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Die tuerk.-israel. Beziehungen und die Kurden

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Maurice Merlin

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Nov 26, 1999, 3:00:00 AM11/26/99
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Aus: INAMO, Nr. 18, Jg. 5, Sommer 1999, S. 19-21


Selahattin Çelik

Die türkisch-israelischen Beziehungen und die Kurden

Um die israelisch-türkischen Beziehungen verstehen zu können, muß man
zunächst die Situation beider Länder und ihre politischen Ziele
betrachten. Die Türkei ringt mit Arabern und Iranern um die regionale
Vorherrschaft und hat bei diesem Bestreben in Israel einen idealen
Verbündeten. Eines der herausragenden Ziele der Türkei ist dabei die
militärische Lösung der Kurdenfrage, wobei sie von den Erfahrungen
Israels und der israelischen Militärtechnologie zu profitieren hofft
und die Zusammenarbeit der jeweiligen Geheimdienste konsolidieren
will. Außerdem möchte die Türkei auch von der in den USA und in
Westeuropa sehr einflußreichen pro-israelischen Lobby profitieren, um
den zunehmenden Einfluß der dortigen armenischen, griechischen und
vor allem kurdischen Gemeinden konterkarieren zu können

Die strategischen Ziele Israels sind hingegen komplexer. Seit seiner
Gründung kämpft Israel um seine Existenz, was auch erklärt, warum das
Militär dort solch eine bedeutende Rolle spielt. Aber der
Ausnahmezustand ist noch lange nicht überwunden, auch wenn es seit
1990 eine Atempause gibt. So klein Israel auch sein mag, ist es doch
eine Technologie-, Geheimdienst- und Militärmacht, wenngleich es
wegen der Konflikte und Kriege sein wirtschaftliches und
technologisches Potential in der Region nicht nutzen kann. Daher
bemüht es sich nach den Friedensabkommen mit Jordanien und Ägypten
und hinsichtlich seiner Bemühungen zur Lösung der Palästinenserfrage
um eine technologische und wirtschaftliche Integration in der Region.

Ein weiteres Problem Israels ist das Wasser. Die wasserreichste
Region des Nahen Ostens ist jener Teil Kurdistans, der unter
türkischer Souveränität steht. Die Türkei und Israel arbeiten an
gemeinsamen Wasserprojekten, und im Rahmen des GAP (Güneydogu Anadolu
Projesi), des Staudammprojekts in Südost-Anatolien, führt Israel
wichtige Landwirtschaftsprojekte durch. Außerdem hofft Israel,
bestimmte militärische Manöver, zu deren Durchführung Israel einfach
zu klein ist, in der Türkei ausführen zu können.

Eines der wichtigsten Elemente der Zusammenarbeit sind die im Rahmen
der NATO verfolgten regionalen Pläne der USA. Während die Türkei
NATO-Mitglied ist, hat Israel, wenngleich nicht im Bündnis vertreten,
doch sehr enge militärische und politische Bindungen zu den USA, die
in der Region eine neue Ordnung durchsetzen wollen, wobei Israel und
die Türkei eine eminent wichtige Rolle spielen.


Israel und die Kurden

In den 60er Jahren unterstützte Israel den Widerstand des irakischen
Kurdenführers Barzani. Zwar verweisen israelische Stellen immer
wieder darauf,daß das kurdisehe und das jüdische Volk in der
Vergangenheit ähnliches Leid erfahren hätten, zuweilen aber vergißt
Israel diese historischen Parallelen und verfolgt eine gegen die
Kurden gerichtete Politik. So bewertet der damalige israelische
Ministerpräsident Netanyahu in seinem 1995 erschienenen Buch "Kampf
gegen den Terrorismus" den Nordirak als einen Brennpunkt des
Terrorismus. Es ist somit offensichtlich, daß es mit Israels
angeblicher Sympathie für die Kurden nicht weit her sein kann und
seine Politik allein dem Opportunitätsprinzip folgt: So unterstützte
Israel Barzani nur deswegen, weil er gegen einen arabischen Staat
kämpfte und weil die USA den seinerzeit mit der UdSSR verbündeten
Irak schwächen wollten.


MIT und Mossad

Obwohl die Türkei das erste muslimische Land war, das Israel
anerkannte, wurden die Beziehungen zwischen beiden Ländern erst in
den 60er Jahren enger, beschränkten sich aber weitgehend auf eine
Kooperation des türkischen Geheimdienstes MIT (Milli Istihbarat
Teskilati) und des israelischen Mossad. Bis in die 90er Jahre
versuchte denn auch die Türkei, ihre Beziehungen mit Israel nicht
allzusehr an die große Glocke zu hängen.

Sowohl der MIT als auch der Mossad haben immer schon sehr eng mit der
amerikanischen CIA zusammengearbeitet. Dies bestätigt nicht nur der
ehemalige CIA-Agent Phillip Agee in seiner berühmten Abrechnung
"Inside the Company", sondern auch der - als Doppelagent verdächtigte
und deswegen festgenommene - MIT-Offizier Sabahattin Savasman, der in
seinen Memoiren schrieb: "Es gab regelmäßige Kontakte [des MIT] mit
dem Savak [iranischer Geheimdienst unter dem Schah] und dem Mossad.
Bei Zusammenkünften ... war der Mossad mit seiner überlegenen
Technologie der führende Partner und hatte in unserem Land einen sehr
großen Aktionsradius. Hiram Abas [MIT-Agent mit engen Verbindungen
zum Mossad, wurde 1990 in Istanbul ermordet, d.V.] nahm an einer
Operation in Beirut teil, die sich gegen eine linke Gruppe in einem
Palästinenser-Lager richtete. Für den erfolgreichen Verlauf der
Operation wurde er ausgezeichnet. (1)

Die Zusammenarbeit türkischer und israelischer Geheimdienste begann
bereits in den 50er Jahren, als der MIT Kontakte zum israelischen
Militärgeheimdienst Aman unterhielt. Nachdem 1957 der damalige Leiter
der Nahostabteilung des Mossad Eliahu Sasson zum israelischen
Botschafter in Ankara berufen worden war, (2) wurde zwei Jahre später
damit begonnen, Agenten des MIT und der Savak beim Mossad
auszubilden. Diese Zusammenarbeit ist auch von israelischer Seite
niemals geleugnet worden. Einem Bericht der israelischen Tageszeitung
Ma'arif zufolge kooperiert der MIT seit langem schon nicht nur mit
dem Mossad, sondern auch mit dem israelischen Inlandsgeheimdienst
Schin Bet. (3) Die Ziele sind dabei eindeutig: Während der MIT
Information über Palästinenser und andere Araber liefert,
unterstützte der Mossad den MIT beispielsweise bei der Besetzung
Nordzyperns sowie bei Operationen gegen türkische Sozialisten.


Zusammenarbeit gegen die Kurden

Nachdem der kurdische Widerstand in der Türkei an Bedeutung gewonnen
hatte, arbeiteten MIT und Mossad auch eng bei der Bekämpfung der
Kurden zusammen; bei der israelischen Invasion des Libanon im Jahre
1982 wurden beispielsweise elf PKK-Kämpfer gefangengenommen. Zwar
wurden sie nicht von türkischen Agenten verhört, doch ist es
wahrscheinlich, daß Dokumente und anderes bei ihnen gefundenes
Material an die Türkei weitergegeben wurde. Erst in den 90er Jahren,
als der Krieg der PKK an Intensität zunahm, wollte die Türkei
zunehmend von der israelischen Expertise profitieren.

In den 90er Jahren wurden dann auch Kontakte zwischen Militärs,
Geheimdienstlern, Diplomaten und Politikern beider Länder
intensiviert. Anläßlich eines Israel-Besuchs im November 1993 betonte
der damalige türkische Außenminister Hikmet Çetin, daß es Ziel seiner
Reise sei, die Unterstützung Israels im Kampf gegen die PKK zu
gewinnen (4) und das mit Erfolg: Der israelische Präsident Ezer
Weizman wiederum erklärte zwei Monate später bei seinem Gegenbesuch,
daß Israel die Türkei bei der Terrorismusbekämpfung durch die
Ausbildung türkischer Experten, sowie durch Informationsaustausch und
durch eine enge Zusammenarbeit der Geheimdienste beider Länder
unterstützen werden. Im November 1994, vor dem Hintergrund eines
Israelbesuchs der damaligen türkischen Premierministerin Tansu
Çiller, reiste dann Agenturberichten zufolge eine 50-köpfige
Delegation von israelischen Militärexperten in die Türkei, um die
türkische Armee im Kampf gegen die kurdische Guerilla - später auch
im Nordirak - zu beraten. (5) Im Jahre 1994 lieferte dann die
israelische Firma Tamam Precision Instruments der türkischen Armee
Nachtsichtgeräte für Cobra Helikopter im Werte von 11,6 Mio.
US-Dollar 6, (6) die bei Angriffen auf Dörfer in der Region Dersim
eingesetzt wurden.

Der türkisch-israelische Militärvertrag von 1996 (7) ermöglicht es
israelischen Piloten, in der Türkei auf einem NATO-Übungsgelände
Trainingsflüge durchzuführen. Israelische Aufklärungsflugzeuge können
von der in der Region Konya gelegenen NATO-Basis aus bis zur
iranischen Grenze fliegen und den iranischen Luftraum beobachten. In
dem Militärvertrag wurde aber auch ein Rüstungstransfer vereinbart,
u.a. auch die gemeinsame Produktion von Zubehör für M-60-Panzer.
Durch weitere Verträge in den Jahren 1996 und 1997 wurde die
israelisch-türkische Zusammenarbeit weiter verfestigt, und Netanyahu
bekräftigte 1997 gegenüber dem türkischen Journalisten Mehmet Ali
Brand, daß Israel die Türkei weiterhin im Kampf gegen die PKK
unterstützen werde. (8)

Am 26. November 1996 brachte der Autounfall von Sursuluk, bei dem ein
hoher Polizeioffizier und der international gesuchte rechtsradikale
Killer A. Çatli ums Leben kamen und der DYP-Abgeordnete E. Bucak
schwer verletz wurde, die Verbindungen zwischen Sicherheitskräften,
Rechtsradikalen, hohen Politikern und der Mafla ans Tageslicht. In
dem sogenannten Susurluk-Bericht, der im Januar 1998 vorgelegt wurde,
findet auch die Israel-Connection Erwähnung. (9) So wurde, dem
Bericht zufolge, von türkischen Agenten in England die Firma Hospro
gegründet, die allein 1994 Waffen für mehr als zwei Millione
US-Dollar in Israel kaufte. Diese Waffen wurden von paramilitärischen
Einheiten für Morde an kurdischen Zivilisten benutzt, so auch bei
einem versuchten Mordanschlag auf Öcalan im Jahre 1995; bei dieser im
Libanon durchgeführten Operation wurden Waffen verwendet, die von der
Hospro gekauft worden waren? (10)

Über die Frage, ob der Mossad bei der Entführung Öcalans aus Nairobi
beteiligt war, ist viel spekuliert worden. (11) Das Flugzeug, das
Öcalan in die Türkei brachte, mußte zwischenlanden. Geschah dies in
Israel? Der Chef des Mossad jedenfalls hat eine Beteiligung seiner
Organisation an der Entführung Öcalans dementiert: Dies war das erste
Dementi in der Geschichte des Mossad.


Selahattin Çelik, Journalist, Publizist.
Übersetzung aus dem Türkischen: Reinhard Fischer

Anmerkungen:

(1) S. Savasman: 3. Adam anlatiyor. MIT-CIA iliskileri. (Der dritte
Mann erzählt. Die Beziehungen zwischen dem MIT und der CIA), Güney
yayincilik, S. 11-15.

(2) Faik Bulut in Özgür Ülke vom 10. November 1994.

(3) Nach: Talat Turhan: Doruk Operasyonu. Istanbul 1989. S 149.

(4) Jerusalem Post, 16. November 1993.

(5) AFP, 17. März 1995.

(6) International Defense Review, Mai 1995.

(7) Als erster türkischer Generalstabschef besuchte Ismail Hakki
Karadayi Israel im Februar 1997. Siehe Robert Olson, Israel and
Turkey - consolidation relations, MEI, 4.4.1997. Präsident Süleyman
Demirel, Generalstabschef Karadayi und Verteidigungsminister Turhan
Tayan besuchten Israel im April 1997.

(8) Sabah, 26. Mai 1997. Die Türkei soll auch bestrebt sein, Israels
Frühwarnsystem "Propine" und die streng geheime "Wall" Anti-
Raketentechnologie zu erhalten (The Independent, Jerusalem draws in
the Turks to spy on Arab foes, 24. Februar 1999).

(9) Kutlu Savas, Susurluk Raporu, 1998. Deutsche Fassung S. 11-13

(10) Fikret Saklar, Emin Özgünün: Kod adi Susurluk, Istanbul 1998, S.
92-93.

(11) FAZ, 19. März 1999.

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