Martin Heideggers "Bauen Wohnen Denken" vom Jahre
1951 Satz für Satz durchgegangen
Heidegger hatte sich offensichtlich nach dem Krieg dem
Thema Bauen und Wohnen gewidmet und dazu Überle-
gungen angestellt. Von seinen Gedankengängen zu dem
Themenbereich meint er:
"Dieses Denken über das Bauen maßt sich nicht an, Bau-
gedanken zu finden oder gar dem Bauen Regeln zu geben."
(1)
Es ginge ihm nicht um ein von der Baukunst oder Bautech-
nik her entwickeltes Denken, sondern er frage grundsätzli-
cher:
"Was ist das Wohnen?" und "Inwiefern gehört das Bauen
in das Wohnen?" (2)
Zum Wohnen würden wir nur durch das Bauen gelangen.
"Dieses, das Bauen hat jenes, das Wohnen zum Ziel." (3)
Nun sei es aber so, daß es nicht nur Wohnbauten gebe,
sondern auch zahllose andere Bauten wie Brücken, Sta-
dien, Kraftwerke, usw. All das seien zwar Bauten, aber kei-
ne Wohnungen. Aber:
"Dennoch stehen die genannten Bauten im Bereich unse-
res Wohnens." (4)
Er nennt andere Beispiele, z.B. dieses:
"Der Lastwagenführer ist auf der Autobahn zu Hause, aber
er hat dort nicht seine Unterkunft; die Arbeiterin ist in der
Spinnerei zu Hause, hat jedoch dort nicht ihre Wohnung;
der leitende Ingenieur ist im Kraftwerk zu Hause, aber er
wohnt nicht dort." (5)
Solche Bauten würden zwar behaust werden, aber jemand
würde darin nicht wohnen, "wenn Wohnen nur heißt, daß
wir eine Unterkunft innehaben".
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren solche Überlegungen
durchaus angebracht, da zu guten Teilen nur Notunterkünf-
te bestanden. Es setzte ein neues Bauen ein. Deswegen
übt er Kritik:
"Wohnbauten gewähren wohl Unterkunft, die Wohnungen
können heute sogar gut gegliedert, leicht zu bewirtschaf-
ten, wünschenswert billig, offen gegen Luft, Licht und Son-
ne sein, aber: bergen die Wohnungen schon eine Gewähr
in sich, daß ein Wohnen geschieht?" (6)
Die Frage ist wohl gut gestellt. Wohnen bedeutet sicherlich
mehr als im Wohnraum untergebracht zu sein. Dann geht er
zu den anderen Bauten über:
"Jene Bauten jedoch, die keine Wohnungen sind, bleiben
ihrerseits vom Wohnen her bestimmt, insofern sie dem
Wohnen der Menschen dienen. So wäre denn das Wohnen
in jedem Falle der Zweck, der allem Bauen vorsteht." (7)
Wohnen erheischt also alles Bauen. Es dient dem Zweck,
nämlich dem Wohnen. Dann stellt er die Frage:
"Was heißt nun Bauen?" (8)
Dazu formuliert er aus:
"Das althochdeutsche Wort für bauen, <<buam>>, bedeu-
tet wohnen. Dies besagt: bleiben, sich aufhalten." (9)
Nun sei es jedoch so, das für uns heutige diese eigentliche
Bedeutung des Zeitwortes bauen, nämlich wohnen, verloren
gegangen sei. Es gebe jedoch noch Worte, die darauf ver-
weisen:
"Eine verdeckte Spur hat sich noch im Wort <<Nachbar>>
erhalten. Der Nachbar ist der <<Nachgebur>>, der <<Nach-
gebauer>>, derjenige, der in der Nähe wohnt." (10)
Doch wie ist das zu durchdenken, wenn sich herausstellte,
bauen bedeute, sich aufhalten. Hier führt er an:
"Wo das Wort bauen noch ursprünglich spricht, sagt es
zugleich, wie weit das Wesen des Wohnens reicht. Bauen,
buan, bhu, beo ist nämlich unser Wort <<bin>> in den
Wendungen: ich bin, du bist, die Imperativform bis, sei.
Was heißt dann: ich bin? Das alte Wort bauen, zu dem
das <<bin>> gehört, antwortet: <<ich bin>>, <<du bist>>
besagt: ich wohne, du wohnst." (11)
Und Heidegger erweitert:
"Die Art, wie du bist und ich bin, die Weise, nach der wir
Menschen auf der Erde sind, ist das Buan, das Wohnen.
Mensch sein heißt: als Sterblicher auf der Erde sein,
heißt: wohnen." (12)
Nun weist Heidegger darauf hin, daß zum Bauen, d.h.
Wohnen, alle kulturellen Aktivitäten des Anbauens, Hegens
und Pflegens gehören. Es sei das "auf der Erde sein".
Folglich:
"Bauen ist eigentlich Wohnen."
"Das Wohnen ist die Weise, wie die Sterblichen auf der
Erde sind."
"Das Bauen als Wohnen entfaltet sich zum Bauen, das
pflegt, nämlich das Wachstum, - und zum Bauen, das Bau-
ten errichtet." (13)
Bis dahin erst einmal.
K.L.
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Anmerkungen:
(1)-(12) zitiert aus: Martin Heidegger: BAUEN WOHNEN
DENKEN. o.O., 1951. pdf-Datei S.1 in:
http://www.uni-weimar.de/cms/uploads/media/Heidegger-Bauen_Wohnen_Denken.pdf
(13) zitiert aus: M.Heidegger, wie vor, S.2