Google Groups no longer supports new Usenet posts or subscriptions. Historical content remains viewable.
Dismiss

ak 434: Frankreichs extreme Rechte nach der Spaltung der FN

1 view
Skip to first unread message

AK-RED...@cl-hh.comlink.de

unread,
Jan 26, 2000, 3:00:00 AM1/26/00
to
----------------------------------------------------------
aus: ak 434 vom 20.01.2000
ak - analyse & kritik
Zeitung für linke Debatte und Praxis
----------------------------------------------------------


Zu viele Führer
Frankreichs extreme Rechte nach der Spaltung des Front Na-
tional

Nach Jahren ihres unaufhaltsam scheinenden Aufstiegs ist
die französische extreme Rechte in einer tiefen Krise. Der
Front National hat sich in zwei Parteien gespalten. Der
Rumpf-FN Jean-Marie Le Pens verlor bei den Europawahlen im
Juni vergangenen Jahres ebenso wie die neue Partei Bruno
Mégrets. Grund zur Freude ist das nur bedingt: Die neue
Rechtspartei um Charles Pasqua und Philippe de Villiers ist
dabei, bisherige WählerInnen der extremen und der bürgerli-
chen Rechten für ihr national-populistisches Projekt zu mo-
bilisieren.

Jean-Marie Le Pen, Chef des rechtsextremen Front National
(FN) - oder was davon übrig geblieben ist - und Sohn eines
bretonischen Fischers, liebt es, folgende Selbstbeschrei-
bung von sich zu geben: Sturm und Wellen trotzend, steht
der Kapitän auf der Brücke und hält das Ruder fest in der
Hand. Dieses von ihm oft strapazierte Bild muss korrigiert
werden: Das Steuerrad, das er in der Hand hält, ist abge-
brochen; kurslos treibt der lädierte Kahn auf dem Meer da-
hin. Und kaum jemand will mehr auf seine donnernd ausgeru-
fenen Befehle hören, während die Klügsten seiner Mannschaft
sich längst mit einem Rettungsboot davongemacht haben -
unter der Führung des in Ungnade gefallenen Kapitänsgehil-
fen Bruno Mégret.
Dessen neues Schiff kommt allerdings mangels eines
starken Motors auch nicht recht gegen die Wellen voran. Vor
kurzem nun musste auch der ehemalige zweite Mann des FN -
und übermäßig stolze Schwiegersohn des alten Kapitäns - von
der Brücke gehen, nachdem die Besatzung gegen ihn rebel-
liert hatte.
Der triumphierende Lepenismus der jüngeren Vergangen-
heit war keineswegs ein rasch verlöschendes "Strohfeuer",
wie bürgerliche Kommentatoren in den 80er Jahren behaupte-
ten. Er war auch nicht - wie der Berliner Rechtsextremis-
mus-Spezialist Burkhard Schröder in der Jungle World
(44/1999) anklingen lässt - ein bloß kurzfristig anhalten-
der "Tabubruch", dessen Wirkung sich alsbald "abnutzte",
was dann den Niedergang der Partei einleitete. 15 Jahre
lang wuchs der gesellschaftliche Einfluss des Front Natio-
nal beinahe bruchlos. Zehn bis 15 Prozent der Wählerschaft
beurteilen sämtliche Probleme der französischen Gesell-
schaft nur noch mit Blick auf das "Immigrationsproblem".
Der FN konnte die Parteien der bürgerlichen Rechten syste-
matisch verlieren lassen, wenn sie keine Absprachen treffen
wollten - denn für die Mehrheit der FN-Wähler waren die
etablierten Parteien der Rechten wie der Linken mittlerwei-
le unwählbar geworden.
Auf diese Weise konnte der Front National schließlich
bei den Regionalparlamentswahlen im März 1998 den Schieds-
richter spielen - und mehrere konservative Lokalfürsten,
die sich an ihre Posten klammerten, vor sich hertreiben. So
stand der Front National im Frühjahr 1998 auf dem Höhepunkt
seines Einflusses. (vgl. ak 413)
Anderthalb Jahre später ist der französische Neofa-
schismus gespalten und geschwächt. Seine beiden Hälften er-
hielten bei den Europaparlamentswahlen im Juni 1999 knappe
9 Prozent der Stimmen, nachdem der FN sich zwischen 1995
und 1998 auf einem konstanten Stimmenanteil von 15 Prozent
gehalten hatte. Was sind die Gründe für diesen Abstieg? Da
ist zum einen das objektive Erlahmen der Dynamik, was eini-
ge der Vorstöße des FN gegen die "etablierten Kräfte" be-
trifft. Anfang der 90er Jahre hatte es noch so ausgesehen,
als bleibe das Terrain des Protests gegen soziale Ungleich-
heiten allein den Neofaschisten überlassen - die Sozialde-
mokraten frönten unter der zweiten Präsidentschaft Mitter-
rands (den sogenannten années fric, den "Zaster-Jahren")
der Selbstbereicherung und dem schnellen Geld, die Kommu-
nisten sah man nach dem Fall der Berliner Mauer in breiten
Kreisen dem sicheren Untergang entgegengehen.

Stetiger Aufstieg, tiefer Fall

Im Frühjahr 1990 stellte der FN erstmals einen Kongress
unter das Thema "Soziales und Ökologie", weil diese Themen
nunmehr ein zu besetzendes, freies Feld darstellten - so
die Begründung des damaligen FN-Chefideologen Bruno Mégret,
der seither bestrebt war, die eher kleinbürgerlich-mittel-
ständische Prägung der Partei nach außen hin abzustreifen.
Doch ab 1995 hat sich die Situation gewandelt, die klassen-
kämpferischen Spannungen nahmen zu, die Linken waren auf
der Straße, die Gewerkschaften (jedenfalls im öffentlichen
Dienst) im wochenlangen Streik. Die gleichen sozialen und
politischen Kräfte mobilisierten wenig später auch gegen
die neofaschistische Bedrohung und gegen die repressiven
Ausländergesetze, mit denen die konservative Regierung das
FN-Potenzial zu umwerben suchte, und schufen so eine neue
Verbindung zwischen Antirassismus und sozialem Protest.
Auf einigen Gebieten prallten die Vorstöße des FN so-
wohl an institutionellen wie auch an sozialen Riegeln ab.
Das Mehrheitswahlrecht sorgte dafür, dass der FN (bis auf
zwei Ausnahmeperioden, in denen er je einen einzigen Sitz
erringen konnte) keinerlei Vertretung im nationalen Parla-
ment hatte. Sein Versuch, eigene "Gewerkschaften" zu grün-
den und bei den Wahlen der Arbeitsgerichte seine Anhänger
zu platzieren, scheiterte 1996/97 am kombinierten Wider-
stand von gewerkschaftlichen Kräften und Arbeitsrechtlern,
nachdem Gewerkschafter gut vorbereitete Klagen eingereicht
hatten.
Die Keimzellen neofaschistischer Gewerkschaften wurden
verboten, die 26 vom FN errungenen Mandate in Arbeitsge-
richten wurden allesamt annulliert. So wurde das Schlimmste
verhindert - denn wer Gewerkschaften organisiert, Arbeits-
gerichte besetzt, karitative Vereinigungen (wie das Quasi-
"Winterhilfswerk" Fraternité française) und Mieterbünde
(wie FN-Locataires) unterhält, der rückt sehr nahe an das
alltägliche Leben und die sprichwörtlichen "Sorgen und Nö-
te" der Armen heran. Welche Partei hier gut organisiert
ist, vermag - vermeintliche oder reale - Antworten auf die
drängenden sozialen Fragen im Alltagsleben zu präsentieren
und seinen Einfluss tief in die Gesellschaft hinein zu
streuen.
Die beschriebenen Blockiervorrichtungen hätten dem
einstmals so starken FN nicht den Garaus gemacht, wären sie
nicht auf innere Strukturmängel der Partei getroffen. Für
das Selbstbild der Partei war ihr scheinbar unaufhaltsames
Wachstum unerlässlich. Als die Aufstiegsdynamik nachließ
und manche ihrer Vorstöße erfolglos blieben, wuchs die Un-
geduld einiger der jungen, gut ausgebildeten Kader der Par-
tei, die es eilig hatten, die politische Macht oder zumin-
dest eine Teilhabe an ihr zu erringen. Auf der anderen Sei-
te war Jean-Marie Le Pen immer weniger gewillt, seine All-
macht über die Partei, die durch die jungen "Technokraten"
bedroht wurde, in Zweifel ziehen zu lassen. Als pyramiden-
förmig von oben nach unten strukturierte, streng hierarchi-
sche Führerpartei angelegt, musste der FN im Krisenfall da-
hin tendieren, den Konflikt durch einen radikalen Bruch zu
lösen - Kompromisse und Machtteilungen sind in einer sol-
chen Struktur undenkbar.
In den 80er Jahren war die Allmacht des Chefs noch der
Garant für den Erfolg des Front National. Durch die Balan-
ce, die er zwischen den sehr unterschiedlichen ideologi-
schen Strömungen der extremen Rechten schuf, hielten die
heterogenen, ja mitunter gegensätzlich ausgerichteten ideo-
logischen Familien der extremen Rechten zusammen. Katholi-
sche Fundamentalisten trafen sich auf einer gemeinsamen Ba-
sis mit antijüdisch-antichristlich motivierten Neuheiden,
denen die Rassebiologie am Herzen liegt, und "National-Re-
volutionäre" mit eher monarchistisch orientierten Kreisen.
Als gemeinsamer ideologischer Minimalkonsens diente die
Idee, dass die "französische Identität" (die allerdings
sehr unterschiedlich definiert wurde) von fremden Mächten
unterjocht sei und dass alle gesellschaftlichen Probleme im
Kern darauf zurückzuführen seien.
Zum Jahreswechsel 1998/99 führte die Krise des Front
National zur Spaltung. Für Le Pen war es unvorstellbar,
sein persönliches Eigentum in Gestalt der von ihm gegründe-
ten Partei aus der Hand zu geben - "lieber macht er sein
Spielzeug kaputt, als es herzugeben", formulierte treffend
der Mégret-Anhänger Jean-Yves Le Gallou. Heute überwiegt in
der Funktionsweise des verbliebenen Rumpf-FN tatsächlich
das Element der persönlichen Machtausübung des (heute wie-
der) quasi allmächtigen Chefs gegenüber der "gemeinsamen
Sache", den rassistischen Ideen. Zum Abschluss des Europa-
Wahlkampfs veranstaltete Le Pen eine "Personality Show",
bei der man ihn etwa auf der Bühne singen hören durfte -
aber von der "Immigrationsproblematik", die seine Wähler
wie kein anders Thema bewegt - war nicht einmal mehr die
Rede.

Gute und schlechte Immigranten

Nachdem Bruno Mégret so gut wie alle zu eigenständigem Den-
ken und Handeln fähigen Mitglieder und den Großteil der Ka-
der des französischen Neofaschismus mitgenommen hatte und
mit seiner eigenen Partei zu den EP-Wahlen antrat, versuch-
te Le Pen sich in der Taktik, diesen in eine Rechtsaußen-
ecke abzudrängen, indem er selbst in überraschender Form
ideologischen Ballast abwarf. Das primäre Ziel war zu die-
sem Zeitpunkt nur noch, dem Herausforderer Schaden zuzufü-
gen. So ließ Le Pen Anfang Juni 1999 - zunächst durch sei-
nen Schwiegersohn und begierig auf seine Nachfolge warten-
den Jungpolitiker Samuel Maréchal, danach auch aus eigenem
Munde - verlauten, er akzeptiere nunmehr "die multikonfes-
sionelle Realität des Landes".
Die Mégret-Anhänger stürzten sich erwartungsgemäß auf
diesen ideologischen "Verrat", was in Le Pens Augen dazu
beitragen konnte, ihr Bemühen um Salonfähigkeit gegenüber
bürgerlichen Bündnispartnern und Wählern zu durchkreuzen.
Innerhalb des Rumpf-FN hat diese kleine ideologische "Häre-
sie" aber zu einem unerwarteten Aufschrei geführt, weil
dessen führende Kader die Welt nicht mehr verstehen.
Die "Sommeruniversität" des FN, die Anfang September
1999 in Orange stattfand, wurde so zum Anlass für heftige
Abrechnungen. Bereits zur Eröffnung wetterte Jacques Bom-
pard, der letzte FN-Bürgermeister im Land (die drei anderen
sind entweder zur Mégret-Partei übergelaufen oder mittler-
weile parteilos), heftig gegen "jüngst begangene Fehler",
die darauf zielten, den Kampf gegen die Immigration aufzu-
geben, während "eine neue Offensive auf diesem Terrain"
notwendig sei. Frankreich sei "in seiner Essenz, in seinem
Wesen christlich und in seiner überwältigenden Mehrheit ka-
tholisch" und müsse es bleiben. Der FN-Generalbeauftragte
Carl Lang, Nachfolger des geschassten Bruno Mégret, blies
in das gleiche Horn, erklärte den Kampf gegen ein "die Auf-
lösung der Nation in ein multikulturelles, mosaikartig zu-
sammengesetztes, in Stämme zerfallenes Frankreich" für ab-
solut vorrangig und fügte warnend hinzu: "Wenn wir diese
Linie verlassen, dann verlassen wir unsere Mission gegen-
über Frankreich." Im übrigen, so Lang weiter, "endet die
Zugehörigkeit zur Nation nicht bei der Staatsbürgerschaft"
- was bedeuten soll, dass der Besitz der französischen
Staatsbürgerschaft allein einem Abkömmling von Immigranten
noch lange nicht die Zugehörigkeit zur ethnisch definierten
Nation verleiht.
Carl Lang zählt - obwohl er bei der Spaltung nicht dem
Mégret-Lager gefolgt ist, in welchem sich diese Denkrich-
tung mehrheitlich wiederfindet - zu den rassebiologisch
ausgerichteten "Neuheiden" im FN, denen zufolge das Chris-
tentum auf Grund seiner Herkunft von der jüdischen Religion
einen Fremdkörper in der europäischen (oder "indoeuropäi-
schen") Kultur darstelle.

Mégret entlarvt die Verräter

Jacques Bompard hingegen steht den katholischen Fundamenta-
listen zumindest sehr nahe. Damit waren bereits zwei FN-
Gallionsfiguren von entgegengesetzten ideologischen Posi-
tionen sich im Grundsatz gegen die "neuen Positionen" des
Chefs einig. Ein ungenanntes Mitglied des Politischen Büros
des FN - mutmaßlich Samuel Maréchal - erklärte demgegenüber
der Tageszeitung Libération: "Carl Lang hat sich radikali-
siert, das ist wahnwitzig. Die Dinge entwickeln sich, und
er ist auf dem Stand der 80er Jahre stehen geblieben. Er
hat sich von der Realität der französischen Gesellschaft
abgelöst und könnte genau so gut Generalsekretär des PNFE
(Parti nationaliste français et européen, eine militante
Neonazi-Splitterpartei) sein." Der FN-Generalsekretär Bruno
Gollnisch seinerseits, der bisher durch absolute Treue und
Loyalität gegenüber Le Pen auffiel, ergriff in dem Streit
zwar nicht Partei. Doch indem er behauptete, dass es im
Grunde keine inhaltlichen Differenzen gebe, stellte er
gleichzeitig klar, dass auch er keine Aufweichung der Par-
teipositionen zur Immigration mittragen würde.
Im Gegenzug formulierten die wenigen "farbigen" Alibi-
Politiker des Front National in dieser Kontroverse eigene
Gegenpositionen und artikulierten auf diesem Wege eigene
Interessen, was für eine Partei wie den FN unerhört ist.
Bisher waren zwei Kategorien von Aktivisten nicht-europäi-
scher Herkunft in der Partei geduldet, wobei drei bis vier
Vertreter unter ihnen in vorderster Linie des FN standen:
Das waren erstens ehemalige "Harkis" und deren Nachkommen
(das sind jene algerisch-stämmigen Ex-Soldaten, die im al-
gerischen Unabhängigkeitskrieg auf Seiten der Kolonialmacht
Frankreich kämpften); und zweitens Einwohner der französi-
schen "Übersee-Départements" wie der französischen Antil-
len, die aktiv für einen Verbleib dieser Gebiete bei der
"Metropole" Frankreich eintreten. Im Europa-Wahlkampf im
Juni 1999 hatte Le Pen vor allem Sid Ahmed Yahioui zur füh-
renden FN-Figur aufgebaut, einen Vertreter des aktiv
rechtsorientierten Teils der "Harki"-Bevölkerung.
Stéphane Durbec, der von der französischen Karibik-In-
sel La Martinique stammende schwarze FN-Politiker, 1998 mit
26 Jahren zum jüngsten Abgeordnete des FN in einem Regio-
nalparlament gewählt, wandte sich noch vor der Sommeruni-
versität in einem Brief an die 40 Mitglieder des Politi-
schen Büros des FN. Darin schrieb er unter anderem: "Wir
müssen einen Nationalismus à la française befördern, der
auf eine nicht-rassische Konzeption der Nation gestützt
ist. Unsere Position darf weder rassistisch noch fremden-
feindlich sein."
Anlässlich der Tagung in Orange fügte er hinzu: "Einige
scheinen zu vergessen, das Frankreich Leute zu integrieren
verstand, die nicht alle blonde Haare und einen azurblauen
Blick hatten." Der algerisch-stämmige FN-Politiker Farid
Smadi ging in Orange ebenfalls in die (Gegen-) Offensive
und forderte: "Man muss aufhören, gegen die Einwanderung in
ihrer Gesamtheit zu schimpfen. Hören wir auf, alles in ei-
nen Topf zu werfen, während französische Bevölkerungsgrup-
pen, die aus der Einwanderung stammen, zum großen Teil mit
uns einverstanden sind, wenn wir die Wiederherstellung der
inneren Sicherheit in den Cités (Hochhausgettos, Immigran-
tenvierteln) und vor allem den Schutz der traditionellen
Familienmoral fordern."
Zum ersten Mal in der Geschichte des Front National
stellen dessen "farbige" Vorzeigepolitiker damit eigene
Forderungen an die Partei. Damit artikulieren sie eigene
Interessen, die bisher keines eigenen Ausdrucks zu bedürfen
schienen - denn während der FN gegen die "Fremden" hetzte,
war in ihren Augen stets klar, dass sie zur Nation dazuge-
hörten und daher vom Anti-Immigrations-Diskurs nicht be-
troffen seien. Nun, wo es erstmals eine Kontroverse zu sol-
chen Fragen gibt und der FN sich daran macht zu definieren,
gegen wen sein Rassismus sich überhaupt richtet, sehen sie
sich hingegen veranlasst, ihre eigene Position zu verteidi-
gen.
Im Falle von Stéphane Durbec hat hierzu die Spaltungs-
geschichte zwischen Lepenisten und Mégretisten beigetragen.
Denn die Mégret-Anhänger, die in Durbec stets nur den Va-
sallen Le Pens sahen, hielten mit rassistischen Beschimp-
fungen gegen ihn nicht hinter dem Berg, nachdem es zu ers-
ten Zusammenstößen zwischen Le Pen- und Mégret-Anhängern
gekommen war. Inzwischen wurde das Tonbandprotokoll der FN-
Führungstagung vom 5. Dezember 1998 veröffentlicht, auf der
es zur Explosion kam, die der Spaltung unmittelbar voraus-
ging. Auf dieser Tagung beschimpfte ein Mégret-Anhänger
Durbec mit den Worten: "Nigger, steig auf deine Bananen-
staude zurück!" (Stéphane Durbec hat den Front National am
3. Dezember 1999 definitiv verlassen und wird künftig als
fraktionsloser Abgeordneter im Regionalparlament von Mar-
seille sitzen. Als Begründung gab er an, eine Reihe führen-
der Mitglieder würde auch nach der Spaltung "das Werk von
Bruno Mégret" in der Partei fortsetzen. Letzterem gibt Dur-
bec alle Schuld am Rassismus innerhalb des FN, während er
Le Pen als Person selbst in seiner Rücktrittserklärung noch
in Schutz nahm.)
Le Pen bemühte sich unterdessen um Erklärungs- und Dif-
ferenzierungsversuche - die Anwesenheit von Muslimen in
Frankreich sei an sich kein Problem, da es auch die guten
Muslime gebe, nämlich jene, die (wie die "Harkis" in Alge-
rien) in den Kolonialkriegen auf Seiten Frankreichs ge-
kämpft hätten. Das Immigrationsproblem sei keine "religiö-
se", sondern "eine politische Frage, jene der unkontrol-
lierten Masseneinwanderung". Solche Differenzierungsversu-
che waren freilich von vornherein vergebliche Mühe. Im Ok-
tober musste Le Pen seinen vorlauten Schwiegersohn Samuel
Maréchal opfern, der ihm bis dahin (gerade in der "heiß"
gewordenen Frage) oft als Sprachrohr gedient hatte.
Maréchal, im Politischen Büro des FN angefeindet und iso-
liert gab, seinen Posten als "Kommunikationsbeauftragter"
Le Pens auf.
Den "Verrat" des Rumpf-FN an den gemeinsamen, rassisti-
schen "Ideen" will nun die unter Bruno Mégret versammelte
andere Hälfte des Neofaschismus nutzen, um sich einen Platz
zu erkämpfen. Mégrets "Nummer Zwei", Jean-Yves Le Gallou,
schrieb in einem Brief an die gesamte Mitgliedschaft des
Rest-FN im Raum Paris, für seine Formation behalte "der
Kampf gegen die Immigration Priorität". Zugleich hielt die
Mégret-Partei, der Mouvement National Républicain (MNR,
"Republikanische Nationalbewegung"), im November 1999 in
Paris eine öffentliche Großveranstaltung unter dem Titel
"Nein zur Immigration / Immigration: der Mut, Nein zu sa-
gen" ab, um - einmal mehr - ein Referendum zur Frage der
Einwanderung zu fordern. Der Andrang sprengte freilich
nicht die Grenzen einer "normalen" Parteiveranstaltung, man
blieb eher unter sich.
Aber die Mégret-Anhänger haben selbst mit großen Pro-
blemen zu kämpfen, insbesondere seit ihr schwaches Ab-
schneiden bei den Europaparlamentswahlen (3,3 Prozent
gegenüber 5,7 Prozent für Le Pen) sie der staatlichen Wahl-
kampfkosten-Rückerstattung beraubt hat, die erst ab einem
Stimmenanteil von 5 Prozent fließt. Die Mégretisten haben
nunmehr die Strategie gewählt, demonstrativ Wasser in ihren
Wein zu schütten, ohne jedoch grundlegende Elemente ihrer
Ideologie aufzugeben. Ausdruck dieser krampfhaft demons-
trierten "Mäßigung" ist auch die Anfang Oktober erfolgte
Umbenennung von Mouvement National (MN, "Nationale Bewe-
gung") in Mouvement National Républicain (MNR, "National-
Republikanische Bewegung"); seither wird gebetsmühlenhaft
das Bekenntnis zur Demokratie wiederholt.

Pasqua als lachender Dritter

Die neue Strategie geht freilich auch auf die Erkenntnis
zurück, dass es allein der wohlhabende und bürgerliche -
und damit in seinen sozialen Positionen "gemäßigtere" -
Teil des früheren FN-Publikums ist, den sie bei den vergan-
genen Wahlen auf ihre Seite ziehen konnten. Der "alte",
noch vereinigte Front National versprach den Besitzenden
den Schutz ihres Eigentums vor den Armen und den Armen das
Ende der sozialen Ungerechtigkeit; zusammengehalten wurden
diese beiden Versprechen durch ihre gemeinsame rassistische
Begründung. Seit der Spaltung ist das in der FN-Wähler-
schaft repräsentierte Klassenbündnis weitgehend aufgelöst.
Der sozial unzufriedene, proletarische oder erwerbslose
Teil der rechtsextremen Wählerschaft misstraut dem "elitä-
ren Technokraten" Mégret, während der "Volkstribun" Le Pen
dem besserverdienenden Teil des Rechtsaußenpublikums in zu-
nehmendem Maße als vulgär gilt.
Einen Teil des Publikums des früheren "vereinigten" FN,
vor allem in seiner bürgerlichen Wählerschaft, wird unter-
dessen auch durch die neue Partei der national-konservati-
ven, autoritären Rechten angezogen, die ihren offiziellen
Gründungskongress am 20./21. November 1999 in Paris ab-
hielt. Geführt wird die neue Partei zum einen durch den na-
tional-populistischen früheren Innenminister Charles Pas-
qua; dieser hatte zum 1. Januar 1999 den (neo-)gaullisti-
schen RPR, zu dessen Gründungsmitgliedern er zählte, ver-
lassen. Zweiter Mann ist der Rechtskatholik Philippe de
Villiers, der den politischen Traditionen des Vichy-Regimes
nahe steht; Pasqua und de Villiers hatten bereits 1992 ge-
meinsam die Kampagne der rechten Gegner des Maastricht-Ver-
trags angeführt.
Unter dem Namen RPF (Rassemblement pour la France -
"Sammlung für Frankreich") tritt sie in die Nachfolge der
gemeinsamen Liste ("Sammlung für Frankreich und die Unab-
hängigkeit Europas"), welche Pasqua und de Villiers zu den
Europaparlaments-Wahlen im Juni 1999 anführten. Damals wa-
ren sie mit 13,05 Prozent zur stärksten Kraft auf der poli-
tischen Rechten - vom Mitte-Rechts-Spektrum bis nach
rechtsaußen - avanciert.

Bernhard Schmid, Paris

----------------------------------------------------------

ak - analyse & kritik
Zeitung für linke Debatte und Praxis

Nachdruck nur mit Zustimmung.

Die Zeitung ak erscheint alle vier Wochen und kostet
pro Exemplar 7,50 DM, Jahresabo 90,- DM.
* Kostenloses Probeexemplar anfordern!
ak - analyse und kritik
Rombergstr. 10, 20255 Hamburg,
Tel.: +49-40-4017 0174, Fax.: +49-40-4017 0175,
Email ak-red...@cl-hh.comlink.de
Im Internet: http://www.akweb.de
----------------------------------------------------------

0 new messages