Der geplante Abzug aus Afghanistan könnte wesentlich komplizierter werden als geplant: Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat bei einem Überraschungsbesuch im Bundeswehr-Feldlager Kundus die Hoffnungen gedämpft, dass Afghanistans Nachbar Pakistan die für den Abzug wichtige Route über die Ostgrenze schnell freigeben werde. Damit wäre die internationale Schutztruppe ISAF auf die Nordroute - durch das Zuständigkeitsgebiet der Bundeswehr - und auf teure Lufttransporte angewiesen. "Das ist logistisch kompliziert, aber daran arbeiten wir", sagte der Minister.
Pakistan hält die Grenze seit Monaten geschlossen. Anlass war ein US-Luftangriff auf pakistanische Grenzposten im November, bei dem 24 Soldaten getötet worden waren.
De Maizière war zum siebten Mal als Verteidigungsminister nach Afghanistan gereist, zuletzt war er Mitte März zu politischen Gesprächen in Kabul. Begleitet wurde er vom sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich.
Der Rücktransport des militärischen Materials sei ein komplizierter Prozess, sagte de Maizière weiter. Um den Abzug zu organisieren, müssten zudem eigens Soldaten nach Afghanistan entsandt werden. Das Verteidigungsministerium schätzt, dass rund 6000 Container und 1900 Fahrzeuge aus Afghanistan nach Deutschland zurückgebracht werden müssen. Einen genaueren Überblick über das Material will sich die Bundeswehr bis zum Herbst verschaffen - dann sollen auch Angaben zum Verlauf des Abzugs und zu dessen Kosten gemacht werden.
De Maizière betonte, der Abzug müsse erfolgen, während parallel der bisherige Auftrag - die Ausbildung und Unterstützung der afghanischen Armee - weitergeführt werde.
Im Verteidigungsministerium wird erwogen, für den Abzug ein eigenes Bundestagsmandat anzustreben. Die Gesamtzahl der Bundeswehrsoldaten soll sich dadurch aber nicht erhöhen.
Ein weiteres Problem beim dem Abzug dürften die anhaltenden Gefechte mit Kämpfern der radikalislamistischen Taliban werden.
Gleichwohl sieht de Maizière bei der Sicherheitslage Fortschritte: Nach dem Jahr 2010 mit vielen getöteten deutschen Soldaten sei die Zahl der Angriffe und Anschläge im vergangenen Jahr um 39 Prozent zurückgegangen, sagte der Minister. In den ersten Monaten dieses Jahres habe es einen weiteren Rückgang um 31 Prozent gegeben. "Wir sind ungefähr auf dem Niveau von 2009. Das ist immer noch keine stabile Sicherheitslage, da gibt es nichts drumrumzureden, aber es ist ein großer Fortschritt", so de Maizière.
Die Bundeswehr bereitet sich - ebenso wie die NATO-Verbündeten im Land - seit Anfang des Jahres auf den Rückzug vom Hindukusch vor. Die Truppenstärke wurde bereits von 5350 auf rund 4800 Soldaten reduziert. Der Abbau des Feldlagers in Feisabad - eines von drei großen Bundeswehr-Camps - hat bereits begonnen.