die Möglichkeiten auch nur auf dem Papier - oder
muss ich Dich an den Studenten erinnern, der sich gewagt hatte, erst mittags
im Wahlbüro seine Stimme abzugeben? Offiziell schlossen die Wahlen erst 18
Uhr ... Naja, ist vielleicht ein schlechtes Beispiel.

Aber Du hast natürlich recht, was den Vergleich zum Faschismus angeht.
Moralisch gesehen, war der Stalinismus sicherlich "besser", aber ich glaube
nicht, das das für die damaligen Opfer von Bedeutung ist. Absolutely good
and absolutely evil - both will destroy the world.

Gruß,
Ki-Heij.

Tec Dian

unread,
Aug 8, 2000, 3:00:00 AM8/8/00
to
> >Der Kommunismus beruht gerade darauf, dass sich die Menschen kümmern (Das
> >weiß man nur, wenn man ihn verstanden hat). Das haben sie im
> Realsozialismus
> >viel zu wenig getan - daran ist er eingegangen. Also muss man das Ende
der
> >DDR hauptsächlich auch deren Bürgern vorwerfen, nicht nur den
Kommunisten.
> >Hätten diese Bürger nämlich nicht geschlafen und sich angepasst, sondern
> die
> >von uns Kommunisten geschaffenen Möglichkeiten, z.B. zur Basisdemokratie,
> >genutzt, hätten sie all das verhindern können, was heute am
Realsozialismus
> >kritisiert wird.
>
>
> Na ja, aber oft bestanden die Möglichkeiten auch nur auf dem Papier - oder
> muss ich Dich an den Studenten erinnern, der sich gewagt hatte, erst
mittags
> im Wahlbüro seine Stimme abzugeben? Offiziell schlossen die Wahlen erst 18
> Uhr ... Naja, ist vielleicht ein schlechtes Beispiel.

Doch, doch, ist ein gutes Beispiel. Schließlich war ich damals nur durch
Zufall der Vorletzte, und habe deshalb keinen Ärger bekommen. Aber auch hier
muss man wieder sagen, hätten sich die Leute das nicht gefallen lassen, wär
sowas auch nicht mehr passiert. Ganz konkret: hätten die SED-Mitglieder in
der dann folgenden Parteiversammlung, statt leise zu murmeln, offen gesagt,
dass es Quatsch ist, jemanden wegen der Wahrnehmung seiner demokratischen
Rechte fast schon als Feind des Sozialismus hinzustellen, dann wäre die
Parteileitung abgeblitzt - fertig. Statt dessen hat man gegrinst und die
Hand gehoben. (Na, ja - ich nicht - wie üblich.) Leider war die SED eben
keine kommunistische Partei, sondern eine Partei der Angepassten, der
Mitläufer, der Karrieristen. Das war innerhalb der SED genauso, wie
außerhalb. Du kennst ja die Vorgänge damals in der FDJ.

> Aber Du hast natürlich recht, was den Vergleich zum Faschismus angeht.
> Moralisch gesehen, war der Stalinismus sicherlich "besser", aber ich
glaube
> nicht, das das für die damaligen Opfer von Bedeutung ist.

Bei Stalinismus und Faschismus gab es andere, diametral entgegengesetzte
Ziele. Zur Moral gehört auch, wie ich diese Ziele zu erreichen gedenke -
also auch, ob ich im Interesse des Zieles eben dieses Ziel verrate. Insofern
weiß ich nicht, ob man hier allgemein von "moralisch besser" sprechen kann -
sicher aber von "anders". Und für viele Opfer war es tatsächlich von
Bedeutung - speziell für die Kommunisten, die in den KZ ihrer Feinde saßen
und dort systematisch vernichtet wurden, oder aber im Gulag wussten, dass
alles nur ein schrecklicher Fehler war, dass der Sozialismus aber lebt. (Ich
weiß, klingt zynisch - ist es aber nicht. So war das damals leider.)

> Absolutely good
> and absolutely evil - both will destroy the world.

Insofern ist "absolutely good" auch schon wieder "evil" - und umgekehrt kann
das gleiche passieren - deshalb sind solche moralischen Begriffe immer
ziemlich problematisch. Ich ziehe hier statt "Gut" und "Böse" die
treffenderen Begriffe "Gemeinschaftlichkeit" und "Bewusstheit" vor.

Salut!
Tec

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