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BRD/USA/CIA/NSA: Verrat unter Freunden

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GIV c/o Gerhard Lange

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Oct 7, 1999, 3:00:00 AM10/7/99
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*Verrat unter Freunden*
Wie die NSA, Amerikas größter und verschwiegenster Geheimdienst,
deutsche Firmen ausspioniert und dabei einen Milliardenschaden
anrichtet

Von Oliver Schröm

Die Spionin kam aus der Kälte. "An der Außenwand des Turms kletterte
ich auf einer schmalen Leiter 42 Meter hoch", beschreibt Ruth Heffernan
ihren waghalsigen Spionageeinsatz bei null Grad und eisigem Wind auf
einem Acker in der Nähe des ostfriesischen Städtchens Aurich. Bei Wind
und Wetter hatte sie an jenem Märztag 1994 ihr Leben riskiert, um in
die modernste Windkraftanlage der Welt einzudringen.

Das Objekt ihrer Neugierde hieß schlicht: E40. Der ostfriesischen
Enercon GmbH war es gelungen, mit der E-40 eine Windmühle zu
präsentieren, die der Konkurrenz technisch um Jahre voraus war.
Die Anlage wurde zum Verkaufsschlager: Bis heute haben die Auricher
weltweit über 1650 Stück davon verkauft.

1994 wollte Enercon auch auf dem US-Markt Fuß fassen. Die Firma
verhandelte mit zwei amerikanischen Interessenten, die ihre
Windparks in Texas mit der E-40 bestücken wollten. Doch statt eines
Millionenauftrags bekam die Enercon-Geschäftsleitung Anfang 1995
zwei unangenehme Briefe zugestellt - einen vom Distriktgericht im
kalifornischen San José, den anderen von der Verwaltungsbehörde des
US-Handelsministeriums in Washington, D. C. In beiden wurde das
ostfriesische Unternehmen einer Patentverletzung bezichtigt.

Hinter den Verfahren, so stellte sich heraus, steckte die amerikanische
Konkurrenz: Kenetech Windpower Inc. Mit den Verfahren wollte das
Unternehmen aus dem kalifornischen Livermore sich die Wettbewerber vom
Leibe halten. Enercon-Geschäftsführer Aloys Wobben wurde vorgeladen und
zwei Wochen lang in Washington vernommen. Dann bekamen Wobben und seine
amerikanischen Anwälte - möglicherweise aus Versehen - das Beweisma-
terial der Gegenseite zu Gesicht. Neben einer Vielzahl von Fotos,
die das komplette Innenleben der E-40 zeigten, befand sich auch der
achtseitige Spitzelbericht von Ruth Heffernan. Darin schildert sie
detailliert, wie sie zusammen mit ihrem holländischen Kenetech-Kollegen
Robert "Bob" Jans und dem Oldenburger Ubbo de Witt die Enercon-Anlage
ausspionierte: "Verließ Groningen am frühen Montag, 21. 3. 94, mit
Bob Jans. Fuhren nach Oldenburg, holten Ubbo ab, einen Physiker und
Meterologen, der für uns als freier Mitarbeiter tätig ist. Er hatte
Kontakt zu dem Bauern, der eine Enercon-40 besitzt und im Einsatz hat."

Das Spionagetrio ging in die Bodenstation, setzte das Sicherheitssystem
außer Kraft und rief, nachdem ein Code eingegeben wurde, Displays ab.
Dann stellten sie die Maschine ab. Die 40 Meter großen Rotorblätter
kamen zum Stehen. Jetzt erst wagten die drei den Aufstieg zur Kabine
an der Spitze des Windrades, dort, wo sich das Herzstück der E-40
befindet. "Wir verbrachten über 60 Minuten da oben, redeten über die
Maschine und machten Fotos."

Der Enercon-Geschäftsführer konnte es nicht fassen. Da war der Beweis,
dass Spione seine E-40 ausgeforscht hatten. Doch wie hatten Heffernan,
Jans und de Witt an jenem Tag die Computercodes geknackt und das
Sicherheitssystem lahm gelegt?

Da gab ein WDR-Journalist dem Windkraft-Manager einen Tipp: Ihm hatte
ein amerikanischer Geheimdienst-Mitarbeiter offenbart, dass seine
Organisation einen großen Lauschangriff auf die Auricher verübt habe.
So seien Firmenkonferenzen über die Telefonleitungen abgehört, Sicher-
heitscodes und geheime Forschungsunterlagen abgefangen und der
amerikanischen Konkurrenz von Kenetech zugespielt worden. Den Namen
jenes Geheimdienstes, der per Telefonleitung in seine Firma einge-
brochen sein soll, hatte Wobben noch nie gehört: National Security
Agency (NSA).

Stop-and-go auf dem Baltimore-Washington-Parkway in der US-Bundes-
hauptstadt. Zwischen acht Uhr und neun Uhr ist Rush-Hour. "Da vorne
müssen wir links rein", sagt der Fahrer, wechselt ruckartig die
Spur, biegt am Schild mit der Aufschrift "National Security Agency"
ab und fährt vorbei an einem Parkplatz, der so groß und so voll ist
wie der des Münchner Olympiastadions beim Heimspiel des FC Bayern.
Die Zahl der Autos ist der einzige Weg, eine Vorstellung von der
Größe des größten und geheimsten der amerikanischen Geheimdienste zu
erhalten. Rund 20.000 Fahrzeuge hat man auf dem Parkplatz gezählt.
In Wirklichkeit dürfte die Zahl der Mitarbeiter weit höher liegen
- allein im Bundesstaat Maryland soll die NSA 40.000 Beschäftigte
haben. Rund um den Globus kommen noch etliche tausend hinzu. Die
Mehrheit der Amerikaner konnte jahrzehntelang mit dem Kürzel NSA
nichts anfangen. Lange Zeit wurde es mit "No Such Agency" übersetzt
- ironisch für die überaus erfolgreiche Geheimhaltung des riesigen
Apparates 30 Kilometer vor Washington.

Die NSA ist eine Art riesiger Staubsauger, der alle elektronische
Kommunikation aufsaugt: Telefongespräche, Faxe, E-Mails. Beinahe das,
was Kinder sich unter dem lieben Gott vorstellen: Einer sitzt über
den Wolken und hört jedes Wort. Wenn Zeilen aus geheimen diplomatischen
Gesprächen bekannt werden, wenn die USA detailgenaue Satellitenauf-
nahmen von Massengräbern in Bosnien zeigen oder die Vereinten Nationen
Beweise für Giftgaslager im Irak sammeln - Zuträger der Informationen
ist fast immer die NSA. Geheimdienst-Experten schätzen, dass die CIA
nur mehr fünf Prozent aller Erkenntnisse beschafft. 95 Prozent liefere
die NSA.

Eine Spezialität der NSA ist nach Ansicht deutscher Experten die Wirt-
schaftsspionage. Amerikanische Firmen benutzten den Geheimdienst, um
sich unliebsamer ausländischer Konkurrenz zu erwehren. Aus offenem
Wettbewerb sei längst ein Wirtschaftskrieg geworden. Doch schuld sind
nach amerikanischer Lesart vor allem die anderen. CIA und NSA haben
ein Image aufgebaut, wonach nicht die NSA die Hoheitsrechte anderer,
freundlich gesinnter Staaten verletzt, sondern lediglich die eigene
Wirtschaft schützt. Die Clinton-Administration hat Industriespionage
zur nationalen Bedrohung erklärt und bereits im Juni 1995 in einem
als "geheim" klassifizierten Bericht an den Kongress behauptet, dass
Frankreich, Israel und Japan amerikanische Unternehmen ausspionierten.
Auch Deutschland, England und Kanada seien aktiv: "Diese Länder haben
wirtschaftliche und technische Informationen in den USA im Visier,
obwohl sie mit den USA freundschaftliche Beziehungen pflegen."

Die Kunde vom Wirtschaftskrieg unter Freunden ist längst auch nach
Deutschland gedrungen, wo Wirtschaftsspionage einen Schaden von
schätzungsweise 20 Milliarden Mark jährlich anrichtet. Bereits 1991
schrieb der Bundesnachrichtendienst in einer vertraulichen Analyse:
"Die amerikanischen Nachrichtendienste sollen verstärkt Wirtschafts-
spionage betreiben und so zur wirtschaftlichen Sicherheit der USA
beitragen." Während die Deutschen so etwas offiziell nicht tun
(es gibt dazu keinen Auftrag des Parlaments), hat Clinton seinen
Geheimdiensten ein größeres Engagement bei der Beschaffung von
Wirtschaftsdaten verordnet.

Beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln pflegt die Spionageabwehr
- zumindest offiziell - noch das alte Feindbild: Die Agenten kommen
aus dem Osten. Das Ausspionieren deutscher Unternehmen durch
"befreundete" Dienste wie die NSA ist für die Verfassungsschützer
ein Tabuthema. Auch Ernst Uhrlau, seit November 1998 Geheimdienst-
Koordinator im Kanzleramt, will nicht an eine gezielte Spähaktion
glauben. "Ich bin der festen Überzeugung, dass die USA in Deutschland
keine Wirtschaftsspionage betreiben", sagte er der ZEIT. Auf die
Raubzüge amerikanischer Agenten im Bereich der so genannten "ökono-
mischen Aufklärung" reagieren die Verfassungsschützer bislang mit
Appellen an die deutsche Wirtschaft, "mehr Problembewusstsein" zu
entwickeln. Nur hinter vorgehaltener Hand fordern die Chefs einiger
Landesämter für Verfassungsschutz, die "Abwehrarbeit neu zu
strukturieren". Es dürfe "keine Verengung des Blickfeldes nach Osten
geben".

Stuttgart, Ende Juni 1999. Im Haus der Wirtschaft sitzen hinter
verschlossenen Türen Geheimdienstler und Sicherheitschefs deutscher
Unternehmen. Das Thema: Spionageabwehr. Die Verfassungsschützer aus
Baden-Württemberg, Gastgeber des Symposiums, reden Klartext. Nicht
nur Russen, Chinesen oder Iraner seien die Gegner, verkündet Harald
Woll, Leiter der baden-württembergischen Spionageabwehr. Beim Thema
Wirtschaftsspionage seien auch die Geheimdienste befreundeter Staaten
zu beachten. Allen voran die NSA.

Im zwanglosen Gespräch zwischen Schlapphüten und Sicherheitsmanagern
fällt immer wieder ein Name: NSA. Nahezu hinter jedem Spionageskandal
der vergangenen Jahre stecke der Geheimdienst, heißt es bei Pils und
belegten Brötchen. Beispielsweise im Fall López, der zum Krieg zwischen
zwei Autokonzernen eskalierte. General Motors hatte den Manager
beschuldigt, er habe bei seinem Weggang zu VW geheime Unterlagen
mitgenommen. Bei der Beweisführung war dem amerikanischen Konzern
offenbar ein Lauschangriff behilflich. Die NSA, erzählt ein Geheim-
dienstler, habe Videokonferenzen von VW mit López abgehört und den
Inhalt der Gespräche General Motors zugespielt.

Genüsslich zitiert ein anderer Geheimdienstler in der Runde den San
Francisco Chronicle. Danach hat der europäische Flugzeugriese Airbus
1994 nur deshalb einen Sechs-Milliarden-Mark-Auftrag aus Saudi-Arabien
nicht bekommen, weil der amerikanische Erzkonkurrent Schützenhilfe von
der NSA bekam. Der Geheimdienst-Gigant soll alle Faxe und Telefonate
zwischen Airbus und den Saudis aus dem Äther gefischt und an Boeing
weitergegeben haben. Somit war es für die Flugzeugbauer aus Seattle ein
Leichtes, den Saudis ein günstigeres Angebot zu unterbreiten.

Fast schon legendär der Fall, den ein anderer zum Besten gibt: 1995,
bei den Genfer Verhandlungen über Autoexporte von den USA nach Japan,
soll die Hotelsuite der japanischen Handelsdelegation abgehört worden
sein. Jeden Morgen habe der US-Verhandlungsführer quasi zum Frühstück
die nächtlichen Beratungsergebnisse der japanischen Seite serviert
bekommen. Die betroffenen Unternehmen selbst wollten sich zu den
Vorfällen nicht mehr äußern.

Alle genannten Fälle haben eins gemein: Es gibt nur Indizien für NSA-
Aktivitäten, stets fehlt der letzte Beweis. So auch im Fall Enercon,
der beim Geheimdienstler-Symposium heiß diskutiert wurde. "Das Problem
ist, dass wir es mit technischer Spionage zu tun haben", klagt Helmut
Rannacher, Präsident des baden-württembergischen Verfassungsschutzes.
"Diese Art der Spionage ist lautlos, wir haben keine festgenommenen
Personen, wir haben im Zweifel nur entsprechende Folgen. Der faktische
Nachweis der Spionage kann kaum geführt werden."

Aber wie kommen die Informationen der NSA zu den amerikanischen
Firmen? Den Informationsfluss regele das US-Wirtschaftsministerium,
das Erkenntnisse der CIA und der NSA an die Unternehmen weiterleite,
weiß einer aus der Stuttgarter Runde zu berichten. Dafür gebe es
im Ministerium eigens ein Verbindungsbüro, Zimmer 6854: Office of
Intelligence Liaison.

Offiziell bestreitet die NSA, der amerikanischen Wirtschaft zuzuar-
beiten. Fest steht jedoch, dass Unternehmen und Geheimdienst seit
Anfang der neunziger Jahre immer näher zueinander fanden. Nach dem
Ende des Kalten Krieges musste die NSA ihren Vier-Milliarden-Dollar-
Etat kürzen. Viele ehemalige Geheimdienstler fanden besser bezahlte
Jobs in der Wirtschaft - auf ihre Expertise kann sich die NSA heute
genauso verlassen, wie es die Unternehmen ihrerseits auf die Hilfe
des Geheimdienstes können. Selbst jene, die vor aktiver Wirtschafts-
spionage warnen, sind sich einig, dass man "zufällig" abgehörte
Informationen ruhig an die einheimische Industrie weitergeben könne.
In der Praxis wird allerdings nicht allzu viel dem Zufall überlassen.
Zusammen mit Großbritannien, Kanada, Neuseeland und Australien haben
die USA seit Ende der vierziger Jahre ein Abhörsystem aufgebaut, mit
dem sie die ganze Welt belauschen können: Echelon.

Die Landstrasse L 11 teilt Mietraching, Ortsteil des Kurstädtchens
Bad Aibling, in zwei Welten. Auf der einen Seite oberbayerisches
Einfamilienhaus-Idyll, auf der anderen Seite ein Stück Amerika:
"Militärisches Sperrgebiet. Bereich der amerikanischen Streitkräfte.
Fotografieren, Anfertigen von Notizen oder gar Zeichnungen verboten!"
Das Schattenreich wird überragt von bis zu 20 Meter hohen, geriffelten
Alukuppeln, die wie riesige Golfbälle in der Talebene liegen. Dahinter
verbergen sich Parabolspiegel der NSA. Sie sind längst nicht mehr nur
nach Osten gerichtet. Von Bad Aibling aus hört die NSA auch westeuro-
päische Konzerne ab. Dabei verwendet sie das Abhör- und Auswertungs-
system Echelon, zu Deutsch: Staffelung. Die Anlage ist nach dem
englischen Menwith Hill der größte NSA-Horchposten außerhalb der USA.
Einem EU-Bericht zufolge ist Echelon bereits seit mehr als 20 Jahren
in Betrieb. Mit diesem angeblich weltweit größten elektronischen
Überwachungssystem kann der amerikanische Nachrichtendienst quasi
jedes Telefongespräch, jede E-Mail und jedes Fax auf der Welt
abfangen und auswerten; "die größtmögliche Invasion in die
Privatsphäre", so der Kanadier Mike Frost. Er hat jahrelang beim
Aufbau und Betrieb des Abhörsystems mitgearbeitet.

Echelon besteht aus etwa 120 über den Erdball verteilten Stationen,
die rund um die Uhr Telekommunikationssatelliten und Mobilfunksender
abhören sowie Untersee-Telefonkabel und Mailserver anzapfen. Alles
in allem, schätzt der ehemalige NSA-Direktor William Studeman, würden
in einer halben Stunde wohl rund eine Million Nachrichten mitgeschnit-
ten. Interessant sei davon im Schnitt nur eine einzige.

Die so gewonnenen Informationen werden mithilfe des Künstliche-
Intelligenz-Systems Memex anhand von Schlüsselbegriffen durchsucht
und ausgewertet. Sobald ein NSA-Mitarbeiter das entsprechende
Stichwort eingegeben hat, werden alle damit in Zusammenhang stehenden
Telefongespräche, Faxe und E-Mails registriert und nach Wichtigkeit
sortiert.

Im Sommer 1984 machte der neuseeländische Friedensaktivist Nicky Hager
mit ein paar Freunden eine kleine Exkursion nach Tangimoana nördlich
von Wellington, um eine neu entdeckte Abhörstation des neuseeländischen
Geheimdienstes zu besichtigen. "Als niemand kam und uns wegschickte",
erinnert sich Hager, "sahen wir uns um und notierten, was wir sahen."
Zwölf Jahre lang hat Nicky Hager danach recherchiert. Er sprach mit 50
neuseeländischen Geheimdienstlern, wälzte staatliche Verzeichnisse, um
anhand von Kfz-Kennzeichen und Mitarbeiterlisten des Verteidigungs-
ministeriums die weltweiten Einsätze der Spione zu verfolgen. 1996
legte er sein Buch Secret Power vor, die bis dato umfassendste Analyse
des Abhörsystems Echelon.

Offiziell diente der Horchposten auf Neuseeland nur der militärischen
Spionage. Hager fand jedoch heraus, dass auch private und geschäftliche
Kommunikation gezielt abgehört wird. Als er sich eines Abends mit einer
Kamera auf die Militärbasis Waihopai schlich, stellte er verwundert
fest, dass die Anlage - bis auf einen Wachposten - völlig verlassen
war. "Den stärksten Eindruck hat die Operationszentrale auf mich
gemacht", erinnert sich Hager. Die Fenster waren vergittert, die
Computer summten alleine vor sich hin. Überall Rechner und blinkende
Lichter - Tausende Menschen wurden dort vollautomatisch abgehört.

In der Kontrollzentrale hingen fünf Listen mit Stichworten, nach
denen gesucht wurde. Eine solche Liste, schreibt Hager, gleiche einem
Wörterbuch: Aufgelistet sind ein Name, ein Wort, eine Zahl, und wann
immer das Suchwort in einem Gespräch auftaucht, wird dieses automatisch
aufgezeichnet und - je nach Dringlichkeit - sofort zur Auswertung in
die zuständige NSA-Abteilung geleitet. Die neuseeländischen Behörden,
immerhin Betreiber der Anlage, hatten keine Ahnung, welche Gespräche
die USA abfingen, denn der Mitschnitt wanderte direkt in die NSA-
Zentrale nach Fort Meade in Maryland.

Offiziell allerdings gibt es Echelon gar nicht - wie es auch offiziell
keine Wirtschaftsspionage zwischen befreundeten Staaten gibt.
Entsprechend groß war die Aufregung, als Anfang des Jahres eine
Forschungsgruppe des Europäischen Parlaments, die Scientific and
Technological Options Assessment (STOA), in einem Arbeitspapier
darauf hinwies, dass Echelon vorrangig der Überwachung nichtmili-
tärischer Ziele dient - dem Abhören von Regierungen, Organisationen
und Firmen.

Die NSA verweigert jede Stellungnahme. Sie will nicht einmal
bestätigen, dass sie die Abhöranlagen überhaupt betreibt. Der
amerikanische Geheimdienst-Mitarbeiter Dan Smith, bis 1993 als
Militärattaché an der Londoner Botschaft, betonte gegenüber der
BBC, die NSA spioniere nicht im Auftrag einzelner US-Unternehmen.
Er gab allerdings zu, die Ziele seien so breit ausgewählt, dass
man "unvermeidlich" auch Kommunikation aufzeichne, die militärisch
nicht relevant sei. Die offizielle Linie lautet also: Wirtschafts-
spionage ist nicht Hauptaufgabe der NSA, sondern nur ein Zufalls-
produkt.

In Brüssel und Bonn haben sich die Politiker auf den bequemen
Standpunkt verlegt, erst dann gegen die "Spionage unter Freunden"
zu protestieren, wenn NSA und US-Regierung sich der Öffentlichkeit
offenbaren.

Als am 14. September 1998 im Europäischen Parlament über Echelon
gesprochen wurde, verschanzte sich Martin Bangemann, damals noch
EU-Kommissar, hinter einer wolkigen Erklärung: "Ich bin nicht der
Meinung, dass diese Affäre Echelon, wenn es denn eine sein sollte,
unsere gesamte Debatte über die Beziehungen zu den USA einnehmen
sollte." Die EU solle sich nicht mit Problemen befassen, "die
wahrscheinlich nicht die größten der Weltgemeinschaft sind". Die
EU-Parlamentarier verstiegen sich zur grotesken Forderung, man
brauche erst noch einen weiteren Bericht - einen, in dem die NSA
selbst ihre Abhörmöglichkeiten aufdecke.

Auch in Deutschland hat die Politiker offenbar der Mut verlassen.
1997 forderte die SPD-Bundestagsfraktion in einem Papier, "multi-
oder bilaterale Abkommen, um den Einsatz von Geheimdiensten für die
Industriespionage auszuschließen". Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer
Sprecher der SPD-Fraktion, scheint es heute peinlich zu sein, zu den
Unterzeichnern des Papiers zu gehören: "Unsere Anfrage damals war etwas
naiv."

Ein anderer Unterzeichner, Fritz Rudolf Körper (SPD), mittlerweile zum
Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium aufgestiegen,
beruhigte kürzlich seine Fraktionskollegin Angelika Graf. Die hatte
besorgt bei Otto Schily angefragt, was an dem Gerücht dran sei, dass
die USA von Bad Aibling aus, das in ihrem Wahlkreis liegt, die
deutsche Wirtschaft ausspionierten. Nein, es gebe keinerlei Hinweise
für Spionageaktivitäten der USA in Deutschland, antwortete Körper.
Erleichtert konnte Angelika Graf ihrem Wahlkreis mitteilen: "Der
US-Stützpunkt Bad Aibling trägt in nicht unerheblichem Maße zur
Wirtschaftskraft der Stadt bei. Dies sollte man bedenken, wenn man
derartige Anschuldigungen in die Welt setzt."

Gerhard Schmid, Europa-Parlamentarier der SPD, der im vorigen Job
noch empört gefordert hatte, die Bundesregierung, damals noch CDU-
geführt, müsse dringend etwas gegen die zunehmende Wirtschafts-
spionage unternehmen, sagte nun im Telefoninterview, dass es nur
ein einziges Mittel gegen das Abhören gebe: alle wichtigen Nach-
richten verschlüsseln. "Und für Gebote oder wichtige Verhandlungen
müssen sich Manager eben ins Flugzeug setzen. Das ist dann eben
einer der Fälle, wo es sich wirklich lohnt, persönlich zu einem
Termin zu fliegen."

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Oldenburg gegen Ubbo de
Witt, der beschuldigt wird, im März 1994 Enercon ausspioniert zu
haben. Viel zu befürchten hat de Witt nicht. Staatsanwalt Schäfers
ermittelt nicht wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit, sondern
nur wegen Verdachts auf Industriespionage. Somit könnte de Witt auch
nur wegen eines Verstoßes gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb
haftbar gemacht werden. Dass ein fremder Geheimdienst die Finger im
Spiel hatte, kann Schäfers sich nicht vorstellen. "Gibt es diese NSA
überhaupt?", fragt er vorsichtig.

Enercon hat sich gegen weitere Lauschangriffe gewappnet. Kilometerweise
ließ das Unternehmen eigene Telefonstrippen durch Aurich verlegen.
Jetzt sind die Enercon-Mitarbeiter zumindest bei der internen
Kommunikation nicht mehr auf das öffentliche Telefonnetz angewiesen.
Vertrauliche Informationen an Geschäftspartner und Kunden werden nicht
mehr per Telefon, Fax oder E-Mail ausgetauscht, sondern nur noch
persönlich, notfalls über Kurierdienste oder den Postweg.

Der amerikanischen Konkurrenzfirma Kenetech, die sich gegen Enercon
nur mit Spionage zu wehren wusste, konnte letztlich nicht einmal die
NSA helfen. Das Unternehmen musste Konkurs anmelden, die Projekt-
und Patentrechte erwarb eine Tochterfirma des in Dallas ansässigen
Erdgasmultis Enron.

Einen Tag, nachdem Kenetech das Konkursverfahren einleiten musste,
wurde in Washington das Urteil im Patentschutzverfahren gegen
Enercon verkündet: Wegen der Gefahr einer Patentverletzung verhängten
die Richter ein generelles Importverbot für Enercon, gültig bis zum
Jahr 2010. Bis heute hat die Firma durch die Spionage Umsatzverluste
von 100 Millionen Mark erlitten. Und die 300 geplanten zusätzlichen
Arbeitsplätze sind auch nicht entstanden.

Mitarbeit: Thomas Schuler

aus: DIE ZEIT, 1999, Nr. 40

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>> Further Informations about Iraq and Palestine:
>> http://giv.de.cx
>> http://user.exit.de/giv/index.htm
>> http://soziales.freepage.de/irak/index.htm
>> http://www.germany.net/teilnehmer/101,88843/index.html
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