Hinweise auf Aegypten in einem Text aus der Biedermeierzeit zur Geschichte des Mauerziegels

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Karl-Ludwig Diehl

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Dec 31, 2008, 8:24:13 AM12/31/08
to Baugeschichte


Hinweise auf Aegypten in einem Text aus der Biedermeierzeit
zur Geschichte des Mauerziegels


Nachdem deutlich gemacht wurde, daß im Zweistromland
sowohl "Luftsteine", das sind an der Luft getrocknete
Lehmziegel, als auch in Öfen gebrannte Lehmziegel als
Mauerziegel hergestellt wurden, wendet sich der Autor
dem Landschaftsraum Aegypten zu:

"In Aegypten konnten, namentlich in den Theilen, welche
den Nilüberschwemmungen ausgesetzt waren, die Gebäu-
de nicht anders als auf künstlichen Substrukzionen ge-
gründet werden, welche in dem Niveau des höchsten Was-
serstandes lagen" (1)

Die wechselnden Grundwasserstände, zugleich der zeit-
weise ansteigende Wasserspiegel des Nil, erforderten ein
Bauwesen, das Vorsorge schuf. Eine Möglichkeit wurde
darin gesehen, solche Fundamente für die Gebäude zu
schaffen, die dem Einfluß des Wassers standhielten. Da-
zu schrieb offensichtlich Herodot:

"und Herodot erzählt, daß die Ethiopier, als sie Aegypten
einnahmen, keinen der Besiegten tödteten, sondern daß
dieselben Erdarbeiten zu diesen Substrukzionen vollbrin-
gen mußten, von welchen Sir Drummond bemerkt, daß
dieselben aus Schutt bestanden hätten, welcher ringsum
mit einer Einschließung von Backsteinmauerwerk verse-
hen gewesen wäre." (2)

Herodot, ein Schriftsteller der Antike, bot also dem Sir
Drummond in der Biedermeierzeit den anlaß, darauf zu
achten, wie diese Fundamente im Aegypten in der Zeit
des Herodot aussahen. Es sei Gesteinsschutt gewesen,
daß mit gebrannten Mauerziegel ummauert worden sei,
vermutlich um dem Schutt mehr Festigkeit zu geben.
Wir erfahren außerdem:

"Plinius gibt uns das Zeugniß einiger alten Schriftsteller,
daß man, bei Erbauung der Pyramiden, Kunststraßen
von Steinen aus getrocknetem Schlamme gemacht ha-
be, welche nach vollendetem Baue zu Privathäusern ver-
wendet worden wären." (3)

Diese Erwähnung beschreibt Recycling. Aus den "Luft-
ziegeln", wie man die Lehmziegel in der Biedermeierzeit
auch nennen konnte, wurden, nach der Verwendung im
Baustellenstraßenbau, Lehmziegel für den Bau von Wohn-
gebäuden, also Baustoffe "von Steinen aus getrocknetem
Schlamme", gemacht.

"Uebrigens scheint es, als wenn die Aegyptier jenes Ma-
terial nicht bloß als Hilfsmaterial bei Errichtung ihrer enor-
men Bauwerke angewendet, sondern einige derselben
ganz aus diesem Materiale erbaut hätten, und Pococke
beschreibt eines davon mit folgenden Worten: >>Etwa
zwei Meilen östlich von der letzten großen Pyramide (zu
Saccarah), etwas unterhalb, nahe dem östlichen Ende
des Berges, befindet sich eine Pyramide von Luftsteinen
/.../<<." (4)

Es fällt auf, daß wir bei all diesen Angaben keinen Hinweis
erhalten, wann diese Bauten errichtet wurden. Wir bekom-
men auch keine Information dazu, seit wann diese Sub-
struktionen mit Backsteinen auftauchen, oder seit wann
Lehmziegel zum Bau der Pyramiden genommen wurden.
Man wird es nicht gewußt haben und war noch auf der Su-
che nach Anhaltspunkten. Wie heute auch, verglichen die
damaligen Reisenden, die sich um ein Verständnis der
Baugeschichte dieser Erdgebiete bemühten, die archäo-
logischen Befunde mit den Praktiken in der damaligen
Biedermeierzeit.

"Nach dem Urtheile der neuesten Reisenden hat die Fabri-
kazion der Ziegel in jenen Gegenden eben noch keine Ver-
besserung erfahren, indem, namentlich in den östlichen
Theilen jenes Landes, dieselbe noch in ihrer ersten Unvoll-
kommenheit bewerkstelligt wird, und die meisten Häuser
mit Luftsteinen, welche aus Lehm und gehacktem Stroh
geformt und an der Sonne getrocknet wurden, aufgeführt
werden." (5)

Bis in die Biedermeierzeit hatte sich also die Herstellung
der "Luftsteine", das sind die Lehmziegel, erhalten. Es
werden Landstriche genannt, wo dies beobachtet wurde.
Man müßte diesen Berichten, die damals zur Verfügung
standen, nachgehen, da sie sicherlich mit Reiserouten
versehen sind, was dann genauer auf die besichtigte Re-
gion verweist.

Der Backstein, also der gebrannte Lehmziegel, begegnet
uns in Aegypten bislang nur bei den gemauerten Fun-
damenten. Mit ihnen wurde Gesteinsschutt ummauert,
wodurch ein ausreichend festes Fundamentmauerwerk
entstehen sollte, das problemlos im Wasser stehen blei-
ben konnte, wenn das Nilhochwasser und der ansteigen-
de Grundwasserspiegel es durchfeuchteten. Es könnte
sein, daß dieser ummauerte Schutt ein Aufsteigen der
Feuchtigkeit behinderte und später, wenn der Wasser-
spiegel sank, schneller austrocknete als eine anders ge-
artete "Substrukzion". Soviel zum Thema Ägypten im bie-
dermeierzeitlichen Text. Man wird weiterhin verfolgen müs-
sen, was noch zur Darstellung gelangt, um eine Bauge-
schichtsschreibung des Mauerziegels einzuleiten. Es
fällt eine baugeschichtliche Ordnung der Aufeinanderfolge
auf, die uns sagt, zunächst war die Sintflut, dann gab es
eine Phase des Lebens in Zelten und Hütten, daraufhin
entstanden im Zweistromland Städte aus Lehmziegel
und ab und an mit Backsteinen. Im evolutionären Schritt
der technologischen Entwicklung ist nun das antike
Aegypten angeführt, in dem Pyramiden aus Lehmziegel
aufgebaut wurden und Gebäudefundamente aus Ge-
steinsschutt mit Backsteinummauerung eine Rolle spie-
len, die sich offensichtlich bei ansteigendem Grund-
wasser und bei den Nilüberschwemmungen bewährt
hatten. Als nächstes wird im biedermeierzeitlichen Text
das antike Griechenland angeführt. Diese Aufeinander-
folge der Kulturentwicklung scheint zu dieser Zeit be-
reits sehr festgelegt zu sein. Nicht in die Betrachtung
sind andere Kulturräume auf der Erdoberfläche einbe-
zogen, z.B. nicht das antike China, dem eine sehr lan-
ge und hohe Kulturentwicklung nachgesagt wird. Zu
vielen außereuropäischen Kulturen scheint noch wenig
Wissen zu existieren.

K.L.

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Anmerkungen:
(1)-(5) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem
Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf
S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.244


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