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widerstand gegen rechts-rechtsextrem-koalition in wien

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TATblatt

unread,
Feb 6, 2000, 3:00:00 AM2/6/00
to
aufruhr, widerstand ...
gegen die rechts-rechtsextrem-koalition von fpö und övp

artikel aus TATblatt +131, gegenüber der print-ausgabe aber stark
erweitert und aktualisiert!

TATblatt
Am Dienstag, den 1. Februar drangen um ca. 10 Uhr rund zehn
AntirassistInnen in die ÖVP-Parteizentrale in
der Wiener Lichtenfelsgasse ein und dort bis aufs Dach vor, besetzten
ein Dachbüro und versahen die
Balustrade mit Transparenten. Gleichzeitig begannen rund 30 weitere
AktivistInnen vor dem Eingang der
Parteizentrale eine Kundgebung. Die Alarmabteilung der Sicherheitswache
war zwar rasch zur Stelle, zog sich
aber bald wieder weitgehend zurück. Bilder von einem Polizeieinsatz
gegen AntifaschistInnen in ihren
Räumlichkeiten wollte die in ihrem internationalen Image etwas
angeschlagene Partei offenbar doch nicht um
die Welt gehen wissen.

Bei Redaktionsschluss dauerten Besetzung und Kundgebung noch an. Sie
sollen, so die BesetzerInnen,
fortgesetzt werden, bis die ÖVP ihre Koalitionspläne mit der FPÖ
aufgibt. Möglicherweise wurden die Aktionen
aber bereits beendet, als am Mittwoch, den 2. Februar um 17 Uhr eine
Demonstration von dort zur
Präsidentschaftskanzlei wegzog, zu der die OrganisatorInnen der
"Keine-Koalition-mit-dem-Rassismus"-Demo
vom 12. November aufgerufen hatten. (tschuldigung, aber wir hatten
Dienstag abend Redaktionsschluss und
können daher diesbezüglich leider nur spekulieren).

200 Leute demonstrierten Dienstag Abend während der gemeinsamen
Pressekonferenz von Haider und
Schüssel vor dem Parlament in Wien. Anschließend zogen auch sie zur
ÖVP-Zentrale. Noch bis 1 Uhr früh
blockierten die DemonstrantInnen Straßenkreuzungen abwechselnd anm Ring
und auf der so genannten
2er-Linie. Für die kommenden Stunden und Tage sind weitere Aktionen
geplant. ...

ERWEITERUNG UND AKTUALISIERUNG:

Die Protestaktionen gehen weiter und nehmen an intensität immens zu!

Mittwoch, 2. Februar

Die Besetzung der ÖVP-Zentrale wurde um ca. 17 Uhr beendet, während sich
die TeilnehmerInnen zu der von
der Plattform "Keine Koalition mit dem Rassismus" organisierten
Demonstration sammelten. Die Demo zog
zum Ballhausplatz (Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei).

Nach der offiziellen Abschluss-Kundgebung, an der zwischen 20.000 und
30.000 Personen teilnahmen, zogen
noch mehrere tausend Leute zum Parlament und dann weiter über die
Zentralen von ÖVP in der
Lichtenfelsgasse und FPÖ in der Kärntnerstraße kreuz und quer durch die
Innenstadt. Vor dem Parlament
wurde das Denkmal der Pallas Athene von unzähligen Leuten besetzt und
mit Transparenten und Fahnen
geschmückt. Ein Vorgang der zum Fixpunkt für alle Demonstrationen auch
der folgenden Tage werden sollte.
Die Polizei beschränkte sich auf den Versuch, den Autoverkehr
umzuleiten, was ihr aber aufgrund der
spontanen Richtungsänderungen nicht wirklich gelang. Immer wieder
gerieten unzählige Autos in die zumeist
gegen die Fahrtrichtung demonstrierenden Leute. Viele AutofahrerInnen
drückten durch rhythmisches Hupen
ihre Unterstützung der Demonstration aus. Menschen winkten aus ihren
Wohnungen, schwenkten überwiegend
rote Kleidungsstücke aus den Fenstern, strömten aus Lokalen, klatschten
und schlossen sich oft auch der
Demonstration an. Gegen 1.00 Uhr früh löste sich die Demonstration auf.
Für den nächsten Tag wurde
aufgerufen, sich um 17 Uhr vor der ÖVP-Zentrale zum "Alarmtrommeln gegen
Rassismus" zu sammeln und
Lärminstrumente mitzubringen-

Donnerstag, 3. Februar

Rund 5.000 Leute sammelten sich um 17 Uhr vor der ÖVP-Zentrale und
erzeugten ohrenbetäubenden Lärm.
Unzählige Eier und Farbbeutel flogen gegen die Parteizentrale.
Anschließend wurde neuerlich bis etwa
Mitternacht lärmend durch die Stadt gezogen. Fixpunkte waren die
Zentralen von ÖVP und FPÖ, der
Ballhausplatz und das Parlament. Es wurde aber auch durch angrenzende
Wohnbezirke und über den am
Rathausplatz errichteten Eislaufplatz gezogen. Zahlreiche Menschen in
Autos, Wohnungen und Lokalen
drückten neuerlich ihre Unterstützung aus. Die Polizei verhielt sich
immer noch zurückhaltend und versuchte,
den Verkehr zu regeln.

Höhepunkt des Abends war, als um ca. 22 Uhr Teile der Demonstration, an
die 500 Leute, ins Burgtheater
demonstrierten und - ohne Probleme! - bis auf die Bühne vordrangen. Dort
wurde lautstark der Protest gegen
die rechtsextreme Regierung vorgetragen und das Publikum aufgerufen,
sich an den Protesten zu beteiligen.
Einige wenige TheaterbesucherInnen verließen das Theater. Größtteils gab
es aber Applaus, und mitunter gar
standing ovations (!!!)

Wenig später wurde in das Nobelhotel Imperial eingedrungen und auch dort
protestiert.

Um 24.00 Uhr gab es bei der FPÖ-Zentrale in der Kärntnerstraße die erste
vorübergehende Festnahme.

Freitag, 4. Februar

Für Freitag 12.00 war die Angelobung der neuen Regierung angesetzt
worden. Bereits um 10.30 begann beim
Ballhausplatz eine bereits länger geplante, von
FrauenLesben-Organisationen organisierte Kundgebung gegen
die massiv frauenfeindlichen Ankündigungen der designierten Regierung.
Um 12 Uhr waren bereits rund
10.000 Menschen aller Geschlechter anwesend, um gegen die Angelobung zu
protestieren. Der Ballhausplatz
selbst war abgeriegelt worden. Dennoch zogen die neuen
Regierungsmitglieder vor, durch unterirdische
Geheimgänge zur Angelobung zu gehen. Es war extrem laut. Gegen die
Präsidentschaftskanzlei flogen
pausenlos Knallkörper, Eier, Farbbeutel, faules Obst und der eine oder
andere feste Gegenstand.

Nach einigen Stunden setzten sich an die 5.000 Menschen in Bewegung und
demonstrierten die Ringstraße
entlang. Beim nun in FPÖ-Hand befindlichen Sozialministerium angelangt,
wurde versucht, in das Ministerium
zu stürmen. Eine vom Portier eilig zugeschlagene Stahlgittertür hielt
den Druck der Massen nicht stand, und so
gelang es tatsächlich einigen hundert Menschen in das Gebäude
einzudringen und mehrere Büros zu besetzen.
Einige MinisterialbeamtInnen begrüßten die BesetzerInnen mit freudigem
Beifall und wiesen den Weg in jenes
Zimmer, von welchem der Balkon betreten - und mit Fahnen und
Transparenten geschmückt - werden konnte.

Mehrere Hundertschaften der Polizei in Kampfausrüstung waren binnen
weniger Minuten am Ort des
Geschehens und drängten und prügelten die Leute, die noch ins
Ministerium strömen wollten, zurück. Ein Teil
der DemonstrantInnen vor dem Ministerium - vorwiegend die Blöcke rund um
sozialdemokratische
Organisationen und von SP-nahen GewerkschafterInnen - distanzierte sich
und zog weiter.

Einige der BesetzerInnen zog es angesichts der großen Polizeipräsenz
vor, das Gebäude freiwillig zu
verlassen und ernteten dafür beim Hinausgehen teilweise Polizeiprügel.
Die BesetzerInnen des Balkonzimmers
wollten länger bleiben, entschlossen sich aber, nachdem sie das
Verlassen des Gebäudes durch die anderen
mitbekommen haben, auch zu gehen. Mittlerweile waren die Ausgänge aber
von der Polizei dichtgemacht
worden. Auf der Straße wurden unterdessen die Polizeisperren mit allem,
was so in der Gegend herumlag,
beworfen. Dem einen oder anderen Polizeifahrzeug in der Gegend ging die
Luft aus, zumindest aus den
Reifen. Andere DemonstrantInnen versuchten mit den Behörden zu
verhandeln und vereinbarten, dass die
BesetzerInnen das Ministerium verlassen, wenn die Polizei dies friedlich
und ohne Personalienaufnahme
ermöglichen sollte. Dieses Ergebnis wurde sowohl von den BesetzerInnen
als auch der Polizei akzeptiert. Die
BesetzerInnen des Balkonzimmers verließen unbeschadet das Gebäude.

Dennoch wurden drei Frauen aus einem anderen Zimmer, von den meisten
anderen erst unbemerkt, von der
Polizei festgehalten. Nach etwa einer Stunde gelang es aber, auch deren
Freilassung durchzusetzen.

Anschließend zog die Demo weiter und machte sich auf die Suche nach der
anderen. Am Ballhausplatz kamen
die beiden Fraktionen schließlich wieder zusammen. Von dort wurde dann
vereint weitergezogen.

Einige wenige DemonstrantInnen blieben allerdings am Ballhausplatz
zurück, wo es, nachdem einige ein
Lagerfeuer angemacht haben, zu einem Prügeleinsatz der Polizei gegen die
relativ kleine Gruppe gekommen
ist.

Der Hauptteil der Demonstration zog in bereits gewohnter Weise durch die
Stadt, zu den Parteizentralen, durch
Wohngegenden etc.

Beim Schubgefängnis in der Rossauer Lände kam es zu einem ziemlich
unerwarteten und möglicherweise
auch nicht wirklich geplanten Polizeieinsatz - die Polizei hatte später
verlautbart, dass einige Beamten auf
eigene Faust agiert haben sollen. Mitten im von der Demo verursachten
Verkehrsstau, also quer durch die
stauenden Autos machte die Polizei plötzlich knapp vor der ersten
Demoreihe einen Keil und schlug mit
Schlagstöcken auf die DemonstrantInnen ein. Massive Gegenwehr mit
Knallkörpern und Steinen war die Folge.
Die Polizei wich nach einigen Minuten zurück, beschränkte sich darauf,
die Eingänge des Schubgefängnisses
zu sichern und ließ die Demo dann doch passieren.

Unterdessen kündigten der neue Bundeskanzler Schüssel und die Polizei
öffentlich an, fortan massiv gegen die
DemonstrantInnen vorzugehen.

Vermutlich wurde bereits für ca. 22.00 eine gewaltsame Auflösung der
Demonstration vorbereitet. Darauf hin
deutet, dass die U-Bahn-Station Karlsplatz - ohne sonst ersichtlichen
Grund - für alle drei dort fahrenden
U-Bahn-Linien gesperrt wurde. Es konnte aber doch noch bis nahe zur
FPÖ-Zentrale gegangen werden. Ein
Weitergehen von dort wurde von der Polizei durch Sperre jener
Seitengasse, durch welche die Demonstration
bisher immer fortgezogen ist, verhindert. Mit allen Mitteln versuchten
die Behörden offensichtlich, die Situation
zu eskalieren - was auch gelang: Immer mehr Gegenstände und Knallkörper
fielen auf die mehrreihige
Polizeisperre.

Mehrmals wurde - vorerst nur begrenzt - in die Demonstration
reingeprügelt und die Leute zurückgedrängt.
Wasserwerfer wurden in Stellung gebracht und schließlich nach 22.30 Uhr
auch eingesetzt. Es war dies der
erste Einsatz von Wasserwerfern in Wien überhaupt. Die neue Regierung
zeigte - gerade mal zehn Stunden
nach ihrer Angelobung - ihr ohnehin nicht wirklich überraschendes
Gesicht. Dass die Wasserwerfer nur über
die Köpfe der Menschen zielten, um sie gerade mal nass zu machen, wie
über bürgerliche Medien verlautet
wurde, ist übrigens unrichtig: das Wasser kam durchaus auch oft genug in
Bauchhöhe.

Gegen 23 Uhr begann der bis dahin massivste Prügeleinsatz. Die Leute
wurden in alle Richtungen
auseinander getrieben. Wer erwischt wurde, wurde zu Boden geworfen, und
bereits am Boden liegend, mit
Gummiknüppel-Schlägen und Fußtritten traktiert. Rund 20 DemonstrantInnen
wurden verletzt. Die Zahl der
Festnahmen ist noch ungewiss.

In den bürgerlichen österreichischen Medien wurden die Ereignisse als
gewalttätige Ausschreitungen der
DemonstrantInnen dargestellt und der Polizeieinsatz gerechtfertigt. Der
Sprecher von SOS-Mitmensch -
Mitglied der Plattform "Keine Koalition mit dem Rassismus" -
distanzierte sich von der Demonstration und
erklärte, dass SOS-Mitmensch die Demonstration am nächsten Tag absage.
Da die Demonstrationen dieser
Tage aber nicht von SOS-Mitmensch organisiert wurden, war dies relativ
bedeutungslos.

Samstag, 5. Februar

Allen Einschüchterungsversuchen der Polizei und Distanzierungen von SOS
zum Trotz nahmen an einer
neuerlichen Demonstration zu Spitzenzeiten bis zu 10.000 Menschen teil.
Um Polizeiprovokationen zu
vermeiden, wurde an den gefährlichen Punkten, vor den Parteizentralen,
rasch weitergezogen. Längere
Zwischenkundgebungen gab es lediglich beim Ballhausplatz und vor dem
Parlament. Mehrmals wurde die
Demonstration über den Gürtel, eine der wichtigsten Straßenverbindungen
Wiens, geführt. Beim Westbahnhof
wurde ein kleiner Umweg durch Bahnhofshallen eingelegt. Gegen 23 Uhr,
als nur mehr rund 3.000 Leute dabei
waren, versuchte die Polizei am Michaelerplatz - ca 15 Demominuten vor
der FPÖ-Zentrale - eine
Auseinandersetzung zu provozieren. Zwei Frauen wurden überraschend
festgenommen,
Alarmabteilungseinheiten liefen quer durch die Demo und schlugen sich
mit ihren Schilden den Weg frei. Dafür,
dass diese Provokation geplant war, spricht, dass Sekunden später ein
Wasserwerfer bereit stand. Es gelang
jedoch, die Demo weiter zu bringen, und der geplanten Provokation
auszuweichen. Anschließend wurde zum
Polizeikommissariat Innere Stadt gegangen, und lautstark die Freilassung
der Gefangenen gefordert. Dort
schien es kurzfristig, dass die Polizei einen Kessel vorbereite. Die
Demonstration konnte aber weiterziehen.

Ihren Abschluss fand die Demonstration wieder vor der FPÖ-Zentrale. Eine
Sitzblockade vor der Polizeisperre
sollte Polizeiprovokationen die Legitimation rauben. Tatsächlich zogen
die Behörden nach und nach ihre Kräfte
etwas zurück. Gegen 3 Uhr früh lösten sich die letzten Reste der
Demonstration auf.

Wir versuchen, diese seite fortan täglich zu aktualisieren!

aktuelle infos, berichte, fotos, termine (mehrmals tägliche
aktualisierung!), mailinglist-infos etc. gibt
es auf der site
http://gegenschwarzblau.cjb.net
http://www.servus.at/kanal/gegenschwarzblau

im raum wien: aktuelle demoberichte mit live-einstiegen und infos über
den aktuellen aufenthaltsort
der demo auf orange 94,0, dem freien radio in wien (terrestrisch auf ukw
94,0 MHz, im telekabel auf
ukw 92,7 MHz)


aus: TATblatt nr. +131 (2/2000) vom 3. februar 2000
(c)TATblatt
alle rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nur in linken, alternativen und ähnlichen
medien ohne weiteres gestattet (belegexemplar erbeten)!
In allen anderen fällen nachdruck nur mit genehmigung der
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