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UZ05: Kein Raum den Faschisten

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UZ-Redaktion

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Feb 1, 2000, 3:00:00 AM2/1/00
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*Antifa-Aktionswoche in Berlin*
>>Kein Raum den Faschisten

Ein erster kleiner Teilerfolg ohne Verschnaufpause am
vergangenen Sonntag in Berlin: Stundenlang mußte FPÖ-
Chef Jörg Haider im Gebäude der Österreichischen
Botschaft sitzen, nachdem klar war, dass ihn die ARD
aufgrund vieler Proteste nicht wie vorgesehen zur
Talkrunde bei Sabine Christiansen halten konnte.

Antifas hatten sich schon auf einen entsprechenden
"Empfang" des hoffähig gewordenen Rechtspopulisten
vorbereitet, konnten dann aber ihre Kräfte anders
disponieren.

Auch so war am Ende einer antifaschistischen
Aktionswoche vom 23. bis 30. Januar die öffentliche
Gegenwehr der Aktivisten und ihrer Verbündeten im
Bild der Hauptstadt deutlich wahrnehmbar. 67 Jahre
nach der Auslieferung der Weimarer Republik an den
deutschen Faschismus bildeten eine
Gedenkveranstaltung und eine Demonstration unter dem
Motto "Kein Raum den Faschisten! - Die
REP-Bundeszentrale muss weg!"
Anknüpfungsmöglichkeiten für potentielle Verbündete.
Teils auf der Straße aktiv, teils öffentlich darauf
Bezug nehmend, reagierten Menschen
unterschiedlichsten Alters bereits am 29. Januar auf
den ungeheuerlichen Zug von rund 700 neonazistischen
Verfechtern eines "nationalen Widerstands" durchs
Brandenburger Tor.

Rund 500 jugendliche Antifaschistinnen suchten sich
dem behördlich durchgesetzten demonstrativen
Aufmarsch der Wehrmachtsverklärer und der Verfechter
eines "freien, unabhängigen Deutschen Reiches" trotz
polizeilicher Abdrängung entgegen zu stellen. Ganz im
Gegensatz zu Passanten, die beim martialischen
Anblick der Glatzen verzweifelt die Hände vors
Gesicht schlugen und auch im Gegensatz zu vielen
Kameraleuten, oft genug nur darauf bedacht,
sensationslüsterne Bedürfnisse zu befriedigen.

An einer weiteren Demonstration von 200 Berliner
Antifas zum ehemaligen Gartenhaus des 1938
enteigneten jüdischen Industriellen Garbaty in Pankow
beteiligte sich am 30. Januar auch eine Abordnung der
Berliner DKP-Bezirksorganisation. Die Organisatoren,
Vertreter eines hauptstädtischen Bündnisses, wollten
damit auf existierende faschistische Strukturen im
Berliner Norden aufmerksam machen, um geschlossener
und effektiver dagegen vorgehen zu können. Zusammen
mit ihnen erhob die Pankower Bezirksbürgermeisterin
Dr. Gisela Grunwald (PDS) ihre Stimme gegen die
verbarrikadierten Mieter des Hauses, in dem
rechtsradikale Aufmärsche und Übergriffe geplant und
organisiert werden.

Erst am Vormittag, nur wenige Kilometer entfernt, war
bei einem Gedenken daran erinnert worden, dass auch
die Grabschändungen auf dem jüdischen Friedhof in
Berlin-Weissensee auf das Konto der vielfach
vernetzten rechtsextremen Parteistrukturen gehen. In
Pankow besteht seit einem Jahr ein breites lokales
Bündnis gegen die Republikaner, die durch die
besondere Sympathie des Vermieters Wolfgang Seifert
ihre Bundes- und Brandenburger Landeszentrale auf dem
Gelände des "arisierten" jüdischen Grundstücks
Garbaty errichteten. Zahlreiche Stimmen von Jung- und
Erstwählern zu den Kommunalwahlen 1999 ermöglichten
ihnen trotzdem den Einzug ins Pankower
Bezirksparlament, wo sie allerdings einer ablehnenden
Front aller anderen Fraktionen gegenüber stehen.

"Wider die Zerstörung der Demokratie - Antifaschismus
an der Schwelle des 21. Jahrhunderts" - dieses Motto
vereinte am Sonntagvormittag im Kino "International"
zwischen einhundert und einhundertfünfzig ältere
Menschen zu einem Gedenken an die Opfer jener
Barbarei, die am 30. Januar 1933 offen begann.
Eingeladen hatten der Interessenverband der
Verfolgten des Naziregimes und der Bund der
Antifaschisten (BdA) in Berlin mit ihren prominenten
Vertretern Franz von Hammerstein, Aktion
Sühnezeichen, Andreas Nachama, Vorsitzender der
Jüdischen Gemeinde Berlin, und Prof. Dr. Heinrich
Fink, Vorsitzender des BdA.

Heinrich Finks flammender Appell gegen die
Gleichgültigkeit, Andreas Nachamas eindringliche
Mahnung, gerade auf junge Menschen ethisch
einzuwirken, die die dunklen Seiten der deutschen
Geschichte nicht miterlebt haben, trafen ebenso auf
offene Ohren wie die gewerkschaftliche Forderung von
Horst Schmitthenner, Zentralvorstand der IG Metall,
anstelle eines verordneten "Endes der Geschichte"
auch die eigene Vergangenheit kritisch aufzuarbeiten
und damit die Bündnisfähigkeit der
unterschiedlichsten linken Kräfte herzustellen. Lange
stand das Bekenntnis der Schülerin Anja Simon
beispielhaft im Raum, die willkürliche Strafanzeigen
gerade gegen junge Demonstranten anprangerte, die
sich dennoch weder beirren noch mutlos machen lassen.

Mit dem großen Brecht-Gedicht "Freiheit and
Democracy" legte die Schauspielerin Käthe Reichel
wieder einmal den Finger mitten in die offene Wunde
des Systems, und auf ihre Weise wusste auch die
Liedermacherin Barbara Thalheim ein wirksames Mittel
gegen Resignation zu vermitteln.

Wilfried Korth

aus *UZ* unsere Zeit, Zeitung der DKP, Nr.05
04. Februar 2000
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