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isku: Offener Brief an die Jungle World

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Maurice Merlin

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Dec 12, 1999, 3:00:00 AM12/12/99
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Informationsstelle Kurdistan e.V.
Hobrechtstr. 14, 12047 Berlin
TEL./FAX: (030) 613 056 22
E-MAIL: is...@mail.nadir.org
INTERNET: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/


Berlin, der 12. Dezember 1999


Offener Brief an die jungle world

Zur Ermordung von Sinan Karakus, Sema Alp, Mustafa Kurt, Ahmet Acar

Bald ist es ein Jahr her, dass vier unserer GenossInnen in Berlin vor
dem israelischen Kon-sulat erschossen wurden, ein Dutzend wurde zum
Teil lebensgefährlich verletzt, etliche GenossInnen wurden verurteilt
und sitzen im Knast. Die Mörder sind unbestraft geblieben. Es ist für
uns schwer nachvollziehbar, warum zum jetzigen Zeitpunkt wieder eine
Diskussion darüber ausbricht, ob die Schüsse der israelischen
Botschaftsangehörigen gerechtfertigt waren, während die Solidarität
mit den verfolgten KurdInnen noch immer sehr schwach ist.

Für die Menschen aus Kurdistan war der 15. Februar 1999 ein
einschneidendes Datum. Es gibt eine kurdische Geschichte vor und nach
dem 15. Februar 1999. Es wurde sehr schnell klar, dass sich eine
Reihe von imperialistischen Ländern und deren Helfer an der
Entführung Abdullah Öcalans beteiligt hatten. Dementsprechend wurde
auch an Konsulaten und Ver-tretungen aller dieser Länder demonstriert
und versucht, sie zu besetzen - weltweit. Zum Beispiel griechische,
US-amerikanische, britische, deutsche, kenianische und türkische
Einrichtungen waren die Ziele der Protestaktionen. Alle Proteste
verliefen mehr oder weniger gewaltlos. Außer eben der Aktion am
israelischen Konsulat, wo die Botschaftsvertreter ohne Not in die
Menge schossen. Das war Mord und die Mörder wurden nie dafür belangt,
son-dern konnten, mit Diplomatenpässen ausgestattet, ausreisen.

Israel und die Türkei sind die wichtigsten Bündnispartner des
deutschen und US- Imperialis-mus im Nahen und Mittleren Osten.
Zwischen der USA, der Türkei und Israel gibt es eine enge
militärische Zusammenarbeit in der Aufstandsbekämpfung und im
Anti-Guerillakampf. Die USA liefern Daten ihrer
AWACS-Aufklärungsflüge an das türkische Militär, das mit die-sen
Daten zielgenauer die kurdische Guerilla bekämpfen kann. Israelische
Militärs bilden türkische Hubschrauberpiloten aus und beraten auch
direkt im Kampfgebiet. So wurde zum Beispiel 1996 ein türkischer
Militärhubschrauber im kurdischen Kampfgebiet von der ARGK
abgeschossen, in dem sich auch hochrangige israelische Militärs
befanden.

Es ist richtig, dass Israel auch die südkurdische KDP unterstützt,
wie Maik Söhler anführt. Die KDP übernimmt seit Jahren
Konterguerillafunktion und hängt direkt am Tropf der USA. Auch in
Kurdistan gibt es Klassen und die KDP ist feudale Oligarchie, die
eine revolutionäre Entwicklung in Südkurdistan im Interesse des
Imperialismus verhindern will.

Dass der israelische Geheimdienst an der Öcalan Entführung beteiligt
war, ist für jeden, der die Zusammenarbeit insbesondere der
amerikanischen, türkischen und israelischen Regie-rungen in den
letzten Jahren beobachtet hat, sonnenklar, und selbst wenn es nicht
so wäre, hätte die kurdische Bevölkerung genug Gründe gegen den
israelischen Staat zu demonstrie-ren. Mit Antisemitismus hat das rein
gar nichts zu tun. Die PKK ist eine internationalistische Bewegung,
die weder Feindschaft gegen das türkische noch gegen das israelische
noch gegen irgend ein andres Volk hegt. Obwohl der türkische Staat
seit seiner Gründung etliche Massaker gegen die Völker in Kurdistan
begangen hat, hegt die PKK keinerlei Feindschaft gegen das türkische
Volk. Im Gegenteil, nichts hält sie in ihrer Geschichte für
notwendiger, als dass alle Völker der Türkei gemeinsam für ihre
Befreiung kämpfen. In den Reihen der PKK gibt es Hunderte türkische
InternationalistInnen, und die PKK ruft immer wieder zur
Geschwisterlichkeit der Völker auf.

Auch gegen das israelische Volk oder die JüdInnen gibt es keinerlei
feindliche Gefühle. Die PKK ist eine Bewegung, die die Regierungen,
die gegen die Interessen der Völker handeln, sehr wohl von den
Völkern unterscheidet und darauf größten Wert legt.

Offensichtlich fällt diese Unterscheidung vielen deutschen Linken
schwer. Die imperialisti-sche Propaganda, dass es sich bei
Befreiungskämpfen um ethnische oder religiöse Konflikte handele,
Türken gegen Kurden, Juden gegen Moslems, Katholiken gegen
Protestanten etc. sitzt zu tief. Es gibt auch eine israelische Linke,
die sowohl die Palästinapolitik Israels kriti-siert, als auch das
Vorgehen der israelischen Konsulatsvertreter in Berlin. In der Logik
der jungle world-Schreiber ist wohl auch die israelische Linke
antisemitisch. Die Grenze ist für Linke nicht zwischen den Völkern zu
finden, sondern zwischen Unterdrückern und Unter-drückten.

Die KurdInnen haben an den Tagen nach der Entführung Abdullah Öcalans
gegen die Re-gierungen, die in einer internationalen Zusammenarbeit
die Befreiung des kurdischen wie auch des türkischen Volkes
verhindern wollen, Protestaktionen durchgeführt. Auch wenn es viele
nicht wahrhaben wollen: Auch der israelische Staat ist Teil dieser
Allianz.

Für die Schüsse in eine unbewaffnete Menschenmenge, die gut
dokumentiert sind, gibt es keinerlei Rechtfertigung. Es war Mord.

Seit vielen Jahren versucht der deutsche Staat, jede mögliche
Solidarisierung mit dem Be-freiungskampf der PKK durch Verbreitung
von Vorurteilen und glatten Lügen zu verhindern. Darin sind sie sehr
erfolgreich. Sie bekommen dabei Unterstützung aus angeblich linken
Kreisen, deren einzige Politik es ist, andere, seien es auch noch so
schwache Ansätze von linker Politik, zu diffamieren. Offensichtlich,
um ihre eigene Untätigkeit und Perspektivlosig-keit zu kaschieren.
Eins der durchschlagendsten Argumente ist dabei immer wieder der
angebliche Antisemitismus vor allem der PKK. Hierfür ist speziell die
deutsche Linke beson-ders empfänglich. Die Ermordung von Millionen
europäischer JüdInnen in deutschen Kon-zentrationslagern, die
Ermordung von Millionen SowjetbürgerInnen und vielen anderen unter
anderem auch deutschen KommunistInnen hat nicht dazu geführt, dass
der Kampf von Menschen, die vor rassistischen Regimes flüchten und
auch hier im Exil ihren Widerstand gegen ihre Vernichtung
organisieren, als Teil des gemeinsames Kampfes gegen Faschismus und
Unterdrückung verstanden werden.

Seit den Massenprotesten 1993 gegen das Massaker in Lice ist die PKK
in der BRD verbo-ten. Die meisten, über 100, politischen Gefangenen
in der BRD sind KurdInnen. Tausende Verfahren laufen gegen sie wegen
Unterstützung der PKK. Es ist uns unbegreiflich, wie Menschen, die
sich Linke nennen, dazu schweigen können und im Gegenteil sich die
Argu-mente der Herrschenden aneignen, um eine Solidarisierung mit dem
kurdischen Befreiungs-kampf zu verhindern.

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