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KR: Hinrichtungsjournalismus in Jungle World

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Maurice Merlin

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Dec 13, 1999, 3:00:00 AM12/13/99
to
Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 25, Jg. 12, 15.12.1999


_Hinrichtungsjournalismus in "jungle world"_

Die Zeitschrift "jungle world" hat in ihrer Ausgabe vom 17. November
einen Artikel eines gewissen "Dirk Hempel" veröffentlicht. Der Artikel
ist ein besonders starkes Stück von durchgeknalltem
Hinrichtungsjournalismus.

Überschrieben mit "Notwehr" kommentiert dieser Dirk Hempel darin die
Todesschüsse im israelischen Generalkonsulat und polemisiert indirekt
gegen den Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, also
gegen SPD, Grüne und PDS. Und zwar so: "Wer sich von einer Person
bedroht sieht, der darf sie zur Not erschiessen und geht dabei
straffrei aus. Nett ist das nicht, aber so regelt es das Gesetz.
Notwehr nennt sich das dann." Nach diesem Einstieg schenken wir uns
den Mittelteil, wo der Verfasser seine Sicht der kurdischen Aktion vor
dem Generalkonsulat noch einmal zum besten gibt, bis auf die Stelle,
wo nach seinem Weltbild ins "deutsche Klischee" gehört, dass "Juden"
entweder "feige" abhauen oder "... sich wie die Lämmer zur
Schlachtbank führen" lassen.

Nun ist der Vergleich zwischen einer kurdischen Protestaktion vor dem
Konsulat und den nazistischen Schlachtbanken schon abstossend genug.
Aber erst das "Finale" des Aufsatzes! Hier verkündet der Autor im Ton
eines Scharfrichters: "Wenn also die Deutschen das Gebäude vor den
Angriffen nicht schützen können oder wollen, tun es die Israelis eben
selbst - und zwar so, wie sie es für richtig halten. Die deutsche
Polizei, die deutsche Justiz und deutsche Politiker haben dann nichts
mehr mitzureden. Und das ist gut so."

Soweit der Kommentator, der selbstredend mitquatscht, wo andere
angeblich schweigen sollen.

Nun kann mensch über Konsulatsbesetzungen sicher verschiedener Meinung
sein. In der Regel sind solche Aktionen lebensgefährlich, sollten
unterbleiben und sind in ihrem konkreten Verlauf, nicht erst seit dem
kurdischen Protest vor dem israelischen Generalkonsulat, oft furchtbar
und opferreich.

Aber davon soll hier nicht geredet werden. Worüber zu reden ist, ist
der Zynismus, den der Kommentator der "jungle world" gegenüber vier
toten Kurdinnen und Kurden an den Tag legt. Menschen, die unbewaffnet
waren und in den Rücken und in den Kopf geschossen wurden. Menschen,
deren Verfolgung im Mittleren Osten wie hierzulande durch Polizei,
Justiz, Asyl- und andere Behörden sattsam bekannt ist. Deren
Verzweiflung und Not nach der Entführung Öcalans für jeden, der auch
nur einen Funken Mitgefühl hat, bekannt sein muss.

Wie kann es angehen, dass ein Mensch, der meint, er sei "aufgeklärt",
und der als Gegner von Antisemitismus daherkommt, in einen
Hinrichtungsjargon verfällt, der sonst nur aus "BILD" und noch viel
weiter rechts stehenden Revolverblättern bekannt ist?

"Wer sich von einer Person bedroht sieht, der darf sie zur Not
erschiessen", behauptet dieser furchtbare Deutsche. In welch
grauenhaftem deutschen Rechtskommentar hat er das gelesen? Wenn auch
nur ein Schimmer davon zuträfe, würden Woche für Woche allein in
Berliner Kneipen und U-Bahnen vermutlich hunderte von Menschen
erschossen, ganz zu schweigen von Fussballstadien.

Mag sein, dass irgendwelche Italo-Western, wo vermeintlich
heldenhafte, zumeist bärtige und in der Regel sturzbetrunkene Männer
"Recht und Ordnung" schaffen und Menschen abknallen wie Vieh, dem
Autor das Hirn vernebelt haben. Aber auch die Redaktion von "jungle
world" hat an solchem Müll anscheinend nichts auszusetzen. Sonst hätte
sie dieses Machwerk nicht gedruckt. Schon mal was von Herrenmenschen
und Untermenschen gehört, ihr Leute von der "jungle world"?

Gegen kurdische Untermenschen ist, geht es nach manchen deutschen
Herrenmenschen, offenbar alles erlaubt. (rül)


--------------------------------------------- V.i.S.d.P.: R. Lötzer --
Der Kurdistan-Rundbrief erscheint 14-täglich im GNN-Verlag, PF 200 639,
D-13516 Berlin, Fon: (030) 24 009-468, Fax: (030) 24 009-469, Email:
Reda...@kurdistan-rundbrief.de, Internet: www.kurdistan-rundbrief.de

Luko Willms

unread,
Dec 13, 1999, 3:00:00 AM12/13/99
to
Am 12.12.99
schrieb m.me...@tbx.berlinet.de (Maurice Merlin)
bei /CL/ANTIFA/ALLGEMEIN
in 7UlZd...@tbx-m.merlin.tbx.berlinet.de
ueber KR: Hinrichtungsjournalismus in Jungle World

MM> Aber auch die Redaktion von "jungle
MM> world" hat an solchem Müll anscheinend nichts auszusetzen. Sonst hätte
MM> sie dieses Machwerk nicht gedruckt. Schon mal was von Herrenmenschen
MM> und Untermenschen gehört, ihr Leute von der "jungle world"?
MM>
MM> Gegen kurdische Untermenschen ist, geht es nach manchen deutschen
MM> Herrenmenschen, offenbar alles erlaubt. (rül)

Die "jungle world" ist eben ein elitäres Scheißblatt für
Herrenmenschen. Spätestens jetzt sollte es allen klar sein.

MfG,
Lüko Willms
/--------- L.WI...@LINK-F.frankfurt.org -- Alle Rechte vorbehalten --

"Das Volk, das ein anderes Volk unterjocht, schmiedet seine eigenen
Ketten." - Karl Marx (1. Januar 1870)

dr

unread,
Dec 14, 1999, 3:00:00 AM12/14/99
to
>(...) Nun kann mensch über Konsulatsbesetzungen sicher >verschiedener

Meinung sein. In der Regel sind solche Aktionen >lebensgefährlich, sollten
unterbleiben und sind in ihrem konkreten >Verlauf, nicht erst seit dem
kurdischen Protest vor dem israelischen >Generalkonsulat, oft furchtbar und
opferreich. (...)

Du hast Recht, wenn Du meinst, dass mit der Besetzung einer Botschaft ein
enormes Risiko für die AktivistInnen verbunden ist. Trotzdem halte ich
Besetzungen in manchen Situationen für ein adequates politisches Mittel.
Wenn sich Leute dafür bereitfinden ihr Leben zu riskieren um etwas politisch
richtiges zu tun haben sie meine uneingeschränkte Bewunderung.

Maurice Merlin

unread,
Dec 16, 1999, 3:00:00 AM12/16/99
to
diete...@chello.at (dr) schrieb am 14.12.99:

>Du hast Recht, wenn Du meinst, dass mit der Besetzung einer Botschaft ein
>enormes Risiko für die AktivistInnen verbunden ist. Trotzdem halte ich
>Besetzungen in manchen Situationen für ein adequates politisches Mittel.

Wenn ich mir die Protestgeschichte der KurdInnen in der BRD so
ansehe, dann folgten solchen und ähnlichen Aktionen doch immer jede
Menge teurer Prozesse, Geld-, Bewährungs- und Gefängnistrafen sowie
Abschiebungen - zudem hatten sie noch eine schlechte Presse. Die
Aktion Anfang 1999 vor dem israelischen Generalkonsulat kostete dazu
vier Tote und viele durch Schüsse Verletzte; die Aktionen 1993
kosteten die KurdInnen das Verbot der PKK und anderer ihrer
Organsationen in BRD. Da müssen sich die AktivistInnen dann schon
fragen und fragen lassen, ob sich das denn gelohnt hat oder ob diese
Aktionen nicht eher kontraproduktiv, also gegen ihr eigentliches
Anliegen, gewirkt haben.

Ich denke, daß es doch möglich sein muß, Aktionsformen zu finden und
Aktionen zu planen, die vielleicht weniger spektakulär sind, die aber
auch Aufsehen erregen und die vor allem in der Lage sind, in
Bevölkerung und Medien Sympathien für die kurdische Sache zu wecken
und zu stärken - deren "Kosten" aber geringer sind. Natürlich müssen
auch diese den Staat unter Druck setzen.

Gruß, Maurice

Hans-H.Hirschelmann

unread,
Dec 16, 1999, 3:00:00 AM12/16/99
to
*Hallo,*
dr äußerte sich am 14.12.99 um 20:04
in /CL/ANTIFA/DISKUSSION unter dem Betreff
"Re: Hinrichtungsjournalismus in Jungle World"

> Du hast Recht, wenn Du meinst, dass mit der Besetzung einer
> Botschaft ein enormes Risiko für die AktivistInnen verbunden ist.
> Trotzdem halte ich Besetzungen in manchen Situationen für ein

> adequates politisches Mittel. Wenn sich Leute dafür bereitfinden


> ihr Leben zu riskieren um etwas politisch richtiges zu tun haben
> sie meine uneingeschränkte Bewunderung.

Ob sich die 18 jährige Kurdin, die durch eine in ihren Rücken
geschossene Kugel starb, der Lebensgefahr ihres Einsatzes bewußt
war? Das PKK Gremium, das die Besetzung auf die israelische
Botschaft beschloss, muss sich aber darüer im klaren gewesen
sein und sie tragen daher eine schwere Mitschuld. Statt
Heldenverehrung wäre scharfe Kritik an der PKK angebracht. Dass
das Vorgehen (die Mordaktion) der Sicherheitskräfte ein
ziemlicher Hammer sind, steht dabei außer Frage.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Hermann Hirschelmann

dr

unread,
Dec 18, 1999, 3:00:00 AM12/18/99
to
>Ob sich die 18 jährige Kurdin, die durch eine in ihren Rücken
>geschossene Kugel starb, der Lebensgefahr ihres Einsatzes >bewußt war?
>Das PKK Gremium, das die Besetzung auf die israelische
>Botschaft beschloss, muss sich aber darüer im klaren gewesen
>sein und sie tragen daher eine schwere Mitschuld. Statt
>Heldenverehrung wäre scharfe Kritik an der PKK angebracht. Dass
>das Vorgehen (die Mordaktion) der Sicherheitskräfte ein
>ziemlicher Hammer sind, steht dabei außer Frage.

Das bei diesen Aktionen wenig Demokratie im Spiel war zeigt schon die
Tatsache, dass die Besetzungen nur wenige Stunden nach bekanntwerden der
Verhaftung und in mehreren Städten, mitten in der Nacht durchgeführt wurden.
Aber die PKK ist eben eine nach alter Stalo-Manier organisierte Partei ...

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