Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert errichteten Bauwerken: die Treibhäuser im naturhistorischen Museum im Paris der Biedermeierzeit

0 views
Skip to first unread message

Karl-Ludwig Diehl

unread,
Nov 12, 2008, 8:43:03 AM11/12/08
to Baugeschichte


Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert
errichteten Bauwerken: die Treibhäuser im natur-
historischen Museum im Paris der Biedermeierzeit


Das naturhistorische Museum in der Stadt Paris hat An-
fänge, die in das 17.Jahrhundert zurückreichen. Es dürfte
sich lohnen, die Geschichte dieses Museums genauer zu
verfolgen. Ein Text aus der Biedermeierzeit kann ausge-
wertet werden, der einen kurzen Abriß der Anfänge dieses
Museums gibt:

"Diese Anstalt wurde im Jahre 1635 unter der Benennung
Jardin du Roi (Königsgarten) begründet und der Botanik
gewidmet, kam aber bis zum Jahre 1732 sehr in Verfall,
bis sie im Jahre 1739 dem berühmten Buffon anvertraut
worden war." (1)

Buffon war sehr rührig, trotzdem war noch viel zu tun:

"Der Garten, gegen Morgen von der jetzigen Baumschule,
gegen Mitternacht von den Treibhäusern, und gegen
Abend von den Gallerien der Naturgeschichte begränzt,
enthielt noch öde Plätze, und man sah weder Alleen noch
andere regelmäßige Anpflanzungen." (2)

Als er im August 1788 verstarb, waren bereits Alleen an-
gelegt und viele andere Einrichtungen geschaffen worden.
Der Garten erlebte in der Revolutionszeit sicherlich große
Veränderungen in der Verwaltung, auch wurde er umbe-
nannt. Bis zum Jahre 1833 war das Gelände erheblich
erweitert worden. Aus den 14 1/2 ha Landfläche war bis
zum Jahre 1833 bereits eine von 27 ha geworden. Im die-
sem Jahre begannen auch wichtige Baumaßnahmen:

"Zu dieser Zeit wurden die Gallerien der Naturgeschichte
um ein Stockwerk erhöht, und deren Länge wurde bei-
nahe verdoppelt. Man errichtete das große temperierte
Glashaus, drei warme Treibhäuser, die Rotunde, das
große Gebäude für die wilden Thiere, die Fasanerie, das
Vogelhaus für die Raubvögel, die Werkstätte an der Sei-
nestraße, und drei halbrunde Laboratorien um das große
Amphitheater herum." (3)

Der Konvent hatte deutliche Veränderungen herbeigeführt,
welche die Regierung vom Jahre 1833 zu einem guten En-
de bringen wollte, sodaß

"im Jahre 1833 die Regierung beschloß, eine so kostbare
Anstalt zu beendigen." (4)

Es kam zu einer Kreditaufnahme, um alle Erweiterungen
und Ausbauten vornehmen zu können. Außerdem wurde
eine Delegation nach England geschickt, die erforschen
sollte, wie dort die modernen Treibhäuser aufgebaut und
betrieben werden, um das naturhistorische Museum mit
modernen Bauten solcher Art ausstatten zu können. (5)

"Die bei dieser Gelegenheit gemachten Beobachtungen
wurden benützt, um nach der Rückkehr von dieser Reise
die Pläne festzustellen, welche hierauf auch in Ausfüh-
rung gebracht wurden." (6)

Genau um diese Treibhäuser, die nach der Forschungs-
reise der französischen Delegation nach England aufge-
baut wurden, soll es hier gehen. Die Planungen beruhen
auf den erarbeiteten Kenntnissen von "Karl Rohault jun."
und des "Herrn von Mirbel, Mitglied des französischen
Instituts und Professor der Pflanzenkultur bei dieser An-
stalt". Die Allgemeine Bauzeitung beschreibt die Treib-
häuser so:

"Diese Treibhäuser nehmen eine Terrasse ein, die in
der Mitte durch einen sanften Abhang getrennt ist, und
bestehen aus zwei großen Pavillons, jeder von 20 Metres
Länge und 15 Metres Höhe, an welche sich die Gallerien
mit zwei Stockwerken unmittelbar anschließen, wie aus
dem Uebersichtsplane ersichtlich wird." (7)

http://www.fotos.web.de/spaceoffice/Paris_Treibhaeuser
(Lageplan, Grundriß Treibhaus, usw.)

Der Übersichtsplan birgt allerdings Probleme. Es ist nicht
in jedem Fall auszumachen, wo sich die Orte befinden, die
im Text angeführt sind, da die Ziffern auf dem Plan nicht im-
mer genau lesbar sind. Es wird zwischen Treibhäusern un-
terschieden, die bereits aufgebaut sind, und solchen, de-
ren Bau noch erfolgen soll. Im Übersichtsplan der großen
Anlage wird in der Legende unterschieden zwischen Treib-
häusern, "ausgeführt von 1834 bis 1836", und es gibt:
"Noch unvollendete Treibhäuser".

Sieht man sich den Grundriß an, der von einem der großen
Treibhäuser dem Aufsatz aus der Biedermeierzeit beige-
geben ist, entdeckt man ein großes und hohes Glashaus
über einem großen Treibkasten. Daneben liegen Streifen
übereinander aufgebauter "überbogter Treibhäuser", vor de-
nen eine weitläufige Terrasse ausgebreitet wurde. In den
ebenfalls vorhandenen Schnitten durch das Treibhaus wer-
den die Anordnungen der Geschoße deutlich.

"Der große Pavillon und die übrigen Treibhäuser sind durch
ein Vorhaus, welches einen kleinen, gleichfalls mit Glas-
fenstern bedeckten Pavillon enthält, und durch eine steiner-
ne Treppe getrennt, die bis zum ersten Stock und zum Bal-
kone führt. Die Gallerien von zwei Stockwerken nehmen
den ganzen Raum zwischen dem Vorhause und der gros-
sen Stiege, von der Seite des Kabinets, ein, von dem sie
durch ein anderes Vorhaus und durch eine Treppe getrennt
sind." (8)

Eingespannt zwischen Treppenhäusern für das Publikum
liegen also Treibhausterrassen übereinander. An dem ei-
nen Ende wurde das große Glashaus vorgebaut. Zu den
glasüberdachten Treibhausterrassen ist gesagt:

"Diese Gallerien, deren Glasfenster durch gebogenes Ei-
sen getragen werden, stoßen an das Labyrinth, das sie
gegen den Nordwind schützt. Die Gallerie des ersten
Stockes ist unmittelbar an die Futtermauer angelehnt, und
von einer Reihe von Schwibbögen getragen, welche in Ni-
schen endigen. Das Mauerwerk ist von Bruchsteinen und
hydraulischem Kalk konstruirt.
Die Gallerie ebener Erde liegt vor den Höhlungen, die durch
diese Gewölbe entstehen. Ein Verbindungsgang von Guß-
eisen liegt über der untern Gallerie, und dient den Glasfen-
stern zur Basis, welche selbst von einem Gange umgeben
sind, der auf den Gipfel der Terrassenmauer führt. Luftklap-
pen sind angebracht, um die Treibhäuser zu lüften. Alle
Öffnungen und Fenster sind um Zapfen drehbar, und da
sie in der Regel so eingerichtet sind, daß der Zapfen sich
in der Mitte befindet, so bildet die eine Hälfte immer das
Gegengewicht für die andere, und die Bewegung geht un-
gemein leicht von statten." (9)

Das große Gewächshaus hat nicht nur eine stattliche Hö-
he, sondern muß auch gut beheizt werden. Die Temperatur
darf der empfindlichen Tropenpflanzen wegen nie unter 15
Grad Celsius sinken. Jede Anordnung dieser Treibhaus-
areale hat solche großen Gewächshäuser:

"Die Pavillons, auf drei Seiten, so wie auf dem Dache ein-
geglaset, werden bis zur Höhe der Spannriegel durch St.An-
dreaskreuze gehalten, und ruhen auf Mauern von 1 Metre
Dicke, entgegengestützt durch die Gebäude, wo sich die
Heizungsvorrichtungen befinden. Die Mitte des westlichen
Pavillons ist zwei Metres tief ausgehöhlt, um die Kübel
der Pflanzen aufzunehmen, deren Stock im Niveau mit dem
Boden der innern Gänge steht.
Dieser Pavillon umfaßt die Palmbäume und die tropischen
Pflanzen, welche die meiste Wärme verlangen. Seine Tem-
peratur darf nie unter 15 Grade des hundertgradigen Ther-
mometers herabfallen. Ein Treibkasten ist bei der Haupt-
mauer über dem Boden errichtet worden, um die Schling-
pflanzen zu erhalten, die sich längs einem eisernen Gitter
hinziehen. In der mittlern Höhe dieser Mauer geht ein Bal-
kon über die ganze Länge, und erleichtert das Studium, in-
dem er die Gipfel der größten Pflanzen dem Auge näher
bringt." (10)

Es wird durch dieses Exzerpt deutlicher, wie das große
und hohe Treibhaus aufgebaut und eingerichtet ist, damit
seine Konstruktion haltbar ist und das Treibhaus im Sinne
des Erhaltes der Pflanzen funktionieren kann. Ein Balkon
wurde eingebaut, der es erlaubt, in Höhe der Wipfel der
hohen Pflanzen nahe an die Gewächse heranzukommen.

Auf das gesamte glasüberdachte Areal gesehen, ergibt
sich diese Varietät:

"Einige Abtheilungen enthalten Treibkästen über dem Bo-
den, andere im Boden liegende, andere eiserne Stufen,
welche die Pflanzen den Glasfenstern näher bringen. Diese
Treibkästen sollen durch innere Dampfröhren geheizt wer-
den. Wasserbecken sind in jede Abtheilung vertheilt. Durch
die ganze Länge eines Treibhauses geht eine horizontale
Röhre, welche oben fast in dem höchsten Theile des Hau-
ses an der steinernen Rückwand angebracht, und mit einer
Menge kleiner Löcher versehen ist. Da nun die Einrichtung
besteht, daß man durch Röhrenleitungen Wasser bis in
die höchsten Theile der Gebäude der Anstalt leiten kann,
so ist auch diese Röhre immer mit Wasser gefüllt, und
man befeuchtet, wenn man einen Hahn öffnet, durch ihren
feinen Regen, die Pflanzen im ganzen Gebäude." (11)

Das Ablassen des Dampfes, das von Rohault und von Mir-
bel bei ihrer Forschungsreise durch die englischen Treib-
häuser als sehr nützlich erkannt wurde, hat man also
auch in den Neubauten im naturhistorischen Museum in
der Stadt Paris vor sich. Feiner Regen rieselt also auch
in Paris über die tropischen Pflanzen.

Interessant sind genauso die Gewölbe im rückwärtigen Teil
"der überbogten Treibhäuser":

"Die Gewölbe in dem hintern Theile der überbogten Treib-
häuser wurden nur aus Gußmörtel verfertigt, der in einer
Dicke von 9 Zoll auf Lehrgerüsten aufgetragen wurde, und
hier besonders gute Dienste leistet, da die Mauern theils
wegen der Erde, die auf der einen Seite bis zu den höch-
sten Theilen des Gebäudes herauf liegt, theils wegen
der Ausdünstung der Pflanzen immer feucht sind. Auf die-
sen Gewölben sind an einigen Theilen sogar nicht unbedeu-
tend hohe Wände oder Pfeiler aufgeführt, und auf anderen
ruht eine bedeutende Masse Erde, in der die Pflanzen
stehen." (12)

Schon Buffon hatte Treibhäuser erbauen lassen. Sie waren
"von Holz" und inzwischen "in schlechtem Zustand". In den
1830er Jahren wünschte man sie zu ersetzen. Es ist si-
cherlich angebracht, sie irgendwann genauer in Erfahrung
zu bringen. Man hatte lange überlegt, wie man die neuen
und großen Treibhäuser beheizen soll, und entschloß sich
dann, eine Dampfheizung einzubauen, "wie in dem gros-
sen Glashauses zu Loddiges bei London". Dieses Lon-
doner Treibhaus funktionierte seit 18 Jahren hervorragend.
Auf dieser Erfahrung wollte man aufbauen. In Paris brach-
te man die Heizungsanlage hinter dem westlichen Pavillon
unter.

"Die Röhrenöfen und zwei Dampfkessel dienen zur Erzeu-
gung der Wärme; erstere sind in einem Keller angebracht,
der hinter dem westlichen Pavillon sich befindet. Die Luft
tritt am Boden kalt hinzu, erwärmt sich, indem sie die von
der Flamme umgebenen Gußröhren durchzieht, erhebt
sich in den obern Theil des Kellers, und kömmt im Ueber-
flusse in die Treibhäuser, nahe bei den Glasfenstern, mit
einer Temperatur von ungefähr 50 Grad." (13)

Die Lage der Dampfkessel ist etwas genauer erörtert:

"Die zwei Kessel befinden sich zu ebener Erde unter den
Röhrenöfen - der Dampf wird durch kupferne Röhren in guß-
eiserne Heizröhren geführt, die so gestellt sind, daß sie in
jedes Glashaus die Temperatur bis zum erforderlichen Gra-
de bringen." (14)

Man hat die Neigungen der Rohre so austariert, daß das
kondensierte Wasser leicht zurückfließen kann. Weil sich
die Rohre ausdehnen, da Hitze und Abkühlung Bewegung
in das Material bringen, wurden "einfache Vorrichtungen"
geschaffen,

"welche die Bewegung der Röhren, die ihrer Länge nach
auf beweglichen Unterlagen ruhen, erleichtert." (15)

Zum Abschluß sei noch erwähnt, daß die "neuern Treib-
häuser" an der Stelle errichtet wurden, wo sich die alten
befanden. Als man diese alten Bauwerke abriß, mußte
für die Unterbringung der empfindlichen Pflanzen gesorgt
werden. Besondere Probleme beim Neubau der Treib-
häuser gab es auch. Da der Untergrund von Paris, ein
Kalkgestein, durch Steinbrüche ausgehöhlt ist, hatte man
bei der Fundamentierung der großen neuen Treibhausbau-
ten so manche technische Schwierigkeit zu überwinden.
In Paris war man hingegangen und hatte sich das Bau-
material aus Steinbrüchen unter der Stadt gebrochen.
Weite Teile von Paris sind deswegen unterhöhlt. Somit
befinden sich auch Höhlungen unter dem Areal des na-
turhistorischen Museums dieser Stadt. Es erstaunt immer
wieder, auf welche Probleme beim Bau von Gebäuden
Rücksicht zu nehmen war.

K.L.

Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in
http://groups.google.com/group/baugeschichte
zur Diskussion gestellt. Der Autor ist über folgende
Emailadresse erreichbar: baugeschichte (at) email.de

Anmerkungen:
(1) zitiert aus: o.A.: Ueber das naturhistorische Museum
(Jardin du Roi, auch Jardin des plantes) in Paris. S.264-
266; S.271-274; S.280-283; S.288-289 und Zeichnungen
auf den Blättern S.266, S.282, S.288 und CXLVI in All-
gemeine Bauzeitung. Wien, 1837. S.264
(2)-(4) zitiert aus: o.A., wie vor, S.265
(5) siehe dazu: Karl-Ludwig Diehl: Auswertung der Auf-
sätze zu den im 19.Jahrhundert errichteten Bauwerken:
Forschungen zu englischen Treibhäusern der Biedermei-
erzeit. In:
http://groups.google.com/group/baugeschichte
siehe außerdem in: o.A., wie vor, S.271
(6)-(7) zitiert aus: o.A., wie vor, S.271
(8)-(11) zitiert aus: o.A., wie vor, S.272
(12)-(13) zitiert aus: o.A., wie vor, S.273
(14)-(15) zitiert aus: o.A., wie vor, S.274


Reply all
Reply to author
Forward
0 new messages