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Vorsatz bei Körperverletzung?

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Clemens Aigner

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Mar 23, 2023, 2:40:38 AM3/23/23
to
Der Fall ist hypothetisch, aber er ist mir eingefallen, als ich eine
konkrete Situation beobachtet habe, die alltäglich ist.

Alltäglich ist, dass Linksabbieger auf eine Lücke im Gegenverkehr
warten, dann schnell Gas geben und dann vollkommen
überrascht sind, dass parallel zum Gegenverkehr links auch
noch Fußgänger queren.

Hypothetische Situation: PKW will noch schnell vor der
entgegenkommenden Straßenbahn über einen Gehsteig
links zu einem Supermarktparkplatz. Leider achtet der PKW-
Lenker vorerst nicht auf die Fußgänger am Gehsteig und
muss noch am Gleis stehenbleiben.

Nun ist aber absehbar, dass die Straßenbahn nicht rechtzeitig
stehenbleiben kann und daher den PKW mehr oder weniger intensiv
abschießen wird.

Nun entscheidet sich der KFZ-Lenker, auf den Gehsteig weiterzufahren
und verletzt dabei Fußgänger.

Ist das vorsätzliche Körperverletzung? Es war ja nachweislich
eine bewusste Entscheidung.

--
Clemens

Werner Tann

unread,
Mar 23, 2023, 2:54:52 AM3/23/23
to
Clemens Aigner <aig...@sms.at> schrieb:

>Nun entscheidet sich der KFZ-Lenker, auf den Gehsteig weiterzufahren
>und verletzt dabei Fußgänger.
>
>Ist das vorsätzliche Körperverletzung? Es war ja nachweislich
>eine bewusste Entscheidung.

Er hat sich bewusst entschieden, den Gehsteig zu befahren, nicht aber,
Fußgänger niederzufahren (*). Insofern er damit rechnen musste, dabei
Passanten zu verletzen, käme wahrscheinlich fahrlässige
Körperverletzung in Betracht - neben der Strafe fürs Befahren eines
Gehwegs.

(*) In jüngster Zeit gab es Fälle, wo Irre absichtlich in
Menschengruppen gefahren sind, z. B. auf Weihnachtsmärkten.

Clemens Aigner

unread,
Mar 23, 2023, 3:08:08 AM3/23/23
to
Werner Tann schrieb am Donnerstag, 23. März 2023 um 07:54:52 UTC+1:
> Er hat sich bewusst entschieden, den Gehsteig zu befahren, nicht aber,
> Fußgänger niederzufahren (*). Insofern er damit rechnen musste, dabei
> Passanten zu verletzen, käme wahrscheinlich fahrlässige
> Körperverletzung in Betracht - neben der Strafe fürs Befahren eines
> Gehwegs.

Nun ja, der Gehweg darf ja überquert werden,
um zum Parkplatz zu kommen.

Der PKW steht 1 Meter vor einer sich auf dem Gehsteig
bewegenden Fußgängergruppe. Der Lenker entscheidet
sich, in die Gruppe hineinzufahren, um den
Knaller mit der Straßenbahn zu vermeiden.

Anfahren, obwohl Personen vor dem PKW stehen,
ist allein betrachtet Vorsatz. Die Frage ist, ob das nur
eine unvermeidliche Folge des
fahrlässigen Abbiegens ist und daher
insgesamt als Fahrlässigkeit zu werten ist.

Zum Beginn des Abbiegevorgangs war sicher noch kein
Vorsatz da, Fußgänger zu verletzen.

--
Clemens

Werner Tann

unread,
Mar 23, 2023, 3:47:24 AM3/23/23
to
Clemens Aigner <clemens....@gmail.com> schrieb:

>Der PKW steht 1 Meter vor einer sich auf dem Gehsteig
>bewegenden Fußgängergruppe. Der Lenker entscheidet
>sich, in die Gruppe hineinzufahren, um den
>Knaller mit der Straßenbahn zu vermeiden.

Du hast geschrieben
| Nun entscheidet sich der KFZ-Lenker, auf den Gehsteig weiterzufahren

Von "in die Gruppe reinfahren" stand da nichts.

>Anfahren, obwohl Personen vor dem PKW stehen,
>ist allein betrachtet Vorsatz. Die Frage ist, ob das nur
>eine unvermeidliche Folge des
>fahrlässigen Abbiegens ist und daher
>insgesamt als Fahrlässigkeit zu werten ist.

Ich kenne mich mit deiner konstruierten Situation nicht aus, sorry.

Entweder er hat die Passanten gesehen oder nicht. Entweder er hat
vorher noch gebremst oder nicht.

Clemens Aigner

unread,
Mar 23, 2023, 10:28:33 AM3/23/23
to
Werner Tann schrieb am Donnerstag, 23. März 2023 um 08:47:24 UTC+1:

> Entweder er hat die Passanten gesehen oder nicht. Entweder er hat
> vorher noch gebremst oder nicht.

Er will noch schnell vor der Straßenbahn an links - über
das Straßenbahngleis, den Gehsteig und rein in den
Supermarktparkplatz.

Das geht sich vor der Straßenbahn nur noch knapp aus.

An die Fußgänger hat er nicht gedacht. Instinktiv
steigt er auf die Bremse und bleibt direkt vor den Fußgängern stehen.

Nach dem Stillstand des PKW vor den Fußgängern fällt ihm auf,
dass die Straßenbahn nicht mehr stehenbleiben kann und es daher
zu einem Unfall kommen wird, wenn er nicht weiterfährt.

Er entscheidet sich daher, weg von der gefährlichen Straßenbahn zu
fahren und verletzt dabei einen Fußgänger. Die Verletzung war absehbar,
der Fußgänger direkt vor ihm.

--
Clemens

Georg Gruber

unread,
Mar 23, 2023, 11:03:35 AM3/23/23
to
Man fährt niemand sehenden Auges und somit vorsätzlich über den Haufen,
außer man ist ein Soziopath.
Wie wäre es denn mit zurückschieben oder es halt sportlich nehmen und
sich von der Straßenbahn schnupfen lassen?


--
LG Georg

Löwen föhnen ist keine TikTok-Challenge.

Helmut Wabnig

unread,
Mar 23, 2023, 11:10:15 AM3/23/23
to
Wenn die Straßenbahn seinen Kotter vorwärtschupft,
kollidiert er unaufhaltbar genau mit denen Fußgöngern...

Alle tot.

Ende der Moritat.
w.

--
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Georg Gruber

unread,
Mar 23, 2023, 11:22:36 AM3/23/23
to
Die Fußgänger befinden sich ja seitlich der Straßenbahn auf dem
Gehsteig, das Auto würde aber längs der Straße mitgeschoben.

Bernhard Kuemel

unread,
Mar 23, 2023, 11:45:10 AM3/23/23
to
StGB

Vorsatz
§ 5.

(1) Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will,
der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter
diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
(2) Der Täter handelt absichtlich, wenn es ihm darauf ankommt, den
Umstand oder Erfolg zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches
Handeln voraussetzt.
(3) Der Täter handelt wissentlich, wenn er den Umstand oder Erfolg,
für den das Gesetz Wissentlichkeit voraussetzt, nicht bloß für möglich
hält, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für gewiß hält.

Entschuldigender Notstand
§ 10.

(1) Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um einen unmittelbar
drohenden bedeutenden Nachteil von sich oder einem anderen abzuwenden,
ist entschuldigt, wenn der aus der Tat drohende Schaden nicht
unverhältnismäßig schwerer wiegt als der Nachteil, den sie abwenden
soll, und in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten
Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war.
(2) Der Täter ist nicht entschuldigt, wenn er sich der Gefahr ohne
einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund bewußt ausgesetzt hat. Der
Täter ist wegen fahrlässiger Begehung zu bestrafen, wenn er die
Voraussetzungen, unter denen seine Handlung entschuldigt wäre, in einem
Irrtum angenommen hat, der auf Fahrlässigkeit beruhte, und die
fahrlässige Begehung mit Strafe bedroht ist.

Manche Fussgaenger koennten vielleicht aus dem Weg gehen/laufen/springen
oder vorausschauend ausweichen.

Bernhard Kuemel

unread,
Mar 23, 2023, 11:46:23 AM3/23/23
to
UTF-8, dann kann ich das ö auch lesen.

Georg Gruber

unread,
Mar 23, 2023, 12:38:39 PM3/23/23
to
Am 23.03.2023 um 16:46 schrieb Bernhard Kuemel:
> UTF-8, dann kann ich das ö auch lesen.

Ist UTF-8, nur hab ich das von Herrn Wabnig verbogene Subject nicht
gleich wieder repariert.

Clemens Aigner

unread,
Mar 23, 2023, 2:43:05 PM3/23/23
to
On Thursday, March 23, 2023 at 4:45:10 PM UTC+1, Bernhard Kuemel wrote:
> Manche Fussgaenger koennten vielleicht aus dem Weg gehen/laufen/springen
> oder vorausschauend ausweichen.

Diese Verpflichtung kann ich aus dem Gesetz nicht herauslesen,
vielleicht habe ich etwas überlesen.

Im Besonderen wird es einem verletzten Fußgänger, der nicht weggehüpft
ist, wohl nicht anzulasten sein, dass er nicht ausgewichen ist, da ihm
die Komplexität der Situation wohl nicht bewusst sein kann. Welcher
Fußgänger auf dem Gehsteig beobachtet denn aus Sorgfalt den
Straßenbahnverkehr auf der Fahrbahn?

Und außerdem werde ich als Fußgänger nur Handlungen setzen,
die meine eigene Gesundheit erhalten. Bei einem Auto,
dass aus dem Stillstand aus 1m Distanz auf mich zufährt,
werde ich höchstens auf die Motorhaube hüpfen, was
soll ich denn anders tun?

Im konkreten, also nicht hypothetischen Fall hat die Straßenbahn
die Bremsung gerade noch geschafft.
--
Clemens

Werner Tann

unread,
Mar 23, 2023, 3:30:22 PM3/23/23
to
Georg Gruber <g.gruber...@gmx.net> schrieb:

>Man fährt niemand sehenden Auges und somit vorsätzlich über den Haufen,
>außer man ist ein Soziopath.
>Wie wäre es denn mit zurückschieben oder es halt sportlich nehmen und
>sich von der Straßenbahn schnupfen lassen?

Spannender wäre deswegen die Situation, wenn die Straßenbahn eine
Eisenbahn mit 200 km/h ist. Das hieße das eigene gegen fremdes Leben
abwägen. Darf man Unschuldige töten, um selber am Leben zu bleiben?
Rechtlich gesehen muss man vermutlich sterben, philosophisch gesehen
ist die Sache nicht so einfach.

Stefan Froehlich

unread,
Mar 24, 2023, 9:07:19 AM3/24/23
to
On Thu, 23 Mar 2023 19:43:04 Clemens Aigner wrote:
> Im konkreten, also nicht hypothetischen Fall hat die Straßenbahn
> die Bremsung gerade noch geschafft.

Selbst wenn sie das nicht geschafft hätte, ist der Lenker des PKW
bei einer *Straßen*bahn eher nicht bis nie in Lebensgefahr. Die,
zumal durch Eigenverschulden drohende, eigene Körperverletzung wird
schwerlich eine Rechtfertigung für die Körperverletzung anderer
sein.

Servus,
Stefan

--
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Stefan - nicht einer zutscht fetter sei es denn netter.
(Sloganizer)

David Seppi

unread,
Mar 26, 2023, 9:48:54 AM3/26/23
to
Werner Tann schrieb:

> Darf man Unschuldige töten, um selber am Leben zu bleiben?

Nein, das ist generell nicht erlaubt. Unter Umständen kann das aber
wegen des Entschuldigungsgrundes "Entschuldigender Notstand" (§ 10 StGB)
straffrei bleiben.

--
David Seppi
1220 Wien

David Seppi

unread,
Mar 26, 2023, 9:53:41 AM3/26/23
to
Stefan Froehlich schrieb:

> Die, zumal durch Eigenverschulden drohende, eigene Körperverletzung
> wird schwerlich eine Rechtfertigung für die Körperverletzung anderer
> sein.

1. kann eine drohende eigene Körperverletzung sehr wohl eine
Rechtfertigung für die Körperverletzung Dritter sein, wenn letztere
weniger schwer wiegt (rechtfertigender Notstand)
(sehe ich hier aber nicht),
2. gibt es ja noch den entschuldigenden Notstand, der die Tat zwar nicht
rechtfertigt (sie bleibt aber illegal), sie aber entschuldigt
(womit sie nicht mehr strafbar ist),
3. gibt es hier zwar Eigenverschulden, aber das schließt die Anwendung
des § 10 StGB (entschuldigender Notstand) nicht aus.
Der wäre nur ausgeschlossen, wenn sich der Täter bewusst(!) der
Gefahr ausgesetzt hätte. Fahrlässigkeit alleine schadet nicht.

David Seppi

unread,
Mar 26, 2023, 9:59:28 AM3/26/23
to
Clemens Aigner schrieb:

> Nun entscheidet sich der KFZ-Lenker, auf den Gehsteig weiterzufahren
> und verletzt dabei Fußgänger.
>
> Ist das vorsätzliche Körperverletzung? Es war ja nachweislich
> eine bewusste Entscheidung.

Ja, das ist definitiv Vorsatz. Das alleine reicht aber für eine
Bestrafung nicht aus, da der Täter dafür nicht nur tatbestandsmäßig,
sondern auch rechtswidrig und schuldhaft handeln muss.

Rechtswidrigkeit wäre etwa ausgeschlossen, wenn dem Fahrer durchs
Stehenbleiben ein größeres Unheit drohen würde als durch die
Körperverletzunf der Fußgänger, da die Tat dann durch den (nicht
kodifizierten) Rechtfertigungsgrund "rechtfertigender Notstand"
gerechtgertigt wäre.

Die Schuld wäre bereits dann ausgeschlossen, wenn dem Fahrer durchs
Stehenbleiben ein vergleichbares Übel gedroht hätte, "in der Lage
des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen
Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war" und er sich der Gefahr
nicht bewusst ausgesetzt hat (§ 10 StGB).

Man kann hier halt darüber streiten, ob von einem "mit den rechtlich
geschützten Werten verbundenen" Menschen ein Stehenbleiben zu erwarten
gewesen wäre. Ich würde das verneinen.
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