Der Versuch einer Geschichtsschreibung des Mauerziegels in der Biedermeierzeit

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Karl-Ludwig Diehl

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Dec 24, 2008, 10:09:23 AM12/24/08
to Baugeschichte


Der Versuch einer Geschichtsschreibung des Mauerziegels
in der Biedermeierzeit


Es scheint so, als sei der Engländer Turner in der Bieder-
meierzeit das Wagnis eingegangen, eine Geschichte des
Mauerziegels zu verfassen, denn in der Allgemeinen
Bauzeitung vom Jahre 1839 findet sich eine Abhandlung
über den Mauerziegel, von der es heißt, sie sei

"Nach dem Englischen des Turner." (1)

Wer dieser Turner war, geht aus dem Aufsatz nicht hervor.
Es fehlen weitere Hinweise. Liest man den Aufsatz, den
sicherlich die Redaktion dieser Fachzeitung verfaßt hat, die
in Wien erschien, wirkt das Thema so, als sei es an einen
Text von Turner angelehnt, aus dem viel entnommen wurde.
Man wird dem noch nachgehen müssen. Zur Zeit interes-
siert nur eine Auswertung dieses Textes "Ueber die Mauer-
ziegel", der in Wien erschien. Er beginnt mit einem Hin-
weis auf Vitruv:

">>Die Architektur<<, sagt Vitruv, unser großer Meister,
>>ist eine Wissenschaft, welche aus dem Komplex vieler
anderer Wissenschaften entsteht.<< Und in der That, die
Zahl dieser Wissenschaften ist so groß, das Studium der
verschiedenen Künste, welche mit der Architektur verbun-
den sind, ist so interessant, und die Erforschung jedes,
auch des kleinsten Zweiges derselben so nothwendig, daß
eine genauere Untersuchung des oben benannten Gegen-
standes gewiß nicht als unnütz angesehen werden kann."
(2)

Vitruv hat also gemeint, die Architektur sei eine Wissen-
schaft, welche aus dem Komplex vieler anderer Wissen-
schaften entstanden ist. Das wird wohl so sein. Da es hier
um den Mauerziegel geht und seine Geschichte, wird man
sehr darauf zu achten haben, welches das Gebiet ist, das
für diese Untersuchung abgegrenzt wurde, denn es liegt
der Verdacht nahe, eine bestimmte Traditionslinie der Bau-
geschichtsschreibung werde verfolgt, und zwar unter Aus-
lassung weiter Gebiete der Erdoberfläche, wo ja auch seit
Urzeiten aus Baustoffen Bauteile hergestellt wurden, die
zum Baukörper zusammengefügt worden sind. Es liegt na-
he, auch in diesen Gebieten das Aufkommen von Mauerzie-
geln zu vermuten. Wir wissen aber noch nicht, was mit
dem Wort "Mauerziegel" benannt wird.

Neben dem Gebiet, über das historisch abgehandelt wird,
interessiert natürlich der Terminus "Mauerziegel", der ja
auf irgendeine Weise festgelegt sein muß, wenn darüber
eine Abhandlung erfolgt, die den Werdegang und die He-
rausbildung unterschiedlicher Mauerziegel erläutern will.
Jedoch gibt der Text dazu zunächst keinen Anhaltspunkt.
Der Autor des Aufsatzes scheint vorauszusetzen, jeder
wisse, was mit einem "Mauerziegel" gemeint ist. Das kann
zu Problemen führen, da es ganz unterschiedliche Auffas-
sungen dazu geben kann.

Die Biedermeierzeit scheint eine Zeit gewesen zu sein, in
der vermehrt Mauerziegel hergestellt und zum Mauerwerk
vermauert wurden, denn es heißt:

"Der jetzt stattfindende, allgemeine Gebrauch der Mauer-
ziegel als Baumaterial, zeugt von ihrer großen Anwendbar-
keit, und der wundersame Widerstand, welchen dieselben
den Verheerungen der Zeit entgegengesetzt haben, war die
Ursache, daß wir einige Forschungen über ihr Alter, über
das Material, dessen man sich in den frühesten Zeiten zu
ihrer Anfertigung bediente, und über die Art, wie man mit
denselben in den verschiedenen Ländern gebauet hat, un-
ternommen haben." (3)

Man unternahm also in der Biedermeierzeit Baugeschichts-
forschungen zum Baustoff oder kleinem Bauteil "Mauerzie-
gel". Der "wundersame Widerstand", mit dem er den Zei-
ten trotze, sagt als Satzteil, es sei ein Bauelement, dem
eine lobenswerte Haltbarkeit zukomme. Ein solches Mate-
rial herzustellen, sei schon relativ früh erfolgt. Wie im Text
diese historische Einordnung vorgenommen wird, mutet
uns heute sehr verstiegen an:

"Es scheint so, als wenn unmittelbar nach der Sündflut und
vor der Zeit des Nimrod, die Einwohner von Assyrien fast
ausschließlich in Zelten und Höhlen gewohnt hätten. Nim-
rod, dieser große Fürst, vereinigte seine Unterthanen zuerst
in Städten, und die erste, historisch bekannte, dieser Städ-
te war Babel, in welcher ungeheure Gebäude aufgeführt wur-
den, zu denen man sich der Luftsteine bediente, obgleich
Andere behaupten, Semiramis, die Gemahlin des Ninus,
habe die Stadt erbaut, und Nimrod nur den berüchtigten
Thurm, von welchem die Ueberreste in Birs Nimrod auf uns
gekommen sein sollen." (4)

Das alte Weltbild einer Sintflut wird hier als Tatsache vor-
geführt. Kurz nach ihr wäre dann Nimrod hingegangen und
habe die Menschen in Städten zusammengeführt, die aus
"Luftsteinen" errichtet wurden. Dieser Luftstein ist hier also
als "Mauerziegel" aufgefaßt. Er gilt als erste Form des
Mauerziegels. Man wird sich mit ihm noch zu beschäftigen
haben.

Birs Nimrod, in welchem der berüchtigte Turm zu Babel ver-
mutet wurde, zeigte den damaligen Forschern "einige Mas-
sen von braunem und schwarzem Mauerwerke", von dem
gesagt wurde, daß es sich "mehr oder weniger in vergla-
stem Zustande befindet".

"Die verglasten Steine jedoch finden sich nur auf dem Gip-
fel des Mauerwerkes, und sind unbedingt Folgen der unge-
heuren Feuer, da man auf jenen heiligen Bauwerken bedeu-
tende Mengen von Holz bei Gelegenheit der Feuervereh-
rung verbrannte." (5)

Solche Bauwerke werden uns im Text so geschildert, als
seien sie so hoch wie die umliegenden Berge. Man hätte
von ungeheurer Entfernung diese heiligen Feuer oben auf
den Bauwerken sehen können. Absurderweise wird be-
hauptet, "daß der Ort selbst mehrere Tage unzugängig
war", weil die Hitze des Feuers diese Wirkung gehabt
hätte.

Nun gibt es eine große Merkwürdigkeit im Text. Einerseits
sind die "Luftsteine" erwähnt, andererseits wird darauf ab-
gehoben, das heilige Feuer habe zur Verglasung der "Luft-
steine" geführt. Und dann geht der Autor hin und erwähnt
plötzlich ohne Übergang "Öfen", in denen die Luftsteine
gebrannt worden seien. Es folgt also unmittelbar auf die Er-
wähnung des heiligen Feuers und die durch die Hitze ver-
glasten Luftsteine dieser Textabschnitt:

"Man findet zwei Arten von babylonischen Ziegeln, die Ei-
nen sind an der Sonne getrocknet, die Anderen im Ofen ge-
brannt." (6)

Was das eine, also das heilige Feuer, mit dem anderen,
es habe Ziegelöfen zum Brennen der "Luftsteine" gegeben,
zu tun hat, kann eventuell nur so verstanden werden, als
habe man beim Abbrennen der heiligen Feuer erkannt,
daß sich Luftsteine brennen lassen und dadurch haltbarer
werden. Diese Erläuterung wird jedoch so nicht gegeben,
sondern es werden solche Aussagen einfach hintereinan-
der gereiht, was ein völlig abwegiges Verständnis von ei-
nem Hervorgehen des Backsteins aus dem Luftstein er-
zeugen kann. Es liegt nahe, daß hier Glauben gemacht
werden soll, dieses heilige Feuer und das Aufkommen
des Backsteins haben unmittelbar miteinander zu tun.
Aber es ist nicht nachvollziehbar. Es wird nur zur Sugge-
stion. Schlicht und einfach gesagt, wir wissen nicht, wie
es zum Backstein kam. Es fehlen die schriftlichen Quel-
len.

Doch bleiben wir zunächst beim Luftstein. Das Wort
meint nur, ein Kunststein sei durch einen Trocknungs-
vorgang zustande gekommen. Der Mensch hat also
Steinformate aus einer "erdigen" Masse geformt und
trocknen lassen.

"In den Gegenden, wo die Sonne stark einwirkt, und wo
es selten regnet, wie z.B. in Chaldäa, wo oft in acht Mo-
naten, bisweilen in drittehalb Jahren, kein Regen fällt,
reichen die an der Sonne getrockneten oder Luftsteine
für die meisten Zwecke hin." (7)

Die "Luftsteine" sind also die nicht gebrannten Mauerzie-
gel, und man kannte in Babylon den gebrannten "Luft-
stein", den wir meist als Backstein bezeichnen, aber
auch als Ziegel oder Mauerziegel.

"Die ersten Mauern von Mantinea bestanden allein aus
Luftsteinen, und haben den Kriegsmaschinen besseren
Widerstand als solche von Bruchsteinen geleistet." (8)

Endlich wird der Herstellungsprozeß des Luftsteins im
Text erklärt:

"Die Luftsteine aus dem Alterthume, welche man noch
gefunden hat, bestehen aus reinem Thone, und obgleich
sie nur an der Sonne getrocknet wurden, sind sie doch
so hart, daß sie beim Anschlagen klingen. Sie scheinen
in Formen von Holz gepreßt zu sein, und tragen Figuren
und Inschriften. Man mengte etwas Stroh oder kleines
Reisig darunter, um ihnen mehr Zusammenhang zu geben,
und legte sie beim Bauen auf Schichten von Mörtel und
Schilf." (9)

Daß diese Luftsteine "aus reinem Thone" geformt wurden,
mutet einzigartig an, denn reiner Ton könnte sich eher sel-
ten auffinden lassen. Auch müßte geklärt sein, was das
ist, das hier "reiner Thon" genannt wird. Zu den im Ofen ge-
brannten Luftsteinen ist gesagt:

"Die gebrannten Ziegelsteine hatten eine viel bedeutendere
Härte und Dauerhaftigkeit; so sind z.B. die Pfeiler und Bö-
gen einer Brücke, welche jetzt noch stehen, und deren
schon der Prophet Baruch erwähnt, von solchen Steinen."
(10)

Es wird hier zwar darauf hingewiesen, daß diese Steine
durch den Brand sehr hart wurden, aber eine Aussage zur
Form des Ziegelsteins bleibt diffus, der zum Mauern be-
nutzt wurde.

Man muß einige Zeilen zurückgehen, um diese Konfusion,
die hier angerichtet wird, zu verstehen. Es werden Inschrif-
ten auf Ziegeln beschrieben. Bei diesen Gegenständen hat
man jedoch den Eindruck, es könne sich nicht um "Mauer-
ziegel" handeln:

"Es war gebräuchlich, astronomische Bemerkungen auf
Steine oder Säulen zu schreiben, und wahrscheinlich hat-
ten diese Inschriften einen talismanischen Charakter, denn
man findet dieselben allemal so gelegt, daß sie nach unten
hin standen und nicht gesehen oder gelesen werden konn-
ten. Oefters waren beide Seiten und auch die Ansicht be-
schrieben, oft nur die Ansicht allein, und diese letzteren
Ziegel sind die seltensten und geschätztesten. Manche
derselben enthalten bei zehn Zeilen Schrift in gerader Linie
über einander, bei anderen gehen die Schriften nach der
Diagonale der Fläche." (11)

Wenn man keine Ergebnisse von modernen Forschungen
zu diesen Funden und Bauten hinzuzieht, sondern nur
den Zeilen nachgeht, die in der Biedermeierzeit formuliert
wurden, wirkt es recht merkwürdig, wieso hier Inschriften-
tafeln als Baustoffe gedient haben sollen. Es wiederholt
sich im Text das schon gebräuchliche Muster der Anein-
anderreihung von Beschreibungen von Gegenständen, die
nur ein Assoziationsfeld erzeugen, aber der genaue Zu-
sammenhang dieser Gegenstände bleibt verborgen. Es
scheint nur die Idee auf, sie könnten miteinander zu tun
haben. Schnell stellt sich beim Lesen die Idee ein, bei
alledem handele es sich um Mauerziegel. Eine systemati-
sche Bestandsaufnahme, aus der Formate und Fundzu-
sammenhänge der Gegenstände hervorgehen, wird nicht
geleistet. Wir werden mit vielen Fragen alleine gelassen.

Später erhalten wir endlich zu bestimmten Mauersteinen
mehr Aufschluß.

"Die Farbe dieser Ziegel ist ein brennendes Roth oder ein
mattes Gelb, bei den ungebrannten eine Steinfarbe. Ihre
Größe schwankt zwischen 12 und 13 Zoll Länge, und 3 - 4
Zoll Dicke. Der größte bekannte Stein jedoch hat 19 3/4
Zoll im Quadrate und 3 1/2 Zoll Dicke, und ist an den Sei-
ten mit Charakteren beschrieben." (12)

In dieser Beschreibung gibt es endlich Angaben, die auf
Mauerziegel schließen lassen. Es handelt sich um Quader-
formate gebrannter und ungebrannter Ziegel. Mit solchen
Quadern zu mauern, macht Sinn. Wozu andere aus Erde
geformte und wohl manchmal auch gebrannte Tafeln oder
Steine, Platten, Zylinder dienten bleibt unklar. Man muß
sich im Text zusätzliche Erklärungen suchen.

Zu den Mauersteinen einer Brücke wird gesagt:

"Einige dieser Steine waren mit einer Art Firniß überzogen
und mit Figuren verziert." (13)

Das wären dann Schmuckziegel, also Verblender. Dazu
präziser:

"Auch wurden sie mosaikähnlich gelegt, und man findet da-
rauf Figuren verschiedener Art, z.B. eine Kuh, die Sonne,
den Mond u.a.m." (14)

Hier besteht nun das Problem, vor welcher Mauer sie wie
befestigt waren, wenn man Blendwerk annimmt. Denn den
Schmuck wird es nur zu einer Seite geben, nämlich an der,
die an der Wand gezeigt wurde, falls es sich um Mauer-
steine handelt. Der Hinweis auf eine mosaikähnliche Ver-
legung sagt nichts über das Format dieser Steine und wie
man sich die Verbindung zwischen Blendwerk und Hinter-
mauerwerk vorzustellen habe. Noch schwieriger nachvoll-
ziehbar sind diese Angaben, die Rätsel aufgeben, ob es
sich überhaupt um Mauerziegel handeln kann:

"Auch in zylindrischer Form hat man diese Ziegel gefunden,
wo sie dann eine kleine Entasis hatten, vom feinsten im
Ofen gebrannten Thone gemacht und mit kleiner Schreib-
schrift bedeckt waren." (15)

Hier werden durch den Autor des Aufsatzes selbst Zweifel
ausformuliert, ob es sich überhaupt um Mauerziegel han-
deln wird:

"Da man mehrere derselben an einem Ende durchbohrt ge-
funden hat, glaubt man auch, daß es Amulete oder Talis-
mane gewesen seien." (16)

Diese Anhäufung von Hinweisen auf Baustoffe, die sozusa-
gen für die ältesten Mauerziegel, die es gibt, angeführt
wurden, erzeugen in uns einerseits ein sehr ungeklärtes
Bild von den frühesten Mauerziegeln, zugleich treffen wir
auf Angaben, die eigentlich Hinweise auf eine schon hoch-
stehende Brenntechnik geben, da Schmuckziegel erwähnt
sind. Auch bestünde ein Formenreichtum, wenn alle diese
Objekte zu den Mauerziegeln zu zählen wären, der eigent-
lich kaum auf die Anfänge der Mauerziegelherstellung ver-
weisen kann. Man könnte natürlich in dieser Region sehr
früh mit der Herstellung von Mauerziegeln begonnen haben,
um dann nach langen Entwicklungsvorgängen zu dieser
Blüte des Mauerwerksbaues gekommen zu sein. Jedoch
ist das im Text nicht erklärt. Man wird abwarten müssen,
wie sich der Text weiter entfaltet.

Damit das damalige Mauern überhaupt begreifbar wird, fin-
den sich nun im Text Schilderungen zum Bindemittel, mit
denen die Mauersteine verbunden wurden. Zum einen wird
Kalk genannt:

"Was das Bindemittel, dessen man sich bediente, anbe-
trifft, so glaubt man, daß die Alten sich dazu, namentlich in
den oberen Theilen, des Kalkes bedient hätten. Kapitän
Mignan sagt, wo er von Birs Nimrod spricht: die Ziegel sind
13 Zoll lang, 4 1/4 Zoll dick und mit einander durch eine
fortlaufende, einen Zoll dicke Schicht von Kalk verbunden.
Die Steinlagen liegen nicht waagerecht, sondern haben ei-
nen allmäligen Fall, nach Osten zu an der Nordfronte, und
an der Ostfronte nach Süden hin." (17)

Es sieht so aus, als sei nach Augenschein identifiziert wor-
den, um was für Bindemittel es sich handelt. Ausgewertet
wurde offensichtlich ein Text von "Kapitän Mignan", der
erst noch identifiziert werden müßte. Es wird bei den La-
gen der Mauerziegel von einem "allmäligen Fall" gespro-
chen. Wie man sich das vorzustellen hat, müßte ermittelt
werden.

Auch Bitumen wird angeführt:

"Bitumen findet man an der Basis der am meisten zerstör-
ten Mauern; auch an Pfeilern kann man es unterscheiden,
nie aber hat man sich dessen in den oberen Theilen be-
dient." (18)

Man muß hier genau wissen, was damals für Bitumen ge-
halten wurde, denn das Wort als Bezeichnung eines Stof-
fes kann unterschiedliche Bandbreiten dessen haben, was
damit bezeichnet wurde. Man wird sich also mit diesem
hier erwähnten Bindemittel "Bitumen" noch etwas genauer
auseinander zu setzen haben.

Aber es gibt zusätzliche Hinweise. Denn es wurde auch
mit Lehm als Bindemittel gearbeitet:

"In manchen Fällen wurde weder Kalk, noch Bitumen ange-
wendet, sondern man bediente sich allein des Lehmes.
Was die Schilflagen anbetrifft, so sagt Herodot, daß man
dieselben nach jeder dreißigsten Schicht angewendet ha-
be; neuere Reisende aber haben dieselbe bereits, und zwar
in Agar Kouff, nach jeder sechsten, siebenten oder achten
Schicht gefunden, und in einigen Gebäuden Babylons liegt
zwischen zwei Schichten Steinen allemal eine Schicht
Rohr." (19)

In den Lehmmörtel hatte man also Schilfstengel eingebet-
tet. In Babylon lag alle zwei Steinschichten im Lehmmörtel
Schilfrohr, in Agar Kouff, das in seiner geographischen La-
ge noch herausgesucht werden muß, sei nach jeder sechs-
ten, siebenten oder achten Schicht" im Lehmmörtel das
Schilfrohr angetroffen worden. In Schriften von Herodot
fand sich offensichtlich eine Textstelle, die aussagt, "nach
jeder dreißigsten Schicht" sei Schilfrohr eingelegt worden.

Im Text "Ueber den Mauerziegel" findet sich also ein histo-
rischer Exkurs, der uns zunächst in die Herstellung und
Verwendung der Mauerziegel im Zweistromland, das Ge-
biet des heutigen Irak, einführt. Da dieser spezielle Exkurs
ganz an den Anfang gerückt wurde, darf man annehmen,
es sei damals geglaubt worden, hier seien die ersten Mau-
erziegel geformt und bald gebrannt worden. Diese frühen
Kunststeine werden "Luftsteine" und "gebrannte Ziegel"
genannt. Es handelt sich um Lehmziegel und Backsteine.
Beide werden als "Mauerziegel" bezeichnet, die Quader-
format haben. Auch mit Schrift und Abbildungen versehene
Backsteine als Schmuckziegel mit farblichem Überzug in
unterschiedlichen Formen werden erwähnt, was auf eine
lange Entwicklung des "Mauerziegels" schließen läßt. Es
gab anscheinend einige Besonderheiten, wie beim Mauern
vorgegangen wurde. All dem ist genauer nachzugehen, und
zwar in dem, was ältere und jüngere Schriften dazu aussa-
gen, und durch das, was die Bauforschung an den frühen
Bauten oder Resten von Bauten auffinden konnte. Bisher
fiel auf, daß keine Datierungen im Text aufzufinden waren.
Ausschließlich die Zeit nach der Sintflut als Zeitangabe
wurde zur Datierung genutzt.

Später sind die übrigen Teile des Textes "Ueber den Mauer-
ziegel", der in der Biedermeierzeit erschien, noch genauer
auszuwerten. Da neuere Texte auf solche frühen Texte, wie
den vorliegenden, aufbauen, lohnt eine genaue Textauswer-
tung, um zu verstehen, was in die spätere Geschichts-
schreibung vom Mauerziegel hineingewandert ist. Die wort-
wörtlichen Anführungen der relevanten Textstellen machen
also sehr viel Sinn, weil durch sie Vergleichsmaterial ent-
steht.

K.L.

Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in
http://groups.google.com/group/baugeschichte
zur Diskussion gestellt. Der Autor ist über folgende
Emailadresse erreichbar: baugeschichte (at) email.de

Anmerkungen:
(1) Der Untertitel der Titelzeile des Aufsatzes zitiert aus:
o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des
Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allge-
meine Bauzeitung. Wien, 1839. S.243
(2)-(9) zitiert aus: o.A., wie vor, S.243
(10) zitiert aus: o.A., wie vor, S.244
(11) zitiert aus: o.A., wie vor, S.243
(12)-(19) zitiert aus: o.A., wie vor, S.244


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