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Nicht gesellschaftsfähig

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Tec Dian

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Aug 23, 2000, 3:00:00 AM8/23/00
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Artikel aus "Das rote Virus" - August 2000
www.aksios.de/virus
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Nicht gesellschaftsfähig

Sprengstoff- und Brandanschläge, Menschenjagden, Misshandlungen und Morde -
die Nachrichten über faschistischen Terror gehören mittlerweile zum
traurigen Alltag in Deutschland. Es ist gar nicht mehr möglich, jeden
einzelnen Fall seiner Tragik angemessen zu behandeln, zu zahlreich sind die
Verbrechen. Aus Anlass eines Vorfalles in Eisenach, bei dem etwa 30
Faschisten zwei Ausländer misshandelt und dann quer durch die Stadt gehetzt
hatten, veröffentlichte das "Neue Deutschland" eine lange Liste von
ähnlichen Terroraktionen. Bezug nehmend auf die faschistische Menschenjagd
verwendete das ND dafür die Schlagzeile "Neonazis trieben politische
Flüchtlinge durch Eisenach". In diesem Zusammenhang bekommt der Begriff
"politischer Flüchtling" eine völlig neue, grausame Bedeutung.
Und was tut die Politik? Konkrete Maßnahmen fehlen bisher völlig. Dafür gibt
es jede Menge verbale Bestürzung. Angesichts der Unruhe in den Medien sahen
sich jüngst sogar einige Regierungspolitiker von Landesregierungen
gezwungen, sich dazu zu äußern. Doch statt neuer Gesetze und Maßnahmen des
Staates gab es nur die Aufforderung an seine Bürger, doch mehr Zivilcourage
zu zeigen - doch was soll das? Soll man sich als Einzelner einer
zwanzigköpfigen prügelnden Meute entgegenstellen? Und wenn man es
tatsächlich tut, einschreitet und die Gewalttätigkeit mit dem einzigen
Mittel unterbindet, das funktioniert, ohne dass man selbst erschlagen wird -
Gegengewalt nämlich - dann wird man schnell selbst zum Ziel der Justiz..
Wenn man sich wehrt, statt sich totschlagen zu lassen, wenn man jemanden
verteidigt, statt einem Mord zuzusehen, wird man als ebenso gewalttätig
hingestellt, wie die Faschisten. Angesichts dieser Fakten ist die Forderung
nach mehr Zivilcourage der blanke Hohn. Die Politiker, die für die
gesellschaftlichen Bedingungen verantwortlich sind, unter denen sich der
Faschismus auf Deutschlands Straßen entwickelt, wollen nun die Folgen auf
die Bürger abwälzen - eine saubere Moral.
Natürlich kann der Faschismus nur ein für allemal ausgerottet werden, wenn
seine Wurzel, die Ausbeutung mit ihren katastrophalen Folgen für die
menschliche Psyche, beseitigt wird. Aber auch in dieser Gesellschaft gäbe es
Möglichkeiten, erfolgreich gegen den faschistischen Terror vorzugehen - wenn
die Politiker tatsächlich ein Interesse am Schutz der Menschen vor Gewalt
hätten. Es ist klar, dass nicht nur die Beteiligung, sondern bereits die
demonstrative Befürwortung von faschistischem Terror, wie sie viele
Jugendliche aus der Szene zeigen, für eine friedliebende, zivilisierte
Gesellschaft inakzeptabel ist. Wer seine Bereitschaft bekundet, völlig
fremde Menschen einfach so, ohne echten Grund, zu verletzen oder zu töten,
der bekundet damit, dass er prinzipiell gesellschaftsfeindlich,
menschenverachtend ist. Ein solcher Mensch kann nicht in der Gesellschaft
geduldet werden. Er stellt eine ständige Gefahr dar und muss daher aus der
Gesellschaft entfernt werden. Um das zu können, ist die Einführung des
Straftatbestandes des "gesellschaftsfeindlichen Verhaltens" für Gewalt aus
Hass gegen Menschen, die keine konkrete, individuelle Tat zur Rechtfertigung
dieses Hasses begangen haben, nötig.
Gewalttätige Menschenverachtung ist kein Fehler, der durch Strafe oder
nachträgliche Erziehung korrigiert werden könnte. Sie ist das Wesensmerkmal
eines notorischen Kriminellen, eines Psychopathen, der Spaß daran hat,
andere Menschen zu quälen, ihnen Schmerz zu bereiten. Was sich hier auf
Deutschlands Straßen ausdrückt, ist keine Ausländerfeindlichkeit an sich,
sondern purer Sadismus. Dieser richtet sich nur "zufällig" gegen Ausländer,
weil diese das schwächste Glied in der Gesellschaft darstellen, und weil sie
mit ihrer "Fremdartigkeit" eine "Begründung" für den Terror liefern. Sind
gerade keine Ausländer zur Hand, werden deshalb auch bedenkenlos beliebige
andere Menschen terrorisiert, die zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort
sind. Vor solchen Verbrechen muss die Gesellschaft geschützt werden. Durch
die grundsätzliche Missachtung der Rechte der anderen Menschen haben
Faschisten auch nicht das Recht auf Verständnis oder Mitleid, die sie selbst
nie zeigen.
Was hier nötig ist, ist folglich keine politische Justiz. Denn elementarer
Faschismus ist keine politische Richtung, keine Ideologie, sondern ein
Gewaltverbrechen - der geistige Mord an allen "Andersartigen" - wer immer
das auch ist. Ein Mord, der bei passender Gelegenheit auch praktisch
realisiert wird. Darauf darf man nicht warten - da muss man vorher handeln.
Politische Justiz richtet sich gegen politische Richtungen, gegen politische
Meinungsäußerung, gegen politische Betätigung. Als Kommunisten in
Deutschland haben wir traurige Erfahrungen mit politischer Justiz gemacht,
sei es als deren Opfer im Hitler-Deutschland und der BRD, oder als
fehlgeleitete Täter in der DDR. Daher wissen wir besonders gut, dass man
Gedanken, auch rechte Gedanken, nicht verbieten kann, sondern sich mit ihnen
politisch auseinandersetzen muss. Deshalb wissen wir, dass das Recht auf
freie Meinungsäußerung auch politischen Gegnern nicht verweigert werden
darf. Man muss statt dessen die Ursachen der Entstehung faschistischer
Gedanken finden und beseitigen. Nur so kann man den Faschismus auf Dauer und
vollständig aus den Köpfen und von der Straße verbannen. Faschistischer
Terror auf der Straße hat jedoch nichts mit freier Meinungsäußerung oder
freier politischer Betätigung zu tun. Er ist und bleibt ein in Wirklichkeit
völlig unpolitisches Kapitalverbrechen - und muss in diesem Land auch
endlich so behandelt werden. T.D.
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Salut!
Tec Dian

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