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Hermann Aufderheide

unread,
Nov 30, 1999, 3:00:00 AM11/30/99
to
----------------------------------------------------------------------
## Weitergeleitet am: Di. 30.11.99
## Nachricht vom : Sa, 27.11.99 um 23:44 Uhr
## Area : private Mail
## Ersteller : erdmann.rolf gmx.de
## Empfaenger :
## Betreff :
----------------------------------------------------------------------
Landesverband der Schwerhoerigen
und Ertaubten Niedersachsen e.V.
im Deutschen Schwerhoerigenbund e.V. (DSB)


Frau Gesundheitsministerin Andrea Fischer Linzer Str. 4
PERSOeNLICH
Bundesministerium fuer Gesundheit
Am Probsthof 78 a

53121 Bonn per Fax 0228/ 941-4950
(Seitenzahl: 7)

Ihre Zeichen: Ihre Nachricht vom: Unsere Zeichen: Datum:
31.10.99 erd 27.11.99
Ihr Schreiben vom 31.10.99
Sehr verehrte Frau Ministerin Fischer,
vielen Dank fuer Ihr o.a. Schreiben, das wir nach so langer Wartezeit fast
nicht mehr erwartet hat-ten. Leider ist Ihr Schreiben fuer uns inhaltlich
ganz und gar nicht zufriedenstellend. Es faellt uns auf, dass zwischen den
Auffassungen Ihres Amtsvorgaengers und den Aussagen in Ihrem Schrei-ben kaum
Unterschiede bestehen. Dies erstaunt und enttaeuscht uns zutiefst, zumal wir
davon ausgingen, dass Sie als eine Politikerin der GRUeNEN im Hinblick auf
Fragen zu Behinderten an-dere Antworten geben, als sie von der CSU kamen.
Auch von Ihrem sehr geehrten Herrn Staats-sekretaer Jordan hatten wir hier
ein anderes Handeln erwartet, vor allem, weil er in etlichen Ge-spraechen mit
dem Unterzeichner andeutete, unsere Auffassungen zu unterstuetzen.
Wir antworten auf Ihren Brief im Einzelnen:
Sie schreiben: Ziel der Einfuehrung von Festbetraegen im Hilfsmittelbereich
war es - ebenso wie im Arzneimittelbereich - auch in diesem Teilbereich der
gesundheitlichen Versorgung einen wirksa-men Preiswettbewerb - bei
definierten Qualitaeten - auszuloesen. Festbetraege im Hilfsmittelbereich
sollen im allgemeinen eine ausreichende, zweckmaessige sowie in der Qualitaet
gesicherte Versor-gung ohne Zuzahlung gewaehrleisten. Die Festbetraege sind in
geeigneten Abstaenden an eine ver-aenderte Marktlage anzupassen.
Seit Ihr Vor-Vorgaenger Bluem 1989 die Gesundheitsreform durchsetzte, sind die
Festbetraege fuer Hoergeraete mehrfach gesenkt worden mit der Folge, dass
Betroffene immer mehr zuzahlen mues-sen. Eine tatsaechliche Einsparung ergab
sich nicht, denn jede Senkung der Festbetraege wurde ausschliesslich auf die
Betroffenen abgewaelzt.
Laut Sozialgesetzbuch V hat der Schwerhoerige einen Anspruch auf eine
notwendige, zweckmae-ssige und ausreichende Hoergeraeteversorgung ohne
Zuzahlung, die Realitaet sind jedoch anders aus:
Fuer hochgradig Schwerhoerige gibt es am Markt kein Geraet zum Festbetrag, das
zweckmaessig und ausreichend ist. Gegenteilige Behauptungen stimmen einfach
nicht und werden von "Leistungs-erbringern" geaeussert, die in diesem
Zusammenhang auch gern von Luxusgeraeten reden, um ihre Einkuenfte zu
erhalten. Bitte fragen Sie doch einmal die Betroffenen und deren Verbaende,
die es besser wissen, nicht jedoch Betroffene, die Hoergeraete vom
Versandhandel als Erstversorgung erhielten und somit keine
Vergleichsmoeglichkeiten haben.
Weiter schreiben Sie: Die Leistungserbringer sind jedoch nicht verpflichtet,
Hoergeraete zum Fest-betrag abzugeben. Die Krankenkassen erfuellen ihre
Leistungspflicht mit der Uebernahme des Be-trags, der fuer die betreffende
Hoergeraetegruppe von den Landesverbaenden der Krankenkassen festgesetzt worden
ist.
Hierin sehen wir einen Widerspruch. Laut Gesetz soll eine in der Qualitaet
gesicherte Versorgung ohne Zuzahlung gewaehrleistet werden, andererseits
duerfen Krankenkassen einen Niedrig-Festpreis festsetzen, die die Akustiker
jedoch nicht einzuhalten brauchen ihn und Zuzahlungen verlangen duerfen. Es
kommt in dieser Festlegung der Krankenkassen offenbar nicht darauf an,
welche Hoerhilfe im Einzelfall zweckmaessig und notwendig ist, sondern
ausschliesslich auf den Preis. Wer definiert denn im Uebrigen die
Versorgungsqualitaet? Das darf nicht am gruenen Tisch entschieden werden,
sondern muss auf den Einzelfall bezogen erfolgen.
Voellig unberuecksichtigt bleibt bei dieser Handhabung, dass Schwerhoerigkeit
eine sehr differen-zierte und komplizierte Behinderung ist, bei der kein
Fall wie der andere ist. Dies erfordert - be-sonders fuer hochgradig
Schwerhoerige - eine individuell angepasste Hoergeraeteversorgung. Hoerge-raete
"von der Stange" zum Festbetrag sind nur selten bei mittel- und hochgradig
Schwerhoerigen fuer eine zweckmaessige und ausreichende Versorgung geeignet.
Sie schreiben weiter: Waehlen Versicherte Leistungserbringer, die Hoergeraete
nicht zum Festbetrag abgeben, haben sie in Hoehe des Differenzbetrages eine
finanzielle Mehrbelastung zu tragen. Die Versicherten entscheiden also im
Einzelfall darueber, ob sie bereit sind, ein Festbetragsgeraet zu waehlen oder
einen Eigenanteil zu leisten.
Haben Sie hierbei eigentlich auch an Betroffene "auf dem Lande" gedacht, bei
denen es im Um-kreis von 30 km nur einen Anbieter gibt? Landbewohner sind
mehr oder weniger gezwungen, anzunehmen, was ihnen angeboten wird; es
besteht fuer sie ueberhaupt keine Wahlmoeglichkeit!
Im Uebrigen "waehlen" Hoergeschaedigte nicht nach Kostengesichtspunkten aus,
sondern danach, mit welchen Geraeten die Kommunikationseinschraenkungen am
geringsten sind. Vergessen Sie bitte nicht, dass auch mit den modernsten
Geraeten kein Ausgleich der Schwerhoerigkeit moeglich ist, was sich auf lange
Zeit nicht aendern wird. Dies wird Ihnen jeder Fachmann bestaetigen, obwohl
sich die Werbung oft anders liest.
Weiter schreiben Sie: Fuer das Marktgeschehen ist es dabei wichtig, dass die
Versicherten ueber Versorgungsmoeglichkeiten zum Festbetrag informiert sind.
Die Krankenkassen koennen deshalb nach ง 127 Abs. 3 Fuenftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB V) bei den Leistungserbringern Preis-vergleiche ueber
Hilfsmittel durchfuhren und die Versicherten sowie die Aerzte ueber
preisguenstige Versorgungsmoeglichkeiten und ueber Leistungserbringer, die
bereit sind, zum Restbetrag zu lie-fern, informieren.
Bitte nennen Sie uns auch nur eine einzige Krankenkasse, die hierueber
neutral und ideologiefrei informiert. Uns ist bekannt, dass die Krankenkassen
keine Preisvergleiche durchfuehren wollen und auch keine Empfehlungen
aussprechen; sie lassen ihre hoergeschaedigten Versicherte allein und erfuellen
nicht ihre gesetzlich vorgegebene Aufgabe. Sollten wir uns in diesem Urteil
irren, nehmen wir Ihre Belehrung gern zur Kenntnis.
Sie schreiben weiter: Hier sehe ich eine wichtige Aufgabe fuer den Deutschen
Schwerhoerigenbund und seine Mitgliedsvereine. Gerade bei der Versorgung mit
Hoergeraeten entscheidet eine gute Information der Patienten oft ueber
vermeidbare Kosten bei gleicher Versorgungsqualitaet. Hier koennten die
Schwerhoerigen-Verbaende sehr verdienstvolle lnformationsarbeit leisten. Mit
der Ge-sundheitsreform 2000 will die Bundesregierung die Information der
Patienten durch unabhaengige Beratungsorganisationen auch finanziell
unterstuetzen.
Beratungen fuer Hoergeschaedigte fuehren die Hoermittel-Berater des Deutschen
Schwerhoerigenbun-des (DSB) schon seit langen durch, bisher aber selten in
Richtung "Kosten". Dies werden wir ebenfalls gern durchfuehren fuer unsere
Klientel. Bitte teilen Sie uns mit, in welchem Rahmen die finanzielle
Unterstuetzung zu erwarten und an welche Voraussetzung diese geknuepft ist.
Sie schreiben: Insbesondere fuer individuell zugerichtete (z.B. Rollstuehle)
und massangefertigte Produkte (z.B. Prothesen) existieren keine Festbetraege.
Genau das sind Hoergeraete! Sie werden individuell angepasst auf die
individuelle Hoerschaedigung und ersetzen eine verloren gegangene bzw.
eingeschraenkte Koerperfunktion. Die Anpassung ist ohne spezielle
Fachkenntnisse nicht moeglich, erfordert viel Zeit und ist nicht Online zu
bewaelti-gen, wie es beim verkuerzten Versorgungsweg gehandhabt wird.
Aus diesen Gruenden halten wir die Forderung fuer angemessen, dass Hoerhilfen
zumindest fuer hochgradig Schwerhoerige kuenftig als Prothesen eingestuft
werden. Wir erwarten von Ihrem Mini-sterium hier Hilfestellung.
Sie schreiben: Allerdings ist auch dabei das Wirtschaftlichkeitsgebot der งง
2 und 12 des Fuenften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zu beachten, wonach die
Leistungen "ausreichend, zweck-maessig und wirtschaftlich" sein muessen und
"das Mass des Notwendigen nicht uebersteigen (duer-fen)". (...) Waehlen
Versicherte Leistungen, die ueber die vom Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenversicherung erfassten Leistungen hinausgehen, haben sie eine dadurch
entstehende Differenz selbst zu bezahlen. Deshalb besteht kein
grundsaetzlicher Unterschied zwischen Lei-stungen fuer Hoerbehinderte und
Leistungen fuer Menschen mit anderer Behinderung.
Nennen Sie uns bitte Hoergeraete, die "das Mass des Notwendigen uebersteigen".
Ich kenne keinen Hoergeraetetraeger, der freiwillig mehrere tausend Mark zahlt
fuer etwas, was nicht er durch mehrere Testwochen mit Hoergeraeten als
unbedingt notwendig ansieht. Sicher ist Ihnen bekannt, dass bei der
"vergleichenden Anpassung" drei verschiedene Geraete auszuprobieren sind, und
sie koennen davon ausgehen, dass schwerhoerige Menschen das Geraet waehlen, mit
dem sie am besten verste-hen koennen, dies ist das allein ausschlaggebende
Kriterium.
Bitte bedenken Sie auch, dass selbst mit den modernsten Geraeten ein Ausgleich
der Schwerhoe-rigkeit nicht erreichbar ist - das Mass des Notwendigen wird
somit auch nicht bei modernen Gerae-ten ueberschritten, die den (ohnehin viel
zu niedrigen) Festbetrag ueberschreiten.
Vergessen Sie bei Ihren Bewertungen bitte nicht. dass Kommunikation ein
Menschenrecht ist, das eine lebenswichtige Funktion fuer jeden Menschen
darstellt, die das menschliche Zusammenleben erst ermoeglicht. Leider wird
die ungehinderte Kommunikation als eine Selbstverstaendlichkeit an-gesehen,
auch von Politikern, die guthoerend sind. Wir haben den Eindruck, dass
verhindert wer-den soll, dass Hoergeschaedigte am medizintechnischen
Fortschritt teilhaben wie andere Patienten auch. Niemand wird ernsthaft in
Frage stellen, dass neueste Methoden, beispielsweise zur Be-kaempfung von
Krebs, Aids oder Herzkrankheiten von den Krankenkassen zu finanzieren ist.
Je-doch bei der Bekaempfung oder Linderung von Schwerhoerigkeit mit den daraus
sich ergebenden Kommunikationsproblemen wird ein ganz anderer Massstab
angesetzt. Nochmals: Kommunikation ist fuer jeden Menschen lebenswichtig!
Zuletzt: es liegt schon ein gewaltiger grundsaetzlicher Unterschied vor in
der Behandlung hoerge-schaedigter Menschen zu anderen Behinderten, naemlich in
der Hoehe der Zuzahlung. Von keiner anderen Behindertenart wird erwartet, dass
sie bis zu 7.000 DM zuzahlt, um ein nur unvollkomme-nes Ergebnis zu
bekommen. Die Hoehe der Zuzahlung ist eine extreme Benachteiligung
hoerge-schaedigter Menschen, die aus unserer Sicht gegen das Grundgesetz
Artikel 3 Abs. 3 verstoesst!
Sicher ist Ihnen bekannt, dass 1998 etwa 100.000 weniger Hoergeraete verkauft
wurden als im Vor-jahr. Aus unserer Sicht sind die hohen Zuzahlungen
hauptsaechlicher Grund fuer diesen alarmie-renden Rueckgang, der ein
gesundheitspolitischer Schadensfall ersten Ranges ist. In Deutschland
benoetigen ca. 5 Millionen Menschen Hoergeraete, aber nur etwa 2,5 Millionen
Menschen besitzen Hoergeraete (ob sie diese in Anbetracht der zusaetzlichen
Kosten fuer Energie auch tragen, ist zudem leider zu bezweifeln). Die Zahl
der Hoergeschaedigten ist jedoch weiter gestiegen (u.a. Laerm-Hoergeschaedigte in
Beruf oder Freizeit). Hieraus ist zu schliessen, dass immer mehr Menschen in
grosser kommunikativer Isolation leben. Die Folgekosten, die sich hieraus
ergeben werden - naem-lich durch die entstehenden psychischen und auch
physischen Erkrankungen - sind mit Sicherheit wesentlich hoeher anzusehen als
die Kostenuebernahme fuer Hoergeraete. Diesen Sachverhalt sollten Sie in
Zusammenarbeit mit den beiden Spezialkliniken fuer Hoergeschaedigte in Bad
Berleburg und Bad Groenenbach untersuchen lassen, die ueber einschlaegige
Erfahrungen verfuegen.
Sie schreiben: Ihre Klage, hochgradig schwerhoerige Menschen seien durch die
geltenden Fest-betraege fuer Hoergeraete insofern benachteiligt, als eine
ausreichende Versorgung fuer sie nur unter lnkaufnahme hoher Zuzahlungen
moeglich sei, war auch Gegenstand eines Gespraeches der Par-lamentarischen
Staatssekretaerin meines Hauses mit dem Beauftragten der Bundesregierung fuer
die Belange der Behinderten am 27. September 1999, an dem auch Herr Dr.
Seidler vom DSB teilnahm. Da diese Frage nicht abschliessend geklaert werden
konnte, hat das Bundesministerium fuer Gesundheit den federfuehrenden
IKK-Bundesverband um eine Stellungnahme in dieser Sache gebeten. Sie liegt
gegenwaertig noch nicht vor.
Tut uns leid, aber hier machen Sie wirklich den Bock zum Gaertner.
Ausgerechnet jene Kranken-kasse, die durch merkwuerdige Experimente den
Standard der Hoergeraeteversorgung in Frage stellt, wird von Ihnen als
Autoritaet in dieser Frage herangezogen. Warum glauben Sie den Aussa-gen des
DSB nicht, der von seinen Mitgliedern weiss, wie die Sache aussieht, oder
warum erkun-digen sich bei den HNO-Aerzte-Verbaenden, die mit uns in dieser
Frage einig sind. Auch Prof. Peter Plath hat in seinem kuerzlich erschienen
"Gutachten zur Hoergeraete-Versorgung in Deutschland" diesen Sachverhalt
bestaetigt.
Sie schreiben: Der verkuerzte Versorgungsweg, den Sie als "Versandhandel"
bezeichnen, unter-scheidet sich von der Hoergeraeteabgabe durch den oertlichen
Hoergeraeteakustiker darin, dass die audiologischen Messungen und der
Ohrabdruck vom HNO-Arzt vorgenommen werden und dieser die Messdaten und den
Ohrabdruck direkt an einen ueberwiegend zentral operierenden
Hoergerae-teakustiker weiterleitet, damit letzterer die spezifische Anpassung
des Hoergeraetes vornehmen kann. Das bedeutet, dass auch beim verkuerzten
Versorgungsweg ein Hoergeraeteakustiker und nicht der Arzt die eigentliche
Anpassung des Hoergeraetes vornimmt. Dadurch werden Doppelun-tersuchungen.beim
HNO-Arzt und beim Hoergeraeteakustiker vermieden.
Das moegen theoretisch gute Absichten sein, ist aus unserer Sicht in der
Praxis purer Unsinn.
a. Bei der Anpassung von Hoergeraeten, besonders fuer hochgradig Schwerhoerige,
ist nicht nur eine erste Anpassung mit mehrfachen Sitzungen und Anfahrten
zum Akustiker erforderlich, sondern auch eine sehr intensive Nachbetreuung
und individuelle Beratung, um ein optimales Verstehen zu erreichen. Hierbei
sind mehrmalige Nachjustierungen notwendig, bis sie so op-timal (optimal
bedeutet nicht, dass sich nun ein Ausgleich der Behinderung ergibt)
eingestellt sind, dass der Schwerhoerige damit sein Resthoervermoegen unter den
gegebenen Umstaenden bestmoeglich ausnutzen kann. Das kann ein Akustiker aus
der Ferne gar nicht leisten, insbe-sondere nicht im beispielsweise von der
Firma auric gewaehlten Online-Verfahren. Im Uebrigen haben die Online
Anbieter/ Versandhaendler nicht die Absicht, bei Problemen mit den von ih-nen
gelieferten Hoergeraeten zu helfen, es wird eher damit gedroht, dass die
Betroffenen Mehr-kosten tragen sollen.
b. Der Aufwand fuer die Anfertigung und Anpassung einer guten, nicht
drueckenden oder gar schmerzenden, dabei aber dichten und nicht pfeifenden
Otoplastik wird von Ihnen absolut unterschaetzt. Aus unserer Beratungsstelle
fuer Hoergeschaedigte in Hannover wissen wir, dass es hier oft Probleme gibt,
denn die meist in speziellen Labors angefertigten Otoplastiken weisen
mitunter Maengel auf, die nur mit dem handwerklichen Know-How des gelernten
Hoergeraete-Akustikers behoben werden koennen. HNO-Aerzte sind hierfuer weder
ausgebildet noch verfuegen sie ueber die notwendigen technischen Apparate in
ihrem Praxen, z.B. haben sie keine Kennt-nisse ueber otoplastischen
Materialien und ihre Bearbeitung, zur Feststellung und Beseitigung von
Druckstellen oder zur Schaffung von Zusatzbohrungen. Zu diesem Thema
verweisen wir auf den Artikel "Pleiten, Pech und neue Chancen" in "test" Nr.
12/99.
c. Im Jahre 1995 hatten wir in Hannover eine Podiumsdiskussion, an der Herr
A. Coburger, Ge-schaeftsfuehrer der Firma Sanomed, teilnahm. Trotz mehrfacher
Frage konnte er nicht klaeren, was er unter dem Wort "Anpassung" versteht.
Offenbar hatte er deshalb Probleme damit, weil u.a. der damalige BIOM der
Hoergeraete-Akustiker, Herr Klaus Klingbeil und der damalige DSB-Praesident
Herr Hans Hoffmann auf dem Podium sassen, die ihn bei einer fehlerhaften
Aussa-ge sofort haetten widerlegen koennen.
d. Bei der Versorgung ueber den Hoergeraete-Akustiker wird das Ergebnis
richtigerweise vom HNO-Arzt ueberprueft. Bei der verkuerzten Versorgung jedoch
ueberprueft der HNO-Arzt seine eigene Leistung. Dies oeffnet Manipulationen Tuer
und Tor, dies kann weder im Sinne der Krankenkas-sen noch der Versicherten
sein! Bitte nehmen Sie auch den Bericht im SPIEGEL Nr. 45/99 zur Kenntnis,
der belegt, dass der verkuerzten Versorgung dazu fuehrte, dass HNO-Aerzte immer
dreister die Hand aufhalten und gegen ihre Standesordnung verstossen. Da
sollten Sie zu-schlagen und nicht in Richtung der Betroffenen!!
e. Weiterhin ist anzunehmen, dass der Patient bei der verkuerzten Versorgung
nur unzureichend beraten und informiert wird. Dies gilt besonders fuer
zusaetzliche technische Hilfen wie Telefon-verstaerker, Lichtklingeln
und -wecker, Uebertragungsanlagen fuer Fernsehton, FM-Anlagen usw. Auf diese
Hilfen machen Akustiker grundsaetzlich aufmerksam, die fuer hochgradig
Schwerhoeri-ge auch bei Anpassung des besten Hoergeraetes meist dringend
erforderlich sind.
f. An dieser Stelle ein Zitat aus dem oben erwaehnten Gutachten von Herrn
Prof. Peter Plath: "Die staendige Nachsorge mit Einbeziehung der gleitenden
Anpassung durch den Hoergeraete-Akustiker und der aerztlichen Kontrolle durch
den HNO-Facharzt ist ein essentieller Bestandteil der Hoergeraete-Versorgung.
Hierbei spielen, ebenso wie im Rahmen der Anpassung, der per-soenliche
Kontakt, die Beratung und die technische Betreuung der Hoerhilfe zentrale
Rollen. Sie stellen spezifische Aufgaben des Hoergeraete-Akustikers dar, ohne
die der Patient mit seiner Hoerhilfe alleine gelassen waere. Dies gilt
insbesondere fuer aeltere Menschen, die das Gros der Hoergeraetetraeger stellen,
aber auch fuer Menschen mit hochgradigen Schwerhoerigkeiten, die unter ihren
Kommunkationsproblemen im Alltagsleben erheblich leiden, und auch fuer
Men-schen mit mehrfachen Behinderungen. Fuer ihre technische Hoerhilfe, die
fuer sie lebenswichtig im psychologischen Sinne ist, und fuer deren Nutzung
benoetigen sie alle einen Helfer, den sie verstehen und der sie versteht. Der
HNO-Arzt ist zu diesen Leistungen weder fachlich noch zeitlich in der Lage.
Diese Seite der Hoergeraete-Versorgung wird bei alternativen Anpassverfah-ren
meistens voellig vernachlaessigt und hat zur Folge, dass nicht das Gehoer an den
Patienten und sein Gehoer angepasst wird, sondern dass der Patient sich an das
ihm gelieferte Hoergeraet gewoehnen muss und nicht erfaehrt, dass eine bessere
Versorgung nach den geltenden Regeln durchaus moeglich waere."
Sie schreiben: Eine im Auftrag des Bundesministeriums fuer Gesundheit 1993
durchgefuehrte Stu-die des Instituts fuer angewandte Verbraucherforschung,
Koeln, - ein Institut der Arbeitsgemein-schaft der Verbraucherverbaende -, kam
zudem zu dem Ergebnis, dass die im verkuerzten Versor-gungsweg von einem
Hamburger Hoergeraeteakustiker bundesweit gelieferten Hoergeraete von den
Hoerbehinderten gut beurteilt werden. Darueber hinaus werden diese Geraete in
der Regel ohne Zuzahlung zum Festbetrag abgegeben, was im traditionellen
Versorgungsweg, also bei der Ab-gabe und Anpassung eines Hoergeraetes nach
aerztlicher Verordnung durch den Hoergeraeteakusti-ker, relativ selten der Fall
ist. Erfahrungen der Krankenkassen - auch aus juengster Zeit - mit dem
verkuerzten Versorgungsweg bestaetigen dies ausdruecklich und berichten von
erheblichen Einspa-rungen bei hoher Qualitaet der Versorgung. Das von Ihnen
angesprochene beabsichtigte Modell-projekt der Abgabe von Hoergeraeten durch
den Hoergeraete-Akustiker ohne Beteiligung des HNO-Arztes ist inzwischen -
nach Aussage der Beteiligten - wieder fallen gelassen worden.
Sehr verehrte Frau Ministerin, dass Sie diese missglueckte, von Ihrem
Amtsvorgaenger Seehofer in-itiierte Studie zitieren, koennen wir nur mit
Kopfschuetteln zur Kenntnis nehmen. Wir haben diese Studie damals sehr
aufmerksam gelesen und mussten feststellen, dass hier nicht nach
wissen-schaftlich akzeptablen Kriterien vorgegangen wurde, sondern versucht
wurde, mit einer sehr ge-ringen Anzahl von Faellen allgemeine
Schlussfolgerungen zu ziehen. Bereits im DSB-Report Nr. 3/94 hat sich der
Unterzeichner mit dieser Veroeffentlichung kritisch auseinander gesetzt.
Im Uebrigen wuerden wir gern wissen, was das nach Ihrer Meinung ist:
erhebliche Einsparungen bei hoher Qualitaet der Versorgung. Wer definiert die
angeblich hohe Qualitaet, aufgrund welcher Krite-rien? Wer prueft das neutral
und unvoreingenommen? Wer nimmt die erforderlichen Messungen vor? Sind die
Ergebnisse reproduzierbar? Wir haben hier erhebliche Zweifel.
Sie schreiben: Hoergeraetebatterien wurden bereits 1990 fuer ueber 18-jaehrige
Versicherte im Rah-men der Rechtsverordnung ueber Hilfsmittel von geringem
therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (ง 34 Abs. 4 SGB V) aus der
Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Das
Bundessozialgericht hat diesen Ausschluss 1994 anerkannt; der Aus-schluss
verstosse nicht gegen die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, das
Rechts-staatsprinzip oder den Gleichheitsgrundsatz. Bei Nutzung
preisguenstiger Versorgungswege und intensivem Hoergeraetegebrauch liegen die
monatlichen Kosten fuer Hoergeraetebatterien zwischen 5 und 10 DM, bei
beidohrigen Versorgungen ueberschreiten die Batteriekosten 15 DM monatlich
nicht.
Uns liegen sehr viel hoehere Verbrauchswerte von Batterien vor, die von Ihnen
genannten monat-lichen Kosten fuer Hoergeraetebatterien zwischen 5 und 10 DM
erscheinen uns nicht nachvollzieh-bar. Hier ist zu fragen nach der Art der
Hoergeraete, ihrer Leistung und damit des Verbauchs und insbesondere nach der
taeglichen Tragedauer. Dies kann keinesfalls pauschal geurteilt werden. Wir
koennen uns des Eindrucks nicht erwehren, dass hier die Daten von
Hoergeraetetraegern verwen-det werden, die ihre Geraete nur wenige Stunden
taeglich benuetzen, um der Masse der Hoergeschae-digten zu schaden.
Im Uebrigen ist auch bei dieser Regelung der hochgradig Schwerhoerige der
Dumme: Seine Geraete benoetigen am meisten Leistung, haben daher den hoechsten
Stromverbrauch und verursachen dementsprechend die hoechsten Kosten. Wer
besonders schlecht hoert, wird mit dieser unsozilane Regelung besonders
benachteiligt!
Noch einen Satz: Ohne Batterien sind Hoergeraete nicht zweckmaessig, da nicht
verwendungsfaehig. Deshalb besteht aus unserer Sicht ein zwingender
Zusammenhang zwischen beiden.
Sie schreiben: Die Untersuchung auf moegliche Hoerschaeden gehoert
selbstverstaendlich zu den Vor-sorgeuntersuchungen im Kindesalter, die die
gesetzliche Krankenversicherung anbietet und die von ueber 90 Prozent der
Muetter auch wahrgenommen werden. Das Bundesministerium fuer Ge-sundheit
unterstuetzt Modellprojekte, durch die die Genauigkeit dieser
Untersuchungen - vor allem im Saeuglingsalter - verbessert werden soll.
a) Die bisherigen Vorsorgeuntersuchungen bieten keine verlaesslichen
Feststellungen ueber die Hoerfaehigkeit von Babys, daher muessen sollten nicht
nur Modellprojekte durchgefuehrt, sondern Hoerscreening an Babys bundesweit
eingefuehrt werden, um ggf. eine gezielte Fruehfoerderung zum fruehestmoeglichen
Zeitpunkt durchzufuehren.
b) So lange Hoerschaeden bei Babys nicht bei Vorsorgeuntersuchungen, sondern
mehrheitlich zunaechst von den Eltern vermutet und erst viel spaeter - oft
aufgrund des Draengens der Eltern und fast widerwillig - von Aerzten
festgestellt werden, ist das Vorsorge-System nicht in Ord-nung und muss
dringend verbessert werden. Ihnen ist sicher bekannt, dass Hoerschaeden bei
Kindern in Durchschnitt in einem Lebensalter von 36 Monaten festgestellt
werden, viel zu spaet fuer eine optimale Fruehfoerderung. Das ist im Ergebnis
ein gesundheitspolitisches Armutszeug-nis fuer ein reiches Land wie
Deutschland!
Sie schreiben: Die Bundeszentrale fuer gesundheitliche Aufklaerung sowie die
entsprechenden Landesbehoerden haben Programme entwickelt, die in Schulen
ueber die Gefahren durch ueberlaute Musik in Diskos, Konzerten und aus dem
Walkman informieren. Da vor allem die Nutzung von Musikgeraeten im privaten
Bereich (z.B. mit Kopfhoerern) nicht gesetzlich geregelt werden kann,
erscheint mir die Aufklaerung ueber Gesundheitsgefahren erfolgversprechender
als gesetzgeberi-sches Handeln, das nur den oeffentlichen Bereich erfassen
koennte.
Wir begruessen Aktivitaeten zur Information ueber Gefahren durch Laerm in Schulen
und werden gern zur Unterstuetzung beitragen; dies muesste aus unserer Sicht
noch erheblich verbessert und intensi-viert werden, insbesondere in Bezug
auf die Ausbildung der Lehrer zu diesen Themen.
Bei der Regelung von Lautstaerken bei Geraeten und in der Oeffentlichkeit sind
wir anderer Auffas-sung. In der Schweiz wurden Verordnungen erlassen zur
Verringerung der Lautstaerken in Disko-theken, warum sollte die in
Deutschland nicht auch im Interesse der Volksgesundheit und der
Versichertengemeinschaft moeglich sein? Hier sehen wir eine Fuersorgepflicht
des Staates, wie er sie etwa beim Erlass der Impfpflicht oder beim
Seuchengesetz ebenfalls wahrnimmt. Zudem gibt es keine technischen
Schwierigkeiten, dafuer zu sorgen, dass bei Nutzung von Musikgeraeten im
privaten Bereich die Hoehe der Lautstaerke einen vorgegeben Pegel nicht
ueberschreitet, dies ist allein eine Frage des politischen Willens, an dem es
offenbar leider fehlt. Statt dessen wird hin-genommen, dass sich jaehrlich
viele junge Menschen vermeidbare Hoerschaeden zuziehen.
Nachdem wir ausfuehrlich Ihr Schreiben kommentiert haben, moechten wir Sie an
das Ergebnis des Gespraeches Ihrer sehr geehrten Frau Staatssekretaerin
Nickels mit dem Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Herrn Karl
Hermann Haak, der Hoergeraete-Industrie, den Hoergeraete-Akustikern und
DSB-Praesident Herrn Dr. Seidler erinnern. Hier hatte Herr Haak
vorgeschlagen, einen Heil- und Kostenplan fuer die Hoergeraeteversorgung
aufzustellen. Wir wuerden es sehr begrue-ssen, wenn dies bald erfolgte.
In Bezug auf die Honorierung der Hoergeraete-Akustiker bei der
Hoergeraeteversorgung moechten wir an dieser Stelle einen Vorschlag machen, da
wir die derzeitige Handhabung keineswegs fuer rich-tig halten. Der
Abgabepreis fuer das Hoergeraet besteht aus zwei Komponenten: der Hardware (das
Geraet als solches, etwa 1/3 des Gesamtpreises) und der Software (die
Anpassung und Nachbe-treuung, etwa 2/3 des Gesamtpreises). Besonders die
Nachbetreuung wird von Betroffenen sehr unterschiedlich abgefordert; hier
werden den Hoergeraete-Akustikern mitunter Leistungen bezahlt, die gar nicht
abgerufen werden. Besonders langjaehrige Hoergeraetetraeger benoetigen mitunter
laengst nicht so viel nachgehende Betreuung, wie sie im Preis enthalten und
bezahlt ist. Zudem gibt es nach unserer Kenntnis kaum Angebote fuer
Hoertraining und Uebungen zur richtigen Handhabung der Geraete; derartige
Aufgabenstellungen sind ebenfalls im Preis enthalten. Daher plaedieren wir
fuer eine Aufspaltung des Abgabepreises in Hardware und Software auf
jeweiligen Nachweis. Dies fuehrt ganz sicher zu Kosteneinsparungen, die wir
ja auch grundsaetzlich befuerworten. Zusaetzlich ist die aerztliche Verordnung
eines Kommunikationstrainings bei der Erstversorgung mit Hoergeraeten (analog
zur CI-Versorgung) sowie eine rehabilitative Betreuung nach Anpassung eines
Hoergerae-tes als Kassenleistung notwendig.
Weiterhin muessen aus unserer Sicht im Sozialgesetzbuch Nachbesserungen
durchgefuehrt wer-den, u.a. muss den Behindertenverbaenden in allen Fragen der
Hilfsmittelversorgung ein gezieltes Mitspracherecht gesetzlich gesichert
werden; besonders bei der Festlegung des Festbetrages durch die
Krankenkassen ist der Deutsche Schwerhoerigenbund e.V. bzw. dessen
Landesverbaen-de zu beteiligen.
Wir fassen zusammen:
Ihr Ministerium fuehrt aus unserer Sicht leider die verfehlte Politik Ihrer
Amtsvorgaenger bei der Hoergeraeteversorgung fort. Wir bitten Sie, Ihre
diesbezueglichen Positionen gruendlich zu ueberden-ken, und in Zusammenarbeit
mit dem DSB zu neuen Loesungen zu kommen. Unsere grundsaetzli-chen Vorschlaege
lauten:
? Die Hoerhilfen werden zumindest fuer hochgradig Schwerhoerige als
zuzahlungsfreie Prothesen eingestuft.
? Bei Erstversorgung mit Hoergeraeten ist die aerztliche Verordnung eines
Kommunikationstrai-nings als Kassenleistung obligatorisch und sollte
vorgeschrieben werden.
? Experimente bei der Hoergeraeteversorgung wie der "verkuerzte Versorgungsweg
sollten kurzfri-stig beendet werden, da sie zur Folge haben, dass
Hoergeraete-Akustiker kaputt gemacht wer-den; dies kann nicht im Interesse
Hoergeschaedigter sein.
? Es ist sicherzustellen, dass die Vertraege zwischen Krankenkassen und der
Bundesinnung der Hoergeraete-Akustiker hinsichtlich einer Reparaturpauschale
keine Nachteile fuer Hoergeschae-digte zur Folge haben.
? Die Honorierung der Hoergeraete-Akustiker bei der Hoergeraeteversorgung wird
aufgespalten in Kosten fuer "Hardware" und "Software".
? Es sind erhebliche Verbesserungen bei Praevention und Frueherkennung
durchzufuehren.
? Den Behindertenverbaenden muss in allen Fragen der Hilfsmittelversorgung ein
besseres Mit-spracherecht gesetzlich gesichert werden.
Dieses Schreiben ist als Offener Brief vorgesehen und wird fuer die
Veroeffentlichung freigegeben.
Mit freundlichen Gruessen

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