Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert
errichteten Bauwerken: zwei Treibhäuser in Penzing
Ein Bankier ließ sich in der Biedermeierzeit zwei Treibhäu-
ser errichten. Sie kamen in dem Park seiner Besitzung in
Penzing zum Bau. Unweit lag damals schon das Schloß
Schönbrunn mit seinen ausgedehnten Parkanlagen, die of-
fensichtlich die Vermögenden im nahen Wien zur Nachah-
mung reizten. Dieser Bankier "Johann Mayer, Chef des
Großhandelshauses J.H.Stametz und Kompagnie", bat die
Architekten darum, sie in "Nachahmung des sogenannten
Tudor-Styles" zu erbauen. Das erste Pflanzenhaus ist so
beschrieben:
"Das zuerst erbaute /.../ Treibhaus, wurde nach einem Ent-
wurfe des Herrn Hofbaurathes Nobile ausgeführt, und ent-
hält, neben dem Raume für die Gewächse, zu jeder Seite
einen Pavillon, welcher sowohl mit dem letzteren, als mit
dem Garten durch große Thüren in Verbindung steht, und
durch die beiden Fenster zur Seite eine Aussicht auf die
Blumengefilde des Gartens gestattet. Die Nischen in der
Hinterwand sind ebenfalls wie Fenster dekorirt, enthalten
jedoch statt der Glasscheiben Spiegeltafeln. Die Säulen
zwischen den Fensterfeldern sind von Gußeisen." (1)
http://www.fotos.web.de/spaceoffice/Penzing_Treibhaeuser_1
(zuerst erbautes Treibhaus: Grundriß, Fassade, Schnitt)
Betrachtet man die Zeichnungen zu diesem Treibhaus, so
läßt sich ein Bauwerk entdecken, dessen langgestreckte
Fassade zur Sonnenseite hin eine Bogenreihe aus fünf-
zehn Spitzbögen zeigt. An diesen Kernbau des Treibhau-
ses schließen sich links und rechts Pavillons an, die als
Vestibüle gebaut wurden. Sie erhielten als jeweilige End-
bauten turmähnlichen Charakter, steigen aber nicht wirk-
lich zur Höhe von Türmen auf. Mittig ist jeweils eine Tor-
öffnung in Spitzbogenform eingelassen. Durch das riesige
Türfenster gelangte man in das jeweilige Vestibül und konn-
te sich dann zur Seite wenden, um durch eine Türe das Ge-
wächshaus zu betreten.
Den Zeichnungen und dem Text vom Jahre 1838 ist zu ent-
nehmen, über ein Heizsystem konnte man erwärmte Luft
über Luftkanäle in das Gewächshaus leiten. Der Grundriß
des Kellers zeigt zwei Öfen und die Anordnung der Luft-
kanäle wird auch aus dem Schnitt durch das Gebäude er-
sichtlich. Der relativ schmale Gang hinter dem verglasten
Gewächshaus birgt eine Kellertreppe in halber Breite des
Ganges. Über sie gelangt man zu einem eingewölbten
Keller unter dem Gewächshaus, der nicht sehr ausgedehnt
ist. Hier konnten die Öfen beheizt werden. Möglicherweise
diente der lange Gang im Erdgeschoß zur Lagerung des
Brennmaterials. An dem rechten Ende dieses Ganges
läßt sich im Grundriß eine gewendelte Treppe erkennen.
Denkbar ist, daß über diese Treppe zu einer Plattform ge-
stiegen werden konnte, die sich über dem Vestibül auf
dem gedrungenen Turm befindet, was eine Aussicht über
den Garten ermöglich hätte. Dies spricht dafür, weil es in
der Biedermeierzeit beliebt war, sich einen Belvedere zu
schaffen.
Die Decke über dem Pflanzenhaus zwischen den beiden
flankierenden Türmen dürfte eingewölbt gewesen sein. Ge-
bogene Hölzer der Pultdachkonstruktion scheinen der
Formgeber für dieses Gewölbe zu sein. Die Raumüber-
deckung über den Vestibülen war anders organisiert. Man
hat unter der Holzkonstruktion des Daches eine bemalte
Decke aufgebracht. Die Innenraumwirkung wurde durch
sehr hohe neugotische Spitzbogentürfenster gesteigert,
die als Dreiergruppe angeordnet wurden. Nur das mittlere
Türfenster ist verglast und dient der Belichtung. Die seit-
lichen Türfenster sind als blinde Fenster gehalten und die-
nen als reine Schmuckformen. Auch im Gewächshaus
befinden sich vielleicht blinde Fenster an der Rückseite
des mit Pflanzen gefüllten Raumes:
"Die Nischen in der Hinterwand sind ebenfalls wie Fenster
dekorirt, enthalten jedoch statt der Glasscheiben Spiegel-
tafeln. Die Säulen zwischen den Fensterfeldern sind von
Gußeisen." (2)
War für das erste Gewächshaus der Architekt Nobile einge-
setzt worden, so holte sich der Bankier für sein zweites
Gewächshaus einen anderen Architekten:
"Das zweite /.../ Treibhaus ist einige Jahre später erbaut,
und von dem Architekten Herrn Schedel konstruirt worden.
Es war Bedingung, einen Salon für größere Gesellschaften
in der Mitte des Gebäudes so anzubringen, daß derselbe
mit den Räumen für die Gewächse in Verbindung stehe,
und außerdem noch zwei kleinere Glashäuser, für niedere
Gewächse, zu beiden Seiten anzubringen. Im Uebrigen
sollte auch hier eine Imitazion des normannischen Styles
vorwalten." (3)
Der Architekt Schedel bekam also die Vorgabe, einen Sa-
lon in die Mitte des Gewächshauses zu legen, damit hier
größere Zusammenkünfte abgehalten werden konnten. Zu-
gleich ist gesagt, daß der Tudorstil, also die Neugotik, von
dem Bauherren als normannischer Baustil angesehen wur-
de, den er nach Österreich verpflanzt wissen wollte. Diese
Neugotik, die mit diesem Bauwerk in Österreich zum Bau
kam, hatte also in England ihren Ursprung bei diesem Ge-
bäude. Der Text sagt nicht moderne Gotik oder Neugotik,
sondern kennzeichnet ihn als Tudorstil oder normanni-
schen Baustil.
http://www.fotos.web.de/spaceoffice/Penzing_Treibhaeuser_2
(Zweites Treibhaus: Ansicht, Grundriß, Schnitt, Details)
Bei Betrachtung des Grundrißes von diesem Gebäude
läßt sich erkennen, daß der Salon, der zwischen den
verglasten Treibhäusern liegt, an der Rückseite abgerundet
wurde. Es sollte ein erhabener Raumeindruck entstehen.
Die abgerundete Nische wurde neugotisch eingewölbt. Die
übrige Raumüberdeckung des Salons ist jedoch horizon-
tal gehalten. Zu den Treibhäusern hin wurden die Seiten-
wände mit hohen spitzbogigen Portalen versehen. Durch
sie konnten die Gäste des Bankiers bei Gesellschaften zu
den wertvollen Pflanzen schreiten und sich in Gesprächen
ergehen.
An die hohen Gewächshäuser, links und rechts des Sa-
lons, waren niedrige Gewächshäuser als Erweiterung ange-
fügt worden. Der Höhenversprung läßt sich in den Schnitten
sehr gut ersehen. An der Rückseite von den Pflanzenhäu-
sern und dem Salon ist der bei Gewächshäusern offensicht-
lich übliche schmale Gang angefügt. Treppen führen von
ihm aus in die Unterkellerung zu den Öfen, welche durch
heißen Rauch den Luftstrom aufwärmten, welcher durch
Heizungkanäle strömte und das Gewächshaus warm hielt,
wenn die Heizperiode begann. Tagsüber trug das warme
Sonnenlicht zur Aufwärmung der Luft in den Innenräumen
bei. Die Heizung ist im Text so beschrieben:
"Die Heizung geschieht durch Rauch, und die Leitungen
bestehen aus viereckigen, aus Thon geformten und ge-
brannten Kästen. Anfänglich hatte man dieselben durch-
gängig hohl gelegt, doch hat man sich überzeugt, daß es
besser sei, wenn sie mit der unteren Seite auf einem
schlechten Wärmeleiter aufliegend, konstruirt würden.
Auch möchte es anzurathen sein, dieselben von außen
zu glasiren." (4)
Im Unterschied zur Beheizungsart im ersten Gewächs-
haus, wo die Luft in Bodenhöhe aus den Wänden aus-
trat, ließ man die warme Luft von oben in das verglaste
Gewächshaus eindringen, dadurch fiel diese aufgewärmte
Luft langsam bei Abkühlung nach unten. Vermutlich imi-
tierte man damit die Wirkung der Sonnenwärme.
Es bleiben, trotz Beschreibung und den beigegebenen
Zeichnungen viele Unklarheiten, wie das Heizen bewerk-
stelligt wurde. Falls die beiden Treibhäuser noch bestehen,
könnte man anhand der Gebäude selbst den Heizsyste-
men der Biedermeierzeit genauer nachgehen.
Gußeisen wurde für Gesimse und Fensterelemente verwen-
det, oder sollte später an die Stelle von Holzteilen treten:
"Sämmtliche Gesimse sind von Gußeisen, und nach Zeich-
nungen und unter Aufsicht des Herausgebers der allgemei-
nen Bauzeitung, auf den fürstlich Salm'schen Eisenwerken
zu Blnasko in Mähren, welche unter der Leitung des ver-
dienstvollen, und als Chemiker rühmlichst bekannten Herrn
Dr.Reichenbach bedeutende Fortschritte machen, sehr
sauber ausgeführt worden. Die langen Mittelständer und
die Rahmen für die Verglasung sind zwar gegenwärtig noch
von Holz, werden aber, da dasselbe durch die mannichfal-
tigen Einwirkungen des Klimas von außen her, und der
Dünste von innen, bedeutend gelitten haben, in Kurzem
auch durch eine passende Eisenkonstrukzion ersetzt wer-
den." (5)
Auch die Schmuckteile, die als Kranzgesims den Pavillon
bekrönen, bestehen aus Eisenelementen. Um diese eiser-
nen Bauteile zu schützen, wurde Ölfarbe aufgebracht.
"Sämmtliche Eisentheile des Gesimses sind mit hell-
steingrauer Oelfarbe dreimal angestrichen. Die beiden
ersten Anstriche haben einen Zusatz von Sand erhalten;
nur der letzte, ziemlich dünne, ist mit reiner Oelfarbe ge-
geben worden. Diese Art der Färbung hat sich sehr gut
erhalten, und das Ganze gleicht dem Sandsteine voll-
kommen." (6)
Durch Farbgebung mit Sandbeigabe wurde also bewirkt,
daß die Eisenteile der Gesimse wie Sandstein zur Gel-
tung gebracht wurden. Offensichtlich war man sowohl
mit dieser Vortäuschung, als auch mit der Haltbarkeit
der aufgebrachten Farbe in der Biedermeierzeit sehr zu-
frieden.
Beide Bauwerke, im Tudorstil gehalten, dienten in Öster-
reich damals sicherlich dazu, englische Gewächshaus-
kultur von der Insel auf den Kontinent zu verpflanzen.
Daß solche Gewächshäuser im Österreich der Bieder-
meierzeit dabei halfen, Gesellschaften einen prachtvollen
Rahmen zu bieten, geht besonders aus der Anordnung
des Salons in der Mitte des zweiten Gewächshauses
hervor. Bei dem ersten Gewächshaus, das sich der Ban-
kier in seinem Park in Penzing erbauen ließ, scheint
man nur von der Villa aus Streifzüge zu dem Pflanzen-
haus gemacht zu haben, um durch die prachtvollen
Vestibüle zu den Pflanzen zu schreiten. Auch konnte
man eventuell einen Belvedere auf einem der gedrunge-
nen Ecktürme des Gewächshauses besteigen, um bei
angenehmen Gesprächen die Umgebung zu betrachten.
Das zweite Gewächshaus, sicherlich ganz repräsenta-
tiven Zwecken eines Geschäftsmannes gewidmet, ließ
Gesellschaften inmitten des Pflanzenhauses zu. Wie
diese arrangiert wurden, sagt uns der Text aus der Bie-
dermeierzeit leider nicht. Man wird dazu Berichte von
Gästen, Tagebücher, eventuell Zeitungsberichte oder
auch ganz andere Dokumente heranziehen müssen,
um solche Ereignisse, die einen hochwertigen kulturel-
len Rahmen bekamen, besser zu verstehen.
K.L.
Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in
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email.de
Anmerkungen:
(1)-(2) zitiert aus: o.A.: Die Treibhäuser im Mayer'schen
Garten in Penzing. S.395 und Zeichnungen auf den Blät-
tern CCXL und CCXLI in: Allgemeine Bauzeitung. Wien,
1838. S.395
(3) zitiert aus: o.A., wie vor, S.395f.
(4)-(6) zitiert aus: o.A., wie vor, S.396