Hinweise auf den Mauerziegel im antiken Griechenland in einem Text aus der Biedermeierzeit

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Karl-Ludwig Diehl

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Jan 1, 2009, 10:35:45 AM1/1/09
to Baugeschichte


Hinweise auf den Mauerziegel im antiken Griechenland in
einem Text aus der Biedermeierzeit


Dem antiken Griechenland wird nachgesagt, eine sehr
hochstehende Baukunst hervorgebracht zu haben. Widmet
man sich den Baustoffen, mit denen aufgebaut wurde,
stößt man natürlich auch auf den Mauerziegel, der in Form
des an der Luft getrockneten Lehmsteines oder als Back-
stein in der Antike Verwendung fand. Was in der Bieder-
meierzeit über die Verwendung dieses Mauerziegels im
antiken Griechenland bekannt war, läßt sich in etwa aus
einem Text erschließen, der einen biedermeierzeitlichen
Versuch darstellt, die Geschichte des Mauerziegels abzu-
handeln. Es findet sich darin folgender Exkurs:

"Verfolgen wir unseren Gegenstand auf klassischerem
Boden, nach Griechenland, wo, wie der Dichter singt, die
Götter selbst erschienen, so finden wir, daß dieses Land
ein Baumaterial hervorbringt, welches die baulichen
Zwecke mit einer so großen Masse von Aushilfen unter-
stützt, daß man fast nur aus Sandstein oder Marmor bau-
ete. Nichts desto weniger war das Ziegelmaterial dennoch
bei den griechischen Gebäuden nicht ganz ausgeschlos-
sen." (1)

Sandstein und Marmor seien vorrangig in Verwendung ge-
wesen, sagt uns diese Textstelle, die umso fragwürdiger
ist, weil vermutlich niemals eine Bestandsaufnahme der
antiken Siedlungsareale unternommen wurde, um damit
eine statistische Auswertung zu verbinden, welche hätte
Hinweise geben können, in welchem Umfang die jeweili-
gen Baustoffe wirklich verwendet wurden. Vermutlich ließ
man sich von den vorrangig untersuchten Gebäuden ho-
her Baukunst leiten und schloß leichtsinnig auf das Gan-
ze. Dem Ziegel, wenn er bei solchen Bauten angetroffen
wurde, kam offensichtlich die Funktion des Hintermauer-
werkes zu, denn es heißt:

"Hier aber finden wir, daß man die Mauersteine nicht so
anwendete, daß sie dem Auge einen wohltuenden Anblick
gewähren sollten, sondern daß sie nur als Hilfsmaterial zu
Hervorbringung eines besseren Verbandes verwendet wur-
den." (2)

Dies ließ sich wohl in den Bauruinen hochstehender Bau-
ten ersehen. Man konnte jedoch auch auf schriftliche Zeug-
nisse der Antike zurückgreifen, die uns andererseits nur
ausschnitthaft und vielleicht sehr einseitig oder sogar ganz
falsch das Bauwesen der Vergangenheit erklären.

"Vitruv erzählt uns, daß die Griechen drei Arten von Back-
steinen hatten, von denen jedoch nur zwei zu öffentlichen
Bauten benutzt wurden. Jede Art hatte auch halbe Steine,
und bei der Verwendung wurden die Steine so gelegt, daß
man an den äußeren Seiten nur die ganzen Längen der
Steine sah, wobei die obere Schicht allemal die untere
überband." (3)

Diese Textstelle will uns auf Mauerwerksverbände und die
dazu nötigen Mauerziegel hinweisen, ohne daß dadurch
genauer klar würde, wodurch sie sich unterschieden. Zu-
sätzlich findet sich im Text noch ein Hinweis auf die Qua-
litätsprüfung der Mauersteine, die jedoch etwas seltsam
anmutet:

"Uebrigens waren die Griechen so sehr darauf bedacht, voll-
kommen erprobtes Baumaterial zu haben, daß, nach dem
Zeugnisse Vitruv's, die Einwohner von Utica zu ihren Ge-
bäuden keine anderen Steine verwendeten, als solche, wel-
che mindestens fünf Jahre alt und durch eine obrigkeitliche
Person als gut erkannt worden waren. Ein Beispiel der An-
wendung derselben gibt er in der Stadtmauer von Athen,
welche gegen den Hymettus und Penthelicus hin liegt, und
in den Tempeln des Jupiter und Herkules, deren Zella von
Mauersteinen aufgeführt war." (4)

Man fragt sich beim Lesen dieser Zeilen, wie glaubhaft das
sein kann. Es kommen große Zweifel. Andererseits sagt
uns das Wort "Mauerstein" nichts über den genauen Bau-
stoff und in welcher Form er vorlag. Man wird sich hier an
die genannten gemauerten Objekte selbst halten müssen,
die im Text erwähnt werden.

Kritik kommt nun vom biedermeierzeitlichen Autor selbst.
Es wurde ihm immer deutlicher bewußt, auf wie schwachen
Füßen eine Geschichte des Mauerziegels stehen muß,
da die Angaben viel zu gering sind, mit denen gearbeitet
werden muß:

"Der Ueberreste von Mauern und ganzen Gebäuden in Grie-
chenland, welche auf diese Art mit künstlichen Steinen er-
baut wurden, sind heut zu Tage so wenige, und die Gelehr-
ten, welche dieselben sahen, haben sie so oberflächlich be-
schrieben, daß es immer noch zweifelhaft ist, ob die dazu
verwendeten Steine nur getrocknet, ob sie im Ofen ge-
brannt waren, oder ob man sich beider Arten gleichzeitig,
wie man dieß in Persien, Aegypten und anderen Ländern
that, bediente." (5)

Hier wird uns nun überdeutlich, was es bedeutete, wenn in
der Biedermeierzeit eine Geschichte der Mauerziegel ge-
wagt wurde. Die sogenannten Gelehrten haben bei ihren
Forschungen eine so große Oberflächlichkeit der Unter-
suchungen an den Tag gelegt, daß eine Auswertung des
Materials fast wertlos erscheint. Da nützt auch die Aus-
wertung schriftlicher Quellen aus der Antike wenig, weil
diese Angaben offensichtlich noch nicht vor Ort geprüft
wurden. Man wird den Arten der Mauerziegel und den
Mauerziegelverbänden genauer nachgehen müssen. Im
Text steht:

"Vitruv sagt in dem Kapitel, wo er von diesem Baumaterial
spricht, zwar nicht ausdrücklich, daß die Steine gebrannt
worden wären, indessen müssen wir es aus seinen Wen-
dungen schließen." (6)

Eine solche Textstelle ist umwerfend komisch. Vitruv, der
für viele als schriftliche Quelle dienen muß, weil sonst
kaum irgendwelche da zu sein scheinen, differenziert nicht,
ob mit gebrannten oder ungebrannten Mauerziegeln gebaut
wurde. Nun meint der Geschichtsschreiber des Mauer-
ziegels aus der Biedermeierzeit, man könne trotzdem aus
dem Vitruvschen Text sowohl auf gebrannte wie nicht ge-
brannte Lehmziegel schließen. Dazu der weitere Text:

"In der unglücklichen Stadt Pompeji, wo man so vieles in
Bezug auf die Baukunst und die Künste im Allgemeinen
Bezügliche entdeckte, /.../, war der Gebrauch der Back-
steine durch die dort vorhandenen Baumaterialien als noth-
wendig und nützlich bedingt" (7)

Ohne irgendeinen Übergang verläßt der Autor den Kultur-
raum des antiken Griechenlandes und wendet sich dem
des alten Römertums zu. Die Stadt Pompeji liegt unter-
halb eines Vulkans auf der italienischen Halbinsel und wur-
de bei einem Vulkanausbruch unter Vulkanasche begraben.
Von den Überresten dieser Stadt auf die Art des Mauer-
werksbaus im antiken Griechenland zu schließen, wird
dem Leser des biedermeierzeitlichen Textes überlassen.
Er bekommt in den darauffolgenden Zeilen keinen weiteren
Aufschluß über die altgriechische Art der Mauerziegel und
wie und in welchem Zusammenhang sie vermauert wurden.

Eine solche Vorgehensweise mutet mehr als seltsam an.
Wer den Text flott durchliest und sich an den Angaben
erfreut, weil sie in etwa Hinweise auf den Mauerziegel im
Verlaufe der menschlichen Kulturentwicklung geben, wird
vielleicht gerne überlesen, auf welch schwacher Grundlage
abgehandelt wird. Froh darüber, wenigstens etwas zu
wissen, verbleibt er genaugenommen in großer Unwissen-
heit. Liest er genauer, kommt ihm eine solche Basis der
Geschichtsschreibung nur noch grotesk vor. In der Bieder-
meierzeit gab es dann nur noch zwei Möglichkeiten: man
beließ es dabei und gab sich verwundert, oder man forderte
eine bessere Erforschung ein. Doch bei wem sollte ein sol-
ches Thema Gehör finden, bei dem es um genaueren Auf-
schluß über die Art des antiken Mauerwerksbaues mit den
verschiedenen Mauerziegeln ging? Man benötigte auch
schon in dieser Zeit Forschungsgelder, um die nachhaltig
gestritten wurde. Da kann das Thema Mauerziegel rasch
an den Rand des Themenfeldes gerückt worden sein, das
vorrangig zu erforschen war. Um das besser zu verstehen,
müßte man der Geschichte der Finanzierung von Forschun-
gen nachgehen wollen.

K.L.

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Emailadresse erreichbar: baugeschichte (at) email.de

Anmerkungen:
(1) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem
Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf
S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.244
(2) zitiert aus: o.A., wie vor, S.244f.
(3)-(7) zitiert aus: o.A., wie vor, S.245

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