Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert
errichteten Bauwerken: die königliche Erzgießerei
bei München
Bayerns Herrschergeschichte läßt sich beliebigen Lexika
entnehmen. (Karl August) Ludwig I. war von 1825 bis 1848
König von Bayern. Er war in Straßburg geboren worden
und verstarb in Nizza. Er legte Wert auf Kunstsammlungen
und wertete München z.B. dadurch auf, daß er eine Uni-
versität von Landshut nach München holte. Auf sein Betrei-
ben wurde sein Sohn im Jahre 1832 König von Griechen-
land. Unter Ludwig I. kam es zum Bau angesehener Ge-
bäude. So entstand die Glyptothek, die Pinakothek und
ebenso die Walhalla. In seine Regierungszeit fällt auch der
Bau der "königlichen Erzgießerei bei München" durch Leo
von Klenze. Der Vorgänger im Amt, König Max Joseph,
hatte bereits "allgemeine Fortschritte des Fabrikwesens"
erreichen können. Er war durch die "k.Hofbau-Intendanz"
außerdem dazu gedrängt worden, eine moderne Gießerei
erbauen zu lassen. Unter seinem Nachfolger Ludwig I.
wurde die Gießerei fortgeführt und ausgebaut.
"So wurde denn im Jahre 1824 auf Allerhöchsten Befehl von
den, bei der k.Hofbau-Intendanz, durch den damaligen Vor-
stand derselben, Geh.Rath v.Klenze, innerhalb 2 Jahren ge-
machten Ersparnissen am ausgesetzten Bauetat, nach
dem Plane dieses Architekten zuerst ein dreiflügeliges Ge-
bäude, für eine Erz- und Eisengießerei bestimmt, in der Nä-
he von München ausgeführt, und damit der Grund zu einer
vom k.Gießerei-Inspektor und Bildhauer Stichelmaier einge-
richteten und geleiteten Werkstätte gelegt, deren Leistun-
gen bereits einen wohlverdienten, weit verbreiteten Ruhm
erhalten haben." (1)
Die Auftragslage für diese Erzgießerei scheint in der Bieder-
meierzeit sehr gut gewesen zu sein:
"Die vielen Beschäftigungen für Erzgüsse, welche diese An-
stalt vom Anbeginne an und ununterbrochen erhielt, veran-
laßten, daß man von dem Gedanken, das bestehende Ge-
bäude auch als Eisengießerei zu benützen, ganz abstrahi-
ren mußte, und bald wurde es selbst als Erzgießerei zu
klein" (2)
Als sich die Bürger Münchens dafür begeisterten, dem vor-
maligen König Max Joseph ein Denkmal zu setzen, verfie-
len die eigentlichen Betreiber auf die Idee, ein 32 Fuß ho-
hes Monument für ihn in der Erzgießerei herstellen zu las-
sen. Aber die bestehende Erzgießerei war zu klein, sodaß,
"als die Herstellung des 32 Fuß hohen, von Münchens Bür-
gern errichteten Monumentes für den höchstseligen König
Max Joseph in Erzguß gefordert wurde, im Jahre 1829
noch ein zweites Gußhaus erbaut werden mußte." (3)
Dieser Vorgang ist interessant. Man fragt sich nämlich,
wer mit welchem Interesse den Guß eines solchen Königs-
denkmals betrieb. Denn die Geschichte geht noch weiter.
Es mußte nämlich ein neues Gußhaus extra dafür gebaut
werden.
"Dieses geschah auf Kosten des Münchener Magistrats,
der nach glücklicher Vollendung dieses kolossalen Denk-
mals das Gebäude dem Hrn.Stichelmaier als Anerkennung
seiner Verdienste schenkte. Von letzterem kaufte es aber
bald nachher der Staat an, so daß nun beide Gebäude
ein Etablissement ausmachen." (4)
Die Frage stellt sich unwillkürlich, warum der Magistrat das
Gebäude loswerden wollte, es dann in Privathände kam
und wieso es schließlich an den Staat verkauft wurde.
Auch müßte geprüft werden, ob dieser Vorgang tatsächlich
so stattfand. Die Fragen gehen also weiter, aber hier soll
es um die Gebäude der Erzgießerei gehen, die im ersten
Abschnitt von 1824 bis zum Jahre 1826 gebaut wurden.
Der zweite Bauabschnitt gelang im Jahre 1829. Da erst im
Jahre 1837 in der Allgemeinen Bauzeitung in Wien darüber
berichtet wurde, handelt es sich um einen baugeschicht-
lichen Rückblick, der dazu dienen soll, diesen Baukomplex
der Erzgießerei zu verstehen.
http://www.fotos.web.de/spaceoffice/Muenchen_Erzgiesserei_1
(Lageplan, Grundrisse, Ansicht)
Es gibt eine Ansichtszeichnung des ersten Gebäudes, das
rückwärts links und rechts Flügelanbauten erhielt. Aus
dem Lageplan wird erkenntlich, in welchem Bezug das
nachfolgende Gebäude zu dem Altbau steht. Dazwi-
schen liegt eine Straße, die zwischen den Gebäuden zum
Platz erweitert wurde. Zum zweiten Gebäude fehlt jede
Ansicht, zu den Fassaden des ersten Bauwerkes gibt es
jedoch Bemerkungen
"Die Fasade /.../ ist durch große Einfachheit und durch ihre
Hauptform charakteristisch. Das Mauerwerk behielt die
sichtbare Backstein-Konstrukzion ohne Verputz, die Ge-
simse sind in Kalk gezogen, und das Dach ist mit gußei-
sernen viereckigen Platten eingedeckt." (5)
Man hatte also Backsteinsichtmauerwerk vor sich, wenn
man auf das Bauwerk zuging. Gesimse, sehr spärlich, fin-
den sich als Wandabschlußgesims unter dem Dachansatz
und als Gliederungselement zwischen den beiden Ge-
schoßen des Mittelrisalites.
Die Türöffnungen, die links und rechts in die rückwärtigen
Gebäudeflügel führen, haben Rundbögen über sich, deren
Keilsteine wegen ihrer helleren Farbe aus dem Backstein-
mauerwerk hervorstechen.
Die Fenster der Hauptansicht des vorderen Gebäudeab-
schnittes sind sehr symmetrisch verteilt worden und haben
über sich einen flachen Segmentbogen, dessen Keilsteine
offensichtlich aus demselben Backsteinmaterial gesetzt
wurden, welches für die übrige Fassade genommen wurde.
Der Mittelrisalit erhielt pro Geschoß je drei gleichmäßig
verteilte Segmentbogenfenster, die seitlich vom Mittelrisa-
liten befindlichen Gebäudeteile, die nur ein Erdgeschoß
mit Dach darüber haben, je zwei Fenster links und rechts
im Backsteinfeld der Fassade gut verteilt.
Über den Gebäudeteilen liegen jeweils Walmdächer. Der
breite Gebäudeteil vorne hat ein querliegendes Walmdach.
Der Mittelrisalit, der ein Geschoß höher aufgemauert wur-
de, um einen Raum zur Aufbewahrung von gegossenen
Teilen zu erhalten, hat ein Walmdach, das in Längsrich-
tung geführt ist, genauso verlaufen die Walmdächer über
den Seitenflügeln, die nur ein Geschoß erhielten. Aus den
Firstlinien der Walmdächer ragen Schornsteine.
Wie man an dem Grundriß sieht, gibt es nur eine Teilunter-
kellerung. Dieser Kellerbereich liegt unter dem Gebäude-
teil, der als Mittelrisalit vor die übrige Fassadenfront tritt.
Die Kellerräume wurden überwölbt. Dies wurde im Grund-
riß durch gestrichelte Linien kenntlich gemacht. Zwischen
den Wandpfeilern und den freistehenden Pfeilern im Raum
wurden Gurte gespannt, die als Auflager für die Wölbun-
gen dienten.
Aus dem Grundriß für das Erdgeschoß wird deutlich, daß
der Haupteingang mittig in der linken Seite des Gebäudes
liegt. Über eine Treppe gelangt man vor die Eingangstür
und tritt dann in einen langen Gang ein, der sich durch die
Mitte des Gebäudes zieht. Aufgereiht liegen rechts vom
Gang das Modellierzimmer, dann folgt das Ziselierzimmer
im Mittelrisaliten, danach das Formzimmer. Achtet man
auf die Räume, die sich links vom Mittelgang reihen, so
liegt zunächst links ein Verbindungsgang zum rückwärtigen
Gebäudeflügel, in dem sich ein Flammofen befindet. Der
Mittelgang führt dann weiter an einem Raum vorbei, in dem
sich ein Erzlager befindet, in dem kleinere Mengen kostba-
rer Erze gelagert wurden. Danach sieht man links vom Mittel-
gang eine Stiege, die ins Obergeschoß des Mittelrisalitbau-
werkes führt, genauso in den Keller. Auf halber Höhe nach
oben scheinen Abtritte angelegt worden zu sein. Die Räum-
lichkeiten sind nicht näher bezeichnet. Hinter dem Durch-
gang zur Stiege trifft man auf einen Flur, der rückwärts aus
dem Gebäude führt. Über eine Außentreppe gelangt man
ins Freie hinter die Gießerei. Es folgen, an den Mittelgang
angereiht, Werkzeugkammer und Schmiede. Danach führt
ein Gang in den rückwärtigen rechten Gebäudeflügel, in
dem sich die Tiegelgießerei befand.
Es wundert, daß bei der Besprechung dieses Bauwerkes
von dem in der Biedermeierzeit sehr bekannten Baumeister
Leo von Klenze keine Kritik in den Aufsatz einfloß, der in
der Allgemeinen Bauzeitung erschien. Denn der Grundriß
des ersten Gebäudes zeigt einen viel zu hohen Fluran-
teil und läßt Treppen erkennen, die im Produktionspro-
zeß vermutlich unnötige Hindernisse darstellten. Es ist
auch kaum zu verstehen, wieso sich ein Lagerraum für ge-
gossene Gegenstände im Obergeschoß des Mittelrisaliten
befinden muß. Dieser herausgehobene Gebäudeteil sugge-
riert eine Nutzung, die vielleicht eher dem Verwaltungsteil
einer solchen Fabrikationsstätte zusteht. Obwohl deutliche
Mängel der Arbeit des Leo von Klenze sichtbar werden,
muß andererseits gesagt werden, daß ein Bemühen be-
stand, durch eine schlichte Architektur ein Gebäude so zu
gestalten, daß es ansehnlich wirkt. Vermutlich mußte mit
sehr wenig Geld gebaut werden, denn es heißt im Aufsatz,
man habe mit den "innerhalb 2 Jahren gemachten Erspar-
nissen am ausgesetzten Bauetat" auskommen müssen.
Es müßte herausgefunden werden, wie der weitere Werde-
gang dieser Fabrik war und ob sich das Bauwerk noch er-
halten hat. Sollte es zerstört worden sein, wäre zu wissen,
wann das geschah. Daß solche Anlagen rasch altern,
sagt uns schon der Text aus der Biedermeierzeit, denn es
mußte eine zweite Gießerei gebaut werden, um den neu-
en Anforderungen gerecht werden zu können. Man hat
mit diesen beiden Gießereigebäuden Bauwerke vor sich,
die in den 1820er Jahren errichtet wurden und Ausdruck
der Biedermeierzeit sind. An ihnen zeigt sich zugleich ein
Problem. Das Fabrikwesen begann zu expandieren und
diese Produktionsstätten griffen in die beschaulichen Zu-
sammenhänge von Landschaften ein. Im Biedermeier
entstand die Sehnsucht, Landschaften intakt zu halten.
Man verdrängte den schleichenden Zerstörungsprozeß
durch Bildgut in der Wohnung, auf der idyllische Land-
schaften zu sehen waren oder unzerstörte Anblicke von
Dörfern und Städten. Jedoch war die Industrialisierung
nicht mehr aufzuhalten. Eisenbahnlinien begannen die
Städte zu verbinden. Die Rauchschwaden der Lokomoti-
ven und Industriebetriebe zogen durch das Land. Es gab
große Ängste wegen der Umwälzung der Verhältnisse,
aber genauso großen Fortschrittsglauben.
K.L.
Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in
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zur Diskussion gestellt. Der Autor ist über folgende
Emailadresse erreichbar: baugeschichte (at)
email.de
Anmerkungen:
(1)-(4) zitiert aus: o.A.: Ueber den Bau der königlichen Erz-
gießerei bei München und über die Leistungen derselben.
S.151-155, S.161-163 und Zeichnungen auf S.153, auf
Blatt CXX, CXXI, CXXII in: Allgemeine Bauzeitung. Wien,
1837. S.151
(5) zitiert aus: o.A., wie vor, S.152