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Beweislast im Zivilrecht (Identitaetsdiebstahl)

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Werner Tann

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Sep 18, 2023, 5:52:12 AM9/18/23
to
Angenommen, Person X fälscht die Unterschrift von Y und bestellt bei
Händler Z im Namen von Y Waren. Y erhält die Rechnung und verweigert
die Bezahlung. Z klagt Y auf Zahlung. Muss nun Y beweisen, dass die
Unterschrift falsch ist oder Z, dass sie echt ist? Oder trifft hier
beide die Beweislast? Oder verlangt das Gericht ein unabhängiges
Gutachten?

Bernhard Kuemel

unread,
Sep 18, 2023, 12:34:05 PM9/18/23
to
Hab mal gehoert, dass man bei Gericht beweisen muss, was man selber
behauptet. Andererseits haben Richter freie Beweiswuerdigung, glaube
ich, was immer das genau heisst.


Werner Tann

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Sep 18, 2023, 1:28:00 PM9/18/23
to
Bernhard Kuemel <bern...@bksys.at> schrieb:
Das ist eben das Problem bei dem angenommenen Fall: Im Grunde
behaupten beide etwas: der Händler (implizit), dass die Unterschrift
echt ist, sonst hätte er die Ware nicht geliefert bzw. die Rechnung
nicht geschickt, und Y, dass sie falsch ist, weil er nichts bestellt
hat. Auch davon auszugehen, was das "Übliche" ist, scheint mir hier
nicht zielführend. Zwar darf ein Händler davon ausgehen, eine
Unterschrift sei echt, er muss aber trotzdem grundsätzlich immer mit
einer Fälschung rechnen (etwa so wie mit Falschgeld).

Franz Glaser

unread,
Sep 18, 2023, 4:16:48 PM9/18/23
to
So wie ich das gelernt (nicht studiert) habe, ist vor einer zivil-
rechtlichen Klage dieser Art eine strafrechtliche Anzeige bei der
Polizei notwendig. Aber das ist nur meine Erinnerung.


GL

Werner Tann

unread,
Sep 19, 2023, 1:28:11 AM9/19/23
to
Franz Glaser <fr...@meg-glaser.com> schrieb:

> So wie ich das gelernt (nicht studiert) habe, ist vor einer zivil-
> rechtlichen Klage dieser Art eine strafrechtliche Anzeige bei der
> Polizei notwendig. Aber das ist nur meine Erinnerung.

Zunächst klagt ja der Händler den Y auf Zahlung (die Unterschrift ist
ihm egal, er hält sie für echt). Für diese Klage ist bestimmt keine
Anzeige erforderlich. Y wiederum wird, da hast du recht, Anzeige gegen
Unbekannt erstatten, das heißt, gegen den Unterschriftenfälscher.
Insofern würde wohl die Polizei indirekt versuchen (müssen), dem Y den
Beweis zu liefern, dass er nichts bestellt hat. Die Polizei hätte auch
die Mittel, vom Händler die Herausgabe des Bestellscheins zu
verlangen. Wenn die Unterschrift der echten sehr ähnlich ist, weil dem
X eine Vorlage zur Verfügung stand, braucht es ein Guthaben. Wer zahlt
dieses dann? Der Staat oder Y?

Stefan Froehlich

unread,
Sep 19, 2023, 4:21:28 AM9/19/23
to
On Tue, 19 Sep 2023 07:28:09 Werner Tann wrote:
> Zunächst klagt ja der Händler den Y auf Zahlung (die Unterschrift
> ist ihm egal, er hält sie für echt). Für diese Klage ist bestimmt
> keine Anzeige erforderlich.

Der Händler wird erst einmal ein Mahnverfahren anstoßen, worauf hin
es einen gerichtlichen Zahlungsbefehl gibt, dem der "Käufer"
vermutlich widersprechen wird (tut er es nicht, ist die Geschichte
bereits zu Ende).

> Y wiederum wird, da hast du recht, Anzeige gegen Unbekannt
> erstatten, das heißt, gegen den Unterschriftenfälscher.

Erst einmal wird es wohl eine Tagsatzung geben, bei der die
Unterschrift präsentiert wird (weiß der Käufer davor denn überhaupt
schon von deren Existenz? Wie hat er auf den Rechnungserhalt
reagiert?). Nun wird es am Richter des Zivilgerichts liegen, diesen
Beweis entsprechend zu würdigen (wegen plumper Fälschung abzuweisen,
ihn anzuerkennen, oder einen Sachverständigen beizuziehen). Die
beiden Streitparteien können natürlich ebenfalls (auf eigene Kosten)
Sachverständige hinzuziehen... sprich: ab hier ufert die Zahl der
möglichen Fortsetzungen aus.

Eine Anzeige gegen Unbekannt käme dann ziemlich sicher auch noch
hinzu.

> Wenn die Unterschrift der echten sehr ähnlich ist, weil dem X eine
> Vorlage zur Verfügung stand, braucht es ein Guthaben. Wer zahlt
> dieses dann? Der Staat oder Y?

Zunächst einmal der Auftraggeber, in weiterer Folge hängt es dann
wohl auch vom Ausgang des Verfahrens ab.

Servus,
Stefan

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So ein ferkliger Gedanke: Stefan!
(Sloganizer)

Werner Tann

unread,
Sep 19, 2023, 5:38:52 AM9/19/23
to
Stefan...@Froehlich.Priv.at (Stefan Froehlich) schrieb:

> reagiert?). Nun wird es am Richter des Zivilgerichts liegen, diesen
> Beweis entsprechend zu würdigen (wegen plumper Fälschung abzuweisen,
> ihn anzuerkennen, oder einen Sachverständigen beizuziehen). Die
> beiden Streitparteien können natürlich ebenfalls (auf eigene Kosten)
> Sachverständige hinzuziehen... sprich: ab hier ufert die Zahl der
> möglichen Fortsetzungen aus.

Genauso prickelnd stelle ich mir das vor.
Wobei es letztlich wenig Rolle spielen wird, ob die Bestellung
tatsächlich altmodisch auf Papier, mit Unterschrift, erfolgt ist oder
online (Paketbetrug), zumindest bei letzterem scheint aber die
Beweislast eindeutig beim Händler zu liegen, dass wirklich eine
Bestellung von der richtigen Person vorliegt. In dem Zusammenhang sind
die Paketshops ein ziemliches Risiko, weil es dort oft genügt, den
Gelben Zettel vor die Linse zu halten (ohne Ausweis), welcher vorher
aus dem Postfach des Opfers geklaut wurde. Wie will man da nachweisen,
dass man es nicht selbst war, der die Sendung abgeholt hat ...

Gerald Eіscher

unread,
Sep 19, 2023, 8:08:11 AM9/19/23
to
Am 19.09.23 um 11:38 schrieb Werner Tann:
> Stefan...@Froehlich.Priv.at (Stefan Froehlich) schrieb:
>
>> reagiert?). Nun wird es am Richter des Zivilgerichts liegen, diesen
>> Beweis entsprechend zu würdigen (wegen plumper Fälschung abzuweisen,
>> ihn anzuerkennen, oder einen Sachverständigen beizuziehen). Die
>> beiden Streitparteien können natürlich ebenfalls (auf eigene Kosten)
>> Sachverständige hinzuziehen... sprich: ab hier ufert die Zahl der
>> möglichen Fortsetzungen aus.
>
> Genauso prickelnd stelle ich mir das vor.
> Wobei es letztlich wenig Rolle spielen wird, ob die Bestellung
> tatsächlich altmodisch auf Papier, mit Unterschrift, erfolgt ist oder
> online (Paketbetrug), zumindest bei letzterem scheint aber die
> Beweislast eindeutig beim Händler zu liegen, dass wirklich eine
> Bestellung von der richtigen Person vorliegt.

In der Praxis wird sich die Person über das nicht bestellte Paket
ärgern, es retournieren und die Sache ist erledigt.

> In dem Zusammenhang sind
> die Paketshops ein ziemliches Risiko, weil es dort oft genügt, den
> Gelben Zettel vor die Linse zu halten (ohne Ausweis), welcher vorher
> aus dem Postfach des Opfers geklaut wurde. Wie will man da nachweisen,
> dass man es nicht selbst war, der die Sendung abgeholt hat ...

Bei den Abholstationen der Post per Unterschrift auf dem
Tapsch-Bildschirm. Bei Amazon kriegt man per Mail oder Händi-Äpp einen
6-stelligen Code, an den eine fremde Person nicht einfach heran kommt,
DPD und DHL WIMRE ebenfalls Code.

--
Gerald

Bernhard Z

unread,
Sep 25, 2023, 3:58:29 AM9/25/23
to
Wie hiergroups ja sicherlich bekannt, bin ich absolut kein Zivilrechtler
:) Ich probiers trotzdem - bitte um Feedback, wenn ich absolut falsch
liege.

Praktisch vermute ich, dass Z in der vorbereitenden Tagsatzung die
Unterschrift vorlegen wird, Y bestreitet die Echtheit der Unterschrift.
Das Gericht wird dann - da der Verdacht der Urkundenfälschung
(Bestellung = Urkunde) im Raum steht vom Amts wegen ein Strafverfahren
einleiten müssen. Das Zivilverfahren wird wahrscheinlich bis zum Ausgang
des Strafverfahrens unterbrochen werden. - § 191 (2) ZPO sieht genau
diese Vorgehensweise vor:
| § 191 ZPO
| (1) Ergibt sich im Laufe eines Rechtsstreites der Verdacht einer
| strafbaren Handlung, deren Ermittlung und Aburtheilung für die
| Entscheidung des Rechtsstreites voraussichtlich von maßgebendem Einfluss
| ist, so kann der Senat anordnen, dass der Rechtsstreit bis zur
| Erledigung des Strafverfahrens unterbrochen werde.
| (2) Eine solche Unterbrechung kann insbesondere stattfinden, wenn sich
| Verdachtsgründe dafür ergeben, dass eine für die Processentscheidung
| wichtige Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht ist, oder dass
| sich eine über wesentliche Umstände einvernommene Partei oder ein Zeuge
| oder Sachverständiger, dessen Aussage der Senat sonst bei der
| Entscheidung voraussichtlich berücksichtigen würde, einer falschen
| Aussage schuldig gemacht hat.
| (3) Nach rechtskräftiger Erledigung des Strafverfahrens ist das
| unterbrochene Verfahren in der Hauptsache auf Antrag oder von amtswegen
| aufzunehmen.

Im Strafverfahren muss dann die StA die Unterschrift prüfen lassen - das
wird höchstwahrscheinlich mit einem Gutachten erfolgen.

Bernhard

Werner Tann

unread,
Sep 25, 2023, 4:22:06 AM9/25/23
to
Bernhard Z <bernha...@aon.at> schrieb:

> einleiten müssen. Das Zivilverfahren wird wahrscheinlich bis zum Ausgang
> des Strafverfahrens unterbrochen werden. - § 191 (2) ZPO sieht genau
> diese Vorgehensweise vor:

Okay, das ist interessant.

> Im Strafverfahren muss dann die StA die Unterschrift prüfen lassen - das
> wird höchstwahrscheinlich mit einem Gutachten erfolgen.

Das klingt alles logisch. Was macht Y, wenn der Händler ihn nicht
klagt, sondern, was vermutlich wahrscheinlicher ist, ihn zunächst mit
einem Inkassobüro sekkiert? Wie ist da der Ablauf? Sollte Y gleich
selber Strafanzeige stellen wegen der gefälschten Unterschrift (dass
eine U. vorliegt, wird das Inkassobüro bestimmt auf Anfrage beteuern).
Kann ohne diese Anzeige das Inkassobüro sofort eine Lohnpfändung oder
Exekution verlangen? Dazu braucht's doch einen Gerichtsbeschluss? Wenn
ja, dann wird das Gericht ja hoffentlich vom Y eine Stellungnahme
einholen?

Stefan Froehlich

unread,
Sep 25, 2023, 6:06:39 AM9/25/23
to
On Mon, 25 Sep 2023 10:22:04 Werner Tann wrote:
> Kann ohne diese Anzeige [wg. Unterschriftsfälschung] das
> Inkassobüro sofort eine Lohnpfändung oder Exekution verlangen?
> Dazu braucht's doch einen Gerichtsbeschluss?

"Verlangen" kann man viel, ob man es bekommt hängt davon ab. Egal ob
der Unternehmer oder ein Inkassobüro pfänden möchte, der
entsprechende Titel ist dazu schon nötig, und den gibt's nicht ohne
Zustimmung des Gerichts. Womit wir dann wieder beim bereits
erwähnten Zahlungsbefehl wären, dem der "Käufer" jedenfalls
fristgerecht widersprechen muss.

> Wenn ja, dann wird das Gericht ja hoffentlich vom Y eine
> Stellungnahme einholen?

Erst einmal Widerspruch, dann Stellungnahme vor Gericht, ja.

Servus,
Stefan

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Stefan - das ist doch mal ein verwundeter Gedanke.
(Sloganizer)

Werner Tann

unread,
Sep 25, 2023, 6:58:51 AM9/25/23
to
Stefan...@Froehlich.Priv.at (Stefan Froehlich) schrieb:

> > Wenn ja, dann wird das Gericht ja hoffentlich vom Y eine
> > Stellungnahme einholen?
>
> Erst einmal Widerspruch, dann Stellungnahme vor Gericht, ja.

Das klingt insgesamt ja beruhigend (mal abgesehen vom Stress mit den
Proleten vom Inkassobüro). Ich hatte befürchtet, der Weg vom
Nichtbezahlen über Mahnklage bis zur Exekution wäre ein Automatismus,
bei dem keiner mehr nach der Echtheit der Unterschrift fragt.

Stefan Froehlich

unread,
Sep 25, 2023, 8:01:10 AM9/25/23
to
Als Referenz:
<https://www.oesterreich.gv.at/themen/dokumente_und_recht/zivilrecht/2/1/Seite.1010321.html>

Servus,
Stefan

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Stefan, mit dem gigantischen Geruch der Gier.
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Werner Tann

unread,
Sep 25, 2023, 10:34:09 AM9/25/23
to
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