Der hl. Alphons von Liguori hat diese und viele andere Aussprüche von
verschiedenen Heiligen in seinem Buche über die "Herrlichkeiten
Marias" gesammelt und er fügt seinerseits hinzu, man könne von einem
treuen Diener Mariens mit dem hl. Paulus sagen: "Er hat dieses Siegel:
es kennt der Herr die Seinen." (2. Tim. 2, 19.) "Wer diese Andacht zu
Maria als ein Siegel an sich trägt, den erkennt Gott als den Seinigen
und er kann dies mit Pelbartus als ein sicheres Zeichen der Erlangung
der künftigen Seligkeit betrachten." (Herrlichk. Mariens, S. 227
Regensb. 1903) Der große Bischof war davon so fest überzeugt, daß er
selbst mit fast ängstlicher Genauigkeit an seinen gewöhnlichen
Andachtsübungen zu Ehren der Himmelskönigin festhielt. Als er in den
letzten Jahren seines Lebens ans Krankenlager gefesselt war, fragte er
eines Abends den ihn bedienenden Laienbruder, ob er an diesem Tage auch
schon den Rosenkranz gebetet habe. Der Krankenwärter antwortete, um
ihn zu beruhigen: "Ich glaube, Sie haben ihn gebetet." "Ich glaube, ich
glaube!" erwiderte der Heilige. "Bist Du sicher? Weißt Du denn nicht,
daß von der Andacht zu Maria mein ewiges Heil abhängt?"
Dieser tröstliche Glaube der Heiligen stützt sich, wie auf zwei
starke, unerschütterliche Säulen, namentlich auf die Macht und Güte
Mariens. Auf der einen Seite ist es nämlich gewiß, daß Maria uns
retten kann, wenn sie will. Denn infolge eines Gesetztes der
göttlichen Vorsehung kommen uns alle Gnaden durch ihre Vermittlung zu.
Sie ist die Schatzmeisterin, die Ausspenderin der Gnaden. So hat es
Gott gewollt, weil Maria mit ihrem göttlichen Sohne zur Erlösung der
Menschen mitgewirkt hat.
Andererseits ist es ebenso unzweifelhaft, daß die seligste Jungfrau
sich am Throne Gottes vor allem für jene verwendet, die ihr treu
ergeben sind und beständig und vertrauensvoll ihre Zuflucht zu ihr
nehmen. Deshalb legt ihr die hl. Kirche die Worte der hl. Schrift in
den Mund: "Ich liebe, die mich lieben; und die frühe zu mir wachen,
werden mich finden. Bei mir sind Reichtum und Ehre, überschwengliche
Güter und Gerechtigkeit." (Sprichw. S. 17 f.)
Sie ist eben nicht umsonst unser aller Mutter, als solche vom Heiland
feierlichst erklärt, als er vom Kreuze herab zu ihr sprach: "Weib,
siehe deinen Sohn!" und zu seinem Lieblingsjünger, dem heiligen
Johannes: "Siehe deine Mutter!" Denn der heilige Antonin und mit ihm
viele andere Heilige behaupten, der heilige Johannes habe in diesem
Augenblicke die ganze Kirche vorgestellt und Maria habe in ihm alle
Erlösten an Kindestatt angenommmen. Darum redete der Herr sie auch
nicht mit dem süßen Mutternamen an: er hatte zu unseren Gunsten
gleichsam auf sie verzichtet.
Zugleich hat der Heiland mit diesen Worten seiner Mutter die Sorge für
uns nachdrücklich ans Herz gelegt: die Liebe, die sie bis dahin ihm
allein erwiesen, soll sie in Zukunft auf uns ausdehnen. Ein
Schriftsteller sagt sehr schön: Wenn eine Mutter am Sterbebette ihres
Kindes steht und sie kann ihm gar nichts tun, kann nicht einmal den
Schweiß von seiner Stirne wischen oder sein todmüdes Haupt stützen,
so ist es ihr, als sei sie nicht mehr Mutter; denn diese kann nicht
ruhig zusehen, wie das Kind leidet, lieber wollte sie selbst seine
Schmerzen auf sich nehmen. Es ist also, als ob der Heiland habe sagen
wollen: "Mir kannst du jetzt nicht mehr Mutter sein, da der Vater will,
daß ich ganz ohne Trost und Hilfe leide und sterbe. Aber siehe da
deinen Sohn! Alles was ich an natürlichen Rechten von dir für mich
beanspruchen könnte, das übertrage ich auf die Menschen, die ich dir
an meiner Statt zu Kindern gebe." Das ist gleichsam sein Testament,
sein letzter Wille für seine Mutter. Wird Maria das vergessen?
Was könnte denn aber einer Mutter wohl mehr am Herzen liegen, als ihre
Kinder bei sich, allen Gefahren und Leiden der Welt entrissen, zu
sehen? Von der Mutter des jungen Tobias erzählt die hl. Schrift, wie
sie "täglich hinauslief und Umschau hielt und auf alle Wege ging, auf
denen Hoffnung zu sein schien, daß er zurückkomme." (Tob. 10, 7)
Sollte sich Maria in der Liebe zu ihren Kindern von dieser Mutter
übertreffen lassen? Nie und nimmermehr! Keine Mutter wacht mit der
Sroge an der Wiege ihres Kindes wie Maria über die Ihrigen. Kein
Leuchtturm hält am Meeresstrande so treue Wacht, wie Maria ihre
eifrigen Diener schirmt.
Daher der wunderbare Schutz des Himmels, der sichtbar über dem ganzen
Leben der Kinder Mariens waltet. Wie einst über den hl. drei Königin
zieht über ihrem Haupte ein leuchtender Stern dahin, der ihnen auf
allen Wegen und Stegen folgt und sie schließlich zu Jesus führt: das
Auge der zärtlichsten der Mütter. Dieser Stern verbleicht nie, wenn
auch von allen Seiten die Wolken sich türmen; er erglänzt um so
heller, je dunkler die Nacht. Die Kinder Mariens haben Versuchungen zu
bestehen wie alle Sterblichen, aber Maria schützt sie, daß sie nicht
in die Fallstricke des Teufels geraten, und wenn sie einmal das
Unglück gehabt haben, zu fallen, hilft sie ihnen, bald wieder
aufzustehen. Sie bleiben nicht verschont von Kreuz und Leid, aber sie
verzweifeln nicht: der Gedanke an Maria träufelt Balsam in alle ihre
Wunden. Sie entgehen ebensowenig als die anderen Menschen der größten
Not, der Todesnot, aber ihr Tod ist gleichsam verklärt vom
Widerscheine ihrer nahen Seligkeit.
Muß es also nicht ein großer Trost sein, wenn wir uns mit gutem
Gewissen sagen könen, daß wir Maria aufrichtig lieben, daß wir mit
Recht den Namen eines Marienkindes in Anspruch nehmen dürfen?
O, wer es ganz erfaßte,
Was liegt in diesem Wort:
"Ich bin ein Kind Mariä!"
Er ginge weinend fort.
Hell rief er allen Vöglein
Und allen Blumen zu
"Frohlockt und jubilieret
Und jauchzet ohne Ruh!
Ich bin ein Kind Mariä!
Mich traf der Gnade Strahl;
Die Stirn hat mir bezeichnet
Geheime Gnadenwahl.
Ich bin ein Kind Mariä!
Mein Pfad ist licht und klar;
Es gehen mir zur Seite
Gewalten wunderbar.
Ich bin ein Kind Mariä!
Das Bächlein rauschet mir,
Maiglöckchen leise sagen:
'Wahr' deines Kleides Zier.'
Mir winkt der Regenbogen,
Mir ruft der Morgenstern:
'Es harret dein die Muter
In lichter Himmelsfern'!'
Ich bin ein Kind Mariä!
Der Tod erschreckt mich nicht,
Ich berg' an ihrem Herzen
Mein sterbend Angesicht.
Sie flüstert mir im Tode
Des Lebens Worte zu
Und bettet mich in Frieden
Zur ew'gen Wonneruh'!"
(M. v. Greiffenstein.)
Das Vorstehende ist ein Zitat aus dem Werk "Die Unbefleckte Empfängnis
- 32 Lesungen für den Maimonat mit einem Gebetsanhang." Von Jos.
Haettenschwiller, S. J., Redakteur des Sendboten des göttl. Herzens
Jesu. Zweite vermehrte Auflage. 432 Seiten, gebunden. Münster in
Westf., Verlag der Alphonsus-Buchhandlung (U. Ostendorff), 1905.