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Rechtschreibung

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Tec Dian

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Aug 23, 2000, 3:00:00 AM8/23/00
to
Artikel aus "Das rote Virus" - August 2000
www.aksios.de/virus
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Sommertheater

Bekanntlich ist die Sommer- und Urlaubszeit die Saure-Gurken-Zeit der
Zeitungsredaktionen, TV-Nachrichten und Magazine. Auf der politischen Bühne
ist nichts los, anstehende Aufgaben werden auf "nach der Sommerpause
verschoben, und die Redaktionen suchen händeringend nach Themen, mit denen
sie ihre Leser bzw. Zuschauer am Ball halten können. Nahost-Gespräche in
Camp David? - nicht schlecht. Absturz einer Concorde bei Paris? - sehr
traurig, daher noch besser geeignet. Aber das Größte ist doch: die
Wiederaufwärmung der Rechtschreibreformdebatte.
Ja, darauf hat die deutsche Leserschaft gewartet. Nachdem vor einem Jahr
die neue Rechtschreibreform in Kraft getreten war und sich die meisten
Zeitungen auch freiwillig darauf eingestellt hatten, beschloss die
"Frankfurter Allgemeine Zeitung", ab dem 1.8.2000 wieder zur alten
Rechtschreibung zurückzukehren.
Diese Nachricht genügte, um den Tumult um die Rechtschreibreform im TV und
in anderen Blättern wieder aufleben zulassen. Pro7 startete sogar eine
Umfrage auf der Straße, bei der gefragt wurde, wie die Passanten denn das
Wort "Fluss-schiff-fahrt" schreiben würden. Das richtige Sommertheater eben.
Natürlich kann die FAZ schreiben, wie sie will. Die Rechtschreibung ist
bekanntermaßen nur und ausschließlich für Behörden und Schulen verbindlich.
Ganz davon abgesehen, dass ich nicht glaube, dass die Mehrheit der Leser
über die Unterschiede stolpert oder sie auch nur bewusst bemerkt. Um so
unverständlicher ist das Hick-Hack und das Aufhebens, das die FAZ und die
anderen Medien darum machen. Da geht ein Marcel Reich-Ranitzki auf die
Barrikaden, weil die neue Rechtschreibung die deutsche Sprache zerstören
würde. So, als wäre Deutsch nur mit ß erträglich (seltsam, dass die
Schweizer auch ohne diesen Buchstaben ganz gut auskommen).
Dabei wird nur allzu leicht vergessen, dass die Reform hauptsächlich den
ganzen Wust an Regeln und vor allem an Ausnahmen von den Regeln der alten
Rechtschreibung reduziert hat. Sie ist einleuchtender und leichter zu
lernen. Außerdem lässt sie bei vielen Wörtern mehrere Schreibweisen zu, so
dass auch die alte Schreibung nur selten wirklich falsch ist. Wer Lust hat,
umzulernen, kann das gern tun, aber ein Muss ist es nicht (außer für
Schüler - und das Problem erledigt sich mit der Zeit von selbst). Es steht
jedem frei, zu schreiben, wie er mag. Und die Individualität der Künstler,
um die Herr Reich-Ranitzki so besorgt ist, wird schon gar nicht angetastet.
Oder gab es damals etwa einen Aufschrei, als einige Autoren (Beispiele gibt
es zur Genüge) Gedichte ohne Satzzeichen, ohne Kommas, Punkte und nur in
Kleinschreibung veröffentlichten?
Der Rechtschreibreform kann man einiges vorwerfen: dass sie nicht immer
konsequent ist, dass sie zu viele Möglichkeiten offen lässt, dass die Frage
des ß unzureichend geklärt ist, usw. Aber jede Sprache und jede
Rechtschreibung haben ihre Unzulänglichkeiten. Die Reform ist auf jeden Fall
ein Schritt in die richtige Richtung, Sprech- und Schreibweisen wenigstens
einigermaßen in Übereinstimmung zu bringen.
Ach übrigens, wüssten Sie, wie man "Flussschifffahrt" nach der alten
Rechtschreibung hätte schreiben müssen - Flußschiffahrt oder
Flußschifffahrt? Erinnern Sie sich, da gab es doch diese Regel, nach der in
einem solchen Fall 3 Konsonanten geschrieben werden, wenn ihnen - ja was
nun: Vokal oder Konsonant, wie war das doch gleich? - folgt ... Hm, also da
ist die neue Regelung doch bedeutend eindeutiger, oder? Einfach nur "Fluss
und "Schiff" und "Fahrt" - ohne nachzudenken, ohne weitere Regeln, ohne
Ausnahmen. K.H.
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Salut!
Tec Dian

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