Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert
errichteten Bauwerken: Forschungen zu englischen
Treibhäusern der Biedermeierzeit
In der Biedermeierzeit gab es ein großes Interesse am
Thema Treibhäuser. Es wäre interessant zu wissen, wie-
viele damals gebaut wurden, und seit wann es sie gab.
In einem Aufsatz vom Jahre 1837 wird beschrieben, daß
die französische Regierung im Jahre 1833 den Beschluß
gefaßt hatte, eine Delegation nach England zu schicken,
um sich Wissen davon anzueignen, wie die zur Vollkom-
menheit gebrachten Treibhäuser erbaut sind und unterhal-
ten werden. Aufgrund dieser Forschungsreise entstanden
kurz darauf die Treibhäuser im naturhistorischen Museum
in Paris. Über die Bauanlagen dieses Museums wurde im
Jahre 1837 in der Allgemeinen Bauzeitung berichtet, die
damals im 2.Jahrgang in Wien erscheinen konnte. Kurz
darauf gab dieselbe Fachzeitung diesen Hinweis:
"Da die im naturhistorischen Museum von Hrn.C.Rohault
errichteten, bereits von uns beschriebenen Treibhäuser
ein Resultat seiner in England gemachten Erfahrungen
sind, so dürfte es für unsere Leser interessant sein, wenn
die Bemerkungen der Herren C.Rohault und Mirbel über
die englischen Treibhausanlagen hier mitgetheilt werden,
um so mehr, als sie von Beschreibungen des Vorzüglich-
sten in dieser Art, so wie der zweckmäßigsten Vorrich-
tungen zur Zucht der Pflanzen begleitet sind, und als die-
se Beschreibungen sich nur auf Gegenstände beziehen,
welche die Reisenden selbst zu sehen Gelegenheit hat-
ten." (1)
Gleich eingangs im Aufsatz werden wir darüber informiert,
daß die modernen Gewächshäuser in England aus geboge-
nen Eisenteilen bestehen.
"Fast an allen, gegenwärtig in England erbauten Treibhäu-
sern, findet man die Träger für die Fensterrahmen von ge-
walztem Eisen." (2)
Man hatte also in der Biedermeierzeit das Material Eisen
für den Bau der Treibhäuser entdeckt. Der Vorteil dieses
Materials lag auf der Hand.
"Diese eisernen Träger bieten der Einwirkung der Sonnen-
strahlen wenig Hindernisse dar, und sind bei ihren geringen
Querschnitts-Dimensionen leicht, und ohne besondere Ko-
stenvermehrung herzustellen." (3)
Es konnte also sehr filigran gebaut werden, um Tragge-
rüste für die Auflage von Glasplatten zu erhalten. Aber man
konnte auch bei gewalztem Eisen leichte Formgebung be-
treiben und zu Verbesserungen gelangen.
"Man hat an der Form der Glaswand eine wesentliche Ver-
besserung angebracht; sie besteht darin, daß den eisernen
Falzenrahmen eine gekrümmte Gestalt gegeben wurde."
(4)
Wozu diese gekrümmte Gestalt diente, wurde erklärt:
"Auf diese Weise bietet die Glaswand der Sonne eine zy-
lindrische Oberfläche dar, welche nach und nach, durch
die Dauer der ganzen Tageszeit, ihre Strahlen fast normal
auf jeden Theil der Krümmung empfängt. Die Temperatur
im Glashause ist gleichförmiger, als bei gerader Gestalt
der Glaswand, denn in diesem Falle wirkt nur dann die ge-
sammte Wärme ein, wenn die Strahlen der Sonne senk-
recht auf die Ebene der Glaswand fallen; jedoch zu jeder
andern Zeit vor und nach dem Eintritte dieser Richtung geht
ein großer Theil der Sonnenhitze für die Erwärmung des
Glashauses durch die Reflexion der Strahlen verloren." (5)
Man hat also, in der Meinung, die Sonneneinstrahlung da-
durch verbessern zu können, auf den wechselnden Sonnen-
stand Rücksicht genommen und der Glasfläche des Ge-
wächshauses eine immer wechselnde Lage zur Sonne ver-
liehen. Erzielt wurde dabei noch ein anderer Effekt:
"Die gekrümmte Gestalt der eisernen Falzträger vermehrt
die Eleganz der Konstrukzion, und gestattet eine Vermin-
derung ihrer Querschnitts-Dimensionen, ohne der Festig-
keit Eintrag zu thun." (6)
Die Formgebung "der eisernen Falzträger" ergab die Mög-
lichkeit, die Walzeisenteile sehr filigran werden zu lassen.
Dadurch ließ sich die Glasfläche des Treibhauses vergrös-
sern und die Verschattung durch die Tragstruktur erheblich
mindern. Es stellt sich die Frage, wie man damals diese
Walzeisen in die genaue gebogene Form dieser Tragstruk-
tur brachte. Dieser Satz suggeriert, daß die Formgebung
sehr leicht vonstatten ging:
"Man erreicht diese gekrümmte Form auf eine sehr einfa-
che Weise, ohne Anwendung irgend einer Maschine." (7)
Die französischen Forschungsreisenden hatten Glück. Sie
fanden jemanden, der ihnen zeigte, wie sich die Falzträger
aus gewalztem Eisen sehr einfach in Form bringen liessen.
Dieser Hinweis erleichterten ihnen das Verständnis vom
Bau der Konstruktion der Treibhäuser erheblich.
"Alle diese eisernen Bestandstücke sind sehr weich; sie
werden kalt bearbeitet und mit Hammerschlägen gekrümmt,
worin die Arbeiter eine besondere Fertigkeit besitzen." (8)
Man darf annehmen, daß die Arbeiter an einem genauen
Muster alle gefertigten Teile prüften. Um die Krümmung
leichter zu erreichen, werden sie vielleicht eine Vorrichtung
gehabt haben, auf der sich die Krümmung einfach einschla-
gen ließ.
Den Franzosen wurde auch bewußt gemacht, daß die Fäl-
ze dieser zusammensetzten Traggerüste sehr schmal
sind. Sie berichteten:
"Hier fällt besonders die geringe Größe der Fälze in die Au-
gen. Solche verursachen zwar einige Schwierigkeiten bei
der Festlegung der Scheiben, allein sie gewähren den Vor-
theil, daß die eisernen Falzträger nicht unnützer Weise
breite Schatten werfen." (9)
Man kann sich den Querschnitt solcher Falzträger anhand
der Zeichnungen vor Augen führen.
http://www.fotos.web.de/spaceoffice/England_Treibhaeuser_1
(Ansicht, Grundriß, Schnitt, Querschnitte von Falzträgern,
usw.)
Es wurden in England Treibhäuser entwickelt, die auf die
Art der Pflanzen Rücksicht nehmen, die in ihnen gedeihen
sollen. Da das so war, konnten die Forschungsreisenden
aus Frankreich ganz unterschiedliche Treibhäuser auf-
suchen und sich davon ein Bild machen. Sie fanden auch
heraus, wie solche Treibhäuser beheizt wurden.
"Die in den englischen Treibhäusern gebräuchlichen Hei-
zungsarten sind folgende:
1) Man benützt die Hitze, welche beim Durchgange des
Rauches durch Kanäle oder Röhren von Ziegeln frei wird.
2) Man leitet Wasserdämpfe durch gußeiserne Kondensa-
zionsröhren.
3) Man verursacht eine Zirkulazion des warmen Wassers
in gußeisernen Röhren, welche zirkulirende Bewegung
durch die Störung des Gleichgewichts, vermöge der ver-
schiedenen Dichtigkeit des Wassers bei verschiedener
Temperatur, bewirkt wird.
4) Man läßt über den Siedepunkt erhitztes Wasser in
schmiedeeisernen Röhren von sehr geringem Durchmes-
ser, jedoch von hinreichender Stärke, um diesem hohen
Drucke zu widerstehen, zirkuliren." (10)
Diese vier Heizungsmethoden lassen sich in einer gewis-
sen Verbreitung in unterschiedlichen Regionen auffinden.
Sie haben auch ihre jeweilige Geschichte, der man genau-
er nachgehen müßte. Ein Hinweis findet sich im Text vom
Jahre 1837:
"Die Heizung mittelst Rauch ist die älteste von diesen vier
Methoden; man bediente sich derselben bis jetzt in dem
Museum der Naturgeschichte zu Paris, sie wird in den
Treibhäusern der Gärten zu Kew, und in denen einiger Pri-
vaten zu London angewendet." (11)
Zugleich ist diese Heizungsart uneffektiv und eigentlich nur
billig herzustellen. Die Nachteile sind deutlich herausgear-
beitet worden:
"Hierher gehören: der bedeutende Aufwand an Brennma-
terial, die beständigen Reparaturen an Oefen und Rauch-
kanälen, ihre geringe Wirksamkeit, die Gefahr des Rau-
chens im Glashause, wodurch alle zarteren Pflanzen ver-
derben; endlich die höchst ungleiche Verbreitung der
Wärme, durch welche die Pflanzen in der Nähe des Ofens
beinahe versengt werden, während in einiger Entfernung
vom Ofen die zu ihrer Erhaltung nöthige Temperatur nicht
zu erzielen ist." (12)
Man ist also genötigt, mehrere Öfen in Betrieb zu halten,
wird im Text erläutert. Ist ein solches Heizsystem einge-
richtet, so behalte man es in der Regel bei, weil der Be-
treiber des Gewächshauses die Unkosten des Umbaues
scheue.
Die zweite Heizungsart, also das Heizen mit Wasser-
dampf, sei zwar effektiv, besonders "für warme Häuser im
Großen", aber "der Uebelstand" bestehe darin, daß sich
im Treibhaus kein "beständiger Wärmebehälter" befinde.
Gemeint sind die Treibhäuser des Herrn Loddiges. So-
bald kein heißer Dampf in den Röhren zirkuliere, würden
die Rohre sofort erkalten. Das erzwinge ein ständiges Be-
feuern der Heizkessel. Bei Lord Powis habe man diesen
Mißstand dadurch beseitigt, indem man die Dampfröhren
in einen Wasserbehälter geleitet habe, was zur Aufwär-
mung des Wassers führte, wodurch der Wasserbehälter
Wärme in den Raum abgab, falls kein heißer Dampf zir-
kulierte.
Karl Ritter, der sich als ungarischer "Garten-Direktor" mit
dem Beheizen von Treibhäusern zu beschäftigen hatte,
sah sich ebenfalls in England um. Bald stieß er auf Treib-
häuser, in denen mit einer Dampfheizung geheizt wurde.
"Weil die Pflanzen in feuchter, warmer Luft, mit Licht
und Schatten abwechselnd, am besten gedeihen (dieses
sieht man am deutlichsten in den Tropenländern, wie z.B.
in Süd-Amerika), so kamen die Engländer auf den Einfall,
einen Apparat zu verfertigen, der Wärme und Feuchtigkeit
zugleich entwickelt, um sonach die Pflanzen in Treibhäu-
sern im Wachsthum mehr zu fördern, was ihnen auch
theilweise gelang. Sie wendeten nämlich die Dampfheizun-
gen an." (13)
Die Beschreibungen von Ritter sind einigermaßen wertvoll,
da er ziemlich genau beschreibt, wie diese Heizungsart
in den Treibhäusern angewendet wird.
"Es wird /.../ in einem Kessel Wasser durch Feuer erhitzt
und der hierdurch entstehende Dampf in gußeisernen Röh-
ren durch alle Theile des Treibhauses geleitet. Diese Röh-
ren gingen auch vorn an den Fenstern vorbei, wo sie am
zweckmäßigsten angewendet wurden; bei Tropenpflanzen-
Treibhäusern führte man sie zwischen den Pflanzenbretern
durch. An diesen Röhren nun befinden sich Pippen (Häh-
ne), die geöffnet werden oder geschlossen bleiben können.
Sind sie geschlossen, so verbreitet sich eine, für Pflanzen
sehr gedeihliche, Wärme; öffnet man aber eine der Pippen,
so strömt der Dampf heraus und verursacht auf den Pflan-
zen einen solchen Thau, daß die Blätter bald nachher mit
tausend glänzenden Thautropfen bedeckt sind. Die Eng-
länder haben vielen Erfolg von dieser Methode gehabt, und
wenden dieselbe auch noch an. Die großen königl. Wein-
und Pfirsisch-Treibereien in Kinsington-Garden werden
noch jetzt durch Dampf geheizt, und zwar mit einem
Dampf-Apparate, welcher in einem abgesonderten Hause
steht. Der Dampf wird von da durch Röhren, welche unter
der Erde fortlaufen, in mehrere Treibhäuser zugleich ge-
leitet." (14)
Man war also in der Biedermeierzeit in England bereits in
der Lage, mehrere Treibhäuser gleichzeitig mit Dampf zu
beheizen. Ritter schildert auch ein Treibhaus in Bruck an
der Leitha, das bereits über eine Dampfheizung verfügte.
Das Personal habe es jedoch nicht verstanden, mit diesem
Heizsystem umzugehen. Die Folge war, daß die wertvollen
Pflanzen in Bruck verfaulten.
Die dritte Beheizungsart, also die Beheizung durch zir-
kulierendes warmes Wasser, sei von den Engländern
bei dem Franzosen Bonnemain kopiert worden. Man wen-
de diese Art zu heizen in England "in allen, gegenwärtig
von Privaten errichteten Treibhäusern an". Die Vorteile lä-
gen auf der Hand. Das Schicksal des Erfinders war wohl
schlimm, denn Rohault und Mirbel geben dazu Nachricht:
"Die Heizung mit warmen Wasser wurde von einem Fran-
zosen, Namens Bonnemain, einem äußerst scharfsinnigen
Manne, erfunden. Dieser erntete jedoch die Früchte seiner
Entdeckung nicht, da er 1830 in einem Alter von 80 Jahren
in Armuth starb." (15)
Wie die Engländer vorgingen, wird so geschildert:
"Die Engländer, mit mehr Ausdauer, und insbesondere
mit mehr pekuniären Kräften begabt als die Franzosen, be-
mächtigten sich der Erfindung des Bonnemain, wendeten
diese Heizmethode in allen, gegenwärtig von Privaten er-
richteten Treibhäusern an, und fanden dieselbe in jeder
Gestaltung gleich vortheilhaft." (16)
Man war jedoch mit der Wirksamkeit der Heizung dort un-
zufrieden, wo für die Pflanzen eine höhere Raumtemperatur
benötigt wurde. Dies führte zu Experimenten, mit sehr ho-
her Temperatur des Wassers in den Röhren zu arbeiten. Je-
doch kam es zu Unfällen:
"Allein bei diesem Systeme ist man vielen Gefahren und
Unfällen unterworfen, insbesondere aber dem Bersten der
Leitungsröhren, wodurch das Verlöschen des Feuers, Be-
schädigung des Ofens und Zerstörung der Pflanzen herbei-
geführt wird. Man hat demnach für jetzt der Anwendung
dieser Heizart entsagt, fährt aber fort, darüber Versuche zu
machen. So wurden den Reisenden Modelle hievon bei
Herrn Loudon und im Hortikulturgarten vorgewiesen." (17)
Warmwasserheizungen reichten, so sagen uns Rohault
und Mirbel, in den Treibhäusern nicht für alle Pflanzen aus.
Fuhr man diese Heizungen mit zu hoher Wassertempera-
tur, konnten sich die Warmwasseranlagen selbst zerstören.
Sie kamen zu dem Schluß, daß Dampfheizungen zu die-
sem Zeitpunkt, also in der Biedermeierzeit um das Jahr
1833, noch die effektivste und sicherste Heizungsart für
Treibhäuser seien. Wenn man es verstand, sie richtig ein-
zusetzen, seien sie derzeit optimal. Sie sagen aber auch,
daß in England über Warmwasserheizungen geforscht
wurde, die auch sicher bei hohen Temperaturen betrieben
werden können. Prototypen davon sahen sie in England:
"So wurden den Reisenden Modelle hievon bei Herrn Lou-
don und im Hortikulturgarten vorgewiesen." (18)
Dadurch also, daß die Holzkonstruktionen der Treibhäu-
ser durch Eisenkonstruktionen ersetzt wurden, kam es
in England zum Bau filigraner Tragwerke für das Auflegen
der Glasplatten. Außerdem wurde nach dem effektivsten
Beheizungssystem für die Treibhäuser gesucht. Von den
vier Beheizungsarten, die angewandt wurden, erwies sich,
laut Rohault und Mirbel, die Dampfheizung bis dato am
effektivsten. Die Entwicklung ging jedoch rasch weiter. Es
empfiehlt sich, die gesamte Entwicklung der Treibhäuser
genauer zu verfolgen. Neben den technischen Entwick-
lungen, die sich in den Treibhausbauten repräsentieren,
ist der Baustilentwicklung beim Treibhausbau nachzuge-
hen.
K.L.
Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in
http://groups.google.com/group/baugeschichte
zur Diskussion gestellt. Der Autor ist über folgende
Emailadresse erreichbar: baugeschichte (at)
email.de
Anmerkungen:
(1)-(4) zitiert aus: C.Rohault, Mirbel: Ueber englische Treib-
häuser. (Der Text wurde von der Redaktion der Allgemei-
nen Bauzeitung übersetzt und überarbeitet. Der Text ent-
hält also Abänderungen und Erweiterungen durch die Re-
daktion.) S.395-400; S.403-408 und Zeichnungen auf den
Blättern CLXXIII, CLXXIV und CLXXV in: Allgemeine Bau-
zeitung. Wien, 1837. S.395
(5) zitiert aus: C.Rohault/Mirbel, wie vor, S.395f.
(6)-(7) zitiert aus: C.Rohault/Mirbel, wie vor, S.396
(8)-(9) zitiert aus: C.Rohault/Mirbel, wie vor, S.404
(10)-(12) zitiert aus: C.Rohault/Mirbel, wie vor, S.396
(13)-(14) zitiert aus: Karl Ritter: Ueber die Warmwasser-
Heizungsmethode in Treibhäusern. S.99-100 in: Allgemei-
ne Bauzeitung. Wien, 1836. S.100
(15)-(16) zitiert aus: C.Rohault/Mirbel, wie vor, S.396
(17)-(18) zitiert aus: C.Rohault/Mirbel, wie vor, S.397