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Boykottiert "Heiter bis Wolkig"

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Jun 14, 1994, 7:00:00 PM6/14/94
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*Wetterumschwung: Nicht mehr Heiter nur noch Wolkig.*
*Mit heftigen Niederschlägen ist zu rechnen.*
*Zum BOYKOTT von HbW*

Am 02.02.1994 spielte "Heiter bis Wolkig" (HbW) auf einer Veranstaltung
in der Paderborner Uni. In der Nacht wurde eine Frau aus unseren
Zusammenhängen von Michael, einem Mitglied der HbW-Kabarettgruppe
vergewaltigt.
Am 29.04.94 sind wir zu einem Auftritt von HbW nach Bielefeld gefahren.
Michael wurde nach dem Konzert von zwei Frauen unserer Gruppe
aufgefordert, innerhalb von HbW, d.h. allen, die mit ihm auf Tour sind,
klarzustellen, daß er ein Vergewaltiger ist. Hierzu wurde ihn eine Stunde
Zeit gegeben. Nach Ablauf dieser Frist war von uns vereinbart, ein Papier
an den Tourbus von HbW anzubringen, in dem noch einmal mitgeteilt werden
sollte, daß HbW mit einem Vergewaltiger auf Tour ist und daß wir von
ihnen ihre öffentliche Stellungnahme dazu anfordern. An dem Tourbus
trafen wir wider Erwarten auf einige Mitglieder von HbW.
Wir erfuhren dort, daß Michael seine Gruppe informiert hatte. Er hatte in
seiner Schilderung jedoch versucht, die Vergewaltigung dahingehend
abzumildern, daß sich innerhalb von HbW eine Debatte - wie solle es auch
anders sein - über "sexuellen Mißbrauch" oder "tatsächlicher
Vergewaltigung" entfachte.
Vor Ort kam es zu einer kurzen Diskussion, in der wir unsere Forderungen
einbrachten, daß sich HbW innerhalb von 14 Tagen - also bis zum 13.05.94
- öffentlich zu verhalten hat.
Diese Forderung ging zusätzlich am Mittwoch, den 04.05.94 schriftlich im
Büro von HbW ein.

*Öffentlichmachung von Vergewaltigern und Umgang mit Michael*

Das Öffentlichmachen von Vergewaltigern zieht die Täter aus ihrem
privaten Schutzraum.
Vergewaltigungen sind systematische Unterdrückungsformen gegen Frauen und
Mädchen, die sich von anderen Straftaten dahingehend unterscheiden, daß
sie in einem scheinbar privaten Bereich stattfinden. Entgegen der
öffentlichen Meinung ist Vergewaltigung ein Übergriff, der hauptsächlich
im Freundeskreis, Bekanntenkreis und Ehe stattfindet. Der im Busch
lauernde böse Mann ist in der Realität die Ausnahme, nicht die Regel.
Es ist jedoch nicht etwa zufällig, daß in der öffentlichen Meinung das
Bild des bösen unbekannten Mannes dominiert.
Dieses Bild impliziert eine Drohung, die Frauen und Mädchen den Zugang zu
vielen öffentlichen Räumen und Veranstaltungsmöglichkeiten verwehren
soll. Vermittelt wird diese Drohung schon in früher Kindheit durch
Ratschläge wie "Geh nicht nachts durch den Park, geh nicht mit fremden
Männern mit, trag keine aufreizende Kleidung, sprich nicht mit Fremden ..."
Uns ist bewußt, daß die alltägliche anonyme Bedrohung von Männergewalt
gegen Frauen und Mädchen besteht. Nichts desto trotz ist in den meisten
Fällen der Täter Ehemann, Freund, Bekannter, Vater, etc.. Diese Tatsache
erschwert es Frauen und Mädchen ungemein, sich gegen ihre Vergewaltiger
zu Wehr zu setzen. Wenn Frauen sich konsequent zur Wehr setzen, riskieren
sie unter Umständen den Verlust von sozialen, ökonomischen, emotionalen
und familiären Hintergründen.
Dadurch, daß in diesen privaten Räumen ein sexueller Angriff auf
Frauen/Mädchen nicht als Vergewaltigung, sondern als ein "legitimer
Zugriff" angesehen wird, wirken diese Frauen/Mädchen innerhalb ihres
FreundInnenkreises oftmals unglaubwürdig.
Hinzu kommt, das Frauen und Mädchen aufgrund ihrer Sozialisation häufig
Schwierigkeiten haben, "das, was ihnen passiert ist", als Vergewaltigung
zu benennen. Deshalb ist es wichtig, jeden sexuellen Angriff, sei es
durch massive Gewalt oder unter emotionalen Druck als Vergewaltigung zu
benennen und damit öffentlich umzugehen.
In unseren linksradikalen Zusammenhängen werden patriarchale Strukturen
offiziell abgelehnt. Was nicht heißt, daß diese Strukturen nicht
existieren. (nur eine Beispiel von vielen: Michael von HbW)
Wenn Frauen sich in diesen Zusammenhängen weiter bewegen wollen, ist es
notwendig, daß mit Vergewaltigung politisch umgegangen wird, d.h. als
erstes, daß sie öffentlich gemacht werden müssen.
> Unsere Forderung ist:
*Ausschluß von Vergewaltigern aus unseren Zusammenhängen.*
Nur wenn für alle Männer klar ist, daß das der Umgang mit
Vergewaltigerist, kann eine soziale Kontrolle greifen.
Soziale Kontrolle heißt, Vergewaltigung zu sanktionieren:
Solidarität, Mithilfe verweigern, rausschmeißen, nicht mit reden, kurz
ihnen ihre soziale Basis entziehen.
*Im Fall Michael heiß das konkret:*
*Ausschluß von HbW, sowie aus allen Szenezusammenhängen.*
Viele mögen die hier dargestellten Zusammenhänge bekannt sein, wir führen
sie trotzdem so genau wie möglich aus, weil wir wollen, daß unsere
Forderungen nicht nur für Szenezusammenhänge, sondern auch für eine
breitere Öffentlichkeit verständlich sind.

*Umgang mit "Heiter bis Wolkig"*

Wir hatten HbW aufgefordert, bis zum 13.05.94 eine inhaltliche
Stellungnahme an uns zu schicken, in der sie sich zu der Tatsache, daß
sie mit einem Vergewaltiger auf der Bühne stehen, verhalten sollen. Die
inhaltliche Stellungnahme ist nicht erfolgt. Statt dessen schickte HbW
eine "ausgewählte, möglichst nüchterne Darstellung der Ereignisse der
letzten Zeit".
In diesem Papier stellen sie die Vergewaltigung in eine Reihe von
Sabotageakten gegen HbW, das heißt: HbW versucht, den Eindruck zu
erwecken, daß der "Vorwurf der Vergewaltigung" eine weitere Intrige gegen
sie darstellt. Anders ausgedrückt, sie relativieren die Vergewaltigung
und stilisieren sich selbst zu "Opfern". Eine explizit inhaltliche
Stellungnahme findet nicht statt.
Diese Einschätzung wird bestätigt durch das Papier eines Ex-HbWlers, das
uns in der Zwischenzeit zugesandt wurde: HbW's sogenannte Stellungnahme
verdanken wir ihrem taktischen Kalkül. Ihrer Überzeugung nach ist die
Vergewaltigung eine Privatsache zwischen Michael und der Frau. Die
Forderung an HbW, sich öffentlich zu den Vorgängen zu verhalten, wurde
als Unverschämtheit empfunden, der gesamte "Vergewaltigungs-Komplex" als
äußerst lästige Angelegenheit.
Höhepunkt ihrer Verhaltensweise ist, den Vergewaltiger lediglich zu
beurlauben. Deshalb gilt für uns: Boykottiert HbW!
Michael muß raus aus allen politischen Zusammenhängen!

gez. "Autonome Frauen/LesbenGruppe Paderborn"

========================= schnipp schnapp ==============================

Als Nachtrag zur erwähnten "Darstellung der Ereignisse", in der am Ende
zynisch geschrieben steht: "Lacht kaputt, was Euch kaputt macht!",
veröffentlichte HbW am 2.6.94 eine kurze lapidare "Erklärung", in der zu
lesen ist:
>"Niemand in der Band und Tourneecrew hat nach detaillierter Kenntnis des
>diesem Mitglied vorgeworfenen Vorfalls und nach langer Diskussion noch
>irgendwelche Probleme, wieder gemeinsam aufzutreten. Für Heiter bis
>Wolkig ist das angegriffene Gruppenmitglied kein Vergewaltiger.

>Davon sind wir überzeugt.

>Wir gehen weiter auf Tournee.

>Dies ist unsere letzte Stellungnahme zum Thema."

Doch wie auch im ersten Papier von HbW fehlt auch bei diesem jegliche
inhaltliche und vor allem öffentliche Auseinandersetzung mit der
Vergewaltigung des nun nicht mehr beurlaubten HbWlers Michael. In
absoluter Arroganz scheint HbW über jegliche Kritik erhaben zu sein.
Da muß mensch einfach dem Ex-HbWler Wolli voll und ganz zustimmen wenn er
schreibt, daß "der Schein", den HbW auf der Bühne teilweise ausstrahlte,
"und das Sein in eine nicht vertretbaren Art und Weise auseinanderlaufen.

Die Forderung nach dem BOYKOTT VON "Heiter bis Wolkig" kann nach dieser
"letzten Stellungnahme" eigentlich nur noch mal bekräftigt werden.

"Wer von Antifaschismus redte, sollte vom Antisexismus nicht schweigen"

## CrossPoint v3.02 ##

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