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Knoedelfresser u. Koelschtrinker /WDR-TV 21.12.96

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Ullrich Schauen

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Dec 17, 1996, 3:00:00 AM12/17/96
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Ein Hinweis auf meine neue Filmreportage:

WDR Fernsehen
21. Dezember 1996
19.15 Uhr bis 19.45 Uhr
(Sendereihe Hier und Heute Unterwegs)
Wiederholung am Montag, 23. Dezember, 15 Uhr

"KÖLSCHTRINKER BEI KNÖDELFRESSER
Ein Betrieb zieht um"

eine Reportage von Ullrich Schauen

Das böse Wort von den "Knödelfressern", die die "Kölschtrinker"
angeblich unterdrücken wollen, bekam das WDR-Team am
Deutz-Fahr-Fließband in Köln zu hören, wo in diesen Tagen die letzte
Auflage von kleinen Weinbergtraktoren gefertigt wird, während an dem
neuen Fließband in Schwaben die Produktion der moderneren
"Agrotron"-Traktoren voll angelaufen ist. Die deutschen Stämme sind
anscheinend noch lebendig.

Die Fabrikation wird verlegt, die Beschäftigten haben die Wahl
mitzugehen oder gekündigt zu werden. Umziehen oder bleiben,
Rheinland oder Schwaben, Stadt oder Kleinstadt? Soll die Familie
umziehen wegen des Arbeitsplatzes? Der Film porträtiert Betroffene, die
ihre Entscheidung gefällt haben.

Heinz-Josef Schäfer bleibt mit seiner Familie in Köln. Er vertraut des
Sicherheit des neuen Arbeitsplatzes nicht, seine Tochter wäre eher zur
Oma gezogen statt "ins Dorf", und Schäfer meint, mit dem
"Menschenschlag" der Schwaben käme er nie und nimmer zurecht.

Franz Wellmann dagegen war einer der ersten, der sich zusammen mit
Frau und Sohn für Lauingen entschieden hat. Sie beißen sich durch den
Trennungsschmerz und bemühen sich mit kölnischer Jovialität, in
Lauingen neue Freunde zu finden.

Der Film schildert auch, wie es in dem neuen Betrieb in Lauingen
brodelt: Die aus Köln Gekommenen arbeiten 120 Stunden pro Monat für
brutto 4.500 Mark, während er selbst nur 3.500 Mark für 160 Stunden
bekomme, beklagt sich ein Arbeiter, der sein Gesicht nicht zeigen will:
seine Probezeit läuft noch .

20 der rund 500 betroffenen Beschäftigten der Traktorenfabrik
Deutz-Fahr in Köln gingen mit, als der italienische SAME-Konzern
beschloß, die Produktion von Köln in die 10.000-Einwohner-Stadt
Lauingen an die Donau zu verlegen. Weitere 50 pendeln im ersten Jahr
der Produktion jedes Wochenende zwischen Schwaben und Rheinland.
Nach Berechnungen des Unternehmens ist es in Lauingen billiger zu
produzieren, weil die Hallen der Mähdrescher-Produktion mitbenutzt
werden können.

Proteste und Arbeitsniederlegungen hatten die Entscheiung nicht
verhindern können, sondern den Arbeitnehmern nur einen Sozialplan
gebracht. Wenn sie den Arbeitsplatz durch die Betriebsverlegung
verlieren, bekommen langjährige Beschäftigte bis zu 80.000 Mark
Abfindung.
Plötzlich sahen sich Männer und Frauen, die ein Vierteljahrhundert lang
immer im selben Betrieb gearbeitet hatten, mit der Härte des
Arbeitsmarktes konfrontiert. Es gibt keine "Stammbelegschaft" mehr, die
sich sicher fühlen könnte. Doch noch haben die
Deutz-Fahr-Beschäftigten es nicht gemerkt, winkt ihnen doch sogar Ford
Köln mit 120 befristeten Arbeitsplätzen am Band - anscheinend eine
Hilfsaktion des Ford-Betriebsrates für die IG Metall-Kollegen in dem
befreundeten Betrieb.

In Köln zu bleiben hieß mit großer Sicherheit, entweder arbeitslos zu
werden oder einen erheblich schlechteren Arbeitsplatz zu akzeptieren.
Nach Lauingen zu gehen hieß, sein Leben umzustellen und dieses Mal
den Zusagen des Unternehmens Glauben zu schenken. Doch manche
sehen in dem Umzug nach Lauingen nur eine Zwischenstation. Wenn der
SAME-Konzern schon einmal gegen sein Versprechen die Produktion
aus Köln verlagert hat, warum soll er nicht später weiterziehen nach
Lublin in Polen, wo SAME ein weiteres Traktorenwerk hat, fragt sich
Heinz-Josef Schäfer.

Das Leben der bisher relativ privilegierten Arbeitnehmer in
Großbetrieben nähert sich dem der Leiharbeiter an, die in großer Zahl
Seite an Seite mit ihnen arbeiten. Ob er nun aus dem ostdeutschen
Wittenberg nach Köln oder nach Lauingen zur Arbeit pendelt, macht für
einen Leiharbeitnehmer keinen großen Unterschied.

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