Robert Waldner <
waldner+++s...@waldner.priv.at> wrote:
> Bist Dir da sicher, Clemens? Welcher nicht-nur-Nischen ISP schleckt sich
> nicht alle Finger ab, wenn er sieht, dass er von Google etc. Geld abziehen
> und seinen DB verbessern kann? Und zusaetzlich dann in der Falle sitzt,
> weil die andern kriegen Geld von Google etc. und koennen mit noch
> heftigeren Kampfpreisen Endkunden lukrieren (bzw. sich damit einen laengeren
> Finanz-Atem leisten)?
Noe. Ich bin dafür bekannt, die Intelligenz anderer immer wieder maßlos zu
überschätzen. Und ja - ich glaube schon, dass die Idee als solche recht
rasch Begehrlichkeiten weckt. Nur wenn man anfängt sich das durchzukalkulieren
wird einem recht schnell klar, dass das nicht so einfach in ein Geschäfts-
modell umsetzbar ist (dass diverse Manager allerdings bescheidene Qualitäten
haben steht auf einem anderen Blatt).
Aber mal im Detail: 'Nischen-ISP' hat eine Konnotation, die so am Markt nur
selten anzutrefen ist. Am ehesten sind das mittlerweile gar-nicht-so-kleine
Firmen/Institutionen, die einen speziellen Fall bedienen. Diese haben
aufgrund der angebotenen Leistungen auch eine nicht wirklich vergleichbare
Tarifstruktur.
Bekannte Beispiele sind hier z.B. Akamai oder von mir aus auch Aconet. Auch
Colt lässt sich unter sowas am ehesten einreihen. All die bedienen eine
Nische (Akademiker, Financialservices, oder Largescale Distribution).
Dann haben wir mittlere und kleine ISP. Diese besetzen weniger Nischen,
sie haben in etwa vergleichbare Produkte wie die 'grossen'. Sofern
bestimmte wirtschaftliche Rahmenbedingungen existieren, wird es die immer
geben. 'Netzneutralität' ist für die kein Kriterium - sondern eher so
was wie eine funktionierende Regulierung. Die wissen, dass sie niemals nicht
von google
et.al. auch nur einen cent sehen werden. Die lauern eher sogar
darauf, dass einer der Grossen in die 'Falle' tappt. Denn das bringt
einem dann die eher schlauen Kunden. Die halt auch 1-2 FRZ/m mehr zahlen,
damit z.B. Youtube nicht ruckelt.
Unter denen sieht man das auch eher entspannt, denn zu einen ist man sich
sicher, dass mind. ein Backbone-Carrier nicht z.B. youtube shaped. Weil
bei denen ist der Konkurrenzkampf mittlerweile schon so fortgeschritten,
dass sich über den Preis dort quasi nix mehr holen lässt. Du kannst gerne
mal bei den Einschlägigen die Preise für z.B. 1 GBit CIR abrufen. Und
ehrlich: wenn ich dann dafür bei einem nicht-shapenden sogar das doppelte
zahle wie bei einem shapenden, ist das Wirtschaftlich ein no-brainer,
das rechnet sich durch verminderten Support-Aufwand.
Und wenns gar nicht geht: L2 zum nächsten IXP, wo das Ziel der Begierde
sitzt (das kann sich auch so rechnen).
Halten wir also mal fest: Echte Backbone Carrier fallen hier flach;
die kleinen ISP ebenfalls. Bleibt noch eine erhebliche Marktmacht von
grossen (meist ehem. Telkos). Ich bin mir sogar sicher, dass die das
Probieren werden. Und es wird für Benutzer Probleme geben. Und zwar
für Millionen von denen. Aber auf einer 'Internetweiten Skala' ist
das vernachlässigbar.
Für einzelne Staaten kann das unangenehm werden; abhängig von den
Marktbedingungen dort. Prominentestes Beispiel: die USA. AT&T ist dort
eine Macht, Verizon ditto (im EU Raum eher als Backbone bekannt).
Für die davon abhängigen (kleineren) ISP ist das zwar lästig (Upstream
wechseln, ggf. L2 Infrastuktur ausbauen), aber sogar eine Marktchance.
Für die Content-Anbieter wirds halt eine einfache Rechnung: was will
$BIGPLAYER von mir, und was kostet mich das, wenn ich das selbst mache
(mich z.B. an andere IXP anschliesse).
Auch hier: rufts mal einen Preis für z.B. GE VIE<->FRA oder VIE<->AMS
ab. Der ist nicht *so* hoch. Und definiert mit einem Faktor >1 (für den
Aufwand) auch die obere Grenze, was ein Content-Anbieter einem Backbone-
Carrier zu zahlen bereit sein wird. Das ist nicht so viel. Oder es
bildet sich dann ein neuer Carrier heraus, der darauf spezialisiert ist,
content auszuliefern (so wie Akamai vor einiger Zeit).
Diesbezüglich sehe ich sogar Dienste wie AON-TV z.B. skeptischer, auch
wenn das von der Diskussion gar nicht erfasst wird. Hier wird ein
dritter kaum einen Markteintritt schaffen. Zumindest nicht in den
Preisregionen und wie das Service aufgebaut ist. Natürlich ist mir TV
als solches ganz-herzlich-egal (hat auf den 1. Blick ja nicht wirklich
was mit Internet zu tun), aber ich halte es für möglich, dass es
Angebote geben wird, die hier Probleme bekommen werden (sowas wie
Netflix-on-stereoids). Allerdings war es in dem Markt immer schon usus
den Kabelanbiter für die Einspeisung zu entlohnen.
Und ich bin mir - ich glaube das ist in meinem vorigem Posting durchgeklungen
- sogar sicher, dass das mindestens ein Provider probieren wird. Sogar
mehrere. Es wird sich bei manchen sogar 'ausgehen'. Aber zumindest in
Europa sehe ich von der Markstruktur her eher schwarz für einen Erfolg
(es wir natürlich Buden wie den rosa Elefanten nicht davon abhalten,
es trotzdem probieren zu wollen und das ohnehin schon unterentwickelte
Netz unseres nördlichen Nachbarn wird halt im Vergleich noch übler).
Für die Betroffenen ist das schlecht. Keine Frage. Aber dort isses ja
eh schon schlimm, in dem Netz kriegst du jetzt schon youtube kaum
ruckelfrei in 720p. Oder Twitch ist auch völlig daneben.
Aber deren Historie ist ja ohnehin durchwachsen, was das Verständniss
von Internet angeht. Und ehrlich: nachträglich betrachtet bin ich wirklich
froh, dass sich die T so deppert aufgeführt hat (nur paid-peerings, usw).
Denn das war defacto ein entscheidender Punkt, warum die trotz enormen
Kapitaleinsatzes immer noch nur unter ferner liefen rangieren und nicht
einer der bedeutensten Carrier in Europa sind.
> Bloedsinn. Bei dieser "Providerabgabe" ziehen sie Geld von ihrem
> tatsaechlichen Kunden ein. Bei der Netzneutralitaet geht's mehr drum,
> dass sie gern von den Googles dieser Welt auch Geld haetten, obwohl die
> nicht mal Kunden sind.
Wie schon gesagt, die Idee ist nicht sonderlich neu, seit den neunzigern
hat es schon zahlreiche Versuche gegeben, sowas zu machen (z.B. nicht
uber den Angriff 'Dienstneutralität' sondern z.B. über peering-
und Upstream policies. Das am geogr. nächsten liegende Beispiel ist
T-Online (daraus entstanden sind die Hetzners und 1&1en - den Hosting
bei der T hatte zur Folge, dass Webpräsenz für alles != T äusserst
bescheiden erreichbar war).
Ich müsste mal im Buzzword-archiv nachschlagen. ABer man erinnert
sich sicher noch an 'Content ist King'. Eh ja. Was haben die grossen
Telkos daraus gemacht: Klingelton-herunterlad-Portale (oder sowas in
der Qualität). Hat sich ja total durchgesetzt.
> Das koennte dann so ausschauen:
> "Wollen sie gutes Google? Dann kommen sie zur TA!"[0]
> "Wollen sie gutes Facebook? JETZT wechseln zu Tele2!"[0]
> "I AM UPC OF BORG BEI MIR GUDE NETFLIX!!"[0]
Es wird probiert werden, keine Frage. Nur ich sehe den Impact auf 'das
Internet' nicht. Und es wird sich möglicherweise für den einen oder
anderen sogar rechnen. Abgesehen davon machst du mit sowas deinen
wirtschaftlichen Erfolg vom Erfolg einer anderen Firma abhängig. Das
ist eigentlich etwas, das man vermeiden sollte. Für das Internet selbst
sehe ich da wenig Auswirkungen.
cu
Clemens.