EBI Grundeinkommen

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Christoph Koeble

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Jan 14, 2014, 7:27:22 AM1/14/14
to BGE HN (intern), BGE Heilbronn

Hallo,

anbei eine interessante Zusammenfassung / Analyse von Werner Rätz zur zu Ende gegangenen Unterschriftensammlung für die Europäische Bürgerinitiative fürs Grundeinkommen.

Ich finde, das kann gut auf die Web-Seite der Initiative.
Eure Meinung?

Viele Grüße,
Christoph



---------- Weitergeleitete Nachricht ----------
Von: Werner Rätz <werner...@t-online.de>
Datum: 14. Januar 2014 10:55
Betreff: [Gruppen] EBI Grundeinkommen
An: attac liste Gruppen <gru...@listen.attac.de>


***Antworten entsprechend der Voreinstellung bitte nur an die Liste [gruppen-diskussion] posten!***





Hallo,

Die Europäische Bürgerinitiative bedingungsloses Grundeinkommen ist
abgeschlossen. Das bedeutet eine gute und eine schlechte Nachricht.
Die schlechte ist deutlich weniger bedeutsam wie die gute, deshalb die
zuerst.

http://grundeinkommen-attac.de/index.php?id=1743

Die notwendige Zahl von einer Million Unterschriften wurde verfehlt,
und zwar klar. Nur gut eine viertel Million Menschen haben sich
entschieden, die EBI zu unterstützen. Lediglich vier Länder
(Bulgarien, Slowenien, Kroatien und Belgien) schafften überhaupt das
Quorum, das in sieben Ländern hätte erfüllt sein müssen, damit die
Petition gültig gewesen wäre, und nur in einem Land (Bulgarien) gab es
so viele Unterschriften, wie im Durchschnitt überall nötig gewesen
wären, um die Million zu erreichen.

Besonders enttäuschend sind die Ergebnisse in Österreich und noch mehr
in Deutschland. Beide kommen auf gut die Hälfte des Quorums, was für
Deutschland in absoluten Zahlen weniger als 40 000 Unterschriften
heißt. In beiden Ländern gibt es seit Jahren eine politisch
vielfältige und sehr aktive Grundeinkommensbewegung, beide kennen die
Diskussion darum seit nunmehr etwa 30 Jahren. Schon im Vorfeld war
klar, dass besonders in Deutschland deutlich über dem Durchschnitt
hätte gesammelt werden müssen, damit das Ziel erreichbar wird. Wir
waren in der Attac-AG genug für alle davon ausgegangen, dass die
Zielmarke für Deutschland bei mindestens einer halben Million
UnterzeichnerInnen würde liegen müssen. Das wären also zehnmal so
viele gewesen wie bei der Bundestagspetition von Susanne Wiest 2009.
Damals wurden die Unterschriften in sechs Wochen gesammelt, sodass
eine Verzehnfachung in nicht ganz der zehnfachen Zeit nicht völlig
unerreichbar erschien. Angesichts des Ergebnisses, das noch deutlich
unter der damaligen Zahl liegt, sind Erklärungen gefragt.

Sicher spielen Gründe eine Rolle, die von der Grundeinkommensbewegung
kaum beeinflusst werden können. Da ist als erstes die Konstruktion der
EBI selbst zu nennen. Sie ist ein typisches bürokratisches Konstrukt.
Gewundene Formulierungen und das Verklausulieren des eigentlichen
Anliegens waren Voraussetzung, um von der EU-Kommission die Erlaubnis
zu erhalten, überhaupt an den Start gehen zu dürfen. Zwei Monate lang
funktionierte der Server nicht, auf dem online zu unterschreiben war.
Auch danach blieben technische Probleme der Alltag. Die Papiersammlung
brauchte noch einmal eine eigene Zertifizierung, der Umstand, dass
alle Personalausweisdaten einschließlich aller Vor- und Geburtsnamen
anzugeben waren, behinderte vielfach.

Überhaupt war es für viele Menschen schwer vorstellbar, in Zeiten von
Vorratsdatenspeicherung und NSA ihre kompletten Personaldaten ins Netz
zu stellen.

Und ein Stück weit sind wir Opfer unseres eigenen Erfolges an anderer
Stelle geworden: Die EBI richtet sich an die EU-Kommission, gegen die
als Teil der europäischen Troika wir im Rahmen unserer
Antikrisenarbeit massiv mobilisieren. Warum hätten Menschen die
Zuversicht haben sollen, dass eine Petition ausgerechnet an diesen
Akteur etwas nützt?

Aber die Bewegung in Deutschland muss auch auf sich selbst schauen.
Zwar ist das Bündnis, das hierzulande die EBI trägt, formal sehr
breit. Alle wichtigen Organisationen stehen als Unterstützer auf der
Webseite. Die realen Aktivitäten aber waren sehr unterschiedlich.
Insbesondere aus den anthroposophisch orientierten Teilen der Szene
kam kaum realer Einsatz. Dabei sind einige der bekanntesten
BefürworterInnen eines bge genau dort zu Hause. Ihre Prominenz, ihre
Zugänge zur Öffentlichkeit haben massiv gefehlt. Denn das wurde in
allen Ländern deutlich: Wo es gelungen ist, öffentliche Aufmerksamkeit
auf das Thema zu lenken, stieg die Zahl der Unterschriften sofort
signifikant, egal ob es sich um Veranstaltungen in Tschechien,
Facebook in Kroatien, Fernsehauftritte in Großbritannien oder
Krisendemos in Bulgarien handelte.

Aber es wäre zu einfach, mit dem Finger auf Teile der Bewegung zu
zeigen. Nirgendwo ist es auch nur gelungen, die eigenen AnhängerInnen
und UnterstützerInnen breit zu Unterzeichnung, viel weniger zur
aktiven Mitarbeit zu bewegen. Der deutsche Unterstützerkreis der EBI
war immer nur sehr klein und hat sich am 5. Mai zum letzten Mal
getroffen. Neben einer ganzen Zahl kleinerer handwerklicher Fehler (z.
B. zwei Unterschriftensammlungen gleichzeitig auf der Seite des
Netzwerkes) schien bei allen Beteiligten eine Einschätzung zu
existieren, dass man mit den eigenen Kräften und mit einem Agieren in
der eigenen Szene die Petition erfolgreich abschließen könnte. Erst
sehr spät kamen erste erkennbare Bemühungen, weit über die eigenen
Kreise hinaus Unterstützung zu gewinnen. Zu keinem Zeitpunkt wurde
dies systematisch und gemeinsam angegangen. Auch unsere AG hat sich im
Wesentlichen darauf beschränkt, innerhalb von Attac für die
Unterzeichnung zu mobilisieren.

Wir wissen nicht, was konkret nötig gewesen wäre, um öffentlich
deutlicher wahrgenommen zu werden. Wir wissen auch nicht, wie
erfolgreich gemeinsame Bemühungen diesbezüglich gewesen wären. Aber es
ist offensichtlich, dass es nicht reicht, sich auf die eigene Kraft
der Bewegung zu verlassen, sondern dass der Weg in die öffentliche
Auseinandersetzung gesucht werden muss. Noch bedeutsamer ist es, das
bge mit bestehenden Kämpfen zu verbinden. In Bulgarien gibt es seit
Monaten eine massive Protestbewegung gegen die Regierung. Erst im
Januar ist es den dortigen Unterstützergruppen nach langem Bemühen
gelungen, sich mit großen Gewerkschaften so zu verbinden, dass die EBI
in diese Dynamik eingebracht wurde. Innerhalb von nur fünf Tagen
gelang es damit, über 20 000 Unterschriften zu sammeln.

Damit wären wir dann bei der guten Nachricht.

Der „Europäische Bürgerausschuss“, bezüglich der EBI eine im
wesentlichen formale Struktur zu ihrer technischen Abwicklung, hat
sich zu einem funktionierenden politischen Gremium entwickelt. Die
Regeln der EU sehen die Teilnahme von Menschen aus mindestens sieben
Ländern vor. Die EBI Grundeinkommen wurde mit 15 Ländern eingereicht,
inzwischen haben sich Gruppen und Organisationen aus 24 EU-Ländern
angeschlossen. Der Kreis hat sich etwa alle drei Monate getroffen und
eine feste Zusammenarbeit über die EBI hinaus verabredet. Termine im
Februar, April und September stehen fest. Unter dem Namen
Unconditional Basic Income in Europe (UBIE) werden Strukturen zur
gemeinsamen politischen Intervention in europäische Politik
geschaffen. Die Vorstellungen darüber, wie das konkret geschehen soll,
sind naturgemäß noch sehr unterschiedlich, aber es gibt eine große
Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen.

Vor Beginn der EB gab es in einigen der beteiligten Länder gar keine
oder so gut wie keine Grundeinkommensbewegung, in anderen existierten
völlig voneinander getrennte Gruppen ohne jegliche Kommunikation.
Insbesondere in Osteuropa sind geradezu sprunghafte Entwicklungen
auszumachen. Dabei ist es durchaus noch offen, wie das konkret
weitergeht. Wir kennen einige der Partnerorganisationen kaum, einige
kommen aus für uns zumindest ungewöhnlichen Zusammenhängen (wie etwa
eine bulgarische Gruppe aus der Osho/Bagwan-Bewegung). Aber es gibt
eine EU-weite Diskussion mit dem erklärten Ziel, eine gemeinsame
Handlungsfähigkeit zu entwickeln.

Und die hängt inhaltlich keineswegs in der Luft. Vielmehr hat die EBI
auch auf der programmatischen Ebene zu einer starken Annäherung
geführt. Noch beim Kongress des weltweiten Grundeinkommensnetzwerkes
BIEN in München im Herbst 2012 waren die Definitionen, was denn ein
Grundeinkommen sei, höchst unterschiedlich. Vor allem die Frage der
Höhe spielte für viel kaum eine Rolle. Die Hauptsache schien die
Bedingungslosigkeit und so vertreten es auch heute noch immer wieder
Repräsentanten von BIEN. In der EBI haben wir die Existenz- und
Teilhabesicherung als Kriterium formuliert, weil das schließlich der
emanzipatorische Springpunkt des Projekts Grundeinkommen ist: Nur wenn
die Höhe für ein halbwegs anständiges Leben ausreicht, befähigt das
bge dazu, Zumutungen zurückzuweisen, denen jemand sich nicht
freiwillig stellen will.

Auch die Festlegung, dass „das Bedingungslose Grundeinkommen den
Sozialstaat“ nicht ersetzt, sondern „ihn von einem kompensatorischen
in einen emanzipatorischen Sozialstaat“ ergänzt und verändert, ist bis
dato keineswegs Konsens der Bewegung gewesen. In Deutschland treten
immer noch wesentliche Akteure für die Beseitigung aller anderen
sozialen Sicherungen außer dem bge ein.

Eine dritte Wegmarke setzt die Formulierung: „Grundsätzlich sollte
jeder Mensch unabhängig von Alter, Abstammung, Wohnort, Beruf etc. in
den Genuss dieser Leistung kommen.“ In den Diskussionen des
Bürgerausschusses/UBIE ist es inzwischen die ganz überwiegende
Meinung, dass dies so verstanden werden muss, dass das bge an alle zu
zahlen ist, die her sind, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.
Damit würde sich eine Position durchsetzen, mit der wir als Attac-AG
genug für alle vor einem Jahr noch mehr oder weniger alleine
dastanden.

Insgesamt ist die EBI also eine Erfolgsgeschichte. Das Verfehlen der
Million Unterschriften ist schade, die Differenz zwischen Ergebnis und
Anforderung gravierend, aber das Entstehen eines europäischen Akteurs
auf klarer inhaltlicher Grundlage lässt das alles verschmerzen.

Attac Deutschland, AG genug für alle






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www.werner-raetz.de
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Werner Rätz
mailto:werner...@t-online.de
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