Karl-Ludwig Diehl
unread,Jan 29, 2009, 2:00:25 PM1/29/09Sign in to reply to author
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to Baugeschichte
Die Rektoratsrede Heideggers und Bezüge zum Geviert
Bei Safranski fand ich in seinen Ausführungen zur Romantik
einige Hinweise, die zum Gebrauch des Gevierts bei Hei-
degger Denkinhalte vermuten lassen, die später bei seinem
Vortrag eher unausgesprochen blieben und sicher schon
etwas in den Hintergrund gerückt waren.
Drei Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten
hielt M.Heidegger seine Rektoratsrede. Safranski nennt
diesen Heidegger einen entschlossenen Revolutionär, "der
sich seinen eigenen Nationalsozialismus zurechtgelegt hat."
Die nationalsozialistische Revolution sei für Heidegger u.a.
auch "etwas viel Erhabeneres" gewesen, als die Massen-
arbeitslosigkeit zu beenden, usw. Sie sei der Versuch gewe-
sen, in Anlehnung an Nietzsche "in einer götterlosen Welt
einen Stern zu gebären". Was ein solcher Satz beinhaltet,
wäre zu klären.
In seiner Rede habe er an einer Stelle "von den drei Diensten"
gesprochen: "Arbeitsdienst - Wehrdienst - Wissensdienst".
Er habe die Parallele der drei Ordnungen des Mittelalters an-
geführt: "Bauern - Krieger - Priester".
Im mittelalterlichen Bild der "Drei Ordnungen" würden die
Priester den gesellschaftlichen Organismus mit dem Himmel
verknüpfen. Sie würden dafür sorgen, daß spirituelle Ener-
gien im Irdischen zirkulieren.
Die Stelle der Priester hätten bei Heidegger in seiner Rek-
toratsrede die Philosophen eingenommen, solche, welche
eine Philosophie lehren, "die ihrer Zeit mächtig ist".
Heidegger habe sich damals als "Priester ohne Botschaft
vom Himmel" gefühlt, jedoch ebenso als ein Sturmbannführer
der Metaphysik, dem die Rolle des Befreiers zugefallen sei.
(1)
Wenn man nun auf den Vortrag blickt, den er 1951 vor dem
Deutschen Werkbund zum Thema "Bauen Wohnen Denken"
hielt, fragt man sich natürlich, ob seine Stellung als "Prie-
ster" schon so weit erschüttert war, daß er "seiner Zeit"
nicht mehr mächtig war. Es spricht einiges dagegen, denn
der Impetus seines Vortrags in Darmstadt läßt deutlichen
Willen erkennen, die versammelte Fachwelt dieser Reform-
gesellschaft "Deutscher Werkbund" zu beeinflussen.
Da er darauf abhob, Wohnen als ein Durchstehen des Rau-
mes zu verdeutlichen, der sich mit dem Geviert in Worten
vor dem Auditorium entfaltete, wurden vielleicht Worte eines
"Priesters ohne Botschaft vom Himmel" vorgetragen, der
dem Geviert eine ganz spezielle Bedeutung bemaß, die noch
genauer herauszufinden wäre. Allein die Aufzählung, das
Geviert bestehe aus Erde/Himmel/Sterblichen/Göttlichen
wird das nicht erfassen, was er damit meinte.
K.L.
Anmerkung:
(1) siehe dazu: Rüdiger Safranski: Romantik - Eine deutsche
Affäre. München, 2007. S.344-347