Die Suche nach den Anfängen der Heimatschutzbewegung
im deutschsprachigen Kulturraum: Heimatschützer kämpfen
in Bayern für den Schutz des Flachdaches
Vermutlich führte der Gegensatz zwischen Neuerern und
Schützern alten Kulturgutes auf dem Gebiet des Bauwe-
sens schon zu einer sehr frühen Herausbildung einer Hei-
matschutzbewegung. Die Geschichte solcher Heimat-
schutzbewegungen im deutschsprachigen Kulturraum zu
verfolgen, wird sehr interessant sein müssen; genauso
der Werdegang der jeweiligen Moderne in demselben Kul-
turraum. Daß sich dieser deutschsprachige Kulturraum
sehr kompliziert darbietet, muß bei einer baugeschichtli-
chen Forschung unbedingt berücksichtigt werden. Ein
solcher Raum ist geographisch kaum zu verankern, da
sich durch Migrationen ständig neue Grenzziehungen ein-
stellen, die mit staatlichen Territorien wenig zu tun haben.
Sprachlich aufgebaute Kulturgrenzziehungen sind ein-
fach nie identisch mit politisch organisierten Grenzziehun-
gen. Es gibt bayerischen Kulturraum in Nordamerika und
tirolerischen Kulturraum in Peru. Solche Kulturräume
können wachsen, aber auch untergehen.
Bei der Suche nach den Anfängen der Heimatschutzbe-
wegung in unserem Sprachraum fand sich ein Dokument
aus der Biedermeierzeit, das den Konflikt zwischen den
Modernen und den Heimatschützern widerspiegelt. Darin
lautet ein Satz folgendermaßen:
"Man hat unlieb die Bemerkung gemacht, daß auf dem
Lande und vorzüglich in den Gebirgsgegenden die durch
Brand oder Alter zerstörten Gebäude bei ihrer Wiederer-
bauung auf eine ihrem ländlichen eigenthümlichen Charak-
ter nicht entsprechende Art ganz fremdartig behandelt oder
durch eingebildete Verschönerung verdorben werden, indem
man /.../ das Charakteristische und Malerische durch mo-
derne Gebäude und unpassende geschmacklose Formen
zu verdrängen sucht." (1)
Der Satz findet sich in einem Aufruf der Königl.Regierung
des Isarkreises, der darauf abzielte, "diesem Uebelstande
abzuhelfen". Man sah sich also im Jahre 1836, als dieser
Aufruf erschien, genötigt, Maßnahmen zu ergreifen. Die
Modernen waren den Heimatschützern ein Dorn im Auge.
Wieso, läßt sich einem Aufsatz aus demselben Jahr ent-
nehmen:
"In Oesterreichs und Bayerns südlichem Gebirgslande, im
Hochgebirge wie an den Vorbergen, und herein gegen Nor-
den bis an das Flachland längs der Salzach, dem Inn und
der Isar, und da, wo der Lech seine Fluten den gesegneten
schwäbischen Gauen zuführt, wo mannigfache Naturschön-
heiten des Wanderers Auge fesseln, und ein biederes, ge-
müthliches Volk den Fremden leicht zu längerem Aufent-
halt bewegt, hat auch die Bauart der ländlichen Wohnun-
gen seit uralten Zeiten einen eigenthümlichen, mit den r
omantischen Umgebungen in schönem Einklang stehen-
den Charakter." (2)
In diesem südlichen Gebirgslande lebe "ein biederes, ge-
müthliches Volk" meint der Autor seines Aufsatz, der in
der Biedermeierzeit erschien. Zugleich wird deutlich, daß
die Landschaften, in denen dort gebaut wird, romantische
Umgebungen bilden, mit denen folglich eine romantische
Bauweise "in schönem Einklang" steht. Man muß also da-
von ausgehen, daß der Blick auf die Gebäude und die Land-
schaft durch die Kulturzeit der Romantik beeinflußt wurde.
Es muß dies eine sehr spezielle Art, Landschaft und Kul-
turraum zu sehen, gewesen sein. Nachklänge gibt es bis
heute. Andererseits wird deutlich, daß die Romantiker, die
so auf ihren Kulturraum blickten, ihre Idylle ungestört se-
hen wollten. Heimat, so der Verdacht, ist ein romantischer
Bezug zu einem Kulturraum. Darin eine Moderne zu ent-
falten, kann sehr schwierig sein. Da Heimatschutz und Mo-
derne in der Baukunst ihre Qualität erreichen wollen, ist
der Widerstreit zwischen Modernen und ihren Gegnern
sehr interessant.
Der Heimatschützer, dessen Aufsatz sich mit den Land-
häusern im bayerischen Hochgebirge befaßt, schildert in
der Biedermeierzeit die Bauart dieser wertvollen Häuser,
die er geschützt wissen will, so:
"Die Bauart dieser Häuser ist einfach, wohlfeil, äußerst be-
quem, und gewährt einen freundlichen, ja malerischen An-
blick, so daß das Auge des Beschauers, wenn es sich
über die nächsten Umgebungen erhoben und staunend auf
den wilden Bergesriesen verweilt hat, gerne zu den liebli-
chen Menschenwohnungen zurückkehrt." (3)
Jemand, so sagt es dieser Text, der in das Gebirge gestie-
gen ist, schaut staunend auf die wilde Gebirgslandschaft
und freut sich andererseits darauf, in die romantische Welt
menschlicher Ansiedlungen nach unten zurückkehren zu
können. Diese Ansiedlungen, so die Propaganda, bestün-
den aus Häusern, die "einfach, wohlfeil" und "äußerst be-
quem" seien. Andererseits mache genau das den ma-
lerischen Charakter dieser Häuser aus. Bevor auf Einzel-
heiten eingegangen wird, soll zunächst auf den Dächer-
kampf verwiesen werden, den es auch schon in der Bieder-
meierzeit gab. In diesem Falle will der Schreiber des Auf-
satzes das Flachdach dieser Häuser geschützt wissen,
wenn er dafür eintritt, die historisch gewachsene Bauweise
zu schützen.
"Das eigenthümlich Charakteristische dieser Bauart ist
das flache Dach, welches auf allen Seiten 4 - 5 Fuß über
die Umfassungsmauern vorspringt" (4)
Ein solches Dach hat in den bayerischen Gebirgsregionen
seinen guten Grund. Man kann dies anderswo nachlesen.
Das flache, vorspringende Dach ist so beschrieben:
"Die vorspringenden Dachungen, welche sehr flach ziem-
lich einfach konstruirt sind, bestehen aus Sparren oder
Dachträgern, aus Pfosten oder Sparrenträgern, mit der Län-
ge des Hauses quer unter die Sparren gelegt, dann aus
Pfosten- oder Stuhlsäulen, endlich aus den Mauerbänken,
und werden beinahe durchgehends mit sogenannten Leg-
schindeln eingedeckt und mit Steinen beschwert, um sie
vor Stürmen zu schützen." (5)
Man unterschied also zwischen Sparren und Sparrenträ-
gern, das sind Pfosten und Dachträger. Desweiteren wer-
den die Begriffe Stuhlsäulen und Mauerbänke eingeführt.
Legschindeln sind andererseits solche, die mit schweren
Steinen beschwert selbst bei Stürmen auf dem Dach lie-
gen bleiben. Aber nicht immer, denn es heißt:
"In neuerer Zeit geht man jedoch gerne von der Eindeckung
mit Legschindeln ab, und verwendet dafür die kleinen mit
Nägeln an die Dachschalung gehefteten Scharrschindeln,
wodurch die bei Stürmen den Vorübergehenden zuweilen
lebensgefährlich werdenden Beschwersteine unnöthig wer-
den, und eine größere Festigkeit der Deckung erzielt wird."
(6)
Die Einführung der Scharrschindel, die angenagelt wird,
verweist nun deutlich auf eine Modernisierung. Man hat al-
so bei solchen Gebirgshäusern, die mit Scharrschindeln
eingedeckt sind, moderne "heimatverbundene" Häuser vor
sich. Sie sollen dem romantischen Blick auf die Kultur-
landschaft keinen Abbruch tun. Das flache Dach wiederum
hat eben genau mit den Legschindeln zu tun, denn es wä-
re sonst unmöglich gewesen, schwere Steine aufzulegen,
da sie leicht abrutschen würden. Durch die Einführung der
Scharrschindeln, die angenagelt werden, wird das flache
Dach zunächst fragwürdig. Es kann nur noch dadurch be-
wahrt werden, daß solche Dächer ortsbildprägend waren
und der historische Anblick erhalten bleiben soll, weil er
"malerisch" wirkt. Da das Dach den Umriß des gesamten
Hauses prägt, will man diesen historischen Umriß erhal-
ten wissen. Man muß ergänzend darauf hinweisen, daß
hohe Schneelagen von diesen Flachdächern nur schwer
abrutschen können, was der Sicherheit dient. Neben dem
historischen Ortsbild will man also auch die Sicherheit er-
halten wissen.
Ein solches "malerisches" Haus besteht jedoch aus sehr
viel mehr als einem Umriß und einem Flachdach. Hierzu
lassen sich weitere Textstellen interessant auswerten.
"Das Baumaterial zu solchen Gebäuden liefern die im Ge-
birge und an demselben häufig befindlichen Kalk-, Sand-
und Tuffsteinbrüche, oder gegen das Flachland die Ziege-
leien, endlich auch die an vielen Orten im Ueberfluß vorhan-
denen Waldungen." (7)
Hier fragt es sich natürlich, was davon jeweils an der Fas-
sade sichtbar bleibt. Wenn mit Backsteinen gemauert wird,
gibt es entweder eine Verblenderschicht außen, also der
Backstein bleibt sichtbar, oder es kommt zu einer Verklei-
dung, z.B. durch Verputz. Wie man es mit dem Backstein
hält, ist nicht im Text erwähnt, es werden jedoch die ande-
ren Baustoffe in ihrer Verwendung weiter erörtert.
"Da beinahe überall Bruchsteine vorhanden sind, welche
wenig oder gar nichts kosten, und wobei also nur der Trans-
port in Anschlag zu bringen ist, so wird das Mauerwerk ge-
wöhnlich aus derlei Steinen aufgeführt. An solchen Orten
aber, wo der Bruchstein seltener vorkommt, oder schwerer
zu gewinnen ist, als das in reicher Fülle vorhandene Bau-
holz, werden sowohl Umfassungs- als auch Scheidewände
nur im untern Stockwerk (Erdgeschoß) gemauert und oben
von Holz, und häufig ganz von der Erde aus von Holz, aus
vierkantigen Balken, welche über einander gediebelt (ge-
legt und an den Ecken mittelst sogenannter Schwalben-
schwänze und auch künstlicher verbunden) sind, herge-
stellt und im Innern mit Bretern verkleidet (vertäfelt), und
nur die Rauchröhren (Schornsteine) werden mit Steinmate-
rial aufgeführt." (8)
Neben der Beschreibung der Materialwahl und wie die Bau-
stoffe zusammengefügt werden, gibt es einen anderen As-
pekt, der uns hier interessieren muß. Denn es werden Bau-
stoffe angeführt, "welche wenig oder gar nichts kosten".
Außerdem handelt es sich um Baustoffe, die in großer Nä-
he zum Bauplatz vorhanden sind. Die Tatsache, daß diese
Baustoffe der Landschaft entspringen, in der das Haus auf
heimatverbundene Weise errichtet wird, verstärkt zusätz-
lich den romantischen Blick auf diese Kulturlandschaft
mit ihren romantischen Häusern und ihren biederen Bewoh-
nern. Eine solche romantische Kulturlandschaft zieht Men-
schen an, die gewissermaßen in Gemälden wohnen wollen.
Es soll eigentlich keine Veränderung eintreten. Wenn das
Moderne der Sache dient, wird es zugelassen. Man denke
an die Legschindeln, die durch Scharrschindeln ersetzt wer-
den können. Diese vorsichtige Moderne macht wiederum
die Gebirgswelt für Fremde als bewohnbaren Kulturraum at-
traktiv. Es kommen folglich Fremde in die Gebirge, die sich
hier niederlassen:
"Da die bayerischen Gebirgsgegenden seit mehreren Jah-
ren von den Einwohnern Münchens und anderer Städte
Bayerns, so wie von sehr vielen Fremden häufig besucht
werden, da sogar viele Bemittelte jene Gegenden zum
Sommeraufenthalte sich erwählt haben, so entstand bei
manchen bald das Bedürfniß, Sommerwohnungen zu er-
bauen, wozu auch der höchstselige König Maximilian Jo-
seph I., welcher Tegernsee (12 Stunden von München am
Hochgebirge) mehrere Jahre vor seinem Tode den Sommer
über bewohnte, vielen Anlaß gab. So entstanden unter den
umliegenden Häusern der Landbewohner Wohnungen der
Städter, und es war natürlich, und der Umgebung so wie
der Art des Landlebens gewiß angemessen, daß sie in
dem eigenthümlichen Baustyle der dortigen Landleute auf-
geführt wurden; ja diese Bauart erstreckt sich in jenen Ge-
genden in neuerer Zeit zum Theil auch auf kleinere königl.
und Staatsgebäude, dann Gemeindebauten, als Forst-
und Zollhäuser, Pfarr- und Schulgebäude u.dergl." (9)
Man hat also in der Biedermeierzeit den Vorgang festzu-
stellen, daß die Städter in die romantische Gebirgsland-
schaft ziehen. Die real stattfindende Vorgang führt zu ei-
ner Bautätigkeit, die den modernen Bedürfnissen der
Zeit gerecht werden muß. Andererseits bewegt sich diese
Bautätigkeit in dem Spannungsfeld, daß die romantische
und malerische Kulturlandschaft des Gebirges nicht ge-
stört werden darf. Denn diese scheinbar intakte Welt ist
ja der Grund, warum die Städter in dieser Landschaft woh-
nen wollen. Mit den Städtern kommt aber auch eine ande-
re Moderne. Diese muß zwangsläufig so aufgefaßt wer-
den:
"Es konnte nicht fehlen, daß die Neuerungssucht auch hier
die verderbliche Hand zuweilen an den guten alten Brauch
legte, aber Seine Majestät der regierende König Ludwig I.
von Bayern hat im vorigen Jahre in diesem Betreff ein diese
Bauart schützendes allerhöchstes Reskript erlassen" (10)
Die ganz andere Moderne brach damals also in die roman-
tische Gebirgswelt auf und führte zu Bauten. Dies regte
selbst den obersten Staatsdiener auf. Folglich reagierte
er magisch, und sprach einen Bann aus. Der Heimat-
schutz sah sich nun als der Sieger, modernisierte aber un-
gestört von staatlichen Eingriffen die traditionelle Bauweise.
Diese Eingriffe genau herauszuarbeiten, dürfte sehr inter-
essant sein.
Es werden einige Häuser, die in der Biedermeierzeit in ei-
ner solchen romantischen Landschaft entstanden, ange-
führt. Sie gelten dem Autor des Aufsatzes als gute Beispie-
le.
http://www.
(Ansichten, Grundrisse, Schnitte)
Zunächst sei jedoch auf das traditionelle Haus verwiesen,
das so beschrieben wird:
"Die Wohnung der Familie, die Stallungen und die Scheu-
ne sind bei den meisten unter einem Dache, aber durch
Scheide- oder Feuermauern getrennt. Die Wohnung nimmt
die Vorder- oder Hauptseite des Gebäudes, das Oekonomie-
Lokal den rückwärts gelegenen Raum ein.
Das ganze Haus enthält gewöhnlich ein großes Wohnzim-
mer, 1 - 2 Schlafzimmer, eine Gesindestube, eine Knecht-
und eine Mägdekammer, eine Geflügelstube, Geschirr- und
Futterkammern, endlich Dreschtenne, Getreide- und Heu-
lagen.
Holz-, Wagen- und Geräthe-Remisen (Schupfen genannt)
sind vom Hauptgebäude meistens, so wie auch ein Wasch-
haus und Backofen ganz abgesondert." (11)
Man kann eine solche traditionelle Anlage mit zwei Land-
häusern, die um das Jahr 1830 in Tegernsee erbaut wur-
den, in einen Vergleich stellen. Die Bauherren waren je-
weils Städter aus München. Eines der Landhäuser, im Jah-
re 1831 gebaut, verfügt über
"eine Wohnung mit sieben Zimmern, dann Küche, Speise-
kammer, Garderobe; ferner einen Keller, und unterm Da-
che eine Magdstube". Erwähnt wurde außerdem:
"Rückwärts am Hause ist ein kleines Stallgebäude und ein
Wagendach angebaut". (12)
Allerdings läßt sich nur das Raumprogramm vergleichen,
da von traditionellen heimischen Häusern kein Grundriß
beigegeben wurde.
Das andere Landhaus wurde im Jahre 1829 in Tegernsee
errichtet. Der Bauherr scheint höhere Ansprüche ver-
folgt zu haben. Dieses Landhaus verfügt über eingewölbte
Kellerräume, die Wohnräume sind ausgedehnter.
"im Erdgeschosse:Stiegenhaus, Gesindestube, Küche
mit Speisekammer, drei Zimmer u.; ferner im Hinterbau:
Kuhstall, Pferdstall, eine Knecht- und eine Magdkammer
und zwei Futterkammern;"
"über eine Stiege: Salon, drei Zimmer, zwei Kabinette, ei-
ne Garderobe, eine Heueinlage u."
"unter dem Dache: einige Bedientenzimmer." (13)
Hauptsächlich an den Fassadenzeichnungen wird erkenn-
bar, wie dem romantischen Blick auf die Kulturlandschaft
durch angepasstes Bauen entsprochen wird. Beide Land-
häuser haben flaches Dach, d.h. Dächer mit sehr geringer
Dachneigung. In beiden Fällen sind Balkone vor die Ober-
geschoße gesetzt worden, die vom überstehenden Dach
geschützt sind. Die Holzbalkenkonstruktionen für das Dach
sind beide sehr ähnlich gehalten und werden im traditio-
nellen Haus eine Entsprechung haben.
Die Fassadengliederung verweist möglicherweise auf die
Art, wie in der Biedermeierzeit mit schlichten Mitteln auf
die antike Architektur verwiesen wird. Bei dem Forsthaus
in der Jachenau, zu dem es eine Fassadenzeichnung gibt,
trifft man auf zwei vor den Eingang vorgestellte Säulen, die
den Balkon vor dem Obergeschoß tragen. Die Fenster
wurden in rechteckige Wandöffnungen eingelassen und
sind schlicht gerahmt. An den Grundrissen ist spürbar,
daß versucht wurde, nach einer möglichst strengen Sym-
metrie zu planen. Dies läßt sich auch für die Hauptfassade
sagen. Der Dekor an den Holzbalken und der Verbretterung
trägt sicher heimische Züge, die so beschrieben sind:
"Das /.../ Charakteristische dieser Bauart ist das flache
Dach, welches auf allen Seiten 4 - 5 Fuß über die Umfas-
sungsmauern vorspringt, und am Vorsprunge an den Vor-
köpfen der Sparren und Träger mit mannigfacher Holz-
schnitzerei und Malerei verziert ist; dann eine im obern
Stockwerke außen angebrachte, zum Theil an der Fasa-
de (Hauptseite) befindliche, oft auch um das ganze Haus
sich ziehende hölzerne Gallerie (Laube genannt) ebenfalls
geschnitzt und gemalt, welche zum Sonnen und Trocknen
von Wäsche, Betten, Früchten u.dgl. bestimmt ist." (14)
Man wird also an den modernen angepaßten Bauten nach
diesen Schmuckformen suchen müssen. Die Fassaden-
zeichnungen der beiden Landhäuser und Forsthäuser, die
sich nur bedingt auswerten lassen, geben Schmuckformen
wieder. Falls diese Gebäude sich noch erhalten haben und
Archivalien zu diesen Bauten aus der Biedermeierzeit be-
wahrt wurden, könnte man dem genauer nachgehen. Es
ist anzunehmen, daß es ganz bestimmte Schmuckformen
sind, die in das Holz geschnitzt wurden. Auch wird sich
die Farbgebung des Schmuckes nach bestimmten Regeln
gerichtet haben. Mit einem Sockel und Gesimsbändern
wurde einfachst die Aufeinanderfolge der Geschosse deut-
lich gemacht. Alle diese Bauwerke lassen erahnen, wie
man in der Biedermeierzeit in dieser bayerischen Kultur-
landschaft bauen sollte. Diese Beispiele dienten dazu,
den Auftraggeber und die Planer darauf hinzuweisen, was
sinnvoll ist.
Der Heimatschutz hatte im Bayern der Biedermeierzeit
Unterstützung aus höchsten Kreisen erhalten. Die Fach-
welt, die sich mit der Heimatschutzbewegung identifizierte,
sah darauf, daß gute Vorbilder entstanden, mit denen da-
rauf verwiesen werden konnte, wie in den damaligen moder-
nen Zeiten zu bauen ist, ohne dem romantischen Blick auf
die Landschaft zu schaden. Es müßte dem nachgegangen
werden, wie der Heimatschutz vor der Biedermeierzeit
organisiert worden war, und wie er sich danach weiterent-
wickelte.
K.L.
Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in
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Emailadresse erreichbar: baugeschichte (at)
email.de
Anmerkungen:
(1) zitiert aus: Graf v.Seinsheim: Die Bauart auf dem Lande
betreffend: An sämmtliche kön.Bau-Inspekzionen und Poli-
zei-Behörden des Isarkreises. Herausgegeben durch die
Königl.Regierung des Isarkreises am 7.Juli 1836 in Mün-
chen. Zufinden in: o.A.: Landhäuser (Wohn- und Oekono-
miegebäude) im bayer.Hochgebirge. S.163-165 in: Allge-
meine Bauzeitung. Wien, 1837. S.164
(2)-(4) zitiert aus: o.A.: Landhäuser (Wohn- und Oekono-
miegebäude) im bayer.Hochgebirge. S.163-165 in: Allge-
meine Bauzeitung. Wien, 1837. S.163
(5)-(6) zitiert aus: o.A., wie vor, S.164
(7) zitiert aus: o.A., wie vor, S.163
(8) zitiert aus: o.A., wie vor, S.163f.
(9)-(10) zitiert aus: o.A., wie vor, S.164
(11) zitiert aus: o.A., wie vor, S.163
(12) siehe die zitierten Textstellen im Zusammenhang
bei: o.A., wie vor, S.164
(13) siehe die Zitate im textzusammenhang bei: o.A., wie
vor, S.165
(14) zitiert aus: o.A., wie vor, S.163