On 03.04.2013 17:20, Ina Koys wrote:
> Am 03.04.2013 17:09, schrieb Ijon Tichy:
>
>> des "Sündenfalls") schlicht falsch und ahistorisch ist. Wenn es keinen
>> "Sündenfall" gegeben hat, dann gibt es auch keine "Erbsünde".
>
> Allein die Vorhaltung, Sünde könne vererbt werden, ist für mich der
> Gipfel der Menschenverachtung. Strafwürdigkeit per sé und von Geburt an.
> Praktisch keine Möglichkeit persönlicher Exkulpation. Was, wenn nicht
> wildgewordener Herrschaftsanspruch, käme auf solche Ideen.
Starke Worte, schwacher Inhalt. Können wir uns darauf einigen, daß
unsere (der Menschen) genetische Ausstattung nicht nur unseren Körperbau
bestimmt, sondern daß sie auch unsere geistigen und
Verhaltensmöglichkeiten bestimmt? Wir sind eben nicht so festgelegt wie
Ameisen, unserer Genausstattung wegen. Unseren Genpool haben wir geerbt,
und damit die Möglichkeit, aggressiv, destruktiv etc. etc., also aus
ethischer Sicht "böse" zu handeln. Wir sind nun mal so.
Nichts anderes drückt der Mythos vom Sündenfall aus. Die jüdische
Tradition spricht da vom guten und vom bösen Trieb, die christliche hat
den Begriff der Erbsünde geprägt. Zu meinem Vergnügen bin ich alt genug,
manchmal darauf verweisen zu können, was ich vor über fünfzig Jahren in
Schule und Konfirmandenunterricht gelernt habe. Zur Sünde habe ich
damals (Konfirmandenunterricht) gelernt, daß das Wort nicht einen
Straftatbestand bezeichnet, sondern die Tatsache, daß wir nicht in einer
Welt leben, in der alles vollkommen und eins mit Gott ist (wie immer man
sich das vorstellen mag), sondern daß wir von Natur aus mit erfreulichen
und weniger erfreulichen Möglichkeiten ausgestattet sind, mit denen wir
umzugehen lernen müssen. Das deutsche Wort Sünde wurde da gern von
"Sund" als etwas Trennendem hergeleitet. Ob das sprachwissenschaftlich
korrekt ist, weiß ich nicht, es scheint mir fraglich, macht aber das
Verständnis des Begriffes Sünde deutlich.
Da wir unsere natürliche Ausstattung geerbt haben, ist Erbsünde ein zwar
altmodischer, aber nicht abstruser Begriff. Mit Strafwürdigkeit hat das
nichts zu tun.
Ich kann nichts menschenverachtendes darin sehen, daß die Mythen am
Anfang der Bibel den Menschen nicht idealisieren, sondern so
akzeptieren, wie er ist, und das (am Ende der Sintfluterzählung) auch
noch mit einem Segen garnieren.
--
LW