Naturwissenschaft | Philosophie
[q Dr. Bernd Vowinkel, Physiker] Am 13.11.2008 hat Wolf Singer in Bonn
einen Vortrag gehalten mit dem Thema: “Wer regiert im Kopf?
Philosophische Implikationen der Hirnforschung“.
Es waren mehr als 300 Zuhörer anwesend. Damit war die Kapazität des
Saales überschritten. Der Vortrag wurde daher zusätzlich noch ins
Foyer übertragen.
Das Thema "freier Wille" spielte eine untergeordnete Rolle. Es ging
mehr um die Frage, wie das Gehirn die empfundene Wirklichkeit
konstruiert. Es wurden dazu auch Bilder gezeigt, die optische
Täuschungen demonstrieren. Singer hat darauf hingewiesen, dass alle
Vorgänge im Gehirn mit den bekannten Naturgesetzen erklärt werden
können, und es also keiner Mystik oder neuer Naturgesetze bedarf. Was
unser Hirn von den Tieren unterscheidet ist nur die Größe bzw. die
Zahl der Neuronen, insbesondere in der Haupthirnrinde.
Interessant waren seine Ausführungen zu den Bewusstseinszuständen.
Solche Zustände scheinen durch zeitliche Synchronisation des Feuerns
von größeren Hirnarealen zustande zu kommen, wobei der Frontallappen
das entscheidende Zentrum des Bewusstseins ist. Bei der Schizophrenie
scheint diese Synchronisation gestört zu sein. Man hat inzwischen zwei
Gene identifiziert, die diese Krankheit verursachen. Sie steuern die
Signalhemmung in den Synapsen. Drogen haben einen ähnlichen
Wirkmechanismus und daher führen sie zu ähnlichen Symptomen.
In der Diskussion wurden noch Glaubensfragen angesprochen. Zu solchen
Fragen hält er sich allerdings vornehm zurück, was ich ausgesprochen
enttäuschend fand. Er meint Wissenschaft und Glaube seien vollkommen
getrennte Bereiche. [q]
Das ist auch meine Position.
[q BV] Eine solche Position halte ich für falsch, denn wenn es keinen
freien Willen und keine unsterbliche Seele gibt, dann bricht das
Fundament des Glaubens in sich zusammen. Ich frage mich da ernsthaft,
warum er überhaupt im Beirat der gbs ist.[q]
Die naturwissenschaftliche Forschung (abseits der Philosophie), worauf
auch die Medizin (Neurologie) und Psychologie gestützt sind, hat nur
die Fakten zu ermitteln und zu erläutern. Dadurch wird die
kontemporäre Philosophie unterstützend beeinflusst. Das ist auch die
Basis für den Evo.-Humanismus.
Was Glaubensverfechter aller Religionen damit anfangen, entzieht sich
dem. Es ist strikt zu trennen.
Es ist ohnehin utopisch anzunehmen, dass die großen
Glaubensgemeinschaften zusammenbrechen werden, weil aus
wissenschaftlicher Sicht neuere Erkenntnisse vorliegen. Bei so viel
Unwissenheit in der ganzen Welt (im Okzident wie in den Schwellen- und
Entwicklungsländern) finden die Religionen noch reichlich Nährboden,
ihre “Hirngespinste“ (FM2-Term)* in der Zukunft weiterhin zu
verbreiten.
Buch: “Der Beobachter im Gehirn“
von Prof. Wolf Singer
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3518291718/pharmebo-21
Naturwissenschaften | Philosophie
[q BV] In der Diskussion wurden noch Glaubensfragen angesprochen. Zu
solchen Fragen hält er sich allerdings vornehm zurück, was ich
ausgesprochen enttäuschend fand. Er meint Wissenschaft und Glaube
seien vollkommen getrennte Bereiche.[q]
[q FR] Das ist auch meine Position.[q]
[q FM1] Meine Position ist das auch: Wissenschaft ist die Verarbeitung
menschlicher Erfahrungen auf der Grundlage menschlicher Vernunft -
Religion ist auf Gespensterglauben basierender Humbug. Solange sich
Wissenschaftler zieren, das ganz deutlich auszusprechen, wird sich an
der Unwissenheit in der ganzen Welt (im Okzident wie in den Schwellen-
und Entwicklungsländern) nicht viel ändern.[q]
D’accord! Es beantwortet auch meine implizite
Schleierhaftigkeitsfrage ... (gbs-intern).
Naturwissenschaften | Philosophie
Der Formulierung, dass die Naturwissenschaften “die Grundlage jeder
kontemporären Philosophie“ sind, stimme ich uneingeschränkt zu. Das
ist auch meine feste Meinung.
[q FM1] Das habe ich schon als Kind so empfunden, und ich wurde in
dieser Ansicht durch meine Lebenserfahrungen und meine Beschäftigung
mit der Physik durchaus bestärkt.[q]
Trifft bei mir ebenfalls zu.
[q FM2] Ich meine auch, dass man mit den modernen Neurowissenschaften
und der Hirnforschung und der neuen darauf bauenden Philosophie sehr
gut das Phänomen Glaube und Religion erklären kann und so ein gutes
Mittel hat, veraltete Denkstrukturen aufzubrechen. Der Glaube ist ein
Teil des Menschen. Seine Konstruktion funktioniert mit denselben
Mitteln wie das Wissen über die Natur. Wenn man im Glauben aufwächst
und von Naturwissenschaft noch nichts gehört hat, dann ist die
Erklärung der Welt durch das Glaubensystem die einzige Wahrheit (siehe
Koranschüler). Die Erkenntnis darüber kann helfen, dem System Glauben
deutlich zu machen, dass es sich aber nur um eine von vielen
Wahrheiten handelt, und dass das absolute Wissen dem Menschen nicht
zugänglich ist. Es ist eine wesentliche Aufgabe der Hirnforschung, mit
ihren Erkenntnissen den Ideologien den Nährboden zu entziehen.[q]
Dieser Einschätzung schließe ich mich an.
[q FM2] Das Konzept "Glauben" ist ein Teil der Hirnforschung, ein
möglicher Teil dessen, was aus der Form entsteht. Und deswegen per se
nicht zu trennen. Die Form kann ohne Inhalt durchaus existieren aber
der Inhalt nicht ohne die Form, denn er erklärt sich aus ihr. In der
Sprachwissenschaft ist es wie das Verhältnis zwischen Zeichen und
Bezeichnetem. Sie gehören zueinander wie die zwei Seiten einer Münze.
Da der Mensch sich ausschließlich über den Inhalt erlebt, sollte er
ihn nicht ausschließen.[q]
Auf der menschlichen Praxisebene ist das durchaus zutreffend. Meine
vorausgegangene Anmerkung (ad Trennung) bezog sich ’nur’ rein auf die
wissenschaftlichen Forschungen und Theorien.
[q FM2 (ex anderem Kontext)] ... fand ich es eher anstrengend, sowohl
die Kritik von Geyer an Singer und Roth als auch größtenteils die
einseitige Schnellschusstheoretisierung anderer Autoren. Vor allem
dann, wenn nun versucht wird die nun neu entdeckte Schuldunfähigkeit
herbeizureden und zurechtzubiegen aufgrund anfänglicher
Forschungsergebnisse. Kaum ist die Headline einer Theorie
veröffentlicht, wird sofort eine neue Weltanschauung zurechtgebastelt,
in die dann alles auf die Aussage der Headline zurechtgestutzt wird.
»Der Mensch hat keinen freien Willen mehr? Jetzt müssen wir das
Strafrecht ändern!« ...[q]
Oui, c’est ça - tout à fait!
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* Fördermitglied (FM)