Aus ZfK, Dez. 1997, Seite 6
Damit Klimaschutz praktisch wird...
...mussen bei der Umsetzung psychosoziale Aspekte ausreichend
berucksichtigt werden
von Wolfgang Irrek, Wuppertal Institut fur Klima Umwelt Energie
Die Umsetzung von Energiespar- und Klimaschutzaktivitaten auf kommunaler
Ebene scheitert haufig daran, dab psychosoziale Gesichtspunkte nur
unzureichend berucksichtigt werden. Dabei haben die Faktoren
Kooperation, Partizipation und Motivation von (beteiligten) Akteuren
zentrale Bedeutung fur den Erfolg der Mabnahmen.
Dies ist ein wesentliches Ergebnis einer umfangreichen Untersuchung
erfolgreich realisierter Projekte und Programme fur die privaten
Haushalte, die vom Projekt Klimaschutz des Instituts fur Psychologie der
Christian-Albrechts-Universitat zu Kiel, dem Fraunhofer Institut fur
Systemtechnik und Innovationsforschung sowie dem Wuppertal Institut fur
Klima, Umwelt, Energie gemeinsam durchgefuhrt wurde .
Wahrend andere Forschungsprojekte vor allem die Faktoren
herausarbeiteten, die die Ausschopfung der prinzipiell bekannten,
umfangreichen technisch-wirtschaftlichen Minderungspotentiale hemmen,
lautet die zentrale Fragestellung hier: Welche Faktoren sind
entscheidend fur die erfolgreiche Uberwindung des Umsetzungsdefizits?
Oder anders gefragt: Wie lassen sich Mobilisierungs- und
Umsetzungsprozesse im Energiespar- und Klimaschutzbereich
erfolgreich gestalten?
Erfolgsaussichten
Das Projekt regt durch die Verbreitung erfolgreicher Projekte und
Programme sowie durch die Vermittlung von Erfolgsfaktoren und Policy-
Empfehlungen zur Nachahmung an. Insgesamt wurden 22 #227#success
stories" aus unterschiedlichsten Bereichen anhand von Dokumentenanalysen
und Interviews mit beteiligten Akteuren untersucht, beispielsweise
- das Modellprojekt #227#Brundtlandstadt",
- die VHS-Kurse im Rahmen des REN-Impulsprogramms Bau und Energie,
- die Schwachstellenanalyse des hessichen
Schornsteinfegerhandwerks,
- eine Initiative zum okologischen Bauen in Karlsruhe,
- Nutzwarme-Konzepte von Stadtwerken,
- Weibe Ware- und Energiesparlampenprogramme von Energieversorgern
sowie
- verschiedene Konzepte, Kampagnen und Pionieraktivitaten von
Initiativen, Verbanden und Einzelpersonen.
Ausgehend von sozialpsychologischen Handlungstheorien labt sich der
Mobilisierungs- und Umsetzungsprozeb grob in die Bereiche
Handlungsbereitschaft, Handlungsentscheidung, Handlungsplanung und -
durchfuhrung sowie Erfolgsruckmeldung und Fortentwicklung gliedern.
Wahrend die bereits genannten Erfolgsfaktoren Kooperation, Partizipation
und Motivation in allen Prozebphasen bedeutsam sind, lassen sich weitere
Erfolgsfaktoren identifizieren, die einzelnen Phasen zugeordnet werden
konnen. Einige dieser phasenspezifischen Erfolgsfaktoren (siehe
nebenstehende Tabelle)werden im folgenden anhand eines Fallbeispiels
illustriert.
Ausgewahlte phasenspezifische Erfolgsfaktoren
Die Bereitschaft zum Handeln wird gefordert uber die:
- Gewinnung von PromotorInnen (zentrale innovative AkteurInnen vor
Ort).- Erarbeitung spezifischer Motivkombinationen von
Umweltschutz, Klimaschutz und anderen Motiven (z.B.
Kostensenkung, Standortvorteile durch Synergien mit
Stadtmarketing bzw. Fremdenverkehr).
- Weckung von Eigenverantwortlichkeiten der Kommune fur den
Klimaschutz.
Die Entscheidung zum Handeln wird gefordert uber die:
- Betonung des Handlungsspielraums und der integrativen Wirkung
der Klimaschutzaktivitaten.
- Beachtung der zentralen Rolle von engagierten Einzelpersonen als
PromotorInnen.
Die Umsetzung der Aktivitaten wird gefordert uber die:
- Etablierung von Klimaschutz als Querschnittsfunktion in der
Verwaltung.
- Erarbeitung einer guten Kooperationsbasis mit zentralen lokalen
AkteurInnen.
- Einbindung bestehender sozialer Netzwerke.
- Bereitstellung von Finanzmitteln nicht nur fur technische
Mabnahmen, sondern auch fur Interventionen auf sozialer Ebene.
- Nutzung zielgruppenspezifischer Kommunikationswege fur den
Dialog und die Darstellung der Aktivitaten nach innen und auben.
Die Evaluation und die Ruckmeldungen sind zu fordern, da die:
- Evaluation als Prozebbegleitung Korrekturen und
Weiterentwicklungen ermoglicht.
- Ruckmeldung (z.B. uber die ortliche Presse) die Mabnahme im
Bewubtsein halt, aktive AkteurInnen in ihrem Handeln bestarkt.
Hand in Hand
Bei einer Initiative zum okologischen Bauen in Karlsruhe-Geroldsacker
unterstutzten ausdruckliche Kooperationsangebote der Stadt Karlsruhe die
Handlungsbereitschaft der Akteure. Beispielsweise half die Stadt bei der
Grundstucksbereitstellung und wirkte im Sinne einer okologisch
sinnvollen Verdichtung der Bebauung auf den stadtebaulichen Vorentwurf
ein. Bei der Handlungsentscheidung spielte eine engagierte Einzelperson
eine zentrale Rolle, der es gelang, die Interessenten in einem
Initiativkreis zu bundeln und als Treuhander der Bauherrengemeinschaft
und Ansprechpartner fur die Stadt zu fungieren. Die Umsetzung der
Initiative wurde durch die Kooperation mit zentralen Akteuren,
beispielsweise Fachleuten fur Haustechnik und Baustoffe, sowie durch die
Entwicklung geeigneter Organisationsstrukturen und eine intensive
Informations- und Aufklarungsarbeit von seiten der Planer entscheidend
vorangebracht. Dennoch traten Mangel in der Planung und Ausfuhrung auf,
beispielsweise bei der Wandheizung. Die regelmabige Kontrolle und
Diskussion der Energieverbrauchswerte in Bewohner/-innenversammlungen
fuhrte jedoch dazu, die Mangel als solche zu erkennen und einen
Lernprozeb bei den Planer/-innen in Gang zu setzen.
Nach ortlichem Bedarf
Da die Erfolgsfaktoren in ihrer gesamten Breite bei vielen Aktivitaten
noch nicht ausreichend berucksichtigt werden, scheint es sinnvoll, die
lokalen Akteure dabei zu unterstutzen, flexible, ortlich angepabte und
zielgruppenspezifische Mabnahmenbundel zu entwickeln und diese in eine
professionelle soziale bzw. okologische Umsetzungsstrategie
einzubringen. Hierzu sind einerseits Mabnahmen zum Aufbau entsprechender
Kompetenzen bei den Akteuren erforderlich (beispielsweise
Qualifizierungsangebote fur das Handwerk oder die Kommunalverwaltungen),
andererseits sollten neue Serviceleistungen von Forschungsinstituten,
Hochschulen, Beratungsburos, usw. (beispielsweise "Coaching" von
Umsetzungsprozessen, Netzwerk-Aufbau, Soziales Marketing) in Kooperation
mit den Akteuren entwickelt und zuganglich gemacht werden.
Um die bisher gewonnenen Erkenntnisse in reale lokale Prozesse
hineinzutragen sowie die Erfolgsfaktoren zu uberprufen, zu
differenzieren und ggfs. zu erganzen, werden derzeit in einem
Folgeprojekt konkrete neue Klimaschutzaktivitaten im Sinne eines
#227#Coachings" begleitet und analysiert. Betrachtet werden dabei
insbesondere die Vernetzung von Klimaschutzaktivitaten, die Beteiligung
relevanter Akteure und Burger/-innen sowie die Moglichkeiten von Service-
Institutionen wie dem Klimabundnis, die Aktivitaten vor Ort zu
unterstutzen.
(Der Forschungsbericht "Interdisziplinare Analyse der Umsetzungschancen
einer Energiespar- und Klimaschutzpolitik..." ist gegen eine
Schutzgebuhr von 40.- DM beim Wuppertal Institut erhaltlich.)
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