Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert
errichteten Bauwerken: für die wohlhabende
Mittelklasse geeignete Gewächshäuser im Deutschland
der Biedermeierzeit
Als in der Biedermeierzeit über den Bau von Gartenanlagen
und Gewächshäusern reflektiert wurde, meldete sich auch
ein Freiherr von Walden zu Wort, der kritisch anmerkte,
"daß meistens der Architekt nicht eigentlich Gärtner sei,
während im Gegentheile wieder der Gärtner selten die hin-
reichenden praktischen Kenntnisse in der Architektur habe,
um die für seine Zwecke passenden Gebäude selbst zu
entwerfen und unter seiner Leitung ausführen zu lassen."
(1)
Man fragt sich unwillkürlich, auf welcher Grundlage dieser
Freiherr von Walden seine Erörterungen über Parkanlagen
und Gewächshäuser verfaßte, immerhin meinte er, sich ge-
nügend Wissen angeeignet zu haben, um über Gebäude
für Parkanlagen urteilen zu können, die "ganz vorzüglich
für Deutschland" und sein Klima geeignet seien. Die Rede
ist dabei von Gewächshäusern. Er schreibt:
"Wir wollen versuchen, die früher angedeuteten Prinzipien,
auf denen der Bau der Gewächshäuser beruht, näher zu
erörtern, um nöthigen Falles dem Architekten einen Be-
griff von der Theorie der Pflanzenpflege, dem Gärtner aber,
oder dem Liebhaber, der sein Gewächshaus selbst bauen
will, die gehörigen Dimensionen zu geben." (2)
Freiherr von Walden scheint weder Gärtner noch Architekt
gewesen zu sein, sondern sah vor sich ein gutes Thema,
das er aufbereiten wollte. Es dürfte interessant sein, seine
Biographie näher zu kennen, um das Ideengut besser zu
verstehen, mit dem er sich bewegte. Vermutlich reiste er
in England, um sein Wissen zu vertiefen, das er sich ange-
lesen hatte. Da in deutschen Gebieten andere klimatische
Verhältnisse herrschten, wollte er nicht einfach alles über-
tragen wissen, was anderswo funktionierte.
Als er seine Erfahrungen in einem Aufsatz zusammenfaß-
te, mußte er auch Grundlagen an den Leser vermitteln:
"Wie erwähnt, bedürfen die Pflanzen, je nach den Zonen,
aus denen sie zu uns kommen, zu ihrem Gedeihen eines
höheren oder niederen Grades von Wärme, und diese ist
so beschaffen, daß sie minder durch eine stärkere oder
geringere Heizung, als vielmehr durch die Konstrukzion
des Aufbewahrungsortes an und für sich erst zweckmäs-
sig gemacht wird." (3)
Es ergibt sich aus dieser einfachen Logik, daß sehr unter-
schiedliche Gebäude für die Pflanzen gebaut werden müs-
sen.
"Die Gebäude zerfallen in zwei Klassen, wovon die erste
zur Aufstellung, die zweite zur Zucht der Pflanzen dient."
(4)
Da es große und kleine Pflanzen gibt, muß bei Gebäuden
für Pflanzen auf die Größe Rücksicht genommen werden.
"Bei Pflanzen der warmen Zone erfordern die kleineren Ar-
ten, wie z.B. das ausgedehnte Geschlecht der Orchideen,
eine Wärme von 15 - 20°, und werden in ganz mit Glas
eingedeckten Häusern, die, da sie wenig Luftraum enthal-
ten, auch die nöthige Feuchtigkeit erzeugen, gezogen. - In
England sind diese Häuser gewöhnlich ganz von Eisen,
mit doppeltem Glase oben und an drei Seiten eingedeckt,
und stehen gegen Norden an einer Mauer. /.../ da der hohe
Wärmegrad, welcher in diesen Gebäuden herrschen muß,
den Aufenthalt in denselben nicht eben angenehm macht,
so haben sie gerade so viel inneren Raum, als man zur
Aufstellung für die vorhandene Anzahl von Gewächsen be-
darf." (5)
Erwähnt wird hier, man habe in England an den Gewächs-
häusern für Orchideen eine Doppelverglasung angebracht,
um die Temperatur in diesen kleinen Gewächshäuser auf
jeden Fall zwischen 15 - 20° halten zu können. Anders ist
für hohe Palmen vorzugehen:
"Die Gewächshäuser für Pflanzen der größeren Art, wie
z.B. für Palmen, müssen hohe, mit Glaskuppeln einge-
deckte Räume enthalten, welchen dann durch Wasser-
dämpfe der gehörige Grad von Hitze verschafft wird. Auch
hier ist ein längerer Aufenthalt für die Gesundheit nicht zu-
träglich; man verlegt deshalb die Palmenhäuser gewöhn-
lich in die Mitte eines großen Gartengebäudes und trennt
sie durch Glaswände von den anstoßenden Räumen." (6)
Erwähnt sind "Wasserdämpfe", was deutlich auf den Be-
trieb einer Dampfheizung für solche Gebäude hinweist.
In Röhren wird Wasserdampf transportiert, wodurch die
Gewächshäuser beheizt werden. Ab und zu läßt man
aus Rohren mit feinen Löchern Wasserdampf ab, was zu
einem warmen Sprühregen führt, der von oben auf die
Pflanzen niederfällt.
Freiherr von Walden weist darauf hin, daß Palmenhäuser
sinnvoll in der Mitte einer Treibhausanlage stehen, da sie
die höhere Temperatur brauchen. Daran anstoßend seien
die Gewächshäuser anzulagern, die eine jeweils niedrigere
Temperatur für die Pflanzen bekommen müssen. Diese
durch Glaswände abgetrennten Gebäudeflügel nennt er
"Konservatoirs".
"In Letztere stellt man jene Pflanzen, welche einen niede-
ren Wärmegrad erheischen, wohin z.B. alle aus Neuhol-
land, vom Cap, China und Ober-Indien zu uns verpflanzten
gehören." (7)
Es wird bei solchen Angaben erkenntlich, woher solche
Pflanzen bezogen wurden, was einen Fernhandeln exoti-
scher Pflanzen voraussetzt. Dieser muß daran interessiert
sein, daß der Treibhausbau sich immer weiter ausdehnt.
Freiherr von Walden gibt in seinem Aufsatz Ratschläge
für die wohlhabende Mittelklasse, was aussagen könnte,
daß hier ein neuer Markt gesehen wurde, der sich ausbau-
en ließ.
In Gewächshäusern für Orchideen und ähnliche Pflanzen
war eine Temperatur von 15 - 20° einzuhalten. Ähnlich
hoch mag die Temperatur im Palmenhaus sein. Die Kon-
servatoirs mußte andere Temperaturhöhen garantieren:
"Diese sogenannten Konservatoirs haben dann eine Wär-
me von 10 - 15°, die eigentlichen Orangerien dagegen nur
5 - 10°." (8)
Üblicherweise würde man diese drei Glashäuser, die sol-
che Temperaturhöhen unterschiedlicher Art garantieren
müssen, also 5 - 10°, 10 - 15° und 15 - 20°, in einem Ge-
bäude vereinen, das meist so angeordnet und dimensio-
niert ist:
"Die Fronte eines solchen Gebäudes kann zwischen 60 -
100 Fuß lang sein, die mittlere Abtheilung, für Palmen
bestimmt, ist bis 30 Fuß hoch, der rechte Seitenanbau
enthält Cap- und Neuholländer-Pflanzen, der linke Anbau
aber ist zur Orangerie bestimmt, und beide haben eine
Höhe von 15 - 18 Fuß." (9)
http://www.fotos.web.de/spaceoffice/Deutschland_Treibhaeuser
(Gewächshäuser, Ansichten, Schnitte)
Sieht man sich ein solches Gebäude auf der Zeichnung
an, entdeckt man eine klassizistische Gewächshausarchi-
tektur. Diese kann zu großer Pracht gesteigert werden,
um für große Anläße einen schönen Ort zur Versammlung
zu erhalten.
"Oft stehen diese Gebäude mit dem Wohnhause in Ver-
bindung, und sind dann so geräumig eingerichtet, daß sie
bei besonderen Feierlichkeiten zugleich mit als Gesell-
schaftsräume oder Spaziergänge benutzt werden können.
Diese Gebäude sind eigentlich Luxusgebäude, und nur für
die reiche Klasse anwendbar, indem sie noch andere, weit
geräumigere erfordern, welche allein für die Zucht der Pflan-
zen bestimmt sind, und aus welchen dann die ersteren
kompletirt werden, in denen eine eigentliche Pflanzenkultur
nicht möglich ist." (10)
Da von Walden Hinweise an die gehobene Mittelschicht
geben will, streift er dieses Thema nur, weil solche Gebäu-
de ausschließlich für die sehr reichen Familien taugen.
War bisher von Pflanzenhausabteilungen die Rede, in de-
nen Temperaturen von 5 - 10°, 10 - 15° und 15 - 20° herr-
schen müssen, so führt er nun die Treibkästen an, in de-
nen eine noch höhere Temperatur aufrecht erhalten werden
muß.
"Die eigentliche Pflanzenzucht erfordert andere Vorrichtun-
gen, die indeß, je nach dem vorgesetzten Zwecke, eben-
falls Unterabtheilungen haben. - So gibt es Treibkästen, die
mit ganz liegenden Fenstern versehen und so eng sind,
daß man sich darin kaum bewegen kann; in diesen
herrscht beständig ein feuchter Wärmegrad von 25 - 30° R.
Sie dienen meistens zur Beschleunigung der Blüten, vor-
züglich bei Zwiebelgewächsen, Rosen und allen derlei
Pflanzen, deren Blütezeit antizipirt werden soll; eben so
werden manche Obstsorten in denselben gezeitigt." (11)
Er rät der Mittelklasse ab, sich solche Pflanzenhäuser zu
halten, denn:
"Auch diese Gattung von Treibhäusern ist mehr für die Be-
dürfnisse des Luxus bestimmt, und sie werden fürs Erste
hier nur angeführt, ohne daß wir für jetzt näher in ihre sehr
komplizirte Konstrukzion eingehen." (12)
Es scheint also von Walden darum zu gehen, zunächst all
das anzuführen, was eigentlich nur den ganz Reichen mög-
lich ist, um dann darauf zu kommen, was sich die gehobe-
ne Mittelklasse leisten kann. Auch dieses Gebäude hält
er eher ungeeignet für Deutschland:
"Eine dritte Art Pflanzenhäuser, welche man in ganz Eng-
land und Belgien häufig findet, ist ebenfalls ganz von Eisen
und von allen Seiten mit Glas eingedeckt. Diese Gebäude
dienen ausschließend für die Bewahrung aller minder em-
pfindlichen Pflanzen, und beherbergen vorzüglich die zahl-
reiche Familie der Eriken, Kamellien, Azaleen, Rhododen-
drons u., und ihre nach Norden gekehrte Seite hat gewöhn-
lich abgeschlossene Kästen, welche für die Zucht der
Stecklinge bestimmt sind." (13)
Es sei vor allen Dingen die komplizierte Bauweise solcher
Pflanzenhäuser, welche sie für die Mittelschicht ungeeig-
net macht. Er fragte sich auch, ob die Winterkälte in deu-
tschen Gebieten, die unter - 20° absinken kann, für diese
Pflanzen in solchen Gewächshäusern schädlich sein wird.
Offensichtlich bestanden bei ihm dazu keine konkreten
Erfahrungswerte. Er mutmaßt, daß eine Beheizung in sol-
chen Häusern zu sehr trockener Luft führen werde, was
den eingestellten Pflanzen nur schaden könne, da der kalte
Winter "oft Monate lang anhält". Daß sich Luft befeuchten
läßt, erwähnt er nicht.
Schließlich rückt von Walden damit heraus, um was es
ihm eigentlich geht. Er will "eine Art Normal-Kultivazions-
haus" entwerfen, welches sich auf alle Verhältnisse und
Bedürfnisse von deutschen Baulustigen anpassen läßt.
"Dabei haben wir noch stets den Zweck im Auge behalten,
alle Kulturarten in einem und demselben Raume möglich
zu machen, und dem Stecklinge oder dem Sämlinge so-
wohl, als der bereits ausgebildeten Pflanze ihre behagli-
chen Aufstellungsplätze zu schaffen, um dem Liebhaber,
der nicht immer mehrere Gattungen von Glashäusern bau-
en kann, oder dem Handelsgärtner, der lieber das Ganze
mit einem Blicke übersieht und nicht gerne Pflanzen aus
einem Hause in das andere schleppt, Alles unter die Hand
zu stellen." (14)
Was er will, sind also Treibhäuser zu ganz unterschiedli-
chen Kosten, zugeschnitten auf die Möglichkeiten seiner
Auftraggeber. Da solche Gebäude ganz verschieden sein
würden, stellt er ein Gebäude vor, das auf eine bestimmte
Menge von Pflanzen abgestimmt ist. Platz soll sein für
"eine Aufstellung von 900 - 1000 großen Töpfen und 700 -
800 kleineren". Zudem will er sichergestellt wissen, daß
"gegen 200 solcher Töpfe im Winter unter den Stellagen
Raum und Licht haben". Rücksicht sei auf die Größe der
Pflanzen zu nehmen. Und er fügt an:
"Begreiflicher Weise ist bei einem so beschränkt voraus-
gesetzten Raumverhältnisse nicht an eine Schaustellung
zu denken, da die Breite der nöthigen Wege nur zu 2 1/2
Fuß und die mittlere Höhe nur zu 8 Fuß angenommen ist."
(15)
Er räumt ein, daß je nach Bedürfnis, bei Zugabe an Raum,
leicht bessere Verhältnisse zu schaffen sind, die ein Um-
hergehen mehrerer Personen erlauben, aber damit steigen
auch die Bau- und Unterhaltungskosten, wie sich leicht
annehmen läßt. Interessanter sind Aussagen, die sich
darauf beziehen, wie in der Biedermeierzeit auf das deu-
tsche Klima Rücksicht genommen werden sollte.
"Das Gebäude ist außerdem für unseren deutschen Win-
ter berechnet, daher die Mauerdicke auf 1 1/2 Fuß be-
stimmt, und sämmtliche Fenster mit Decken und Läden
zum Eindecken angetragen. Eine doppelte Wärmeleitung,
deren Rauchkanal durch die Mitte des Gebäudes geleitet
ist, zieht sich inwendig um das Haus. Wo man des Lich-
tes bedarf, ist eine Glaseindeckung angebracht, die übri-
gen Theile aber, zur Ersparniß der Kosten, mit doppelter
Holzverschalung versehen, welche man von außen durch
einen guten Oelanstrich gegen die Witterung schützen
kann, wenn man nicht einen Ueberzug von Zink- oder Ei-
senblech anwenden will." (16)
Es empfiehlt sich, seinen Entwurf für ein Gewächshaus
genauer auszuwerten. Er gibt reichlich Hinweise, die uns
die Einzelheiten verstehen lassen.
"Was die innere Eintheilung betrifft, so gibt es gewisse Ge-
genstände, deren Größe man nicht gerne überschreitet.
Dahin gehören z.B. die Fenster; sind diese länger als 12
Fuß, so werden die Läden, die zum Eindecken verwendet
werden und nothwendig eine gleiche Länge haben müssen,
nur sehr schwer zu handhaben, weßwegen wir hier nur 11
Fuß als Länge für die Fenster angenommen haben, da
man ja im Nothfalle diesen einen Fuß an der Höhe noch
zugeben kann." (17)
Sein Entwurf geht also davon aus, daß die Fenster zu be-
stimmten Zeiten abzudecken sind. Eine solche Abdeckung
muß handhabbar bleiben. Es bleibt unklar, ob nur das Ge-
wicht eine Einschränkung bewirkt, oder die Ausdehnung
der Abdeckung. Andererseits wird uns bewußt, daß es in
deutschen Gebieten Abdeckungen gab, um Kälte im Win-
ter besser außerhalb des Treibhauses halten zu können.
Die Abdeckungen könnten so gehandhabt worden sein,
daß bei Sonnenschein die Wärmeeinstrahlung ausgenutzt
wurde, ansonsten den Winter über in den dunklen Stunden
der Wintertage abgedeckt wurde.
"Sind ferner die Blumenstellagen sehr breit und hoch, so
sind die darauf befindlichen Pflanzen aus freier Hand
schwierig zu begießen, und man ist genöthigt, Stiegen
oder Leitern anzuwenden, wozu es in einem so kleinen
Hause, als das hier entworfene, an Raum gebricht." (18)
Zur Dimensionierung gibt von Walden genaue Angaben,
was sich in seinem Aufsatz aus der Biedermeierzeit genau
nachlesen läßt. Auf abgetreppten Stellagen, fünf Reihen
vorne und vier hinten, bietet er Blumentöpfen eine Unter-
bringung, die ein Begießen der Pflanzen problemlos ma-
chen. Wie zu veglasen ist, beschreibt er so:
"Der Winkel, welchen die Fenster gegen den Horizont bil-
den, beträgt nur 30°, indem es für die Pflanzen um so vor-
theilhafter ist, je näher dieselben dem Glase stehen, wobei
zugleich aller überflüssige Luftraum vermieden, und die
Wärme, die immer nach oben steigt, mehr auf die Pflanzen
konzentrirt wird." (19)
Es meint folglich, Sonne erreicht die Pflanzen so besser.
Dabei nimmt er Nachteile in Kauf:
"Allerdings haben die flacher liegenden Fenster den Nach-
theil, daß das Wasser an ihnen langsamer abfließt, und
sie daher leichter das so schädliche Eintropfen veranlas-
sen, und daß bei einem Hagelwetter die Scheiben, wenn
sie nicht von Doppelglas sind, sehr gefährdet werden"
(20)
Der Begriff "Doppelglas" begegnete mir schon anderswo.
Man fragt sich, was er damit meint. In unserem heutigen
Verständnis würden wir darunter ein Fenster aus zwei
hintereinander liegenden Scheiben verstehen, zwischen
denen sich ein Luftraum oder Vakkum befindet. Vermutlich
ist hier bei von Walden jedoch gemeint, daß zwei Fenster-
gläser direkt aufeinander liegen und dadurch die Glasfläche
größere Belastungen aushält. Man müßte das nachprüfen.
Wenig im Griff scheint man zu dieser Zeit die Dichtungen
gehabt zu haben. Wurde der Neigungswinkel zu gering,
drang leicht Wasser durch die Fugen der Glasscheiben.
Man müßte die Probleme, die bei deutschen Gewächs-
häusern in der Biedermeierzeit bestanden haben, genauer
durchdringen. Was das Eindringen von Wasser betrifft, fand
von Walden einen Weg:
"indessen haben wir dem ersteren Nachtheile dadurch be-
gegnet, daß die obere Glasdecke nicht aus besonderen
Rahmen besteht, sondern alle Scheiben in den Stäben in
Falzen, und einen Zoll über einander liegend, fest eingekit-
tet sind, weßhalb dort kein Wasser durchdringen kann."
(21)
Man hat also die Glasplatten wie Dachschiefer schuppen-
artig übereinander gelegt und seitlich mit Kitt abgedichtet.
Der Nachteil bestand darin, daß keine Frischluft durchge-
drungen ist. Lüftungen durch bewegliche Teile am Treib-
haus kosteten finanziellen Mehraufwand. Glas war anderer-
seits kostspielig, und es mußte vermieden werden, daß
mit Glas bedeckte bewegliche Teile durch Windböen zu
Bruch gingen. Es wurde also nach Auswegen gesucht.
"Dieser Luftzug kann nun durch das Oeffnen der beiden,
an der Ost- und Westseite angebrachten Fenster bewirkt
werden, und wenn dieses nicht hinlänglich sein sollte, so
kann an der vorderen Seite die ganze Reihe einen Fuß ho-
her Oeffnungen, die von außen mit praktikablen Glasfen-
ster in Rahmen versehen sind, zur Lüftung mit verwendet
werden." (22)
Man kann sich das im Schnitt seines Entwurfes ansehen.
Über einer brüstungshohen Außenwand befindet sich auf
der Sonnenseite des Glashauses ein schmaler und verti-
kaler Fensterstreifen, über dem die schräge Glasfläche
des Treibhauses auf einem horizontalen Balken aufliegt.
Sein Schutz gegen Hagelschlag ist eine einfache Vorrich-
tung:
"Gegen den Hagelschlag geben die, auch zum Schatten-
geben angebrachten Decken, welche an Rollen schnell
herabgelassen werden können, wohl das beste Mittel, so-
bald dieselben aus einem groben, mit Fett imprägnirten
Wollenstoffe (auch Loden genannt) bestehen." (23)
Sein Treibhaus, das er vorstellt, hat gegen Süden also
eine Rolle aus Lodenstoff, mit dem gegen zu starke Son-
neneinstrahlung und bei Hagel das Glas abgedeckt wird.
Aber es gibt auch nach Norden Glasflächen bei seinem
Treibhaus. Diese werden der Lichtzufuhr dienen.
"Die rückwärtigen, gegen die Nordseite gekehrten Fen-
ster fallen in einem Winkel von 50° ab, bedürfen gegen die
Sonne keines Schutzes, das Wasser läuft schnell genug
ab, und für den Hagel sind Strohdecken hinlänglich. Die
Fensterfelder dieser Seite ruhen in Rahmen, und können,
da sie nur 4 1/2 Fuß hoch und eben so breit sind, beliebig
aus- und eingehoben werden." (24)
All diese Vorrichtungen muten noch äußerst schlicht an.
Es entsteht der Eindruck, daß es zu dieser Zeit weitaus
modernere Gewächshäuser gegeben haben wird. Mögli-
cherweise ist der Hinweis des von Walden, es müsse ein
dem deutschen Klima entsprechendes Gewächshaus ge-
baut werden, zugleich eine Ausrede, um leicht veraltete
Bautechniken in Deutschland weiterführen zu können. Um
zu wissen, wie es sich verhält, wäre der Treibhausbau die-
ser Zeit sehr genau zu studieren, um optimale Vergleichs-
möglichkeiten zu haben. Besonders an den Schnitten des
Treibhauses, das uns von Walden als Idee vorstellt, könn-
te sich zeigen, daß seine Ideen eigentlich schon überlebt
sind. Der Eindruck verstärkt sich rasch, wenn man seine
Beschreibung der Baukonstruktion durchliest. Es ist von
Holzbalken die Rede, die als Stützenreihe in den Boden
eingelassen werden sollen, von Holzrahmen, die zur Auf-
lagen der Glasplatten dienen, von Verbretterung, zwischen
die Moos zur Abdichtung eingedrückt werden soll, usw.
Schließlich wird deutlich, daß seine Beschreibung dazu
dienen soll, seine vereinfachte Bautechnik so darzulegen,
daß sie auch von jemandem, der kein Architekt ist, nach-
gebaut werden kann. Zu seinen Bauzeichnungen sagt er:
"Die beiden Grundpläne /.../ dürften, vereint mit den Durch-
schnitten /.../, Alles hinlänglich versinnbildlichen, um je-
den gewöhnlichen Maurer und Zimmermann zu dirigiren,
weßhalb wir auch in der Beschreibung umständlicher ge-
wesen sind, als dieß für einen Architekten nöthig gewesen
wäre." (25)
Was das Heizen betrifft, legt er Wert auf eine Warmwas-
serheizung, die so ausgelegt ist, daß nach Anheizen und
dem Erreichen der gewünschten Raumtemperatur kaum
noch Feuerungsmaterial nachgelegt werden muß. Er be-
schreibt leicht nachvollziehbar den improvisierten Heizkes-
sel und weist darauf hin, daß als Zirkulationswasser in den
verlegten Heizrohren besser Regenwasser an Stelle von
Brunnenwasser genommen werden sollte, da Brunnen-
wasser sehr rasch zur Verkalkung der Rohre führen werde.
Neben dem Bau einfacher Treibhäuser empfiehlt er Treib-
glocken aus Glas, die er bei "Herrn Lodiges" in England
gesehen hatte. Diese kleinen Treibhausglocken werden
als Handglocken über Stecklinge gestellt, was zu guten
Ergebnissen geführt habe. In England könne man sie
"in den Fabriken bei Herrn Jones in Birmigham" preis-
günstig erwerben. Andererseits erwähnt er:
"Jeder Glaser kann sie indeß aus alten, abgestorbenen
Glastrümmern zusammen setzen." (26)
Wir entdecken also das Bemühen des von Walden, den
Leuten, die sich ein Treibhaus anschaffen wollen, einfache
Hinweise zu geben, wie sie möglichst günstig zu einem
Treibhaus kommen können. Er rät davon ab, sich auf den
Bau von zu kostspieligen Anlagen einzulassen, die sich
nur die reiche Oberschicht der Biedermeierzeit leisten
kann, und schlägt vereinfachte Pflanzenhausbauten vor,
die auch für die wohlhabendere Mittelschicht finanzier-
bar sind. Er verweist in seinem Aufsatz beständig da-
raufhin, wo und wie improvisiert werden kann, um Bau-
kosten einzusparen. Es entsteht dadurch der Eindruck,
daß er zugleich eine notwendige Modernisierung der Ar-
chitektur der Treibhäuser in Deutschland behindert. Seine
Ideen führen zum improvisierten Treibhaus, nicht zum
modernen Treibhausbau, der auf dem modernsten Stand
ist. Es handelt sich also mehr um eine Popularisierung
der Idee, sich Treibhäuser anzuschaffen. Ein solcher
Wunsch scheint in der Biedermeierzeit sehr groß gewe-
sen zu sein.
K.L.
Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in
http://groups.google.com/group/baugeschichte
zur Diskussion gestellt. Der Autor ist über folgende
Emailadresse erreichbar: baugeschichte (at)
email.de
Anmerkungen:
(1)-(9) zitiert aus: von Walden: Ueber dekorirte Landschafts-
Gartenkunst, Anlagen sogenannter Natur- oder englischer
Gärten und Gebäude, im großen, wie im kleinsten Maß-
stabe; ganz vorzüglich für Deutschland und die wohlhaben-
dere Mittelklasse berechnet. Ueber die Konstrukzion und
Einrichtung von Gewächshäusern. S.211-221 und Zeich-
nungen auf dem Blatt auf S.215 in: Allgemeine Bauzeitung.
Wien, 1839. S.211
(10) zitiert aus: von Walden, wie vor, S.211
(11)-(15) zitiert aus: von Walden, wie vor, S.212
(16) zitiert aus: von Walden, wie vor, S.212f.
(17)-(24) zitiert aus: von Walden, wie vor, S.213
(25) zitert aus: von Walden, wie vor, S.217
(26) zitert aus: von Walden, wie vor, S.221