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Presseschau Kurdistan, 23.10.99 (2)

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Maurice Merlin

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Oct 23, 1999, 3:00:00 AM10/23/99
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## Nachricht zur Information/Dokumentation weitergeleitet
## Erstellt von: inge.alv...@student.hu-berlin.de
## Betreff: Presse 23.10.
##
BRD: erster Freispruch in Berlin!, Verfahren gegenPolizistInnen;
Gedenkveranstaltung für Ronahî; PKK: Einschüchterungsversuche gegen
Kritiker; Hungerstreik im Kirchenasyl; CH: Verschärfte Überwachung;
Berlin: Werthebach will Versammlungsfreiheit einschränken; Schlag
gegen "kurdische Heroin-Mafia" in Hamburg;


fr, 23.10.
Berlin: Erstmals Freispruch im Prozess um Kurdenkrawalle

fi BERLIN, 22. Oktober. Im Prozess um die Kurdenkrawalle vor dem
israelischen Generalkonsulat im Februar hat das Berliner Landgericht am
Freitag erstmals einen Angeklagten freigesprochen. Die 38. Große
Strafkammer entlastete den 23-jährigen Süleyman A. von dem Vorwurf, er habe
sich an vorderster Stelle am gewalttätigen Protest gegen die Verschleppung
des PKK-Führers Abdullah Öcalan in Berlin beteiligt (Az: 538-10/99).

Während der zwölf Verhandlungstage hatten sich die Hauptbelastungszeugen,
zwei Polizisten, in krasse Widersprüche verstrickt. Wegen der
widersprüchlichen Aussagen forderte schließlich auch die Staatsanwaltschaft
den Freispruch. Sie hatte A. schweren Landfriedensbruch und gefährliche
Körperverletzung vorgeworfen. Der Mann war verdächtigt worden, mit einer
Holzlatte auf Polizeibeamte eingeprügelt zu haben.

Die Anwältinnen A.s warfen der Anklagebehörde "grobe Pflichtverletzung"
vor. Sie habe es versäumt, die Beweismittel, darunter ein entlastendes
Videoband, ausreichend zu würdigen. "Hätte sie dies, wie es ihre Pflicht
ist, getan, wäre es wahrscheinlich nicht zu einer Anklageerhebung
gekommen", betonten die Verteidigerinnen. Zugleich verwiesen sie darauf,
dass ihr Mandant mehr als acht Monate zu Unrecht in Haft gesessen habe.

In Berlin hatten Kurden am 17. Februar das israelische Konsulat erstürmt.
Dabei wurden vier der Angreifer getötet.


taz Berlin, 23.10.1999 Seite 24
Freispruch im Kurdenverfahren

Nach 12 Verhandlungstagen hat gestern die 38. Große Strafkammer am Berliner
Landgericht den Angeklagten Süleyman A. vom Vorwurf des schweren
Landfriedensbruchs am israelischen Generalkonsulat freigesprochen. Zugleich
wurde der Haftbefehl aufgehoben und A. Haftentschädigung zugesprochen.
Süleyman A. war bei der Erstürmung des israelischen Generalkonsulats durch
Kurden Anfang des Jahres festgenommen worden. Nach Schüssen israelischer
Sicherheitskräfte waren damals vier Kurden tödlich verletzt worden. Nach
Angaben der Rechtsanwältin Petra Haderstorfer erfolgte der Freispruch
deshalb, weil die "polizeilichen Belastungszeugen nachweislich in mehreren
Punkten die Unwahrheit gesagt haben beziehungsweise sich widersprüchlich
äußerten". So konnte die Verteidigung an Hand eines Videos nachweisen, dass
A. gar nicht durch die Belastungszeugen festgenommen worden war, obwohl
diese das immer behauptet hatten. Haderstorfer kritisierte in diesem
Zusammenhang die Staatsanwaltschaft, der dieses Beweisstück vorlag. Hätte
die Staatsanwaltschaft das Video geprüft, "wäre es wahrscheinlich nicht zu
der Anklageerhebung gekommen", so die Anwältin. Haderstorfer will nun ein
Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Polizisten wegen uneidlicher
Falschaussage einleiten.
taz


taz Hamburg, 23.10.1999 Seite 24
Denken an Wolf

Am morgigen Todestag von Andrea Wolf wird in Hamburg-Wilhelmsburg der
Internationalistin Andrea Wolf gedacht. Wolf, die sich Anfang 1997 der ARGK
Guerilla in Kurdistan angeschlossen hatte, wurde am 23. Oktober vorigen
Jahres von der türkischen Armee getötet. In der Gedenkveranstaltung wird an
das Leben und die politische Arbeit von Wolf erinnert. Anschließend gibt es
ein Fest.

Sonntag ab 15 Uhr, Marmara Salon, Vogelhüttendeich 48


fr, 23.10.
PKK strebt offenbar im Alleingang zur Demokratie
Kurdenvertreter berichten über Einschüchterungsversuche gegen Kritiker

Von Edgar Auth (Frankfurt a. M.)

Die Post kam diesmal nachts zu Necdet Buldan: Drei Unbekannte brachten dem
in Deutschland lebenden ehemaligen Abgeordneten des PKK-nahen kurdischen
Exilparlaments einen Brief, angeblich von der Kurdischen Arbeiterpartei
PKK. Die drei lasen ihm das Dokument vor, händigten es aber nicht aus.
Knapp wurde Buldan der Umgang mit dem PKK-kritischen Autor Selahattin Celik
und anderen verboten. Auch dürfe der Ex-Bürgermeister einer
südosttürkischen Kurdenstadt nicht an einem Kongress zum innerkurdischen
Dialog des Zentrums für Kurdische Studien "Navend" teilnehmen, der am
Freitag in Bonn begann. "Bei der Tagung in Bonn rechnet man damit, daß es
gegen die PKK schimpfliche Kritik geben wird", heißt es in dem Brief, über
den Buldan ein Gedächtnisprotokoll anfertigte.

Offenbar um dem Verbot Nachdruck zu verleihen, wird daran erinnert, daß
Buldans Sohn und weitere Verwandte bei der Guerilla in den kurdischen
Bergen sind. Wenn die verbotenen Kontakte nicht aufhörten "...müssen Sie
die Konsequenzen tragen", heißt es vielsagend. Buldan dazu: Wenn seinen
Verwandten etwas zustoßen sollte, "tragen diejenigen, die mich
bedrohten,...dafür die Verantwortung".

Dabei hat auch die PKK längst Demokratie und Dialog auf ihre Fahnen
geschrieben. Ihr zum Tode verurteilter Vorsitzender Abdullah Öcalan läßt
fast täglich aus dem Gefängnis Friedensappelle veröffentlichen. Eine
Delegation führender PKK-Mitglieder stellte sich kürzlich demonstrativ den
türkischen Behörden. "Die PKK wird weitere Schritte unternehmen, um für die
Aufbauphase der ,Demokratischen Republik' (Türkei, Red.) einen positiven
Beitrag zu leisten", heißt es in der vom Kölner
Kurdistan-Informationszentrum verbreiteten jüngsten Erklärung.

Doch offenbar tut sie sich dabei schwer mit politischer Konkurrenz. Da sei
in Bonn eine "miesmacherische Bande" am Werk, schäumte die PKK-nahe Özgür
Politika mit Blick auf den Kongress und stellt ihn in eine Reihe mit jener
"Bande innerhalb des türkischen Staates, die auf dem Krieg beharrt" und
nicht einmal das Wort Frieden ertrage. Chefredakteur Cemal Ucar erläuterte
der FR, es gebe im kurdischen Spektrum nationalistische Gruppen, die den
Friedensprozeß hintertreiben und "provozieren" wollten. Diese Leute hätten
nie Krieg geführt, riefen nun aber an und sagten: "Liebe Guerilla, bleib
doch". Die große Mehrheit der Kurden trage den Verständigungskurs der PKK
mit. Die Verbal-Angriffe richteten sich nur gegen jene, "die gegen Frieden
sind". Von dem Einschüchterungsversuch gegen Buldan habe auch er nur aus
dessen Presseerklärung erfahren.

Buldan aber will sich nicht einschüchtern lassen. Es sei nicht begreifbar,
dass menschliche Beziehungen "unter Zwangsordnung gestellt" würden und "man
Angst haben muss, frei zu denken und zu diskutieren", schreibt er.
Fragwürdig nennt Buldan auch die Vorverurteilung der Bonner Debatte, ohne
dass nachgedacht worden sei, ob diese "Vorteile für den nationalen
Befreiungskampf bringen würde".

Metin Incesu von Navend fragt: "Wovor haben die Angst? Demokratisch sein
setzt Pluralismus voraus." Die Özgür Politika-Kolumne nähre aber ernste
Zweifel daran, ob man dort "überhaupt versteht, was eine politische
demokratische Lösung ist".

Dem Autor Selahattin Celik war es übrigens viel schlimmer ergangen als
Buldan. Wie Hans Branscheidt von der Frankfurter Hilfsorganisation medico
international mitteilte, wurde Celik bei einem nächtlichen Besuch von drei
Männern mit einem Schlagring brutal verprügelt. Die Angreifer hätten Celik
"nach allen Regeln krimineller Kunst krankenhausreif geschlagen". Die
PKK-Europaorganisation ERNK hatte sich vor einigen Wochen von dem Anschlag
distanziert.


Saarbrücker Zeitung, 22.10.
Kurden in Kirchenasyl hungern

Völklingen (mr). Vier junge Kurden befinden sich seit dem 2. Juli im
Kirchenasyl der Völklinger Versöhnungskirche. Gestern haben Resul Bastug
(21), Cengiz Bilgi(? (18), Mustafa Bastug (20) und Aysel Bastug (22) eine
"Fastenaktion" begonnen: 14 Tage wollen sie keine Nahrung, sondern nur
Wasser oder Tee zu sich nehmen. Sie wollen damit auf die Probleme der
Kurden in der Türkei aufmerksam machen und gegen die Todesstrafe
protestieren, die PKK-Führer Öcalan droht, gegen den gestern das
Revisionsverfahren eröffnet wurde. Auch den vier jungen Männern droht in
der Türkei Haft, da sie den Kriegsdienst verweigerten, um nicht auf
Landsleute schießen zu müssen.


nzz, 22.10.
Verschärfte Überwachung.

Die Fortsetzung des Revisionsverfahrens des zum Tode verurteilten
PKK-Chefs Abdullah Öcalan hat die Schweizer Behörden dazu veranlasst,
einige ausländische Vertretungen in Bern und Genf verstärkt zu
überwachen. Es wird mit kurdischen Protesten gerechnet.


Tagesspiegel, 23.10.
Berichtigung:
Sinnentstellende Kürzungen beim Interview mit Ernst Uhrlau

Durch Kürzungen im Interview mit Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau
wurden gestern zwei Antworten entstellt abgedruckt. Statt: "Die PKK hat
erkennen müssen, dass es keine Entsolidarisierung mit Öcalan gegeben hat",
muss es heißen: "Die PKK hat alle Positionen von Öcalan nachvollziehen
müssen, damit es zu keiner Entsolidarisierung mit Öcalan kam." Und statt:
"Das lässt den Schluss nicht zu, dass die PKK einen Kurswechsel zurück zur
Gewalt einleiten könnte", muss es heißen: "Das lässt allerdings derzeit
noch keinen Schluss darüber zu, ob sich die PKK einen radikalen Kurswechsel
zurück zur Gewalt, zum bewaffneten Kampf hier zu Lande und in der Türkei
leisten könnte oder auch nur die notwendige Akzeptanz bei den Kurden dafür
finden kann." Wir bitten um Entschuldigung.


Tagesspiegel, 23.10.
Demo-Stau
Innensenator Werthebach will die Versammlungsfreiheit einschränken,
damit der Verkehr frei fließen kann - Sieben Kundgebungen pro Tag in
Berlin

Cay Dobberke

Mal ziehen 14 000 bei der "Hanfparade" durchs Brandenburger Tor, mal
protestieren dort 50 000 gegen die Sparpolitik. Am Mittwoch waren es 15
Brandenburger, die zu hohe Abwassergebühren beklagten und von Damsdorf zum
Reichstag marschierten: Immer mehr Demonstrationen verursachen Staus in der
Innenstadt und verärgern Händler, die Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Die
Polizei erwartet in diesem Jahr eine Rekordzahl an Kundgebungen. Gestern
forderte Innensenator Eckart Werthebach (CDU) deshalb eine "ernsthafte
Diskussion" über Einschränkungen der Versammlungsfreiheit.

Er frage sich, ob zentrale Orte der Stadt wegen einer "exzessiven
Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit durch Minderheiten" versperrt werden
dürften, sagte Werthebach.

Derzeit gibt es pro Tag durchschnittlich sieben Kundgebungen. Bis Ende
September zählte die Polizei bereits 1945 angemeldete Versammlungen, die
meisten davon in der City. Die Zahl der Demonstrationen liegt damit schon
jetzt höher als im gesamten Vorjahr (1854). Sogar die ungewöhnlich hohe
Zahl von Kundgebungen vor zwei Jahren (2219) werde in diesem Jahr wohl
übertroffen, schätzte ein Polizeisprecher. Bisher sieht der Innensenator
seine Hände gebunden: Die polizeiliche Versammlungsbehörde könne eine Demo
nur verbieten oder Auflagen erteilen, wenn von ihr eine "unmittelbare und
gegebenenfalls vor Gericht konkret nachzuweisende Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeht". Werthebach äußerte "Zweifel,
ob diese höchstrichterlich bestätigte Rechtsauffassung für Großstädte in
gleichem Maß angemessen ist wie für vereinzelte Demonstrationen in
ländlichen Gebieten". Der Senator zog auch Vergleiche mit Paris und London:
"Man stelle sich einmal vor, der Eiffelturm oder die Tower Bridge würden
regelmäßig weiträumig abgesperrt!" Eine Sprecherin des Senators teilte
ergänzend mit, dass es nicht um Verbote gehe, sondern um Einschränkungen
des Rechts, den Versammlungsort frei zu wählen. Freilich gebe es auch
Veranstaltungen, bei denen der Demo-Status fragwürdig sei - zum Beispiel
die "Blade Night", bei der in der Sommersaison je etwa 30 000 Skater durch
die City rollten.

Werthebach möchte das Thema gegebenenfalls in Koalitionsverhandlungen mit
der SPD erörtern. Doch deren Abgeordnetenhaus-Fraktion kündigte bereits
Widerstand an: "Mit uns ist da nichts zu machen", sagte die
sicherheitspolitische Sprecherin Heidemarie Fischer. Auch Werthebachs
Vorgänger Jörg Schönbohm habe schon einmal ähnliche Ideen geäußert. Die
Versammlungsfreiheit sei aber vom Grundgesetz geschützt. Zudem "muss ich
mich schon sehr wundern, wenn Herr Werthebach von Minderheiten spricht".
Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die am Dienstag demonstriert
hatten, könne er wohl kaum meinen. Einschränkungen der Ortswahl könnten
nach Meinung der SPD-Politikerin dazu führen, dass "unliebsame Demos an den
Stadtrand gedrängt werden". Es könne auch nicht sein, dass der Senat das
Brandenburger Tor "für Filmaufnahmen und andere kommerzielle Zwecke"
absperren lasse, demokratische Meinungsäußerungen aber begrenze. Nötig
seien "vernünftige Verkehrskonzepte" für die City.

Beifall bekommt Werthebach dagegen von der Händlergemeinschaft AG City, die
seit langem Kritik an den bis zu 25 Demonstrationen pro Jahr auf dem
Kurfürstendamm und der Tauentzienstraße übt. In diesem Jahr protestierten
dort unter anderem 5000 HBV-Gewerkschafter, 1000 Hausärzte, 3000 Bauern mit
Traktoren, mehrmals einige tausend Kurden sowie 1000 "Frauen und Kinder für
den Frieden". Ausgerechnet an "langen Sonnabenden" und anderen
verkaufsstarken Tagen gebe es in der westlichen Innenstadt viele
Kundgebungen. Geschäftsschädigend seien dann Radio-Verkehrshinweise wie:
"Umfahren Sie die City weiträumig."


Hamburger Abendblatt, 23.10.
Schlag gegen Netz der Drogen-Clans
Nach einem Jahr Ermittlungen: drei Clan-Chefs festgenommen, 52 Kilo
Heroin sichergestellt

Von KRISTINA JOHRDE und TORSTEN GERBER

Wie ein Spinnennetz überspannen die Verbindungslinien der kurdischen
Heroin-Mafia Deutschland. Gesteuert werden die Drogengeschäfte in Hamburg -
hier sitzen die Clan-Chefs dreier Großfamilien. Sie beherrschen den Handel
mit dem Rauschgift. Jetzt hat eine gemeinsame Soko von Polizei und Zoll
zugeschlagen: Fahnder nahmen drei Köpfe einer Großfamilie und einen Kurier
fest. Dabei stellten die Ermittler 35 Kilo hochgradig reines Heroin im Wert
von mehr als fünf Millionen Mark und 17 000 Mark Drogengeld sicher.Ein Jahr
lang dauerten die Ermittlungen der Soko. Dabei deckten die Fahnder auch
Strukturen der anderen Clans auf. Mit Erfolg - aus einem Clan gingen ihnen
in den vergangenen Monaten acht Dealer ins Netz, aus der anderen
Großfamilie vier Mitglieder. Insgesamt ermittelten sie gegen 97
Verdächtige, nahmen 46 Täter in ganz Deutschland fest und stellten 52 Kilo
Heroin sicher. "Ein bedeutender Etappensieg im Kampf gegen den
Drogenhandel", sagte LKA-Chef Mike Daleki am Freitag. Ein wichtiger
Handelsstrang aus der Türkei nach Deutschland sei jetzt abgeschnitten.
Für die Köpfe der Familie K. klickten die Handschellen am Mittwoch:
Vater Abdullah (46) und seine Söhne Abuzar (27) und Müslüm (22) hatten aus
der Türkei zehn Kilo Heroin in einem Koffer bekommen und in einer Wohnung
in Hamm versteckt. Gegen Mittag stellte ein unbekannter Lieferant einen
zweiten Koffer in einem Hotel am Hauptbahnhof ab, in einem anderen Hotel
lagerte er eine Reisetasche. Als ein Kurier (30) die Ware abholen wollte,
nahmen die Fahnder ihn fest. Inhalt des Gepäcks: 20 Kilo Heroin und 17 000
Mark.

Zeitgleich schnappten Fahnder die Drogenbosse: Müslüm vor der Wohnung in
Hamm. Dort fanden sie neben den zehn Kilo Heroin im Koffer weitere fünf
Kilo. Vater Abdullah wurde in Wilhelmsburg festgenommen, der ältere Sohn
Abuzar in Iserbrook. In Wilhelmsburg war die Clan-Zentrale: Hier sollte das
hochwertige Heroin (Reinheitsgrad 97 Prozent) gestreckt werden. Die Fahnder
entdeckten einen umgebauten Feuerlöscher. Darin wurden Rauschgift und
Streckmittel vermischt.

Auf der Spur des zweiten Kurden-Clans Ö. ist die Polizei bereits seit
1995: Damals nahm sie Drogenboss Bekir Ö. (20) fest und stellte mehr als 15
Kilo Heroin sicher. Nach der Festnahme machten andere Clan-Mitglieder
weiter, die Drogengeschäfte florierten. Ein harter Brocken für die
Ermittler, doch in den vergangen zehn Monaten wanderten acht weitere
Mitglieder der Großfamilie hinter Gitter.

Ins Visier der Soko geriet auch die Familie Y. Ein 24-Jähriger und seine
drei Brüder führten hier die Geschäfte. Alle wurden festgenommen, sechs
Kilo Heroin sichergestellt. Clan-Chef Mehmet Y. floh später aus dem
Untersuchungsgefängnis, wurde jedoch von Zielfahndern aufgespürt.

Anfang der 90er-Jahre hatte die Soko "Kurden" der Polizei schon einmal
Strukturen der Drogenmafia in Hamburg zerschlagen. Sie fasste damals einen
der mächtigsten Heroin-Dealer, den Kurden Fahri Ö. Der Multi-Millionär
hatte gerade einen Deal mit 37 Kilo Heroin abgewickelt. In seiner Heimat
Elazig in Kurdistan hatte er eine 40-Zimmer-Villa. Fahri Ö. galt als der
"Pate" der kurdischen Mafia.

Seine Macht reichte über die Gefängnismauern von "Santa Fu" hinaus: Aus
dem Knast führte er Drogengeschäfte mit der italienischen Mafia - vom
Anstaltstelefon aus. Einmal täuschte er einen Herzinfarkt vor, bei einer
Aktion, die sein Clan zu seiner Befreiung geplant hatte. Mittlerweile wurde
er nach Italien ausgeliefert.

Die kurdischen Heroin-Clans haben bis zu hundert Mitglieder in ganz
Deutschland. Sie stammen aus dem Südosten der Türkei, aus den Regionen
Elazig, Bingöl und Palu. Wenn ihre Bosse gefasst werden, rücken andere
Familienmitglieder in der Hierarchie auf - und die Jagd der Fahnder geht
von vorne los.


Die Welt, 23.10.
Schlag gegen internationale Rauschgift-Mafia
Hamburger Polizei fasste 46 Verdächtige - Drei Großfamilien im Visier -
Viel genutzte Drogen-Vertriebswege blockiert

Von Gonne Garling

Der Hamburger Polizei ist gemeinsam mit Zollfahndern ein empfindlicher
Schlag gegen die internationale Rauschgiftkriminalität geglückt. Dabei
konnte nach monatelangen Ermittlungen ein wichtiger Vertriebsweg für Drogen
aus der Türkei abgeschnitten werden. 46 Verdächtige wurden nach
mehrmonatigen Ermittlungen festgenommen, insgesamt wurden 52 Kilogramm
Heroin beschlagnahmt. Dabei wurde der Verdacht bestätigt, dass der
Hamburger Heroinmarkt von drei kurdischen Großfamilien mit Verbindungen im
gesamten Bundesgebiet beherrscht wird, so Michael Daleki, Leiter des
Hamburger Landeskriminalamts (LKA): "Wir haben einen bedeutenden
Etappensieg errungen."

Den größten Einzelerfolg verbuchten die Fahnder der im Oktober 1998
gegründeten SoKo 983 dabei am Mittwoch bei der Beschlagnahme von 35 Kilo
Heroin in Hamm und St. Georg. Monatelang hatten die Beamten Lieferanten und
Bezieher von Drogenlieferungen aus der Türkei beschattet. "Die Händlerringe
sind in Familien-Clans organisiert, aus denen nichts nach außen dringt.
Festnahmen waren zunächst unmöglich", erklärt Kriminaloberrat Reinholf
Thiede vom Rauschgiftdezernat. Identifiziert werden konnte Abdullah K. (46)
aus Wilhelmsburg, der gemeinsam mit seinen Söhnen Abuzar (27, zuständig für
die "Kundenbetreuung") und Müslüm (22, versteckte die heiße Ware) das
Geschäft betrieb.

Die drei Männer erwarteten am Mittwoch einen Heroinlieferung über zehn
Kilogramm. Das Rauschgift wurde in einem Koffer aus der Türkei nach Hamburg
gebracht, Müslüm K. versteckte es in einer Wohnung in Hamm. Beim Verlassen
der Wohnung wurde er festgenommen.

Der Lieferant war in einem Hotel am Hauptbahnhof abgestiegen, in
Gepäckstücken fanden sich weitere 20 Kilogramm Heroin und 17 000 Mark
"Transportgebühr". Der Spediteur konnte flüchten, die Fahndung läuft.
Festgenommen wurden außerdem der Drogenkurier Mustafa K. (30), der die Ware
im Hotel abholen sollte sowie zeitgleich das Familienoberhaupt Abdullah K.
in Wilhelmsburg, sein Sohn Abuzer wurde in Iserbrook geschnappt.

Umfangreiches Beweismaterial wurde sichergestellt, dazu gehörten
verschiedenen Elektro-Waagen sowie ein aufgebohrter Feuerlöscher und ein
Küchenmixer, die zum Strecken des reinen Heroins für den Straßenverkauf
verwendet wurden.

Erfolgreich ermittelt wurde außerdem gegen eine weitere kurdische
Großfamilie , die ebenfalls im Verdacht stehen, Drogen nach Deutschland
einzuführen. Bereits im Dezember '98 konnte der 24-jährige Yadin Ö. in
Finkenwerder festgenommen werden, sein Verwandter Davut Ö. hatte sich
zunächst nach Holland abgesetzt, wurde jedoch im Juni ebenfalls in
Finkenwerder geschnappt. Nach der Festnahme der Männer führten zunächst
Familienangehörige die Geschäfte weiter. Vier Tatverdächtige wurden
festgenommen.

Im Visier der Polizei ist zudem die Familie Y., Hauptbeschuldigter ist der
24 Jahre alte Mehmet Y. Er und drei Brüder wurden festgnommen. Die Clans
sind polizeibekannt - die Familien Ö. und Y. waren bereits zu Beginn der
90er Jahre in Drogengeschäfte verwickelt. "Diese Erfahrungen helfen uns bei
den weiteren Ermittlungen, die verdekt noch immer laufen", sagt Reinhold
Thiede und bilanziert: "Drogenhandel lohnt sich in Hamburg nicht mehr."

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