Fw: Krankenhausschließungen im Schatten der Pandemie

0 views
Skip to first unread message

Mike Nagler

unread,
Apr 30, 2020, 4:28:06 AM4/30/20
to april-n...@googlegroups.com
 
----- Original Message -----
Sent: Thursday, April 30, 2020 6:17 AM
Subject: Krankenhausschließungen im Schatten der Pandemie

 


Liebe Freundinnen und Freunde der Gemeingüter,

in großer Eile wurden in den letzten Wochen Betten in Krankenhäusern freigemacht, um sie für Corona-Infizierte vorzuhalten. Das war auch deswegen möglich, weil wir vielerorts noch eine regionale Krankenhausversorgung haben. Viele PolitikerInnen loben in den Medien die flächendeckende Krankenhausinfrastuktur in Deutschland und beschwören ihre Wichtigkeit. Aber die Realität sieht anders aus: Die regionalen Krankenhäuser sind nach wie vor von Schließungen bedroht und schließen auch aktuell – im Schatten der Pandemie.

Mit dem Postulat der „Qualitätsorientierung“ werden nach wie vor kleinen regionalen Kliniken die Gelder gekürzt und ihre Zusammenlegung oder ihr Abbau seit 2019 großzügig gefördert. Pro Jahr fördert der Bund Krankenhausschließungen mit insgesamt 500 Millionen Euro. Wer gedacht hat, dass die Corona-Krise diesen Trend umkehrt, der wird eines Besseren belehrt. Politiker in Bund und Ländern halten an den Gutachten fest, die noch vor Corona erstellt wurden und flächendeckende Schließungen empfehlen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will eine kalte Strukturbereinigung der Krankenhäuser ebenso wie der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Gemeinsam mit Ministerpräsidenten wie Armin Laschet haben sie sich in Studien ausrechnen lassen, dass Krankenhausschließungen vorteilhaft sind.

In der Corona-Krise treten jetzt staatlich bezahlte Lobbyisten wieder vor die Presse. So meinte Professor Reinhard Busse, es sei eine Fiktion, dass „Gebäude, auf denen Krankenhaus draufsteht und drinnen Betten sind, helfen würden“. Das gelte „ganz besonders bei neuen Erkrankungen wie COVID-19“. Busse ist Autor einer Leopoldina-Studie und war auch mitverantwortlich für eine Bertelsmann-Studie. Beide Papiere besagen, dass unsere Gesundheitsversorgung mit deutlich weniger Krankenhäusern besser wäre.

Und was sagt Minister Spahn dazu? Viele waren unserem Aufruf gefolgt, ihn zu fragen, ob er ein Ende der Schließungen garantieren würde. Das blieb nicht unbemerkt! Spahn musste antworten, lässt aber mitteilen, dass er nicht zuständig sei: Krankenhäuser seien Ländersache. Ansonsten werde er „die Entwicklung der Krankenhausstrukturen […] genau beobachten, um diese insbesondere unter dem Aspekt der Qualitätsorientierung […] zu diskutieren“.

Diese Entwicklung stimmt alles andere als optimistisch und bestärkt uns darin, dass der öffentliche Protest gegen die Schließungen nötig ist. Kleinere regionale Krankenhäuser sind nicht nur in Corona-Zeiten unverzichtbar. Sie helfen bei den sehr häufigen Erkrankungen und Komplikationen wie Sepsis, Blutungen nach Auto- und anderen Unfällen oder zum Beispiel bei akuten Blinddarmentzündungen. Auch bei Herzinfarkten retten sie tausenden Menschen das Leben, weil sie ermöglichen, dass schnell behandelt wird. Viele Kranke müssen auch ohne Operationen ins Krankenhaus und sind dann mehrere Tage bettlägerig, zum Beispiel bei schwerer Grippe, entgleisten diabetischen Stoffwechsellagen sowie bei akuten Verschlechterungen bei Asthma oder dauerhaften, fortschreitenden Erkrankungen der Atemwege. Genau für solche PatientInnen sind regionale kleine Krankenhäuser nötig.

Viele örtliche Initiativen kämpfen für ihre Krankenhäuser und für eine gute Gesundheitsversorgung in der Fläche. Wir haben eine neue Schwerpunktseite eingerichtet, um diesen Kampf zu unterstützen: https://www.gemeingut.org/krankenhausschliessungen
In unserer Presseschau (siehe unten) haben wir zahlreiche Artikel rund um Krankenhausschließungen zusammengestellt.

Herzlich grüßen

Laura Valentukeviciute und Carl Waßmuth
für das GiB-Team

PS: Auch aus epidemiologischer Sicht ist es besser, infektiöse Patienten in kleinerer Anzahl in regionalen Krankenhäusern zu behandeln, wo sie weniger andere anstecken können. In Riesenkliniken können hunderte Infizierte zusammenkommen und auf einen Schlag durch eine Notschließung eine große Lücke in die Krankenhausversorgung reißen.

***

Eigene GiB-Artikel, -Beiträge und Pressemeldungen:

Radio-Interview: Carl Waßmuth zur Verstaatlichung privatisierter Krankenhäuser, Radio LORA am 02.04.2020

Corona-Virus: „Wir sind gut aufgestellt.“? Das Gegenteil ist der Fall“, Artikel von Herbert Storn, GiB-Website, 31.04.2020

Deutschland muss seine Krankenhäuser verstaatlichen“, GiB- Pressemitteilung vom 25.03.2020

Demokratie nicht aussperren! Strittige S-Bahn-Ausschreibung aussetzen“, gemeinsame  Pressemitteilung des Aktionsbündnisses „Eine S-Bahn für Alle“, zu dem auch GiB gehört, 23.03.2020

Krankenhäuser dichtmachen“, Beitrag von Carl Waßmuth in Ossietzky 6/2020, 21.03.2020

Presseschau (Auswahl) zum Thema Krankenhäuser:

22. April, Bayerischer Rundfunk: „Nürnberger Theresien-Krankenhaus wirft Spahn Wortbruch vor

20. April, Tagesspiegel: Hannes Heine: „Leere Stationen, kaum OPs.Warum Krankenhäuser trotz Schutzschirms in finanzielle Not geraten

15. April, Der Freitag: Kalle Kunkel: „Auf den Leim gegangen

7. April, Die Zeit: David Gutensohn: „Kliniken schließen – wenn sie am nötigsten gebraucht werden

26. April, Wirtschaftswoche, Cordula Tutt: „Krankenhäuser in der Coronakrise: 'Wir haben zu viele Krankenhäuser und Betten'“

3. April, Tagesschau: Hubertus Heil zur Corona-Krise: „Einige Krankenhäuser kaputtgespart"

20. April, Junge Welt: Steve Hollasky:  „Gesundheitsnotstand in der BRD – Post an Spahn

16. April, Die Zeit: Ingo Malcher:  „Krankenhäuser: Leere Betten, leere Kassen

15. April, Initiative Krankenhaus statt Fabrik: „Das Fallpauschalensystem und die Ökonomisierung der Krankenhäuser – Kritik und Alternativen“, Broschüre, 208 Seiten

2. April, Süddeutsche Zeitung: Dietrich Mittler, Martin Kaul, Antonius Kempmann, Reiko Pinkert und Nicolas Richter: „Tausende Ärzte und Pfleger mit Coronavirus infiziert

2. April, Bayerischer Rundfunk: „Rächt sich das ‘Aus‘ kleiner Krankenhäuser in der Corona-Krise?

11. April, Neues Deutschland: Nadja Rakowitz: „Die Strategie der Klinikchefs, ‘Niemand weiß genau, wie viele Intensivbetten es gibt‘“

20. April, FAZ: Rainer Hank: „Deutsche Krankenhäuser: Von wegen kaputtgespart

21. März, Junge Welt: Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand, Leiterin des Fachbereichs Gesundheit im Interview mit Herbert Wulff: „Es darf nicht dem wirtschaftlichen Wettbewerb überlassen bleiben, wie viele Krankenhäuser man braucht

18. April, Ossietzky: Anne Rieger: „Pandemie entblößt Kapitalismus

April, ver.di, Grit Genster, Leiterin des Bereichs Gesundheitspolitik beim ver.di-Bundesvorstand: „Der Schutzschirm ist löchrig

8. April, Labournet: Dossier „Bertelsmann fordert Kliniksterben – der Pflegenotstand lässt sich auch neoliberal beseitigen …

20. Februar, Süddeutsche Zeitung/dpa-Newskanal: „Spahn: Mehr Mut bei Debatte um Krankenhaus-Schließungen

6. Juni 2019, Augsburger Allgemeine: Joachim Bomhard interviewt  Karl Lauterbach:„SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach: Wir haben zu viele Krankenhäuser

Sonstiges:

24. April, Neues Deutschland: Nicolas Šustr: „Streiks nicht ausgeschlossen: Der Widerstand gegen die Vergabe der Berliner S-Bahn im Wettbewerb wächst

März 2020, Entwürfe für Mietverträge und Erbbauverträge zu Berliner Schulen, die privatisiert werden sollen

 

 

Unsere Bankverbindung:
Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e. V.
GLS Bank
IBAN: DE20 43060967 1124229100
BIC: GENODEM 1 GLS

 

Gemeingut in BürgerInnenhand

Weidenweg 37
10249 Berlin
Deutschland

 

Abmelden

Reply all
Reply to author
Forward
0 new messages