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Polizeistaat BRD ?!!

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Stefan Kaetker

unread,
Aug 14, 1992, 3:50:00 AM8/14/92
to
## Nachricht vom 09.08.92 weitergeleitet
## Ursprung : /CL/DATENSCHUTZ/G10
## Ersteller: S.KA...@LINK-NJD.ZER

Polizeistaat BRD ?!!
====================


>Und die Kontrolleure ???
>
>Die akzeptieren solche Begruendungen scheinbar,
>womit wieder einmal gezeigt ist, dass eine
>tatsaechliche Kontrolle der Schnueffler nicht
>gegeben ist. So einen Geheimdienst kann sich
>eine Demokratie nicht leisten, aber dass
>die BRD keine Demokratie ist, sondern ein
>Polizeistaat, haben die Aktionen der
>Chilenischen Sympatisanten Union (CSU) und
>ihrer Helfershelfer waehrend des WWG in
>Muenchen ja gezeigt.

Dieser letzte Absatz in meiner Mail zu den
Standardbegruedungen bei G10-Antraegen hat
mir mehrere PMs eingebracht (allen, die mir
geschrieben haben vielen Dank).

Offenbar wird meine Meinung zum Polizeistaat
BRD auch innerhalb dieses Mediums nicht
einhellig geteilt. Weil ich gerne weiter
diskutieren moechte hier nur ein paar
mehr oder weniger grundsaetzliche
Gedanken zu diesem Thema.


1.) staatliche Repression, Organisationen

Das Arsenal an staatlicher Repession, das
vor allem in den letzten Jahren in der
Gestalt neuer Polizeigesetze der
Bundeslaender, neuer Verfassungs-
schutzgesetze des Bundes und der Laender
und der Aendereung der StPO durch das
Gesetz zur Bekaempfung der organisierten
Kriminalitaet hat betraechtlich an
Brisanz gewonnen. Nach und nach hat
sich der Staat immer mehr (legalisierte)
Moeglichkeiten geschaffen seine
BuergerInnen zu ueberwachen. So gibt es
heutzutage in vielen Polizeigesetzen den
verdeckten Ermittler und den V-Mann bzw.
die V-Frau, die "technischen Ueberwachungs-
moeglichkeiten" und vieles anderes mehr.

Das bayerische Polizeiaufgabengesetz bietet
darueber hinaus noch den 14-taegigen
sogenannten "Unterbindungsgewahrsam", der
es erlaubt Personen ohne konkreten Verdacht
nur aufgrund von Aeusserlichkeiten wie
mitgefuehrten Transparenten etc. fuer
bis zu 14 Tage einzuknasten. Mehr dazu
steht im Brett CL/KAMPAGNE_92/AKTIONEN.


2.) staatliche Repression, Ziele

Eingesetzt werden diese Mittel -- besonders
das der V-Person -- vorzugsweise gegen
politisch andersdenkende Menschen. Der
Staat und die ihn tragenden Parteien benutzen
den Repressionsapparat um ihre Position zu
festigen. Missliebige, kritische Stimmen
sollen unterdrueckt und eingeschuechtert
werden. Diese Aufgabe kommt insbesondere
den Staatsschutzabteilungen der
Kriminalpolizei und den Verfassungsschutz-
behoerden zu.

In anderen Bereichen ist verstaerkte
staatliche Repression nichts anderes als
ein Ausdruck von Hilflosigkeit und
Konzeptlosigkeit. In Ermangelung gescheiter
Konzepte oder zumindest Ideen das Drogen-
problem zu loesen gibt es halt weiterhin
Hiebe fuer die Junkies und ein "Gesetz zur
Bekaempfung der organisierten Kriminalitaet"
anstatt das Drogenproblem endlich als ein
gesellschaftliches Problem anzuerkennen und
dementsprechend zu handeln. Zum Beispiel
mit Legalisierung von Canabisprodukten und
Methadonprogrammen.

Ein Staat der seinen echten politischen
Gegenern nur Repression entgegenzusetzen
hat ist keine Demokratie, sondern ein
Polizeistaat.

Ein Staat, der seine Probleme nur durch
Repression und Gewalt loesen kann ist ein
Polizeistaat.

3.) staatliche Repression in der Praxis

Das dass, was ich oben beschrieben habe
nicht voellig aus der Luft gegriffen ist,
sollen die folenden Beispiele zeigen, die
allesamt aus den letzten Wochen und Monaten
stammen und die mensch zu Teil auch in dieser
Mailbox wahrnehmen konnte.

- Polizeikessel in Muenchen gegen friedliche
DemonstantInnen gegen den WWG (hier kam
der bayerische Unterbindungsgewahrsam zur
Anwendung; davor wurde er schon mal gegen
die TeilnehmerInnen eines "die-ins" vor
den Toren eines AKWs eingesetzt). Die
Einzelheiten ueber die Aktion in
Muenchen Anfang Juli koennen z.B. im Brett
/CL/KAMPAGNE_92/AKTIONEN nachgelesen
werden.

- verdeckter Ermittler arbeiten in der Tuebinger
Szene mit -- bis hin zu engen persoenlichen
Bekannschaften ... (nachzulesen in
/CL/DATENSCHUTZ/ALLGEMEIN)

- Berufsverbote

Warum darf ein Postbote, der DKP-Mitglied ist
keine Post mehr austragen ?

- VS, Polizei -- Kontrolle

Gibt es eine Kontrolle der Geheimdienste, der
Taetigkeit der Polizei ? Was ist mit Gladio ?
Wie stehts mit den G10-Begruendungen ?
Hat die etablierte Opposition in diesem Lande
ueberhaupt ein Interesse die Geheimdienste
wirklich zu kontrollieren ?

- Goettingen Paragraph 129a gegen Minderjaehrige

Nach Berichten der tageszeitung (wen das
genaue Datum interessiert schicke mir bitte
eine Mail im Moment weiss ich's nicht)
wurden mehrere 13-16jaehrige von der Staatsschutz-
abteilung der Goettinger Polizei vorgeladen. Ihnen
wurde vorgeworfen an meheren Brandstiftungen, die
alle schon ein paar Jahre zuruecklagen beteiligt
zu sein. Kurzerhand wurden sie als terroristische
Vereinigung deklariert und es wurde ihnen mit
einen Verfahren nach Paragraph 129a StGB
(Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung) gedroht. Danach kann -- allein
durch die Tatsache dass ein solches Verfahren
eingeleitet wird -- z.B. das Telefon abgehoert
werden und vieles anderes mehr. Unter Hinweis
auf die Kronzeugenregelung wurde den Jugendlichen
Strafmilderung versprochen, wenn sie ueber die
Goettinger Szene auspacken.

Die ihnen zu Last gelegten Straftaten waren
uebrigens schon laenger aufgeklaert gewewsen.
Die Aktion des Staatsschutzes gegen die Jugendlichen,
die zum Zeitpunkt der ihnen zur Last gelegten
Straftaten alle noch nicht strafmuendig waren,
war einzig und allein sie durch Androhung eines
129a-Verfahrens einzuschuechtern und so billig
an Informationen ueber die Goettinger Szene
zu gelangen.

Diese Auflistung liesse noch beliebig verlaengern
und konkretisieren (z.B. durch das Celler Loch,
die Schmuecker Affaire, den Tod von Guenther
Sare uswusf.). Ich wollte hier nur einen
kurzen Einblick geben.

5.) Dass es anderswo schlimmer ist als hier,
heisst nicht, dass hier alles in Ordnung
ist.

Dazu nur soviel: Natuerlich sind die Folgen
staatlicher Repression woanders (z.B. Sued-
amerika, ...) wesentlich haerter. Hier in
der BRD funktioniert das ganze etwas
raffinierter. Z.B. durch Einschuechterung,
der Drohung damit keinen Arbeitsplatz zu
bekommen, Berufsverboten, Erfassung durch
die Polizei an sich usw.

Macht es einen Sinn Polizeistaaten erster und
zweiter Klasse zu unterscheiden ?

P.S.: Ich weiss, dass diese Diskussion gerade
vor dem Hintergrund der Situation im ehemaligen
Jugoslawien sehr sehr zynisch ist. Ich finde sie
aber trotzdem sehr wichtig.

So long,
Stefan

______________________________________________________________________

Stefan Kaetker E-Mail im Zerberus-Netz:
Am Europakanal 40 S.KA...@LINK-N.ZER
8520 Erlangen im Internet:
09131 / 440058 s.ka...@link-njd.nbg.sub.org

Michael Staats

unread,
Aug 17, 1992, 6:52:03 AM8/17/92
to
In <4jp3r...@LINK-NJD.zer.sub.org>
s.ka...@link-njd.nbg.sub.org (Stefan Kaetker) writes:


>Polizeistaat BRD ?!!
>====================

[einige Zeilen gel"oscht]

>Offenbar wird meine Meinung zum Polizeistaat
>BRD auch innerhalb dieses Mediums nicht

^^^^
>einhellig geteilt.

Auch?
Z"ahl mal, wie oft z. B. *uni-bw* in den email Adressen der
Poster vokommt (zumindest in den [de.]comp.* Gruppen).
Von denen (und vielen anderen die z. B. in irgendwelchen
Betrieben der Gro\3industrie, die die ganze sch"one Ausr"ustung
der Polizei produzieren, gerade vor Ihrem Terminal sitzen)
kannst Du ja wohl kaum erwarten, da\3 sie mit Dir "ubereinstimmen,
so traurig da\3 auch ist.

Auch unter usenet Nutzern gibt es sicher genauso
viele|wenig Leute, die mit Dir (oder mir) in dieser Hin-
sicht "ubereinstimmen wie sonst auch.

Das ist einerseits nat"urlich schade, denn ich
(und Du vielleicht auch) denke, da\3 Leute, die Zugang
zum usenet haben und einen Computer zumindest zum posten
"uberzeugen k"onnen (und sicher in dieser unserer Gesellschaft
"uberdurchschnittlichen Einflu\3 haben), aus den unten von Dir
genannten und weiteren Tatsachen "ahnliche Schl"usse ziehen k"onnen
sollten.

Andererseits w"ar's ja auch langweilig, wenn alle hier
die gleiche Meinung h"atten, oder?

[jede Menge wichtige Information gel"oscht]

>5.) Dass es anderswo schlimmer ist als hier,
> heisst nicht, dass hier alles in Ordnung
> ist.

Ein Punkt, den man meiner Ansicht nach nicht genug betonen
kann.

Tsch"uss
Michael
--
Michael Staats
Theoretische Tieftemperaturphysik
Universitaet Gesamthochschule Duisburg
mic...@hal9000.uni-duisburg.de

Christoph Koppe

unread,
Aug 17, 1992, 10:04:19 AM8/17/92
to
hm3...@unidui.uni-duisburg.de (Michael Staats) writes:


>>Polizeistaat BRD ?!!
>>====================

>[einige Zeilen gel"oscht]

>>Offenbar wird meine Meinung zum Polizeistaat
>>BRD auch innerhalb dieses Mediums nicht
> ^^^^
>>einhellig geteilt.

>Auch?
>Z"ahl mal, wie oft z. B. *uni-bw* in den email Adressen der
>Poster vokommt (zumindest in den [de.]comp.* Gruppen).
>Von denen (und vielen anderen die z. B. in irgendwelchen
>Betrieben der Gro\3industrie, die die ganze sch"one Ausr"ustung
>der Polizei produzieren, gerade vor Ihrem Terminal sitzen)
>kannst Du ja wohl kaum erwarten, da\3 sie mit Dir "ubereinstimmen,
>so traurig da\3 auch ist.

Ich vermute, dass sich das "auch innerhalb dieses Mediums" auf die
Com-Link Mailboxen bezog, in denen dieser Artiker urspruenglich gepostet
wurde. Viele dieser Mailboxen haben zumindest den Anspruch einen "linken"
politischen Background zu haben. Daher diese Bemerkung.

Tschuess
Christoph

-------------------------------------------------------------------------------
Christoph Koppe
Am Europakanal 40

8520 Erlangen email: chk...@immd4.informatik.uni-erlangen.de
-------------------------------------------------------------------------------

Hans Crauel

unread,
Aug 18, 1992, 11:20:16 AM8/18/92
to
mi...@keep.fantasy.sub.org (Michael Jung) schreibt zum Thema

Polizeistaat BRD ?!!

() Das Ganze, was [von Stefan dazu] geschrieben wurde, mutet mir
() wie die Aengste eines kurz vor der Paranoia stehenden Menschen an.
() Es wird das Bild eines freie Menschen verfolgenden, schikanierenden
() Staates BRD gemalt.

Wer sich nicht bewegt, spuert die Ketten nicht.

Soll heissen: denen gegenueber, die ein biederes, ruhiges, angepasstes
Leben fuehren, praesentiert sich kein Staat dieser Welt als Polizeistaat.
Haengt natuerlich ein bisschen vom jeweiligen Staat ab, in welcher Form
man sich anpassen muss. Im Iran sollte man derzeit als Religionsbekenntnis
besser den Islam waehlen; im deutschen Faschismus war es besser, nicht
juedischer Herkunft zu sein bzw. keine sozialistische Weltauffassung zu
vertreten.

Hiermit will ich nicht Michael als "angepasst und bieder" diffamieren
-- auch ich spuere derzeit die Ketten nicht. Das aendert nichts daran,
dass in der BRD, wie von Stefan richtig dargestellt, freie Menschen
verfolgt und schikaniert werden. Und, wie Stefan ebenfalls einraeumte:
woanders ist es noch schlimmer. Was aber nicht als Entschuldigung taugt.

Hans Crauel cra...@math.uni-sb.de
Saarbruecken

Michael Jung

unread,
Aug 17, 1992, 4:42:52 AM8/17/92
to
In <4jp3r...@LINK-NJD.zer.sub.org>, Stefan Kaetker writes:

>Polizeistaat BRD ?!!
[...]

Das Ganze, was geschrieben wurde, mutet mir wie die Aengste eines kurz vor
der Paranoia stehenden Menschen an. Es wird das Bild eines freie Menschen
verfolgenden, schikanierenden Staates BRD gemalt. An einigen Beispielen
will ich kurz erlaeutern, warum ich diesen Eindruck gewann.

>In Ermangelung gescheiter Konzepte oder zumindest Ideen das Drogen-
>problem zu loesen gibt es halt weiterhin Hiebe fuer die Junkies und
>ein "Gesetz zur Bekaempfung der organisierten Kriminalitaet" anstatt

>das Drogenproblem endlich als ein gesellschaftliches Problem anzuer-


>kennen und dementsprechend zu handeln. Zum Beispiel mit Legalisierung
>von Canabisprodukten und Methadonprogrammen.

Mit dem "Gesetz zur Bekaempfung der organisierten Kriminalitaet" soll nicht
das Drogenproblem geloest, sondern bekaempft werden. Als gesellschaftliches
Problem ist es schon laengst anerkannt. Ob durch Legalisierung dem Problem
entscheidend zu Leibe gerueckt werden kann, ist fraglich und keinesfalls
eine Schlussfolgerung aus dem Anerkennen des Problems.

>Ein Staat der seinen echten politischen Gegenern nur Repression entgegen-
>zusetzen hat ist keine Demokratie, sondern ein Polizeistaat.

Wer sich als Gegner des Staates betrachtet, muss mit Repressionen rechnen.
Das ist fast schon trivial. Ausserdem steht der Nachweis des n u r noch
aus.

>...auch in dieser Mailbox wahrnehmen konnte.
(Ich hoffe, was ich hier schreibe, kommt auch an.)

>- Polizeikessel in Muenchen


>- verdeckter Ermittler arbeiten in der Tuebinger Szene mit

>- Berufsverbote


>- VS, Polizei -- Kontrolle

>- Goettingen Paragraph 129a gegen Minderjaehrige

Folgendes fehlt meines Erachtens zum Polizeistaat:
- Folterungen
- Personen verschwinden
- Mangelnde Pressefreiheit
- Polizeiwillkuer

>Dass es anderswo schlimmer ist als hier, heisst nicht, dass hier alles
>in Ordnung ist.

Es heisst noch lange nicht, dass durch einige Aspekte eines Polizeistaats
dieser tatsaechlich vorliegt.

Natuerlich heisst es nicht, dass man die Augen verschliessen soll. Mit
Kanonen auf Spatzen zu schiessen ist aber unangebracht und trifft auch
meist daneben.

Schoene Gruesse,
Michael

Christoph Koppe

unread,
Aug 18, 1992, 9:04:53 AM8/18/92
to
mi...@keep.fantasy.sub.org (Michael Jung) writes:

>In <4jp3r...@LINK-NJD.zer.sub.org>, Stefan Kaetker writes:

>>Polizeistaat BRD ?!!
>[...]

[...]

>>In Ermangelung gescheiter Konzepte oder zumindest Ideen das Drogen-
>>problem zu loesen gibt es halt weiterhin Hiebe fuer die Junkies und
>>ein "Gesetz zur Bekaempfung der organisierten Kriminalitaet" anstatt
>>das Drogenproblem endlich als ein gesellschaftliches Problem anzuer-
>>kennen und dementsprechend zu handeln. Zum Beispiel mit Legalisierung
>>von Canabisprodukten und Methadonprogrammen.

>Mit dem "Gesetz zur Bekaempfung der organisierten Kriminalitaet" soll nicht
>das Drogenproblem geloest, sondern bekaempft werden. Als gesellschaftliches
>Problem ist es schon laengst anerkannt. Ob durch Legalisierung dem Problem
>entscheidend zu Leibe gerueckt werden kann, ist fraglich und keinesfalls
>eine Schlussfolgerung aus dem Anerkennen des Problems.

Selbstverstaendlich soll mit dem "Gesetz ..." das Drogenproblem nicht geloest
werden. Aber genau das ist doch das Problem. Es wird eben nicht versucht das
Problem zu loesen, es wird einfach draufgeschlagen, fertig. Toller Ansatz.

>>Ein Staat der seinen echten politischen Gegenern nur Repression entgegen-
>>zusetzen hat ist keine Demokratie, sondern ein Polizeistaat.

>Wer sich als Gegner des Staates betrachtet, muss mit Repressionen rechnen.
>Das ist fast schon trivial. Ausserdem steht der Nachweis des n u r noch
>aus.

Wer oder was ist ein politischer Gegner? Wer mit Gewalt gegen einen Staat
vorgeht (ob dies nun legitim sei oder nicht), wird auf Repression stossen
und wird dies auch erwarten.
Aber in meiner Definition eines demokratischen Staates steht, dass der Staat
auch seinen eigene Staatsform in frage stellen lassen muss (im Rahmen
demokratischer Formen versteht sich) und seine Konzepte, falls noetig,
mittels politischer Diskussion verteidigen und begruenden muss.
Solange dies nicht, oder nur bei bestimmten Themen nicht (denn ein
repressiver Staat zeigt sein wahres Gesicht immer erst, wenn etwas anders
laeuft, als er sich das denkt) geschieht, sondern der Staat mit Repression
antwortet, hat er schon mal eine wichtige Bedingung erfuellt.
Beispiele:
Repressives Vorgehen gegen die GegnerInnen des WWG.
(oder ganz aktuell) Massives Vorgehen gegen antifaschistische DemonstrantInnen
(bei einer genehmigten Demo, waehrend 2000 Faschisten zur gleichen Zeit
begleitet von 2 Bullen eine verbotene Demonstration durchfuehren duerfen.

[...]

>>- Polizeikessel in Muenchen
>>- verdeckter Ermittler arbeiten in der Tuebinger Szene mit
>>- Berufsverbote
>>- VS, Polizei -- Kontrolle
>>- Goettingen Paragraph 129a gegen Minderjaehrige

Diese Liste ist erweiterbar.
Was ist z.B. wenn Menschen fuer 2 Jahre eingeknastet werden, die nicht anderes
"verbrochen" haben, als in der falschen Partei zu sein und dazu auch noch
Kinderferienaufenthalte in der DDR organisiert haben (das war zwar in den
50igern, aber es war der gleiche Staat). Und so weiter.

>Folgendes fehlt meines Erachtens zum Polizeistaat:
> - Folterungen
> - Personen verschwinden

Es muss doch nicht gleich die schlimmste Form sein - uebrigens, was ist mit
Isolationsfolter.

> - Mangelnde Pressefreiheit
Solange die Selbstzensur bestens klappt, ist dies auch nicht noetig (denk
mal an die bleierne Zeit).

> - Polizeiwillkuer
Siehe z.B. Hamburger und Muenchner Kessel.

>>Dass es anderswo schlimmer ist als hier, heisst nicht, dass hier alles
>>in Ordnung ist.

>Es heisst noch lange nicht, dass durch einige Aspekte eines Polizeistaats
>dieser tatsaechlich vorliegt.

Es sind aber schon ziemlich viele, also?

>Natuerlich heisst es nicht, dass man die Augen verschliessen soll. Mit
>Kanonen auf Spatzen zu schiessen ist aber unangebracht und trifft auch
>meist daneben.

Ich fuerchte Du siehst das etwas blauaeugig.

>Schoene Gruesse,
> Michael
Ebenfalls,
Christoph

Jan T. Kim

unread,
Aug 18, 1992, 11:55:20 AM8/18/92
to

>In <4jp3r...@LINK-NJD.zer.sub.org>, Stefan Kaetker writes:

>>Polizeistaat BRD ?!!
>[...]

>>In Ermangelung gescheiter Konzepte oder zumindest Ideen das Drogen-


>>problem zu loesen gibt es halt weiterhin Hiebe fuer die Junkies und
>>ein "Gesetz zur Bekaempfung der organisierten Kriminalitaet" anstatt
>>das Drogenproblem endlich als ein gesellschaftliches Problem anzuer-
>>kennen und dementsprechend zu handeln. Zum Beispiel mit Legalisierung
>>von Canabisprodukten und Methadonprogrammen.

>Mit dem "Gesetz zur Bekaempfung der organisierten Kriminalitaet" soll nicht
>das Drogenproblem geloest, sondern bekaempft werden. Als gesellschaftliches
>Problem ist es schon laengst anerkannt. Ob durch Legalisierung dem Problem
>entscheidend zu Leibe gerueckt werden kann, ist fraglich und keinesfalls
>eine Schlussfolgerung aus dem Anerkennen des Problems.

Es mag fraglich sein, ob die Legalisierung der weichen Drogen ein
sinnvoller Schritt waere, aber ob das "Gesetz zur Bekaempfung der
organisierten Kriminalitaet"irgendwas Sinnvolles in Sachen
Drogenproblem bewirkt, ist noch viel fragwuerdiger. Tatsache ist
aber, dass durch dieses Gesetz die Persoenlichkeitsrechte der
Menschen in seinem Geltungsbereich eingeschraenkt werden. Da
finde ich die Vermutung, dass das primaere Ziel dieses Gesetzes
gar nicht die Bekaempfung der Drogenkriminalitaet, sondern
vielmehr der Ausbau von Macht auf Kosten der Freiheiten der
Menschen ist, voellig berechtigt.

>>Ein Staat der seinen echten politischen Gegenern nur Repression entgegen-
>>zusetzen hat ist keine Demokratie, sondern ein Polizeistaat.

>Wer sich als Gegner des Staates betrachtet, muss mit Repressionen rechnen.
>Das ist fast schon trivial. Ausserdem steht der Nachweis des n u r noch
>aus.

Das mag zwar trivial sein in dem Sinne, dass es nicht sonderlich
ueberraschend ist, wenn der Staat seinen Gegnern mit Repressionen
begegnet. Aber das macht die Repressionen nicht weniger
verwerflich.
Von einem ethischen Standpunkt aus betrachtet ist der Staat
verpflichtet, jedem Menschen die Gestaltung seines Lebens nach
dessen eigenen Vorstellungen so weit wie es in seiner Macht steht
zu ermoeglichen, und zwar innerhalb und ausserhalb des Staates.
Die Freiheit, eine Alternative ausserhalb des Staates zu
realisieren ist derzeit aber gleich Null -- alles wird
plattgemacht wie seinerzeit die Freie Republik Wendland. Und die
Freiheit, innerhalb des Staates Alternativen zu realisieren, ist
auch sehr stark eingeschraenkt, eben durch die erwaehnten
Repressionen. Kritik an den Repressionen ist also in jedem Falle
gerechtfertigt.

+- Jan Kim -- X.400: S=kim;OU=vax;O=mpiz-koeln;P=mpg;A=dbp;C=de -+
| Internet: k...@vax.mpiz-koeln.mpg.dbp.de |
| |
*----=< hierarchical systems are for files, not for humans >=-----*

Rolf Wuerdemann

unread,
Aug 19, 1992, 9:59:55 PM8/19/92
to
mi...@keep.fantasy.sub.org (Michael Jung) writes:

>In <4jp3r...@LINK-NJD.zer.sub.org>, Stefan Kaetker writes:

>>Polizeistaat BRD ?!!
>[...]

>[Ueber die "Paranoia" eines Menschen.....]

>>In Ermangelung gescheiter Konzepte oder zumindest Ideen das Drogen-
>>problem zu loesen gibt es halt weiterhin Hiebe fuer die Junkies und

>>[...]

>Mit dem "Gesetz zur Bekaempfung der organisierten Kriminalitaet" soll nicht
>das Drogenproblem geloest, sondern bekaempft werden. Als gesellschaftliches
>Problem ist es schon laengst anerkannt. Ob durch Legalisierung dem Problem
>entscheidend zu Leibe gerueckt werden kann, ist fraglich und keinesfalls
>eine Schlussfolgerung aus dem Anerkennen des Problems.

Nunja... aber mit dem Gesetz zur Bekaempfung der org. Kriminalitaet werden,
wie ueblich nur die Symptome bekaempft, dasz Problem, - warum nehmen Leute
Drogen legale und nicht legale - wird wie schon immer nicht weiter beachtet...
Aber wenn ich da jetzt weitermache artet dies in einer Drogendiskussion aus...

>>Ein Staat der seinen echten politischen Gegenern nur Repression entgegen-
>>zusetzen hat ist keine Demokratie, sondern ein Polizeistaat.

>Wer sich als Gegner des Staates betrachtet, muss mit Repressionen rechnen.
>Das ist fast schon trivial. Ausserdem steht der Nachweis des n u r noch
>aus.

Wie es Cristoph schon sagte... ein Staat musz sich selbst in Frage stellen
koennen, aber wenn durch Wahlen was veraendert werden koennte, waeren sie
wahrscheinlich verboten - der Nachweisz des n u r steht fuer mich nicht
aus


>>...auch in dieser Mailbox wahrnehmen konnte.
>(Ich hoffe, was ich hier schreibe, kommt auch an.)

>>- Polizeikessel in Muenchen
>>- verdeckter Ermittler arbeiten in der Tuebinger Szene mit
>>- Berufsverbote
>>- VS, Polizei -- Kontrolle
>>- Goettingen Paragraph 129a gegen Minderjaehrige

>Folgendes fehlt meines Erachtens zum Polizeistaat:
> - Folterungen

Isoknast, "Treppe runterfallen" in der Wache.
Frag mal AI

> - Personen verschwinden
Monate langer U-Knast Aufgrund von 129a

> - Mangelnde Pressefreiheit
Bei dieser Presse brauch es keiner Zensur, die meisten Leute haben leider
die Schere im Kopf

> - Polizeiwillkuer
Leute mit "anderem" Aussehen filzen, E-Schicht PRW 16 Lerchenstr. HH,
"Widerstand gegen die Staatsgewalt"
"Belagerungszustand" im Hamburger Schanzenviertel nach Raeumung des
Flora-Parks, Raeumung selber eher Rechtswidrig, weil Gerichtsendscheid
vorgegriffen - "Mann musz zeigen, wer Herr in dieser Stadt ist" - Hackmann,
Innensenator (!) Freie und Hansestadt Hamburg

>>Dass es anderswo schlimmer ist als hier, heisst nicht, dass hier alles
>>in Ordnung ist.

>Es heisst noch lange nicht, dass durch einige Aspekte eines Polizeistaats
>dieser tatsaechlich vorliegt.

Blosz es laesst sich schon eine starke Tendenz dahin feststellen

>Natuerlich heisst es nicht, dass man die Augen verschliessen soll. Mit
>Kanonen auf Spatzen zu schiessen ist aber unangebracht und trifft auch
>meist daneben.

Wehret den Anfaengen.... Menschen beobachtet die Polizei

>Schoene Gruesse,
> Michael
ebenfalls (cul8er)
rowue

--
There is a theory wich states that if ever anyone discovers exactly what the
Universe is for and why it is here, it will instantly disappear and be replaced
by something even more bizarre and inexplicable.
There is another theorywich states that this already happened.

Josef Moellers

unread,
Aug 20, 1992, 2:45:55 AM8/20/92
to
In <hm342st.714048723@unidui> hm3...@unidui.uni-duisburg.de (Michael Staats) writes:


>>Polizeistaat BRD ?!!
>>====================

>[einige Zeilen gel"oscht]

>>Offenbar wird meine Meinung zum Polizeistaat
>>BRD auch innerhalb dieses Mediums nicht
> ^^^^
>>einhellig geteilt.

>Auch?
>Z"ahl mal, wie oft z. B. *uni-bw* in den email Adressen der
>Poster vokommt (zumindest in den [de.]comp.* Gruppen).
>Von denen (und vielen anderen die z. B. in irgendwelchen
>Betrieben der Gro\3industrie, die die ganze sch"one Ausr"ustung
>der Polizei produzieren, gerade vor Ihrem Terminal sitzen)

Och, nicht schon wieder!


>kannst Du ja wohl kaum erwarten, da\3 sie mit Dir "ubereinstimmen,
>so traurig da\3 auch ist.

Ich glaube, das hatten wir doch schon 'mal, oder?

Also, nochmal zum mitschreiben: Jeder Poster steht erst einmal fuer sich
und seine Meinung. Die hat prinzipiell erst einmal nichts mit
irgendeiner Firmenpolitik oder sonstwas zu tun.
Wenn sich Herr Kaske positiv zu Dingen aeussert, so ist das fuer _mich_
absolut kein Grund, das auch zu tun. Wenn die Firma Siemens (oder sogar
SNI) als Unternehmen Dinge tut, mit denen ich mich nicht identifizieren
kann, so tue ich das auch nicht. Im uebrigen sich die Verfleichtungen in
diere unserer Wirtschaft dermassen weit geraten, dass es schon sehr
schwierig sein duerfte, einen Arbeitsplatz zu finden, der ganzlich
unbelastet ist. Punkt!

> Auch unter usenet Nutzern gibt es sicher genauso
>viele|wenig Leute, die mit Dir (oder mir) in dieser Hin-
>sicht "ubereinstimmen wie sonst auch.

> Das ist einerseits nat"urlich schade, denn ich
>(und Du vielleicht auch) denke, da\3 Leute, die Zugang
>zum usenet haben und einen Computer zumindest zum posten
>"uberzeugen k"onnen (und sicher in dieser unserer Gesellschaft
>"uberdurchschnittlichen Einflu\3 haben), aus den unten von Dir
>genannten und weiteren Tatsachen "ahnliche Schl"usse ziehen k"onnen
>sollten.

Warum? Nur weil es Eurer Logik entspricht? Nur weil Ihr mit Eurem Wissen
und Euren Werten zu Euren Schluessen kommt, muessen wir mit unserem
Wissen und unseren Werten nicht zu denselben Schlussen kommen.
Und diese "Werte" haben nichts mit dem Arbeitsplatz sondern eher mit der
Erziehung und den Lebenserfahrungen an sich zu tun. (Ich will das bitte
nicht als Abwertung Eurer Erziehung oder Lebenserfahrung verstanden
wissen, sie sind eben anders als meine)
So mag z.B. eine grosse Rolle bei der Diskussion ueber Drogen die
Tatsache eine Rolle spielen, ob man Kinder hat oder nicht, ob man in
einer gefaehrdeten Gegend lebt oder nicht, ob man im eigenen
Bekanntenkreis mit der Problematik konfrontiert wurde oder nicht.
Bei der Diskussion ueber "Polizeistaat" mag eine Rolle spielen, wie man
dem Staat und seinen "Vertretern" gegenuebersteht und mit welchen
Mitteln man ihnen begegnen will.

Dies sind alles Faktoren, die die Schluesse, die man ziehen kann,
beeinflussen.

> Andererseits w"ar's ja auch langweilig, wenn alle hier
>die gleiche Meinung h"atten, oder?

Oh, ich haette es nicht besser sagen koennen, obwohl manche dies ja wohl
gerne wuenschten (sowohl hier "unten" als da "oben" B-{)

>[jede Menge wichtige Information gel"oscht]

>>5.) Dass es anderswo schlimmer ist als hier,
>> heisst nicht, dass hier alles in Ordnung
>> ist.

>Ein Punkt, den man meiner Ansicht nach nicht genug betonen
>kann.

>Tsch"uss
>Michael
>--
>Michael Staats
>Theoretische Tieftemperaturphysik
>Universitaet Gesamthochschule Duisburg
>mic...@hal9000.uni-duisburg.de

--
| Josef Moellers | c/o Siemens Nixdorf Informationssysteme AG |
| USA: molle...@sni-usa.com | Abt. STO-XS 113 | Riemekestrasse |
| !USA: molle...@sni.de | Phone: (+49) 5251 835124 | D-4790 Paderborn |

Michael Staats

unread,
Aug 20, 1992, 5:39:01 AM8/20/92
to
In <josef.714293155@uranium> Josef Moellers <molle...@sni.de> writes:

>In <hm342st.714048723@unidui> hm3...@unidui.uni-duisburg.de (Michael Staats) writes:


>>>Polizeistaat BRD ?!!
>>>====================

>>[einige Zeilen gel"oscht]

>Ich glaube, das hatten wir doch schon 'mal, oder?

Sorry, aber diese Gruppe lese ich noch nicht so lange.

>Also, nochmal zum mitschreiben: Jeder Poster steht erst einmal fuer sich
>und seine Meinung. Die hat prinzipiell erst einmal nichts mit
>irgendeiner Firmenpolitik oder sonstwas zu tun.
>Wenn sich Herr Kaske positiv zu Dingen aeussert, so ist das fuer _mich_
>absolut kein Grund, das auch zu tun. Wenn die Firma Siemens (oder sogar
>SNI) als Unternehmen Dinge tut, mit denen ich mich nicht identifizieren
>kann, so tue ich das auch nicht.

Danke! Ich hatte gehofft, da\3 es so Menschen gibt. (Aber trotzdem
l"asst sich ja wohl nicht ausschlie\3en, da\3 jemand der Gummikn"uppel
oder "ahnliches produziert, auch Spa\3 daran hat, im Fernsehen zu
sehen, wie diese Dinger zum Einsatz kommen.)


>Im uebrigen sich die Verfleichtungen in
>diere unserer Wirtschaft dermassen weit geraten, dass es schon sehr
>schwierig sein duerfte, einen Arbeitsplatz zu finden, der ganzlich
>unbelastet ist. Punkt!

Stimmt wohl. Und wenn ich demn"achst einen Job suche, werde
ich wohl kaum den Anspruch stellen k"onnen, nicht in einem
Betrieb zu arbeiten, der unter Umst"anden auch Ger"ate, die
unter Umst"anden auch r"ustungsrelevant sind, herstellt.
(Aber ich werde keine Flugbahnen f"ur Atomraketen oder optimale
Zusammensetzugen f"ur Sprengk"opfe ausrechnen.)

>Warum? Nur weil es Eurer Logik entspricht? Nur weil Ihr mit Eurem Wissen

(Also ich glaube dieses IHR-EUCH mu\3 nicht sein, ich jedenfalls
geh"ore weder zur einen noch zur anderen Gruppe. Und ich denke
eine solche Trennung verhindert unter Umst"anden eine Diskussion.
Da ich ja immer noch glaube, mich mit im gro\3en und ganzen ver-
n"unftigen Menschen zu unterhalten, k"onnte man sich ja vielleicht
mal einigen. Und wenn die Antwort hierauf lautet: Ja, ganz offen-
sichtlich liest dieser Kerl diese Gruppe noch nicht lange, dann ...)

>und Euren Werten zu Euren Schluessen kommt, muessen wir mit unserem
>Wissen und unseren Werten nicht zu denselben Schlussen kommen.


Ok, aber im Originalartikel waren einige nicht wegzudiskutierende
Tatsachen enthalten, die in einer Demokratie nicht passieren
d"urften. (Falls Du findest, sie d"urften doch, sollten wir
mit dem IHR-EUCH wieder anfangen :-) Man mu\3 nat"urlich nicht
zwingend den Schlu\3 'BRD == Polizeistaat' ziehen, aber die
genannten Methoden der Polizei geh"oren zu einem solchen.

>Und diese "Werte" haben nichts mit dem Arbeitsplatz sondern eher mit der

Aber der Arbeitsplatz vielleicht was mit den Werten?
(Ja ich wei\3, nicht schon wieder, siehe oben)

>Erziehung und den Lebenserfahrungen an sich zu tun. (Ich will das bitte
>nicht als Abwertung Eurer Erziehung oder Lebenserfahrung verstanden
>wissen, sie sind eben anders als meine)
>So mag z.B. eine grosse Rolle bei der Diskussion ueber Drogen die
>Tatsache eine Rolle spielen, ob man Kinder hat oder nicht, ob man in
>einer gefaehrdeten Gegend lebt oder nicht, ob man im eigenen
>Bekanntenkreis mit der Problematik konfrontiert wurde oder nicht.
>Bei der Diskussion ueber "Polizeistaat" mag eine Rolle spielen, wie man
>dem Staat und seinen "Vertretern" gegenuebersteht und mit welchen
>Mitteln man ihnen begegnen will.

Ich denke man kann das auch anderherum sehen: Z. B. bei den Demos
in M"unchen standen wohl eher Vertreter des Staates den Demonstranten
gegen"uber, und die Mittel, mit denen sie diesen begegneten, sind
ja wohl mehr als fraglich und geh"oren vielleicht doch nicht in
eine Demokratie. Es ist eben nicht nur meine Einstellung, die mein
Verh"altnis zu irgendwas bestimmt, sondern auch das Verhalten
des anderen.

>Dies sind alles Faktoren, die die Schluesse, die man ziehen kann,
>beeinflussen.


>> Andererseits w"ar's ja auch langweilig, wenn alle hier
>>die gleiche Meinung h"atten, oder?

>Oh, ich haette es nicht besser sagen koennen, obwohl manche dies ja wohl
>gerne wuenschten (sowohl hier "unten" als da "oben" B-{)

Da sind wir uns dann ja mal einig.

Josef Moellers

unread,
Aug 20, 1992, 10:41:16 AM8/20/92
to
In <hm342st.714303541@unidui> hm3...@unidui.uni-duisburg.de (Michael Staats) writes:

>In <josef.714293155@uranium> Josef Moellers <molle...@sni.de> writes:

>>In <hm342st.714048723@unidui> hm3...@unidui.uni-duisburg.de (Michael Staats) writes:


>>>>Polizeistaat BRD ?!!
>>>>====================

>>>[einige Zeilen gel"oscht]

>>Ich glaube, das hatten wir doch schon 'mal, oder?

>Sorry, aber diese Gruppe lese ich noch nicht so lange.

Akzeptiert!

>>Also, nochmal zum mitschreiben: Jeder Poster steht erst einmal fuer sich
>>und seine Meinung. Die hat prinzipiell erst einmal nichts mit
>>irgendeiner Firmenpolitik oder sonstwas zu tun.
>>Wenn sich Herr Kaske positiv zu Dingen aeussert, so ist das fuer _mich_
>>absolut kein Grund, das auch zu tun. Wenn die Firma Siemens (oder sogar
>>SNI) als Unternehmen Dinge tut, mit denen ich mich nicht identifizieren
>>kann, so tue ich das auch nicht.

>Danke! Ich hatte gehofft, da\3 es so Menschen gibt. (Aber trotzdem
>l"asst sich ja wohl nicht ausschlie\3en, da\3 jemand der Gummikn"uppel
>oder "ahnliches produziert, auch Spa\3 daran hat, im Fernsehen zu
>sehen, wie diese Dinger zum Einsatz kommen.)

Ich hoffe eigentlich, dass jeder, der etwas produziert, auch Spass an
seiner Arbeit und den Produkten hat! Ich habe es jedenfalls! Was
wiederum ein schlechtes Licht auf diejenigen wirft, die Gummiknueppel,
Traenengas und sonstiges herstellen. Aber, man kann sein Gewissen ja
auch beruhigen (Befehlsempfaenger, "kann aber auch zu friedlichen
Zwecken eingesetzt werden", "Guns don't kill people, people kill
people"...)

>>Im uebrigen sich die Verfleichtungen in
>>diere unserer Wirtschaft dermassen weit geraten, dass es schon sehr
>>schwierig sein duerfte, einen Arbeitsplatz zu finden, der ganzlich
>>unbelastet ist. Punkt!

>Stimmt wohl. Und wenn ich demn"achst einen Job suche, werde
>ich wohl kaum den Anspruch stellen k"onnen, nicht in einem
>Betrieb zu arbeiten, der unter Umst"anden auch Ger"ate, die
>unter Umst"anden auch r"ustungsrelevant sind, herstellt.
>(Aber ich werde keine Flugbahnen f"ur Atomraketen oder optimale
>Zusammensetzugen f"ur Sprengk"opfe ausrechnen.)

>>Warum? Nur weil es Eurer Logik entspricht? Nur weil Ihr mit Eurem Wissen

>(Also ich glaube dieses IHR-EUCH mu\3 nicht sein, ich jedenfalls
>geh"ore weder zur einen noch zur anderen Gruppe. Und ich denke
>eine solche Trennung verhindert unter Umst"anden eine Diskussion.
>Da ich ja immer noch glaube, mich mit im gro\3en und ganzen ver-
>n"unftigen Menschen zu unterhalten, k"onnte man sich ja vielleicht
>mal einigen. Und wenn die Antwort hierauf lautet: Ja, ganz offen-
>sichtlich liest dieser Kerl diese Gruppe noch nicht lange, dann ...)

Nee, darum geht's ja gerade. Dass wir eben en detail verschiedener
Meinung sind! Und wenn da jemand kommt, und mir Fakten vorlegt
(denen ich mehr oder weniger Zustimmen kann), so heisst das ebr noch
nicht, dass ich zum selben Schluss kommen muss wie er. Das hat eben
damit zu tun, dass bei der Schlussfolgerung noch andere Aspekte eine
Rolle spielen, und diese Aspekte meinte ich eben.

>>und Euren Werten zu Euren Schluessen kommt, muessen wir mit unserem
>>Wissen und unseren Werten nicht zu denselben Schlussen kommen.


>Ok, aber im Originalartikel waren einige nicht wegzudiskutierende
>Tatsachen enthalten, die in einer Demokratie nicht passieren
>d"urften. (Falls Du findest, sie d"urften doch, sollten wir
>mit dem IHR-EUCH wieder anfangen :-) Man mu\3 nat"urlich nicht
>zwingend den Schlu\3 'BRD == Polizeistaat' ziehen, aber die
>genannten Methoden der Polizei geh"oren zu einem solchen.

Dem kann ich uneingeschraenkt zustimmen!

>>Und diese "Werte" haben nichts mit dem Arbeitsplatz sondern eher mit der

>Aber der Arbeitsplatz vielleicht was mit den Werten?
>(Ja ich wei\3, nicht schon wieder, siehe oben)

Ja, ich meinte, dass dei Werte keine Funkion des Arbeitsplatzes sind,
aber doch wohl umgekehrt. Will sagen, ich habe mir damals meinen Job bei
Nixdorf wegen der nicht-militaerischen Art der Arbeit gesucht (wer die
Nixdorf-Produkte kennt, weiss was ich meine). Aber meine Werte haben
sich durch meine Stelle hier wenig geaendert, wohl durch Diskussionen
mit Leuten, die hier arbeiten, oder auf dem Netz posten B-{)

Wow, gibt's denn sowas, WIR SIND UNS EINIG!! Stimmt!

Michael Jung

unread,
Aug 20, 1992, 6:16:20 AM8/20/92
to
>[ Viel "fragwuerdiges" geloescht. ]

>>>Ein Staat der seinen echten politischen Gegenern nur Repression entgegen-
>>>zusetzen hat ist keine Demokratie, sondern ein Polizeistaat.
>>Wer sich als Gegner des Staates betrachtet, muss mit Repressionen rechnen.
>>Das ist fast schon trivial. Ausserdem steht der Nachweis des n u r noch
>>aus.

>Das mag zwar trivial sein in dem Sinne, dass es nicht sonderlich
>ueberraschend ist, wenn der Staat seinen Gegnern mit Repressionen
>begegnet. Aber das macht die Repressionen nicht weniger
>verwerflich.

Es bleibt eine Frage von angemessenen Mitteln bestehen. Repressionen
sind prizipiell nicht verwerflich. Z.B. Keine Beamtenkarriere fuer
erklaerte Staatsfeinde (falls diese das ueberhaupt in Betracht ziehen).

>Von einem ethischen Standpunkt aus betrachtet ist der Staat
>verpflichtet, jedem Menschen die Gestaltung seines Lebens nach
>dessen eigenen Vorstellungen so weit wie es in seiner Macht steht
>zu ermoeglichen, und zwar innerhalb und ausserhalb des Staates.
>Die Freiheit, eine Alternative ausserhalb des Staates zu
>realisieren ist derzeit aber gleich Null -- alles wird
>plattgemacht wie seinerzeit die Freie Republik Wendland. Und die
>Freiheit, innerhalb des Staates Alternativen zu realisieren, ist
>auch sehr stark eingeschraenkt, eben durch die erwaehnten
>Repressionen. Kritik an den Repressionen ist also in jedem Falle
>gerechtfertigt.

Diesen ethischen Standpunkt teile ich nicht. Ich kann keine sinnvolle
Begruendung dafuer finden, dass ein Staat seinem Feind "dessen eigenen
Vorstellungen... zu ermoeglichen [hat]... innerhalb und ausserhalb des
Staates." Ich interpretiere dabei natuerlich, dass es nicht um die
Moeglichkeit der Voerstellungen, sondern um die Verwirklichung dieser
Vorstellungen geht. Dem abschliessenden Satz kann ich zustimmen, so-
lange es nicht um Repressionen an sich, sondern um ihre Form bzw. Inhalt
geht.

Schoene Gruesse,
Michael

Michael Jung

unread,
Aug 20, 1992, 7:29:14 AM8/20/92
to
In <crauel.7...@vieta.math.uni-sb.de>, Hans Crauel writes:
>mi...@keep.fantasy.sub.org (Michael Jung) schreibt zum Thema
>Polizeistaat BRD ?!!
>()Das Ganze, was [von Stefan dazu] geschrieben wurde, mutet mir
>()wie die Aengste eines kurz vor der Paranoia stehenden Menschen an.
>()Es wird das Bild eines freie Menschen verfolgenden, schikanierenden
>()Staates BRD gemalt.
>Wer sich nicht bewegt, spuert die Ketten nicht.

Es faehrt ein Zittern durch meine steifen, geknechteten Glieder (bei soviel
Dramatik).

>Soll heissen: denen gegenueber, die ein biederes, ruhiges, angepasstes
>Leben fuehren, praesentiert sich kein Staat dieser Welt als Polizeistaat.
>Haengt natuerlich ein bisschen vom jeweiligen Staat ab, in welcher Form
>man sich anpassen muss. Im Iran sollte man derzeit als Religionsbekenntnis
>besser den Islam waehlen; im deutschen Faschismus war es besser, nicht
>juedischer Herkunft zu sein bzw. keine sozialistische Weltauffassung zu
>vertreten.

Der fundamentale Unterschied zwischen den beiden genannten Beispielen
und der BRD: Auf Nichtanpassung steht der Tod in jenen. (Im Fall des
Glaubensbekenntnisses im Irans bin ich mir nicht sicher.)

>Hiermit will ich nicht Michael als "[*pfui!*]" diffamieren.
Das hoffe ich doch:-)

Des weiteren schrieb <s.ka...@link-njd.nbg.sub.org (Stefan Kaetker)>
zum selben Thema:

>Michael Jung schrieb letztens zu Polizeistaat BRD ?!!:
>>Als gesellschaftliches Problem ist es [das Drogenproblem d.A.]
>>schon laengst erkannt.
>Das ist mir allerdings neu. [ Lange Rede... ]
>... kurzer Sinn: ... 2.) wenn es trotzdem erkannt sein sollte, wird
>es absichtlich nicht gesellschaftlich geloest. (ich tendiere zu 2).)

Ich habe zwar viel geloescht, aber es soll verdeutlichen, wie schnell man
lernen kann. Gerade eben noch war das Problem nicht anerkannt und kaum sagt
man was, ist es anerkannt, aber es wird absichtlich nicht geloest. Mal
sehen: welche Absicht steht dahinter?

>>Folgendes fehlt meines Erachtens zum Polizeistaat:
>>- Folterungen

>also gut: Die tageszeitung vom 2.4.92 schreibt unter der Ueberschrift
>"Misshandelt Bremer Polizei Fluechtlinge" u.a.: "Allein ihrer Hautfarbe
>wegen wuerden sie verdaechtigt und bei 'Routineuntersuchungen' von
>Polizisten zusammengeschlagen, getreten und mit Gummiknueppeln ver-
>pruegelt. [...] Einige Afrikaner berichteten sogar von Elektroschocks
>aus sogenannten 'Viehtreibern', mit denen sie - oft in Einzelzellen
>im Keller - misshandelt wuerden, [...] Ihre Schuhe haetten sie aus- und
>mit Wasser gefuellt wieder anziehen muessen. Ausserdem haetten Poli-
>zisten sie in der Wache mit Wagenschmiere "eingesalbt" [...]

Entweder hast Du ein gutes Gedaechtnis, um vier Monate alte Dinge zitatreif
wiederzugeben, oder einen ziemlich dicken Stapel alter Zeitungen zuhause,
damit immer das passende Beispiel parat ist. Auf jeden Fall: Hut ab!
Es zeigt aber auch, dass diese Dinge nicht an der Tages-/Wochen-/Monats-
ordnung sind. Ich will dieses Vorgehen nicht rechtfertigen, sondern nur
das Praedikat "Polizeistaat" abstreiten. Auf diese Weise macht man sich
alleine durch die Wortwahl und Intention mehr Feinde; mag dies auch viel
Ehr bedeuten, der Sache dient es nicht.

>so, das soll erstmal genuegen.

Schoene Gruesse,
Michael

Jan T. Kim

unread,
Aug 22, 1992, 3:09:54 PM8/22/92
to

>In <crauel.7...@vieta.math.uni-sb.de>, Hans Crauel writes:
>>mi...@keep.fantasy.sub.org (Michael Jung) schreibt zum Thema
>>Polizeistaat BRD ?!!

>>Wer sich nicht bewegt, spuert die Ketten nicht.

>Es faehrt ein Zittern durch meine steifen, geknechteten Glieder (bei soviel
>Dramatik).

>>Soll heissen: denen gegenueber, die ein biederes, ruhiges, angepasstes
>>Leben fuehren, praesentiert sich kein Staat dieser Welt als Polizeistaat.
>>Haengt natuerlich ein bisschen vom jeweiligen Staat ab, in welcher Form
>>man sich anpassen muss. Im Iran sollte man derzeit als Religionsbekenntnis
>>besser den Islam waehlen; im deutschen Faschismus war es besser, nicht
>>juedischer Herkunft zu sein bzw. keine sozialistische Weltauffassung zu
>>vertreten.

>Der fundamentale Unterschied zwischen den beiden genannten Beispielen
>und der BRD: Auf Nichtanpassung steht der Tod in jenen. (Im Fall des
>Glaubensbekenntnisses im Irans bin ich mir nicht sicher.)

Die fundamentale Gemeinsamkeit zwischen den Beispielen ist, dass
in beiden Faellen Menschen daran gehindert werden, ein
selbstbestimmtes Leben zu fuehren. Im einen Fall dadurch, dass
man sie toetet, im anderen dadurch, dass man sie systematisch
ausgrenzt und durch die Polizei schikanieren und in die Fresse
treten laesst. Ersteres ist zweifellos schrecklicher und
unmenschlicher. Die Parallelen sind aber deutlich erkennbar.

Jan T. Kim

unread,
Aug 22, 1992, 3:38:22 PM8/22/92
to

>In <1992Aug18.1...@rrz.uni-koeln.de>, Jan T. Kim writes:
>>In <H.OVpt...@keep.fantasy.sub.org> mi...@keep.fantasy.sub.org (Michael Jung) writes:
>>[ Viel "fragwuerdiges" geloescht. ]

>>>>Ein Staat der seinen echten politischen Gegenern nur Repression entgegen-
>>>>zusetzen hat ist keine Demokratie, sondern ein Polizeistaat.
>>>Wer sich als Gegner des Staates betrachtet, muss mit Repressionen rechnen.
>>>Das ist fast schon trivial. Ausserdem steht der Nachweis des n u r noch
>>>aus.

>>Das mag zwar trivial sein in dem Sinne, dass es nicht sonderlich
>>ueberraschend ist, wenn der Staat seinen Gegnern mit Repressionen
>>begegnet. Aber das macht die Repressionen nicht weniger
>>verwerflich.

>Es bleibt eine Frage von angemessenen Mitteln bestehen. Repressionen
>sind prizipiell nicht verwerflich. Z.B. Keine Beamtenkarriere fuer
>erklaerte Staatsfeinde (falls diese das ueberhaupt in Betracht ziehen).

Offener Dissens. Ich finde Repressionen prinzipiell verwerflich.

>>Von einem ethischen Standpunkt aus betrachtet ist der Staat
>>verpflichtet, jedem Menschen die Gestaltung seines Lebens nach
>>dessen eigenen Vorstellungen so weit wie es in seiner Macht steht
>>zu ermoeglichen, und zwar innerhalb und ausserhalb des Staates.
>>Die Freiheit, eine Alternative ausserhalb des Staates zu
>>realisieren ist derzeit aber gleich Null -- alles wird
>>plattgemacht wie seinerzeit die Freie Republik Wendland. Und die
>>Freiheit, innerhalb des Staates Alternativen zu realisieren, ist
>>auch sehr stark eingeschraenkt, eben durch die erwaehnten
>>Repressionen. Kritik an den Repressionen ist also in jedem Falle
>>gerechtfertigt.

>Diesen ethischen Standpunkt teile ich nicht. Ich kann keine sinnvolle
>Begruendung dafuer finden, dass ein Staat seinem Feind "dessen eigenen
>Vorstellungen... zu ermoeglichen [hat]... innerhalb und ausserhalb des
>Staates." Ich interpretiere dabei natuerlich, dass es nicht um die
>Moeglichkeit der Voerstellungen, sondern um die Verwirklichung dieser
>Vorstellungen geht. Dem abschliessenden Satz kann ich zustimmen, so-
>lange es nicht um Repressionen an sich, sondern um ihre Form bzw. Inhalt
>geht.

Die "sinnvolle Begruendung" ist die, dass die Ethik (meine Ethik
jedenfalls) sagt, dass Menschen sich gegenseitig ein
selbstbestimmtes Leben zu ermoeglichen haben. Die Menschen, die
gemeinsam einen Staat bilden, sind davon nicht ausgenommen. Auch
dann nicht, wenn andere Menschen fuer sich selbst bestimmen, dass
sie manches, vieles oder alles anders machen, haben und leben
wollen als dieser Staat es will.
Ich denke, darin, dass voneinander abweichende Lebensgestaltungen
keine Repressionen rechtfertigen stimme ich wohl mit den meisten
ueberein. Aber auch wenn es zu Konflikten kommt, sind
Repressionen keine Loesung. Die ethisch sinnvolle Verfahrensweise
in diesem Fall ist m.E. die, dass man miteinander die Loesung
sucht, die allen Beteiligten ein Hoechstmass an Selbstbestimmung
ermoeglicht und dass dann alle mit dieser Loesung leben, auch
wenn es fuer sie nicht optimal ist. Die eigenen Vorstellungen
mittels Repressionen durchzusetzen, weil man dazu in der Lage ist
(also z.B. weil man der Staat ist) ist zwar praktikabel, bequem
und hat eine lange Tradition, aber ethisch ist das fuer mich
nicht.

Ralf G. R. Bergs

unread,
Aug 22, 1992, 6:31:20 PM8/22/92
to

In article <H.OVpt...@keep.fantasy.sub.org> mi...@keep.fantasy.sub.org writes:

[...]


> Mit dem "Gesetz zur Bekaempfung der organisierten Kriminalitaet"
> soll nicht das Drogenproblem geloest, sondern bekaempft werden. Als

^^^^^ ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^


> gesellschaftliches Problem ist es schon laengst anerkannt.

Ach so, wir BEKAEMPFEN Probleme lieber, als sie zu loesen.

[...]


> Wer sich als Gegner des Staates betrachtet, muss mit Repressionen rechnen.

Jawohl.

[...]


> Folgendes fehlt meines Erachtens zum Polizeistaat:
> - Folterungen
> - Personen verschwinden
> - Mangelnde Pressefreiheit
> - Polizeiwillkuer

Die letzten beiden Punkte reichen auch schon, um einen Polizeistaat
auszumachen (s. "Muenchener Kessel")

> >Dass es anderswo schlimmer ist als hier, heisst nicht, dass hier alles
> >in Ordnung ist.
>
> Es heisst noch lange nicht, dass durch einige Aspekte eines Polizeistaats
> dieser tatsaechlich vorliegt.
>
> Natuerlich heisst es nicht, dass man die Augen verschliessen soll. Mit

^^^


> Kanonen auf Spatzen zu schiessen ist aber unangebracht und trifft auch

^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
> meist daneben.

Beziehst Du Dich da ebenfalls auf die "Polizeiaktion"?


Ralf

--
Ralf G. R. Bergs, Aachen Univ. of Technology graduate EE (comp. eng.) student
UUCP: ra...@rabe.obb.sub.org, phone: +49-2261-21968 (answ. mach.)
smail: H"uckeswagener Str. 42, D-W5270 Gummersbach, Fed. Rep. of Germany

Alexander Rossner

unread,
Aug 25, 1992, 5:51:00 PM8/25/92
to
In <1992Aug25.1...@rrz.uni-koeln.de>, Jan T. Kim writes:
>
>Aber wer derzeit mit den Ellenbogen (mehr noch mit Gummiknueppeln
>Traenengas, Gefaengnis...) seine "Freiheit", andere Menschen
>gegen ihren Willen zum Leben in diesem Staat zu zwingen und ihnen
>jegliche Alternative zu verbieten ausuebt, sind doch wohl die
>Verfechter dieses Staates.
'zum Leben in diesem Staat zwingen' ? es haelt Dich keiner, wenn Du
meinst, dass Du woanders besser leben kannst; unsere Grenzen sind
offen.

>
>Die Einschraenkung von Freiheiten ist zweifellos unumgaenglich,
>aber sie muss strikt minimal gehalten werden.
>Freiheitsbeschraenkung in diesem Rahmen ist auch ethisch oder
>moralisch nicht zu beanstanden. Aber was darueber hinausgeht ist
>willkuerliche Repression, die ich entschieden ablehne und unter
>keinen Umstaenden fuer gerechtfertigt halte.
>
Wer von Freiheit redet und Anarchie meint, fuehlt sich ueberall in
Ketten gelegt.

alex

--
Alexander Rossner r...@rossi.han.de

Jan T. Kim

unread,
Aug 27, 1992, 8:42:53 AM8/27/92
to
In <H.wq5n...@rossi.han.de> r...@rossi.han.de (Alexander Rossner) writes:

>In <1992Aug25.1...@rrz.uni-koeln.de>, Jan T. Kim writes:
>>
>>Aber wer derzeit mit den Ellenbogen (mehr noch mit Gummiknueppeln
>>Traenengas, Gefaengnis...) seine "Freiheit", andere Menschen
>>gegen ihren Willen zum Leben in diesem Staat zu zwingen und ihnen
>>jegliche Alternative zu verbieten ausuebt, sind doch wohl die
>>Verfechter dieses Staates.

> 'zum Leben in diesem Staat zwingen' ? es haelt Dich keiner, wenn Du
> meinst, dass Du woanders besser leben kannst; unsere Grenzen sind
> offen.

Und wenn man diese offenen Grenzen ueberschreitet, kommt man dann
in eine Gegend, wo es keinen Staat gibt? Ich dachte immer, da
kommt man nach Polen, Oesterreich, Frankreich, Daenemark... sind
doch auch alles Staaten, oder?
Unmissverstaendlich ausgedrueckt: Man kann sich auf diesem ganzen
Globus nirgendwo hinbegeben, wo man keiner staatlichen Kontrolle
ausgesetzt ist. Man ist also gezwungen, in einem Staat zu leben,
aussuchen kann man sich (in einem bestimmten Rahmen) nur, in
welchem.

Michael Jung

unread,
Aug 24, 1992, 7:20:36 AM8/24/92
to
>>Es bleibt eine Frage von angemessenen Mitteln bestehen. Repressionen
>>sind prizipiell nicht verwerflich. Z.B. Keine Beamtenkarriere fuer
>>erklaerte Staatsfeinde (falls diese das ueberhaupt in Betracht ziehen).
>Offener Dissens. Ich finde Repressionen prinzipiell verwerflich.

>>>Von einem ethischen Standpunkt aus betrachtet ist der Staat


>>>verpflichtet, jedem Menschen die Gestaltung seines Lebens nach
>>>dessen eigenen Vorstellungen so weit wie es in seiner Macht steht
>>>zu ermoeglichen, und zwar innerhalb und ausserhalb des Staates.
>>>Die Freiheit, eine Alternative ausserhalb des Staates zu
>>>realisieren ist derzeit aber gleich Null -- alles wird
>>>plattgemacht wie seinerzeit die Freie Republik Wendland. Und die
>>>Freiheit, innerhalb des Staates Alternativen zu realisieren, ist
>>>auch sehr stark eingeschraenkt, eben durch die erwaehnten
>>>Repressionen. Kritik an den Repressionen ist also in jedem Falle
>>>gerechtfertigt.
>>Diesen ethischen Standpunkt teile ich nicht. Ich kann keine sinnvolle
>>Begruendung dafuer finden, dass ein Staat seinem Feind "dessen eigenen
>>Vorstellungen... zu ermoeglichen [hat]... innerhalb und ausserhalb des
>>Staates." Ich interpretiere dabei natuerlich, dass es nicht um die
>>Moeglichkeit der Voerstellungen, sondern um die Verwirklichung dieser
>>Vorstellungen geht. Dem abschliessenden Satz kann ich zustimmen, so-
>>lange es nicht um Repressionen an sich, sondern um ihre Form bzw. Inhalt
>>geht.

>Die "sinnvolle Begruendung" ist die, dass die Ethik (meine Ethik
>jedenfalls) sagt, dass Menschen sich gegenseitig ein
>selbstbestimmtes Leben zu ermoeglichen haben. Die Menschen, die
>gemeinsam einen Staat bilden, sind davon nicht ausgenommen. Auch
>dann nicht, wenn andere Menschen fuer sich selbst bestimmen, dass
>sie manches, vieles oder alles anders machen, haben und leben
>wollen als dieser Staat es will.

Ich habe mich verlesen und deshalb falsch zitiert, pardon. Statt
"Gestaltung ... eigener Vorstellungen ... zu ermoeglichen" habe ich
"eigene Vorstellungen ... zu ermoeglichen" gelesen. Inhaltlich aen-
dert das aber nichts.
Dass Menschen sich gegenseitig ein selbstbestimmtes Leben ermoeglichen
sollen, ist ein schoenes Ziel und als Ideal zu gebrauchen, ist aber
nicht ohne Einschraenkungen zu verwirklichen. Wenn Menschen etwas anders
machen wollen, als der Staat es vorsieht: fein. Wenn aber gegen Prin-
zipien verstossen wird, die den Staat am Leben erhalten, darf dieser
zu Repressionen greifen (IMHO). Ich will nur ein paar Beispiele an-
fuehren: das Erschiessen von anderen Staatsbuergern sollte vom Staat
mit Repressionen beantwortet werden, wie auch der Verstoss gegen andere
"allgemeine" Verhaltensregeln und der Gebrauch von staatlichen Insti-
tutionen/Instrumenten zum Kampf gegen den Staat.

Kann dies auch ein Polizeistaat anfuehren? Sicherlich, aber aehnlich
wie ein Mensch seiner Menschenrechte enthoben werden kann, kann auch
ein Staat seine "Rechte" verlieren, indem er gegen seine "Pflichten"
verstoesst.

>Ich denke, darin, dass voneinander abweichende Lebensgestaltungen
>keine Repressionen rechtfertigen stimme ich wohl mit den meisten
>ueberein. Aber auch wenn es zu Konflikten kommt, sind
>Repressionen keine Loesung. Die ethisch sinnvolle Verfahrensweise
>in diesem Fall ist m.E. die, dass man miteinander die Loesung
>sucht, die allen Beteiligten ein Hoechstmass an Selbstbestimmung
>ermoeglicht und dass dann alle mit dieser Loesung leben, auch
>wenn es fuer sie nicht optimal ist. Die eigenen Vorstellungen
>mittels Repressionen durchzusetzen, weil man dazu in der Lage ist
>(also z.B. weil man der Staat ist) ist zwar praktikabel, bequem
>und hat eine lange Tradition, aber ethisch ist das fuer mich
>nicht.

Ich glaube nicht, dass die meisten Leute Repressionen fuer nicht zu
rechtfertigen halten. Es geht immer um die Qualitaet der Repression.
Viele Leute halten Geschwindigkeitsbegrenzungen fuer eine Repression,
oder Nichtraucherzonen usw., stimmen aber anderen Repressionen (z. B.
von den eben genannten) wiederum zu. Repressionen koennen, wenn es zu
Konflikten kommt, durchaus Loesungen sein, sie moegen unbefriedigend
sein und auch nicht die besten. Aber manchmal sind es sogar die
einzigen! Das schliesst natuerlich nicht aus, dass alle Beteiligten
gemeinsam nach einer Loesung suchen. Ausserdem habe ich nie gesagt,
man solle Vorstellungen mit Repressionen durchsetzen, WEIL man dazu in
der Lage ist.

Schoene Gruesse,
Michael

Jan T. Kim

unread,
Aug 27, 1992, 10:07:41 PM8/27/92
to

>In <1992Aug22.1...@rrz.uni-koeln.de>, Jan T. Kim writes:

>>Die "sinnvolle Begruendung" ist die, dass die Ethik (meine Ethik
>>jedenfalls) sagt, dass Menschen sich gegenseitig ein
>>selbstbestimmtes Leben zu ermoeglichen haben. Die Menschen, die
>>gemeinsam einen Staat bilden, sind davon nicht ausgenommen. Auch
>>dann nicht, wenn andere Menschen fuer sich selbst bestimmen, dass
>>sie manches, vieles oder alles anders machen, haben und leben
>>wollen als dieser Staat es will.

[...]

>Dass Menschen sich gegenseitig ein selbstbestimmtes Leben ermoeglichen
>sollen, ist ein schoenes Ziel und als Ideal zu gebrauchen, ist aber
>nicht ohne Einschraenkungen zu verwirklichen.

Dieses Ideal laesst sich zwar vielleicht niemals vollstaendig
verwirklichen, aber trotzdem sollte man versuchen, ihm moeglichst
nahezukommen.

>Wenn Menschen etwas anders
>machen wollen, als der Staat es vorsieht: fein. Wenn aber gegen Prin-
>zipien verstossen wird, die den Staat am Leben erhalten, darf dieser
>zu Repressionen greifen (IMHO).

Der Staat hat als solcher zunaechst mal ueberhaupt keine Rechte
(ethisch betrachtet, nicht juristisch). Alle seine Rechte leiten
sich von den Rechten der Menschen ab, die den Staat bilden. Die
Erhaltung des *Staates* kann kein Selbstzweck sein.

>Ich will nur ein paar Beispiele an-
>fuehren: das Erschiessen von anderen Staatsbuergern sollte vom Staat
>mit Repressionen beantwortet werden,

Das ist was ganz anderes, hier geht es um die Erhaltung
*menschlichen Lebens*. Und die ist sicherlich eins der
wichtigsten ethischen Ziele, die es gibt. Jeder Mensch sollte
alles in seiner Macht Stehende tun, um die Ermordung anderer
Menschen und die Gefaehrdung ihres Lebens zu verhindern. Ganz
egal ob diese anderen nun Buerger desselben Staates sind oder
Asylanten in Rostock...
Die Erhaltung des Staates ist aber keinesfalls mit der
menschlichen Lebens gleichzusetzen, denn Menschen koennen sehr
wohl auch ohne Staat leben. Sogar besser als mit, wuerde ich
sagen.
Und weiterhin muss der Schutz menschlichen Lebens nicht
notwendigerweise mittels Repressionen erfolgen, obwohl sie zu
diesem Zweck durchaus gerechtfertigt sein koennen. Sie sind aber
in keinem mir bekannten Fall sonderlich gut geeignet, um ein fuer
alle Beteiligten moeglichst sicheres Miteinander langfristig zu
erreichen. Nochmal das aktuelle Beispiel Rostock: Kurzfristig
wird man da wohl mit viel Polizei "fuer Ruhe sorgen" muessen,
aber langfristig kann das Problem nur durch Sozialmassnahmen usw.
entchaerft werden.

>wie auch der Verstoss gegen andere
>"allgemeine" Verhaltensregeln und der Gebrauch von staatlichen Insti-
>tutionen/Instrumenten zum Kampf gegen den Staat.

Das kommt drauf an, was man denn anstelle des Staates anstrebt.

>Kann dies auch ein Polizeistaat anfuehren? Sicherlich, aber aehnlich
>wie ein Mensch seiner Menschenrechte enthoben werden kann, kann auch
>ein Staat seine "Rechte" verlieren, indem er gegen seine "Pflichten"
>verstoesst.

Ein Mensch kann seine Menschenrechte nicht verlieren und sie
koennen ihm auch nicht aberkannt werden oder sowas. Sie sind
unveraeusserlich. Du meinst vermutlich die "buergerlichen
Ehrenrechte" (oder so aehnlich heisst das, es ist schon spaet).

>>Ich denke, darin, dass voneinander abweichende Lebensgestaltungen
>>keine Repressionen rechtfertigen stimme ich wohl mit den meisten
>>ueberein. Aber auch wenn es zu Konflikten kommt, sind
>>Repressionen keine Loesung. Die ethisch sinnvolle Verfahrensweise
>>in diesem Fall ist m.E. die, dass man miteinander die Loesung
>>sucht, die allen Beteiligten ein Hoechstmass an Selbstbestimmung
>>ermoeglicht und dass dann alle mit dieser Loesung leben, auch
>>wenn es fuer sie nicht optimal ist. Die eigenen Vorstellungen
>>mittels Repressionen durchzusetzen, weil man dazu in der Lage ist
>>(also z.B. weil man der Staat ist) ist zwar praktikabel, bequem
>>und hat eine lange Tradition, aber ethisch ist das fuer mich
>>nicht.

>Ich glaube nicht, dass die meisten Leute Repressionen fuer nicht zu
>rechtfertigen halten. Es geht immer um die Qualitaet der Repression.
>Viele Leute halten Geschwindigkeitsbegrenzungen fuer eine Repression,
>oder Nichtraucherzonen usw., stimmen aber anderen Repressionen (z. B.
>von den eben genannten) wiederum zu. Repressionen koennen, wenn es zu
>Konflikten kommt, durchaus Loesungen sein, sie moegen unbefriedigend
>sein und auch nicht die besten. Aber manchmal sind es sogar die
>einzigen! Das schliesst natuerlich nicht aus, dass alle Beteiligten
>gemeinsam nach einer Loesung suchen.

Dass Freiheitsbeschraenkungen bei Konflikten unumgaenglich sein
koennen habe ich ja bereits ausgefuehrt. Wenn man auch solche
Einschraenkungen als Repressionen bezeichnet (ich tue das nicht),
koennen auch Repressionen ethisch betrachtet zulaessig sein.
Zum gemeinsamen Suchen nach besseren Loesungen sei angemerkt,
dass dabei kein Denkverbot fuer solche Loesungen, die
Alternativen zum Staat beinhalten, gelten darf. Die Realisierung
solcher Loesungen darf keinesfalls mit der Begruendung, sie
gefaehrde das "Leben des Staates" unterbunden werden, schon gar
nicht mit Repressionen.

>Ausserdem habe ich nie gesagt,
>man solle Vorstellungen mit Repressionen durchsetzen, WEIL man dazu in
>der Lage ist.

Nein, in dieser Form hast Du das nicht gesagt. Du hast in einem
frueheren Posting mal geschrieben: "Wer sich als Gegner des
Staates bezeichnet, muss mit Repressionen rechnen. Das ist fast
schon trivial." (aus dem Gedaechtnis zitiert, sinngemaess aber
hoffentlich richtig wiedergegeben). Darauf bezog sich meine Rede:
Es ist zwar trivial, dass der Staat, der zur Ausuebung von
Repressionen in der Lage ist, von dieser Faehigkeit auch Gebrauch
macht, aber ethisch gerechtfertigt ist das deswegen nicht. So
war's gemeint.

Greetinx, Jan

Michael Jung

unread,
Aug 27, 1992, 5:13:28 AM8/27/92
to
ra...@rabe.obb.sub.org (Ralf G. R. Bergs) writes:
>In article <H.OVpt...@keep.fantasy.sub.org> mi...@keep.fantasy.sub.org writes:
>> Mit dem "Gesetz zur Bekaempfung der organisierten Kriminalitaet"
>> soll nicht das Drogenproblem geloest, sondern bekaempft werden. Als
> ^^^^^ ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
>Ach so, wir BEKAEMPFEN Probleme lieber, als sie zu loesen.

Genau. Wo kaemen wir dahin, wenn wir alle Probleme loesen wuerden. Nix
mehr zu tun, Langeweile bricht aus.

>> Folgendes fehlt meines Erachtens zum Polizeistaat:
>> - Folterungen
>> - Personen verschwinden
>> - Mangelnde Pressefreiheit
>> - Polizeiwillkuer
>Die letzten beiden Punkte reichen auch schon, um einen Polizeistaat

>auszumachen (s. "Muenchener Kessel").

Welcher Muenchner Kessel? Ich habe nichts gehoert, ich kann mich ja auf
mangelnde Pressefreiheit berufen. Das solltest Du besser auch tun, sonst
wirst Du noch (vorlaeufig) festgenommen...

>> Mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen ist aber unangebracht [...]
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^


>Beziehst Du Dich da ebenfalls auf die "Polizeiaktion"?

Nein. Ich beziehe mich auf das Wort "Polizeistaat", obwohl der Bezug zur
"Polizeiaktion" ebenfalls zutreffen wuerde. Die Gruende fuer diesen wur-
den von anderen weidlich erlaeutert und die fuer jenen schon von mir dar-
gelegt.

Schoene Gruesse,
Michael

Ralf G. R. Bergs

unread,
Aug 25, 1992, 7:07:22 PM8/25/92
to

In article <josef.714639466@uranium> molle...@sni.de writes:

[...]
> Nun, es ist doch wohl so, dass hier in duL viele Millionen Menschen
> leben. Und wenn man es jedem dieser Menschen voellig selbst ueberlassen
> wollte, sein leben zu bestimmen, dann waere hier aber der Teufel los.
> Und ich meine damit nicht nur die Leute, die es darauf abgesehen haben,
> unsere Stattsform gegen eine andere auszutauschen.
> Dafuer gibt es dann Gesetze, die eben die Freiheiten des einzelnen
> einschraenken koennen.

Ja, so sehe ich das auch.

> Meine Freiheit wird eingegrenzt, wenn ich z.B.
> nicht Sonntags Rasen maehen darf, oder mich mit meiner Frau auf unserer
> Terasse "vergnuegen" darf.

Das darfst Du schon, vorausgesetzt, Euch kann keiner beobachten oder es
macht den etwaigen Beobachtern nichts aus (evtl. einladen? ;-)).

[...]
> Ich rechtfertige damit in keinster Weise Brutalitaet seitens der
> Ordnungshueter, rechtfertige damit aber eine Einschraenkung der
> Freiheiten des Einzelnen.

Ich stimme Dir VOLL zu.

Michael Jung

unread,
Aug 29, 1992, 7:11:32 PM8/29/92
to
>>In <1992Aug22.1...@rrz.uni-koeln.de>, Jan T. Kim writes:
>>Wenn Menschen etwas anders
>>machen wollen, als der Staat es vorsieht: fein. Wenn aber gegen Prin-
>>zipien verstossen wird, die den Staat am Leben erhalten, darf dieser
>>zu Repressionen greifen (IMHO).
>Der Staat hat als solcher zunaechst mal ueberhaupt keine Rechte
>(ethisch betrachtet, nicht juristisch). Alle seine Rechte leiten
>sich von den Rechten der Menschen ab, die den Staat bilden. Die
>Erhaltung des *Staates* kann kein Selbstzweck sein.
>[...]

>Die Erhaltung des Staates ist aber keinesfalls mit der
>menschlichen Lebens gleichzusetzen, denn Menschen koennen sehr
>wohl auch ohne Staat leben. Sogar besser als mit, wuerde ich
>sagen.

In der Tat ist der Erhalt des Staates kein Selbstzweck. Der Erhalt der
Natur ist ebenfalls kein Selbstzweck. Da der Mensch aber ohne Natur
kaum leben kann, was, wie ich sagen wuerde, ebenfalls vom Staat gilt,
muss sie erhalten werden. Hier sind nicht die verschiedenen Zwecke
von Natur und Staat zu verwechseln, Selbstzwecke sind jedoch beide
nicht.

>Und weiterhin muss der Schutz menschlichen Lebens nicht
>notwendigerweise mittels Repressionen erfolgen, obwohl sie zu
>diesem Zweck durchaus gerechtfertigt sein koennen. Sie sind aber
>in keinem mir bekannten Fall sonderlich gut geeignet, um ein fuer
>alle Beteiligten moeglichst sicheres Miteinander langfristig zu
>erreichen. Nochmal das aktuelle Beispiel Rostock: Kurzfristig
>wird man da wohl mit viel Polizei "fuer Ruhe sorgen" muessen,
>aber langfristig kann das Problem nur durch Sozialmassnahmen usw.

>entschaerft werden.

Von Notwendigkeit hat auch niemand gesprochen, es ging um die prin-
zipielle Verwerflichkeit.

>>wie auch der Verstoss gegen andere
>>"allgemeine" Verhaltensregeln und der Gebrauch von staatlichen Insti-
>>tutionen/Instrumenten zum Kampf gegen den Staat.

>Das kommt drauf an, was man denn anstelle des Staates anstrebt.

Das ist natuerlich schwer zu beurteilen. Wer soll ueberhaupt ent-
scheiden, ob die neuen Vorstellungen(!) den Staat wert sind?

>Ein Mensch kann seine Menschenrechte nicht verlieren und sie
>koennen ihm auch nicht aberkannt werden oder sowas. Sie sind
>unveraeusserlich. Du meinst vermutlich die "buergerlichen
>Ehrenrechte" (oder so aehnlich heisst das, es ist schon spaet).

Das Recht auf Freizuegigkeit kann ein Verbrecher verwirken.
Das Recht auf Religionsausuebung wird glaeubigen Kannibalen aberkannt.
Usw.

>>[...]


>Dass Freiheitsbeschraenkungen bei Konflikten unumgaenglich sein
>koennen habe ich ja bereits ausgefuehrt. Wenn man auch solche
>Einschraenkungen als Repressionen bezeichnet (ich tue das nicht),
>koennen auch Repressionen ethisch betrachtet zulaessig sein.
>Zum gemeinsamen Suchen nach besseren Loesungen sei angemerkt,
>dass dabei kein Denkverbot fuer solche Loesungen, die
>Alternativen zum Staat beinhalten, gelten darf. Die Realisierung
>solcher Loesungen darf keinesfalls mit der Begruendung, sie
>gefaehrde das "Leben des Staates" unterbunden werden, schon gar
>nicht mit Repressionen.

Wenn man Repressionen als verwerfliche Gewaltmittel definiert, dann
ist diese Diskussion hohl; natuerlich sind diese verwerflich.

Das Denkverbot wird auch nicht erteilt. "Trotzdem darf die Realisierung
solcher Loesungen mit dieser Begruendung unterdrueckt werden."
Diesen Satz muss ich allerdings in Anfuehrungszeichen setzen, denn mir
ist unklar, wie diese momentan hoechst abstrakten Loesungen aussehen
und ob ihnen derart begegnet werden kann oder soll.

Schoene Gruesse,
Michael

Wolfgang Schelongowski

unread,
Sep 1, 1992, 11:00:17 AM9/1/92
to
In article <1992Aug27.1...@rrz.uni-koeln.de> k...@vax.mpiz-koeln.mpg.dbp.de writes:
...

>Unmissverstaendlich ausgedrueckt: Man kann sich auf diesem ganzen
>Globus nirgendwo hinbegeben, wo man keiner staatlichen Kontrolle
>ausgesetzt ist. Man ist also gezwungen, in einem Staat zu leben,
>aussuchen kann man sich (in einem bestimmten Rahmen) nur, in
>welchem.
...

> *----=< hierarchical systems are for files, not for humans >=-----*

Ich gehe davon aus, dass Du nicht als Einsiedler, sondern in
staatsfreier menschlicher Gemeinschaft leben willst.

Wenn Menschen in solchen Gemeinschaften leben, bildet sich binnen ein
paar Jahren ein "Staat" heraus oder die Gemeinschaft geht unter
(Auftritt des Demagogen / Retters vor dem Chaos / Eroberung von aussen) .
Dieser Staat ist um so autoritaerer, je anarchistischer
die vorhergehende Gesellschaft war:
Franzoesische Revolution -> Napoleon
Russische Revolution -> Stalin
Hippies -> Charles Manson und seine Truppe

Sehr treffend karikiert solche Ablaeufe folgendes Graffiti:
(1. Sprayer) "Was Deutschland braucht, ist die Anarchie !"
(2. Sprayer) "Ja, aber mit MIR als Anarchen !"

Ein gutes Buch darueber, wie Menschen sich _wirklich_ verhalten haben,
ist "Der Fuerst" von N. Macchiavelli. Aber das Original lesen,
nicht Rezensionen.

Deshalb: An unheiligen Hierarchien (Staaten u.a.) kommen menschliche
Gemeinschaften nicht vorbei, solange Menschen keine Roboter oder Engel
sind. Aber diese Hierarchien sind nicht ein "absolutes Gut", sondern
sollen Schaden der Allgemeinheit minimieren und Nutzen maximieren.

--
Wolfgang Schelongowski Tel.: +49-231-944-1267/1352
Usenet: w...@mbpdo.UUCP
If I were expressing mbp's opinions, they'd probably make me wear a tie...

Jan T. Kim

unread,
Sep 2, 1992, 3:03:15 PM9/2/92
to
In <24...@mbpdo.UUCP> w...@mbpdo.UUCP (Wolfgang Schelongowski) writes:

>> *----=< hierarchical systems are for files, not for humans >=-----*

>Ich gehe davon aus, dass Du nicht als Einsiedler, sondern in
>staatsfreier menschlicher Gemeinschaft leben willst.

Ja, in hierarchiefreier menschlicher Gemeinschaft, um praeziser zu sein.

>Wenn Menschen in solchen Gemeinschaften leben, bildet sich binnen ein
>paar Jahren ein "Staat" heraus oder die Gemeinschaft geht unter
>(Auftritt des Demagogen / Retters vor dem Chaos / Eroberung von aussen) .
>Dieser Staat ist um so autoritaerer, je anarchistischer
>die vorhergehende Gesellschaft war:
> Franzoesische Revolution -> Napoleon
> Russische Revolution -> Stalin
> Hippies -> Charles Manson und seine Truppe

#game_mode ON
Frage: Welches von den drei Beispielen passt nicht zu den anderen?
Antwort: Nummer drei, die Hippies. Charles Manson ist naemlich nicht
Praesident der Vereinigten Staaten geworden.
#game_mode OFF

Es stimmt, es gibt in der Geschichte eine Menge von Faellen, wo
Neuerungsversuche letztlich zu extrem autoritaeren Systemen
gefuehrt haben. Aber das ist keine Grundlage fuer die Behauptung,
dass das ein "historisches Naturgesetz" oder sowas ist, also
unvermeidlich. Ein derartiger "wissenschaftlicher Hierarchismus"
kommt mir genauso daneben vor wie der "wissenschaftliche
Sozialismus".
Im Uebrigen weiss ich nicht, wie es sich historisch rechtfertigen
laesst, "Anarchismus" als gemeinsames Charakteristikum der
franzoesichen Revolution, der russischen Revolution und der
Hippies zu bezeichnen.

>Sehr treffend karikiert solche Ablaeufe folgendes Graffiti:
>(1. Sprayer) "Was Deutschland braucht, ist die Anarchie !"
>(2. Sprayer) "Ja, aber mit MIR als Anarchen !"

Hmmm, fuer mich zeigt das Beispiel eher, dass da zwei Leute
voellig unterschiedliche Auffassungen von Anarchie haben. Fuer
den 1. Sprayer ist Anarchie die Freiheit von Fremdherrschaft
(vermute ich mal), und fuer den 2. Sprayer ist sie
Willkuerherrschaft. Die erste Auffassung stimmt mit dem Wortsinn
von "Anarchie" einigermassen ueberein, die zweite keinesfalls:
Man beachte: Anarchie = Herrschaftslosigkeit *ungleichst*
Willkuerherrschaft.
Dieses zweitgenannte Verstaendnis von "Anarchie" kommt in der
Regel daher, dass jemand sich denkt, mit dem Wegfall jeder
Herrschaft wuerden die Menschen auch alle Selbstbeherrschung (das
ist ja auch sowas wie Herrschaft) verlieren und sich alle
gegenseitig unterdruecken und maltraetieren, weil das ja das ist,
was zu verhindern alleiniger Sinn jeglicher Hierarchie ist, und
das waere dann Willkuerherrschaft. Dass das aber keine Anarchie
mehr sein kann, sondern eben Willkuerherrschaft ist, stoert
offenbar keinen gross dabei.
Das Problem am Gebrauch von "Anarchie" im (Un-) Sinne von
"Willkuerherrschaft" ist, dass er meistens dazu dient, jemandem,
der gegen Herrschaft ist, zu unterstellen, er wolle in Wahrheit
Willkuerherrschaft. Darum stoert es mich auch, dass mir hier
schon zum zweiten Mal in diesem thread "Anarchie" angehaengt
wird, obwohl ich selbst den Begriff "Anarchie" niemals verwendet
habe.
Die Bezeichnung meiner Vorstellungen fuer die Gestaltung des
menschlichen Miteinanders als "Anarchie" mag zwar korrekt sein in
dem Sinne, dass ich jegliche Herrschaft von Menschen ueber
Menschen ablehne. Aber das stelle ich mir nicht als Ausbruch von
hemmungsloser Aggressivitaet vor, die sofort Willkuerherrschaft
bedeutet. Um eine solche Interpretation von vornherein
auszuschliessen ist mir der Begriff "Autarchie", also
Selbstherrschaft, lieber, wenn's schon unbedingt eine -Archie
sein muss. Selbstherrschaft bedeutet natuerlich Abwesenheit
jeglicher Fremdherrschaft, aber macht gleichzeitig deutlich, dass
die Herrschaft des Menschen ueber sich selbst, seine
Selbstkontrolle dadurch nicht wegfaellt, sondern, im Gegenteil,
gestaerkt wird.

>Ein gutes Buch darueber, wie Menschen sich _wirklich_ verhalten haben,
>ist "Der Fuerst" von N. Macchiavelli. Aber das Original lesen,
>nicht Rezensionen.

Danke. Buchtips sind immer gut.

>Deshalb: An unheiligen Hierarchien (Staaten u.a.) kommen menschliche
>Gemeinschaften nicht vorbei, solange Menschen keine Roboter oder Engel
>sind. Aber diese Hierarchien sind nicht ein "absolutes Gut", sondern
>sollen Schaden der Allgemeinheit minimieren und Nutzen maximieren.

Klar, wenn man voraussetzt, dass Hierarchien im menschlichen
Zusammenleben unvermeidbar sind, kann man nur versuchen, ihren
Schaden zu minimieren. Aber fuer mich ist die Unumgaenglichkeit
von Hierarchien nun mal nicht erwiesen, und solange sie nicht
erwiesen ist, werde ich nicht aufhoeren, ein hierarchiefreies
Miteinander anzustreben.

Greetinx, Jan

+- Jan Kim -- X.400: S=kim;OU=vax;O=mpiz-koeln;P=mpg;A=dbp;C=de -+
| Internet: k...@vax.mpiz-koeln.mpg.dbp.de |
| |

Jan T. Kim

unread,
Sep 2, 1992, 4:09:36 PM9/2/92
to

>In der Tat ist der Erhalt des Staates kein Selbstzweck. Der Erhalt der
>Natur ist ebenfalls kein Selbstzweck. Da der Mensch aber ohne Natur
>kaum leben kann, was, wie ich sagen wuerde, ebenfalls vom Staat gilt,
>muss sie erhalten werden. Hier sind nicht die verschiedenen Zwecke
>von Natur und Staat zu verwechseln, Selbstzwecke sind jedoch beide
>nicht.

Die Natur ist Lebensgrundlage fuer die Menschen, ohne Zweifel.
Und der Staat ist ebenso Lebensgrundlage fuer die Menschen ??!
Also da komme ich beim besten Willen nicht mehr mit. Wenn
ueberhaupt, kann der Staat nicht ohne Menschen leben, wenn man
ueberhaupt davon reden kann, dass der Staat "lebt".
Dass "der Mensch kaum ohne Staat leben kann" ist, vermute ich
mal, so gemeint, dass es fuer die Organisation des menschlichen
Zusammenlebens keine reelle Alternative zum Staat gibt. Aber eine
solche Behauptung muss mit handfesten Argumenten belegt werden,
eine fragliche Analogie reicht da nicht.

>>Und weiterhin muss der Schutz menschlichen Lebens nicht

>>notwendigerweise mittels Repressionen erfolgen, [...]

>Von Notwendigkeit hat auch niemand gesprochen, es ging um die prin-
>zipielle Verwerflichkeit.

Beides haengt eng miteinander zusammen, jedenfalls wenn man
voraussetzt, dass Repressionen nicht per se was Gutes oder
Erstrebenswertes sind, sondern dass man sie nach Moeglichkeit
vermeiden sollte. Unter dieser Voraussetzung kann man dann alle
nicht notwendigen Repressionen als verwerflich ansehen. Danach
sind Repressionen zum Schutz menschlichen Lebens verwerflich,
wenn dieses Ziel mit anderen Mitteln erreicht werden kann und sie
damit nicht notwendig sind.

>>>wie auch der Verstoss gegen andere
>>>"allgemeine" Verhaltensregeln und der Gebrauch von staatlichen Insti-
>>>tutionen/Instrumenten zum Kampf gegen den Staat.
>>Das kommt drauf an, was man denn anstelle des Staates anstrebt.

>Das ist natuerlich schwer zu beurteilen. Wer soll ueberhaupt ent-
>scheiden, ob die neuen Vorstellungen(!) den Staat wert sind?

Diese Entscheidung muss jedem Menschen individuell offenstehen.
Das ist ja gerade mein Hauptkritikpunkt an unserem und anderen
Staaten. Wenn 80% der Einwohner von Deutschland in einem Staat
wie er jetzt ist leben wollen dann soll sie daran niemand
hindern, aber sie sollen auch die 20%, die das nicht wollen,
daran hindern, ihre Vorstellungen zu verwirklichen.

>>Dass Freiheitsbeschraenkungen bei Konflikten unumgaenglich sein
>>koennen habe ich ja bereits ausgefuehrt. Wenn man auch solche
>>Einschraenkungen als Repressionen bezeichnet (ich tue das nicht),
>>koennen auch Repressionen ethisch betrachtet zulaessig sein.

>Wenn man Repressionen als verwerfliche Gewaltmittel definiert, dann


>ist diese Diskussion hohl; natuerlich sind diese verwerflich.

Ok, der Begriff der Repression ist tatsaechlich ziemlich schlecht
definiert in diesem thread. Das, was mir bei "Repressionen" im
Zusammenhang dieses threads im Hinterkopf rumgeistert leitet sich
von den Urspruengen dieses threads her. Da schrieb Michael Jung
(ziemlich woertlich): "Wer sich als Gegner des Staates
bezeichnet, muss mit Repressionen rechnen.". Das habe ich als
ethisch nicht zu rechtfertigenden Umgang mit "Staatsgegnern"
bezeichnet, so kam es zum Wechsel zum derzeitigen Subject.
Aufgrund des Kontexts, der mir jetzt nicht mehr genau einfaellt,
habe ich mir damals unter "Gegnern des Staates" Leute
vorgestellt, die Alternativen zum Staat wollen, und das nicht
gerade mit Schusswaffen druchsetzen wollen. Demnach sind
Repressionen in diesem Zusammenhang das, was solchen Leuten nun
mal passiert, z.B. Eingriffe in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung (Abhoeren, Beschatten), Berufsverbote, explizit
oder de facto durch Muell im Fuehrungszeugnis, Festnahmen,
Polizeikessel.
Sowas gehoert fuer mich nicht zu den Einschraenkungen, die im
menschlichen Zusammenleben unvermeidbar sind.

[Ueber Alternativen zum Staat]

>Das Denkverbot wird auch nicht erteilt. "Trotzdem darf die Realisierung
>solcher Loesungen mit dieser Begruendung unterdrueckt werden."
>Diesen Satz muss ich allerdings in Anfuehrungszeichen setzen, denn mir
>ist unklar, wie diese momentan hoechst abstrakten Loesungen aussehen
>und ob ihnen derart begegnet werden kann oder soll.

Ob die Realisierung einer Alternative zum Staat unterdrueckt
werden darf, das haengt also von der Art der Alternative ab.
Welche Alternativen duerfen denn unterdrueckt werden? Alle, weil
die Menschen ja nicht ohne Staat leben koennen? Was machen wir
denn mit den Leuten, die das nun mal nicht glauben? Mehr oder
weniger dasselbe wie die Kirche mit Nichtglaeubigen im
Mittelalter?

Fragend, Jan

Ralf G. R. Bergs

unread,
Sep 2, 1992, 4:46:54 PM9/2/92
to

In article <H.iPdm...@keep.fantasy.sub.org> mi...@keep.fantasy.sub.org writes:

[...]


> >Ein Mensch kann seine Menschenrechte nicht verlieren und sie
> >koennen ihm auch nicht aberkannt werden oder sowas. Sie sind
> >unveraeusserlich. Du meinst vermutlich die "buergerlichen
> >Ehrenrechte" (oder so aehnlich heisst das, es ist schon spaet).
>
> Das Recht auf Freizuegigkeit kann ein Verbrecher verwirken.
> Das Recht auf Religionsausuebung wird glaeubigen Kannibalen aberkannt.
> Usw. [...]

Zwei wirklich SAUDUMME Beispiele... :-(((

Es ist doch wohl VOELLIG KLAR, dass meine Rechte NUR SOWEIT gehen, dass
ich keinen anderen in SEINEN Rechten beeintraechtige.

Wenn "ich" also als "glaeubiger Kannibale" einfach so durch die Strassen
schleiche, mir einen Menschen "jage" und diesen dann zu Mittag esse,
dann hat der Staat etwas dagegen und wird "meine" "Freizuegigkeit
einschraenken". Oder hast Du etwa was dagegen?


Ralf

--
I'm giving up my UUCP address by Sept. 15th, 1992

Wolfgang Schelongowski

unread,
Sep 7, 1992, 10:03:09 AM9/7/92
to
In article <1992Sep02.1...@rrz.uni-koeln.de>
k...@vax.mpiz-koeln.mpg.dbp.de writes:

...


>Es stimmt, es gibt in der Geschichte eine Menge von Faellen, wo
>Neuerungsversuche letztlich zu extrem autoritaeren Systemen
>gefuehrt haben. Aber das ist keine Grundlage fuer die Behauptung,
>dass das ein "historisches Naturgesetz" oder sowas ist, also
>unvermeidlich. Ein derartiger "wissenschaftlicher Hierarchismus"
>kommt mir genauso daneben vor wie der "wissenschaftliche
>Sozialismus".

Ob das "wissenschaftlich" ist oder nicht, interessiert mich nur am Rande.
Nur hat bis jetzt jede hierarchiefreie Gemeinschaft entweder durch
Eroberung von aussen oder den "Anarchen" von innen geendet. Jedenfalls
hast Du kein einziges Gegenbeispiel genannt, also kennst Du wohl keins.

>In <24...@mbpdo.UUCP> w...@mbpdo.UUCP (Wolfgang Schelongowski) writes:
>
>>Sehr treffend karikiert solche Ablaeufe folgendes Graffiti:

---->---->---->---->---->---->---^^^^^^^^


>>(1. Sprayer) "Was Deutschland braucht, ist die Anarchie !"
>>(2. Sprayer) "Ja, aber mit MIR als Anarchen !"

>Hmmm, fuer mich zeigt das Beispiel eher, dass da zwei Leute
>voellig unterschiedliche Auffassungen von Anarchie haben.

>den 1. Sprayer ist Anarchie die Freiheit von Fremdherrschaft
>(vermute ich mal), und fuer den 2. Sprayer ist sie
>Willkuerherrschaft.

Nein (zu dem letzten Nebensatz). Der 2. Sprayer ist ein Realist,
der weiss, wie Anarchie _endet_ !

... [Erklaerungen geloescht, die allgemein bekannt sind]

>Das Problem am Gebrauch von "Anarchie" im (Un-) Sinne von
>"Willkuerherrschaft" ist, dass er meistens dazu dient, jemandem,
>der gegen Herrschaft ist, zu unterstellen, er wolle in Wahrheit
>Willkuerherrschaft.

In _Wahrheit_ will er das schon. Ob ihm (und Dir) aber _bewusst_ ist,
wie das _endet_, wage ich zu bezweifeln.

>Darum stoert es mich auch, dass mir hier
>schon zum zweiten Mal in diesem thread "Anarchie" angehaengt
>wird, obwohl ich selbst den Begriff "Anarchie" niemals verwendet
>habe.

Hierarchiefrei ist doch anarchistisch, oder kann mich mal jemand mit
richtigen Griechischkenntnissen korrigieren ? Hast Du nur Angst
vor dem "Baader-Meinhof-Flair", der dem Wort Anarchie anhaengt ?

...


>Klar, wenn man voraussetzt, dass Hierarchien im menschlichen
>Zusammenleben unvermeidbar sind, kann man nur versuchen, ihren
>Schaden zu minimieren.

Hier noch einmal die Frage nach Gegenbeispielen von _funktionierenden_
hierarchiefreien / anarchistischen Gesellschaften. Aber bitte keine, die
1. funktioniert _haetten_, wenn nur ...
2. wohl behuetet in eine hierarchische Umgebung eingebettet waren
und dadurch beschuetzt wurden

>Aber fuer mich ist die Unumgaenglichkeit
>von Hierarchien nun mal nicht erwiesen, und solange sie nicht
>erwiesen ist, werde ich nicht aufhoeren, ein hierarchiefreies
>Miteinander anzustreben.

Bitte, niemand will Dich davon abhalten, nach_Deiner_eigenen_Fasson
zur Hoelle zu fahren. Andere Leute haben aber ihre Erfahrungen hinter
sich und wissen, wie ein "hierarchieFREIES Miteinander" endet:
Als Zerfall oder knallharte Despotie.

Uebrigens:
Ein Huhn ist ein Verfahren eines Eies, mehr Eier zu erzeugen.
Anarchie ist ein Verfahren der Hierarchie, mehr Hierarchie zu erzeugen.
(Und umgekehrt, natuerlich ;-)

Wolfgang Schelongowski

unread,
Sep 7, 1992, 10:21:34 AM9/7/92
to
In article <715466...@rabe.obb.sub.org> ra...@rabe.obb.sub.org (Ralf G. R. Bergs) writes:
$
$In article <H.iPdm...@keep.fantasy.sub.org> mi...@keep.fantasy.sub.org writes:
$ [...]
$ > Das Recht auf Freizuegigkeit kann ein Verbrecher verwirken.
$ > Das Recht auf Religionsausuebung wird glaeubigen Kannibalen aberkannt.
$ > Usw. [...]
$
$Zwei wirklich SAUDUMME Beispiele... :-(((

Die Beispiele waren auf Grund der vorhergehenden Diskussion, die Du
vielleicht nicht verfolgt hast, zur Klarstellung noetig. Und wie nett,
dass Du nicht FLAME ON geschrieben hast ;-)

...
$Wenn "ich" also als "glaeubiger Kannibale" einfach so durch die Strassen
$schleiche, mir einen Menschen "jage" und diesen dann zu Mittag esse,
$dann hat der Staat etwas dagegen ...
^^^^^

Staat ? Welcher Staat ? In einer hierarchiefreien Gesellschaft gibt
es keinen Staat ! (vgl. vorherige Postings in diesem thread von z.B.
k...@vax.mpiz-koeln.mpg.dbp.de)

Jan T. Kim

unread,
Sep 7, 1992, 2:11:35 PM9/7/92
to
In <25...@mbpdo.UUCP> w...@mbpdo.UUCP (Wolfgang Schelongowski) writes:

>Ob das "wissenschaftlich" ist oder nicht, interessiert mich nur am Rande.
>Nur hat bis jetzt jede hierarchiefreie Gemeinschaft entweder durch
>Eroberung von aussen oder den "Anarchen" von innen geendet. Jedenfalls
>hast Du kein einziges Gegenbeispiel genannt, also kennst Du wohl keins.

Zustimmung, es gibt keins. Und die "Hierarchen" sind nicht so
ganz unschuldig daran. In einen anderen Posting in diesem thread
habe ich bereits versucht darzulegen, dass eins entscheidendes
Problem der derzeitigen staatlichen hierarchischen Systeme die
aktive Unterdrueckung jeglicher Alternative ist.

>>In <24...@mbpdo.UUCP> w...@mbpdo.UUCP (Wolfgang Schelongowski) writes:
>>
>>>Sehr treffend karikiert solche Ablaeufe folgendes Graffiti:
>---->---->---->---->---->---->---^^^^^^^^
>>>(1. Sprayer) "Was Deutschland braucht, ist die Anarchie !"
>>>(2. Sprayer) "Ja, aber mit MIR als Anarchen !"

>>Fuer den 1. Sprayer ist Anarchie die Freiheit von Fremdherrschaft


>>(vermute ich mal), und fuer den 2. Sprayer ist sie
>>Willkuerherrschaft.

>Nein (zu dem letzten Nebensatz). Der 2. Sprayer ist ein Realist,
>der weiss, wie Anarchie _endet_ !

Wer, wie dem 2. Sprayer hier unterstellt wird (oder ist Wolfgang
S. etwa der 2. Sprayer :-), glaubt, dass er weiss wie Hierarchie
_zwangsweise_ endet, weil er ein paar Beispiele kennt, wo dieses
Ende tatsaechlich eingetreten ist, ist kein Realist sondern ein
Fatalist.

>>Das Problem am Gebrauch von "Anarchie" im (Un-) Sinne von
>>"Willkuerherrschaft" ist, dass er meistens dazu dient, jemandem,
>>der gegen Herrschaft ist, zu unterstellen, er wolle in Wahrheit
>>Willkuerherrschaft.

>In _Wahrheit_ will er das schon. Ob ihm (und Dir) aber _bewusst_ ist,
>wie das _endet_, wage ich zu bezweifeln.

Also Du unterstellst mir, ich wolle zwar Hierarchiefreiheit, aber
mir sei nicht klar, dass dabei Despotie oder Zerfall rauskommen
muessen? Oder unterstellst Du mir, dass ich in Wahrheit
Willkuerherrschaft wolle. Ich nehme mal an ersteres, denn
letzteres faende ich reichlich anmassend.
Dass Versuche zur Errichtung alternativer Gemeinschaftssysteme in
der Vergangenheit wiederholt gescheitert sind und man sich von
dem angestrebten Ideal oft eher entfernt hat, ist mir bekannt.
Allerdings sehe ich nicht, dass der Realismus es deshalb jetzt
gebietet, von solchen Versuchen in Zukunft abzusehen. Vielmehr
sollte man stetig versuchen, die Organisation des menschlichen
Miteinanders zu verbessern, und dabei versuchen, die Fehler und
Katastrophen der Vergangenheit zu vermeiden.
Im Zusammenhang mit der Hierarchiefrage beginnt das mit der
Einsicht, dass Hierarchie immer ungerecht ist: Der
Hoehergestellte ist nicht mit dem Untergeordneten
gleichberechtigt. Also gibt es hier was zu verbessern, indem man
Hierarchie abbaut. Allerdings sollte man da nicht naiv alles
bekaempfen, was nach Hierarchie riecht, sondern eben aus der
Geschichte lernen. Da kann man viel mehr lernen, als ich hier
jetzt schreiben kann, daher nur zwei Beispiele:
1. Revolutionen mit dem Ziel einer besseren, gerechteren
Gestaltung der menschlichen Gemeinschaft gingen oft mit
erheblicher Gewaltanwendung vonstatten. Die Gewaltbereitschaft
erklaerte sich zunaechst aus der Unzufriedenheit mit dem
herrschenden System, verselbstaendigte sich dann aber und konnte
schliesslich leicht von einem Despoten fuer seine Zwecke
instrumentalisiert werden. Wenn man also eine Veraenderung strikt
mit friedlichen Mitteln anstrebt, duerfte die Gefahr, dass die
Veraenderung letztlich zu einer Despotie fuehrt, erheblich
verringert sein.
2. In der ehemaligen Sowjetunion wird derzeit ein altes System
demontiert. Und obwohl das alte System weiss Gott nicht toll war,
wird es jetzt erstmal erheblich schlimmer (und schon redet jeder
ueber die "Anarchie", die sich in der SU breitmacht, voellig
faelschlicherweise). Einer der Gruende dafuer ist, dass beim
Abbau der alten Strukturen nicht ausreichend beruecksichtigt
wird, dass sie u.a. auch Versorgungsfunktion haben oder sonstwas
Sinnvolles "nebenbei" tun. Folgerung: Hierarchische Strukturen
sollten nicht einfach bekaempft werden, sondern dies muss mit der
gleichzeitigen Errichtung nichthierarchischer Strukuren
einhergehen, die die sinnvollen Aspekte der hierarchischen
Strukturen erhalten und fortfuehren.

>>Darum stoert es mich auch, dass mir hier
>>schon zum zweiten Mal in diesem thread "Anarchie" angehaengt
>>wird, obwohl ich selbst den Begriff "Anarchie" niemals verwendet
>>habe.

>Hierarchiefrei ist doch anarchistisch, oder kann mich mal jemand mit
>richtigen Griechischkenntnissen korrigieren ? Hast Du nur Angst
>vor dem "Baader-Meinhof-Flair", der dem Wort Anarchie anhaengt ?

Nicht dass ich griechisch koennte, aber meine Fachwort-
Pseudobildung sagt mir: Das Praefix "an" bedeutet "nicht-",
"Archie" bedeutet "Herrschaft". Was mir dabei fehlt, ist das Wort
"fremd-" (weiss jemand, wie das auf griechisch heisst?), denn ich
bin gegen Fremdherrschaft. Diese ist in einer Hierarchie
unvermeidbar, denn Hierarchie ist ja ein System aus Herrschern
und Beherrschten auf vielen Ebenen.
Natuerlich will ich mich auch vom "Baader-Meinhof-Flair"
abgrenzen, z.B. weil ich strikt fuer Gewaltlosigkeit bin, aus
Gruenden, die ich oben dargelegt habe.
Also nochmals: Wenn schon -Archie, dann bin ich fuer Autarchie,
also Selbstherrshaft.

>...
>>Klar, wenn man voraussetzt, dass Hierarchien im menschlichen
>>Zusammenleben unvermeidbar sind, kann man nur versuchen, ihren
>>Schaden zu minimieren.

>Hier noch einmal die Frage nach Gegenbeispielen von _funktionierenden_
>hierarchiefreien / anarchistischen Gesellschaften. Aber bitte keine, die
> 1. funktioniert _haetten_, wenn nur ...
> 2. wohl behuetet in eine hierarchische Umgebung eingebettet waren
> und dadurch beschuetzt wurden

#Ironie ON
Aus Gespraechen in praehistorischen Zeiten: "Nur die Goetter
koennen Feuer anmachen. Menschen duerfen und koennen das nicht,
sonst fahren sie zur Hoelle. Also nochmals die Frage nach
Beispielen, wo Menschen Feuer angemacht haben."
#Ironie OFF

Wie bereits gesagt, es gibt diese Beispiele nicht. Aber die
Ungerechtigkeit, die hierarchischen Strukturen immanent ist, ist
Anlass genug, weiter nach Alternativen zu suchen.

>>Aber fuer mich ist die Unumgaenglichkeit
>>von Hierarchien nun mal nicht erwiesen, und solange sie nicht
>>erwiesen ist, werde ich nicht aufhoeren, ein hierarchiefreies
>>Miteinander anzustreben.

>Bitte, niemand will Dich davon abhalten, nach_Deiner_eigenen_Fasson
>zur Hoelle zu fahren. Andere Leute haben aber ihre Erfahrungen hinter
>sich und wissen, wie ein "hierarchieFREIES Miteinander" endet:
>Als Zerfall oder knallharte Despotie.

Ebenso will Dich niemand daran hindern, nach Deiner eigenen
Fasson in hierarchischen Strukturen zu leben. Aber andere Leute
wissen aufgrund ihrer Erfahrungen, dass Hierarchie
gleichbedeutend mit Ungerechtigkeit ist. Und dass man schon jetzt
in der Hoelle lebt, wenn man aufhoert, nach gerechteren
Alternativen zu suchen.

>Uebrigens:
>Ein Huhn ist ein Verfahren eines Eies, mehr Eier zu erzeugen.
>Anarchie ist ein Verfahren der Hierarchie, mehr Hierarchie zu erzeugen.
>(Und umgekehrt, natuerlich ;-)

Also wie:
Hierarchie ist das Verfahren der Hierarchiefreiheit, mehr
Hierarchiefreiheit zu erzeugen?

Jan T. Kim

unread,
Sep 6, 1992, 6:30:32 PM9/6/92
to
In <H._man...@keep.fantasy.sub.org> mi...@keep.fantasy.sub.org (Michael Jung) writes:

>In <1992Sep02.2...@rrz.uni-koeln.de>, Jan T. Kim writes:


>>In <H.iPdm...@keep.fantasy.sub.org> mi...@keep.fantasy.sub.org (Michael Jung) writes:
>>>In der Tat ist der Erhalt des Staates kein Selbstzweck. Der Erhalt der
>>>Natur ist ebenfalls kein Selbstzweck. Da der Mensch aber ohne Natur
>>>kaum leben kann, was, wie ich sagen wuerde, ebenfalls vom Staat gilt,
>>>muss sie erhalten werden. Hier sind nicht die verschiedenen Zwecke
>>>von Natur und Staat zu verwechseln, Selbstzwecke sind jedoch beide
>>>nicht.

>>Die Natur ist Lebensgrundlage fuer die Menschen, ohne Zweifel.
>>Und der Staat ist ebenso Lebensgrundlage fuer die Menschen ??!
>>Also da komme ich beim besten Willen nicht mehr mit.

>Es ging um den Selbstzweck, nicht um die Lebensgrundlage.

Der Staat soll doch, nach Deinen Ausfuehrungen, deshalb erhalten
werden, weil er fuer das Leben der Menschen aehnlich unabdingbar
ist wie eine halbwegs unverseuchte Natur. Wofuer ich eine
halbwegs unverseuchte Natur zum Leben brauche, ist mir
einigermassen klar, wozu ich zum Leben einen Staat brauche, ist
mir dagegen voellig unklar. Wenn ich das, was mir persoenlich von
seiten des Staates widerfahren ist, gegeneinander aufwiege,
ueberwiegen die Nachteile deutlich. Erschwerend kommt noch hinzu,
dass das viele "staatliche Leistungen", die ich als sinnvoll
ansehe, auch ohne den Staat genauso moeglich waeren.

>>>>Und weiterhin muss der Schutz menschlichen Lebens nicht

>>>>notwendigerweise mittels Repressionen erfolgen, [...]


>>>Von Notwendigkeit hat auch niemand gesprochen, es ging um die prin-
>>>zipielle Verwerflichkeit.

>>Beides haengt eng miteinander zusammen, jedenfalls wenn man
>>voraussetzt, dass Repressionen nicht per se was Gutes oder
>>Erstrebenswertes sind, sondern dass man sie nach Moeglichkeit
>>vermeiden sollte. Unter dieser Voraussetzung kann man dann alle
>>nicht notwendigen Repressionen als verwerflich ansehen. Danach
>>sind Repressionen zum Schutz menschlichen Lebens verwerflich,
>>wenn dieses Ziel mit anderen Mitteln erreicht werden kann und sie
>>damit nicht notwendig sind.

>Ich sehe hier keinen Zusammenhang. Es bleibt dabei: Repressionen sind
>zwar nicht notwendig, aber auch nicht prinzipiell verwerflich.

Aber die nicht notwendigen sind prinzipiell verwerflich.

>>[...] Wenn 80% der Einwohner von Deutschland in einem Staat


>>wie er jetzt ist leben wollen dann soll sie daran niemand
>>hindern, aber sie sollen auch die 20%, die das nicht wollen,
>>daran hindern, ihre Vorstellungen zu verwirklichen.

>"Doch, weil diese 20% die anderen 80% zwangslaeufig in Mitleidenschaft
>ziehen werden. Sie selber werden auch effektiv nicht besser dastehen."

Ob die 20% "effektiv besser dastehen" (nach der Loesung von den
80%), das wird man wohl dem Urteil der 20% ueberlassen muessen.
Klar, wenn es wirklich der authentische Willen der 80% ist, in
einem Staat zu leben, dann kann man wohl vermuten, dass die sich
gluecklicher schaetzen werden als die 20%, die sich vom Staat
geloest haben. Das hindert aber die 20% nicht daran, das anders
zu sehen. Und insbesondere erwaechst daraus den 80% kein Recht,
die 20% mittels Repressionen "wieder auf den rechten Pfad" zu
bringen.
Und dass die Abloesung der 20% von den 80% die 80% zwangslaeufig
in Mitleidenschaft zieht, ist nun wirklich keine ausgemachte
Sache.

>Auch hier wieder in Anfehrungszeichen, da ich mich im Moment ja im
>Schattenboxen uebe:-)

Ich habe es in diesen thread bewusst vermieden, die Alternativen,
die fuer mich in Frage interessant waeren, konkret zu benennen.
Es geht mir naemlich nicht darum, fuer eine bestimmte Alternative
zu plaedieren. Gegenstand meiner Kritik ist vielmehr, dass der
Staat in seiner heutigen Form fuer Alternativen generell icht
offen ist, sondern sie mit Repressionen verhindert. Dazu hat er
m.E. ethisch kein Recht.
Wenn jemand meint, das Leben in einem Staat sei fuer ihn das
Richtige, das Beste und das Wahre, dann hat er
selbstverstaendlich das Recht, mit Gleichgesinnten in einen Staat
zu bilden. Er hat aber kein Recht, Andersdenkende zu diesem
zweifelhaften Glueck zu zwingen. Ob die Andersdenkenden eine
Minderheit sind, spielt dabei ueberhaupt keine Rolle. Die
Mehrheit muss in diesem Fall halt ohne die Minderheit einen Staat
bilden. Und wenn die Mehrheit schrumpft, weil die vom Staat
Benachteiligten dauernd Richtung Minderheit abbroeckeln, dann ist
der Staat halt doch nicht so toll gewesen.

>Eine Alternative, die unterdrueckt werden darf: Die eigenmaechtige
>Abspaltung eines Teiles des Staats von diesem bis jener als Staat
>anerkannt ist.

Und warum darf diese Alternative unterdrueckt werden? Diese
Konstruktion hat einen kardinalen Fehler, denn es gibt kein von
beiden beteiligten Parteien unabhaengiges Kriterium, ob die
Abspaltung anerkannt wird oder nicht. Vielmehr hat der Staat
dabei ein einseitiges Recht, ueber die Anerkennung und damit die
"Rechtmaessigkeit" der Abspaltung zu entscheiden. Mit Ethik hat
das fuer mich nichts mehr zu tun.
Ethisch ist fuer mich, dass im Falle einer Abspaltung keine Seite
zum Gebrauch von Gewalt (Repressionen) mit dem Ziel der
Verhinderung der Abspaltung berechtigt ist. Beide Seiten haben
die freie Entscheidung der jeweils Andersdenkenden zu
respektieren und auch Nachteile, die aus dem Wegfall der
ausscheidenden Menschen und aus der Spaltung an sich resultieren,
hinzunehmen.
Meine o.g. Kritik an der Art des Staates, mit Menschen, die eine
andere Alternative wollen, umzugehen, heisst in diesem Sinne
konkret: Es gibt kein Verfahren, nach dem sich Menschen
"geordnet" und anhand gerechter, unabhaengiger Kriterien vom
Staat loesen koennen.

>Eine Alternative, die nicht unterdrueckt werden darf: Die Selbst-
>aufloesung des Staates durch seine immanenten Mittel.

Ein Silberstreifen am Horizont? Diese "immanenten Mittel" gibt es
zwar meines Wissens derzeit nicht, aber sie koennten immerhin
durch die derzeitigen immanenten Mittel geschaffen weren.

Greetinx, Jan

Michael Jung

unread,
Sep 5, 1992, 6:18:50 AM9/5/92
to
In <1992Sep02.2...@rrz.uni-koeln.de>, Jan T. Kim writes:

>In <H.iPdm...@keep.fantasy.sub.org> mi...@keep.fantasy.sub.org (Michael Jung) writes:
>>In der Tat ist der Erhalt des Staates kein Selbstzweck. Der Erhalt der
>>Natur ist ebenfalls kein Selbstzweck. Da der Mensch aber ohne Natur
>>kaum leben kann, was, wie ich sagen wuerde, ebenfalls vom Staat gilt,
>>muss sie erhalten werden. Hier sind nicht die verschiedenen Zwecke
>>von Natur und Staat zu verwechseln, Selbstzwecke sind jedoch beide
>>nicht.
>Die Natur ist Lebensgrundlage fuer die Menschen, ohne Zweifel.
>Und der Staat ist ebenso Lebensgrundlage fuer die Menschen ??!
>Also da komme ich beim besten Willen nicht mehr mit.

Es ging um den Selbstzweck, nicht um die Lebensgrundlage.

>Dass "der Mensch kaum ohne Staat leben kann" ist, vermute ich


>mal, so gemeint, dass es fuer die Organisation des menschlichen
>Zusammenlebens keine reelle Alternative zum Staat gibt. Aber eine
>solche Behauptung muss mit handfesten Argumenten belegt werden,
>eine fragliche Analogie reicht da nicht.

Handfeste Argumente koennen nur gegen handfeste Alternativen ange-
bracht werden. Gegen die "Menge" aller Alternativen ist es schwer
bis unmoeglich vorzugehen. Ehrlich gesagt, traue ich es mir auch
nicht zu.

>>>Und weiterhin muss der Schutz menschlichen Lebens nicht

>>>notwendigerweise mittels Repressionen erfolgen, [...]


>>Von Notwendigkeit hat auch niemand gesprochen, es ging um die prin-
>>zipielle Verwerflichkeit.

>Beides haengt eng miteinander zusammen, jedenfalls wenn man
>voraussetzt, dass Repressionen nicht per se was Gutes oder
>Erstrebenswertes sind, sondern dass man sie nach Moeglichkeit
>vermeiden sollte. Unter dieser Voraussetzung kann man dann alle
>nicht notwendigen Repressionen als verwerflich ansehen. Danach
>sind Repressionen zum Schutz menschlichen Lebens verwerflich,
>wenn dieses Ziel mit anderen Mitteln erreicht werden kann und sie
>damit nicht notwendig sind.

Ich sehe hier keinen Zusammenhang. Es bleibt dabei: Repressionen sind


zwar nicht notwendig, aber auch nicht prinzipiell verwerflich.

>>Das ist natuerlich schwer zu beurteilen. Wer soll ueberhaupt ent-


>>scheiden, ob die neuen Vorstellungen(!) den Staat wert sind?

>Diese Entscheidung muss jedem Menschen individuell offenstehen.


>Das ist ja gerade mein Hauptkritikpunkt an unserem und anderen
>Staaten. Wenn 80% der Einwohner von Deutschland in einem Staat
>wie er jetzt ist leben wollen dann soll sie daran niemand
>hindern, aber sie sollen auch die 20%, die das nicht wollen,
>daran hindern, ihre Vorstellungen zu verwirklichen.

"Doch, weil diese 20% die anderen 80% zwangslaeufig in Mitleidenschaft


ziehen werden. Sie selber werden auch effektiv nicht besser dastehen."

Auch hier wieder in Anfehrungszeichen, da ich mich im Moment ja im
Schattenboxen uebe:-)

>Ok, der Begriff der Repression ist tatsaechlich ziemlich schlecht


>definiert in diesem thread. Das, was mir bei "Repressionen" im
>Zusammenhang dieses threads im Hinterkopf rumgeistert leitet sich
>von den Urspruengen dieses threads her. Da schrieb Michael Jung
>(ziemlich woertlich): "Wer sich als Gegner des Staates
>bezeichnet, muss mit Repressionen rechnen.". Das habe ich als
>ethisch nicht zu rechtfertigenden Umgang mit "Staatsgegnern"
>bezeichnet, so kam es zum Wechsel zum derzeitigen Subject.
>Aufgrund des Kontexts, der mir jetzt nicht mehr genau einfaellt,
>habe ich mir damals unter "Gegnern des Staates" Leute
>vorgestellt, die Alternativen zum Staat wollen, und das nicht
>gerade mit Schusswaffen druchsetzen wollen. Demnach sind
>Repressionen in diesem Zusammenhang das, was solchen Leuten nun
>mal passiert, z.B. Eingriffe in das Recht auf informationelle
>Selbstbestimmung (Abhoeren, Beschatten), Berufsverbote, explizit
>oder de facto durch Muell im Fuehrungszeugnis, Festnahmen,
>Polizeikessel.
>Sowas gehoert fuer mich nicht zu den Einschraenkungen, die im
>menschlichen Zusammenleben unvermeidbar sind.

Die Frage ist, welche Mittel die Gegner des Staates waehlen. Dann
erst kann man die Angemessenheit von staatlichen Repressionen er-
messen. Repression ist natuerlich ein schlechtes Wort, da es mit
einer negativen Stimmung belastet ist. Aber als Beispiel hatte ich
schon das Beamtenrecht angefuehrt. Beamte werden auf das Grundge-
setz eingeschworen, meiner Meinung nach zu Recht.

>>[...]


>Ob die Realisierung einer Alternative zum Staat unterdrueckt
>werden darf, das haengt also von der Art der Alternative ab.

Genau!

>Welche Alternativen duerfen denn unterdrueckt werden? Alle, weil
>die Menschen ja nicht ohne Staat leben koennen? Was machen wir
>denn mit den Leuten, die das nun mal nicht glauben? Mehr oder
>weniger dasselbe wie die Kirche mit Nichtglaeubigen im
>Mittelalter?

Eine Alternative, die unterdrueckt werden darf: Die eigenmaechtige


Abspaltung eines Teiles des Staats von diesem bis jener als Staat
anerkannt ist.

Eine Alternative, die nicht unterdrueckt werden darf: Die Selbst-
aufloesung des Staates durch seine immanenten Mittel.

Schoene Gruesse,
Michael

Wolfgang Schelongowski

unread,
Sep 9, 1992, 9:58:43 AM9/9/92
to
In article <1992Sep06.2...@rrz.uni-koeln.de>
k...@vax.mpiz-koeln.mpg.dbp.de writes:
...

>ist wie eine halbwegs unverseuchte Natur. Wofuer ich eine
>halbwegs unverseuchte Natur zum Leben brauche, ist mir
>einigermassen klar, wozu ich zum Leben einen Staat brauche, ist
>mir dagegen voellig unklar.

Ein Gedankenexperiment: Wir schaffen also den Staat ab. Die Polizei
greift in so einem Fall wie Rostock nicht viel zu spaet ein, sondern
GAR NICHT. Solche Leute wie die Skinheads sind aber immer noch da.
WAS GESCHIEHT DANN ?

Ist Dir jetzt etwas klarer geworden ? Oder wirst Du erst dann schlauer,
wenn z.B. Skins _Dich_ umgebracht haben ?

Jan T. Kim

unread,
Sep 9, 1992, 1:10:35 PM9/9/92
to
In <25...@mbpdo.UUCP> w...@mbpdo.UUCP (Wolfgang Schelongowski) writes:

>Ein Gedankenexperiment: Wir schaffen also den Staat ab. Die Polizei
>greift in so einem Fall wie Rostock nicht viel zu spaet ein, sondern
>GAR NICHT. Solche Leute wie die Skinheads sind aber immer noch da.
>WAS GESCHIEHT DANN ?

Vielleicht hat sich dieses Posting mit einem meiner letzten
ueberkreuzt... ich kann mich jedenfalls erinnern, mich schon mal
relativ ausgiebig zu "Gedankenexperimenten" dieser Sorte
geaeussert zu haben. Kurz: Das planlose Abbauen irgendwelcher
Strukturen ist nie eine gute Idee, egal wie uebel die Strukturen
als solche sein moegen. Der Abbau muss immer konstruktiv
erfolgen, also vom gleichzeitigen Aufbau besserer Strukturen
begleitet werden.
Ohne hierarchische Strukturen waere es nie zu Rostock gekommen
(trivial aber wahr). Und es gibt auch jetzt sinnvollere
Moeglichkeiten, mit aggressiven Menschen umzugehen als
Gegenaggression. Die Gegengewalt ist ungefahr so gut wie der
beruehmte Schnaps gegen Alkoholismus (oder Heroin/Methadon gegen
Heroinsucht, als aktuellere Parallele): Man kann damit zwar
kurzfristig Symptome des Problems beheben, aber auf die lange
Sicht muss man von dem Zeug/der Gewalt und Hierarchie weg, um
eine Chance zum Fuehren eines freien, selbstbestimmten, halbwegs
sinnvollen und menschenwuerdigen Lebens zu haben.
Phantasieloser und unkonstruktiver Einsatz von Gewalt gegen
Gewalt hat in der Geschichte noch nie zu einem vernuenftigen
Ergebnis gefuehrt. Und auch in Sachen Rechtsradikalismus wird das
nichts bringen -- ebensowenig wie noch mehr (buerokratische)
Gewalt gegen Asylbewerber irgendein Problem loesen wird.

>Ist Dir jetzt etwas klarer geworden ? Oder wirst Du erst dann schlauer,
>wenn z.B. Skins _Dich_ umgebracht haben ?

Wenn die Skins mich umgebracht haben bin ich bestimmt nicht
schlauer, denn dann bin ich gar nicht mehr >:-/ ... und ausserdem
habe ich mich an der Diskussion um Rostock hier beteiligt und ich
kann mich nicht entsinnen, fuer ein ungehindertes Gewaehrenlassen
der Skins plaediert zu haben.

Uebrigens: Das Huhn ist das Verfahren eines Eies, mehr Eier zu
erzeugen. Die Polizei ist das Verfahren der Skinheads, mehr
Skinheads zu erzeugen.

Wolfgang Schelongowski

unread,
Sep 10, 1992, 8:36:04 AM9/10/92
to
In article <1992Sep07.1...@rrz.uni-koeln.de>
k...@vax.mpiz-koeln.mpg.dbp.de writes:
)In <25...@mbpdo.UUCP> w...@mbpdo.UUCP (Wolfgang Schelongowski) writes:
...
)>Uebrigens:
)>Ein Huhn ist ein Verfahren eines Eies, mehr Eier zu erzeugen.
)>Anarchie ist ein Verfahren der Hierarchie, mehr Hierarchie zu erzeugen.
)>(Und umgekehrt, natuerlich ;-)
)
)Also wie:
)Hierarchie ist das Verfahren der Hierarchiefreiheit, mehr
)Hierarchiefreiheit zu erzeugen?

Ja, so absurd es sich fuer Dich sicher anhoert. Arbeite eine Zeitlang
bei einem grossen Unternehmen (Bundeswehr tut's auch) und Du wirst es
funktionieren sehen. Das Wort SNAFU, das sich genau darauf bezieht,
ist in der amerikanischen Armee entstanden. Nein, eine Erklaerung /
Buecher helfen hier nicht, die eigene Erfahrung muss zuerst kommen.

Jan T. Kim

unread,
Sep 10, 1992, 1:35:07 PM9/10/92
to
In <25...@mbpdo.UUCP> w...@mbpdo.UUCP (Wolfgang Schelongowski) writes:

>In article <1992Sep07.1...@rrz.uni-koeln.de>
> k...@vax.mpiz-koeln.mpg.dbp.de writes:
>)In <25...@mbpdo.UUCP> w...@mbpdo.UUCP (Wolfgang Schelongowski) writes:
>...
>)>Uebrigens:
>)>Ein Huhn ist ein Verfahren eines Eies, mehr Eier zu erzeugen.
>)>Anarchie ist ein Verfahren der Hierarchie, mehr Hierarchie zu erzeugen.
>)>(Und umgekehrt, natuerlich ;-)
>)
>)Also wie:
>)Hierarchie ist das Verfahren der Hierarchiefreiheit, mehr
>)Hierarchiefreiheit zu erzeugen?

>Ja, so absurd es sich fuer Dich sicher anhoert. Arbeite eine Zeitlang
>bei einem grossen Unternehmen (Bundeswehr tut's auch) und Du wirst es
>funktionieren sehen. Das Wort SNAFU, das sich genau darauf bezieht,
>ist in der amerikanischen Armee entstanden. Nein, eine Erklaerung /
>Buecher helfen hier nicht, die eigene Erfahrung muss zuerst kommen.

Kann mir erstmal jemand sagen, was "SNAFU" ist? Und koenntest Du
die Mechanismen, wie Deiner Erfahrung nach Hierarchiefreiheit
durch Hierarchie erzeugt wird, mal wenigsten in Umrissen
schildern? Behauptungen dieser Art sind mir seit Schulzeiten oft
genug untergekommen. Die Begruendungen, die mir dafuer zu Ohren
gekommen sind, reichten von der banalen Erkenntnis, dass
Hierarchie unter den Leuten auf der untersten Ebene Solidaritaet
schaffen kann, wenn sie einsehen, dass sie alle gleich beschissen
(sorry) werden, bis hart an die Grenze haarstraeubender "Arbeit
macht frei"-Theorien.
Mir hat bisher noch niemand einleuchtend darlegen koennen, wieso
ich freier und gleichberechtigter wird, indem man andere staerker
unterdrueckt oder sich mehr unterdruecken laesst.

Michael Jung

unread,
Oct 2, 1992, 9:23:57 AM10/2/92
to

Der Staat soll doch, nach Deinen Ausfuehrungen, deshalb erhalten
werden, weil er fuer das Leben der Menschen aehnlich unabdingbar
ist wie eine halbwegs unverseuchte Natur. Wofuer ich eine
halbwegs unverseuchte Natur zum Leben brauche, ist mir
einigermassen klar, wozu ich zum Leben einen Staat brauche, ist
mir dagegen voellig unklar. Wenn ich das, was mir persoenlich von
seiten des Staates widerfahren ist, gegeneinander aufwiege,
ueberwiegen die Nachteile deutlich. Erschwerend kommt noch hinzu,
dass das viele "staatliche Leistungen", die ich als sinnvoll
ansehe, auch ohne den Staat genauso moeglich waeren.

Da kommen wir der Sache vielleicht naeher, ich sehe naemlich keine Moeg-
lichkeit, ohne Staat in akzeptabler Weise diejenigen Leistungen weiter-
zubehalten, die der Staat bisher erbringt.

>>[...] Wenn 80% der Einwohner von Deutschland in einem Staat
>>wie er jetzt ist leben wollen dann soll sie daran niemand
>>hindern, aber sie sollen auch die 20%, die das nicht wollen,
>>daran hindern, ihre Vorstellungen zu verwirklichen.
>"Doch, weil diese 20% die anderen 80% zwangslaeufig in Mitleidenschaft
>ziehen werden. Sie selber werden auch effektiv nicht besser dastehen."
Ob die 20% "effektiv besser dastehen" (nach der Loesung von den
80%), das wird man wohl dem Urteil der 20% ueberlassen muessen.
Klar, wenn es wirklich der authentische Willen der 80% ist, in
einem Staat zu leben, dann kann man wohl vermuten, dass die sich
gluecklicher schaetzen werden als die 20%, die sich vom Staat
geloest haben. Das hindert aber die 20% nicht daran, das anders
zu sehen. Und insbesondere erwaechst daraus den 80% kein Recht,
die 20% mittels Repressionen "wieder auf den rechten Pfad" zu

bringen...

Ich denke, die 80% haben ein Recht, den 20% etwas zu gebieten (im bis-
herigen Sinne). Alleine dadurch, dass Rechte der 80% durch die 20% ver-
letzt werden, kommt es dazu. Sind in einer Gruppe von 10 Leuten zwei der
Meinung, sie koennten den anderen auf die Fuesse treten, duerfen die
anderen sich dagegen zur Wehr setzen.

... Und dass die Abloesung der 20% von den 80% die 80% zwangslaeufig


in Mitleidenschaft zieht, ist nun wirklich keine ausgemachte
Sache.

Deshalb - unter Anderem - die die Anfuehrungszeichen.

>Auch hier wieder in Anfehrungszeichen, da ich mich im Moment ja im
>Schattenboxen uebe:-)

Ich habe es in diesen thread bewusst vermieden, die Alternativen,
die fuer mich in Frage interessant waeren, konkret zu benennen.
Es geht mir naemlich nicht darum, fuer eine bestimmte Alternative
zu plaedieren. Gegenstand meiner Kritik ist vielmehr, dass der
Staat in seiner heutigen Form fuer Alternativen generell icht
offen ist, sondern sie mit Repressionen verhindert. Dazu hat er
m.E. ethisch kein Recht.

Das liegt vielleicht daran, dass die Alternativen zum einen diffus oder
nicht gangbar sind und zum anderen versucht wird, mit den falschen Mitteln
zu arbeiten. Auch ich argumentiere prinzipiell gegen Alternativen, ohne
sie zu kennen. Auf einer anderen Ebene geschieht hier das gleiche.

>Eine Alternative, die unterdrueckt werden darf: Die eigenmaechtige
>Abspaltung eines Teiles des Staats von diesem bis jener als Staat
>anerkannt ist.

Und warum darf diese Alternative unterdrueckt werden? Diese
Konstruktion hat einen kardinalen Fehler, denn es gibt kein von
beiden beteiligten Parteien unabhaengiges Kriterium, ob die
Abspaltung anerkannt wird oder nicht. Vielmehr hat der Staat
dabei ein einseitiges Recht, ueber die Anerkennung und damit die
"Rechtmaessigkeit" der Abspaltung zu entscheiden. Mit Ethik hat
das fuer mich nichts mehr zu tun.

In der Politik gibt es nie von Beteiligten unabhaengige Kriterien. Sie
sind immer einem Standpunkt zuzuordnen. Das ist aber keine "kardinaler
Fehler". Uebrigens sind Rechte i.d.R immer einseitig.

Ethisch ist fuer mich, dass im Falle einer Abspaltung keine Seite
zum Gebrauch von Gewalt (Repressionen) mit dem Ziel der
Verhinderung der Abspaltung berechtigt ist. Beide Seiten haben
die freie Entscheidung der jeweils Andersdenkenden zu
respektieren und auch Nachteile, die aus dem Wegfall der
ausscheidenden Menschen und aus der Spaltung an sich resultieren,
hinzunehmen.

Gewalt ist sehr dehnbar. Waere eine Mauer und Transitverbot um ein
eigenstaendiges Berlin eine Gewaltanwendung, die dem umgebenden Staat
nicht gestattet ist? Ansonsten halte ich das "Hinnehmen der Nachteile
durch die freie Entscheidung" ziemlich blauaeugig. Was ist mit den
ganzen Sezessionsbewegungen in ganz Europa von Nordirland bis zur
Tuerkei? Ist es ueberhaupt moeglich, sie alle zu akzeptieren? Ich denke
nein.

Meine o.g. Kritik an der Art des Staates, mit Menschen, die eine
andere Alternative wollen, umzugehen, heisst in diesem Sinne
konkret: Es gibt kein Verfahren, nach dem sich Menschen
"geordnet" und anhand gerechter, unabhaengiger Kriterien vom
Staat loesen koennen.

Falsch, siehe unten.

>Eine Alternative, die nicht unterdrueckt werden darf: Die Selbst-
>aufloesung des Staates durch seine immanenten Mittel.

Ein Silberstreifen am Horizont? Diese "immanenten Mittel" gibt es
zwar meines Wissens derzeit nicht, aber sie koennten immerhin
durch die derzeitigen immanenten Mittel geschaffen weren.

Genau.

Schoene Gruesse,
Michael

Jan T. Kim

unread,
Oct 5, 1992, 2:32:22 PM10/5/92
to

>In article <1992Sep06.2...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) writes:

> Der Staat soll doch, nach Deinen Ausfuehrungen, deshalb erhalten
> werden, weil er fuer das Leben der Menschen aehnlich unabdingbar
> ist wie eine halbwegs unverseuchte Natur. Wofuer ich eine
> halbwegs unverseuchte Natur zum Leben brauche, ist mir
> einigermassen klar, wozu ich zum Leben einen Staat brauche, ist
> mir dagegen voellig unklar. Wenn ich das, was mir persoenlich von
> seiten des Staates widerfahren ist, gegeneinander aufwiege,
> ueberwiegen die Nachteile deutlich. Erschwerend kommt noch hinzu,
> dass das viele "staatliche Leistungen", die ich als sinnvoll
> ansehe, auch ohne den Staat genauso moeglich waeren.

>Da kommen wir der Sache vielleicht naeher, ich sehe naemlich keine Moeg-
>lichkeit, ohne Staat in akzeptabler Weise diejenigen Leistungen weiter-
>zubehalten, die der Staat bisher erbringt.

Um das vielleicht mal etwas konkreter zu machen: Ich sehe nicht,
weshalb die m.o.w. sinnvollen "staatlichen Leistungen" mit den
m.E. schwer ertraeglichen Uebeln untrennbar verbunden sein
sollen. Zum Beispiel halte ich den Unterhalt eines
Verkehrswegenetzes fuer eine prinzipiell sinvolle "staatliche
Leistung" (insbesondere wenn das mal vernuenftig und nicht nach
Krause-Art gemacht wuerde...). Auch ein allgemeines Schulwesen
halte ich fuer sinnvoll. Aber um diese Dinge zu gewaehrleisten
braucht man keinen Staat mit Meldeunwesen, Polizei,
Verfassungsschutz, Bundeswehr, Regierung, Behoerdenwasserkopf
usw.usf.
Fuer einen Anteil der geneigten Leserschaft von d.s.p. mag
folgender Vergleich anschaulich sein: Wenn man in einem Institut
arbeitet, dessen Arbeit man fuer sinnvoll haelt, heisst das noch
lange nicht, dass man was fuer die Verwaltung dieses Instituts
uebrig haben muss. In vielen Faellen behindert die Verwaltung die
Arbeit in einem Institut viel mehr als sie zu unterstuetzen, und
sollte daher gesundgeschrumpft oder abgeschafft werden.

[...]

>Ich denke, die 80% haben ein Recht, den 20% etwas zu gebieten (im bis-
>herigen Sinne).

So? Wie sieht denn die *ethische* Herleitung fuer ein solches
Recht aus? Ich meine, dass *niemand* ein Recht haben kann, jemand
anderem irgendwas zu "gebieten". Die blosse Tatsache, dass man
eine Mehrheit hinter sich bringen konnte, kommt auf keinen Fall
als Begruendung duer ein Recht, der Minderheit zu gebieten, in
Frage.

>Alleine dadurch, dass Rechte der 80% durch die 20% ver-
>letzt werden, kommt es dazu. Sind in einer Gruppe von 10 Leuten zwei der
>Meinung, sie koennten den anderen auf die Fuesse treten, duerfen die
>anderen sich dagegen zur Wehr setzen.

Dieser Vergleich hinkt doch arg (infolge von Tritten auf die
Fuesse? ;-). Der Vergleich waere angebracht, wenn die 20% die 80%
dabei stoeren wuerden, in dem von letzteren gewollten Staat zu
leben. Tatsaechlich ist es aber eher so, dass die 80% die 20%
daran hindern, in dem von diesen gewollten "Nicht-Staat" zu
leben. Wenn diese 20% sich nun dagegen wehren und dabei den Staat
der 80% beeintraechtigen, ist das eindeutig die Schuld der 80%.
Wer jemanden einsperrt, kann sich nicht auch noch darueber
beklagen, dass der Eingesperrte ausbrechen will.

> ... Und dass die Abloesung der 20% von den 80% die 80% zwangslaeufig
> in Mitleidenschaft zieht, ist nun wirklich keine ausgemachte
> Sache.

>Deshalb - unter Anderem - die die Anfuehrungszeichen.

Also mal angenommen, die Abloesung der 20% vom Staat der 80%
beeintraechtigt die 80% in keiner Weise. Duerfen die 80% dann
immer noch die 20% am Aufbruch hindern?

> >Auch hier wieder in Anfehrungszeichen, da ich mich im Moment ja im
> >Schattenboxen uebe:-)

> Ich habe es in diesen thread bewusst vermieden, die Alternativen,
> die fuer mich in Frage interessant waeren, konkret zu benennen.
> Es geht mir naemlich nicht darum, fuer eine bestimmte Alternative
> zu plaedieren. Gegenstand meiner Kritik ist vielmehr, dass der
> Staat in seiner heutigen Form fuer Alternativen generell icht
> offen ist, sondern sie mit Repressionen verhindert. Dazu hat er
> m.E. ethisch kein Recht.

>Das liegt vielleicht daran, dass die Alternativen zum einen diffus oder
>nicht gangbar sind und zum anderen versucht wird, mit den falschen Mitteln
>zu arbeiten.

Koennte das vielleicht daran liegen, dass nach der Definition des
Staates gar keine "richtigen Mittel" verfuegbar sind?

>Auch ich argumentiere prinzipiell gegen Alternativen, ohne
>sie zu kennen. Auf einer anderen Ebene geschieht hier das gleiche.

Bei Deiner Argumentation gegen Alternativen gehst Du regelmaessig
davon aus, dass diese den Staat, und damit die in diesem
verbleibenden "Nicht-Alternativler" in unzumutbarer und ethisch
nicht vertretbarer Weise belasten (s.o.). Solche Alternativen
sind zwar durchaus denkbar (z.B. Kolonialisierung durch einen
anderen Staat), aber es sollte doch hinlaenglich klar geworden
sein, dass ich sowas nicht als ethisch tragbare "Alternative"
ansehe.
Fuer mich ist die relevante Frage in diesem Zusammenhang: Darf
der Staat den Versuch, eine nichtstaatliches, nichthierarchisches
menschliches Miteinander aufzubauen, mit Repressionen verhindern,
auch wenn die alternative Organisation zu einer friedlichen oder
partnerschaftlichen Koexistenz mit dem Staat bereit ist?
Ich sehe nicht, wie man eine ethische Rechtfertigung fuer den
Staat zum Einsatz von Repressionen gegen eine derartige
Alternative herleiten kann. Dass eine ethische Rechtfertigung zur
Verhinderung von Alternativen, die z.B. die Ausbeutung der
Buerger des Staates beinhalten, u.U. machbar ist, ist klar. Die
"friedlichen" und die "ausbeuterischen" Alternativen kann man
aber nicht in einen Topf werfen, um dann gegen jegliche
Alternative zu argumentieren.

[...]

>In der Politik gibt es nie von Beteiligten unabhaengige Kriterien. Sie
>sind immer einem Standpunkt zuzuordnen. Das ist aber keine "kardinaler
>Fehler". Uebrigens sind Rechte i.d.R immer einseitig.

In der Sprueche-Ecke auf der "Letzten Seite" der Sueddeutschen
Zeitung habe ich mal vor vielen Jahren folgenden Spruch gefunden
(Urheber habe ich leider vergessen): "Das Recht des Starkeren ist
immer das staerkste Unrecht."
Dass Rechte derzeit meistens deprimierend einseitiger Natur sind,
ist mir aus eigener schmerzlicher Erfahrung bekannt. Aber Ziel
einer "Staatsethik" kann es doch wohl nicht sein, diesen
unethischen Zustand zu rechtfertigen. Gerade weil der Staat in
seiner derzeitigen Form so weit von jeglichem ethischen Ideal
entfernt ist, ist ein grosser Freiraum zum Realisieren von
Alternativen unerlaesslich. Der Staat sollte diesen nicht mir
Repressionen einschraenken, sondern wenn ihm wirklich am Wohl
seiner Buerger gelegen ist, sollte er sie zum Nachdenken ueber
und Erproben von Alternativen ermuntern.

> Ethisch ist fuer mich, dass im Falle einer Abspaltung keine Seite
> zum Gebrauch von Gewalt (Repressionen) mit dem Ziel der
> Verhinderung der Abspaltung berechtigt ist. Beide Seiten haben
> die freie Entscheidung der jeweils Andersdenkenden zu
> respektieren und auch Nachteile, die aus dem Wegfall der
> ausscheidenden Menschen und aus der Spaltung an sich resultieren,
> hinzunehmen.

>Gewalt ist sehr dehnbar. Waere eine Mauer und Transitverbot um ein
>eigenstaendiges Berlin eine Gewaltanwendung, die dem umgebenden Staat
>nicht gestattet ist? Ansonsten halte ich das "Hinnehmen der Nachteile
>durch die freie Entscheidung" ziemlich blauaeugig. Was ist mit den
>ganzen Sezessionsbewegungen in ganz Europa von Nordirland bis zur
>Tuerkei? Ist es ueberhaupt moeglich, sie alle zu akzeptieren? Ich denke
>nein.

Der neue Nationalismus ist tatsaechlich alles andere als
hilfreich bei dem Verscuch, eine sinnvollere Organisation des
menschlichen Miteinanders zu finden. Aber es waere ziemlich
beschraenkt, den "alten Nationalismus" als einzige Alternative
zum neuen Nationalismus zu betrachten. Das sagenhaft Dumme am
neuen Nationalismus ist, dass er nach langen Turbulenzen
territorialer und ethnischer Umstrukturierungen und
Neuorganisationen, die mit bittersten Einzelschicksalen verbunden
sind, bestenfalls erreichen kann, was der derzeitige alte
Nationalismus jetzt erreicht hat. Ich glaube kaum, dass wir uns
so eine Wiederholung der Geschichte leisten koennen (Umwelt und
so).
Was gefragt ist, ist nicht eine Alternative zum neuen
Nationalismus, sonder eine Alternative zum Nationalismus.

> Meine o.g. Kritik an der Art des Staates, mit Menschen, die eine
> andere Alternative wollen, umzugehen, heisst in diesem Sinne
> konkret: Es gibt kein Verfahren, nach dem sich Menschen
> "geordnet" und anhand gerechter, unabhaengiger Kriterien vom
> Staat loesen koennen.

>Falsch, siehe unten.

> >Eine Alternative, die nicht unterdrueckt werden darf: Die Selbst-
> >aufloesung des Staates durch seine immanenten Mittel.

> Ein Silberstreifen am Horizont? Diese "immanenten Mittel" gibt es
> zwar meines Wissens derzeit nicht, aber sie koennten immerhin
> durch die derzeitigen immanenten Mittel geschaffen weren.

>Genau.

Hmm, wie sagt mir diese "Genau" jetzt, weshalb meine Forderung
nach einem gerechten Verfahren zur Abloesung vom Staat falsch
ist? Nach dem bisher Gesagten sieht es fuer mich so aus, dass nur
eine mit mindestens absoluter Mehrheit beschlossene
Selbstaufloesung des Staates eine Alternative ermoeglichen kann.
Ich uebertrage das mal auf eine andere Situation:
Auf einer Insel bricht ein Vulkan aus. Die Menschen fluechten vor
den Lavamassen und kommen dabei ans Meer. Dort finden sie eine
Halbinsel, die vor den Lavastroemen sicher scheint. 80% wollen
nun dort bleiben und warten, bis sich der Vulkan beruhigt und die
Lava erkaltet. 20% befuerchten aber noch heftigere Ausbrueche und
wollen die Insel verlassen. Dies ist den 20% aber nur gestattet,
wenn sie weitere 31% von ihrer Auffassung ueberzeugen koennen,
dann ein Verfahren beschliessen, wie ein Verlassen der Insel
beschlossen werden kann, und dann mittels dieses Verfahrens den
Beschluss zum Verlassen der Insel herbeifuehren.
So ein Vorgehen ist doch wohl denkbar schwachsinnig. Viel besser
waere es in dieser Situation doch, jedem die Entscheidung fuer
eine der Moeglichkeiten zu ueberlassen.

Michael Jung

unread,
Oct 6, 1992, 8:35:35 AM10/6/92
to

Um das vielleicht mal etwas konkreter zu machen: Ich sehe nicht,
weshalb die m.o.w. sinnvollen "staatlichen Leistungen" mit den
m.E. schwer ertraeglichen Uebeln untrennbar verbunden sein
sollen. Zum Beispiel halte ich den Unterhalt eines
Verkehrswegenetzes fuer eine prinzipiell sinvolle "staatliche
Leistung" (insbesondere wenn das mal vernuenftig und nicht nach
Krause-Art gemacht wuerde...). Auch ein allgemeines Schulwesen
halte ich fuer sinnvoll. Aber um diese Dinge zu gewaehrleisten
braucht man keinen Staat mit Meldeunwesen, Polizei,
Verfassungsschutz, Bundeswehr, Regierung, Behoerdenwasserkopf
usw.usf.

Fuer das Verkehrswegenetz braucht man
a) ein Meldewesen, um Kosten auf die Nutzer abwaelzen zu koennen und
kriminelle Handlungen zu verringern (im wesentlichen Fahrerflucht),
b) Polizei, um Problemfaelle des Verkehrs oder im Verkehr zu regulieren,
c) eine Regierung, die die Art und Weise desselben bestimmt und
d) einen Behoerdenkopf, der a)-c) verwaltet, plant, etc.

Ich befuerworte damit nicht das damit verbundene Unwesen, aber es ist
naiv, zu glauben, ein Verkehrsnetz (ein Schulwesen...) plane, erhalte
und verwalte sich von selber. Dies geht nur bei sehr, sehr kleinen -wesen.

>Ich denke, die 80% haben ein Recht, den 20% etwas zu gebieten (im bis-
>herigen Sinne).
So? Wie sieht denn die *ethische* Herleitung fuer ein solches
Recht aus? Ich meine, dass *niemand* ein Recht haben kann, jemand
anderem irgendwas zu "gebieten". Die blosse Tatsache, dass man
eine Mehrheit hinter sich bringen konnte, kommt auf keinen Fall
als Begruendung duer ein Recht, der Minderheit zu gebieten, in
Frage.

Natuerlich hat das wenig mit der Mehrheit zu tun. Das Recht auf freie
Meinungsaeusserung beruht nicht auf einer Mehrheitsentscheidung. Und
ich "gebiete", dass man es mir gewaehrt. Und mein Nachbar kann mir
"gebieten", nicht nachts um zwei mit Flutlicht meinen Rasen zu maehen
(wenn ich einen haette). Das ist zwar nicht so sehr ethisch, aber
spiegelt die Situation wieder. Wenn also eine Rechtfertigung gesucht
wird, muss man dass am konkreten Fall tun. Prinzipiell ist es jeden-
falls nicht so, das *niemand* *nie* ein Recht hat zu gebieten.

[...]


Dieser Vergleich hinkt doch arg (infolge von Tritten auf die
Fuesse? ;-). Der Vergleich waere angebracht, wenn die 20% die 80%
dabei stoeren wuerden, in dem von letzteren gewollten Staat zu
leben. Tatsaechlich ist es aber eher so, dass die 80% die 20%
daran hindern, in dem von diesen gewollten "Nicht-Staat" zu
leben. Wenn diese 20% sich nun dagegen wehren und dabei den Staat
der 80% beeintraechtigen, ist das eindeutig die Schuld der 80%.
Wer jemanden einsperrt, kann sich nicht auch noch darueber
beklagen, dass der Eingesperrte ausbrechen will.

Die 20% hindern auch die 80% daran in ihrem, naemlich den mit 100%
Staat zu leben. Was dazu fuehrt, dass die 20% gehindert werden..., die
20% sich wehren...

>Deshalb - unter Anderem - die die Anfuehrungszeichen.
Also mal angenommen, die Abloesung der 20% vom Staat der 80%
beeintraechtigt die 80% in keiner Weise. Duerfen die 80% dann
immer noch die 20% am Aufbruch hindern?

Das ist eine Frage vom Typ: angenommen 2+2=1, ist dann 2+3=2 ?
Diese falsche Fragestellung begegnet mir auch an anderen Stellen des Textes.

[...]


>Das liegt vielleicht daran, dass die Alternativen zum einen diffus oder
>nicht gangbar sind und zum anderen versucht wird, mit den falschen Mitteln
>zu arbeiten.
Koennte das vielleicht daran liegen, dass nach der Definition des
Staates gar keine "richtigen Mittel" verfuegbar sind?

Ich habe Mittel vorgestellt (unten), aber sie sind nicht so einfach zu
gebrauchen. wie "schwupps, weg bin ich".

>Auch ich argumentiere prinzipiell gegen Alternativen, ohne
>sie zu kennen. Auf einer anderen Ebene geschieht hier das gleiche.
Bei Deiner Argumentation gegen Alternativen gehst Du regelmaessig
davon aus, dass diese den Staat, und damit die in diesem
verbleibenden "Nicht-Alternativler" in unzumutbarer und ethisch

nicht vertretbarer Weise belasten [...], aber es sollte doch

hinlaenglich klar geworden sein, dass ich sowas nicht als ethisch
tragbare "Alternative" ansehe.

Was Du nicht als ethisch tragbar ansiehst, kann ich mir mittlerweile
vorstellen, aber nicht was als ethisch tragbar ansiehst. Ich kenne
keine solche Alternative.

[...]

>In der Politik gibt es nie von Beteiligten unabhaengige Kriterien. Sie
>sind immer einem Standpunkt zuzuordnen. Das ist aber keine "kardinaler
>Fehler". Uebrigens sind Rechte i.d.R immer einseitig.

Dass Rechte derzeit meistens deprimierend einseitiger Natur sind,


ist mir aus eigener schmerzlicher Erfahrung bekannt. Aber Ziel
einer "Staatsethik" kann es doch wohl nicht sein, diesen
unethischen Zustand zu rechtfertigen. Gerade weil der Staat in
seiner derzeitigen Form so weit von jeglichem ethischen Ideal
entfernt ist, ist ein grosser Freiraum zum Realisieren von
Alternativen unerlaesslich. Der Staat sollte diesen nicht mir
Repressionen einschraenken, sondern wenn ihm wirklich am Wohl
seiner Buerger gelegen ist, sollte er sie zum Nachdenken ueber
und Erproben von Alternativen ermuntern.

Es ist nichts unethisches daran, dass Rechte einseitig sind, es gehoert
notwendig dazu! Das ergibt einen grossen Berg von Problemen, wenn gewisse
Leute annehmen, sie haetten Rechte auf irgendetwas und andere Leute
dies nicht so sehen. Und was idealiter vorliegt, ist ein anderes Thema.
Nachdenken ist immer gut, aber erproben ist - mit aehnlichen moeglichen
katastrophalen Folgen wie bei der Kernkraft - nicht von vornherein gutzu-
heissen.

[...]


Hmm, wie sagt mir diese "Genau" jetzt, weshalb meine Forderung
nach einem gerechten Verfahren zur Abloesung vom Staat falsch
ist? Nach dem bisher Gesagten sieht es fuer mich so aus, dass nur
eine mit mindestens absoluter Mehrheit beschlossene
Selbstaufloesung des Staates eine Alternative ermoeglichen kann.

Im Prinzip richtig.

Ich uebertrage das mal auf eine andere Situation:
Auf einer Insel bricht ein Vulkan aus. Die Menschen fluechten vor
den Lavamassen und kommen dabei ans Meer. Dort finden sie eine
Halbinsel, die vor den Lavastroemen sicher scheint. 80% wollen
nun dort bleiben und warten, bis sich der Vulkan beruhigt und die
Lava erkaltet. 20% befuerchten aber noch heftigere Ausbrueche und
wollen die Insel verlassen. Dies ist den 20% aber nur gestattet,
wenn sie weitere 31% von ihrer Auffassung ueberzeugen koennen,
dann ein Verfahren beschliessen, wie ein Verlassen der Insel
beschlossen werden kann, und dann mittels dieses Verfahrens den
Beschluss zum Verlassen der Insel herbeifuehren.
So ein Vorgehen ist doch wohl denkbar schwachsinnig. Viel besser
waere es in dieser Situation doch, jedem die Entscheidung fuer
eine der Moeglichkeiten zu ueberlassen.

Nun stehen den Menschen aber nur 6 Boote zur Verfuegung. 20% benoetigen
also 2 Boote. Kaeme nun die Lava naeher und weitere 20% wollen die
Insel verlassen, sind weitere 2 Boote verschwunden. Wollten nun die
restlichen 60% eine Weile aufs Meer fahren, teils um Nahrung zu besorgen,
teils um auf lavafreie Gebiete zu uebersiedeln, reichen die 2 Boote nicht
mehr.
So ein Vorgehen ist doch wohl auch denkbar schwachsinnig.

Schoene Gruesse,
Michael

Michaela Schoebel

unread,
Oct 6, 1992, 8:24:45 AM10/6/92
to
On Mon, 05 Oct 92 18:32:22 GMT, ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) wrote:

|>In article <1992Sep06.2...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de
|(Jan T. Kim) writes:
|

|> Der Staat soll doch, nach Deinen Ausfuehrungen, deshalb erhalten
|> werden, weil er fuer das Leben der Menschen aehnlich unabdingbar
|> ist wie eine halbwegs unverseuchte Natur. Wofuer ich eine
|> halbwegs unverseuchte Natur zum Leben brauche, ist mir
|> einigermassen klar, wozu ich zum Leben einen Staat brauche, ist
|> mir dagegen voellig unklar. Wenn ich das, was mir persoenlich von
|> seiten des Staates widerfahren ist, gegeneinander aufwiege,
|> ueberwiegen die Nachteile deutlich. Erschwerend kommt noch hinzu,
|> dass das viele "staatliche Leistungen", die ich als sinnvoll
|> ansehe, auch ohne den Staat genauso moeglich waeren.

.... sehe ich so aehnlich. Alle Formen einer "Regierung" und/oder eines
Staatswesens sind und waren in erster Linie geschaffen, um den Wohl-
habenden das Leben zu erleichtern. Doch stehe ich auf dem Standpunkt,
dass das Zusammenleben von Lebewesen in irgendeiner Form organisiert
werden muss - das ist auch in der Natur nicht anders. Ob die derzeite
Art und Weise nun die richtige ist - das mag dahingestellt und von
mir stark bezweifelt werden.

Es geht also um das Aufzeigen von Alternativen. Schwierig,
schwierig........

Michaela

-----
** Free Software Association of Germany **
Great software should be free software
Phone: 069 - 6312083 Data: 069 - 6312934

Jan T. Kim

unread,
Oct 12, 1992, 12:49:08 PM10/12/92
to

>On Mon, 05 Oct 92 18:32:22 GMT, ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) wrote:

>.... sehe ich so aehnlich. Alle Formen einer "Regierung" und/oder eines
>Staatswesens sind und waren in erster Linie geschaffen, um den Wohl-
>habenden das Leben zu erleichtern. Doch stehe ich auf dem Standpunkt,
>dass das Zusammenleben von Lebewesen in irgendeiner Form organisiert
>werden muss - das ist auch in der Natur nicht anders. Ob die derzeite
>Art und Weise nun die richtige ist - das mag dahingestellt und von
>mir stark bezweifelt werden.

Organisiert -- ja, aber das muss nicht notwendigerweise mit
Hierarchie und Repressionen einhergehen. Tatsaechlich sind
hierarchische Strukturen bei einer sinnvollen Organisation fast
immer nur hinderlich, wie z.B. Verwaltungen aller Arten und
Sorten.
Ich glaube nicht, dass es eine "richtige" Art der Organisation
gibt, aber ich bin fest davon ueberzeugt, dass viele bessere
Arten als die Derzeitige moeglich sind.

>Es geht also um das Aufzeigen von Alternativen. Schwierig,
>schwierig........

Natuerlich ist es wichtig, Alternativen zu entwickeln. Allerdings
kann man diese nur bis zu einem gewissen Grad im Voraus ausdenken
und planen. Um dann weiterzukommen, braucht man die Moeglichkeit,
das was man sich ueberlegt hat, auch in die Tat umzusetzen, und
dieses Recht wollen einem Leute wie Michael Jung offenbar nicht
zugestehen.
Zum Aufzeigen von Alternativen: Zentrale Merkmale sinnvoller
Alternativen sind fuer mich unter anderem:
* Mehr Gleichberechtigung und Gerechtigkeit
* Freiheit fuer mehr Menschen
* Mehr Freiheit fuer die Menschen
Alle diese Dinge sprechen fuer nichthierarchische Alternativen.
Hierarchie ist naemlich stets mit Ungleichberechtigung,
Ungerechtigkeit und Freiheitseinschraenkung verbunden. Anders als
manche Leute hier im Netz bin ich nicht davon ueberzeugt, dass
sich diese Uebel nicht vermeiden lassen. Man muss staendig
versuchen, Alternativen zu entwickeln, die mit weniger
Ungerechtigkeit "auskommen", u.a. indem man auf Gewalt, und somit
auch auf Hierarchie verzichtet.
Meine persoenliche Idealvorstellung umfasst u.a.:
* Die Abschaffung jeglicher staatlicher Gewalt und Hierarchie,
(z.B. Polizei, Behoerden, Justizapparat)
* Die Abschaffung jeglicher wirtschaftlicher Gewalt und Hierarchie
(z.B. Abhaengigkeit von Arbeitgebern und Vermietern)
* eine erheblich groessere Bewegungsfreiheit (der derzeitige starke
Zwang zur Sesshaftigkeit ist mir ein besonderer Dorn im Auge).
Natuerlich habe ich ausgesprochen detaillierte Vorstellungen
davon, wie es in einer solchen Organisation zuginge, aber diese
zu schildern wuerde den Rahmen dieses Postings und auch meinen
zeitlichen Rahmen sprengen. Bei entsprechendem Interesse aeussere
ich mich gerne weiter zu diesem Thema.

Wolfgang Bonig)

unread,
Oct 13, 1992, 12:30:43 PM10/13/92
to
In article <1992Oct12.1...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) writes:

... einiges geloescht, was durchaus sinnvolle Ueberlegungen beinhaltete ...

>Meine persoenliche Idealvorstellung umfasst u.a.:
> * Die Abschaffung jeglicher staatlicher Gewalt und Hierarchie,
> (z.B. Polizei, Behoerden, Justizapparat)

Traumhaft, freie Fahrt fuer alle Arten von Rechtsbrechern, der Buerger/
die Buergerin als Freiwild, alle Macht den Ruecksichtslosen !

Glaubst Du ernsthaft, durch Abschaffung des Staates als organisierte
Gemeinschaft ALLE Menschen zu guten Menschen machen zu koennen ?

> * Die Abschaffung jeglicher wirtschaftlicher Gewalt und Hierarchie
> (z.B. Abhaengigkeit von Arbeitgebern und Vermietern)

Herrlich, Arbeitsplaetze und Wohnungen schaffen sich aus dem Nichts; aus
lauter Verantwortungsbewusstsein traegt JEDE/R ausreichend zum Gelingen
des Gemeischaftswesens bei, ohne hierzu in irgendeiner Weise (z.B.
durch die Notwendigkeit des Geldverdienens) veranlasst zu werden.

Traeume sind ja etwas Feines; ein paar Nebengedanken ueber die Realisierung
koennten meines Erachtens aber nicht schaden.

> * eine erheblich groessere Bewegungsfreiheit (der derzeitige starke
> Zwang zur Sesshaftigkeit ist mir ein besonderer Dorn im Auge).

Bzgl. der Sesshaftigkeit gebe ich Dir recht. Aber wo sonst gibt es staat-
lich eingeschraenkte Bewegungsfreiheit, soweit sie nicht aus besonderen
Gruenden (z.B. Straftaeter, Geheimnistraeger) erforderlich ist ?


Niemand kann bestreiten, dass unser Staatswesen eine Vielzahl an Maengeln
aufweist. Aber Idealvorstellungen, die nicht von dieser Welt sind, tragen
zur Beseitigung dieser Maengel nicht bei. Eher wirken sie kontraproduktiv,
denn sie fuehren dazu, dass 'Reformer' nicht ernst genommen werden.


Mit besten Gruessen


yeti sapiens sapiens


'Im uebrigen bin ich der Meinung,
daį wir das Apfelbaeumchen pflanzen sollten.

Die Zeit draengt.'

Michael Jung

unread,
Oct 13, 1992, 12:52:45 PM10/13/92
to

Natuerlich ist es wichtig, Alternativen zu entwickeln. Allerdings
kann man diese nur bis zu einem gewissen Grad im Voraus ausdenken
und planen. Um dann weiterzukommen, braucht man die Moeglichkeit,
das was man sich ueberlegt hat, auch in die Tat umzusetzen, und
dieses Recht wollen einem Leute wie Michael Jung offenbar nicht
zugestehen.

Wir koennen ja mal eine Computersimulation machen:-) Mehr ist mit
Leuten wie mir halt nicht drin :-(

Zum Aufzeigen von Alternativen: Zentrale Merkmale sinnvoller
Alternativen sind fuer mich unter anderem:
* Mehr Gleichberechtigung und Gerechtigkeit
* Freiheit fuer mehr Menschen
* Mehr Freiheit fuer die Menschen

Ehe ich in Polemik verfalle: das sind doch bloss Parolen.

Alle diese Dinge sprechen fuer nichthierarchische Alternativen.
Hierarchie ist naemlich stets mit Ungleichberechtigung,
Ungerechtigkeit und Freiheitseinschraenkung verbunden. Anders als
manche Leute hier im Netz bin ich nicht davon ueberzeugt, dass
sich diese Uebel nicht vermeiden lassen. Man muss staendig
versuchen, Alternativen zu entwickeln, die mit weniger
Ungerechtigkeit "auskommen", u.a. indem man auf Gewalt, und somit
auch auf Hierarchie verzichtet.

Parolen sprechen fuer jede beliebige Auffassung. Den zweiten und dritten
Satz unterschreib' ich auch (bin wohl einer von den "manchen"). Dann
geht's bis zum "u.a". Was danach kommt, halte ich fuer unmoeglich.

Meine persoenliche Idealvorstellung umfasst u.a.:
* Die Abschaffung jeglicher staatlicher Gewalt und Hierarchie,
(z.B. Polizei, Behoerden, Justizapparat)
* Die Abschaffung jeglicher wirtschaftlicher Gewalt und Hierarchie
(z.B. Abhaengigkeit von Arbeitgebern und Vermietern)
* eine erheblich groessere Bewegungsfreiheit (der derzeitige starke
Zwang zur Sesshaftigkeit ist mir ein besonderer Dorn im Auge).
Natuerlich habe ich ausgesprochen detaillierte Vorstellungen
davon, wie es in einer solchen Organisation zuginge, aber diese
zu schildern wuerde den Rahmen dieses Postings und auch meinen
zeitlichen Rahmen sprengen. Bei entsprechendem Interesse aeussere
ich mich gerne weiter zu diesem Thema.

Mich interessiert das ganze schon und ich hoffe sogar, klargemacht zu
haben, unvoreingenommen. Nur wenn mir jemand sagt, ich koenne sofort
zum ewigen Frieden gelangen, er brauche dazu nur meinen Arm abschlagen,
dann halte ich ihm erstmal die jetztige Situation, naemlich Arm dran
(ohne ewigen Frieden natuerlich) vor. Und "auf Probe" geht schon gar
nichts, wenn mir nicht erklaert wird, WIE der ewige Friede erreicht wird!

Bis jetzt hat sich das ganze fuer mich leider wie ein Bekehrungs-
versuch einer Sekte ausgenommen: es wird nie konkret, erst dann, wenn es
zu spaet ist.

Schoene Gruesse,
Michael


joachim friedrichs

unread,
Oct 13, 1992, 12:56:24 PM10/13/92
to
From article <1992Oct12.1...@rrz.uni-koeln.de>, by ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim):


> Organisiert -- ja, aber das muss nicht notwendigerweise mit
> Hierarchie und Repressionen einhergehen. Tatsaechlich sind
> hierarchische Strukturen bei einer sinnvollen Organisation fast
> immer nur hinderlich, wie z.B. Verwaltungen aller Arten und
> Sorten.

Dieser Sachverhalt ist in modernen industriellen Strukturen insofern
beruecksichtigt, als dass man immerhin mit "flachen" Hierarchien
arbeitet. Das mittlere Management wird tatsaechlich reduziert. Kann
man sogar bei A. Herrhausen nachlesen. Ich selbst habe das Glueck,
in einer solchen Struktur zu arbeiten.

> Hierarchie ist naemlich stets mit Ungleichberechtigung,
> Ungerechtigkeit und Freiheitseinschraenkung verbunden. Anders als
> manche Leute hier im Netz bin ich nicht davon ueberzeugt, dass
> sich diese Uebel nicht vermeiden lassen. Man muss staendig
> versuchen, Alternativen zu entwickeln, die mit weniger
> Ungerechtigkeit "auskommen", u.a. indem man auf Gewalt, und somit
> auch auf Hierarchie verzichtet.

Was nuetzt die beste Organisation (inkl. keine oder andere), wenn
sie sich mit irrelevanten Fragestellungen befasst. Was mich am
meisten aergert, dass sich keine Organisation massgeblich um
Reorganisation der Arbeit bemueht, vermutlich das groesste Pro-
blem hierzulande. Als gaebe es keine Arbeitslosigkeit und die
ganzen Folgeerscheinungen.

Jan T. Kim

unread,
Oct 14, 1992, 4:26:20 PM10/14/92
to

>In article <1992Oct12.1...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) writes:

>... einiges geloescht, was durchaus sinnvolle Ueberlegungen beinhaltete ...

>>Meine persoenliche Idealvorstellung umfasst u.a.:
>> * Die Abschaffung jeglicher staatlicher Gewalt und Hierarchie,
>> (z.B. Polizei, Behoerden, Justizapparat)

>Traumhaft, freie Fahrt fuer alle Arten von Rechtsbrechern, der Buerger/
>die Buergerin als Freiwild, alle Macht den Ruecksichtslosen !

>Glaubst Du ernsthaft, durch Abschaffung des Staates als organisierte
>Gemeinschaft ALLE Menschen zu guten Menschen machen zu koennen ?

Ich entschuldige mich und streue Asche auf mein Haupt dafuer,
dass ich von der Abschaffung von Strukturen gelabert habe, ohne
alternative Strukturen, die an die Stelle der Abgeschafften
treten sollen, auch nur zu erwaehnen. Das sollte man niemals tun,
weil es gefaehrlich ist. Was passiert, wenn man alte, verhasste
Strukturen zerstoert ohne gleichzeitig neue Alternativen
aufzubauen, kann man derzeit in den neuen Bundeslaendern und in
der ehemaligen Sowjetunion sehen.
Eigentlich hatte ich vor, noch was zu moeglichen Alternativen zu
schreiben, bin aber waehrend des Schreibens in Zeitdruck geraten
und habe dann nur noch eine generelle Bekundung von Interesse an
Diskussionen ueber Alternativen hingekriegt. Eigentlich haette
ich das Posting zu einem spaeteren Zeitpunkt fertigschreiben
sollen...

so sorry, Jan

Jan T. Kim

unread,
Oct 14, 1992, 5:15:32 PM10/14/92
to

>In article <1992Oct12.1...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) writes:

>Wir koennen ja mal eine Computersimulation machen:-) Mehr ist mit
>Leuten wie mir halt nicht drin :-(

Warum eigentlich nicht?

[...]

> Alle diese Dinge sprechen fuer nichthierarchische Alternativen.
> Hierarchie ist naemlich stets mit Ungleichberechtigung,
> Ungerechtigkeit und Freiheitseinschraenkung verbunden. Anders als
> manche Leute hier im Netz bin ich nicht davon ueberzeugt, dass
> sich diese Uebel nicht vermeiden lassen. Man muss staendig
> versuchen, Alternativen zu entwickeln, die mit weniger
> Ungerechtigkeit "auskommen", u.a. indem man auf Gewalt, und somit
> auch auf Hierarchie verzichtet.

>Parolen sprechen fuer jede beliebige Auffassung. Den zweiten und dritten
>Satz unterschreib' ich auch (bin wohl einer von den "manchen"). Dann
>geht's bis zum "u.a". Was danach kommt, halte ich fuer unmoeglich.

Unterschreibst Du auch den vierten Satz, dass man staendig an
Alternativen entwickeln muss? Und wenn ja, wie soll das gehen,
wenn der Staat berechtigt ist, diese zu zerschlagen und er davon
auch Gebrauch macht?

[...]

>Mich interessiert das ganze schon und ich hoffe sogar, klargemacht zu
>haben, unvoreingenommen. Nur wenn mir jemand sagt, ich koenne sofort
>zum ewigen Frieden gelangen, er brauche dazu nur meinen Arm abschlagen,
>dann halte ich ihm erstmal die jetztige Situation, naemlich Arm dran
>(ohne ewigen Frieden natuerlich) vor. Und "auf Probe" geht schon gar
>nichts, wenn mir nicht erklaert wird, WIE der ewige Friede erreicht wird!

Sehr richtig, das "Wie" ist ein entscheidender Punkt, und ich
habe es in meinem vorigen Posting versaeumt, darauf einzugehen.
Asche auf mein Haupt.
Allerdings ist es fuer mich auch nicht so sonderlich schwer
vorstellbar, wie das hierarchische System um die Moeglichkeit,
Alternativen zu realisieren, erweitert werden kann. Das
hierarchische System muesste die Entscheidung eines Menschen, in
einem nichthierarchischen System leben zu wollen, auf
Freiwilligkeit hin pruefen und, wenn diese gegeben ist,
anerkennen. Dann koennen die hierarchisch organisierten Menschen
die von ihnen anerkannten nichthierarchisch organisierten
Menschen im wesentlichen genauso wie einen anderen Staat / eine
andere Firma / eine andere Familie usw. behandeln, unter Verzicht
auf jeden Versuch zur Ausuebung von Macht auf beiden Seiten.
Die politische Durchsetzbarkeit eines solchen Mechanismus ist
natuerlich derzeit so gut wie null.

>Bis jetzt hat sich das ganze fuer mich leider wie ein Bekehrungs-
>versuch einer Sekte ausgenommen: es wird nie konkret, erst dann, wenn es
>zu spaet ist.

Diesen Vergleich verstehe ich nicht so ganz. Ich habe nichts
dagegen, wenn Leute einen Staat bilden wollen (die "80%", die
durch die letzten Postings dieses threads geisterten). Ich will
auch niemanden zu irgdeneiner "nichthierarchischen Sekte" oder
sowas "bekehren". Ich will, dass Alternativen zum derzeitigen
hierarchischen System eine ebensolche Chance wie das
hierarchische System bekommen, denn es gibt keinen Grund,
nichthierarchischen Organisationsformen von vornherein keine
Chance zu geben. Und ich will das Bewusstsein dafuer schaerfen,
dass eine solche Chancengleichheit derzeit nicht gegeben ist. Die
"Sekte", die derzeit die gesamte Menschheit zwangsweise
"bekehrt", ist die Hierarchie.

Josef Moellers

unread,
Oct 15, 1992, 2:39:02 AM10/15/92
to

Ja, wo bleiben sie denn, Deine Alternativen?
Die grundsaetzliche Frage ist doch: Gewaltmonopol fuer eine Gruppe
(heute: der Staat) oder kein Gewaltmonopol (d.h. Selbstverteidigung).

Letzteres lehne ich ab. Ich habe keine Lust, abends meine 35-er neben
mir auf's Nachttischchen zu legen, nachdem ich die Bolzen vor die
Fensterlaeden in den Kinderzimmern vorgeschoben habe und die
Selbstschussanlage eingeschaltet habe. Ausserdem macht es mir keinen
Spass, mit einer Waffe auf einen anderen Menschen zu zielen, der mich
mit der Waffe bedroht; ich koennte ihn ja treffen und toeten!

Mich wuerde mal interessieren, wie Du harmlose Buerger gegen Gauner
schuetzen willst, ohne dem Schutz Rechte zu geben, die der normale
Buerger nicht hat? Und wie willst Du dann verhindern, dass diese
Menschen, denen Du dann eine gewisse Macht gegeben hast, diese Macht
missbrauchen, oder von anderen zum Missbrauch dieser Macht angestiftet
werden? Es sind schliesslich auch nur Menschen!

Also: her mit den Alternativen!
--
| Josef Moellers | c/o Siemens Nixdorf Informationssysteme AG |
| USA: molle...@sni-usa.com | Abt. STO-XS 113 | Riemekestrasse |
| !USA: molle...@sni.de | Phone: (+49) 5251 835124 | D-4790 Paderborn |

Josef Moellers

unread,
Oct 15, 1992, 2:51:06 AM10/15/92
to
In <1992Oct14.2...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) writes:

[ Ersten Teil geloescht ]

>Sehr richtig, das "Wie" ist ein entscheidender Punkt, und ich
>habe es in meinem vorigen Posting versaeumt, darauf einzugehen.
>Asche auf mein Haupt.
>Allerdings ist es fuer mich auch nicht so sonderlich schwer
>vorstellbar, wie das hierarchische System um die Moeglichkeit,
>Alternativen zu realisieren, erweitert werden kann. Das
>hierarchische System muesste die Entscheidung eines Menschen, in
>einem nichthierarchischen System leben zu wollen, auf
>Freiwilligkeit hin pruefen und, wenn diese gegeben ist,
>anerkennen. Dann koennen die hierarchisch organisierten Menschen
>die von ihnen anerkannten nichthierarchisch organisierten
>Menschen im wesentlichen genauso wie einen anderen Staat / eine
>andere Firma / eine andere Familie usw. behandeln, unter Verzicht
>auf jeden Versuch zur Ausuebung von Macht auf beiden Seiten.
>Die politische Durchsetzbarkeit eines solchen Mechanismus ist
>natuerlich derzeit so gut wie null.

Ich finde es sehr erheiternd, wenn Leute meinen, jeder solle doch fuer
sich selber ausmachen koennen, wie er leben will.
Es mag sich ja sehr schoen anhoeren, wenn jemand "nicht hierarchisch
organisiert" leben will, oder "ohne den Buerokratischen
Regierungswasserkopf" oder ohne Polizei, oder ...
Wenn Du dieses Recht fuer Dich und Gleichgesinnte in Anspruch nehmen
willst, so musst Du dieses Recht fuer ALLE einraeumen. Und was meinst
Du, was Leute wie Schoenhuber & Co sich unter einem idealen Leben
vorstellen? Ich haette auch nichts dagegen, keine Beitraege an die
Arbeitslosenversicherung abfuehren zu muessen oder Geld fuer NOCH mehr
Autobahnen oder Geld fuer NOCH mehr Panzer oder Geld fuer NOCH mehr
Umzuege nach Berlin oder ... Aber bitte, dass mir keiner aus der
Krankenversicherung aussteigt, ich werde schliesslich 'mal alt, und dann
wird's teuer!
Das Geld, was ich bis jetzt in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt
habe, wuerde mich ueber den kurzen Zwischenraum zwischen meinem jetzigen
Job und dem naechsten hinweghelfen. Und die, die wirklich arbeitslos
sind und keinen (relativ) sicheren Beruf haben, wie ich? Sollen doch
sehen, wie sie fertig werden, ich jedenfalls lebe frei!

Das Problem mit jeder Alternative ist, dass sie
a) fuer ALLE gelten muss, und damit auch fuer den "Gegner",
b) eine gewisse "positive" Grundhaltung bei allen Menschen voraussetzt,
c) nicht bis an's Ende mit allen Nachteilen durchdacht ist!

Michael Jung

unread,
Oct 15, 1992, 8:09:27 AM10/15/92
to

> Alle diese Dinge sprechen fuer nichthierarchische Alternativen.
> Hierarchie ist naemlich stets mit Ungleichberechtigung,
> Ungerechtigkeit und Freiheitseinschraenkung verbunden. Anders als
> manche Leute hier im Netz bin ich nicht davon ueberzeugt, dass
> sich diese Uebel nicht vermeiden lassen. Man muss staendig
> versuchen, Alternativen zu entwickeln, die mit weniger
> Ungerechtigkeit "auskommen", u.a. indem man auf Gewalt, und somit
> auch auf Hierarchie verzichtet.
>Parolen sprechen fuer jede beliebige Auffassung. Den zweiten und dritten
>Satz unterschreib' ich auch (bin wohl einer von den "manchen"). Dann
>geht's bis zum "u.a". Was danach kommt, halte ich fuer unmoeglich.

Unterschreibst Du auch den vierten Satz, dass man staendig an
Alternativen entwickeln muss? Und wenn ja, wie soll das gehen,
wenn der Staat berechtigt ist, diese zu zerschlagen und er davon
auch Gebrauch macht?

Entwickeln und Ausprobieren sind zwei verschiedene Dinge.

[...]

>Bis jetzt hat sich das ganze fuer mich leider wie ein Bekehrungs-
>versuch einer Sekte ausgenommen: es wird nie konkret, erst dann, wenn es
>zu spaet ist.

Diesen Vergleich verstehe ich nicht so ganz. Ich habe nichts
dagegen, wenn Leute einen Staat bilden wollen (die "80%", die
durch die letzten Postings dieses threads geisterten). Ich will
auch niemanden zu irgdeneiner "nichthierarchischen Sekte" oder
sowas "bekehren". Ich will, dass Alternativen zum derzeitigen
hierarchischen System eine ebensolche Chance wie das
hierarchische System bekommen, denn es gibt keinen Grund,
nichthierarchischen Organisationsformen von vornherein keine
Chance zu geben. Und ich will das Bewusstsein dafuer schaerfen,
dass eine solche Chancengleichheit derzeit nicht gegeben ist. Die
"Sekte", die derzeit die gesamte Menschheit zwangsweise
"bekehrt", ist die Hierarchie.

Eine akademische Chance kann man nichthierarchischen von vornherein
einraeumen, aber keine praktische. Erst im Nachhinein, also wenn auch
die 80% mit dem Versuch einverstanden sind. Ansonsten steht in einer
anderen Antwort auf das Schreiben genug, dass ich weitere Punkte hier
nicht beantworten brauche. (Uebrigens: DIE Hierarchie gibt es nicht,
genausowenig wie DAS Kapital.)

Schoene Gruesse,
Michael


Dietrich Froemming

unread,
Oct 15, 1992, 7:03:02 AM10/15/92
to
In article <1992Oct12.1...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de
(Jan T. Kim) writes:

[...]
) Meine persoenliche Idealvorstellung umfasst u.a.:
) * Die Abschaffung jeglicher staatlicher Gewalt und Hierarchie,
) (z.B. Polizei, Behoerden, Justizapparat)
) * Die Abschaffung jeglicher wirtschaftlicher Gewalt und Hierarchie
) (z.B. Abhaengigkeit von Arbeitgebern und Vermietern)
) * eine erheblich groessere Bewegungsfreiheit (der derzeitige starke
) Zwang zur Sesshaftigkeit ist mir ein besonderer Dorn im Auge).

Schoen. Wirklich schoenes System, doch mit Leuten wie mir, wuerde
sowas nie funktionieren, weil ich immer versuchen werde, meinen
persoenlichen Vorteil aus der fehlenden Macht so eines Systems
zu ziehen.
Das wuerden uebrigens die meisten machen.

MfG

Dietrich

--
diet...@fromuu.from.sub.org BIX: dfroemming CompuServe: 100012,312
Dietrich Froemming, Herrsching, Germany
,,Extra Bavariam nulla vita, et si est vita, non est ita!``

Jan T. Kim

unread,
Oct 20, 1992, 1:38:54 PM10/20/92
to

>In article <1992Oct12.1...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de
>(Jan T. Kim) writes:
>
>[...]
>) Meine persoenliche Idealvorstellung umfasst u.a.:
>) * Die Abschaffung jeglicher staatlicher Gewalt und Hierarchie,
>) (z.B. Polizei, Behoerden, Justizapparat)
>) * Die Abschaffung jeglicher wirtschaftlicher Gewalt und Hierarchie
>) (z.B. Abhaengigkeit von Arbeitgebern und Vermietern)
>) * eine erheblich groessere Bewegungsfreiheit (der derzeitige starke
>) Zwang zur Sesshaftigkeit ist mir ein besonderer Dorn im Auge).

>Schoen. Wirklich schoenes System, doch mit Leuten wie mir, wuerde
>sowas nie funktionieren, weil ich immer versuchen werde, meinen
>persoenlichen Vorteil aus der fehlenden Macht so eines Systems
>zu ziehen.
>Das wuerden uebrigens die meisten machen.

Ob sie das machen wuerden oder nicht, darueber kann man nur
spekulieren. Und selbst wenn solche Spekulationen noch so
plausibel klingen, sind sie doch kein Grund, das alternative
System abzulehnen. Denn es steht fest, dass im derzeitigen System
fast alle Leute versuchen, aus der bestehenden Macht persoenliche
Vorteile zu ziehen. Und das obendrein mit bedenklich grossem
Erfolg.
Missbrauchte Freiheit ist mir noch lieber als missbrauchte Macht.

Jan T. Kim

unread,
Oct 20, 1992, 3:11:12 PM10/20/92
to

> Unterschreibst Du auch den vierten Satz, dass man staendig an
> Alternativen entwickeln muss? Und wenn ja, wie soll das gehen,
> wenn der Staat berechtigt ist, diese zu zerschlagen und er davon
> auch Gebrauch macht?

>Entwickeln und Ausprobieren sind zwei verschiedene Dinge.

Aber sie haben viel miteinander zu tun, wie ich in einem meiner
letzten Postings in diesem thread dargelegt habe. Ohne die
Moeglichkeit zur Erprobung, also nur am "gruenen Tisch", kann man
naemlich keine Alternative entwickeln. Wer die Erprobung von
Alternativen verhindert, macht damit auch die Entwicklung von
Alternativen unmoeglich.

>Eine akademische Chance kann man nichthierarchischen von vornherein
>einraeumen, aber keine praktische. Erst im Nachhinein, also wenn auch
>die 80% mit dem Versuch einverstanden sind.

Ob die 80% da ueberhaupt was mitzureden haben, das haengt davon
ab, inwieweit sie von der Realisierung der Alternative selbst
betroffen werden. Es ist realistischerweise wohl kaum anzunehmen,
dass die 80% sich beim Gebrauch eines solchen
Mitbestimmungsrechts ueber das Schicksal der 20% nur von noblen
und hehren Motiven wie dem Gedanken an den Erhalt des
Allgemeinwohls leiten liessen. Realitisch ist vielmehr, dass der
Wunsch nach Veraenderung in einem hierarchischen System bei den
am staerksten Benachteiligten am groessten ist, und dass
diejenigen, die von dem System profitieren oder hoffen, von ihm
profitieren zu koennen, gegen Veraenderungen und Alternativen
sind. Das ist ueberaus verstaendlich, aber kein Grund, diesen
Bessergestellten und vermeintlich Bessergestellten faktisch das
alleinige Bestimmungsrecht in Sachen Erprobung von Alternativen
zu geben.
Ein prinzipielles Recht der 80%, ueber die Lebensbedingungen der
20% zu bestimmen, kann es nicht geben. Dies liefert die 20%
schutzlos der willkuerlichen Fremdbestimmung durch die 80% aus,
was, von gewichtigen prinzipiellen Argumenten gegen jegliche
Fremdbestimmung abgesehen, allein schon aufgrund der egoistischen
Zuege im menschlichen Charakter ethisch nicht gerechtfertigt
werden kann.
Hier wird eine grundsaetzliche Inkonsistenz aller
Argumentationen, die einen Sinn oder eine Existenzberechtigung
des Staates aus dem menschlichen Egoismus abgeleitet werden soll,
deutlich. Klar, wenn einer Macht ueber viele hat, hindert er die
vielen am Ausleben ihrer egoistischen Natur. Er zwingt sie,
stattdessen beim Ausleben seines Egoismus mitzuwirken. Was das
Gute daran sein soll, hat mir bisher noch niemand begreiflich
machen koennen.
Selbst wenn die starre, pessimistische Annahme, der Mensch sei
unter allen Bedingungen gleichermassen ein Egoist, zutreffend
waere, waere es dann nicht das Gerechteste, jedem das Ausleben
seines eigenen Egoismus zu gestatten?
Die o.g. Annahme halte ich uebrigens fuer ziemlich toericht. Der
Mensch hat prinzipiell die Faehigkeit, egoistisch oder
altruistisch, ethisch oder verwerflich zu handeln. Was ihm
derzeit fehlt, ist die Freiheit, von dieser Faehigkeit
uneingeschraenkt Gebrauch zu machen.
Gerade in diesen Tagen wuenschte ich mir, das Vertrauen in die
Vernunft und Menschlichkeit "des Menschen" waere ebensogross wie
das in Vernunft und Menschlichkeit "seines Fuehrers". Wer davon
ausgeht, dass es sowas wie Vernunft ueberhaupt gibt, kann doch
nicht glauben, diese koenne einem Menschen nur durch permanenten,
massiven Zwang eingetruemmert werden.

Josef Moellers

unread,
Oct 21, 1992, 2:31:24 AM10/21/92
to

Also, mir ist die missbrauchte Macht einiger weniger, weit sichtbarer,
in der Regel waehlbarer, Leute lieber als Chaos und Anarchie!
Ich habe bereits zweimal in meinem Leben (bin 36) die Hilfe staatlicher
Macht in Anspruch nehmen muessen, um mich gegen Leute zur Wehr zu
setzen, die meinten, sie brauchten keine Ruecksicht auf andere zu
nehmen.
Im einen Fall meinten unsere Nachbarn, unbedingt auf einer Terasse
gegenueber unserem Schlafzimmerfenster in einer "Haeuserschlucht" bis
ca. 3 Uhr Nachts laut und mit Gegroehle feiern zu muessen. Erst als die
Jungs in gruen kamen, war Ruhe.
Im anderen Fall meinte einer, die linke Spur der Autobahn gehoere ihm
und wer ihm nicht Platz mache, der muesse bestraft werden.

Aber wie hieltest Du es denn mit der Freiheit rechtsextremer,
Asylbewerberheime anzugreifen?
Wie hieltest Du es mit der Freiheit linksextremer, missliebige Personen
in die Luft zu sprengen, und die paar Passanten, die dabei 'draufgehen,
brauchen wir ja wohl nicht zu fragen, oder?
Wie hieltest Du es mit der Freiheit englischer Fussballfans, einem
verlorenen Match mit einer kleinen Trauerfeier in der Innenstadt zu
gedenken?
Wie hieltest Du es mit der Freiheit eines Unternehmers, seine giftigen
Schlaemme auf einem Acker vor Deiner Haustuer abzukippen?

Immer noch besser?

Be reasonable!

Josef Moellers

unread,
Oct 21, 1992, 2:41:35 AM10/21/92
to

>> Unterschreibst Du auch den vierten Satz, dass man staendig an
>> Alternativen entwickeln muss? Und wenn ja, wie soll das gehen,
>> wenn der Staat berechtigt ist, diese zu zerschlagen und er davon
>> auch Gebrauch macht?

>>Entwickeln und Ausprobieren sind zwei verschiedene Dinge.

>Aber sie haben viel miteinander zu tun, wie ich in einem meiner
>letzten Postings in diesem thread dargelegt habe. Ohne die
>Moeglichkeit zur Erprobung, also nur am "gruenen Tisch", kann man
>naemlich keine Alternative entwickeln. Wer die Erprobung von
>Alternativen verhindert, macht damit auch die Entwicklung von
>Alternativen unmoeglich.

>>Eine akademische Chance kann man nichthierarchischen von vornherein
>>einraeumen, aber keine praktische. Erst im Nachhinein, also wenn auch
>>die 80% mit dem Versuch einverstanden sind.

>Ob die 80% da ueberhaupt was mitzureden haben, das haengt davon
>ab, inwieweit sie von der Realisierung der Alternative selbst
>betroffen werden.

Sie werden IMMER davon betroffen sein. 20% ist keine verschwindende
Minderheit, sondern eine ganz schoene Menge an Leuten, die, auf ihre
Weise, am Wohlergehen der 80% beteiligt sind. Wenn z.B. auch nur
dadurch, dass sie die 80% immer 'mal wieder wachruetteln! Die 20% zahlen
Steuern, konsumieren, produzieren, waehlen.

> Es ist realistischerweise wohl kaum anzunehmen,
>dass die 80% sich beim Gebrauch eines solchen
>Mitbestimmungsrechts ueber das Schicksal der 20% nur von noblen
>und hehren Motiven wie dem Gedanken an den Erhalt des
>Allgemeinwohls leiten liessen. Realitisch ist vielmehr, dass der
>Wunsch nach Veraenderung in einem hierarchischen System bei den
>am staerksten Benachteiligten am groessten ist, und dass
>diejenigen, die von dem System profitieren oder hoffen, von ihm
>profitieren zu koennen, gegen Veraenderungen und Alternativen
>sind. Das ist ueberaus verstaendlich, aber kein Grund, diesen
>Bessergestellten und vermeintlich Bessergestellten faktisch das
>alleinige Bestimmungsrecht in Sachen Erprobung von Alternativen
>zu geben.

Es gibt viele Gruppen, die Alternativen jedweder Art erprobt haben.
Ich nenne hier nur: alternative Formen des Zusammenlebens, alternative
Betriebe usw.
Viele haben gemerkt, dass damit aber auch Nachteile verbunden sind.

>Ein prinzipielles Recht der 80%, ueber die Lebensbedingungen der
>20% zu bestimmen, kann es nicht geben. Dies liefert die 20%
>schutzlos der willkuerlichen Fremdbestimmung durch die 80% aus,
>was, von gewichtigen prinzipiellen Argumenten gegen jegliche
>Fremdbestimmung abgesehen, allein schon aufgrund der egoistischen
>Zuege im menschlichen Charakter ethisch nicht gerechtfertigt
>werden kann.
>Hier wird eine grundsaetzliche Inkonsistenz aller
>Argumentationen, die einen Sinn oder eine Existenzberechtigung
>des Staates aus dem menschlichen Egoismus abgeleitet werden soll,
>deutlich. Klar, wenn einer Macht ueber viele hat, hindert er die
>vielen am Ausleben ihrer egoistischen Natur. Er zwingt sie,
>stattdessen beim Ausleben seines Egoismus mitzuwirken. Was das
>Gute daran sein soll, hat mir bisher noch niemand begreiflich
>machen koennen.

Das Gute daran ist, zumindest in unserer Gesellschaft hier (im Gegensatz
zu z.B. der ex-DDR), dass der einzelne gegen uebertriebenen Egosimus
anderer angehen kann.
Das Gute daran ist z.B. auch, dass es Rechte und Gesetze gibt, denen
sich ALLE zu unterwerfen haben, nicht nur "der kleine Mann". Und mir ist
eine Gesellschaft, in der einige vielleicht etwas mehr "Armfreiheit"
haben als andere (wogegen man aber bei Uebertreibung angehen kann),
lieber als eine Ellbogengesellschaft, wo jeder seine Interessen gegen
jeden durchsetzen kann.
Das ist "das Gute" daran!

>Selbst wenn die starre, pessimistische Annahme, der Mensch sei
>unter allen Bedingungen gleichermassen ein Egoist, zutreffend
>waere, waere es dann nicht das Gerechteste, jedem das Ausleben
>seines eigenen Egoismus zu gestatten?

Nein, eben nicht! Weil die Freiheit des einen immer eine Einschraenkung
der Freiheit des anderen bedeutet. Das gibst Du ja selber auch zu.
Wenn aber nun statt nur einigen wenigen, gegen die man sich, mit
rechtlichen Mitteln, zur Wehr setzen kann, ALLE sich alle Freiheiten
nehmen koennen, gegen die man sich dann NICHT mehr zur Wehr setzen
DARF!
Vielleicht ist die "starre, pessimistische Annahme" sogar noch
untertrieben! Vielleicht sind einige Leute durch Regeln nur in ihrem
Egoismus eingeschraenkt!

>Die o.g. Annahme halte ich uebrigens fuer ziemlich toericht. Der
>Mensch hat prinzipiell die Faehigkeit, egoistisch oder
>altruistisch, ethisch oder verwerflich zu handeln. Was ihm
>derzeit fehlt, ist die Freiheit, von dieser Faehigkeit
>uneingeschraenkt Gebrauch zu machen.
>Gerade in diesen Tagen wuenschte ich mir, das Vertrauen in die
>Vernunft und Menschlichkeit "des Menschen" waere ebensogross wie
>das in Vernunft und Menschlichkeit "seines Fuehrers". Wer davon
>ausgeht, dass es sowas wie Vernunft ueberhaupt gibt, kann doch
>nicht glauben, diese koenne einem Menschen nur durch permanenten,
>massiven Zwang eingetruemmert werden.

Ich versuche mir immer wieder eine grosse Menge von Individuen
vorzustellen (gross = >1.000.000), die ganz ohne irgendeine
Organisationsform miteinander leben. Jeder kann machen, was er will!
Keine Regierung, die irgendetwas vorschreibt. Keine Polizei, die
aufpasst. Keine Verwaltung, die plant und verwaltet.
Jeder fuer sich und Gott fuer/gegen uns alle!

Wunderbar!

Mal sehen, was so meine geheimsten Wuensche sind. Ich moechte naemlich
auch meinen persoenlichen Egoismus ausleben koennen!

Henning Schmiedehausen

unread,
Oct 24, 1992, 10:03:16 AM10/24/92
to

> Dietrich Froemming schrieb:


>
> >In article <1992Oct12.1...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de
> >(Jan T. Kim) writes:
> >
> >[...]
> >) Meine persoenliche Idealvorstellung umfasst u.a.:
> >) * Die Abschaffung jeglicher staatlicher Gewalt und Hierarchie,
> >) (z.B. Polizei, Behoerden, Justizapparat)
> >) * Die Abschaffung jeglicher wirtschaftlicher Gewalt und Hierarchie
> >) (z.B. Abhaengigkeit von Arbeitgebern und Vermietern)
> >) * eine erheblich groessere Bewegungsfreiheit (der derzeitige starke
> >) Zwang zur Sesshaftigkeit ist mir ein besonderer Dorn im Auge).

Kim, was wuerdest Du denn dann tun, wenn ich mir eine 38special zulege, nach
Koeln fahre und anfange, Jagd auf Dich zu machen? (Wenn ich es schaffe, all
denen auszuweichen, die dann auf *MICH* Jagd machen.

Der Mensch ist ein wildes Tier und nur die Reglementierung und die Androhung
von Strafen sorgt dafuer, dass wir uns nicht gegenseitig an die Kehle gehen.

Was nach Abschaffung der Hierarchie und der staatlichen Behoerden passiert,
kann ich Dir genau sagen:

- 'rechte' Schlaegertrupps jagen und knuepfen Auslaender auf
- 'linke' Rollkommandos sprengen beliebig Leute in die Luft
- sog. Waffennarren fangen an, auf Leute zu ballern
- saemtliche Perverse, die hier so rumlaufen, fangen an, sich Kinder, Frauen,
etc. zu greifen
- Frauen werden vermutlich zu Freiwild erklaert
- Maenner sicher auch
- Normale Menschen so wie Du oder ich wuerden einfach still sterben oder
abgeschlachtet werden


... so wuerde Deine hochgelobte Anarchie in Wirklichkeit aussehen...


> >Schoen. Wirklich schoenes System, doch mit Leuten wie mir, wuerde
> >sowas nie funktionieren, weil ich immer versuchen werde, meinen
> >persoenlichen Vorteil aus der fehlenden Macht so eines Systems
> >zu ziehen.
> >Das wuerden uebrigens die meisten machen.

Ich knirsche zwar mit den Zaehnen, weil ich D.F. zustimmen muss, aber er hat
recht: Genau dass wuerde ich auch machen (wie sicher 90% der
Zivilbevoelkerung)

(Dagegen waere das Ex-Jugoslavien ein Waisenhaus)

> Missbrauchte Freiheit ist mir noch lieber als missbrauchte Macht.

Deine Ideen bedeuten keine Freiheit. Sie bedeuten die Hoelle auf Erden.

(Wirklich, was wuerdest Du machen, wenn ich dann beschliessen wuerde, dass
die Existenz eines Jan T. Kim auf diesem Planeten meiner persoenlichen
Freiheit entgegenwirkt? Freiwillig aufgeben?)

Denk' mal darueber nach.

Party on
Henning

--
-- Henning Schmiedehausen --- bar...@forge.erh.sub.org --- A 3000/25 --- __
...and in deep shelters lurk below, sub-regional control | Home __ ///
who sympathize but cannot help to mend your body or your soul |of the\\\///
self-appointed guardians of the race... - Jethro Tull, A | BSF \XX/

Josef Moellers

unread,
Oct 27, 1992, 2:28:51 AM10/27/92
to
In <QqiTr*O...@forge.erh.sub.org> bar...@forge.erh.sub.org (Henning Schmiedehausen) writes:

>> Dietrich Froemming schrieb:
>>
>> >In article <1992Oct12.1...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de
>> >(Jan T. Kim) writes:
>> >
>> >[...]
>> >) Meine persoenliche Idealvorstellung umfasst u.a.:
>> >) * Die Abschaffung jeglicher staatlicher Gewalt und Hierarchie,
>> >) (z.B. Polizei, Behoerden, Justizapparat)
>> >) * Die Abschaffung jeglicher wirtschaftlicher Gewalt und Hierarchie
>> >) (z.B. Abhaengigkeit von Arbeitgebern und Vermietern)
>> >) * eine erheblich groessere Bewegungsfreiheit (der derzeitige starke
>> >) Zwang zur Sesshaftigkeit ist mir ein besonderer Dorn im Auge).

>Kim, was wuerdest Du denn dann tun, wenn ich mir eine 38special zulege, nach
>Koeln fahre und anfange, Jagd auf Dich zu machen? (Wenn ich es schaffe, all
>denen auszuweichen, die dann auf *MICH* Jagd machen.

>Der Mensch ist ein wildes Tier und nur die Reglementierung und die Androhung
>von Strafen sorgt dafuer, dass wir uns nicht gegenseitig an die Kehle gehen.

Na ja, so hart wuerde ich das nicht sagen, aber es gibt eben eine weite
Palette von Menschen: solche, die selbstlos anderen helfen, die ohne
Ruecksicht auf ihre eigenen Beduerfnisse anderen beistehen aber auch
solche, denen es eben nur auf die Erfuellung ihrer eigenen Beduerfnisse
geht. Und dabei will ich nicht einmal die richtig grossen "wilden Tiere"
nennen. Da braucht bloss der eine eine Garage direkt an's
Nachbargrundstueck zu bauen, oder zwecks Erweiterung des Tennisplatzes die
500 Jahre alten Eichen wegzuhacken.
Und dann gibt es eben die riesengrosse Mittelschicht, mit ihren eigenen,
voellig berechtigten Beduerfnissen, die nur leider nicht alle
Gleichzeitig erfuellt werden koennen, und somit kanalisiert werden
muessen. Ich denke da nur an Urlaub. Wenn uns nicht von oben
gestaffelte Sommerferien verordnet wuerden, dann wuerden wohl alle
gleichzeitig in den Sueden fahren wollen.

[ Rest, dem ich zustimme, geloescht ]

Jan T. Kim

unread,
Oct 27, 1992, 2:52:21 PM10/27/92
to
In <josef.719649084@uranium> Josef Moellers <molle...@sni.de> writes:

>>Ob sie das machen wuerden oder nicht, darueber kann man nur
>>spekulieren. Und selbst wenn solche Spekulationen noch so
>>plausibel klingen, sind sie doch kein Grund, das alternative
>>System abzulehnen. Denn es steht fest, dass im derzeitigen System
>>fast alle Leute versuchen, aus der bestehenden Macht persoenliche
>>Vorteile zu ziehen. Und das obendrein mit bedenklich grossem
>>Erfolg.
>>Missbrauchte Freiheit ist mir noch lieber als missbrauchte Macht.

>Also, mir ist die missbrauchte Macht einiger weniger, weit sichtbarer,
>in der Regel waehlbarer, Leute lieber als Chaos und Anarchie!

Wenn man zwischen diesen beiden waehlen muss wie zwischen Scylla
und Charybdis, dann lassen sich wohl beide Entscheidungen m.o.w.
gut vertreten. Ich kann und will aber nicht glauben, dass es
wirklich nur diese beiden Moeglichkeiten gibt.
Im uebrigen habe ich Probleme mit der vermeintlichen Sichtbarkeit
und Waehlbarkeit der Machthaber. Sicher, den Bundeskanzler kennt
fast jeder und man kann ihn, jedenfalls indirekt, waehlen. Den
Arbeitgeber und den Vermieter kann man sich schon wesentlich
weniger frei waehlen. Und wer durchschaut schon das Geflecht und
Gekluengel aus Wirtschaft, Finanz, Politik und undefinierbarem
Grauen an den Schalthebeln der Macht?

>Ich habe bereits zweimal in meinem Leben (bin 36) die Hilfe staatlicher
>Macht in Anspruch nehmen muessen, um mich gegen Leute zur Wehr zu
>setzen, die meinten, sie brauchten keine Ruecksicht auf andere zu
>nehmen.

Ich bin 27, und bin inzwischen mehrfach Zeuge und Opfer von
Persoenlichkeitsrechtsverletzungen durch die Polizei geworden.
Insgesamt habe ich von der Polizei und der staatlichen
Buerokratie erheblich mehr Bedrohung und Freiheitsberaubung
erfahren als Schutz oder sonstwas Sinnvolle oder Positives.

>Im einen Fall meinten unsere Nachbarn, unbedingt auf einer Terasse
>gegenueber unserem Schlafzimmerfenster in einer "Haeuserschlucht" bis
>ca. 3 Uhr Nachts laut und mit Gegroehle feiern zu muessen. Erst als die
>Jungs in gruen kamen, war Ruhe.

Also ehrlich -- ich weiss, wie aetzend es manchmal sein kann,
wenn nachts irgendwelcher Krach ist, aber braucht man, um so ein
Problem zu loesen, wirklich eine Organisation mit *der*
Machtfuelle, wie sie die Polizei hat?

>Im anderen Fall meinte einer, die linke Spur der Autobahn gehoere ihm
>und wer ihm nicht Platz mache, der muesse bestraft werden.
>Aber wie hieltest Du es denn mit der Freiheit rechtsextremer,
>Asylbewerberheime anzugreifen?
>Wie hieltest Du es mit der Freiheit linksextremer, missliebige Personen
>in die Luft zu sprengen, und die paar Passanten, die dabei 'draufgehen,
>brauchen wir ja wohl nicht zu fragen, oder?
>Wie hieltest Du es mit der Freiheit englischer Fussballfans, einem
>verlorenen Match mit einer kleinen Trauerfeier in der Innenstadt zu
>gedenken?
>Wie hieltest Du es mit der Freiheit eines Unternehmers, seine giftigen
>Schlaemme auf einem Acker vor Deiner Haustuer abzukippen?

>Immer noch besser?

Es ist sicher eine erwiesene Tatsache, dass mit den derzeitigen
Strukturen kein Horrorszenario wie oben geschildert eintritt.
Keinesfalls erwiesen ist es aber, dass es gerade die
hierarchische Organisation der Strukturen ist, die das
beschriebene Szenario verhindert. Nach meiner Einschaetzung kann
auch eine noch so uebermaechtige Polizei und Justiz keinen zur
Gewalttaetigkeit und kriminellem Handeln entschlossenen Menschen
daran hindern, seine Absichten in die Tat umzusetzen.
Es gibt, soweit ich weiss, keinen glaubhaften Beleg dafuer, dass
durch die Persoenlichkeitsrechte verletzende Kontrollen und
drakonische Strafandrohungen (z.B. die Todesstrafe) die
Gewalttaetigkeit von Menschen verhindert oder eingeschraenkt
werden kann.
Das Einzige, was einen Menschen wirklich an Gewalttaetigkeit und
Egoismus hindern und ihn sinnvoll handeln lassen kann, liegt in
dem betreffenden Menschen selbst: Seine Vernunft und seine
Menschlichkeit. Zugegeben: Auf Diese scheint nicht immer und bei
jedem Menschen Verlass zu sein. Aber wer *wirklich* was gegen
Gewalt tun will, muss die Menschen auf dieser Ebene ansprechen.
Man mag nun die Kontrolle durch hierarchische Strukturen fuer ein
geeignetes Mittel halten, das die Menschen zusaetzlich zur ihnen
eigenen Vernunft und Menschlichkeit am Verueben von Gewalttaten
hindert. Ich muss, mit groesstem Bedauern und mit
Zaehneknirschen, einraeumen, dass es derzeit Faelle geben kann
und gibt, in denen durch die kurzfristige Ausuebung
hierarchischer Gewalt noch Schlimmeres verhindert werden kann.
Mein Vertrauen in diejenigen, in deren Macht ein solcher Einsatz
hierarchischer Gewalt steht, ist aber denkbar klein und durch
Ereignisse wie Hoyerswerda, Rostock usw. nicht gerade groesser
geworden.
Wichtiger als die geringe Vertrauenswuerdigkeit der Machthaber
ist jedoch die Tatsache, dass jede Gewalt, sei sie nun
hierarchisch-struktureller oder sonstiger Natur, die Freiheit zur
Entfaltung von Vernunft und Menschlichkeit ernsthaft
einschraenkt. Gewalt behindert also die Entfaltung derjenigen
Eigenschaften eines Menschen, die ihn an der Gewalttaetigkeit
hindern koennen. Zusaetzlich schafft Gewalt bei demjenigen, gegen
den sie angewendet wird, Frustration und Aggression und saet
damit neue Gewaltbereitschaft.
Gewalt gegen Gewalt ist also, auch wenn sie in manchen konkreten
Faellen kurzfristig sinnvoll sein mag, langfristig kein
brauchbares Konzept. Denn sie ruiniert das Einzige, was einen
Menschen von Gewalt abhalten kann.
Das ist vergleichbar mit einem Gipsverband. Es kann einem
Menschen durchaus helfen, wenn man seinen Arm, wenn dieser
verletzt ist, in einen solchen Verband hineinzwaengt. Die
Beweglichkeit des Arms kann dadurch langfristig erhalten werden,
aber nur, wenn man den Arm auch so bald wie moeglich wieder aus
dem Verband befreit. Laesst man ihn andauernd in dem Verband,
wird er verkuemmern und womoeglich bald wieder brechen oder gar
nicht mehr funktionsfaehig werden.

Wenn ich mir das alltaegliche Leben von mir oder sonst einem
m.o.w. durchschnittlichen Bundesbuerger betrachte, kommt die
meiste der taeglich erlebten Gewalt von seiten hierarchischer
Strukturen und nicht von unspezifischer Randale. Die
hierarchischen Strukturen ueben meistens viel mehr Gewalt aus,
als sie Gewalt verhindern. Diese "ueberschuessige" Macht kann man
ihnen sicherlich abnehmen, ohne damit die Gefahr von "Chaos und
Anarchie" (die eigentlich gar keine ist, wie ich in diesem thread
mal angemerkt habe) heraufzubeschwoeren.

Konkrete Beispiele dazu sind:
* Der Polizei werden alle Rechte zu willkuerlichen Kontrollen
entzogen. Wenn ein Polizist bezichtigt wird, dennoch eine solche
Kontrolle ausgeuebt zu haben, muss er gehen, auch wenn ihm der
Fall nicht nachgewiesen werden kann. Dies ist aber mit keinem
Ehrverlust verbunden, und der Einstieg in einen machtfreien Beruf
wird ihm finanziert.
* Die hierarchischen Befugnisse von Vermietern und Arbeitgebern
koennen weitestgehend ohne Ersatz gestrichen werden. Sie werden
ohnehin fast ausschliesslich zum eigenen Vorteil eingesetzt. Dass
in Gruppen aus gleichberechtigten Partnern, also in
hierarchiefreien Strukturen, effizienter gearbeitet werden kann,
ist weiss Gott hinlaenglich erwiesen.

Durch solche Umgestaltungen kann man langfristig der Vernunft und
der Menschlichkeit, den besten Verbuendeten gegen die Gewalt, die
in jedem Menschen irgendwo existieren, zu mehr Freiheit, die sie
zu ihrer Entfaltung brauchen, verhelfen. Natuerlich sind
Brennpunkte, wo die Gewalt die hoechsten Wellen schlaegt, nicht
unbedingt dazu praedestiniert, solche Veraenderungen in radikal
grossen Schritten vorzunehmen. Ein sinnvoll abgestuftes Vorgehen
ist ohnehin wichtig, genauso wie ein eben wieder
zusammengewachsener Arm nicht gleich wieder voll belastbar ist,
sondern u.U. noch eine Weile einen Stuetzverband braucht.

Jan T. Kim

unread,
Oct 27, 1992, 4:01:43 PM10/27/92
to
In <josef.719649695@uranium> Josef Moellers <molle...@sni.de> writes:

>>Ob die 80% da ueberhaupt was mitzureden haben, das haengt davon
>>ab, inwieweit sie von der Realisierung der Alternative selbst
>>betroffen werden.

>Sie werden IMMER davon betroffen sein. 20% ist keine verschwindende
>Minderheit, sondern eine ganz schoene Menge an Leuten, die, auf ihre
>Weise, am Wohlergehen der 80% beteiligt sind. Wenn z.B. auch nur
>dadurch, dass sie die 80% immer 'mal wieder wachruetteln! Die 20% zahlen
>Steuern, konsumieren, produzieren, waehlen.

Aber sie tun das -- nach den in diesem thread gemachten
Voraussetzungen -- nicht freiwillig, sondern unter dem Druck der
80%. Ohne diesen Zwang wuerden sie sich hierarchiefrei
organisieren. Und ich meine, dass die 80% kein Recht haben, die
20% daran zu hindern, auch wenn sie lieber haetten, dass die 20%
weiter das Bruttosozialprodukt des Staates, der von den 80%
gewollt ist, steigern. Eine ethische Berechtigung dazu gibt es
jedenfalls nicht. (Anmerkung: Die Voraussetzung ist weiterhin,
dass die hierarchiefreie Organisation der 20% kein Willkuerterror
oder sowas ist.)

>> Es ist realistischerweise wohl kaum anzunehmen,
>>dass die 80% sich beim Gebrauch eines solchen
>>Mitbestimmungsrechts ueber das Schicksal der 20% nur von noblen
>>und hehren Motiven wie dem Gedanken an den Erhalt des
>>Allgemeinwohls leiten liessen. Realitisch ist vielmehr, dass der
>>Wunsch nach Veraenderung in einem hierarchischen System bei den
>>am staerksten Benachteiligten am groessten ist, und dass
>>diejenigen, die von dem System profitieren oder hoffen, von ihm
>>profitieren zu koennen, gegen Veraenderungen und Alternativen
>>sind. Das ist ueberaus verstaendlich, aber kein Grund, diesen
>>Bessergestellten und vermeintlich Bessergestellten faktisch das
>>alleinige Bestimmungsrecht in Sachen Erprobung von Alternativen
>>zu geben.

>Es gibt viele Gruppen, die Alternativen jedweder Art erprobt haben.
>Ich nenne hier nur: alternative Formen des Zusammenlebens, alternative
>Betriebe usw.
>Viele haben gemerkt, dass damit aber auch Nachteile verbunden sind.

Natuerlich gibt es da Nachteile. Und zwar sowohl solche, die den
alternativen Strukturen inhaerent sind, als auch solche, die
durch hierarchische Strukturen mutwillig verursacht werden, weil
sie die Alternativen zerstoeren wollen (z.B. freie Republik
Wendland, Bankenpolitik gegenueber alternativen Betrieben usw.).
Umso mehr Respekt gebuehrt denen, die trotz dieser
Doppelbelastung die Alternative wagen.

>>Ein prinzipielles Recht der 80%, ueber die Lebensbedingungen der
>>20% zu bestimmen, kann es nicht geben. Dies liefert die 20%
>>schutzlos der willkuerlichen Fremdbestimmung durch die 80% aus,
>>was, von gewichtigen prinzipiellen Argumenten gegen jegliche
>>Fremdbestimmung abgesehen, allein schon aufgrund der egoistischen
>>Zuege im menschlichen Charakter ethisch nicht gerechtfertigt
>>werden kann.
>>Hier wird eine grundsaetzliche Inkonsistenz aller
>>Argumentationen, die einen Sinn oder eine Existenzberechtigung
>>des Staates aus dem menschlichen Egoismus abgeleitet werden soll,
>>deutlich. Klar, wenn einer Macht ueber viele hat, hindert er die
>>vielen am Ausleben ihrer egoistischen Natur. Er zwingt sie,
>>stattdessen beim Ausleben seines Egoismus mitzuwirken. Was das
>>Gute daran sein soll, hat mir bisher noch niemand begreiflich
>>machen koennen.

>Das Gute daran ist, zumindest in unserer Gesellschaft hier (im Gegensatz
>zu z.B. der ex-DDR), dass der einzelne gegen uebertriebenen Egosimus
>anderer angehen kann.

Aha ??! Und wie kann ich mich gegen den uebertriebenen Egoismus
meiner Vermieter wehren? Wie kann mein Freund, der in einem Lager
arbeitet, gegen den uebertriebenen Egoismus seines Arbeitgebers
angehen? Was kann ich gegen eine willkuerliche Durchsuchung durch
die Polizei nachts auf der Strasse machen?
Unbestritten ist es hier besser als in der DDR, als im Irak, als
im Mittelalter usw. Aber 99% aller egoistisch oder durch
Machtverlangen motivierter Uebergriffe sind derzeit gesetzlich
legitimiert. Und bei dem einen Prozent, das rechtlich nicht
zulaessig ist oder waere, besteht in 99% aller Faelle de facto
keine Chance, dieses Recht wirklich zu bekommen.
Das Modell der "westlichen, parlamentarischen Demokratie" mit
Marktwirtschaft ist vielleicht eins der besseren unter den
derzeit existierenden Systemen. Es ist aber kein Ideal, sondern
von einem solchen noch sehr weit entfernt. Es koennte ein Schritt
auf dem Weg zu einer menschlichen, friedlichen und freien
Organisation der Menschen sein -- aber im Augenblick entfernt es
sich eher von diesem Ziel. Und durch seine Ablehnung und
Unterdrueckung jeglicher Alternative behindert es die Menschen
dabei, diesem Ziel naeherzukommen.

>Das Gute daran ist z.B. auch, dass es Rechte und Gesetze gibt, denen
>sich ALLE zu unterwerfen haben, nicht nur "der kleine Mann". Und mir ist
>eine Gesellschaft, in der einige vielleicht etwas mehr "Armfreiheit"
>haben als andere

Theoretisch haben sich alle dem gleichen Gesetz zu unterwerfen,
ja. Aber das Gesetz, und erst recht das praktizierte Recht,
machen schon ganz grosse Unterschiede, je nachdem auf wen sie
angewendet werden. Das fangt damit an, dass Hoehergestellte
(Arbeitgeber, Vermieter, Polizisten) dem Gesetz nach explizit
Rechte haben, die den Untergeordneten abgesprochen werden (z.B.
Gestaltung der Arbeitszeiten, Bestimmung der Beteiligung an
Firmengewinnen, Festsetzung von Mieten, willkuerliche
Kontrollen...). Dann geht es damit weiter, dass ein
finanzstaerkerer Mensch, der i.d.R. auch hoeher auf irgendwelchen
Hierarchieleitern steht, sich bessere Anwaelte und damit auch
bessere Chancen vor Gericht kaufen kann -- das wird von niemandem
im Rechtswesen bestritten. Weiter werden, teils dadurch bedingt,
groessere Tiere meistens viel milder verurteilt (wenn es dazu
ueberhaupt kommt), z.B. mit der Begruendung, sie seien ja besser
"sozialisiert" als irgendwelche armen Schweine. Und wenn das
alles nicht reicht, dann kaufen sich die Bonzen eben irgendwie
raus.

>(wogegen man aber bei Uebertreibung angehen kann),
>lieber als eine Ellbogengesellschaft, wo jeder seine Interessen gegen
>jeden durchsetzen kann.
>Das ist "das Gute" daran!

>>Selbst wenn die starre, pessimistische Annahme, der Mensch sei
>>unter allen Bedingungen gleichermassen ein Egoist, zutreffend
>>waere, waere es dann nicht das Gerechteste, jedem das Ausleben
>>seines eigenen Egoismus zu gestatten?

>Nein, eben nicht! Weil die Freiheit des einen immer eine Einschraenkung
>der Freiheit des anderen bedeutet. Das gibst Du ja selber auch zu.
>Wenn aber nun statt nur einigen wenigen, gegen die man sich, mit
>rechtlichen Mitteln, zur Wehr setzen kann, ALLE sich alle Freiheiten
>nehmen koennen, gegen die man sich dann NICHT mehr zur Wehr setzen
>DARF!

Na gut, man kann sich gegen die Wenigen mit rechtlichen Mitteln
zur Wehr setzen, wenn sie uebertrieben egoistisch handeln. Aber
der ganz normale Egoismus, der die Wenigen staendig hierarchische
Gewalt gegen die Vielen ausueben laesst, wird durch das
gesetzliche Recht den Wenigen ausdruecklich erlaubt. Wenn man das
derart legitimierte Ausleben von Egoismus der Wenigen ausser
Betracht laesst, kommt ein hierarchisches System natuerlich
besser weg.
Das Problem ist halt, dass man sich in unserem Rechtssystem nicht
gegen jeden Egoismus wehren kann, sondern nur gegen eine Auswahl
besonders exzessiver, grausamer und brutaler Formen.

>Vielleicht ist die "starre, pessimistische Annahme" sogar noch
>untertrieben! Vielleicht sind einige Leute durch Regeln nur in ihrem
>Egoismus eingeschraenkt!

>>Die o.g. Annahme halte ich uebrigens fuer ziemlich toericht. Der
>>Mensch hat prinzipiell die Faehigkeit, egoistisch oder
>>altruistisch, ethisch oder verwerflich zu handeln. Was ihm
>>derzeit fehlt, ist die Freiheit, von dieser Faehigkeit
>>uneingeschraenkt Gebrauch zu machen.
>>Gerade in diesen Tagen wuenschte ich mir, das Vertrauen in die
>>Vernunft und Menschlichkeit "des Menschen" waere ebensogross wie
>>das in Vernunft und Menschlichkeit "seines Fuehrers". Wer davon
>>ausgeht, dass es sowas wie Vernunft ueberhaupt gibt, kann doch
>>nicht glauben, diese koenne einem Menschen nur durch permanenten,
>>massiven Zwang eingetruemmert werden.

>Ich versuche mir immer wieder eine grosse Menge von Individuen
>vorzustellen (gross = >1.000.000), die ganz ohne irgendeine
>Organisationsform miteinander leben. Jeder kann machen, was er will!

Wer hat eigentlich jemals "ohne Organisationsform" gesagt?? Ich
jedenfalls habe, soweit ich mich entsinnen kann, immer nur von
"nichthierarchischen Organisationsformen" oder einer
"nichthierarchischen Gestaltung des menschlichen Miteinanders"
und Aehnlichem geschrieben.
Organisation einerseits, und Macht, Hierarchie, Zwang und Gewalt
andererseits sind zwei Komplexe, die, ausser dass sie manchmal in
einen Topf geworfen werden, nichts miteinander zu tun haben.

>Keine Regierung, die irgendetwas vorschreibt. Keine Polizei, die
>aufpasst. Keine Verwaltung, die plant und verwaltet.

Wenn in unserem Institut was laufen soll, dann muessen wir die
Planung schon selber in die Hand nehmen. Dass die Verwaltung
verwaltet, kann wohl nicht bestritten werden, aber ich habe noch
nicht erlebt, dass dabei was Sinnvolles wie ein brauchbarer Plan
oder sowas rausgekommen waere.

>Jeder fuer sich und Gott fuer/gegen uns alle!

>Wunderbar!

>Mal sehen, was so meine geheimsten Wuensche sind. Ich moechte naemlich
>auch meinen persoenlichen Egoismus ausleben koennen!

Ich auch. Aber ich kenne viele vernuenftige Gruende, das nicht zu
tun, sondern stattdessen sinnvoll und ethisch verantwortlich zu
handeln. Mich gratis zum Erfuellungsgehilfen von Vermietern,
Polizisten und sonstigen Bonzen zum Ausleben ihrer Machtgelueste
und ihres Egoismus zu machen, das halte ich allerdings weder fuer
vernuenftig, noch fuer sinnvoll, noch fuer ethisch wertvoll.

Jan T. Kim

unread,
Oct 27, 1992, 4:28:16 PM10/27/92
to
In <QqiTr*O...@forge.erh.sub.org> bar...@forge.erh.sub.org (Henning Schmiedehausen) writes:

>> Dietrich Froemming schrieb:
>>
>> >In article <1992Oct12.1...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de
>> >(Jan T. Kim) writes:
>> >
>> >[...]
>> >) Meine persoenliche Idealvorstellung umfasst u.a.:
>> >) * Die Abschaffung jeglicher staatlicher Gewalt und Hierarchie,
>> >) (z.B. Polizei, Behoerden, Justizapparat)
>> >) * Die Abschaffung jeglicher wirtschaftlicher Gewalt und Hierarchie
>> >) (z.B. Abhaengigkeit von Arbeitgebern und Vermietern)
>> >) * eine erheblich groessere Bewegungsfreiheit (der derzeitige starke
>> >) Zwang zur Sesshaftigkeit ist mir ein besonderer Dorn im Auge).

>Kim, was wuerdest Du denn dann tun, wenn ich mir eine 38special zulege, nach

fyi, mein Vorname ist Jan. Nur um kuenftiger Verunsicherung
vorzubeugen...

>Koeln fahre und anfange, Jagd auf Dich zu machen? (Wenn ich es schaffe, all
>denen auszuweichen, die dann auf *MICH* Jagd machen.

>Der Mensch ist ein wildes Tier und nur die Reglementierung und die Androhung
>von Strafen sorgt dafuer, dass wir uns nicht gegenseitig an die Kehle gehen.

Soso, und die Loesung ist also, dass man wenigen dieser wilden
Tiere das Recht zuspricht, den Restlichen die Gurgel
zuzudruecken.

>Was nach Abschaffung der Hierarchie und der staatlichen Behoerden passiert,
>kann ich Dir genau sagen:

>- 'rechte' Schlaegertrupps jagen und knuepfen Auslaender auf
>- 'linke' Rollkommandos sprengen beliebig Leute in die Luft
>- sog. Waffennarren fangen an, auf Leute zu ballern
>- saemtliche Perverse, die hier so rumlaufen, fangen an, sich Kinder, Frauen,
> etc. zu greifen
>- Frauen werden vermutlich zu Freiwild erklaert
>- Maenner sicher auch
>- Normale Menschen so wie Du oder ich wuerden einfach still sterben oder
> abgeschlachtet werden

Aha. Mich wuerde mal interessieren, woher Du das so genau weisst.
Im Uebrigen hat Josef Moellers auch so ein Horrorszenario
entworfen und ich habe gerade ein followup gepostet, in dem ich
mich damit auseinandersetze und darlege, dass es ja vielleicht
auch noch mehr geben koennte als staatliche Repression oder
Willkuerterror.

>... so wuerde Deine hochgelobte Anarchie in Wirklichkeit aussehen...

Der naechste, der mir nachsagt, ich haette "Anarchie" das Wort
geredet...

>> >Schoen. Wirklich schoenes System, doch mit Leuten wie mir, wuerde
>> >sowas nie funktionieren, weil ich immer versuchen werde, meinen
>> >persoenlichen Vorteil aus der fehlenden Macht so eines Systems
>> >zu ziehen.
>> >Das wuerden uebrigens die meisten machen.

>Ich knirsche zwar mit den Zaehnen, weil ich D.F. zustimmen muss, aber er hat
>recht: Genau dass wuerde ich auch machen (wie sicher 90% der
>Zivilbevoelkerung)

Aha. Aber woher weisst Du, dass die Machthaber nicht genau das
machen, was Dietrich, Du, und 90% der Zivilbevoelkerung machen
wuerden, wenn man sie liesse? Koennte es sein, dass Du den
Herrschenden da sowas wei Vernunft zutraust? Koennte es weiterhin
sein, dass Du auch bei Dir selbst soviel Vernunft vermutest, dass
es Dir moeglich ist, Vernuenftiges von Egositischem im Handeln
der Herrschenden zu unterscheiden? Koennte diese Deine Vernunft
Dich nicht auch in die Lage versetzen, fuer Dich selbst
vernuenftiges Handeln zu finden?
Wieso traust Du einem Menschen, der ein wildes Tier ist, viel
mehr Ethik und Vernunft als Dir selbst zu, nur weil er es
geschafft hat, bis an die Spitze einer Hierarchieleiter zu
gelangen?

>(Dagegen waere das Ex-Jugoslavien ein Waisenhaus)

>> Missbrauchte Freiheit ist mir noch lieber als missbrauchte Macht.

>Deine Ideen bedeuten keine Freiheit. Sie bedeuten die Hoelle auf Erden.

>(Wirklich, was wuerdest Du machen, wenn ich dann beschliessen wuerde, dass
>die Existenz eines Jan T. Kim auf diesem Planeten meiner persoenlichen
>Freiheit entgegenwirkt? Freiwillig aufgeben?)

Nein. Ebensowenig wie ich in meiner jetzigen Situation die Suche
nach einem menschlicheren, hierarchieaermeren System aufgebe.

Josef Moellers

unread,
Oct 28, 1992, 3:37:31 AM10/28/92
to

>In <josef.719649084@uranium> Josef Moellers <molle...@sni.de> writes:

>>>Ob sie das machen wuerden oder nicht, darueber kann man nur
>>>spekulieren. Und selbst wenn solche Spekulationen noch so
>>>plausibel klingen, sind sie doch kein Grund, das alternative
>>>System abzulehnen. Denn es steht fest, dass im derzeitigen System
>>>fast alle Leute versuchen, aus der bestehenden Macht persoenliche
>>>Vorteile zu ziehen. Und das obendrein mit bedenklich grossem
>>>Erfolg.
>>>Missbrauchte Freiheit ist mir noch lieber als missbrauchte Macht.

>>Also, mir ist die missbrauchte Macht einiger weniger, weit sichtbarer,
>>in der Regel waehlbarer, Leute lieber als Chaos und Anarchie!

>Wenn man zwischen diesen beiden waehlen muss wie zwischen Scylla
>und Charybdis, dann lassen sich wohl beide Entscheidungen m.o.w.
>gut vertreten. Ich kann und will aber nicht glauben, dass es
>wirklich nur diese beiden Moeglichkeiten gibt.
>Im uebrigen habe ich Probleme mit der vermeintlichen Sichtbarkeit
>und Waehlbarkeit der Machthaber. Sicher, den Bundeskanzler kennt
>fast jeder und man kann ihn, jedenfalls indirekt, waehlen. Den
>Arbeitgeber und den Vermieter kann man sich schon wesentlich
>weniger frei waehlen. Und wer durchschaut schon das Geflecht und
>Gekluengel aus Wirtschaft, Finanz, Politik und undefinierbarem
>Grauen an den Schalthebeln der Macht?

Dem kann ich wenig entgegensetzen.

>>Ich habe bereits zweimal in meinem Leben (bin 36) die Hilfe staatlicher
>>Macht in Anspruch nehmen muessen, um mich gegen Leute zur Wehr zu
>>setzen, die meinten, sie brauchten keine Ruecksicht auf andere zu
>>nehmen.

>Ich bin 27, und bin inzwischen mehrfach Zeuge und Opfer von
>Persoenlichkeitsrechtsverletzungen durch die Polizei geworden.
>Insgesamt habe ich von der Polizei und der staatlichen
>Buerokratie erheblich mehr Bedrohung und Freiheitsberaubung
>erfahren als Schutz oder sonstwas Sinnvolle oder Positives.

Vielleicht siehst Du das "Sinnvolle oder Positives" nicht und den
Schutz, den Du geniesst. Oder Du willst Ihn nicht sehen?

>>Im einen Fall meinten unsere Nachbarn, unbedingt auf einer Terasse
>>gegenueber unserem Schlafzimmerfenster in einer "Haeuserschlucht" bis
>>ca. 3 Uhr Nachts laut und mit Gegroehle feiern zu muessen. Erst als die
>>Jungs in gruen kamen, war Ruhe.

>Also ehrlich -- ich weiss, wie aetzend es manchmal sein kann,
>wenn nachts irgendwelcher Krach ist, aber braucht man, um so ein
>Problem zu loesen, wirklich eine Organisation mit *der*
>Machtfuelle, wie sie die Polizei hat?

a) Ich habe vorher mehrfach dort angerufen, um meine Ruhe zu bekommen.
Reaktionen waren zwischen "gar nichts" und Bemerkungen wie "Da will
einer seine Ruhe! - Na, dann legen wir erst einmal richtig los!" ...
mit entsprechenden Folgen.
b) Vom Ordnungsamt war zu der Zeit (3.00 Uhr Nachts) keiner erreichbar.

>>Im anderen Fall meinte einer, die linke Spur der Autobahn gehoere ihm
>>und wer ihm nicht Platz mache, der muesse bestraft werden.
>>Aber wie hieltest Du es denn mit der Freiheit rechtsextremer,
>>Asylbewerberheime anzugreifen?
>>Wie hieltest Du es mit der Freiheit linksextremer, missliebige Personen
>>in die Luft zu sprengen, und die paar Passanten, die dabei 'draufgehen,
>>brauchen wir ja wohl nicht zu fragen, oder?
>>Wie hieltest Du es mit der Freiheit englischer Fussballfans, einem
>>verlorenen Match mit einer kleinen Trauerfeier in der Innenstadt zu
>>gedenken?
>>Wie hieltest Du es mit der Freiheit eines Unternehmers, seine giftigen
>>Schlaemme auf einem Acker vor Deiner Haustuer abzukippen?

>>Immer noch besser?

>Es ist sicher eine erwiesene Tatsache, dass mit den derzeitigen
>Strukturen kein Horrorszenario wie oben geschildert eintritt.
>Keinesfalls erwiesen ist es aber, dass es gerade die
>hierarchische Organisation der Strukturen ist, die das
>beschriebene Szenario verhindert. Nach meiner Einschaetzung kann
>auch eine noch so uebermaechtige Polizei und Justiz keinen zur
>Gewalttaetigkeit und kriminellem Handeln entschlossenen Menschen
>daran hindern, seine Absichten in die Tat umzusetzen.

Einen zum letzten entschlossenen nicht, aber das Gros der Leute, die es
eben gelegentlich nicht so genau nehmen. Ich will denen gar nicht
Mutwilligkeit nachsagen, nur Gedankenlosigkeit. Und wenn da die Gefahr
einer Strafe hintersteht, dann macht man sich eben doch seine Gedanken.
Hier in PB wagt keiner, in der Innenstadt seinen Wagen nicht
ordnungsgemaess abzustellen, aber in den Wohngebieten kann man nicht
mehr mit einem Kinderwagen durchgaengig den Buergersteig befahren!

>Es gibt, soweit ich weiss, keinen glaubhaften Beleg dafuer, dass
>durch die Persoenlichkeitsrechte verletzende Kontrollen und
>drakonische Strafandrohungen (z.B. die Todesstrafe) die
>Gewalttaetigkeit von Menschen verhindert oder eingeschraenkt
>werden kann.

Na ja, da muss man wohl die Juristen fragen. Ich glaub' das schon (siehe
Beispiel oben).

>Das Einzige, was einen Menschen wirklich an Gewalttaetigkeit und
>Egoismus hindern und ihn sinnvoll handeln lassen kann, liegt in
>dem betreffenden Menschen selbst: Seine Vernunft und seine
>Menschlichkeit. Zugegeben: Auf Diese scheint nicht immer und bei
>jedem Menschen Verlass zu sein. Aber wer *wirklich* was gegen
>Gewalt tun will, muss die Menschen auf dieser Ebene ansprechen.
>Man mag nun die Kontrolle durch hierarchische Strukturen fuer ein
>geeignetes Mittel halten, das die Menschen zusaetzlich zur ihnen
>eigenen Vernunft und Menschlichkeit am Verueben von Gewalttaten
>hindert. Ich muss, mit groesstem Bedauern und mit
>Zaehneknirschen, einraeumen, dass es derzeit Faelle geben kann
>und gibt, in denen durch die kurzfristige Ausuebung
>hierarchischer Gewalt noch Schlimmeres verhindert werden kann.
>Mein Vertrauen in diejenigen, in deren Macht ein solcher Einsatz
>hierarchischer Gewalt steht, ist aber denkbar klein und durch
>Ereignisse wie Hoyerswerda, Rostock usw. nicht gerade groesser
>geworden.

Gewalttaten sind eines, aber Gedankenlosigkeit und Bequenlichkeit sind
etwas anderes. Du solltest Dich 'mal bei Deinem zustaendigen Landgericht
erkundigen, wie viele Faelle von gewaltsamen Auseinandersetzungen es
zwischen Nachbarn gibt!
Wenn ich mich zur Durchsetzung meiner Rechte nicht der anonymen Gewalt
des Staates bedienen kann, sondern selber zusehen muss, wie ich mir mein
recht verschaffe, wird so mancher sicher _mir_ gegenueber rabiat werden.
Dann soll sich doch ein Polizist angreifen lassen. Der geniesst dann den
Schutz des Paragraphen "Widerstand gegen die Staatsgewalt".
Wenn ich persoenlich versucht haette, die vollgesoffenen Leute auf ihrem
Balkon zur Ruhe zu bringen, na ich weiss nicht, die Sprueche die ich
gehoert habe reichen mir!

>Wichtiger als die geringe Vertrauenswuerdigkeit der Machthaber
>ist jedoch die Tatsache, dass jede Gewalt, sei sie nun
>hierarchisch-struktureller oder sonstiger Natur, die Freiheit zur
>Entfaltung von Vernunft und Menschlichkeit ernsthaft
>einschraenkt. Gewalt behindert also die Entfaltung derjenigen
>Eigenschaften eines Menschen, die ihn an der Gewalttaetigkeit
>hindern koennen. Zusaetzlich schafft Gewalt bei demjenigen, gegen
>den sie angewendet wird, Frustration und Aggression und saet
>damit neue Gewaltbereitschaft.

Gewalt behindert erst einmal die _unkontrollierte_ Entfaltung
irgedwelcher Eigenschaften.
Du koenntest ja mal versuchen, durch ein Gespraech mit den Randalierern
und Moerdern von Rostock, Hoyerswerda u.ae. Frieden zu schaffen.
Vielleicht haben die Polizisten, die nicht sofort eingegriffen haben, ja
ueberlegt, ob Gegengewalt nicht neue Gewalt erzeugt. (Hier verzichte ich
aus Pietaet auf ein Smilie!)

>Gewalt gegen Gewalt ist also, auch wenn sie in manchen konkreten
>Faellen kurzfristig sinnvoll sein mag, langfristig kein
>brauchbares Konzept. Denn sie ruiniert das Einzige, was einen
>Menschen von Gewalt abhalten kann.

Wenn man von dieser These ausgeht, klar!
Wenn man aber Gewalt eben als Mittel ansieht, um extreme Auswuechse zu
verhindern, dann ja!
Um bei meinem (harmlosen) Beispiel der Terassenfeier zu bleiben: Ich
habe bis 3.00Uhr Nachts auf Gewalt verzichtet und versucht, durch
Ueberredung meine Ruhe zu bekommen. Dann ist mir die Hutschnur
geplatzt!

>Das ist vergleichbar mit einem Gipsverband. Es kann einem
>Menschen durchaus helfen, wenn man seinen Arm, wenn dieser
>verletzt ist, in einen solchen Verband hineinzwaengt. Die
>Beweglichkeit des Arms kann dadurch langfristig erhalten werden,
>aber nur, wenn man den Arm auch so bald wie moeglich wieder aus
>dem Verband befreit. Laesst man ihn andauernd in dem Verband,
>wird er verkuemmern und womoeglich bald wieder brechen oder gar
>nicht mehr funktionsfaehig werden.

Waehrend des durchaus Faelle geben wird, bei denen ein zu langer Verband
Schaden angerichtet hat (meine Frau hat nach einem Baenderriss zu lange
die Schiene 'drangehabt. Sie stand kurz vor einer forcierten
Mobilisierung, d.h. "mit Gewlt" waere dann ihr Knie gebeugt worden),
wird kein Arzt auf einen Gipsverband verzichten, um ein gebrochenes
Glied ruhigzustellen!

>Wenn ich mir das alltaegliche Leben von mir oder sonst einem
>m.o.w. durchschnittlichen Bundesbuerger betrachte, kommt die
>meiste der taeglich erlebten Gewalt von seiten hierarchischer
>Strukturen und nicht von unspezifischer Randale. Die
>hierarchischen Strukturen ueben meistens viel mehr Gewalt aus,
>als sie Gewalt verhindern. Diese "ueberschuessige" Macht kann man
>ihnen sicherlich abnehmen, ohne damit die Gefahr von "Chaos und
>Anarchie" (die eigentlich gar keine ist, wie ich in diesem thread
>mal angemerkt habe) heraufzubeschwoeren.

OK, die meiste "Gewalt" kommt sicher von aussen. Aber wohl eher nach dem
Prinzip "Aktio=Reaktio", d.h. man laeuft gegen eine Grenze, die von
anderen gezogen wurde, und sieht das dann als Gewalt der anderen gegen
einen. Du magst irgendwann Deine Freiheit in eine Richtung auszudehnen
versucht haben, in der die Gesellschaft (durch von ihr gewaehlte
"Hierarchie") eine Grenze gesetzt hat. Aber ohne Grenzen, ohne "Tabus"
kommt wohl keine Gesellschaft aus, nicht einmal eine nicht-hierarchisch
organisierte.

>Konkrete Beispiele dazu sind:
> * Der Polizei werden alle Rechte zu willkuerlichen Kontrollen
>entzogen. Wenn ein Polizist bezichtigt wird, dennoch eine solche
>Kontrolle ausgeuebt zu haben, muss er gehen, auch wenn ihm der
>Fall nicht nachgewiesen werden kann. Dies ist aber mit keinem
>Ehrverlust verbunden, und der Einstieg in einen machtfreien Beruf
>wird ihm finanziert.

Na, also da rollen sich mir ja die Fussnaegel auf B-{)
Eine einfache, boswillige Anzeige reicht? Da werden ja alle
rechtsstaatlichen Grundlagen mit Fuessen getreten!
Letztendlich sind Polizisten auch Menschen, und vielleicht solche, die
Spass an ihrem Beruf haben. Nicht alle Polizisten sind bei der
Bereitschaftspolizei, die sich bei Krawallen nicht gerade mit Ruhm
bekleckert haben, aber einem Menschen einfach so seinen Job wegzunehmen,
nur weil der mich letzten Sonntag nach meiner kleinen Feier zu Fuss nach
Hause hat gehen lassen (ich weiss, ich weiss, er haette mich sogar zu
einer Alkoholkontrolle mitnehmen koennen und dann waere ich meinen
Fuehrerschein los gewesen, aber nach 10 Bier und schlampige 10 Kurzen
konnte ich eigentlich noch ganz gut fahren!)
Ausserdem "ohne Ehrverlust", auch da sind wieder Menschen im Spiel. Wie
oft werden Leute zu Unrecht angeklagt, verurteilt aber dann wieder
"rehabilitiert". Da bleibt _immer_ etwas haengen. "Da wird ja wohl was
'dran sein, sonst haetten die den nicht mitgenommen!"

> * Die hierarchischen Befugnisse von Vermietern und Arbeitgebern
>koennen weitestgehend ohne Ersatz gestrichen werden. Sie werden
>ohnehin fast ausschliesslich zum eigenen Vorteil eingesetzt. Dass
>in Gruppen aus gleichberechtigten Partnern, also in
>hierarchiefreien Strukturen, effizienter gearbeitet werden kann,
>ist weiss Gott hinlaenglich erwiesen.

Und die Vermieter vermieten ihre Haeuser dann aus Goodwill, oder wie,
oder was?
Ich habe gerade meine letzte Mieterhoehung bekommen: "Nur 17,nochwas
Prozent". Nun ist leider durch Uebersiedler und Studenten der
Wohnungsmarkt hier in PB leergefegt. Angobot+Nachfrage -> hohe Mieten!
Ich werd' den Teufel tun und ausziehen! Gott sei Dank hat der Staat die
Mieterhoehungen auf 30% in drei Jahren limitiert, ich moechte nicht
wissen, was ich sonst bezahlen muesste! Und ich glaube kaum, dass unser
Haus lange Zeit leer stehen wuerde, auch wenn der neue Mietvertrag eine
wesentlich hoehere Miete enthalten wuerde! Gott sei Dank gibt es so
etwas wie einen Kuendigungsschutz fuer Mietwohnungen (und -haeuser)!

Wenn Du die Fachpresse lesen wuerdest, waere Dir aufgefallen, dass es
meinem Broetchengeber, wie so vielen in unserer Branche, nicht gerade
rosig geht (Na klar, die Millionengewinne werden abgeschoepft, wir
bekommen dafuer die Verluste!).
Tja, nun steht er da, mit viel zu vielen Mitarbeitern! Aber entlassen?
Geht nicht, Arbeitsschutzgesetz!

Und sowieso "gleichberechtigt"! Wer soll denn die gleichen Rechte fuer
mich durchsetzen, wenn der Vermieter seinen Egoismus ausleben will?

>Durch solche Umgestaltungen kann man langfristig der Vernunft und
>der Menschlichkeit, den besten Verbuendeten gegen die Gewalt, die
>in jedem Menschen irgendwo existieren, zu mehr Freiheit, die sie
>zu ihrer Entfaltung brauchen, verhelfen. Natuerlich sind
>Brennpunkte, wo die Gewalt die hoechsten Wellen schlaegt, nicht
>unbedingt dazu praedestiniert, solche Veraenderungen in radikal
>grossen Schritten vorzunehmen. Ein sinnvoll abgestuftes Vorgehen
>ist ohnehin wichtig, genauso wie ein eben wieder
>zusammengewachsener Arm nicht gleich wieder voll belastbar ist,
>sondern u.U. noch eine Weile einen Stuetzverband braucht.

Diese "schrittweise Umgestaltung" klingt wie die Umstellung von Links-
auf Rechtsverkehr: die LKWs fangen an! Sorry, wenn ich jetzt laecherlich
wirke, aber das ist alles ein bischen wirklichkeitsfremd! OK, wenn man
es einem Menschen ansehen kann, ob er boeses oder gutes im Schilde
fuehrt, dann koennte man ja 'mal damit anfangen, die Guten nicht mehr zu
kontrollieren, aber so geht's nun 'mal nicht.
Nach dem Gleichbehandlungsprinzip geniessen (leider) sowohl die Boesen
den Schutz, den wir Guten uns erhoffen, und umgekehrt muessen wir Guten
darunter leiden, wenn gegen Boese angegangen wird.

Ich kenne Dich nicht persoenlich, aber ich kann mich einfach des
Eindrucks nicht erwehren, als ob Du nicht in unserer Welt lebst.
Ich will jetzt nicht anfangen mit "Krieg erst 'mal eine Familie,
versuche ein Haus zu mieten, such' Dir 'mal 'ne richtige Arbeit"
(vielleicht bist Du verheiratet mit Kindern, wohnst in einem Reihenhaus
und "am Institut" wird ja auch gearbeitet), aber ich sehe immer die
Gruenen, die dann in eine Regierung gekommen sind (Beispiel: Josef
Fischer). Dann werden aus Schreihaelsen auf einmal Leute, die sehen,
dass es eventuell gar nicht anders geht!
Oder die Leute, die in den 60-er Jahren auf die Strasse gegangen sind!
Wo sind die denn heute?

Man kann zwar schoen traeumen, wie's denn wohl sein koennte, aber man
muss bitteschoen auf dem Teppich bleiben.

Josef Moellers

unread,
Oct 28, 1992, 4:29:59 AM10/28/92
to

>In <josef.719649695@uranium> Josef Moellers <molle...@sni.de> writes:

>>>Ob die 80% da ueberhaupt was mitzureden haben, das haengt davon
>>>ab, inwieweit sie von der Realisierung der Alternative selbst
>>>betroffen werden.

>>Sie werden IMMER davon betroffen sein. 20% ist keine verschwindende
>>Minderheit, sondern eine ganz schoene Menge an Leuten, die, auf ihre
>>Weise, am Wohlergehen der 80% beteiligt sind. Wenn z.B. auch nur
>>dadurch, dass sie die 80% immer 'mal wieder wachruetteln! Die 20% zahlen
>>Steuern, konsumieren, produzieren, waehlen.

>Aber sie tun das -- nach den in diesem thread gemachten
>Voraussetzungen -- nicht freiwillig, sondern unter dem Druck der
>80%. Ohne diesen Zwang wuerden sie sich hierarchiefrei
>organisieren. Und ich meine, dass die 80% kein Recht haben, die
>20% daran zu hindern, auch wenn sie lieber haetten, dass die 20%
>weiter das Bruttosozialprodukt des Staates, der von den 80%
>gewollt ist, steigern. Eine ethische Berechtigung dazu gibt es
>jedenfalls nicht. (Anmerkung: Die Voraussetzung ist weiterhin,
>dass die hierarchiefreie Organisation der 20% kein Willkuerterror
>oder sowas ist.)

Ich meine schon, dass die 80% ein Recht dazu haben. Genauso, wie wir,
meine ich, ein Recht dazu haben, Druck auf die kriegfuehrenden Parteien
in ex-Jugoslawien aus zu ueben, mit dem Morden aufzuhoeren, genauso wie
wir das Recht dazu haben/hatten, Druck auf Suedafrika aus zu ueben, mit
ihrer menschenverachtenden Apartheit-Politik aufzuhoeren.

>>> Es ist realistischerweise wohl kaum anzunehmen,
>>>dass die 80% sich beim Gebrauch eines solchen
>>>Mitbestimmungsrechts ueber das Schicksal der 20% nur von noblen
>>>und hehren Motiven wie dem Gedanken an den Erhalt des
>>>Allgemeinwohls leiten liessen. Realitisch ist vielmehr, dass der
>>>Wunsch nach Veraenderung in einem hierarchischen System bei den
>>>am staerksten Benachteiligten am groessten ist, und dass
>>>diejenigen, die von dem System profitieren oder hoffen, von ihm
>>>profitieren zu koennen, gegen Veraenderungen und Alternativen
>>>sind. Das ist ueberaus verstaendlich, aber kein Grund, diesen
>>>Bessergestellten und vermeintlich Bessergestellten faktisch das
>>>alleinige Bestimmungsrecht in Sachen Erprobung von Alternativen
>>>zu geben.

>>Es gibt viele Gruppen, die Alternativen jedweder Art erprobt haben.
>>Ich nenne hier nur: alternative Formen des Zusammenlebens, alternative
>>Betriebe usw.
>>Viele haben gemerkt, dass damit aber auch Nachteile verbunden sind.

>Natuerlich gibt es da Nachteile. Und zwar sowohl solche, die den
>alternativen Strukturen inhaerent sind, als auch solche, die
>durch hierarchische Strukturen mutwillig verursacht werden, weil
>sie die Alternativen zerstoeren wollen (z.B. freie Republik
>Wendland, Bankenpolitik gegenueber alternativen Betrieben usw.).
>Umso mehr Respekt gebuehrt denen, die trotz dieser
>Doppelbelastung die Alternative wagen.

Jetzt ueben die 20% aber Druck auf die 80% aus, nicht so zu leben wie
sie wollen, naemlich mit den 20% zusammen!

>>>Ein prinzipielles Recht der 80%, ueber die Lebensbedingungen der
>>>20% zu bestimmen, kann es nicht geben. Dies liefert die 20%
>>>schutzlos der willkuerlichen Fremdbestimmung durch die 80% aus,
>>>was, von gewichtigen prinzipiellen Argumenten gegen jegliche
>>>Fremdbestimmung abgesehen, allein schon aufgrund der egoistischen
>>>Zuege im menschlichen Charakter ethisch nicht gerechtfertigt
>>>werden kann.
>>>Hier wird eine grundsaetzliche Inkonsistenz aller
>>>Argumentationen, die einen Sinn oder eine Existenzberechtigung
>>>des Staates aus dem menschlichen Egoismus abgeleitet werden soll,
>>>deutlich. Klar, wenn einer Macht ueber viele hat, hindert er die
>>>vielen am Ausleben ihrer egoistischen Natur. Er zwingt sie,
>>>stattdessen beim Ausleben seines Egoismus mitzuwirken. Was das
>>>Gute daran sein soll, hat mir bisher noch niemand begreiflich
>>>machen koennen.

>>Das Gute daran ist, zumindest in unserer Gesellschaft hier (im Gegensatz
>>zu z.B. der ex-DDR), dass der einzelne gegen uebertriebenen Egosimus
>>anderer angehen kann.

>Aha ??! Und wie kann ich mich gegen den uebertriebenen Egoismus
>meiner Vermieter wehren? Wie kann mein Freund, der in einem Lager
>arbeitet, gegen den uebertriebenen Egoismus seines Arbeitgebers
>angehen? Was kann ich gegen eine willkuerliche Durchsuchung durch
>die Polizei nachts auf der Strasse machen?

In meinem anderen Followup habe ich schon gezeigt, wie auch ich diesen
Druck/Egoismus erfahre. In einer Situation, in der Angebot und Nachfrage
ungleich verteilt sind (und wann sind sie das nicht?), wird immer die
Seite mit dem kleinen Angebot Druck auf die Seite mit der grossen
Nachfrage ausueben koennen.
Ist genuegend Wohnraum vorhanden, kann mich eine Mieterhoehung kalt
lassen: ziehe ich doch einfach um! Ist genuegend Arbeit vorhanden, kann
mich ein Abbau von freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers kalt lassen:
suche ich mir einfach einen anderen Job!
Nun ist z.Zt. die Lage im Vorteil der anderen: Wenig Wohnraum, wenig
Arbeit. Und da sind die Vermieter/Arbeitgeber im Vorteil!
Aktuelles Beispiel: vor einigen Jahren ging's unserer Firma (damals noch
ohne S.) praechtig: zweistellige Zuwachsraten, Arbeit en masse! Da
durfte ich zweimal im Jahr auf EUUG-Konferenzen fahren: Manchaster,
London, Nizza, Helsinki, etc. Heute darf ich da besser nicht 'drueber
anfangen!

>Unbestritten ist es hier besser als in der DDR, als im Irak, als
>im Mittelalter usw. Aber 99% aller egoistisch oder durch
>Machtverlangen motivierter Uebergriffe sind derzeit gesetzlich
>legitimiert. Und bei dem einen Prozent, das rechtlich nicht
>zulaessig ist oder waere, besteht in 99% aller Faelle de facto
>keine Chance, dieses Recht wirklich zu bekommen.

Mag schon so sein, dass Du das so erfaehrst! Aber nur dadurch, dass es
eben 99% sind, macht das noch keine Diktatur aus, auch wenn die Zahlen
so aussehen.

>Das Modell der "westlichen, parlamentarischen Demokratie" mit
>Marktwirtschaft ist vielleicht eins der besseren unter den
>derzeit existierenden Systemen. Es ist aber kein Ideal, sondern
>von einem solchen noch sehr weit entfernt. Es koennte ein Schritt
>auf dem Weg zu einer menschlichen, friedlichen und freien
>Organisation der Menschen sein -- aber im Augenblick entfernt es
>sich eher von diesem Ziel. Und durch seine Ablehnung und
>Unterdrueckung jeglicher Alternative behindert es die Menschen
>dabei, diesem Ziel naeherzukommen.

Ein Ideal wird immer ein Ideal bleiben. Versucht man ein Ideal mit
realen Mitteln (Menschen) herzustellen, so wird man immer scheitern.
Klar, wenn man ausgewaehlte, ideale Menschen nimmt, dann koennte es
klappen, aber es gibt eben auch nicht-ideale, eben reale Menschen!

Um Dein Beispiel der "Freien Republik Wendland" 'mal zu nehmen.
Kannst Du mir sagen, was diese idealen Menschen machen, wenn z.B. ein
reale Pedophil kommt, und unter ihnen wohnen will?
Oder ein Neonazi? Oder ein Egoist vom saubersten Wasser?

Ist es nicht so, dass sich in einer nichthierarchischen Gesellschaft,
die Beduerfnisse des einzelnen den Beduerfnissen der Allgemeinheit
unterzuordnen haben?

>>Das Gute daran ist z.B. auch, dass es Rechte und Gesetze gibt, denen
>>sich ALLE zu unterwerfen haben, nicht nur "der kleine Mann". Und mir ist
>>eine Gesellschaft, in der einige vielleicht etwas mehr "Armfreiheit"
>>haben als andere

>Theoretisch haben sich alle dem gleichen Gesetz zu unterwerfen,
>ja. Aber das Gesetz, und erst recht das praktizierte Recht,
>machen schon ganz grosse Unterschiede, je nachdem auf wen sie
>angewendet werden. Das fangt damit an, dass Hoehergestellte
>(Arbeitgeber, Vermieter, Polizisten) dem Gesetz nach explizit
>Rechte haben, die den Untergeordneten abgesprochen werden (z.B.
>Gestaltung der Arbeitszeiten, Bestimmung der Beteiligung an
>Firmengewinnen, Festsetzung von Mieten, willkuerliche
>Kontrollen...).

Nun, dem stehen aber Arbeitsrecht, Mietrecht u.ae. gegenueber.
Auch als Mieter habe ich Rechte: Mein Vermieter kann mich nicht einfach
'rausschmeissen, kann die Miete nicht beliebig erhoehen, muss gewisse
Reparaturen ausfuehren (davon hab' ich schon 'mal Gebrauch gemacht).
Auch als Arbeitnehmer habe ich Rechte: Kuendigungsschutz,
Gesundheitsschutz (wir 80% Nichtraucher ueben Druck auf auf 20%
Raucher NICHT im Buero zu Rauchen!), Recht auf Entlohnung,
Sozialleistungen, etc.
D.h. jeder hat Rechte (mancher mehr als andere), aber mit diesen Rechten
gehen auch Pflichten einher. Und die Einhaltung dieser Pflichten, vor
allem durch andere, sehen wir als selbstverstaendlich an.

> Dann geht es damit weiter, dass ein
>finanzstaerkerer Mensch, der i.d.R. auch hoeher auf irgendwelchen
>Hierarchieleitern steht, sich bessere Anwaelte und damit auch
>bessere Chancen vor Gericht kaufen kann -- das wird von niemandem
>im Rechtswesen bestritten. Weiter werden, teils dadurch bedingt,
>groessere Tiere meistens viel milder verurteilt (wenn es dazu
>ueberhaupt kommt), z.B. mit der Begruendung, sie seien ja besser
>"sozialisiert" als irgendwelche armen Schweine. Und wenn das
>alles nicht reicht, dann kaufen sich die Bonzen eben irgendwie
>raus.

Irgendwie haben andere immer Vorteile gegenueber uns.
Und wenn es eben die bessere Rethorik ist!
Ich versuche mir immer wieder vorzustellen, wie Deine negativen
Ansichten aus der Welt geschafft werden koennen.
Wenn z.B. sich jemand _nicht_ mehr einen besseren Anwalt leisten kann.
Dann kann er vielleicht besser reden als Du.
Wie willst Du Deinen Anwalt dazu bringen, das Beste fuer Dich
herauszuholen? Was ist "das Beste"?

>>(wogegen man aber bei Uebertreibung angehen kann),
>>lieber als eine Ellbogengesellschaft, wo jeder seine Interessen gegen
>>jeden durchsetzen kann.
>>Das ist "das Gute" daran!

>>>Selbst wenn die starre, pessimistische Annahme, der Mensch sei
>>>unter allen Bedingungen gleichermassen ein Egoist, zutreffend
>>>waere, waere es dann nicht das Gerechteste, jedem das Ausleben
>>>seines eigenen Egoismus zu gestatten?

>>Nein, eben nicht! Weil die Freiheit des einen immer eine Einschraenkung
>>der Freiheit des anderen bedeutet. Das gibst Du ja selber auch zu.
>>Wenn aber nun statt nur einigen wenigen, gegen die man sich, mit
>>rechtlichen Mitteln, zur Wehr setzen kann, ALLE sich alle Freiheiten
>>nehmen koennen, gegen die man sich dann NICHT mehr zur Wehr setzen
>>DARF!

>Na gut, man kann sich gegen die Wenigen mit rechtlichen Mitteln
>zur Wehr setzen, wenn sie uebertrieben egoistisch handeln. Aber
>der ganz normale Egoismus, der die Wenigen staendig hierarchische
>Gewalt gegen die Vielen ausueben laesst, wird durch das
>gesetzliche Recht den Wenigen ausdruecklich erlaubt. Wenn man das
>derart legitimierte Ausleben von Egoismus der Wenigen ausser
>Betracht laesst, kommt ein hierarchisches System natuerlich
>besser weg.

Aber Du bist doch gerade dafuer, dass jeder seinen Egoismus ausleben
darf!

>Das Problem ist halt, dass man sich in unserem Rechtssystem nicht
>gegen jeden Egoismus wehren kann, sondern nur gegen eine Auswahl
>besonders exzessiver, grausamer und brutaler Formen.

In unserem Rechtssystem hat jedes Individuum gewisse Freiheiten.
Und der eine wird diese Freiheiten mehr nutzen (koennen) als der andere.
Es wird in jedem System (hierarchisch oder nicht) Menschen geben, die
Vorteile gegenueber den anderen haben, sei es durch Ihre Person
(staerker, schneller, bessere Redner/Bauern/Handwerker), sei es durch
aeussere Dinge (besseres Stueck Land, groessere Obstbaeume). Und der dem
Menschen inhaerente Egoismus wird viele dazu bringen, diese Vorteile
gegen andere auszunutzen.

Beschreibe doch 'mal eine "nichthierarchische Organisationsform", bei
der du 20% von 84 Millionen friedlich nebeneinander leben lassen willst.

>>Keine Regierung, die irgendetwas vorschreibt. Keine Polizei, die
>>aufpasst. Keine Verwaltung, die plant und verwaltet.

>Wenn in unserem Institut was laufen soll, dann muessen wir die
>Planung schon selber in die Hand nehmen. Dass die Verwaltung
>verwaltet, kann wohl nicht bestritten werden, aber ich habe noch
>nicht erlebt, dass dabei was Sinnvolles wie ein brauchbarer Plan
>oder sowas rausgekommen waere.

Eben! Verwaltung verwaltet, Planung plant! Was erwartest Du denn von
Buerokraten? Dass die auch noch Eure Planung macht? Unser Personalwesen
macht auch keine Planung fuer mich, wie ich mich weiterbilden soll, das
muss ich schon selbst tun! Wenn ich aber dann 'mal einen Abschluss
mache, dann verwalten die das eben, und sorgen dafuer, dass mir dadurch
eventuell mehr Gehalt zugeteilt wird (wenn dann ueberhaupt noch was da
ist!)

>>Jeder fuer sich und Gott fuer/gegen uns alle!

>>Wunderbar!

>>Mal sehen, was so meine geheimsten Wuensche sind. Ich moechte naemlich
>>auch meinen persoenlichen Egoismus ausleben koennen!

>Ich auch. Aber ich kenne viele vernuenftige Gruende, das nicht zu
>tun, sondern stattdessen sinnvoll und ethisch verantwortlich zu
>handeln. Mich gratis zum Erfuellungsgehilfen von Vermietern,
>Polizisten und sonstigen Bonzen zum Ausleben ihrer Machtgelueste
>und ihres Egoismus zu machen, das halte ich allerdings weder fuer
>vernuenftig, noch fuer sinnvoll, noch fuer ethisch wertvoll.

Du und ich, wir sind vernuenftig. Wir kennen gute Gruende dafuer, uns
nicht an Kindern zu vergehen. Aber ein Pedophil denkt da anders
'drueber.
Du und ich, wir kennen gute Gruende dafuer, Auslaendern NICHT den
Schaedel einzuschlagen. Ein (Neo-)Nazi denkt da anders drueber.

Du glaubst an das Gute im Menschen. Ich weniger.

Und "gratis" lasse ich mich auch nicht zum "Erfuellungsgehilfen" machen.
Ich kriege was dafuer: ein Dach ueber den Kopf fuer mich und meine
Familie, Sicherheit gegen extremen Egoismus anderer, Gehalt fuer meine
Arbeit.

Michael Jung

unread,
Oct 29, 1992, 9:16:43 AM10/29/92
to
In article <1992Oct27.1...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) writes:
In <josef.719649084@uranium> Josef Moellers <molle...@sni.de> writes:

[...]


Ich bin 27, und bin inzwischen mehrfach Zeuge und Opfer von
Persoenlichkeitsrechtsverletzungen durch die Polizei geworden.
Insgesamt habe ich von der Polizei und der staatlichen
Buerokratie erheblich mehr Bedrohung und Freiheitsberaubung
erfahren als Schutz oder sonstwas Sinnvolle oder Positives.

Man bedenke immer: erst wenn man etwas vermisst, weiss man dass man es
hatte. Es gibt ueberall Machtmissbrauch. Die Frage ist, ob man ihn in
Kauf nehmen kann (was nicht heisst, ihn nicht zu ahnden) fuer die
daraus entstehenden Vorteile.

[...vieles zu Horrorszenarien geloescht...]

In der Tat sind die moeglichen Auswirkungen nicht konkret zu benennen.
Sie muessen Spekulationen bleiben, solange man nicht die konkreten Vor-
schlaege zur Hierarchielosigkeit auf dem Tisch hat. Solange bleibt die
Diskussion darauf beschraenkt, wieso wenige zu Recht eine Macht ueber
viele ausueben koennen. Gewissermassen kommen wir nicht aus den Start-
loechern.

Das Einzige, was einen Menschen wirklich an Gewalttaetigkeit und
Egoismus hindern und ihn sinnvoll handeln lassen kann, liegt in
dem betreffenden Menschen selbst: Seine Vernunft und seine
Menschlichkeit. Zugegeben: Auf Diese scheint nicht immer und bei
jedem Menschen Verlass zu sein. Aber wer *wirklich* was gegen
Gewalt tun will, muss die Menschen auf dieser Ebene ansprechen.

Was ist die Ebene der Vernunft. Das ist ein weites Gebiet und mancher
wird die Gesetze der freien Marktwirtschaft als vernuenftig verkaufen
und ein anderer den Kommunismus dialektisch vernuenftig dikutieren.

Wichtiger als die geringe Vertrauenswuerdigkeit der Machthaber
ist jedoch die Tatsache, dass jede Gewalt, sei sie nun
hierarchisch-struktureller oder sonstiger Natur, die Freiheit zur
Entfaltung von Vernunft und Menschlichkeit ernsthaft
einschraenkt. Gewalt behindert also die Entfaltung derjenigen
Eigenschaften eines Menschen, die ihn an der Gewalttaetigkeit
hindern koennen. Zusaetzlich schafft Gewalt bei demjenigen, gegen
den sie angewendet wird, Frustration und Aggression und saet
damit neue Gewaltbereitschaft.

Gewalt ist eine Form der Freiheit! Welche Freiheit meinen wir hier?
Die Freiheit eines Raubtiers, sich zu ernaehren, schraenkt die Freiheit
des Beutetiers ein.
Ich moechte so weit gehen und sagen, dass Gewalt noetig ist, damit
sich Freiheit entfalten kann. Ohne dass der Staat (mit Gewalt) Steuern
eintreibt, gaebe es keine Sozialhilfe.

Gewalt gegen Gewalt ist also, auch wenn sie in manchen konkreten
Faellen kurzfristig sinnvoll sein mag, langfristig kein
brauchbares Konzept. Denn sie ruiniert das Einzige, was einen
Menschen von Gewalt abhalten kann.

Sie ist noetig! (siehe oben)

Das ist vergleichbar mit einem Gipsverband. Es kann einem
Menschen durchaus helfen, wenn man seinen Arm, wenn dieser
verletzt ist, in einen solchen Verband hineinzwaengt. Die
Beweglichkeit des Arms kann dadurch langfristig erhalten werden,
aber nur, wenn man den Arm auch so bald wie moeglich wieder aus
dem Verband befreit. Laesst man ihn andauernd in dem Verband,
wird er verkuemmern und womoeglich bald wieder brechen oder gar
nicht mehr funktionsfaehig werden.

Du setzt in Deinem Beispiel voraus, dass der Arm im Normalfall gesund
ist, d.h. der Mensch ist im Normalfall bedingungslos vernuenftig! Diese
Annahme ist falsch.

Wenn ich mir das alltaegliche Leben von mir oder sonst einem
m.o.w. durchschnittlichen Bundesbuerger betrachte, kommt die
meiste der taeglich erlebten Gewalt von seiten hierarchischer
Strukturen und nicht von unspezifischer Randale. Die
hierarchischen Strukturen ueben meistens viel mehr Gewalt aus,
als sie Gewalt verhindern. Diese "ueberschuessige" Macht kann man
ihnen sicherlich abnehmen, ohne damit die Gefahr von "Chaos und
Anarchie" (die eigentlich gar keine ist, wie ich in diesem thread
mal angemerkt habe) heraufzubeschwoeren.

Die Form der Gewalt ist hier wichtig. Die Steuerzahlenmuessengewalt
ist mir lieber als die Wohnungeinbrechenlassengewalt. Ueberschuessige
Macht abzuschoepfen ist natuerlich sinnvoll, aber woher weisst Du, dass
dabei keine mehr uebrigbleibt?
(Vor langer Zeit war in dieser Gruppe die Rede davon, der Streifenpolizei
keine Schusswaffen zuzubilligen. Das kann ich akzeptieren.)

Konkrete Beispiele dazu sind:
* Der Polizei werden alle Rechte zu willkuerlichen Kontrollen
entzogen. Wenn ein Polizist bezichtigt wird, dennoch eine solche
Kontrolle ausgeuebt zu haben, muss er gehen, auch wenn ihm der
Fall nicht nachgewiesen werden kann. Dies ist aber mit keinem
Ehrverlust verbunden, und der Einstieg in einen machtfreien Beruf
wird ihm finanziert.

Wird wohl keine Polizei mehr geben. Wer mir nicht passt, wird bezichtigt.
Das ist die "weiche" Inquisition.

* Die hierarchischen Befugnisse von Vermietern und Arbeitgebern
koennen weitestgehend ohne Ersatz gestrichen werden. Sie werden
ohnehin fast ausschliesslich zum eigenen Vorteil eingesetzt. Dass
in Gruppen aus gleichberechtigten Partnern, also in
hierarchiefreien Strukturen, effizienter gearbeitet werden kann,
ist weiss Gott hinlaenglich erwiesen.

Die Angelegenheit ist auch hier nicht so einfach. Eine Wohnung hat
fixe Kosten. Ich kenne Faelle, wo Vermieter zuschiessen, um bei
Ablauf der Bindungsfrist das Objekt gewinnbringend zu verkaufen. Das
heisst, Spekulation kann im Einzelfall zu sozialen Mieten fuehren!
(War vielleicht nicht das Thema, aber die Problematik ist nicht einfach
durch Enteignung zu loesen.)

Durch solche Umgestaltungen kann man langfristig der Vernunft und
der Menschlichkeit, den besten Verbuendeten gegen die Gewalt, die
in jedem Menschen irgendwo existieren, zu mehr Freiheit, die sie
zu ihrer Entfaltung brauchen, verhelfen. Natuerlich sind
Brennpunkte, wo die Gewalt die hoechsten Wellen schlaegt, nicht
unbedingt dazu praedestiniert, solche Veraenderungen in radikal
grossen Schritten vorzunehmen. Ein sinnvoll abgestuftes Vorgehen
ist ohnehin wichtig, genauso wie ein eben wieder
zusammengewachsener Arm nicht gleich wieder voll belastbar ist,
sondern u.U. noch eine Weile einen Stuetzverband braucht.

Hier stehen zuviele Annahmen im Raum, die nicht alle Menschen mitmachen
wollen. Am prominentesten: Gewalt ist die Antithese von Vernunft.

Schoene Gruesse,
Michael

Bodo Rueskamp

unread,
Oct 27, 1992, 2:04:15 AM10/27/92
to
In article <QqiTr*O...@forge.erh.sub.org> bar...@forge.erh.sub.org (Henning Schmiedehausen) writes:
>Der Mensch ist ein wildes Tier und nur die Reglementierung und die Androhung
>von Strafen sorgt dafuer, dass wir uns nicht gegenseitig an die Kehle gehen.

Nur die _wirksame_ Androhung von Strafe.
Beispiel: Irak, Jugoslawien, deutsche Autobahnen.

; Bodo

--
| Bodo Rueskamp, DG3YGD | Venn ist das nurnstuck
| <bo...@juqi.ruhr.de> | git und Slotermeyer?
| Stockumer Str. 413 | Ya! Beigerhund das oder
| W4600 Dortmund 50 | die Flipperwaldt gersput!

Jan T. Kim

unread,
Nov 3, 1992, 4:47:16 PM11/3/92
to
In <josef.720261451@uranium> Josef Moellers <molle...@sni.de> writes:

>>In <josef.719649084@uranium> Josef Moellers <molle...@sni.de> writes:

>>Im uebrigen habe ich Probleme mit der vermeintlichen Sichtbarkeit
>>und Waehlbarkeit der Machthaber. Sicher, den Bundeskanzler kennt
>>fast jeder und man kann ihn, jedenfalls indirekt, waehlen. Den
>>Arbeitgeber und den Vermieter kann man sich schon wesentlich
>>weniger frei waehlen. Und wer durchschaut schon das Geflecht und
>>Gekluengel aus Wirtschaft, Finanz, Politik und undefinierbarem
>>Grauen an den Schalthebeln der Macht?

>Dem kann ich wenig entgegensetzen.

[...]

>>Ich bin 27, und bin inzwischen mehrfach Zeuge und Opfer von
>>Persoenlichkeitsrechtsverletzungen durch die Polizei geworden.
>>Insgesamt habe ich von der Polizei und der staatlichen
>>Buerokratie erheblich mehr Bedrohung und Freiheitsberaubung
>>erfahren als Schutz oder sonstwas Sinnvolle oder Positives.

>Vielleicht siehst Du das "Sinnvolle oder Positives" nicht und den
>Schutz, den Du geniesst. Oder Du willst Ihn nicht sehen?

Das Problem mit diesem Schutz ist, dass niemand sagen kann, ob
die Gefahr, vor der man da geschuetzt wird, wirklich existiert.
Du vermutest, dass die Menschen ohne die vielen Formen der
Fremdbestimmung, der sie derzeit ausgesetzt sind, sich
gegenseitig viel mehr Unrecht antaeten als dies jetzt der Fall
ist. Ich habe dabei immer so den Eindruck (der durchaus ganz
falsch sein kann), dass diese Annahme auf der Vorstellung fusst,
die Menschen verhielten sich in allen Systemen ungefaehr gleich.
Und da derzeit die meisten Menschen ziemlich gewaltbereit sind
(manchmal zu physischer Gewalt, fast immer zu struktureller
Gewalt, Stichwort Ellenbogengesellschaft), werden sie auch in
einer hierarchiefreien Gesellschaft weiter gewaltbereit sein.
Ich halte diese Annahme fuer unrealistisch. Das Verhalten der
Menschen haengt stark von den Lebensbedingungen ab. Diese werden
derzeit aufs Staerkste durch die vielfaeltigen Zwaenge, die auf
jeden von uns durch unterschiedlichste hierarchische Strukturen
ausgeuebt werden, gepraegt. Zwang fuehrt, das ist in der
Verhaltensforschung weitestgehend akzeptiert, zu Aggressivitaet.
Aus diesem Grund glaube ich, dass die Bereitschaft, Unrecht aus
Aggressivitaet zu begehen, in einer hierarchiefreien Gesellschaft
signifikant kleiner waere als sie in der derzeitigen Gesellschaft
ist.

Weiterhin nimmst Du an, dass Strafandrohung ein wirksames Mittel
ist, Unrecht zu verhindern. Ich habe in meinem vorausgegangenen
posting schon dargelegt, dass ich Strafandrohungen als Mittel zur
Verhinderung von Unrecht fuer wenig wirksam halte. Es gibt viele
bedeutende Gruende, die gegen Strafandrohungen und Strafe
sprechen, von denen ich im Folgenden nur einige nennen will:
Bedeutsam ist zunaechst, dass eine Strafe selbst ein Unrecht ist.
Es *ist* einfach ein Unrecht, einen Menschen einzusperren, und es
wird *nicht* dadurch zu Recht, dass der Eingesperrte selber
vorher ein Unrecht begangen hat.
Eine weitere entscheidende Ungereimtheit ist, dass schon die
Androhung von Uebeln und Gewalt, und nichts anderes sind
Strafandrohungen, vom derzeit gueltigen Gesetz bereits (m.E.
durchaus korrekterweise) als Gewalt (Erpressung usw.) definiert
werden. Es gibt aber keine ethische Begruendung dafuer,
irgendwelche "staatlich legitimierten" Vollstrecker von dem
generellen Gewaltverbot auszunehmen. Mit anderen Worten: Einen
ethischen Anspruch des Staates auf das von ihm beanspruchte
"Gewaltmonopol" gibt es nicht. Im Uebrigen halte ich die
staatliche Gewalt auch, die ja schliesslich von Menschen
ausgeuebt wird, fuer unvereinbar damit, dass "vor dem Gesetz alle
Menschen gleich" sind. Wenn Freiheitsberaubung und Erpressung
strafbar sind, muessten nach dieser Art von Gerechtigkeit auch
Leute, die andere einsperren oder zu 15monatigen Diensten
zwingen, entsprechend bestraft werden.
Problematisch ist auch der erzieherische Aspekt der
Strafandrohung. Nur feige, charakterlose oder total veraengstigte
Menschen lassen sich durch Strafandrohungen davon abhalten, das
zu tun, was sie fuer richtig halten. Wenn nun den Leuten
beigebracht wird, es sei ok, sich durch Drohungen beeinflussen zu
lassen oder sich gar daran zu orientieren, werden Feigheit,
Charakterlosigkeit und Veraengstigung gefoerdert und der eigene
Wille geschwaecht. Dann werden die Menschen ihrer eigenen
Vernunft unsicher und beeinflussbar, und wenn Strafandrohungen
zur Leitlinie ihres Handelns geworden sind, ist der Boden fuer
ein totalitaeres System bereitet. Denn ein solches ist im
Bedrohen der Buerger dem derzeitigen, im Vergleich dazu
gemaessigten System allemal weit ueberlegen.

[Polizei gegen lautstarke naechtliche Fete in der Nachbarschaft]

>a) Ich habe vorher mehrfach dort angerufen, um meine Ruhe zu bekommen.
> Reaktionen waren zwischen "gar nichts" und Bemerkungen wie "Da will
> einer seine Ruhe! - Na, dann legen wir erst einmal richtig los!" ...
> mit entsprechenden Folgen.
>b) Vom Ordnungsamt war zu der Zeit (3.00 Uhr Nachts) keiner erreichbar.

Ich halte den Einsatz von Polizei gegen naechtliche Ruhestoerer
nach wie vor fuer einen krassen Fall von "Kanonen auf Spatzen".
Angemessen waere es z.B., fuer solche und aehnliche Faelle einen
Bereitschaftsdienst beim Ordnungsamt einzurichten. Dieser Dienst
braeuchte keine Schusswaffen, keine Sonderrechte, kein Auto mit
Blaulicht und Martinshorn, und wenn so ein Problem auftritt und
man im direkten Dialog nichts erreichen kann, ruft man diesen
Dienst an. Dann kommen zwei bis drei Leute unangemeldet, sehen
und hoeren sich den Fall an und sagen dann den Ruhestoerern:
"Hallo Jungs, hallo Maedels, ihr macht zuviel Krach, und wenn das
jetzt nicht aufhoert, sorgen wir dafuer, dass ihr euch bei allen,
die ihr gestoert habt, mit einer grosszuegigen Entschaedigung
revanchieren duerft."
Mit einem solchen Dienst waere das Mass an staatlich ausgeuebtem
Zwang schon ein kleines bisschen geringer als jetzt, und das ohne
Verlust an Sicherheit.
Nach der Einrichtung einer Reihe weiterer, gewaltaermerer Dienste
aehnlicher Art koennte man dann die hohle Streifefahrerei ganz
abschaffen und damit eine erhebliche Menge derzeit alltaeglicher
Polizeiwillkuer verhindern.

[...]

>>Es ist sicher eine erwiesene Tatsache, dass mit den derzeitigen
>>Strukturen kein Horrorszenario wie oben geschildert eintritt.
>>Keinesfalls erwiesen ist es aber, dass es gerade die
>>hierarchische Organisation der Strukturen ist, die das
>>beschriebene Szenario verhindert. Nach meiner Einschaetzung kann
>>auch eine noch so uebermaechtige Polizei und Justiz keinen zur
>>Gewalttaetigkeit und kriminellem Handeln entschlossenen Menschen
>>daran hindern, seine Absichten in die Tat umzusetzen.

>Einen zum letzten entschlossenen nicht, aber das Gros der Leute, die es
>eben gelegentlich nicht so genau nehmen. Ich will denen gar nicht
>Mutwilligkeit nachsagen, nur Gedankenlosigkeit. Und wenn da die Gefahr
>einer Strafe hintersteht, dann macht man sich eben doch seine Gedanken.

Erzeugung von Nachdenklichkeit und Ruecksicht mittels Gewalt und
ihrer Androhung. Eine der hohlsten, psychologisch und
verhaltensbiologisch unsinnigsten Methoden, die ich kenne.

>Hier in PB wagt keiner, in der Innenstadt seinen Wagen nicht
>ordnungsgemaess abzustellen, aber in den Wohngebieten kann man nicht
>mehr mit einem Kinderwagen durchgaengig den Buergersteig befahren!

>Gewalttaten sind eines, aber Gedankenlosigkeit und Bequenlichkeit sind


>etwas anderes. Du solltest Dich 'mal bei Deinem zustaendigen Landgericht
>erkundigen, wie viele Faelle von gewaltsamen Auseinandersetzungen es
>zwischen Nachbarn gibt!

Wie bereits anklang, sehe ich die Ursache fuer das derzeitige
Ausmass der Gewaltbereitschaft der Menschen darin, dass sie in
diesem System viel zuviel Zwang aufeinander ausueben. Man wird
dieses Problem durch Gerichte und Repressionen nur verschlimmern.
Angehen kann man es nur durch Milderung und Lockerung der
Zwaenge, also z.B. das Ersetzen derzeitiger Strukturen durch
gewaltaermere oder noch besser gewaltfreie Strukturen.

>Wenn ich mich zur Durchsetzung meiner Rechte nicht der anonymen Gewalt
>des Staates bedienen kann, sondern selber zusehen muss, wie ich mir mein
>recht verschaffe, wird so mancher sicher _mir_ gegenueber rabiat werden.
>Dann soll sich doch ein Polizist angreifen lassen. Der geniesst dann den
>Schutz des Paragraphen "Widerstand gegen die Staatsgewalt".

Wie schoen fuer ihn. Er darf "Staatsgewalt" gegen mich anwenden
und ich darf mich noch nicht mal dagegen wehren. Ganz tolle
Ethik, diese Staatsethik.
Uebrigens wirst Du vermutlich kaum jemals erleben, dass ein
Polizist sich an Deiner Statt angreifen laesst. Es sei denn, Du
geniesst Polizeischutz und jemand greift Dich an. Aber
normalerweise ist alles, was Du von der Polizei erwarten kannst,
dass sie, nachdem der Angriff laengst vorbei ist, den Angreifer
dingfest macht, und dass dieser dann eingelocht wird. Wie bereits
gesagt, sehe ich keinen Sinn in so einem zusaetzlichen Unrecht.

>Wenn ich persoenlich versucht haette, die vollgesoffenen Leute auf ihrem
>Balkon zur Ruhe zu bringen, na ich weiss nicht, die Sprueche die ich
>gehoert habe reichen mir!

Klar, sowas kann unangenehm sein. Aber ich bin nicht bereit, um
meiner Nachtruhe willen auf elementare Grundrechte,
einschliesslich des Rechts auf Widerstand gegen *jede* Form von
Gewalt, zu verzichten.
Fuer die Abschaffung der Polizei naehme ich sogar gern in Kauf,
dass jede Nacht in der ganzen Stadt high life gemacht wird. Mehr
noch: ich wuerde da mitmachen, denn es waere ein wahrhaft
wuerdiger Anlass :-)

>Du koenntest ja mal versuchen, durch ein Gespraech mit den Randalierern
>und Moerdern von Rostock, Hoyerswerda u.ae. Frieden zu schaffen.
>Vielleicht haben die Polizisten, die nicht sofort eingegriffen haben, ja
>ueberlegt, ob Gegengewalt nicht neue Gewalt erzeugt. (Hier verzichte ich
>aus Pietaet auf ein Smilie!)

Betrachtet man nur diese Faelle "polizeilichen Gewaltverzichts",
mag eine solche Motivation bei der Polizeifuehrung moeglich
erscheinen. Das Ganze waere dann ein ganz tragisches Beispiel
dafuer, dass "gut gemeint" oft das Gegenteil von "gut" ist.
Betrachtet man jedoch die polizeilichen Aktivitaeten in ihrer
Gesamtheit, erweist sich diese Annahme als absolut unplausibel.
Zunaechst scheint die Polizei danach eine beklagenswert geringe
Lernfaehigkeit zu haben. Dann sind da die bekannten Beispiele, wo
die Polizei eine erstaunliche Schlagkraft entfaltet hat, als es
um Dinge ging, die, verglichen mit dem Schutz menschlichen
Lebens, absolut marginal waren (Wackersdorf, Wirtschaftsgipfel,
Hamburger Kessel, Startbahn West...).
Ich habe mal persoenlich erlebt, wie eine mit Plexiglassschilden
und Schlagstoecken bewehrte Polizeieinheit aufgeboten wurde, um
die Beethovenstatue auf dem Muensterplatz in Bonn bei einer
*friedlichen* Demo vor dem Dekoriertwerden mit Plakaten und
Fahnen zu schuetzen. Besagte Einheit draengelte sich
ruecksichtslos in Keilformation in die Menge und schob die Leute
mit den Schilden beiseite. Darauf wurden einige Leute zornig und
fingen Raufereien mit den Polizisten an. Die Stimmung wurde
aggressiv, und es bildeten sich Fronten aus sich bekaempfender
Polizei und Demonstranten. Diese, m.E. durch die Polizei
mutwillig ausgeloeste Gewalt wurde dadurch beendet, dass immer
mehr friedliche Demonstranten sich zwischen die Fronten
draengten.
Einen Versuch, die Leute durch Gespraeche oder ueber Megaphon zum
Raeumen der Statue aufzufordern, gab es weder vor noch nach dem
Zwischenfall. Die Statue war hinterher nicht geraeumt.

Wenn ich mir das Handeln der Polizei und der politisch
Verantwortlichen betrachte, sehe ich viele Anzeichen dafuer, dass
der Schutz von Menschen, ihrem Leben und ihren Rechten den
meisten dort ziemlich gleichgueltig ist. Natuerlich gibt es auch
bei der Polizei Idealisten, die ihren Beruf ergriffen haben, um
fuer andere einzutreten. Aber das klar erkennbare Hauptziel des
Handelns von Polizei, Politikern und Staat ist der Erhalt ihrer
Macht.

>>Gewalt gegen Gewalt ist also, auch wenn sie in manchen konkreten
>>Faellen kurzfristig sinnvoll sein mag, langfristig kein
>>brauchbares Konzept. Denn sie ruiniert das Einzige, was einen
>>Menschen von Gewalt abhalten kann.

>Wenn man von dieser These ausgeht, klar!
>Wenn man aber Gewalt eben als Mittel ansieht, um extreme Auswuechse zu
>verhindern, dann ja!
>Um bei meinem (harmlosen) Beispiel der Terassenfeier zu bleiben: Ich
>habe bis 3.00Uhr Nachts auf Gewalt verzichtet und versucht, durch
>Ueberredung meine Ruhe zu bekommen. Dann ist mir die Hutschnur
>geplatzt!

Ist eine ruhestoerende (aber ansonsten harmlose) Terrassenfeier
bereits ein "extremer Auswuchs", der den Einsatz von
Polizeigewalt, also massiver Gewalt, rechtfertigt?

>> * Der Polizei werden alle Rechte zu willkuerlichen Kontrollen
>>entzogen. Wenn ein Polizist bezichtigt wird, dennoch eine solche
>>Kontrolle ausgeuebt zu haben, muss er gehen, auch wenn ihm der
>>Fall nicht nachgewiesen werden kann. Dies ist aber mit keinem
>>Ehrverlust verbunden, und der Einstieg in einen machtfreien Beruf
>>wird ihm finanziert.

>Na, also da rollen sich mir ja die Fussnaegel auf B-{)
>Eine einfache, boswillige Anzeige reicht? Da werden ja alle
>rechtsstaatlichen Grundlagen mit Fuessen getreten!

Nein. Es ist allerdings eine teilweise Umkehr der Beweislast.
Dies deshalb, weil es viel eher einem Polizisten zumutbar ist,
einen anderen Beruf zu ergreifen, zumal wenn ihm dies finanziert
wird, als es einem Menschen zumutbar ist, dass seine Grundrechte
durch willkuerliche Kontrollen, Verdaechtigungen und Schlimmeres
mit Fuessen getreten werden.
Diese Umkehr der Beweislast haette ausserdem die positive Folge,
dass ein Polizist, dem an seinem Job gelegen ist, die Menschen,
mit denen er zu tun bekommt, anstaendig behandelt. Damit waere
schon mal vieles besser als jetzt.

[...]

>Ausserdem "ohne Ehrverlust", auch da sind wieder Menschen im Spiel. Wie
>oft werden Leute zu Unrecht angeklagt, verurteilt aber dann wieder
>"rehabilitiert". Da bleibt _immer_ etwas haengen. "Da wird ja wohl was
>'dran sein, sonst haetten die den nicht mitgenommen!"

Sinnvoll waere es, wenn jeder, der Polizist werden will,
zunaechst mal so acht bis zehn Jahre ein normales Leben fuehrt,
also studiert, einen Beruf ergreift oder aehnliches. Wenn er dann
in den Polizeidienst tritt, fuehrt er seine bisherige Taetigkeit
weiter, wird aber fuer den Polizeidienst befreit. Wenn er eines
Uebergriffs bezichtigt wird und rausfliegt, nimmt er seine andere
Berufstaetigkeit wieder voll auf, und es wird nicht rumposaunt,
warum er aus der Polizei ausgeschieden ist. Das kann er ja auch
auf eigenen Wunsch.

>> * Die hierarchischen Befugnisse von Vermietern und Arbeitgebern
>>koennen weitestgehend ohne Ersatz gestrichen werden. Sie werden
>>ohnehin fast ausschliesslich zum eigenen Vorteil eingesetzt. Dass
>>in Gruppen aus gleichberechtigten Partnern, also in
>>hierarchiefreien Strukturen, effizienter gearbeitet werden kann,
>>ist weiss Gott hinlaenglich erwiesen.

>Und die Vermieter vermieten ihre Haeuser dann aus Goodwill, oder wie,
>oder was?
>Ich habe gerade meine letzte Mieterhoehung bekommen: "Nur 17,nochwas
>Prozent". Nun ist leider durch Uebersiedler und Studenten der
>Wohnungsmarkt hier in PB leergefegt. Angobot+Nachfrage -> hohe Mieten!
>Ich werd' den Teufel tun und ausziehen! Gott sei Dank hat der Staat die
>Mieterhoehungen auf 30% in drei Jahren limitiert, ich moechte nicht
>wissen, was ich sonst bezahlen muesste! Und ich glaube kaum, dass unser
>Haus lange Zeit leer stehen wuerde, auch wenn der neue Mietvertrag eine
>wesentlich hoehere Miete enthalten wuerde! Gott sei Dank gibt es so
>etwas wie einen Kuendigungsschutz fuer Mietwohnungen (und -haeuser)!

Natuerlich gibt es einen gewissen gesetzlichen Mieterschutz, aber
es muesste halt viel mehr sein. Die maximale Mieterhoehung pro
Jahr sollte z.B. eng an die Inflationsrate gekoppelt werden.
Ausserdem sollte als zusaetzliches Mietwucherkriterium
aufgenommen werden, dass der Vermieter nicht mehr als 2% Gewinn
pro Jahr bezogen auf den Wert des vermieteten Objekts machen
darf.

>Wenn Du die Fachpresse lesen wuerdest, waere Dir aufgefallen, dass es
>meinem Broetchengeber, wie so vielen in unserer Branche, nicht gerade
>rosig geht (Na klar, die Millionengewinne werden abgeschoepft, wir
>bekommen dafuer die Verluste!).
>Tja, nun steht er da, mit viel zu vielen Mitarbeitern! Aber entlassen?
>Geht nicht, Arbeitsschutzgesetz!

Wenn Euer Laden nicht von einem Arbeitgeber, sondern von Euch
selbst in solidarischer und partnerschaftlicher Weise gefuehrt
wuerde, waere an Entlassungen gar kein Gedanke. Und ausserdem
gaebe es vermutlich viel bessere Computer :-)

>Diese "schrittweise Umgestaltung" klingt wie die Umstellung von Links-
>auf Rechtsverkehr: die LKWs fangen an! Sorry, wenn ich jetzt laecherlich
>wirke, aber das ist alles ein bischen wirklichkeitsfremd!

Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, habe ich auch in diesem
Posting ein paar recht konkrete Ideen einfliessen lassen.
Vielleicht rollen sich Dir dabei wieder die Zehennaegel hoch,
aber immerhin sind die Vorschlaege nicht ganz so
wirklichkeitsfremd wie Du das mit Deinem spitting-image-maessigen
Vergleich suggerierst.

>Ich kenne Dich nicht persoenlich, aber ich kann mich einfach des
>Eindrucks nicht erwehren, als ob Du nicht in unserer Welt lebst.
>Ich will jetzt nicht anfangen mit "Krieg erst 'mal eine Familie,
>versuche ein Haus zu mieten, such' Dir 'mal 'ne richtige Arbeit"

Warum nicht? Nuechtern umformuliert heisst das doch: "Du lebst
unter anderen familiaeren, sozialen und beruflichen
Verhaeltnissen als ich, und siehst viele Dinge daher aus einem
anderen Blickwinkel." Und natuerlich, die Blickwinkel, aus denen
man die Dinge erlebt, beeinflussen auch die Ideale, die man
entwickelt. Allerdings sollte man nicht versuchen, die
Widersprueche zwischen diesen Idealen aufzuloesen, indem
versucht, den Anderen in die eigenen Lebensverhaeltnisse
hineinzudraengen, also Anpassungsdruck auszuueben.

>(vielleicht bist Du verheiratet mit Kindern, wohnst in einem Reihenhaus
>und "am Institut" wird ja auch gearbeitet), aber ich sehe immer die
>Gruenen, die dann in eine Regierung gekommen sind (Beispiel: Josef
>Fischer). Dann werden aus Schreihaelsen auf einmal Leute, die sehen,
>dass es eventuell gar nicht anders geht!

... oder die den Blick dafuer verlieren, dass es auch anders geht!

>Oder die Leute, die in den 60-er Jahren auf die Strasse gegangen sind!
>Wo sind die denn heute?

Viele haben dem Anpassungsdruck nachgegeben und sind zutiefst
unzufrieden und uneins mit sich selbst.

>Man kann zwar schoen traeumen, wie's denn wohl sein koennte, aber man
>muss bitteschoen auf dem Teppich bleiben.

Wenn man immer auf dem Teppich bleibt, kann man seinen Horizont
nicht erweitern.

Michael Jung

unread,
Nov 4, 1992, 6:24:18 PM11/4/92
to
In article <1992Nov03.2...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) writes:

[...]


Das Problem mit diesem Schutz ist, dass niemand sagen kann, ob
die Gefahr, vor der man da geschuetzt wird, wirklich existiert.
Du vermutest, dass die Menschen ohne die vielen Formen der
Fremdbestimmung, der sie derzeit ausgesetzt sind, sich
gegenseitig viel mehr Unrecht antaeten als dies jetzt der Fall
ist. Ich habe dabei immer so den Eindruck (der durchaus ganz
falsch sein kann), dass diese Annahme auf der Vorstellung fusst,
die Menschen verhielten sich in allen Systemen ungefaehr gleich.
Und da derzeit die meisten Menschen ziemlich gewaltbereit sind
(manchmal zu physischer Gewalt, fast immer zu struktureller
Gewalt, Stichwort Ellenbogengesellschaft), werden sie auch in
einer hierarchiefreien Gesellschaft weiter gewaltbereit sein.
Ich halte diese Annahme fuer unrealistisch. Das Verhalten der
Menschen haengt stark von den Lebensbedingungen ab. Diese werden
derzeit aufs Staerkste durch die vielfaeltigen Zwaenge, die auf
jeden von uns durch unterschiedlichste hierarchische Strukturen
ausgeuebt werden, gepraegt. Zwang fuehrt, das ist in der
Verhaltensforschung weitestgehend akzeptiert, zu Aggressivitaet.
Aus diesem Grund glaube ich, dass die Bereitschaft, Unrecht aus
Aggressivitaet zu begehen, in einer hierarchiefreien Gesellschaft
signifikant kleiner waere als sie in der derzeitigen Gesellschaft
ist.

Es ist schade, dass dem so ist, aber gewisse Probleme lassen sich
nicht ohne Hierarchie erledigen. Die einzige Moeglichkeit, die es
diesbezueglich gaebe, waere, das Problem als solches nicht zu akzep-
tieren. Genau das geschieht hier. Du postulierst eine gewaltfreie
Gesellschaft, damit ist keine Hierarchie - was Macht = Gewalt angeht
mehr noetig. Gewaltlosigkeit wird aber andererseits durch Hierarchie-
losigkeit erzeugt. In jeder sozialen Gruppe gibt es Hierarchien!
Sie moegen verdeckt sein, aber sie existieren. Damit wird Gewalt er-
zeugt und der schoene Kreislauf durchbrochen. Es hat etwas pathetisches
an sich, wenn man auf den Abgrund zurennt und sich dabei an den
Blumen am Wegesrand refreut (und so sehe ich eine hierarchielose
Gesellschaft).

[...]


Weiterhin nimmst Du an, dass Strafandrohung ein wirksames Mittel
ist, Unrecht zu verhindern. Ich habe in meinem vorausgegangenen
posting schon dargelegt, dass ich Strafandrohungen als Mittel zur
Verhinderung von Unrecht fuer wenig wirksam halte. Es gibt viele
bedeutende Gruende, die gegen Strafandrohungen und Strafe
sprechen, von denen ich im Folgenden nur einige nennen will:

Bedeutsam ist zunaechst, dass eine Strafe selbst ein Unrecht ist.
Es *ist* einfach ein Unrecht, einen Menschen einzusperren, und es
wird *nicht* dadurch zu Recht, dass der Eingesperrte selber
vorher ein Unrecht begangen hat.

Woher kommt dieses *ist*? Kommt es durch den lieben Gott, ist es eine
Erleuchtung gewesen? Es gibt bedeutende Philosophen, die an dieser Stelle
anderer Meinung sind (zur Zeit ist allerdings der Begriff des Rechts
noch unklar, aber das hatten wir vor einer Weile mit Axel Boldt schon
alles...)

[...]


Eine weitere entscheidende Ungereimtheit ist, dass schon die
Androhung von Uebeln und Gewalt, und nichts anderes sind
Strafandrohungen, vom derzeit gueltigen Gesetz bereits (m.E.
durchaus korrekterweise) als Gewalt (Erpressung usw.) definiert
werden. Es gibt aber keine ethische Begruendung dafuer,
irgendwelche "staatlich legitimierten" Vollstrecker von dem
generellen Gewaltverbot auszunehmen. Mit anderen Worten: Einen
ethischen Anspruch des Staates auf das von ihm beanspruchte
"Gewaltmonopol" gibt es nicht. Im Uebrigen halte ich die
staatliche Gewalt auch, die ja schliesslich von Menschen
ausgeuebt wird, fuer unvereinbar damit, dass "vor dem Gesetz alle
Menschen gleich" sind. Wenn Freiheitsberaubung und Erpressung
strafbar sind, muessten nach dieser Art von Gerechtigkeit auch
Leute, die andere einsperren oder zu 15monatigen Diensten
zwingen, entsprechend bestraft werden.

Dasselbe Argument wie oben. Den ethischen Anspruch kann man sehr wohl
konstruieren. Und verfassungstechnisch geht sowieso alle Gewalt vom
Volke aus. Nach der Logik der letzten Saetze waere nachdem ein psycho-
pathischer Moerder festgenommen wurde, jeder im Gefaengnis. Aber das
sind wir ja auch alle, nennt sich BRD.

[...]


Problematisch ist auch der erzieherische Aspekt der
Strafandrohung. Nur feige, charakterlose oder total veraengstigte
Menschen lassen sich durch Strafandrohungen davon abhalten, das
zu tun, was sie fuer richtig halten. Wenn nun den Leuten
beigebracht wird, es sei ok, sich durch Drohungen beeinflussen zu
lassen oder sich gar daran zu orientieren, werden Feigheit,
Charakterlosigkeit und Veraengstigung gefoerdert und der eigene
Wille geschwaecht. Dann werden die Menschen ihrer eigenen
Vernunft unsicher und beeinflussbar, und wenn Strafandrohungen
zur Leitlinie ihres Handelns geworden sind, ist der Boden fuer
ein totalitaeres System bereitet. Denn ein solches ist im
Bedrohen der Buerger dem derzeitigen, im Vergleich dazu
gemaessigten System allemal weit ueberlegen.

Aber auch mutige, charakterstarke und total furchtlose Menschen lassen
sich durch Strafandrohungen davon abhalten, etwas zu tun, von dem sie
nicht wissen, dass es falsch ist. Und der restliche Schluss ist nur dann
korrekt, wenn durch Druck richtiges Handlen unterdrueckt wird. Das ist
natuerlich nicht der Sinn des Drucks.

[...]


Ich halte den Einsatz von Polizei gegen naechtliche Ruhestoerer
nach wie vor fuer einen krassen Fall von "Kanonen auf Spatzen".
Angemessen waere es z.B., fuer solche und aehnliche Faelle einen
Bereitschaftsdienst beim Ordnungsamt einzurichten. Dieser Dienst
braeuchte keine Schusswaffen, keine Sonderrechte, kein Auto mit
Blaulicht und Martinshorn, und wenn so ein Problem auftritt und
man im direkten Dialog nichts erreichen kann, ruft man diesen
Dienst an. Dann kommen zwei bis drei Leute unangemeldet, sehen
und hoeren sich den Fall an und sagen dann den Ruhestoerern:
"Hallo Jungs, hallo Maedels, ihr macht zuviel Krach, und wenn das
jetzt nicht aufhoert, sorgen wir dafuer, dass ihr euch bei allen,
die ihr gestoert habt, mit einer grosszuegigen Entschaedigung
revanchieren duerft."
Mit einem solchen Dienst waere das Mass an staatlich ausgeuebtem
Zwang schon ein kleines bisschen geringer als jetzt, und das ohne
Verlust an Sicherheit.
Nach der Einrichtung einer Reihe weiterer, gewaltaermerer Dienste
aehnlicher Art koennte man dann die hohle Streifefahrerei ganz
abschaffen und damit eine erhebliche Menge derzeit alltaeglicher
Polizeiwillkuer verhindern.

Einverstanden.

[...]


Erzeugung von Nachdenklichkeit und Ruecksicht mittels Gewalt und
ihrer Androhung. Eine der hohlsten, psychologisch und
verhaltensbiologisch unsinnigsten Methoden, die ich kenne.

PLaedierst Du fuer die Vernunft eines Menschen oder fuer sein
durch psychologische Rahmenbedingungen abgestecktes Verhaltensmuster.
Bei ersterem hat Josef recht, wie zum Beispiel die Spieltheorie be-
sagt. Bei letzterem hilft Deine Hierarchielosigkeit auch nicht weiter,
denn wie gesagt: Hierarchie gibt es in allen sozialen Gruppen.

[...]


Wie bereits anklang, sehe ich die Ursache fuer das derzeitige
Ausmass der Gewaltbereitschaft der Menschen darin, dass sie in
diesem System viel zuviel Zwang aufeinander ausueben. Man wird
dieses Problem durch Gerichte und Repressionen nur verschlimmern.
Angehen kann man es nur durch Milderung und Lockerung der
Zwaenge, also z.B. das Ersetzen derzeitiger Strukturen durch
gewaltaermere oder noch besser gewaltfreie Strukturen.

Das Stichwort ist hier Strukturen! Diese kann es auch mit Hierarchien
geben.

[...]

Es geht hier um Machtmissbrauch nicht um Hierarchielosigkeit. Ich
moechte die These aufstellen, dass ohne hierarchische Strukturen Macht-
missbrauch Tuer und Tor geoeffnet waere. Denn der Erhalt von Macht
waere denkbar einfach, da die anderen keine Gewalt anbringen wollten/
duerften, um sich zu verteidigen.

[...]


Nein. Es ist allerdings eine teilweise Umkehr der Beweislast.
Dies deshalb, weil es viel eher einem Polizisten zumutbar ist,
einen anderen Beruf zu ergreifen, zumal wenn ihm dies finanziert
wird, als es einem Menschen zumutbar ist, dass seine Grundrechte
durch willkuerliche Kontrollen, Verdaechtigungen und Schlimmeres
mit Fuessen getreten werden.
Diese Umkehr der Beweislast haette ausserdem die positive Folge,
dass ein Polizist, dem an seinem Job gelegen ist, die Menschen,
mit denen er zu tun bekommt, anstaendig behandelt. Damit waere
schon mal vieles besser als jetzt.

Eine nicht-willkuerliche Kontrolle ist fuer den, der etwas zu verbergen
hat per definitionem willkuerlich. Sonst wuerde er nichts verbergen.

[...]


Sinnvoll waere es, wenn jeder, der Polizist werden will,
zunaechst mal so acht bis zehn Jahre ein normales Leben fuehrt,
also studiert, einen Beruf ergreift oder aehnliches. Wenn er dann
in den Polizeidienst tritt, fuehrt er seine bisherige Taetigkeit
weiter, wird aber fuer den Polizeidienst befreit. Wenn er eines
Uebergriffs bezichtigt wird und rausfliegt, nimmt er seine andere
Berufstaetigkeit wieder voll auf, und es wird nicht rumposaunt,
warum er aus der Polizei ausgeschieden ist. Das kann er ja auch
auf eigenen Wunsch.

Das ist doch nicht Dein Ernst. Wer bestimmt zum Beispiel, dass das Opfer
nicht rumposaunen darf, was geschehen ist? Gewalt noch nach der Tat am
Opfer!

[...]


Natuerlich gibt es einen gewissen gesetzlichen Mieterschutz, aber
es muesste halt viel mehr sein. Die maximale Mieterhoehung pro
Jahr sollte z.B. eng an die Inflationsrate gekoppelt werden.
Ausserdem sollte als zusaetzliches Mietwucherkriterium
aufgenommen werden, dass der Vermieter nicht mehr als 2% Gewinn
pro Jahr bezogen auf den Wert des vermieteten Objekts machen
darf.

Huch, welche Gesetze gibt es denn in der Hierarchielosigkeit und wer
achtet auf ihre Einhaltung?

[...]


Warum nicht? Nuechtern umformuliert heisst das doch: "Du lebst
unter anderen familiaeren, sozialen und beruflichen
Verhaeltnissen als ich, und siehst viele Dinge daher aus einem
anderen Blickwinkel." Und natuerlich, die Blickwinkel, aus denen
man die Dinge erlebt, beeinflussen auch die Ideale, die man
entwickelt. Allerdings sollte man nicht versuchen, die
Widersprueche zwischen diesen Idealen aufzuloesen, indem
versucht, den Anderen in die eigenen Lebensverhaeltnisse
hineinzudraengen, also Anpassungsdruck auszuueben.

Aber innere Widersprueche der Ideale sollte man auch nicht tolerieren,
bzw. den Traeger solcher darauf hinweisen.

[...]


>(vielleicht bist Du verheiratet mit Kindern, wohnst in einem Reihenhaus
>und "am Institut" wird ja auch gearbeitet), aber ich sehe immer die
>Gruenen, die dann in eine Regierung gekommen sind (Beispiel: Josef
>Fischer). Dann werden aus Schreihaelsen auf einmal Leute, die sehen,
>dass es eventuell gar nicht anders geht!

... oder die den Blick dafuer verlieren, dass es auch anders geht!

>Oder die Leute, die in den 60-er Jahren auf die Strasse gegangen sind!
>Wo sind die denn heute?

Viele haben dem Anpassungsdruck nachgegeben und sind zutiefst
unzufrieden und uneins mit sich selbst.

>Man kann zwar schoen traeumen, wie's denn wohl sein koennte, aber man
>muss bitteschoen auf dem Teppich bleiben.

Wenn man immer auf dem Teppich bleibt, kann man seinen Horizont
nicht erweitern.

Schon mal was vom fliegenden Teppich geheort:-) Spass beseite:-(, schein-
bar gibt es fuer alles eine Erklaerung. Und die Leute aus den 60er Jahren,
die nicht unzufrieden sind, sind Zyniker geworden. Und die, die auch keine
Zyniker sind, sind in den Busch ausgewandert...

Schoene Gruesse,
Michael

Josef Moellers

unread,
Nov 4, 1992, 10:16:42 AM11/4/92
to
In <1992Nov03.2...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) writes:

[ ... ]

Also, um gleich Missverstaendnissen vorzubeugen, da ist weder eine
Hundertschaft herangerueckt, noch haben sich die mit Waffengewalt
Einlass in die Wohnung der Leute verschafft. Die Jungs haben freundlich
geklingelt, haben sich dann erkundigt, was Sache sei, und dann erklaert,
dass da, was die Leute auf ihrem Balkon getrieben haben, naechtliche
Ruhestoerung ist. Ganz ruhig, ganz sachlich, voellig gewaltfrei.

Im Uebrigen wird durch Deinen Vorschlag, das Ordnungsamt dafuer
einzusetzen, eine "Gewaltform" durch eine gleichwertige ersetzt.
Denn
1. Ich glaube kaum, dass es in jedem Fall so freundlich zuende geht, wie
in meinem. Wenn einer ordentlich "einen getankt" hat, kann er schon 'mal
physisch gewalttaetig werden, und die Herren vom Ordnungsamt muessen
sich dann wohl gegen diesen Angriff auf ihre Person zur Wehr setzen.
2. Woher willst Du wissen, dass der Leiter dieser "Ordnungsamts-Truppe"
nicht auch von dieser Macht missbrauch machen wird?

>[...]

>>>Es ist sicher eine erwiesene Tatsache, dass mit den derzeitigen
>>>Strukturen kein Horrorszenario wie oben geschildert eintritt.
>>>Keinesfalls erwiesen ist es aber, dass es gerade die
>>>hierarchische Organisation der Strukturen ist, die das
>>>beschriebene Szenario verhindert. Nach meiner Einschaetzung kann
>>>auch eine noch so uebermaechtige Polizei und Justiz keinen zur
>>>Gewalttaetigkeit und kriminellem Handeln entschlossenen Menschen
>>>daran hindern, seine Absichten in die Tat umzusetzen.

>>Einen zum letzten entschlossenen nicht, aber das Gros der Leute, die es
>>eben gelegentlich nicht so genau nehmen. Ich will denen gar nicht
>>Mutwilligkeit nachsagen, nur Gedankenlosigkeit. Und wenn da die Gefahr
>>einer Strafe hintersteht, dann macht man sich eben doch seine Gedanken.

>Erzeugung von Nachdenklichkeit und Ruecksicht mittels Gewalt und
>ihrer Androhung. Eine der hohlsten, psychologisch und
>verhaltensbiologisch unsinnigsten Methoden, die ich kenne.

1. psychologisch: Das erste Beduerfniss eines Menschen ist nach
(koerperlicher) Unversehrtheit.
2. verhaltensbiologisch: In der Tierwelt gibt es unzaehlige Beispiele,
wie sich Tiere durch ihr Verhalten vor Schaden schuetzen.

>>Hier in PB wagt keiner, in der Innenstadt seinen Wagen nicht
>>ordnungsgemaess abzustellen, aber in den Wohngebieten kann man nicht
>>mehr mit einem Kinderwagen durchgaengig den Buergersteig befahren!

>>Gewalttaten sind eines, aber Gedankenlosigkeit und Bequenlichkeit sind
>>etwas anderes. Du solltest Dich 'mal bei Deinem zustaendigen Landgericht
>>erkundigen, wie viele Faelle von gewaltsamen Auseinandersetzungen es
>>zwischen Nachbarn gibt!

>Wie bereits anklang, sehe ich die Ursache fuer das derzeitige
>Ausmass der Gewaltbereitschaft der Menschen darin, dass sie in
>diesem System viel zuviel Zwang aufeinander ausueben. Man wird
>dieses Problem durch Gerichte und Repressionen nur verschlimmern.
>Angehen kann man es nur durch Milderung und Lockerung der
>Zwaenge, also z.B. das Ersetzen derzeitiger Strukturen durch
>gewaltaermere oder noch besser gewaltfreie Strukturen.

Ich rede hier nicht von "Gewaltbereitschaft".
Ich vermeide _bewusst_ das Wort "Anarchie", versuche Du bitte nicht, mir
das Wort "Gewalt" in den Mund zu legen.
Wenn ich versuche, jemandem von seinem Treiben abzuhalten, dann bin ich,
und das ist meine These, darauf angewiesen, seiner Kraft das
Unrechtmaessige zu tun, eine _etwas_ groessere Kraft entgegenzusetzen.
Da meine Kraft nicht ausreicht, z.B. etwa zwanzig laermende,
angetrunkene Leute leise zu machen, oder mehrere Autos von den
Buergersteigen zu schieben, muss ich mir jemanden suchen, der diese
Kraft hat.

>>Wenn ich mich zur Durchsetzung meiner Rechte nicht der anonymen Gewalt
>>des Staates bedienen kann, sondern selber zusehen muss, wie ich mir mein
>>recht verschaffe, wird so mancher sicher _mir_ gegenueber rabiat werden.
>>Dann soll sich doch ein Polizist angreifen lassen. Der geniesst dann den
>>Schutz des Paragraphen "Widerstand gegen die Staatsgewalt".

>Wie schoen fuer ihn. Er darf "Staatsgewalt" gegen mich anwenden
>und ich darf mich noch nicht mal dagegen wehren. Ganz tolle
>Ethik, diese Staatsethik.

Natuerlich darfst Du Dich gegen ungerechtfertigte Staatsgewalt wehren.
Wenn Du aber etwas ungerechtfertigtes tust, darfst Du Dich nicht dagegen
wehren, wenn ein Polizist kommt, und Dich daran hindern will.

>Uebrigens wirst Du vermutlich kaum jemals erleben, dass ein
>Polizist sich an Deiner Statt angreifen laesst. Es sei denn, Du
>geniesst Polizeischutz und jemand greift Dich an. Aber
>normalerweise ist alles, was Du von der Polizei erwarten kannst,
>dass sie, nachdem der Angriff laengst vorbei ist, den Angreifer
>dingfest macht, und dass dieser dann eingelocht wird. Wie bereits
>gesagt, sehe ich keinen Sinn in so einem zusaetzlichen Unrecht.

Also, die beiden Polizisten, die da 'reingegangen sind, haetten
genausogut eine Bierflasche auf den Kopf kriegen koennen!
Gottseidank bin ich bis jetzt noch nicht Opfer eines Gewaltverbrechens
(z.B. bewaffneter Bankueberfall) geworden. Nach Deiner Meinung muss ich
dann wohl sehen, wo ich bleibe.

>>Wenn ich persoenlich versucht haette, die vollgesoffenen Leute auf ihrem
>>Balkon zur Ruhe zu bringen, na ich weiss nicht, die Sprueche die ich
>>gehoert habe reichen mir!

>Klar, sowas kann unangenehm sein. Aber ich bin nicht bereit, um
>meiner Nachtruhe willen auf elementare Grundrechte,
>einschliesslich des Rechts auf Widerstand gegen *jede* Form von
>Gewalt, zu verzichten.

Mein "elementares Grundrecht" in diesem Fall war meine Nachtruhe.
Ausserdem ist das, was die Leute da gemacht haben etwa KEINE Gewalt?
Die haben mir einige unbequeme Stunden aufgezwungen. Und ich hatte keine
Lust, diese Gewalt zu ertragen.

>Fuer die Abschaffung der Polizei naehme ich sogar gern in Kauf,
>dass jede Nacht in der ganzen Stadt high life gemacht wird. Mehr
>noch: ich wuerde da mitmachen, denn es waere ein wahrhaft
>wuerdiger Anlass :-)

Na ja, Du kannst es dir vielleicht leisten, jede Nacht durchzumachen,
ich muss leider am naechsten Tag arbeiten. Sorry, ich wollte das nicht,
aber das musste jetzt kommen.

[ ... ]

>Wenn ich mir das Handeln der Polizei und der politisch
>Verantwortlichen betrachte, sehe ich viele Anzeichen dafuer, dass
>der Schutz von Menschen, ihrem Leben und ihren Rechten den
>meisten dort ziemlich gleichgueltig ist. Natuerlich gibt es auch
>bei der Polizei Idealisten, die ihren Beruf ergriffen haben, um
>fuer andere einzutreten. Aber das klar erkennbare Hauptziel des
>Handelns von Polizei, Politikern und Staat ist der Erhalt ihrer
>Macht.

Letzterem kann ich bedingt zustimmen. S.u.

>>>Gewalt gegen Gewalt ist also, auch wenn sie in manchen konkreten
>>>Faellen kurzfristig sinnvoll sein mag, langfristig kein
>>>brauchbares Konzept. Denn sie ruiniert das Einzige, was einen
>>>Menschen von Gewalt abhalten kann.

>>Wenn man von dieser These ausgeht, klar!
>>Wenn man aber Gewalt eben als Mittel ansieht, um extreme Auswuechse zu
>>verhindern, dann ja!
>>Um bei meinem (harmlosen) Beispiel der Terassenfeier zu bleiben: Ich
>>habe bis 3.00Uhr Nachts auf Gewalt verzichtet und versucht, durch
>>Ueberredung meine Ruhe zu bekommen. Dann ist mir die Hutschnur
>>geplatzt!

>Ist eine ruhestoerende (aber ansonsten harmlose) Terrassenfeier
>bereits ein "extremer Auswuchs", der den Einsatz von
>Polizeigewalt, also massiver Gewalt, rechtfertigt?

Wie bereits oben erwaehnt hat es weder einen Einsatz der
Bereitschaftspolizei noch einer Hundestaffel gegeben. Es wurde nicht
geschossen, verpruegelt oder sonstige koerperliche Gewalt eingesetzt.
Die beiden Herren von der Polizei haben freundlich geklingelt und sich
dann erkundigt was Sache sei. Das ist alles ruhig verlaufen, die Feier
war danach natuerlich _sofoert_ zuende. (Meine Nachtruhe hatte ich zwar
immer noch nicht, der "Hausherr" hat noch etwa eine Stunde lautstark
nachgedacht, wer ihm seinen "Spass" verdorben hat. Ich bin dann am
naechsten Tag vorbeigegangen und habe erklaert, wie _ich_ die Sache
gesehen habe.)

>>> * Der Polizei werden alle Rechte zu willkuerlichen Kontrollen
>>>entzogen. Wenn ein Polizist bezichtigt wird, dennoch eine solche
>>>Kontrolle ausgeuebt zu haben, muss er gehen, auch wenn ihm der
>>>Fall nicht nachgewiesen werden kann. Dies ist aber mit keinem
>>>Ehrverlust verbunden, und der Einstieg in einen machtfreien Beruf
>>>wird ihm finanziert.

>>Na, also da rollen sich mir ja die Fussnaegel auf B-{)
>>Eine einfache, boswillige Anzeige reicht? Da werden ja alle
>>rechtsstaatlichen Grundlagen mit Fuessen getreten!

>Nein. Es ist allerdings eine teilweise Umkehr der Beweislast.
>Dies deshalb, weil es viel eher einem Polizisten zumutbar ist,
>einen anderen Beruf zu ergreifen, zumal wenn ihm dies finanziert
>wird, als es einem Menschen zumutbar ist, dass seine Grundrechte
>durch willkuerliche Kontrollen, Verdaechtigungen und Schlimmeres
>mit Fuessen getreten werden.

Dem Polizisten wird aber das Recht genommen, von willkuerlicher
Beschuldigung geschuetzt zu sein?

>Diese Umkehr der Beweislast haette ausserdem die positive Folge,
>dass ein Polizist, dem an seinem Job gelegen ist, die Menschen,
>mit denen er zu tun bekommt, anstaendig behandelt. Damit waere
>schon mal vieles besser als jetzt.

Wie waere es, wenn Du die Poilizei "anstaendig behandelst".
Bis jetzt habe ich von Dir nur wueste Beschimpfungen und Anschuldigungen
gehoert!
_Ich_ bin von der Polizei bis jetzt immer "anstaendig behandelt"
worden, auch wenn ich mich nicht immer ihrer Dienste bedient habe.

>[...]

>>Ausserdem "ohne Ehrverlust", auch da sind wieder Menschen im Spiel. Wie
>>oft werden Leute zu Unrecht angeklagt, verurteilt aber dann wieder
>>"rehabilitiert". Da bleibt _immer_ etwas haengen. "Da wird ja wohl was
>>'dran sein, sonst haetten die den nicht mitgenommen!"

>Sinnvoll waere es, wenn jeder, der Polizist werden will,
>zunaechst mal so acht bis zehn Jahre ein normales Leben fuehrt,
>also studiert, einen Beruf ergreift oder aehnliches. Wenn er dann
>in den Polizeidienst tritt, fuehrt er seine bisherige Taetigkeit
>weiter, wird aber fuer den Polizeidienst befreit.

Na, da wird sich sein Chef aber freuen! Du solltest Dich 'mal bei
Frauenrechtlerinnen erkundigen, wie viele Arbeitgeber gluecklich sind,
wenn Frauen so nach einigen Jahren ploetzlich zwischendurch aufhoeren um
ein Kind zu bekommen. Der Arbeitsplatz wird ihnen aber garantiert, wenn
sie wiederkommen wollen! (_Das_ kann man uebrigens auch als "Gewalt"
gegenueber dem Arbeitgeben betrachten)

> Wenn er eines
>Uebergriffs bezichtigt wird und rausfliegt, nimmt er seine andere
>Berufstaetigkeit wieder voll auf, und es wird nicht rumposaunt,
>warum er aus der Polizei ausgeschieden ist. Das kann er ja auch
>auf eigenen Wunsch.

Na ja, ein bischen realitiaetsfern, oder?

[ ... ]

>>Und die Vermieter vermieten ihre Haeuser dann aus Goodwill, oder wie,
>>oder was?
>>Ich habe gerade meine letzte Mieterhoehung bekommen: "Nur 17,nochwas
>>Prozent". Nun ist leider durch Uebersiedler und Studenten der
>>Wohnungsmarkt hier in PB leergefegt. Angobot+Nachfrage -> hohe Mieten!
>>Ich werd' den Teufel tun und ausziehen! Gott sei Dank hat der Staat die
>>Mieterhoehungen auf 30% in drei Jahren limitiert, ich moechte nicht
>>wissen, was ich sonst bezahlen muesste! Und ich glaube kaum, dass unser
>>Haus lange Zeit leer stehen wuerde, auch wenn der neue Mietvertrag eine
>>wesentlich hoehere Miete enthalten wuerde! Gott sei Dank gibt es so
>>etwas wie einen Kuendigungsschutz fuer Mietwohnungen (und -haeuser)!

>Natuerlich gibt es einen gewissen gesetzlichen Mieterschutz, aber
>es muesste halt viel mehr sein. Die maximale Mieterhoehung pro
>Jahr sollte z.B. eng an die Inflationsrate gekoppelt werden.
>Ausserdem sollte als zusaetzliches Mietwucherkriterium
>aufgenommen werden, dass der Vermieter nicht mehr als 2% Gewinn
>pro Jahr bezogen auf den Wert des vermieteten Objekts machen
>darf.

Also, 2% Gewinn mache ich anderswo auch und noch viel mehr!
Warum also vermieten?
Und wer soll den Mieterschutz denn ueberwachen und notfalls
durchsetzen?

>>Wenn Du die Fachpresse lesen wuerdest, waere Dir aufgefallen, dass es
>>meinem Broetchengeber, wie so vielen in unserer Branche, nicht gerade
>>rosig geht (Na klar, die Millionengewinne werden abgeschoepft, wir
>>bekommen dafuer die Verluste!).
>>Tja, nun steht er da, mit viel zu vielen Mitarbeitern! Aber entlassen?
>>Geht nicht, Arbeitsschutzgesetz!

>Wenn Euer Laden nicht von einem Arbeitgeber, sondern von Euch
>selbst in solidarischer und partnerschaftlicher Weise gefuehrt
>wuerde, waere an Entlassungen gar kein Gedanke. Und ausserdem
>gaebe es vermutlich viel bessere Computer :-)

Oder natuerlich auch nicht!

Das geht vielleicht in einem kleinen Handwerksbetrieb mit 10-15
Mitarbeitern, wo in einer Vollversammlung abgestimmt werden kann, nicht
aber in einem Laden mit >10.000 Mitarbeitern in X verschiedenen
Staedten.
Zur Zeit machen wir Verluste (ist ja wohl kein Betriebs-Geheimnis).
In einem oben beschriebenen Unternehmen duerfte ich jetzt mein Gespartes
einbringen!

Wenn ich 'mal so 'rumfrage, bekomme ich _mindestens_ soviele Meinungen
ueber die Art und Weise, wie wir unsere Arbeit zu machen haben, welche
Produkte wir anzubieten haetten, was als naechstes gemacht werden soll,
usw. als ich Leute gefragt habe.
Persoenlich habe ich _ganz_ andere Vorstellungen von dem, was ich hier
machen sollte. Da kaeme ein ganz toller Computer 'raus. Absolut latest
technology, obwohl, ... HALT ..., da ist doch gerade noch so'n neuer,
toller Chip 'rausgekommen! ("CPU: NS32532, wie was Performance? Ist doch
wurscht, aber die Architektur ist erste Sahne. Sprache: Klar, Modula-2,
wie was Softwarebasis, die Sprache ist Super!")

M.a.W. wenn hier nicht einer sagen wuerde, wo's lang geht, und ich ihm
zaehneknirschend gehorchen muesste, wuerde wohl kaum was sinnvolles
'rauskommen.

Ist klar: die da oben haben die Macht und tun alles, um sie zu behalten.
Meine alten Chefs hatten auch die Macht und haben alles getan, um sie zu
behalten. Ich weiss nicht was Klaus Luft, Dr. Fetzer und Konsorten heute
machen. Vielleicht, dass die neuen Chefs hier im Hause besser darauf
aufpassen, dass sie ihre Macht nicht verlieren. Mir waer's recht. Dann
kann ich mir wenigstens ab und zu 'mal erlauben, wenigstens etwas in die
Richtung _meiner_ Vorstellungen zu arbeiten.

Was ich damit sagen will:
Menschen sind verschieden. Jeder hat seine eigenen Vorstellungen davon,
wie's zu gehen hat oder auch nicht. Aber es gibt Situationen, in denen
muss einer nach langer solidarischer und partnerschaftlicher Diskussion
mit der Faust auf den Tisch hauen und sagen: "Da geht's lang". Heinz
Nixdorf hat das frueher getan und vielleicht ginge es uns etwas besser,
wenn er noch lebte.

[ ... ]

Also, ich hoer' jetzt auf.

Du hast ein Bild von der Polizei und dem Staat, das absolut auf "Gewalt"
geeicht ist. Fuer Dich ist die Polizei eben nur Bereitschaftspolizei,
die mit massiver physischer Gewalt gegen friedliebende Demonstranten
vorgeht.
Fuer Dich ist der Staat nur dazu da, dem Buerger alle Rechte zu nehmen
und ihn unmuendig zu machen.
Alle Gewalt von unten ist nur durch die Gewalt von oben
zustandegekommen.
Wuerde man die staatliche Gewalt abschaffen, wuerden wir alle
freidfertig nebeneinander wohnen, alle 84 Mio in duL, alle x Milliarden
auf dieser Welt.

Dass nicht alles perfekt ist, weiss ich auch. Und die Sache mit dem
Kessel von Hamburg, den Demos in Muenchen, u.ae. Faelle kann ich auch
nicht gutheissen.
Aber meine These ist, dass bei einer immer dichter werden Bevoelkerung
eine gewisse kontrollierende, steuernde Organisation notwendig ist. Und
um Reibungen zwischen den immer dichter aufeinander lebenden Menschen zu
verhindern, oder wenigstens Exszesse zu vermeiden, brauchen wir m.E.
eine "neutrale" "Gewalt".
Ich habe beides in Anfuehrungszeichen gesetzt, da ich mir auch bewusst
bin, dass (auch hier) Ideale nicht erreicht werden koennen.

Ob wir hierarchiefrei leben koennen, wage ich auch zu bezweifeln.
Das faengt bitte bei so Dingen wie "Feuerwehr" an. Wenn da nicht einer
den Ueberblick behaelt und Befehle schreit, ...
Und oft genug muessen Nachteile fuer den einzelnen in Kauf genommen
werden, um fuer andere, oder sogar auf lange Sicht fuer alle, etwas
Gutes herauszuholen. Und die Entscheidungen muessen "von oben" getroffen
werden.

Ich glaube eben nicht, dass 84 Mio Menschen alle gleich sind.
Und in einer Gemeinschaft dieser Groesse wird es immer unterschiedliche
Menschen mit verschiedenen Beduerfnissen, Wuenschen, Emotionen geben.
Das wirst Du nicht abstreiten koennen. Und es braucht doch nur einen
unter dieesn 84 Mio zu geben, der eben _nicht_ seine Beduerfnisse dem
Allgemeinwohl unterordnen will, der, vielleicht krankhaft,
herrschsuechtig ist. Der wird dann sicher versuchen, seine Wuensche und
Beduerfnisse zu befriedigen. Und er wird sicher Leute finden, derer er
sich bedienen kann.

Man kann natuerlich alle zwischenmenschlichen Probleme als Folge
staatlicher Gewalt sehen. Dann wuerde eine Abschaffung dieser
staatlichen Gewalt ein Paradies auf Erden schaffen.

Und wenn Du meinst, dass sich 20% nicht von 80% ihr Leben diktieren
lassen duerfen, dann frag' doch mal die 20% (Zahl mag darueber oder
darunter liegen) der Bevoelkerung, die gegen Auslaender sind!

Felix Schroeter

unread,
Nov 5, 1992, 5:42:20 AM11/5/92
to
Hallo...
Punkt 1 vorweg, da er nicht ganz zur Sache gehoert:
Joseph Moellers hat ein Posting 4 (oder warens 5) mal mit genau
gleichem Inhalt gesendet. War das Absicht?
Wenn ja: Quantitaet verstaerkt Argumente keinesfalls.
Wenn nein: Versehen koennen immer mal vorkommen...
So. Jetzt zur Sache:
Ich bringe die Diskussion mal auf einen Punkt:
Ansicht A:
Der Mensch ist von Natur aus gut.
Nur durch gesellschaftliche Einfluesse
(-> strukturelle Gewalt) wird er schlecht beeinflusst.
Da stellt sich die Frage: Woher kam die strukturelle Gewalt?
Das laeuft auf das Huhn und das Ei raus.
Loesungs*VERSUCH*: FAST ALLE Menschen sind von Natur aus gut...
Problem: Warum ist einer der wenigen schlechten ausgerechnet
schlecht und nicht ein anderer, der rein zufaellig unter die Guten
gefallen ist? Wodurch wird also die Zugehoerigkeit zu einer der
Gruppen bestimmt?

Ansicht B:
Der Mensch neigt von Natur aus zu Aggression und Gewalt. Diese Gewalt
kann nur durch gesamtgesellschaftliche EInfluesse eingedaemmt werden.
Die gesellschaftliche Gewalt (-> Staatsgewalt) ist das geringste
Uebel, das man eingeht, um das groessere Uebel (Krieg eines jeden
gegen jeden) zu vermeiden.
Problem: Staatliche Gewalt wird wiederum von Menschen ausgeuebt,
die nach obiger Voraussetzung aber genauso aggressiv und
"gewaltbereit" sind. Da diese Vertreter (->Politiker und Beamte
in diversen Organen, die die staatliche Gewalt verkoerpern)
allerdings eine wesentlich groessere Macht auf sich vereinigen,
als sie haetten, wenn sie auf sich allein gestellt waeren
(also im "Krieg aller gegen alle" - Th. Hobbes), wirkt sich deren
Aggression viel staerker aus, da der "unprivilegierte" Buerger
sich ja nicht/kaum dagegen wehren kann.
Jetzt koennen wir ja wieder einen Loesungsversuch wie oben aufziehen.
Das ueberlasse ich den Lesern (Stichwort: "gute" Elite...
Problem: a) Wodurch kann so eine Elite ueberhaupt entstehen
b) Wie bringt man diese Elite zur Macht, also
zur Ausuebung der Staatsgewalt?)

Ich selbst tendiere eher zum Standpunkt A , obwohl ich das Problem
sehe, das ich oben dargestellt habe. Ich denke eben, dass kein Mensch
von Natur aus *AUSSCHLIESSLICH* gut ist, also dass er durchaus auch
Anlagen zur Aggression/Gewalt hat. Andererseits hat er - im Prinzip,
also von Natur aus - Faehigkeiten, diese A/G zu kontrollieren.
Beim Mensch muss die A/G eben von der Vernunft kontrolliert werden,
da der Instinkt, der in der Tierwelt diese Rolle uebernimmt, beim
Menschen sehr schwach ausgepraegt ist.
Allerdings faellt es, wie es aussieht, sehr leicht, z.B. durch
gesellschaftliche Einfluesse diese Hemmschwelle, die durch die
Vernunftmaessigkeit entsteht, zu durchbrechen. Manchmal bricht
sie auch ohne Einfluesse der Gesellschaft zusammen, was auch das
erste Entstehen von struktureller Gewalt beinhaltet.

Nach obigem tendiere ich also dazu, das Ideal einer Gesellschaft
ohne struktureller Gewalt zu befuerworten.
Allerdings muss der Abbau der strukturellen Gewalt langsam erfolgen,
da mit noch voellig von der jetzigen Gesellschaft gepraegten Menschen
schlecht eine gewaltfreie, hierarchielose Gesellschaft aus dem
Aermel geschuettelt werden kann.

--
mfG, Felix - uk...@ibm3090.rz.uni-karlsruhe.de
Followup bitte weiterhin an die NG, damit alle was davon haben.
--
Definition Gewalt:
Gewalt sind Massnahmen, die das Niveau des Aktuellen unter
das Niveau des Potentiellen druecken.
direkte Gewalt ist physisch ausgeuebte Gewalt
strukturelle Gewalt sind Massnahmen, die ihren Zwang aus der
Drohung direkter Gewalt oder anderer zwingend wirkenden Massnahmen
herleiten (z.B.: Wenn Du keine Miete zahlst, dann kommt
der Raeumungsbefehl. Oder: Wenn Du bei der Arbeit nicht tust, was
der Chef sagt, dann -> byebye - zumindest diese Drohungen als
letzte Konsequenz...)
--
obige Definition stammt zu ca. 99% von Johan Galtung
(-> Bibliothek.philosophie.modern.galtung),
ist also nicht *mein* Hirngespinnst :-)
Ansonsten:

Michael Jung

unread,
Nov 5, 1992, 7:50:50 AM11/5/92
to
In article <1992Nov5.1...@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:

Ich selbst tendiere eher zum Standpunkt A , obwohl ich das Problem
sehe, das ich oben dargestellt habe. Ich denke eben, dass kein Mensch
von Natur aus *AUSSCHLIESSLICH* gut ist, also dass er durchaus auch
Anlagen zur Aggression/Gewalt hat. Andererseits hat er - im Prinzip,
also von Natur aus - Faehigkeiten, diese A/G zu kontrollieren.
Beim Mensch muss die A/G eben von der Vernunft kontrolliert werden,
da der Instinkt, der in der Tierwelt diese Rolle uebernimmt, beim
Menschen sehr schwach ausgepraegt ist.

Mir ist nicht klar, warum Gewalt ein Gegenpol zur Vernunft darstellt.

Nach obigem tendiere ich also dazu, das Ideal einer Gesellschaft
ohne struktureller Gewalt zu befuerworten.

Der Moeglichkeitsnachweis steht noch aus. Um es kantisch zu formulieren:
Die Bedingungen der Moeglichkeit einer solchen Gesellschaft sind nicht
gegeben.

Definition Gewalt:
Gewalt sind Massnahmen, die das Niveau des Aktuellen unter
das Niveau des Potentiellen druecken.

Diese Definition ist in diesem Zusammenhang nichtssagend und Galtung
hat sie bestimmt nicht so in den Raum gestellt.

Schoene Gruesse,
Michael

Felix Schroeter

unread,
Nov 5, 1992, 9:52:30 AM11/5/92
to
Michael Jung schreibt:
> In article <1992Nov5.1...@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK1O
@D

> KAUNI2.BITNET> writes:
>
> Ich selbst tendiere eher zum Standpunkt A , obwohl ich das Problem
> sehe, das ich oben dargestellt habe. Ich denke eben, dass kein Mensch
> von Natur aus *AUSSCHLIESSLICH* gut ist, also dass er durchaus auch
> Anlagen zur Aggression/Gewalt hat. Andererseits hat er - im Prinzip,
> also von Natur aus - Faehigkeiten, diese A/G zu kontrollieren.
> Beim Mensch muss die A/G eben von der Vernunft kontrolliert werden,
> da der Instinkt, der in der Tierwelt diese Rolle uebernimmt, beim
> Menschen sehr schwach ausgepraegt ist.
>
> Mir ist nicht klar, warum Gewalt ein Gegenpol zur Vernunft darstellt.
Findest Du es vernuenftig, wenn Du das Opfer physischer Gewalt wirst?
Findest Du es vernuenftig, wenn Du irgendwie unterdrueckt wirst?
(-> strukturelle Gewalt)
Ich denke/hoffe doch nicht.

>
> Nach obigem tendiere ich also dazu, das Ideal einer Gesellschaft
> ohne struktureller Gewalt zu befuerworten.
>
> Der Moeglichkeitsnachweis steht noch aus. Um es kantisch zu formulieren:
> Die Bedingungen der Moeglichkeit einer solchen Gesellschaft sind nicht
> gegeben.
Der Unmoeglichkeitsbeweis steht auch noch aus.
Jegliche Versuche, eine *EINIGERMASSEN* hierarchiearme/-lose
Gesellschaft aufzubauen, kamen bisher nicht weit, aber da war oft
auch militaerische Gewalt (oder sonstige Gewalt...) entweder der
Nachbarlaender oder der Vertreter der alten - staatlichen -
Ordnung im Spiel.
Beispiel: Machno (im Gefolge der 1917er-Revolution: Versuch von
Machno und Anhaengern, in der Ukraine eine Art freiheitlichen
Kommunismus zu errichten - wurde von der dortigen Bevoelkerung im
wesentlichen unterstuetzt, aber letztlich durch westliche und
Lenintreue Truppen zerschlagen...) oder Pariser Kommune...
(selber nachlesen, fast wo Du willst...)
Es heisst jetzt nicht, dass mein Ideal genau so aussieht wie diese
historischen Beispiele, aber es wird klar sein, dass das nicht-
funktionieren einer gewaltarmen Gesellschaft nicht nur durch
innere Widersprueche, sondern auch durch den Widerstand der durch
die bisherige Ordnung privilegierten hervorgerufen wird.

>
> Definition Gewalt:
> Gewalt sind Massnahmen, die das Niveau des Aktuellen unter
> das Niveau des Potentiellen druecken.
>
> Diese Definition ist in diesem Zusammenhang nichtssagend und Galtung
> hat sie bestimmt nicht so in den Raum gestellt.
DOCH. Erst nachlesen, dann weiterreden, leider hab ich den
genauen Literaturhinweis nicht da.
> Schoene Gruesse,
> Michael
Selbiges von mir.
Felix - uk...@ibm3090.rz.uni-karlsruhe.de

Felix Schroeter

unread,
Nov 6, 1992, 8:42:34 AM11/6/92
to
Michael Jung schreibt:
..stuff deleted.

> Definition Gewalt:
> Gewalt sind Massnahmen, die das Niveau des Aktuellen unter
> das Niveau des Potentiellen druecken.
>
> Diese Definition ist in diesem Zusammenhang nichtssagend und Galtung
> hat sie bestimmt nicht so in den Raum gestellt.
Hierzu noch ne Ergaenzung:
(Zitat: Ein Textauszug von Galtung - leider kein genauer Literatur-
hinweis, da das aus nem Textbuch zur Ethik kopiert wurde fuer
unseren Ethik-Unterricht)
: Johan Galtung:
: Zur Definition und den Dimensionen von "Gewalt"
:
: Zunaechst ist folgendes festzuhalten: > Gewalt liegt dann vor,
: wenn Menschen so beeinflusst werden, dass ihre aktuelle somatische
: und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potentielle
: Verwirklichung. < Diese Aussage mag mehr Probleme aufwerfen als
Hervorhebung >..< war im Original Kursivdruck - F.S.
: loesen. Es wird jedoch bald deutlich werden, warum wir den
: enggefassten Begriff von Gewalt ablehnen, dem zufolge Gewalt eine
: blosse physische Beschaedigung oder ein Angriff auf Leib und Leben
: ist (mit dem Toeten als extremster Form) - ein subjektiver Akt, der
: eben dies als Konsequenz >intendiert<. Wenn dies das einzige ist,
: worin Gewalt besteht, und Frieden als dessen Negation gilt, dann
: wird, propagiert man Frieden derart als Ideal, zu wenig verworfen
: und negiert. Voellig inakzeptable Gesellschaftsordnungen waeren
: dann immer noch mit Frieden vereinbar. Folglich >ist ein
: erweiterter Begriff von Gewalt unabdingbar<; es muss aber eine
: logische Erweiterung sein, und nicht nur eine Liste unerwuenschter
: Dinge.
Absatz. >...< wieder im Original kursiv.
Fussnoten:
- somatisch = koerperlich
- intendiert = beabsichtigt
Weiter im Original:
: Die Definition verweist auf mindestens sechs wichtige Dimensionen
: von Gewalt. Zunaechst jedoch einige Bemerkungen zum Gebrauch der
: obengenannten Schluesselwoerter "aktuell" und "potentiell".
: >Gewalt wird hier definiert als die Ursache fuer den Unterschied
: zwischen dem Potentiellen und dem Aktuellen<, zwischen dem, was
: haette sein koennen, und dem, was ist. Gewalt ist das, was den
: Abstand zwischen dem Potentiellen und dem Aktuellen vergroessert
: oder die Verringerung des Abstands erschwert.
Jetzt kommen Beispiele. Diese zitiere ich nur inhaltlich.
Bitte vertrau mir, dass ich den Sinn nicht verfaelsche.
Sonst muss ich sie eben nachtraeglich noch posten....
- Wenn im 18. Jhd ein Mensch an Tuberkulose stirbt, ist das
KEINE Gewalt.
Grund: die Krankheit war damals prinzipell nicht zu heilen.
- Wenn heute jemand an Tbc stirbt, ist das Gewalt (nach obiger
Definition), da wir heute die medizinischen Hilfsmittel haben,
die Krankheit zu heilen.
- Wenn Menschen durch ein Erdbeben sterben, ist das keine Gewalt,
denn Erdbeben sind heute noch nicht zu vermeiden.
Ausnahme: Wenn der Tod dadurch zustande kommt, dass ein Haus,
das extrem unstabil gebaut ist, auf das Opfer stuerzt.
(Ausnahme von MIR formuliert)
- Lebenserwartung von 30 Jahren war in der Steinzeit keine Gewalt,
da unvermeidlich.
- heute ist es aber Gewalt, da bei den heutigen Moeglichkeiten eine
wesentlich hoehere Lebenserwartung moeglich waere.
Soweit mal.
> Schoene Gruesse,
> Michael
MfG, Felix.
Felix Schroeter - uk...@ibm3090.rz.uni-karlsruhe.de
>>>>> Hierarchical systems are for files, not for humans <<<<<

Dietrich Froemming

unread,
Nov 5, 1992, 12:37:26 AM11/5/92
to
In <1ciplf...@juqi.ruhr.de>, Bodo Rueskamp writes:
) In article <QqiTr*O...@forge.erh.sub.org> bar...@forge.erh.sub.org
) (Henning Schmiedehausen) writes:
) >Der Mensch ist ein wildes Tier und nur die Reglementierung und die Androhung
) >von Strafen sorgt dafuer, dass wir uns nicht gegenseitig an die Kehle gehen.
)
) Nur die _wirksame_ Androhung von Strafe.
) Beispiel: Irak, Jugoslawien, deutsche Autobahnen.

Das mit den Jugoslawien und Autobahnen musst Du mir nochmal erklaeren.

MfG

Dietrich

--
diet...@fromuu.from.sub.org BIX: dfroemming CompuServe: 100012,312
Dietrich Froemming, Herrsching, Germany

,,Zeit und Notwendigkeit scheinen mit einer tiefen Missachtung persoenlicher
Probleme aus eigenem Entschluss an die Tuer zu klopfen.`` - Jim Garrison

Josef Moellers

unread,
Nov 5, 1992, 2:38:55 AM11/5/92
to
In <1992Nov03.2...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) writes:

[ ... ]

Also, um gleich Missverstaendnissen vorzubeugen, da ist weder eine


Hundertschaft herangerueckt, noch haben sich die mit Waffengewalt
Einlass in die Wohnung der Leute verschafft. Die Jungs haben freundlich
geklingelt, haben sich dann erkundigt, was Sache sei, und dann erklaert,
dass da, was die Leute auf ihrem Balkon getrieben haben, naechtliche
Ruhestoerung ist. Ganz ruhig, ganz sachlich, voellig gewaltfrei.

Im Uebrigen wird durch Deinen Vorschlag, das Ordnungsamt dafuer
einzusetzen, eine "Gewaltform" durch eine gleichwertige ersetzt.
Denn
1. Ich glaube kaum, dass es in jedem Fall so freundlich zuende geht, wie
in meinem. Wenn einer ordentlich "einen getankt" hat, kann er schon 'mal
physisch gewalttaetig werden, und die Herren vom Ordnungsamt muessen
sich dann wohl gegen diesen Angriff auf ihre Person zur Wehr setzen.
2. Woher willst Du wissen, dass der Leiter dieser "Ordnungsamts-Truppe"
nicht auch von dieser Macht missbrauch machen wird?

>[...]

>>>Es ist sicher eine erwiesene Tatsache, dass mit den derzeitigen
>>>Strukturen kein Horrorszenario wie oben geschildert eintritt.
>>>Keinesfalls erwiesen ist es aber, dass es gerade die
>>>hierarchische Organisation der Strukturen ist, die das
>>>beschriebene Szenario verhindert. Nach meiner Einschaetzung kann
>>>auch eine noch so uebermaechtige Polizei und Justiz keinen zur
>>>Gewalttaetigkeit und kriminellem Handeln entschlossenen Menschen
>>>daran hindern, seine Absichten in die Tat umzusetzen.

>>Einen zum letzten entschlossenen nicht, aber das Gros der Leute, die es
>>eben gelegentlich nicht so genau nehmen. Ich will denen gar nicht
>>Mutwilligkeit nachsagen, nur Gedankenlosigkeit. Und wenn da die Gefahr
>>einer Strafe hintersteht, dann macht man sich eben doch seine Gedanken.

>Erzeugung von Nachdenklichkeit und Ruecksicht mittels Gewalt und
>ihrer Androhung. Eine der hohlsten, psychologisch und
>verhaltensbiologisch unsinnigsten Methoden, die ich kenne.

1. psychologisch: Das erste Beduerfniss eines Menschen ist nach


(koerperlicher) Unversehrtheit.
2. verhaltensbiologisch: In der Tierwelt gibt es unzaehlige Beispiele,
wie sich Tiere durch ihr Verhalten vor Schaden schuetzen.

>>Hier in PB wagt keiner, in der Innenstadt seinen Wagen nicht


>>ordnungsgemaess abzustellen, aber in den Wohngebieten kann man nicht
>>mehr mit einem Kinderwagen durchgaengig den Buergersteig befahren!

>>Gewalttaten sind eines, aber Gedankenlosigkeit und Bequenlichkeit sind
>>etwas anderes. Du solltest Dich 'mal bei Deinem zustaendigen Landgericht
>>erkundigen, wie viele Faelle von gewaltsamen Auseinandersetzungen es
>>zwischen Nachbarn gibt!

>Wie bereits anklang, sehe ich die Ursache fuer das derzeitige
>Ausmass der Gewaltbereitschaft der Menschen darin, dass sie in
>diesem System viel zuviel Zwang aufeinander ausueben. Man wird
>dieses Problem durch Gerichte und Repressionen nur verschlimmern.
>Angehen kann man es nur durch Milderung und Lockerung der
>Zwaenge, also z.B. das Ersetzen derzeitiger Strukturen durch
>gewaltaermere oder noch besser gewaltfreie Strukturen.

Ich rede hier nicht von "Gewaltbereitschaft".


Ich vermeide _bewusst_ das Wort "Anarchie", versuche Du bitte nicht, mir
das Wort "Gewalt" in den Mund zu legen.
Wenn ich versuche, jemandem von seinem Treiben abzuhalten, dann bin ich,
und das ist meine These, darauf angewiesen, seiner Kraft das
Unrechtmaessige zu tun, eine _etwas_ groessere Kraft entgegenzusetzen.
Da meine Kraft nicht ausreicht, z.B. etwa zwanzig laermende,
angetrunkene Leute leise zu machen, oder mehrere Autos von den
Buergersteigen zu schieben, muss ich mir jemanden suchen, der diese
Kraft hat.

>>Wenn ich mich zur Durchsetzung meiner Rechte nicht der anonymen Gewalt


>>des Staates bedienen kann, sondern selber zusehen muss, wie ich mir mein
>>recht verschaffe, wird so mancher sicher _mir_ gegenueber rabiat werden.
>>Dann soll sich doch ein Polizist angreifen lassen. Der geniesst dann den
>>Schutz des Paragraphen "Widerstand gegen die Staatsgewalt".

>Wie schoen fuer ihn. Er darf "Staatsgewalt" gegen mich anwenden
>und ich darf mich noch nicht mal dagegen wehren. Ganz tolle
>Ethik, diese Staatsethik.

Natuerlich darfst Du Dich gegen ungerechtfertigte Staatsgewalt wehren.


Wenn Du aber etwas ungerechtfertigtes tust, darfst Du Dich nicht dagegen
wehren, wenn ein Polizist kommt, und Dich daran hindern will.

>Uebrigens wirst Du vermutlich kaum jemals erleben, dass ein


>Polizist sich an Deiner Statt angreifen laesst. Es sei denn, Du
>geniesst Polizeischutz und jemand greift Dich an. Aber
>normalerweise ist alles, was Du von der Polizei erwarten kannst,
>dass sie, nachdem der Angriff laengst vorbei ist, den Angreifer
>dingfest macht, und dass dieser dann eingelocht wird. Wie bereits
>gesagt, sehe ich keinen Sinn in so einem zusaetzlichen Unrecht.

Also, die beiden Polizisten, die da 'reingegangen sind, haetten


genausogut eine Bierflasche auf den Kopf kriegen koennen!
Gottseidank bin ich bis jetzt noch nicht Opfer eines Gewaltverbrechens
(z.B. bewaffneter Bankueberfall) geworden. Nach Deiner Meinung muss ich
dann wohl sehen, wo ich bleibe.

>>Wenn ich persoenlich versucht haette, die vollgesoffenen Leute auf ihrem


>>Balkon zur Ruhe zu bringen, na ich weiss nicht, die Sprueche die ich
>>gehoert habe reichen mir!

>Klar, sowas kann unangenehm sein. Aber ich bin nicht bereit, um
>meiner Nachtruhe willen auf elementare Grundrechte,
>einschliesslich des Rechts auf Widerstand gegen *jede* Form von
>Gewalt, zu verzichten.

Mein "elementares Grundrecht" in diesem Fall war meine Nachtruhe.


Ausserdem ist das, was die Leute da gemacht haben etwa KEINE Gewalt?
Die haben mir einige unbequeme Stunden aufgezwungen. Und ich hatte keine
Lust, diese Gewalt zu ertragen.

>Fuer die Abschaffung der Polizei naehme ich sogar gern in Kauf,


>dass jede Nacht in der ganzen Stadt high life gemacht wird. Mehr
>noch: ich wuerde da mitmachen, denn es waere ein wahrhaft
>wuerdiger Anlass :-)

Na ja, Du kannst es dir vielleicht leisten, jede Nacht durchzumachen,


ich muss leider am naechsten Tag arbeiten. Sorry, ich wollte das nicht,
aber das musste jetzt kommen.

[ ... ]

>Wenn ich mir das Handeln der Polizei und der politisch


>Verantwortlichen betrachte, sehe ich viele Anzeichen dafuer, dass
>der Schutz von Menschen, ihrem Leben und ihren Rechten den
>meisten dort ziemlich gleichgueltig ist. Natuerlich gibt es auch
>bei der Polizei Idealisten, die ihren Beruf ergriffen haben, um
>fuer andere einzutreten. Aber das klar erkennbare Hauptziel des
>Handelns von Polizei, Politikern und Staat ist der Erhalt ihrer
>Macht.

Letzterem kann ich bedingt zustimmen. S.u.

>>>Gewalt gegen Gewalt ist also, auch wenn sie in manchen konkreten


>>>Faellen kurzfristig sinnvoll sein mag, langfristig kein
>>>brauchbares Konzept. Denn sie ruiniert das Einzige, was einen
>>>Menschen von Gewalt abhalten kann.

>>Wenn man von dieser These ausgeht, klar!
>>Wenn man aber Gewalt eben als Mittel ansieht, um extreme Auswuechse zu
>>verhindern, dann ja!
>>Um bei meinem (harmlosen) Beispiel der Terassenfeier zu bleiben: Ich
>>habe bis 3.00Uhr Nachts auf Gewalt verzichtet und versucht, durch
>>Ueberredung meine Ruhe zu bekommen. Dann ist mir die Hutschnur
>>geplatzt!

>Ist eine ruhestoerende (aber ansonsten harmlose) Terrassenfeier
>bereits ein "extremer Auswuchs", der den Einsatz von
>Polizeigewalt, also massiver Gewalt, rechtfertigt?

Wie bereits oben erwaehnt hat es weder einen Einsatz der


Bereitschaftspolizei noch einer Hundestaffel gegeben. Es wurde nicht
geschossen, verpruegelt oder sonstige koerperliche Gewalt eingesetzt.
Die beiden Herren von der Polizei haben freundlich geklingelt und sich
dann erkundigt was Sache sei. Das ist alles ruhig verlaufen, die Feier
war danach natuerlich _sofoert_ zuende. (Meine Nachtruhe hatte ich zwar
immer noch nicht, der "Hausherr" hat noch etwa eine Stunde lautstark
nachgedacht, wer ihm seinen "Spass" verdorben hat. Ich bin dann am
naechsten Tag vorbeigegangen und habe erklaert, wie _ich_ die Sache
gesehen habe.)

>>> * Der Polizei werden alle Rechte zu willkuerlichen Kontrollen


>>>entzogen. Wenn ein Polizist bezichtigt wird, dennoch eine solche
>>>Kontrolle ausgeuebt zu haben, muss er gehen, auch wenn ihm der
>>>Fall nicht nachgewiesen werden kann. Dies ist aber mit keinem
>>>Ehrverlust verbunden, und der Einstieg in einen machtfreien Beruf
>>>wird ihm finanziert.

>>Na, also da rollen sich mir ja die Fussnaegel auf B-{)
>>Eine einfache, boswillige Anzeige reicht? Da werden ja alle
>>rechtsstaatlichen Grundlagen mit Fuessen getreten!

>Nein. Es ist allerdings eine teilweise Umkehr der Beweislast.
>Dies deshalb, weil es viel eher einem Polizisten zumutbar ist,
>einen anderen Beruf zu ergreifen, zumal wenn ihm dies finanziert
>wird, als es einem Menschen zumutbar ist, dass seine Grundrechte
>durch willkuerliche Kontrollen, Verdaechtigungen und Schlimmeres
>mit Fuessen getreten werden.

Dem Polizisten wird aber das Recht genommen, von willkuerlicher
Beschuldigung geschuetzt zu sein?

>Diese Umkehr der Beweislast haette ausserdem die positive Folge,


>dass ein Polizist, dem an seinem Job gelegen ist, die Menschen,
>mit denen er zu tun bekommt, anstaendig behandelt. Damit waere
>schon mal vieles besser als jetzt.

Wie waere es, wenn Du die Poilizei "anstaendig behandelst".


Bis jetzt habe ich von Dir nur wueste Beschimpfungen und Anschuldigungen
gehoert!
_Ich_ bin von der Polizei bis jetzt immer "anstaendig behandelt"
worden, auch wenn ich mich nicht immer ihrer Dienste bedient habe.

>[...]

>>Ausserdem "ohne Ehrverlust", auch da sind wieder Menschen im Spiel. Wie
>>oft werden Leute zu Unrecht angeklagt, verurteilt aber dann wieder
>>"rehabilitiert". Da bleibt _immer_ etwas haengen. "Da wird ja wohl was
>>'dran sein, sonst haetten die den nicht mitgenommen!"

>Sinnvoll waere es, wenn jeder, der Polizist werden will,
>zunaechst mal so acht bis zehn Jahre ein normales Leben fuehrt,
>also studiert, einen Beruf ergreift oder aehnliches. Wenn er dann
>in den Polizeidienst tritt, fuehrt er seine bisherige Taetigkeit
>weiter, wird aber fuer den Polizeidienst befreit.

Na, da wird sich sein Chef aber freuen! Du solltest Dich 'mal bei


Frauenrechtlerinnen erkundigen, wie viele Arbeitgeber gluecklich sind,
wenn Frauen so nach einigen Jahren ploetzlich zwischendurch aufhoeren um
ein Kind zu bekommen. Der Arbeitsplatz wird ihnen aber garantiert, wenn
sie wiederkommen wollen! (_Das_ kann man uebrigens auch als "Gewalt"
gegenueber dem Arbeitgeben betrachten)

> Wenn er eines


>Uebergriffs bezichtigt wird und rausfliegt, nimmt er seine andere
>Berufstaetigkeit wieder voll auf, und es wird nicht rumposaunt,
>warum er aus der Polizei ausgeschieden ist. Das kann er ja auch
>auf eigenen Wunsch.

Na ja, ein bischen realitiaetsfern, oder?

[ ... ]

>>Und die Vermieter vermieten ihre Haeuser dann aus Goodwill, oder wie,


>>oder was?
>>Ich habe gerade meine letzte Mieterhoehung bekommen: "Nur 17,nochwas
>>Prozent". Nun ist leider durch Uebersiedler und Studenten der
>>Wohnungsmarkt hier in PB leergefegt. Angobot+Nachfrage -> hohe Mieten!
>>Ich werd' den Teufel tun und ausziehen! Gott sei Dank hat der Staat die
>>Mieterhoehungen auf 30% in drei Jahren limitiert, ich moechte nicht
>>wissen, was ich sonst bezahlen muesste! Und ich glaube kaum, dass unser
>>Haus lange Zeit leer stehen wuerde, auch wenn der neue Mietvertrag eine
>>wesentlich hoehere Miete enthalten wuerde! Gott sei Dank gibt es so
>>etwas wie einen Kuendigungsschutz fuer Mietwohnungen (und -haeuser)!

>Natuerlich gibt es einen gewissen gesetzlichen Mieterschutz, aber
>es muesste halt viel mehr sein. Die maximale Mieterhoehung pro
>Jahr sollte z.B. eng an die Inflationsrate gekoppelt werden.
>Ausserdem sollte als zusaetzliches Mietwucherkriterium
>aufgenommen werden, dass der Vermieter nicht mehr als 2% Gewinn
>pro Jahr bezogen auf den Wert des vermieteten Objekts machen
>darf.

Also, 2% Gewinn mache ich anderswo auch und noch viel mehr!


Warum also vermieten?
Und wer soll den Mieterschutz denn ueberwachen und notfalls
durchsetzen?

>>Wenn Du die Fachpresse lesen wuerdest, waere Dir aufgefallen, dass es


>>meinem Broetchengeber, wie so vielen in unserer Branche, nicht gerade
>>rosig geht (Na klar, die Millionengewinne werden abgeschoepft, wir
>>bekommen dafuer die Verluste!).
>>Tja, nun steht er da, mit viel zu vielen Mitarbeitern! Aber entlassen?
>>Geht nicht, Arbeitsschutzgesetz!

>Wenn Euer Laden nicht von einem Arbeitgeber, sondern von Euch
>selbst in solidarischer und partnerschaftlicher Weise gefuehrt
>wuerde, waere an Entlassungen gar kein Gedanke. Und ausserdem
>gaebe es vermutlich viel bessere Computer :-)

Oder natuerlich auch nicht!

[ ... ]

Michael Jung

unread,
Nov 8, 1992, 12:51:40 AM11/8/92
to
"Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:
>Michael Jung schreibt:

>>Mir ist nicht klar, warum Gewalt ein Gegenpol zur Vernunft darstellt.
>Findest Du es vernuenftig, wenn Du das Opfer physischer Gewalt wirst?
>Findest Du es vernuenftig, wenn Du irgendwie unterdrueckt wirst?

Wenn man mir mit GEwalt einen ausgekuegelten Arm wieder einrenkt, dann
finde ich das vernuenftig. Ich finde es nicht vernuenftig Opfer IRGEND-
EINER Gewalt zu werden, aber Opfer BESTIMMTER Formen von Gewalt.

>>Der Moeglichkeitsnachweis steht noch aus. Um es kantisch zu formulieren:
>>Die Bedingungen der Moeglichkeit einer solchen Gesellschaft sind nicht
>>gegeben.
>Der Unmoeglichkeitsbeweis steht auch noch aus.

Was haeltst Du hiervon. Eine Gesellschaftsform entsteht nicht aus dem nichts,
dass heisst, sie entsteht nur, indem sie eine andere Gesellschaftsform
abloest, negiert. Damit drueckt sie das Niveau des aktuellen unterhalb
dessen des Potentiellen, schliesslich ist diese alte Gesellschaftsform
nicht mehr moeglich. Also verwendet man fuer die neue Gesellschaft zu ihrer
Etablierung Gewalt. Fuer eine Gesellschaft, in der Gewaltlosigkeit herrschen
soll! Innerhalb der Gesellschaft gibt es Menschen, die mit anderen in
Interessenkonflikt geraten. Beispielsweise geht A ueber die Strasse und B
moechte zur gleichen Zeit auf dieser fahren. Damit muss einer der beiden
sein Interesse in den Hintergrund stellen, d. h. auf ein gewisses Potential
verzichten. Das bedeutet Gewalt. Damit kann es keine gewaltfreie Gesellschaft
geben.
Ich habe dabei die Definition der Gewalt verwendet, wie ich sie anhand
deines Postings verstanden habe. Ich halte sie einerseits fuer zu generell
und andererseits, so wie sie mir bis jetzt bekannt ist, fuer schwammig.
Wenn deshalb obige Beispiel nicht zutreffend sind, muss man sie aendern,
aber ich denke ich werde auch weiterhin welche finden, so dass die
Argumentation weiterhin gilt.

>Jegliche Versuche, eine *EINIGERMASSEN* hierarchiearme/-lose
>Gesellschaft aufzubauen, kamen bisher nicht weit, aber da war oft
>auch militaerische Gewalt (oder sonstige Gewalt...) entweder der
>Nachbarlaender oder der Vertreter der alten - staatlichen -
>Ordnung im Spiel.

>Es heisst jetzt nicht, dass mein Ideal genau so aussieht wie diese
>historischen Beispiele, aber es wird klar sein, dass das nicht-
>funktionieren einer gewaltarmen Gesellschaft nicht nur durch
>innere Widersprueche, sondern auch durch den Widerstand der durch
>die bisherige Ordnung privilegierten hervorgerufen wird.

Nur weil sie (die Versuche) mit moeglicherweise falschen Mitteln unter-
drueckt wurden, heisst das aber nicht, dass ihre Erfolge moeglich gewesen
waeren.

>>Gewalt sind Massnahmen, die das Niveau des Aktuellen unter
>>das Niveau des Potentiellen druecken.
>>Diese Definition ist in diesem Zusammenhang nichtssagend und Galtung
>>hat sie bestimmt nicht so in den Raum gestellt.
>DOCH. Erst nachlesen, dann weiterreden, leider hab ich den
>genauen Literaturhinweis nicht da.

Denn hast Du ja inzwischen geliefert und damit demonstriert, dass ich recht
hatte. Sofort am Anschluss an die Definition kamen naemlich Erlaeuterungen.

Schoene Gruesse,
Michael

Josef Moellers

unread,
Nov 6, 1992, 3:37:05 AM11/6/92
to

Da wir nicht im Alleingang eine hierarchiearme/-lose Gesellschaft
aufbauen koennen, muss es also weltweit geschehen.
Und wie willst Du _weltweit_ alle existierenden Gesellschaftsformen
vereinheitlichen? Was willst Du mit Religionen machen, denen von Ihrem
Gott die Verbreitung ihrer Lehren auch unter Ausnutzung von Gewalt
vorgeschrieben ist? Gerade das Beispiel "Religion" zeigt, dass es immer
Hierarchien gegeben hat und geben wird. Also, ich sehe da _enorme_
Probleme! Die Organisiationsform, die sich eine Gesellschaft waehlt,
wird stark von Ihrer Geschichte und Kultur beeinflusst.

Und etwas anderes fiel mir heute morgen beim Fruehstueck (mit dem
Nachwuchs) ein(*):
Gesetz dem Fall, wir haetten (national oder international) die
hierarchiearme/-lose Gesellschaft realisiert. D.h. alle Menschen sind
gleich, es gibt keine Hierarchie, keiner kann Macht ueber den anderen
ausueben. Insbesondere wird es keine "Ordnungsmacht" (Polizei) geben.
D.h. es gibt keine Macht, die der Kriminalitaet einen Riegel vorschieben
kann. OK, die Gesellschaft kann Kriminalitaet (wie auch schon Gewalt"
"aechten", aber das ist doch so, als wenn unsere existierende
Gesellschaft die Gewalt gegen Auslaender verurteilt.
Um auf meinen urspruenglichen Punkt zurueckzukommen: Als Vater von drei
Kindern glaube ich, folgendes Behaupten zu koennen: Nach der Geburt ist
ein Kind, was Werte, was sein Verhaeltnis zu Aggression und Gewalt
angeht und insebsondere was sein Vermoegen, mit Frustration
fertigzuwerden angeht, voellig unbelastet. Natuerlich lernen Kinder, was
Aggression und Gewalt angehen, von ihren Eltern. Ich erschrecke immer
wieder, wenn ich Verfehlungen meinerseits von meinen Kindern nachgemacht
bekomme. Oft wird dies aber von den Kindern voellig unreflektiert getan.
Die Kinder sehen ein Verhalten der Eltern und kopieren dies, ohne ueber
Hintergruende nachzudenken. Verhalten der Eltern wird daher oft
misverstanden und dieses misverstandene Verhalten wird unreflektiert
VERSTAERKT! Und wer ist schon perfekt? Und dann hat man verschiedene
Kinder, die sich verschieden entwickeln, zu verschiedenen Erwachsenen.

Ausserdem, war es nicht Freud, der sagte dass Frustration Aggression
erzeugt?

(*)Um des Erlebnis zu erklaeren: Unsere 3 jaehrige Tochter hat von Oma
eine Spielzeug-Armbanduhr bekommen und unser 6 jaehriger Sohn moechte
diese haben. Unsere Tochter gab die Uhr aber nicht ab! -> Frust, Wut.
Ich hoffe, ich starte hiermit keinen neuen Thread, wie ich meine Kinder
zu erziehen habe B-{)

Felix Schroeter

unread,
Nov 10, 1992, 10:42:29 AM11/10/92
to
Josef Moellers schreibt:
> In <1992Nov5.1...@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK1O@DKAUNI2.
Warum geht es nicht, auf dem Gebiet der jetzigen BRD die Hierarchien
abzubauen?

> Und wie willst Du _weltweit_ alle existierenden Gesellschaftsformen
> vereinheitlichen? Was willst Du mit Religionen machen, denen von Ihrem
> Gott die Verbreitung ihrer Lehren auch unter Ausnutzung von Gewalt
> vorgeschrieben ist? Gerade das Beispiel "Religion" zeigt, dass es immer
> Hierarchien gegeben hat und geben wird. Also, ich sehe da _enorme_
> Probleme! Die Organisiationsform, die sich eine Gesellschaft waehlt,
> wird stark von Ihrer Geschichte und Kultur beeinflusst.

Muessen die Religionen immer gleich bleiben? Wenn du so schreibst,
musst Du Dir darueber im klaren sein, dass diese Worte auch als
Argument fuer den religioesen Fanatismus interpretiert werden koennen.
Und ich *HOFFE*, dass Du diesen ablehnst, da er die Religionsfreiheit,
die auch im gegenwaertigen Grundgesetz festgehalten ist, verletzt.
Es ist richtig, dass die Vorgeschichte eines Landes einen mass-
geblichen Einfluss auf die Gesellschaftsform ausuebt. Aber dieser
Einfluss ist nicht allumfassend, sonst koennten wir jetzt GARNICHTS
veraendern. Ist doch logisch?!

> Und etwas anderes fiel mir heute morgen beim Fruehstueck (mit dem
> Nachwuchs) ein(*):
> Gesetz dem Fall, wir haetten (national oder international) die
> hierarchiearme/-lose Gesellschaft realisiert. D.h. alle Menschen sind
> gleich, es gibt keine Hierarchie, keiner kann Macht ueber den anderen
> ausueben. Insbesondere wird es keine "Ordnungsmacht" (Polizei) geben.
> D.h. es gibt keine Macht, die der Kriminalitaet einen Riegel vorschieben
> kann. OK, die Gesellschaft kann Kriminalitaet (wie auch schon Gewalt"
> "aechten", aber das ist doch so, als wenn unsere existierende
> Gesellschaft die Gewalt gegen Auslaender verurteilt.

Meinst Du, dass ohne Polizei auf einmal jeder oder fast jeder
kriminell wuerde? Oder gibt es nicht auch Menschen, die das Leben
und die Persoenlichkeitsrechte anderer aus PRINZIP, nicht nur aus
Furcht vor einer Ordnungsmacht achten?
Weiterhin: Wenn Du meinst, dass die Menschen von Natur aus zu Egoismus
neigen, dann kann man ja folgende Argumentation darauf aufbauen:
Die Regierenden (also diejenigen, die eine Staatsmacht ausueben,
z.B. Angehoerige einer Regierung) sind auch Menschen, neigen also
selbst zu Egoismus. Wie wollen Leute, die selbst zu Egoismus neigen,
Egoismus vermeiden, was Du als Ziel einer hierarchischen Ordnung
(und als Argument dafuer) hinstellst?

> Um auf meinen urspruenglichen Punkt zurueckzukommen: Als Vater von drei
> Kindern glaube ich, folgendes Behaupten zu koennen: Nach der Geburt ist
> ein Kind, was Werte, was sein Verhaeltnis zu Aggression und Gewalt
> angeht und insebsondere was sein Vermoegen, mit Frustration
> fertigzuwerden angeht, voellig unbelastet. Natuerlich lernen Kinder, was
> Aggression und Gewalt angehen, von ihren Eltern. Ich erschrecke immer
> wieder, wenn ich Verfehlungen meinerseits von meinen Kindern nachgemacht
> bekomme. Oft wird dies aber von den Kindern voellig unreflektiert getan.
> Die Kinder sehen ein Verhalten der Eltern und kopieren dies, ohne ueber
> Hintergruende nachzudenken. Verhalten der Eltern wird daher oft
> misverstanden und dieses misverstandene Verhalten wird unreflektiert
> VERSTAERKT! Und wer ist schon perfekt? Und dann hat man verschiedene
> Kinder, die sich verschieden entwickeln, zu verschiedenen Erwachsenen.

Darin, was das Neugeborene angeht (oben in dem Abschnitt) gebe ich
Dir recht. Nun ist die Frage: lernen Kinder das Fehlverhalten von
Eltern, das es durchaus geben kann (nobody is perfect), als bewusste
Ausuebung von Aggression oder nicht zunaechst einmal wertneutral?
Weiterhin: Verstaerkt sich eine Verhaltensweise, die ein Kind nur
selten mitbekommt (da die Eltern - das will ich mal voraussetzen -
sich bemuehen, Fehlverhalten zu vermeiden) wirklich sooooo stark?
--
Gerade weil Kinder dieses Verhalten unreflektiert mitmachen, wird
das Kind durch das Erlernen *EINER* aggressiven Verhaltensweise
noch lange nicht zu einem Menschen, der Aggression stets einsetzt,
um Ziele zu erreichen (sog. Ellenbogenmensch).

> Ausserdem, war es nicht Freud, der sagte dass Frustration Aggression
> erzeugt?

Die sog. FA-Theorie, die Du hier zitierst, kommt nicht von Freud,
sondern von einem amerikanischen Psychologen namens Dollard.
Weiterhin stimmt nicht jede Psychologische Theorie. Auch diese
FA-Theorie ist umstritten. Aber setzen wir mal, dass sie gelte.
Wird nicht durch Zwaenge ein grosses und vermeidbares Mass an
Frustration erzeugt, die nach unserer Annahme auch Aggression
hervorruft? Du wirst sicher nicht vermeiden koennen, dass unsere
hierarchische Ordnung auch Zwaenge in sich enthaelt.
Diese beginnen fuer ein junges Kind, selbst wenn es daheim keine
Zwaenge erfaehrt, im Kindergarten oder in der Schule.
Ihm wird eine Art des Lernens aufgedraengt, naemlich die, die gerade
zufaellig den paedagogischen Vorstellungen des Lehrers/der Lehrerin
entspricht. Ihm wird ein Lerntempo aufgedraengt. Dies kann durchaus
soweit fuehren, dass das Kind resigniert, was sich darin zeigt, dass
der natuerliche Lerntrieb schwaecher ist oder gar ganz verschwindet.
(also verdraengt wird.)

> (*)Um des Erlebnis zu erklaeren: Unsere 3 jaehrige Tochter hat von Oma
> eine Spielzeug-Armbanduhr bekommen und unser 6 jaehriger Sohn moechte
> diese haben. Unsere Tochter gab die Uhr aber nicht ab! -> Frust, Wut.

Ob man solche Streitereien von 2 jungen Kindern mit Schlaegereien
von aelteren Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, mit Koerperverletzung
und aehnlichen Verbrechen gleichsetzen/vergleichen kann?


> Ich hoffe, ich starte hiermit keinen neuen Thread, wie ich meine Kinder
> zu erziehen habe B-{)

Ich habe nicht vor, mich weiters in die Erziehung Deiner Kinder
einzumischen. Nur waere es sinnvoll, wenn sie den Begriff
"Freiheit" praktisch erfahren koennten, denn "Freiheit" ist
(angeblich) auch die Grundlage unserer Staatsform.
Ich denke weiterhin, dass nur der, der selbst nicht unterdrueckt/
diskriminiert wird, echte Toleranz gegenueber andersartigen
und andersdenkenden Menschen entwickeln kann.


> --
> | Josef Moellers | c/o Siemens Nixdorf Informationssysteme AG
|
> | USA: molle...@sni-usa.com | Abt. STO-XS 113 | Riemekestrasse
|
> | !USA: molle...@sni.de | Phone: (+49) 5251 835124 | D-4790 Paderborn
|

MfG, Felix
Felix Schroeter - uk...@ibm3090.rz.uni-karlsruhe.de
Followup bitte an die NG, damit alle was davon haben.

Josef Moellers

unread,
Nov 10, 1992, 4:55:56 AM11/10/92
to
In <1992Nov5.1...@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:

[ Teil geloescht ]

>Allerdings muss der Abbau der strukturellen Gewalt langsam erfolgen,
>da mit noch voellig von der jetzigen Gesellschaft gepraegten Menschen
>schlecht eine gewaltfreie, hierarchielose Gesellschaft aus dem
>Aermel geschuettelt werden kann.

>--
>mfG, Felix - uk...@ibm3090.rz.uni-karlsruhe.de
>Followup bitte weiterhin an die NG, damit alle was davon haben.
>--
>Definition Gewalt:
>Gewalt sind Massnahmen, die das Niveau des Aktuellen unter
>das Niveau des Potentiellen druecken.
>direkte Gewalt ist physisch ausgeuebte Gewalt
>strukturelle Gewalt sind Massnahmen, die ihren Zwang aus der
>Drohung direkter Gewalt oder anderer zwingend wirkenden Massnahmen
>herleiten (z.B.: Wenn Du keine Miete zahlst, dann kommt
>der Raeumungsbefehl. Oder: Wenn Du bei der Arbeit nicht tust, was
>der Chef sagt, dann -> byebye - zumindest diese Drohungen als
>letzte Konsequenz...)

Nach einem etwas verleangerten Wochenende, an dem ich Zeit hatte, 'mal
das eine oder andere Buch zu diesem Thema zu befragen:

Kann es soetwas wie eine "gewaltlose" Gesellschaft ueberhaupt geben?

Nach der o.g. Definition fuehrt "Gewalt" dazu, dass man das, was mach tun
moechte, nicht tun kann. Nach John F. Hahn [An introduction to
Psychology] ist dies (Grund fuer) Frustration. Folgen der Frustration
kann u.a. Agression sein, die wiederum zu Gewalt fuehrt.

Jan Kim hat nun die These aufgestellt, dass "Alle Gewalt geht vom Staate
aus", bzw. von den Machthabern, so dass die Gewalt ausstirbt, nimmt man
den Machthabern erst einmal ihre Faehigkeit, Gewalt auszuueben, aehnlich
wie Wasser sich im Sande verlaeuft.

Ist aber staatliche Gewalt der alleinige Grund fuer Gewalt von unten,
wie immer so gerne behauptet wird?

Wenn man Gewalt als Folge von Agression und diese als Folge von
Frustration sieht, so stellt sich die Frage, ob es neben Gewalt auch
andere Gruende fuer Frustration geben kann.

Hahn nennt folgende Gruende fuer ein Versagen beim Erreichen der
gesteckten Ziele:
- die Umgebung, z.B. wenn man wegen einer Verkehrsstauung den Zug nicht
erreicht
- persoenliches Unvermoegen, z.B. wenn man einen Kursus, der dem
beruflichen Weiterkommen dienen soll, nicht besteht
- strittige Motive, z.B. wenn jemand etwas unternehmen moechte, jedoch
Angst davor hat (Ziel: koerperliche Unversehrtheit).

Als Folgen der Frustration sieht er:
- Ruhelosigkeit und Nervositaet
- Doppelte Anstrengung, das Ziel doch noch zu erreichen
- Agression, die gegen die "Frustrationsquelle" oder gegen unbeteiligte
Dritte gerichtet ist, die aber auch unterdrueckt werden kann.
- Depression
- Apathie
- Regression, in der fruehere Gewohnheiten wieder aufgenommen werden
oder sogar kindliches Verhalten gezeigt wird
- Fantasie, bei der das Ziel in der Einbildung erreicht wird.

Das es, neben Agression, auch andere Folgen der Frustration gibt, fuehrt
ja dazu, dass nicht jede Frustration sofort Gewalt zur Folge hat.
Darueberhinaus besitzen die Menschen unterschiedliche
Frustrationstoleranzen, die sogar noch von der Situation abhaengen
(einmal kann mich eine Enttaeuschung nicht kratzen, ein andermal
reagiere ich Agressiv).
Und auch die Agression kann ja z.B. durch
-mit-der-Faust-auf-den-Tisch-hauen "verpuffen".

Wie oben bei der Aufzaehlung der Gruende fuer Frustration deutlich ist,
gibt es neben der (initialen) Gewalt, eine Vielzahl von anderen Zuendern
fuer die Frustration, die teilweise nichts, aber auch gar nichts mit
Gewalt in irgendeiner Form zu tun haben.

Dass ein Mensch beliebig formbar ist, und damit seine
Frustrationstoleranz beliebig hoch schraubbar ist, wird allgemein
abgelehnt. Diese These wurde etwa zwischen den beiden Weltkriegen von
den Behaviouristen vertreten, inzwischen aber von den Ethologen
verworfen und hat einer Instinkt-Theorie Platz gemacht.

[ Das Folgende ist ein Auszug aus: John Beloff, Psychological Sciences,
A Review of modern Psychology]:
Diese sieht Agression, genauso wie den Sexualtrieb, als Instinkt, wobei
erstaunliche Parallelen, vor allem bei den Maennern, zwischen den beiden
existieren. So kann man zeigen dass das Hormon, das das sexuelle
Verhalten bestimmt, auch fuer agressives Verhalten (mit-)
verantwortlich ist. Es ist klar, dass dem sexuellen Verhalten ein klar
erkennbares Ziel zugrundeliegt, das des Erhaltes der Art. Einerseits
kann agressives Verhalten als Ueberbleibsel aus der Zeit betrachtet
werden, als man noch sein Grundgebiet verteidigen musste, oder im Stamm
seinen Platz in der Hierarchie. Damit haette Agression in der modernen
Gesellschaft nur noch destruktiven Charakter. Andererseit behaupten
verschiedene Psychologen, dass ohne ein gewisses Mass an Agression keine
der kreativen Leistungen,die wir der Ruhelosigkeit und dem Ehrgeiz des
Menschen verdanken, zustandekommen waeren.
Was aber auch die Funktion von Sexualitaet und Agression sind, die
Formen, die sie bei den Menschen annehmen sind durch ihre Kultur
bestimmt, jedoch die fundamentalen heftigen Verlangen, die Wuensche und
Emotionen, die mit ihnen zusammenhaengen, sind angeboren.
Die Frage, ob es so etwas wie angeborene Agressivitaet im menschen gibt,
geht ueber in die Frage, ob Gewalt, Feindseligkeit und Zerstoerungswut
nur durch aeussere Initiierung entstehen, oder ob sie auch spontan
entstehen koennen, selbst unter Strafandrohung. Man nimmt an, dass beim
Menschen, wie auch bei anderen Arten, Bosheit und Kampf ebenso wie Panik
und Flucht instinktive Reaktionen sind.
Agressivitaet als instinktive Reaktion bedeutet aber nicht, dass wir
alle jetzt potentielle Moerder sind. Ebensowenig wie wir alle, trotz unseres
Sexual-Instinkts, potentielle Vergewaltiger sind. Wenn unsere
Frustrationstoleranz nur niedrig genug ist, werden wir zu agressiven
Handlungen faehig, ebenso wie jemand, der sexuell ausgehungert ist,
eher durch erotische Dinge stimuliert wird, die fuer "normale" Menschen
nur schwach stimulierend wirken.


Fazit: Gewalt erzeugt Gegengewalt. Jedoch gibt es neben der stattlichen
(oder machterhaltenden) Gewalt noch andere Ausloeser fuer Gewalt, die
jenseits unseres Einflusses liegen.
Das Ziel einer "gewaltlosen Gesellschaft" ist also eine Utopie, die nie
erreicht werden kann.

Andreas Busch

unread,
Nov 7, 1992, 12:05:16 PM11/7/92
to
In <1d8pgq...@uranium.sto.pdb.sni.de> molle...@sni.de (Josef Moellers) writes:

>[ ... ]

>>Das Problem mit diesem Schutz ist, dass niemand sagen kann, ob


>>die Gefahr, vor der man da geschuetzt wird, wirklich existiert.
>>Du vermutest, dass die Menschen ohne die vielen Formen der
>>Fremdbestimmung, der sie derzeit ausgesetzt sind, sich

[rest deleted...]

Lieber Josef Moellers,

sind Deine Ausfuehrungen wirklich so wichtig, dass Du sie _fuenf_ (5!)
Mal abschicken musstest? Um 9:02, 13:52, 13:58, 14:13, 15:16...
Und jedesmal 453 ganze Zeilen!
So muellst Du das ganze Netz zu.

>| Josef Moellers | c/o Siemens Nixdorf Informationssysteme AG |
>| USA: molle...@sni-usa.com | Abt. STO-XS 113 | Riemekestrasse |
>| !USA: molle...@sni.de | Phone: (+49) 5251 835124 | D-4790 Paderborn |

Andreas

--

------------------------------------------------------------------------------
Andreas Busch abu...@camelot.rni.sub.org
University of Heidelberg, Germany b...@vm.urz.uni-heidelberg.de
------------------------------------------------------------------------------

Felix Schroeter

unread,
Nov 12, 1992, 5:52:21 AM11/12/92
to
Josef Moellers schreibt:
> In <1992Nov5.1...@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK1O@DKAUNI2
.B
> ITNET> writes:
>
> [ Teil geloescht ]
>
> >Allerdings muss der Abbau der strukturellen Gewalt langsam erfolgen,
> >da mit noch voellig von der jetzigen Gesellschaft gepraegten Menschen
> >schlecht eine gewaltfreie, hierarchielose Gesellschaft aus dem
> >Aermel geschuettelt werden kann.
>
> >--
> >mfG, Felix - uk...@ibm3090.rz.uni-karlsruhe.de
> >Followup bitte weiterhin an die NG, damit alle was davon haben.
> >--
> >Definition Gewalt:
> >Gewalt sind Massnahmen, die das Niveau des Aktuellen unter
> >das Niveau des Potentiellen druecken.
> >direkte Gewalt ist physisch ausgeuebte Gewalt
> >strukturelle Gewalt sind Massnahmen, die ihren Zwang aus der
> >Drohung direkter Gewalt oder anderer zwingend wirkenden Massnahmen
> >herleiten (z.B.: Wenn Du keine Miete zahlst, dann kommt
> >der Raeumungsbefehl. Oder: Wenn Du bei der Arbeit nicht tust, was
> >der Chef sagt, dann -> byebye - zumindest diese Drohungen als
> >letzte Konsequenz...)
Zu dieser Definition habe ich vergangenen Freitag noch einen
Ausschnitt von Galtung als Zitat gepostet. Vielleicht lesenswert?!

>
> Nach einem etwas verleangerten Wochenende, an dem ich Zeit hatte, 'mal
> das eine oder andere Buch zu diesem Thema zu befragen:
>
> Kann es soetwas wie eine "gewaltlose" Gesellschaft ueberhaupt geben?
>
> Nach der o.g. Definition fuehrt "Gewalt" dazu, dass man das, was mach tun
> moechte, nicht tun kann. Nach John F. Hahn [An introduction to
> Psychology] ist dies (Grund fuer) Frustration. Folgen der Frustration
> kann u.a. Agression sein, die wiederum zu Gewalt fuehrt.
So kann ich dem zustimmen, solange man nicht behauptet, Frustration
fuehrt stets&immer zur Aggression.
Weiterhin fuehrt Aggression nicht automatisch zur Gewalt gegen
Mitmenschen (Gewalt im Sinne der oben gequoteden Definition).
Dazu siehe unten, wo ich dein Zitat aus dem erwaehnten Buch teilweise
kommentiert habe.

> Jan Kim hat nun die These aufgestellt, dass "Alle Gewalt geht vom Staate
> aus", bzw. von den Machthabern, so dass die Gewalt ausstirbt, nimmt man
> den Machthabern erst einmal ihre Faehigkeit, Gewalt auszuueben, aehnlich
> wie Wasser sich im Sande verlaeuft.

So heisst es ja auch im Grundgesetz:
Alle *STAATSGEWALT* geht vom Volk aus, sie wird von ihm per Wahlen...
und *durch die Organe der 3 Gewalten* ausgeuebt.
(sinngemaess aus Artikel 20)

> Ist aber staatliche Gewalt der alleinige Grund fuer Gewalt von unten,
> wie immer so gerne behauptet wird?

Wenn nicht, also wenn Gewalt auch spontan/ohne "staatliche Einmischung"
entsteht, ist es nicht trotzdem erstrebenswert, das Mass der Gewalt
insgesamt zu mindern, wenn man es schon nicht auf 0 bringen kann?

> Wenn man Gewalt als Folge von Agression und diese als Folge von
> Frustration sieht, so stellt sich die Frage, ob es neben Gewalt auch
> andere Gruende fuer Frustration geben kann.
>
> Hahn nennt folgende Gruende fuer ein Versagen beim Erreichen der
> gesteckten Ziele:
> - die Umgebung, z.B. wenn man wegen einer Verkehrsstauung den Zug nicht
> erreicht

Dann liegt der Grund fuer die Frustration an der Verkehrspolitik,
die so massiven Auto(oder sonstigen)-Verkehr zulaesst,anstatt ihn
durch attraktive Gegenangebote (OePNV) zurueckzudraengen.
(Anmerkung: Ich bin dafuer, dass alle OePNV verstaatlicht werden oder
unter staatliche Kontrolle kommen, ausschlieslich von Steuergeldern
finanziert werden, und so die Fahrpreise == 0 werden. Der Buerger
bekommt seine Steuergelder ja durch eingesparte Fahrtgebuehren bzw.
eingesparten Aufwand fuers Autofahren zurueck. So wuerde man sich noch
besser ueberlegen, ob man Auto oder Bus/Zug/Strassenbahn faehrt.
-- Followups zu diesem Thema aber bitte unter neuem Subject.
Anmerkung2: Wenn es keinen Staat mehr geben sollte, duerften mit
hoher Wahrscheinlichkeit auch Fahrpreise der Vergangenheit angehoeren,
auch ohne Verstaatlichung.)

> - persoenliches Unvermoegen, z.B. wenn man einen Kursus, der dem
> beruflichen Weiterkommen dienen soll, nicht besteht

Wenn ich einen Kurs, eine Klausur, eine Pruefung nicht bestehe, dann
wird jemand der vernuenftig denkt, diese Frustration-> Aggression
nicht durch Gewalt gegen Unschuldige abbauen, auch nicht durch Gewalt
gegen sich selbst, sondern er wird sie umsetzen in Anstrengungen,
es "das naechste Mal besser zu machen".

> - strittige Motive, z.B. wenn jemand etwas unternehmen moechte, jedoch
> Angst davor hat (Ziel: koerperliche Unversehrtheit).

Hmmm.. Das frustriert tatsaechlich, da hast Du recht.
Frage: Woher kommen (koennen kommen) solche Aengste?
Fall 1: Es ist eine konkrete Angst/Furcht vor einer tatsaechlichen
Gefahr, die in der geplanten Unternehmung liegt. Dann muss sich
derjenige aber ueberlegen, ob er das Risiko eingehen will oder von
seinem Vorhaben endgueltig Abschied nehmen soll.
Fall 2: Diffuse Angst vor irgendeiner imaginaeren Gefahr.
Da lass ich die Frage mal offen und bitte Dich oder jemand anderen,
einen Vorschlag zur Beantwortung dieser Frage zu bringen.


>
> Als Folgen der Frustration sieht er:
> - Ruhelosigkeit und Nervositaet
> - Doppelte Anstrengung, das Ziel doch noch zu erreichen

Das waere eine sehr gute Umsetzung der Frustration. Dieser Weg ist
konstruktiv...


> - Agression, die gegen die "Frustrationsquelle" oder gegen unbeteiligte
> Dritte gerichtet ist, die aber auch unterdrueckt werden kann.

Hoffentlich :-) ^^^^^^^^^^^^
> - Depression
Die tritt nach mehrfacher aehnlicher Frustration ein, insbesondere
wenn man resigniert hat gegenueber dem Problem.
> - Apathie
Aehnlich wie Depression.


> - Regression, in der fruehere Gewohnheiten wieder aufgenommen werden
> oder sogar kindliches Verhalten gezeigt wird

Hmmm... Was koennte einen Menschen veranlassen, nach einer evtl.
wiederholten Frustration in irgendwelche fruehere Verhaltensweisen
zu regredieren? (ernsthafte Frage, da ich kein Psychologie-Profi
bin)


> - Fantasie, bei der das Ziel in der Einbildung erreicht wird.

Das waere ein konstruktiver Weg, der aber erst dann eingeschlagen
werden sollte, wenn klar ist, dass das Ziel nicht in der Realitaet
erreicht werden kann.


>
> Das es, neben Agression, auch andere Folgen der Frustration gibt, fuehrt
> ja dazu, dass nicht jede Frustration sofort Gewalt zur Folge hat.

Richtig.


> Darueberhinaus besitzen die Menschen unterschiedliche
> Frustrationstoleranzen, die sogar noch von der Situation abhaengen
> (einmal kann mich eine Enttaeuschung nicht kratzen, ein andermal
> reagiere ich Agressiv).
> Und auch die Agression kann ja z.B. durch
> -mit-der-Faust-auf-den-Tisch-hauen "verpuffen".

Richtig. Und das waere allerhoechstens Gewalt gegen Dinge, aber
nicht unbedingt gegen andere Menschen. Einen Tisch kann man ersetzen,
wenn er zu Bruch geht. Die Gesundheit oder die Lebensqualitaet, die
einem Menschen durch Gewalt verloren geht, kann man nicht im Nachhinein
ersetzen. Somit ist es lange nicht so schlimm, wenn man nach einer
Frustration seine Aggression an Dingen abreagiert.

> Wie oben bei der Aufzaehlung der Gruende fuer Frustration deutlich ist,
> gibt es neben der (initialen) Gewalt, eine Vielzahl von anderen Zuendern
> fuer die Frustration, die teilweise nichts, aber auch gar nichts mit
> Gewalt in irgendeiner Form zu tun haben.
>
> Dass ein Mensch beliebig formbar ist, und damit seine
> Frustrationstoleranz beliebig hoch schraubbar ist, wird allgemein
> abgelehnt. Diese These wurde etwa zwischen den beiden Weltkriegen von
> den Behaviouristen vertreten, inzwischen aber von den Ethologen
> verworfen und hat einer Instinkt-Theorie Platz gemacht.

Aber die Instinkt-Theorie ist auch nicht das Gelbe. Die Wahrheit wird
wohl sowieso irgendwo dazwischen liegen. Es gibt auch heute Kritiken
gegen die Instinkt-Theorie, die ich von Konrad Lorenz
("Das sogenannte Boese") her kenne. (Guck mal unter Erich Fromm,
den genauen Titel weiss ich nicht :-( )

> [ Das Folgende ist ein Auszug aus: John Beloff, Psychological Sciences,
> A Review of modern Psychology]:
> Diese sieht Agression, genauso wie den Sexualtrieb, als Instinkt, wobei
> erstaunliche Parallelen, vor allem bei den Maennern, zwischen den beiden
> existieren. So kann man zeigen dass das Hormon, das das sexuelle
> Verhalten bestimmt, auch fuer agressives Verhalten (mit-)
> verantwortlich ist. Es ist klar, dass dem sexuellen Verhalten ein klar
> erkennbares Ziel zugrundeliegt, das des Erhaltes der Art. Einerseits
> kann agressives Verhalten als Ueberbleibsel aus der Zeit betrachtet
> werden, als man noch sein Grundgebiet verteidigen musste, oder im Stamm
> seinen Platz in der Hierarchie. Damit haette Agression in der modernen

Aha... Hierarchie und Aggression im Zusammenhang...
Worum ging die Diskussion doch?
(nicht persoenlich nehmen. Nicht als Angriff auf Dich und die, die
aehnliche Meinung wie Du haben, gemeint.)


> Gesellschaft nur noch destruktiven Charakter. Andererseit behaupten
> verschiedene Psychologen, dass ohne ein gewisses Mass an Agression keine
> der kreativen Leistungen,die wir der Ruhelosigkeit und dem Ehrgeiz des
> Menschen verdanken, zustandekommen waeren.

Das kann gut sein. Also muss Aggression ja garnicht zur Gewalt fuehren,
jeder Mensch ist - vom Prinzip her - also in der Lage, seine
(meinetwegen natuerliche, instinktive) Aggression in positive,
konstruktive Handlungen umzusetzen.

> Was aber auch die Funktion von Sexualitaet und Agression sind, die
> Formen, die sie bei den Menschen annehmen sind durch ihre Kultur
> bestimmt, jedoch die fundamentalen heftigen Verlangen, die Wuensche und
> Emotionen, die mit ihnen zusammenhaengen, sind angeboren.

Also nochmal: Aggression ist natuerlich, aber inwieweit Aggression
zur Gewalt fuehren kann, wird durch die Kultur, also letztendlich
durch die Gesellschaft gepraegt. (Die Gesellschaft ist ja Traeger
und Urheber der Kultur. Ohne Gesellschaft keine Kultur.)

> Die Frage, ob es so etwas wie angeborene Agressivitaet im menschen gibt,
> geht ueber in die Frage, ob Gewalt, Feindseligkeit und Zerstoerungswut
> nur durch aeussere Initiierung entstehen, oder ob sie auch spontan
> entstehen koennen, selbst unter Strafandrohung. Man nimmt an, dass beim
> Menschen, wie auch bei anderen Arten, Bosheit und Kampf ebenso wie Panik
> und Flucht instinktive Reaktionen sind.

Nur: Inwieweit und wie stark sind Bosheit etc. im heutigen Menschen, der
mehrere zehntausend Jahre von der Steinzeit entfernt ist, noch
vom Instinkt vorgegeben?

> Agressivitaet als instinktive Reaktion bedeutet aber nicht, dass wir
> alle jetzt potentielle Moerder sind. Ebensowenig wie wir alle, trotz unseres
> Sexual-Instinkts, potentielle Vergewaltiger sind. Wenn unsere
> Frustrationstoleranz nur niedrig genug ist, werden wir zu agressiven
> Handlungen faehig, ebenso wie jemand, der sexuell ausgehungert ist,
> eher durch erotische Dinge stimuliert wird, die fuer "normale" Menschen
> nur schwach stimulierend wirken.

Und wer Aggressivitaet zeigt, zeigt sie nicht immer als Gewalt.
Also mal "mathematisch": p(X) heisst Wahrscheinlichkeit von X.
p(Gewalt)=p(Frustration)*p(Frustration->Aggression)*
p(Aggression->Gewalt)
Die Gesellschaft bestimmt alle 3 Wahrscheinlichkeiten auf der
rechten Seite mit. Somit hat sie Einfluss (und zwar gewaltigen,
da in dritter Potenz) auf die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch
Gewalt ausuebt.
Deine These ist, dass man p(Gewalt) nie gegen Null bringt.
Ich glaube, dass Du damit recht hast.
(siehe das ausgeschnittene aus dem oben gequoteten Posting,
wo ich die zwei Extremstandpunkte dargelegt und gleich eingeschraenkt
habe).
Nur glaube ICH, dass p(Gewalt) sehr stark reduziert werden kann.


>
>
> Fazit: Gewalt erzeugt Gegengewalt. Jedoch gibt es neben der stattlichen
> (oder machterhaltenden) Gewalt noch andere Ausloeser fuer Gewalt, die
> jenseits unseres Einflusses liegen.
> Das Ziel einer "gewaltlosen Gesellschaft" ist also eine Utopie, die nie
> erreicht werden kann.

Aber das Ziel einer moeglichst gewaltarmen Gesellschaft ist doch
realisierbar, oder? Und ich glaube nicht, dass die BRD ein Beispiel
fuer eine moeglichst gewaltarme Gesellschaft ist.
>
> --


> | Josef Moellers | c/o Siemens Nixdorf Informationssysteme AG
|
> | USA: molle...@sni-usa.com | Abt. STO-XS 113 | Riemekestrasse
|
> | !USA: molle...@sni.de | Phone: (+49) 5251 835124 | D-4790 Paderborn
|

MfG, Felix
Felix Schroeter - uk...@ibm3090.rz.uni-karlsruhe

Followup bitte an die NG, damit andere auch was davon haben.


>>>>> Hierarchical systems are for files, not for humans <<<<<

Disclaimer: Ich wende mich nicht gegen Menschen, die bestimmte
Auffassungen vertreten, sondern nur gegen bestimmte
Auffassungen.

Felix Schroeter

unread,
Nov 12, 1992, 5:52:30 AM11/12/92
to
Michael Jung schreibt:

> "Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:
> >Michael Jung schreibt:
> >>Mir ist nicht klar, warum Gewalt ein Gegenpol zur Vernunft darstellt.
> >Findest Du es vernuenftig, wenn Du das Opfer physischer Gewalt wirst?
> >Findest Du es vernuenftig, wenn Du irgendwie unterdrueckt wirst?
>
> Wenn man mir mit GEwalt einen ausgekuegelten Arm wieder einrenkt, dann
Seltsame Definition von Gewalt...
Das Spritzen einer Impfung ist auch Gewalt??
Unterschied: Patient stimmt zu.
(Ja, bei Operationen, wo man "aufgeschnitten" wird, muss man sogar
SCHRIFTLICH!!!! zustimmen).

> finde ich das vernuenftig. Ich finde es nicht vernuenftig Opfer IRGEND-
> EINER Gewalt zu werden, aber Opfer BESTIMMTER Formen von Gewalt.
s.o. Diese "Gewalt", deren Opfer Du gerne wirst, ist keine Gewalt.

>
> >>Der Moeglichkeitsnachweis steht noch aus. Um es kantisch zu formulieren:
> >>Die Bedingungen der Moeglichkeit einer solchen Gesellschaft sind nicht
> >>gegeben.
> >Der Unmoeglichkeitsbeweis steht auch noch aus.
>
> Was haeltst Du hiervon. Eine Gesellschaftsform entsteht nicht aus dem nichts,
> dass heisst, sie entsteht nur, indem sie eine andere Gesellschaftsform
> abloest, negiert. Damit drueckt sie das Niveau des aktuellen unterhalb
^^^^^^^ Siehe Hegel&Marx korrekt.

> dessen des Potentiellen, schliesslich ist diese alte Gesellschaftsform
> nicht mehr moeglich. Also verwendet man fuer die neue Gesellschaft zu ihrer
Umgekehrt. Solange die alte Form besteht, ist die neue nicht moeglich.
Also ist das Belassen der alten Gesellschaftsform auch Gewalt...
Ausserdem verstehe ich deinen Ansatz eh nicht:
Gewalt war bisher nur gegen MENSCHEN definiert.
(siehe mein Posting mit dem Zitat von Galtung)
Gewalt gegen Abstrakta wie Gesellschaftsformen?

> Etablierung Gewalt. Fuer eine Gesellschaft, in der Gewaltlosigkeit herrschen
> soll! Innerhalb der Gesellschaft gibt es Menschen, die mit anderen in
> Interessenkonflikt geraten. Beispielsweise geht A ueber die Strasse und B
> moechte zur gleichen Zeit auf dieser fahren. Damit muss einer der beiden
> sein Interesse in den Hintergrund stellen, d. h. auf ein gewisses Potential
> verzichten. Das bedeutet Gewalt. Damit kann es keine gewaltfreie Gesellschaft
> geben.
Hmmm.. Ich nenne das Vorsicht, wenn ich nicht ueber die Strasse
gehe, wenn grad ein Auto mit 50 km/h vorbeifaehrt.
Der Fahrer koennte beim besten Willen nicht bremsen, also ist
es nicht potentiell, dass er mich zuerst drueberlaesst.

> Ich habe dabei die Definition der Gewalt verwendet, wie ich sie anhand
> deines Postings verstanden habe. Ich halte sie einerseits fuer zu generell
> und andererseits, so wie sie mir bis jetzt bekannt ist, fuer schwammig.
> Wenn deshalb obige Beispiel nicht zutreffend sind, muss man sie aendern,
> aber ich denke ich werde auch weiterhin welche finden, so dass die
> Argumentation weiterhin gilt.
>
> >Jegliche Versuche, eine *EINIGERMASSEN* hierarchiearme/-lose
> >Gesellschaft aufzubauen, kamen bisher nicht weit, aber da war oft
> >auch militaerische Gewalt (oder sonstige Gewalt...) entweder der
> >Nachbarlaender oder der Vertreter der alten - staatlichen -
> >Ordnung im Spiel.
> >Es heisst jetzt nicht, dass mein Ideal genau so aussieht wie diese
> >historischen Beispiele, aber es wird klar sein, dass das nicht-
> >funktionieren einer gewaltarmen Gesellschaft nicht nur durch
> >innere Widersprueche, sondern auch durch den Widerstand der durch
> >die bisherige Ordnung privilegierten hervorgerufen wird.
>
> Nur weil sie (die Versuche) mit moeglicherweise falschen Mitteln unter-
> drueckt wurden, heisst das aber nicht, dass ihre Erfolge moeglich gewesen
> waeren.
Aber dadurch, dass diese Versuche unterdrueckt worden sind, hast
Du kein Beispiel fuer die prinzipielle Un-Realisierbarkeit solcher
Versuche.

> >>Gewalt sind Massnahmen, die das Niveau des Aktuellen unter
> >>das Niveau des Potentiellen druecken.
> >>Diese Definition ist in diesem Zusammenhang nichtssagend und Galtung
> >>hat sie bestimmt nicht so in den Raum gestellt.
> >DOCH. Erst nachlesen, dann weiterreden, leider hab ich den
> >genauen Literaturhinweis nicht da.
Zitat hab ich letzten Freitag gepostet.

>
> Denn hast Du ja inzwischen geliefert und damit demonstriert, dass ich recht
> hatte. Sofort am Anschluss an die Definition kamen naemlich Erlaeuterungen.
???? Wie kommst Du von Galtungs Beispielen auf Deine?
>
> Schoene Gruesse,
> Michael
MfG, Felix
Felix Schroeter - uk...@ibm3090.rz.uni-karlsruhe.de

Josef Moellers

unread,
Nov 12, 1992, 8:44:39 AM11/12/92
to
In <1992Nov12....@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:

>Josef Moellers schreibt:

[ ... ]

>>
>> Nach einem etwas verleangerten Wochenende, an dem ich Zeit hatte, 'mal
>> das eine oder andere Buch zu diesem Thema zu befragen:
>>
>> Kann es soetwas wie eine "gewaltlose" Gesellschaft ueberhaupt geben?

[ ... ]

>> Ist aber staatliche Gewalt der alleinige Grund fuer Gewalt von unten,
>> wie immer so gerne behauptet wird?
>Wenn nicht, also wenn Gewalt auch spontan/ohne "staatliche Einmischung"
>entsteht, ist es nicht trotzdem erstrebenswert, das Mass der Gewalt
>insgesamt zu mindern, wenn man es schon nicht auf 0 bringen kann?

Man koennte tatsaechlich danach streben, Gewalt zu minimieren, wenn die
"Rest-Gewalt" ungefaehrlich waere. Der Hintergedanke hinter dem Konzept
des "Gewaltmonopols des Staates" ist, soweit ich es begreife, dass es
imer Gewalt geben wird (s.u.) und dass diese Gewalt haeufig Gegen-Gewalt
ausloesen wird. Dadurch, dass der Staat sich das Recht vorbehaelt, als
Unparteiischer eben diese Gegen-Gewalt auszuueben, verhindert er
Selbstjustiz.
Wenn mir jemand (gewollt, ungewollt, vielleicht sogar unbewust oder
misverstanden) Gewalt antut, so kann ich mich an den Staat (z.B. Polizei,
Staatsanwaltschaft) wenden, mit der Bitte um "Gegen-Gewalt". Der Staat,
als Unparteiischer, wird die Sache untersuchen, und eventuell
feststellen, dass ich das alles misverstanden habe. Damit wird
unberechtigte Gegen-Gewalt von meiner Seite und damit eventuell
Eskalation (der andere fuehlt sich dann eventuell unberechtigterweise
von mit "vergewaltigt") verhindert.
Natuerlich kann man darueber diskutieren, ob staatliche Gewalt nicht
inzwischen zum Selbstzweck geworden ist, wie man gelegentlich annehmen
koennte. Ansatz dieses Threads ist aber, den Staat und damit seine
Gewaltorgane, grundsaetzlich abzuschaffen, da der Mensch eigentlich
friedfertig ist und keinerlei Schutzes von oben bedarf.

>> Wenn man Gewalt als Folge von Agression und diese als Folge von
>> Frustration sieht, so stellt sich die Frage, ob es neben Gewalt auch
>> andere Gruende fuer Frustration geben kann.
>>
>> Hahn nennt folgende Gruende fuer ein Versagen beim Erreichen der
>> gesteckten Ziele:
>> - die Umgebung, z.B. wenn man wegen einer Verkehrsstauung den Zug nicht
>> erreicht
>Dann liegt der Grund fuer die Frustration an der Verkehrspolitik,
>die so massiven Auto(oder sonstigen)-Verkehr zulaesst,anstatt ihn
>durch attraktive Gegenangebote (OePNV) zurueckzudraengen.
>(Anmerkung: Ich bin dafuer, dass alle OePNV verstaatlicht werden oder
>unter staatliche Kontrolle kommen, ausschlieslich von Steuergeldern
>finanziert werden, und so die Fahrpreise == 0 werden. Der Buerger
>bekommt seine Steuergelder ja durch eingesparte Fahrtgebuehren bzw.
>eingesparten Aufwand fuers Autofahren zurueck. So wuerde man sich noch
>besser ueberlegen, ob man Auto oder Bus/Zug/Strassenbahn faehrt.

Dies war ein _Beispiel_, das zeigen soll, dass es eben Einfluesse aus
der Umgebung gibt, die keine "Gewalt" im herkoemmlichen Sinne sind.
Als "Umgebung" koennte man auch die Natur sehen: Der Sturm gestern abend
hat unseren Kindern ihren Martinszug verdorben. Das koennte natuerlich
wieder eine Folge der Umweltpolitik des Staates sein ... Wie waer's dann
mit einem Vogel, der mir auf meine schoene neue Jacke sch...t?

>-- Followups zu diesem Thema aber bitte unter neuem Subject.
>Anmerkung2: Wenn es keinen Staat mehr geben sollte, duerften mit
>hoher Wahrscheinlichkeit auch Fahrpreise der Vergangenheit angehoeren,
>auch ohne Verstaatlichung.)

Das verstehe ich nicht! Warum darf ich dann mit meinem Pferdekarren
(Strassen gibt's nicht mehr, Autos auch nicht) keinen Fahrpreis z.B. in
Form von Naturalien erheben?

>> - persoenliches Unvermoegen, z.B. wenn man einen Kursus, der dem
>> beruflichen Weiterkommen dienen soll, nicht besteht
>Wenn ich einen Kurs, eine Klausur, eine Pruefung nicht bestehe, dann
>wird jemand der vernuenftig denkt, diese Frustration-> Aggression
>nicht durch Gewalt gegen Unschuldige abbauen, auch nicht durch Gewalt
>gegen sich selbst, sondern er wird sie umsetzen in Anstrengungen,
>es "das naechste Mal besser zu machen".

An dieser Stelle geht's erst 'mal nur um die Ursachen von Frustration,
nicht um ihre Bewaeltigung (dazu mehr unten). Und wenn man eine Pruefung
das x-te mal "endgueltig nicht bestanden" hat, dann kann man sich
zehnmal so sehr anstrengen, die gewuenschte Zukunft ist und bleibt
(zumindest was diesen Weg angeht) verbaut.

>> - strittige Motive, z.B. wenn jemand etwas unternehmen moechte, jedoch
>> Angst davor hat (Ziel: koerperliche Unversehrtheit).
>Hmmm.. Das frustriert tatsaechlich, da hast Du recht.
>Frage: Woher kommen (koennen kommen) solche Aengste?
>Fall 1: Es ist eine konkrete Angst/Furcht vor einer tatsaechlichen
>Gefahr, die in der geplanten Unternehmung liegt. Dann muss sich
>derjenige aber ueberlegen, ob er das Risiko eingehen will oder von
>seinem Vorhaben endgueltig Abschied nehmen soll.
>Fall 2: Diffuse Angst vor irgendeiner imaginaeren Gefahr.
>Da lass ich die Frage mal offen und bitte Dich oder jemand anderen,
>einen Vorschlag zur Beantwortung dieser Frage zu bringen.

Wie gesagt, es sind hier nur Beispiele. (Ich _liebe_ Beispiele B-{)
"Strittige Motive" koennen auch sein: zwei Einladungen zum Essen am
selben Abend, zwei Mitglieder des bevorzugten Geschlechts (neutral
genug?), die einem beide gut gefallen, Geld, das man eben nur einmal
ausgeben kann (persoenliche Erfahrung).

>> Als Folgen der Frustration sieht er:
>> - Ruhelosigkeit und Nervositaet
>> - Doppelte Anstrengung, das Ziel doch noch zu erreichen
>Das waere eine sehr gute Umsetzung der Frustration. Dieser Weg ist
>konstruktiv...

Ist aber nicht immer praktikabel, z.B. wenn das Ziel einmalig ist!

>> - Agression, die gegen die "Frustrationsquelle" oder gegen unbeteiligte
>> Dritte gerichtet ist, die aber auch unterdrueckt werden kann.
>Hoffentlich :-) ^^^^^^^^^^^^
>> - Depression
>Die tritt nach mehrfacher aehnlicher Frustration ein, insbesondere
>wenn man resigniert hat gegenueber dem Problem.
>> - Apathie
>Aehnlich wie Depression.
>> - Regression, in der fruehere Gewohnheiten wieder aufgenommen werden
>> oder sogar kindliches Verhalten gezeigt wird
>Hmmm... Was koennte einen Menschen veranlassen, nach einer evtl.
>wiederholten Frustration in irgendwelche fruehere Verhaltensweisen
>zu regredieren? (ernsthafte Frage, da ich kein Psychologie-Profi
>bin)

Beispiel: Jemand ist Alkoholiker gewesen und faellt durch eine tiefe
Enttaeuschung zurueck an die Buddel.

>> - Fantasie, bei der das Ziel in der Einbildung erreicht wird.
>Das waere ein konstruktiver Weg, der aber erst dann eingeschlagen
>werden sollte, wenn klar ist, dass das Ziel nicht in der Realitaet
>erreicht werden kann.

Was aber passiert, wenn jemand merkt, dass es eben nur Fantasie ist?

[ ... ]

>> Wie oben bei der Aufzaehlung der Gruende fuer Frustration deutlich ist,
>> gibt es neben der (initialen) Gewalt, eine Vielzahl von anderen Zuendern
>> fuer die Frustration, die teilweise nichts, aber auch gar nichts mit
>> Gewalt in irgendeiner Form zu tun haben.
>>
>> Dass ein Mensch beliebig formbar ist, und damit seine
>> Frustrationstoleranz beliebig hoch schraubbar ist, wird allgemein
>> abgelehnt. Diese These wurde etwa zwischen den beiden Weltkriegen von
>> den Behaviouristen vertreten, inzwischen aber von den Ethologen
>> verworfen und hat einer Instinkt-Theorie Platz gemacht.
>Aber die Instinkt-Theorie ist auch nicht das Gelbe. Die Wahrheit wird
>wohl sowieso irgendwo dazwischen liegen. Es gibt auch heute Kritiken
>gegen die Instinkt-Theorie, die ich von Konrad Lorenz
>("Das sogenannte Boese") her kenne. (Guck mal unter Erich Fromm,
>den genauen Titel weiss ich nicht :-( )

Keine Theorie, insbesondere ueber den Menschen und was ihn bewegt, ist
"das Gelbe". Aber sie wird, wenn sie nicht gerade hanebuechen ist, doch
das Verhalten eines mehr oder weniger grossen Teils der Menschen
ziemlich genau beschreiben.

>> [ Das Folgende ist ein Auszug aus: John Beloff, Psychological Sciences,
>> A Review of modern Psychology]:
>> Diese sieht Agression, genauso wie den Sexualtrieb, als Instinkt, wobei
>> erstaunliche Parallelen, vor allem bei den Maennern, zwischen den beiden
>> existieren. So kann man zeigen dass das Hormon, das das sexuelle
>> Verhalten bestimmt, auch fuer agressives Verhalten (mit-)
>> verantwortlich ist. Es ist klar, dass dem sexuellen Verhalten ein klar
>> erkennbares Ziel zugrundeliegt, das des Erhaltes der Art. Einerseits
>> kann agressives Verhalten als Ueberbleibsel aus der Zeit betrachtet
>> werden, als man noch sein Grundgebiet verteidigen musste, oder im Stamm
>> seinen Platz in der Hierarchie. Damit haette Agression in der modernen
>Aha... Hierarchie und Aggression im Zusammenhang...
>Worum ging die Diskussion doch?
>(nicht persoenlich nehmen. Nicht als Angriff auf Dich und die, die
>aehnliche Meinung wie Du haben, gemeint.)

Neinein (wegen "persoenlich nehmen")!
Aber koennen wir denn das Rad zurueckdrehen und unseren Vorfahren
vorschreiben hierarchielos zu leben, da wir heute Probleme mit den
Folgen ihres Tuns haben? Wohl kaum!
Aber Beloff schreibt ja auch: "kann ... betrachtet werden", nicht "ist ..."

>> Gesellschaft nur noch destruktiven Charakter. Andererseit behaupten
>> verschiedene Psychologen, dass ohne ein gewisses Mass an Agression keine
>> der kreativen Leistungen,die wir der Ruhelosigkeit und dem Ehrgeiz des
>> Menschen verdanken, zustandekommen waeren.
>Das kann gut sein. Also muss Aggression ja garnicht zur Gewalt fuehren,
>jeder Mensch ist - vom Prinzip her - also in der Lage, seine
>(meinetwegen natuerliche, instinktive) Aggression in positive,
>konstruktive Handlungen umzusetzen.

"Vom Prinzip her" - klar. Nur ist, wie eben die Ethologen behaupten, der
Mensch nicht beliebig formbar und somit unsere Reaktion auf Frustration
individuell verschieden.

>> Was aber auch die Funktion von Sexualitaet und Agression sind, die
>> Formen, die sie bei den Menschen annehmen sind durch ihre Kultur
>> bestimmt, jedoch die fundamentalen heftigen Verlangen, die Wuensche und
>> Emotionen, die mit ihnen zusammenhaengen, sind angeboren.
>Also nochmal: Aggression ist natuerlich, aber inwieweit Aggression
>zur Gewalt fuehren kann, wird durch die Kultur, also letztendlich
>durch die Gesellschaft gepraegt. (Die Gesellschaft ist ja Traeger
>und Urheber der Kultur. Ohne Gesellschaft keine Kultur.)

Kultur wird m.E. durch viele Faktoren gepraegt: durch die Geschichte
eines Volkes, durch die Kontakte, die es hat, durch die Landschaft, in
der sie lebt, sogar durch das Klima. Es scheint mir unmoeglich, ein Volk
dazu zu bringen, seine alte Kultur _voellig_ abzuschuetteln und eine
neue, synthetische, anzunehmen.

>> Die Frage, ob es so etwas wie angeborene Agressivitaet im menschen gibt,
>> geht ueber in die Frage, ob Gewalt, Feindseligkeit und Zerstoerungswut
>> nur durch aeussere Initiierung entstehen, oder ob sie auch spontan
>> entstehen koennen, selbst unter Strafandrohung. Man nimmt an, dass beim
>> Menschen, wie auch bei anderen Arten, Bosheit und Kampf ebenso wie Panik
>> und Flucht instinktive Reaktionen sind.
>Nur: Inwieweit und wie stark sind Bosheit etc. im heutigen Menschen, der
>mehrere zehntausend Jahre von der Steinzeit entfernt ist, noch
>vom Instinkt vorgegeben?

Kann ich auch nicht sagen. Dem Text nach zu urteilen, geht Beloff
jedenfalls davon aus, dass gewisse Instinkte eben noch von damals
vorhanden sind, zumal sie ja bis in die juengere Vergangenheit (und
damit meine ich ebenein paar hundert Jahre) noch ganz brauchbar waren.

>> Agressivitaet als instinktive Reaktion bedeutet aber nicht, dass wir
>> alle jetzt potentielle Moerder sind. Ebensowenig wie wir alle, trotz unseres
>> Sexual-Instinkts, potentielle Vergewaltiger sind. Wenn unsere
>> Frustrationstoleranz nur niedrig genug ist, werden wir zu agressiven
>> Handlungen faehig, ebenso wie jemand, der sexuell ausgehungert ist,
>> eher durch erotische Dinge stimuliert wird, die fuer "normale" Menschen
>> nur schwach stimulierend wirken.
>Und wer Aggressivitaet zeigt, zeigt sie nicht immer als Gewalt.
>Also mal "mathematisch": p(X) heisst Wahrscheinlichkeit von X.
>p(Gewalt)=p(Frustration)*p(Frustration->Aggression)*
>p(Aggression->Gewalt)
>Die Gesellschaft bestimmt alle 3 Wahrscheinlichkeiten auf der
>rechten Seite mit. Somit hat sie Einfluss (und zwar gewaltigen,
>da in dritter Potenz) auf die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch
>Gewalt ausuebt.
>Deine These ist, dass man p(Gewalt) nie gegen Null bringt.
>Ich glaube, dass Du damit recht hast.
>(siehe das ausgeschnittene aus dem oben gequoteten Posting,
>wo ich die zwei Extremstandpunkte dargelegt und gleich eingeschraenkt
>habe).
>Nur glaube ICH, dass p(Gewalt) sehr stark reduziert werden kann.

Meine Frage ist nun (siehe Anfang): Wie werden wir mit eben diesem
p(Gewalt) > 0 fertig? Diese ist ja vom einen Mitglied unserer
Gesellschaft gegen das andere gerichtet! Muss jeder selber zusehen, wie
er sich dieser erwehrt? Oder schaffen wir eine unabhaengige
Schiedsstelle? Das waere aber schon wieder "staatliche Gewalt"!

>> Fazit: Gewalt erzeugt Gegengewalt. Jedoch gibt es neben der stattlichen
>> (oder machterhaltenden) Gewalt noch andere Ausloeser fuer Gewalt, die
>> jenseits unseres Einflusses liegen.
>> Das Ziel einer "gewaltlosen Gesellschaft" ist also eine Utopie, die nie
>> erreicht werden kann.
>Aber das Ziel einer moeglichst gewaltarmen Gesellschaft ist doch
>realisierbar, oder? Und ich glaube nicht, dass die BRD ein Beispiel
>fuer eine moeglichst gewaltarme Gesellschaft ist.

Im letzten stimme ich Dir uneingeschraenkt zu. Ich stimme Dir auch zu,
wenn Du sagst, dass ein nicht unwesentlicher Teil dieser Gewalt vom
Staate selber ausgeht.

Der Kasus Knacktus ist doch, ob wir mit diesem Teil nicht leben
_muessen_?
Und da ist meine These eben, dass wir _im Prinzip_ staatliche Gewalt
brauchen, als Ausgleich zwischen den (strittigen) Interessen der
Menschen, als Gegen-Gewalt zur Gewalt des einen gegen den anderen.
Dass diese staatliche Gewalt ein gewisses Eigenleben fuehrt, ist
bedauerlich, aber ist es zu verhindern? Wir leben inzwischen in einer
aeusserst komplexen Gesellschaft. Gesetze werden heutzutage nicht mehr
neu geschaffen, sondern nur noch in irgendeiner Weise verfeinert.
Dazu kommt sicher, dass auch Polizisten, Richter, Bundestagsabgeordnete
und Minister Menschen sind, die ihren Emotionen, Wuenschen,
Beduerfnissen unterliegen.

Das soll nicht heissen, dass wir alles akzeptieren, was die da tun. Aber
das alles nur wegen seiner Fehler abschaffen? Wenn _mir_ der Kragen
richtig platzt, werde ich aktiv in die Politik gehen. Solange werde ich
mein Scherflein dadurch beitragen, dass ich mir einerseits nicht alles
gefallen lasse und andereseits meine Kinder zu toleranten,
selbstbewusetn Menschen erziehe. Amen!

Jan T. Kim

unread,
Nov 12, 1992, 9:17:39 PM11/12/92
to

>>[Polizei gegen lautstarke naechtliche Fete in der Nachbarschaft]

[Vorschlag: Unbewaffneter Ordnungsdienst statt Polizei]

>Im Uebrigen wird durch Deinen Vorschlag, das Ordnungsamt dafuer
>einzusetzen, eine "Gewaltform" durch eine gleichwertige ersetzt.
>Denn

Die Gewalt eines Ordnungsamtsdienstes, wie ich ihn (ins Unreine
hinein) vorgeschlagen habe, ist definitiv geringer als die der
Polizei, denn er soll ja, nach meinem Vorschlag, nicht mit den
ganzen Sondervollmachten, Schusswaffen usw. ausgestattet werden.

>1. Ich glaube kaum, dass es in jedem Fall so freundlich zuende geht, wie
>in meinem. Wenn einer ordentlich "einen getankt" hat, kann er schon 'mal
>physisch gewalttaetig werden, und die Herren vom Ordnungsamt muessen
>sich dann wohl gegen diesen Angriff auf ihre Person zur Wehr setzen.
>2. Woher willst Du wissen, dass der Leiter dieser "Ordnungsamts-Truppe"
>nicht auch von dieser Macht missbrauch machen wird?

Da er weniger Macht hat, hat er auch weniger Gelegenheit zum
Missbrauch.

>>>Einen zum letzten entschlossenen nicht, aber das Gros der Leute, die es
>>>eben gelegentlich nicht so genau nehmen. Ich will denen gar nicht
>>>Mutwilligkeit nachsagen, nur Gedankenlosigkeit. Und wenn da die Gefahr
>>>einer Strafe hintersteht, dann macht man sich eben doch seine Gedanken.

>>Erzeugung von Nachdenklichkeit und Ruecksicht mittels Gewalt und
>>ihrer Androhung. Eine der hohlsten, psychologisch und
>>verhaltensbiologisch unsinnigsten Methoden, die ich kenne.

>1. psychologisch: Das erste Beduerfniss eines Menschen ist nach
> (koerperlicher) Unversehrtheit.
>2. verhaltensbiologisch: In der Tierwelt gibt es unzaehlige Beispiele,
> wie sich Tiere durch ihr Verhalten vor Schaden schuetzen.

Zweifellos kann man durch Strafandrohungen sehr grossen Einfluss
auf das Handeln von Menschen ausueben. Man kann diese
Moeglichkeit auch dazu nutzen, die Menschen am Verursachen
irgendwelcher Schaeden zu hindern. Was man durch Drohungen aber
eben *nicht* erreicht, ist, dass die betroffenen Menschen sich
ueber die Sache Gedanken machen. Dies war die Behauptung, an der
ich mich stark gestossen habe. Ich halte sie naemlich fuer
ausgesprochen gefaehrlich, da sie nur allzu gern zur Begruendung
autoritaerer Prinzipien in der Erziehung, der Politik, der
Philosphie und sonstwo herangezogen wird.

>>>Gewalttaten sind eines, aber Gedankenlosigkeit und Bequenlichkeit sind
>>>etwas anderes. Du solltest Dich 'mal bei Deinem zustaendigen Landgericht
>>>erkundigen, wie viele Faelle von gewaltsamen Auseinandersetzungen es
>>>zwischen Nachbarn gibt!

>>Wie bereits anklang, sehe ich die Ursache fuer das derzeitige
>>Ausmass der Gewaltbereitschaft der Menschen darin, dass sie in
>>diesem System viel zuviel Zwang aufeinander ausueben. Man wird
>>dieses Problem durch Gerichte und Repressionen nur verschlimmern.
>>Angehen kann man es nur durch Milderung und Lockerung der
>>Zwaenge, also z.B. das Ersetzen derzeitiger Strukturen durch
>>gewaltaermere oder noch besser gewaltfreie Strukturen.

>Ich rede hier nicht von "Gewaltbereitschaft".
>Ich vermeide _bewusst_ das Wort "Anarchie", versuche Du bitte nicht, mir
>das Wort "Gewalt" in den Mund zu legen.

Versuche ich gar nicht. Du hast oben von "gewaltsamen
Auseinandersetzungen" geschrieben. Ich habe in meinem followup
die Neigung zu gewaltsamen nachbarschaftlichen
Auseinandersetzungen kurz als "Gewaltbereitschaft" bezeichnet und
meine Auffassung zu ihrer Herkunft dargelegt.
Wenn Du anstelle des Begriffs "Gewalt" lieber "Kraft" verwenden
moechtest, ist mir das recht -- ich werde bis auf weiteres dazu
uebergehen. In der Sache aendert sich dadurch aber nichts.

>Wenn ich versuche, jemandem von seinem Treiben abzuhalten, dann bin ich,
>und das ist meine These, darauf angewiesen, seiner Kraft das
>Unrechtmaessige zu tun, eine _etwas_ groessere Kraft entgegenzusetzen.

Zunaechst halte ich es nicht fuer einer ausgemachte Sache, dass
man, um einen Menschen "von seinem Treiben abzuhalten", seiner
Kraft eine etwas groessere Kraft entgegensetzen muss.
Tatsaechlich trifft dies nur dann zu, wenn der Mensch, der da
etwas treibt, jeglicher vernuenftiger Argumentation unzugaenglich
ist. Natuerlich gibt es solche Menschen. Interessanterweise
findet man sie umso haeufiger, je weiter oben man in beliebigen
hierarchischen Strukturen nach ihnen sucht. Dies ist einer der
Gruende, weshalb ich Hierarchie als Mittel zum konstruktiven
Umgang mit der Unvernunft im Menschen fuer ausgesprochen unsinnig
halte.
Weiter faellt mir an der o.g. These auf, dass das "Treiben" des
"jemanden" als "unrechmaessig" bezeichnet wird. Da stellt sich
fuer mich die Frage, auf welche weise die Unrechtmaessigkeit
irgendeines Handelns festgestellt werden soll.
Setzt man schliesslich die Unrechtmaessigkeit des "Treibens"
voraus, ist damit immer noch nicht automatisch gesagt, dass es
sinnvoll ist, dieses Treiben durch das Entgegensetzen "einer
etwas groesseren Kraft" zu verhindern. Ein solcher Automatismus
kann nur konstruiert werden, wenn man das Einsetzen von Kraft an
sich als rechtlich neutral ansieht. Ich bin und bleibe aber der
Ueberzeugung, dass der Einsatz von Kraft, Macht, Zwang oder wie
auch immer man dazu sagt, zur Beschraenkung der Freiheit eines
Menschen schon fuer sich genommen ein Unrecht darstellt. Der
Einsatz von Kraft in einem Konflikt ist nichts anderes als
praktiziertes Recht des Staerkeren, das von irgendwem mal
treffend als das staerkste Unrecht bezeichnet wurde. Er kommt,
ethisch betracht, nur dann in Frage, wenn alle sinnvollerern
Moeglichkeiten zur Loesung des Konflikts gescheitert sind *und*
das "Treiben" ein so grosses Unrecht darstellt, dass das Unrecht
eines Krafteinsatzes verhaeltnismaessig ist. Dies ist eine
notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung fuer einen ethisch
vertretbaren Krafteinsatz.

>Da meine Kraft nicht ausreicht, z.B. etwa zwanzig laermende,
>angetrunkene Leute leise zu machen, oder mehrere Autos von den
>Buergersteigen zu schieben, muss ich mir jemanden suchen, der diese
>Kraft hat.

Kann sein, dass die derzeitige Strukturen sich in solchen eher
banalen Faellen tatsaechlich als neutral erweisen, und ohne
diskriminierendes Ansehen der Person oft relativ vernuenftig
verfahren. Aber das ist es eben: Im Kleinen wird gerecht
gehandelt, und in entscheidenden Punkten herrscht krasses
Unrecht. Ich wuerde gern auf mein Recht, die Polizei bei
naechtlicher Ruhestoerung zu bemuehen, verzichten, wenn ich
dafuer vor willkuerlichen Polizeikontrollen auf naechtlichen
Radfahrten oder bei zufaelliger raeumlicher Naehe des Papstes
sicher waere.

>>>Wenn ich mich zur Durchsetzung meiner Rechte nicht der anonymen Gewalt
>>>des Staates bedienen kann, sondern selber zusehen muss, wie ich mir mein
>>>recht verschaffe, wird so mancher sicher _mir_ gegenueber rabiat werden.
>>>Dann soll sich doch ein Polizist angreifen lassen. Der geniesst dann den
>>>Schutz des Paragraphen "Widerstand gegen die Staatsgewalt".

>>Wie schoen fuer ihn. Er darf "Staatsgewalt" gegen mich anwenden
>>und ich darf mich noch nicht mal dagegen wehren. Ganz tolle
>>Ethik, diese Staatsethik.

>Natuerlich darfst Du Dich gegen ungerechtfertigte Staatsgewalt wehren.
>Wenn Du aber etwas ungerechtfertigtes tust, darfst Du Dich nicht dagegen
>wehren, wenn ein Polizist kommt, und Dich daran hindern will.

In den folgenden Faellen tue ich demnach entweder etwas
Ungerchtfertigtes oder ich darf mich wehren:
* Ich fahre nachts auf meinem Fahrrad irgendwo lang und werde
angehalten und kontrolliert, inklusive Durchwuehlen meiner
Hosentaschen.
* Mein Vermieter hat es geschafft, durch staendiges Hochsetzen
der Miete im hoechsten gesetzlich noch zulaessigen Rahmen, diese
so hochzusetzen, dass ich sie nicht mehr aufbringen kann. Ich
werde von der Polizei zwangsgeraeumt.
* Mein Arbeitgeber kuendigt mir. Ich nehme Geld- und Sachwerte in
Hoehe der Gewinne, die die Firma durch meine Arbeit gemacht hat,
aus der Firma mit, und werde wegen Diebstahls eingelocht.

Ich weiss, das Recht auf Widerstand gegen Unrecht auch von Seiten
der Staatsmacht ist sogar im Grundgesetz festgeschrieben. Nur
nuetzt mir das de facto rein gar nichts.

>Mein "elementares Grundrecht" in diesem Fall war meine Nachtruhe.
>Ausserdem ist das, was die Leute da gemacht haben etwa KEINE Gewalt?
>Die haben mir einige unbequeme Stunden aufgezwungen. Und ich hatte keine
>Lust, diese Gewalt zu ertragen.

Sicher, das ist Gewalt "in Form von Laerm". Deine Antwort war
Gewalt in Form von Polizei. An was erinnert uns das... ?

>>>> * Der Polizei werden alle Rechte zu willkuerlichen Kontrollen
>>>>entzogen. Wenn ein Polizist bezichtigt wird, dennoch eine solche
>>>>Kontrolle ausgeuebt zu haben, muss er gehen, auch wenn ihm der
>>>>Fall nicht nachgewiesen werden kann. Dies ist aber mit keinem
>>>>Ehrverlust verbunden, und der Einstieg in einen machtfreien Beruf
>>>>wird ihm finanziert.

>>>Na, also da rollen sich mir ja die Fussnaegel auf B-{)
>>>Eine einfache, boswillige Anzeige reicht? Da werden ja alle
>>>rechtsstaatlichen Grundlagen mit Fuessen getreten!

>>Nein. Es ist allerdings eine teilweise Umkehr der Beweislast.
>>Dies deshalb, weil es viel eher einem Polizisten zumutbar ist,
>>einen anderen Beruf zu ergreifen, zumal wenn ihm dies finanziert
>>wird, als es einem Menschen zumutbar ist, dass seine Grundrechte
>>durch willkuerliche Kontrollen, Verdaechtigungen und Schlimmeres
>>mit Fuessen getreten werden.

>Dem Polizisten wird aber das Recht genommen, von willkuerlicher
>Beschuldigung geschuetzt zu sein?

Das Ganze sollte besser aus dem Blickwinkel einer demokratischen
Kontrolle als aus dem einer juristischen Schuldfeststellung
betrachtet werden. Wenn jemand kommt und sich ueber die
Behandlung durch einen Polizisten beschwert, sollte dies die
"Abwahl" des Polizisten zur Folge haben. Der Polizist wird also
seinen Job nicht los, weil ihn irgendeine Schuld trifft, sondern
weil ihm sein "Mandat" oder das Vertrauen entzogen wurde.
Das Recht des Polizisten, sich gegen unzutreffende
Anschuldigungen zu wehren, bleibt natuerlich von seinem
Ausscheiden aus der Polizei unberuehrt. Und wenn sich die
Anschuldigungen als haltlos erweisen, steht einer erneuten
Polizeitaetigkeit nichts im Wege. Aber waehrend die Sache
geklaert wird, muss er sein Amt ruhen lassen, wie dies auch
beschuldigte Politiker tun sollten, wenn sie sowas wie Anstand
besitzen. Und wenn keine eindeutige Klaerung herbeigefuehrt
werden kann, wird der Polizist nicht wieder zugelassen: Im
Zweifel fuer den Buerger, nicht fuer die Polizei!

>>Diese Umkehr der Beweislast haette ausserdem die positive Folge,
>>dass ein Polizist, dem an seinem Job gelegen ist, die Menschen,
>>mit denen er zu tun bekommt, anstaendig behandelt. Damit waere
>>schon mal vieles besser als jetzt.

>Wie waere es, wenn Du die Poilizei "anstaendig behandelst".

Ich pflege Polizisten mit derselben hoeflichen oder unhoeflichen
Art zu begegnen, die mir halt zu eigen ist. Viele meiner
Begegnungen mit Polizisten sind auch durchaus zivilisiert
verlaufen.
Wenn ich den taeglichen Machtmissbrauch der Polizei kritisiere
und behaupte, dass die Polizei die sinnvollen Dinge, die sie tut,
auch ohne die Macht, die sie derzeit hat, tun koennte, kann ich
darin keine unanstaendige Behandlung der Polizei erkennen.

>Bis jetzt habe ich von Dir nur wueste Beschimpfungen und Anschuldigungen
>gehoert!

Wueste Beschimpfungen? Welche?

>_Ich_ bin von der Polizei bis jetzt immer "anstaendig behandelt"
>worden, auch wenn ich mich nicht immer ihrer Dienste bedient habe.

>>Sinnvoll waere es, wenn jeder, der Polizist werden will,


>>zunaechst mal so acht bis zehn Jahre ein normales Leben fuehrt,
>>also studiert, einen Beruf ergreift oder aehnliches. Wenn er dann
>>in den Polizeidienst tritt, fuehrt er seine bisherige Taetigkeit
>>weiter, wird aber fuer den Polizeidienst befreit.

>Na, da wird sich sein Chef aber freuen! Du solltest Dich 'mal bei
>Frauenrechtlerinnen erkundigen, wie viele Arbeitgeber gluecklich sind,
>wenn Frauen so nach einigen Jahren ploetzlich zwischendurch aufhoeren um
>ein Kind zu bekommen. Der Arbeitsplatz wird ihnen aber garantiert, wenn
>sie wiederkommen wollen!

Die derzeitige Organisation der Arbeitsteilung ist ohne jeden
sinnvollen Grund so starr. Ich habe bis heute nicht begriffen,
weshalb die Arbeitgeber fuer jedes bisschen Flexibilitaet bei der
Personalplanung, das man von ihnen verlangt, so ein Gegreine
veranstalten. Sie fuerchten wohl, und das nicht zu Unrecht, dass
jedwede Abwechslung den Blick der Arbeitnehmer dafuer, dass es
auch andere als die in der Firma ausgetretenen Pfade gibt,
schaerfen koennte.

>(_Das_ kann man uebrigens auch als "Gewalt"
>gegenueber dem Arbeitgeben betrachten)

Kann man, ja. Aber man muss hier mal festhalten, dass die
Arbeitgeber unter der Gewalt und Kraft, die in unserem System
insgesamt ausgeuebt werden, erheblich weniger zu leiden haben als
die Arbeitnehmer.
Loesen kann man dieses Problem, indem man zu konsequenterweise
die Hierarchie in der Arbeitswelt abbaut. Dann wird weniger
"Gewalt" von Arbeitnehmern auf Arbeitgeber, und auch weniger
"Gewalt" von Arbeitgebern auf Arbeitnehmer ausgeuebt, bis man
diese sinnlose Trennung schliesslich ganz beseitigt hat.

>>>Und die Vermieter vermieten ihre Haeuser dann aus Goodwill, oder wie,
>>>oder was?
>>>Ich habe gerade meine letzte Mieterhoehung bekommen: "Nur 17,nochwas
>>>Prozent". Nun ist leider durch Uebersiedler und Studenten der
>>>Wohnungsmarkt hier in PB leergefegt. Angobot+Nachfrage -> hohe Mieten!
>>>Ich werd' den Teufel tun und ausziehen! Gott sei Dank hat der Staat die
>>>Mieterhoehungen auf 30% in drei Jahren limitiert, ich moechte nicht
>>>wissen, was ich sonst bezahlen muesste! Und ich glaube kaum, dass unser
>>>Haus lange Zeit leer stehen wuerde, auch wenn der neue Mietvertrag eine
>>>wesentlich hoehere Miete enthalten wuerde! Gott sei Dank gibt es so
>>>etwas wie einen Kuendigungsschutz fuer Mietwohnungen (und -haeuser)!

>>Natuerlich gibt es einen gewissen gesetzlichen Mieterschutz, aber
>>es muesste halt viel mehr sein. Die maximale Mieterhoehung pro
>>Jahr sollte z.B. eng an die Inflationsrate gekoppelt werden.
>>Ausserdem sollte als zusaetzliches Mietwucherkriterium
>>aufgenommen werden, dass der Vermieter nicht mehr als 2% Gewinn
>>pro Jahr bezogen auf den Wert des vermieteten Objekts machen
>>darf.

>Also, 2% Gewinn mache ich anderswo auch und noch viel mehr!
>Warum also vermieten?

Naja, bei allem, was so viel Gewinn bringt, gibt es jemanden, auf
dessen Kosten dieser Gewinn gemacht wird. Bei Firmengewinnen sind
dies z.B. die Arbeiter. Im Zuge einer Umgestaltung der Wirtschaft
in Richtung mehr Gerechtigkeit (soziale und sonstige) und weniger
Hierarchie wuerden die Gewinnmoeglichkeiten mit anderen
Anlagemoeglichkeiten also auch verschwinden.
Die Sache mit den 2% Gewinn pro Jahr bezogen auf das vermietete
Objekt entstand uebrigens hier im Netz in einem thread
"Mietergewerkschaft", den ich mal losgetreten habe.
Dahinter steckt folgende Ueberlegung: Wenn ein Haus vermietet
wird, verzichtet der Vermieter auf Eigennutzung. Dafuer sollte
er entschaedigt werden. Der Vermieter ist in jedem Falle aber
vollstaendig entschaedigt, wenn sein kumulativer Gewinn den
Wert des vermieteten Hauses erreicht. Denn dann kann er sich ein
anderes Haus von dem Gewinn kaufen oder bauen, und damit tun und
lassen was er will.
Wenn man nun annimmt, dass ein Haus mindestens 50 Jahre steht,
erzielt der Vermieter bei einem jaehrlichen Gewinn von 2%
innerhalb dieser Zeit eben einen kumulativen Gewinn, der dem
Gesamtwert des Hauses entspricht. Nach den vermeintlichen
Mechanismen der Marktwirtschaft muss man ihm dann vielleicht
etwas mehr Gewinn zugestehen, damit sich die Vermietung lohnt.
Derzeit liegt der jaehrliche Gewinn bei Vermietungen aber bei um
die 10%, und wenn man damit die o.g. Rechnung anstellt, sieht
man, dass der Vermieter in diesem Fall schon nach 10 Jahren
komplett durch seine Mieter ausgezahlt ist. Das Haus gehoert ihm
aber nach den 10 Jahren noch ganz genauso wie zu Anfang, und er
kann weiter die fetten Gewinne einstreichen, ohne eine Leistung
dafuer zu erbringen. Ich meine, dass diese Betrachtung die
Anatomie der strukturellen Ungerechtigkeit und Umverteilung, in
unserer Marktwirtschaft sehr schoen verdeutlicht.

>Und wer soll den Mieterschutz denn ueberwachen und notfalls
>durchsetzen?

Wie waer's mit der Polizei? Indem sie sich auf die Seite derer
stellt, die sich weigern, Mieten oberhalb der o.g.
Mietwuchergrenzen zu zahlen?
Um dies vielleicht klarzustellen: Die konkreten Vorschlaege
verstehen sich eben gerade so, dass sie auch ohne die
Voraussetzung einer vollstaendig hierarchiefrei umstrukturierten
Gesellschaft realisierbar sind. Politisch durchsetzbar sind sie
aber wohl kaum :-(((

>>Wenn Euer Laden nicht von einem Arbeitgeber, sondern von Euch
>>selbst in solidarischer und partnerschaftlicher Weise gefuehrt
>>wuerde, waere an Entlassungen gar kein Gedanke. Und ausserdem
>>gaebe es vermutlich viel bessere Computer :-)

>Oder natuerlich auch nicht!

>Das geht vielleicht in einem kleinen Handwerksbetrieb mit 10-15
>Mitarbeitern, wo in einer Vollversammlung abgestimmt werden kann, nicht
>aber in einem Laden mit >10.000 Mitarbeitern in X verschiedenen
>Staedten.

Naja. Hier lauert mal wieder die These, dass Gruppen, deren
Groesse eine gewisse Grenze ueberschreitet, *nur* hierarchisch
organisiert werden koennen. Ich warte immer noch auf ein Argument
zur Stuetzung dieser These, das ueber das empirische "hat noch
nie funktioniert" herausgeht.

[...]

>Was ich damit sagen will:
>Menschen sind verschieden. Jeder hat seine eigenen Vorstellungen davon,
>wie's zu gehen hat oder auch nicht. Aber es gibt Situationen, in denen
>muss einer nach langer solidarischer und partnerschaftlicher Diskussion
>mit der Faust auf den Tisch hauen und sagen: "Da geht's lang". Heinz
>Nixdorf hat das frueher getan und vielleicht ginge es uns etwas besser,
>wenn er noch lebte.

Wenn die Diskussion tatsaechlich solidarisch und
partnerschaftlich war, schadet es nichts, wenn irgendwer die
gemeinsam beschlossenen Entscheidungen nochmal zusammenfasst, und
dabei kann er soviel er will mit der Faust auf den Tisch
eindreschen. Schlimm ist es aber, wenn der, der mit der Faust auf
den Tisch schlaegt, ausschliesslich seine eigene Entscheidung
verkuendet und diese dann allen Betroffenen aufs Auge gedrueckt
wird.
Ob Heinz Nixdorf nun eher ein polternder Diskussionsmoderator
oder ein autoritaerer Entscheider war, kann ich nicht beurteilen.

>[ ... ]

>Also, ich hoer' jetzt auf.

>Du hast ein Bild von der Polizei und dem Staat, das absolut auf "Gewalt"
>geeicht ist. Fuer Dich ist die Polizei eben nur Bereitschaftspolizei,
>die mit massiver physischer Gewalt gegen friedliebende Demonstranten
>vorgeht.

Die Polizei interessiert mich im Zusammenhang mit der Staatsethik
gar nicht so besonders. Es geht in diesem thread hauptsaechlich
darum, ob die Ausuebung von Kraft auf Menschen im Rahmen
hierarchischer Strukturen prinzipiell ethisch gerechtfertigt ist.
Die Polizei spielt in diesem Zusammenhang hauptsaechlich deshalb
eine Rolle, weil sie ein exponierter Vollstrecker dieser Kraefte
ist und sich daher als Beispiel oft geradezu aufdraengt.

>Fuer Dich ist der Staat nur dazu da, dem Buerger alle Rechte zu nehmen
>und ihn unmuendig zu machen.

Nein, nicht nur. Ich habe oft darauf hingewiesen, dass der Staat,
die Wirtschaft und viele andere hierarchische Strukturen auch
sinnvolle Dinge tun, und dass es deshalb gefaehrlich ist, diese
Strukturen zu bekaempfen, ohne gleichzeitig Alternativen
aufzubauen. Ich bin aber davon ueberzeugt, dass es
hierarchiefreie Alternativen gibt, die mehr Frieden, Freiheit und
soziale und sonstige Gerechtigkeit bieten als die derzeitigen
hierarchischen Organisationen. Zumindest aber ist das Ausmass der
dem derzeitigen System inhaerenten Einschraenkungen der Menschen,
der Ungerechtigkeiten und Unzulaenglichkeiten so gross, dass eine
Einstellung der Suche nach derartigen Alternativen ethisch
unvertretbar ist.

>Alle Gewalt von unten ist nur durch die Gewalt von oben
>zustandegekommen.
>Wuerde man die staatliche Gewalt abschaffen, wuerden wir alle
>freidfertig nebeneinander wohnen, alle 84 Mio in duL, alle x Milliarden
>auf dieser Welt.

Oh oh oh... habe ich mich wirklich einer solch naiven
Schwarzweissmalerei schuldig gemacht?

>Dass nicht alles perfekt ist, weiss ich auch. Und die Sache mit dem
>Kessel von Hamburg, den Demos in Muenchen, u.ae. Faelle kann ich auch
>nicht gutheissen.
>Aber meine These ist, dass bei einer immer dichter werden Bevoelkerung
>eine gewisse kontrollierende, steuernde Organisation notwendig ist. Und

Wieder mal ein Fall von unbegruendeter Gleichsetzung von
Organisation und Struktur mit Hierarchie.

>um Reibungen zwischen den immer dichter aufeinander lebenden Menschen zu
>verhindern, oder wenigstens Exszesse zu vermeiden, brauchen wir m.E.
>eine "neutrale" "Gewalt".
>Ich habe beides in Anfuehrungszeichen gesetzt, da ich mir auch bewusst
>bin, dass (auch hier) Ideale nicht erreicht werden koennen.

Sie koennen u.a. deshalb nicht erreicht werden, weil die
"Gewalt", die dem Ideal entsprechend strikt "neutral" eingesetzt
werden soll, ja wohl von irgendwelchen Menschen kontrolliert
werden muss. Und zu strikter Neutralitaet ist kein Mensch
imstande, auch beim besten Willen nicht.
Noch problematischer ist bei diesem Ideal, dass sich keine Macht
von selbst aufbaut und erhaelt. Man muss vielmehr die Macht, die
man hat, benutzen, um diese zu stabilisieren und auszubauen, und
das hat nichts mit strikter Neutralitaet zu tun.
Mir ist bei dem Ideal einer "neutralen Gewalt" also nicht klar,
wie eine fortdauernde und unbedingte Neutralitaet der Gewalt
gewaehrleistet werden soll. Mir ist auch nicht klar, wieso dieses
Ideal erstrebenswerter oder sonstwie besser sein sollte als das
der Hierarchiefreiheit. Schliesslich ist mir unklar, weshalb das
Ideal der "neutralen Gewalt" realistischer sein soll als das der
Hierarchiefreiheit -- heute sind wir von beiden gleich weit
entfernt.

>Ob wir hierarchiefrei leben koennen, wage ich auch zu bezweifeln.
>Das faengt bitte bei so Dingen wie "Feuerwehr" an. Wenn da nicht einer
>den Ueberblick behaelt und Befehle schreit, ...

Koordination und Arbeitsteilung haben nichts mit Hierarchie zu
tun. Jemand, der einen Feuerwehreinsatz koordiniert muss nicht
hierarchisch ueber den anderen Feuerwehrleuten stehen,
ebensowenig wie jemand, der einen aus einer Parkluecke winkt,
hierarchisch ueber dem Ausparkenden stehen muss.

>Und oft genug muessen Nachteile fuer den einzelnen in Kauf genommen
>werden, um fuer andere, oder sogar auf lange Sicht fuer alle, etwas
>Gutes herauszuholen. Und die Entscheidungen muessen "von oben" getroffen
>werden.

Gerade Entscheidungen, bei denen Nachteile Einzelner in Kauf
genommen werden, um Vorteile fuer alle zu erreichen, koennen am
besten in solidarisch-partnerschaftlicher Weise getroffen und
getragen werden. Denn Solidaritaet ist es ja, um was es dabei
zentral geht, und die kann zwar vielleicht denen "unten" "von
oben" verordnet werden, aber die Oberen selbst koppeln sich davon
mit allerschoenster Regelmaessigkeit ab:
* Waehrend dem Fussvolk bei der Krankenversicherung eine
Solidargemeinschaft mit Nichtverdienenden verordnet wird,
versichern sich die Oberen privat zu Kosten, die bezogen auf das
monatliche Einkommen ein Bruchteil der Belastungen
durchschnittlicher Lohnempfaenger durch die AOK ausmachen.
* Waehrend die Politiker die Bevoelkerung zum Sparen auffordern,
sind sie sich quer durch alle Parteien einig, dass Abgeordnete,
Minister und Parteien mehr Geld kriegen sollen.
* Arbeitgeberverbaende sehen zwar ein, dass eine
Pflegeversicherung notwendig wird, aber bestehen darauf, dass
diese fuer die Arbeitgeber kostenneutral gestaltet wird.

Mir ist raetselhaft, wie man im Angesicht solcher Vorgaenge noch
auf solidaritaetsorientierte Entscheidungen "von oben" hoffen
kann.

>Ich glaube eben nicht, dass 84 Mio Menschen alle gleich sind.
>Und in einer Gemeinschaft dieser Groesse wird es immer unterschiedliche
>Menschen mit verschiedenen Beduerfnissen, Wuenschen, Emotionen geben.
>Das wirst Du nicht abstreiten koennen. Und es braucht doch nur einen
>unter dieesn 84 Mio zu geben, der eben _nicht_ seine Beduerfnisse dem
>Allgemeinwohl unterordnen will, der, vielleicht krankhaft,
>herrschsuechtig ist. Der wird dann sicher versuchen, seine Wuensche und
>Beduerfnisse zu befriedigen. Und er wird sicher Leute finden, derer er
>sich bedienen kann.

Es gibt zumindest derzeit eine ganze Menge krankhaft
Herrschsuechtiger, und vielleicht wird es die immer geben. Aber
was nuetzt uns unser derzeitiges System dabei? Es stellt doch
gerade die Strukturen zur Verfuegung, die ein Ausleben der
Herrschsucht ermoeglichen. Kohl, Reuter, Breuel, Niefer,
Gauweiler... das sind doch alles klassische Beispiele fuer
Herrschsucht, und es ist niemand in Sicht, der diese Leute
therapiert und die Bevoelkerung vor den Folgen ihrer Herrschsucht
schuetzt.

>Und wenn Du meinst, dass sich 20% nicht von 80% ihr Leben diktieren
>lassen duerfen, dann frag' doch mal die 20% (Zahl mag darueber oder
>darunter liegen) der Bevoelkerung, die gegen Auslaender sind!

In den Artikeln, durch die die 20% und die 80% geisterten, ging
es besonders darum, dass das Recht zur Mitentscheidung auf die
beschraenkt werden sollte, die von der Entscheidung betroffen
sind. Und das waeren dann nun mal auch die betroffenen
Auslaender.

Felix Schroeter

unread,
Nov 13, 1992, 6:42:37 AM11/13/92
to
Josef Moellers schreibt:
> In <1992Nov12....@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK1O@DKAUNI2
.B

> ITNET> writes:
>
> >Josef Moellers schreibt:
>
> [ ... ]
>
> >>
> >> Nach einem etwas verleangerten Wochenende, an dem ich Zeit hatte, 'mal
> >> das eine oder andere Buch zu diesem Thema zu befragen:
> >>
> >> Kann es soetwas wie eine "gewaltlose" Gesellschaft ueberhaupt geben?
>
> [ ... ]
>
> >> Ist aber staatliche Gewalt der alleinige Grund fuer Gewalt von unten,
> >> wie immer so gerne behauptet wird?
> >Wenn nicht, also wenn Gewalt auch spontan/ohne "staatliche Einmischung"
> >entsteht, ist es nicht trotzdem erstrebenswert, das Mass der Gewalt
> >insgesamt zu mindern, wenn man es schon nicht auf 0 bringen kann?
>
> Man koennte tatsaechlich danach streben, Gewalt zu minimieren, wenn die
> "Rest-Gewalt" ungefaehrlich waere. Der Hintergedanke hinter dem Konzept
> des "Gewaltmonopols des Staates" ist, soweit ich es begreife, dass es
> imer Gewalt geben wird (s.u.) und dass diese Gewalt haeufig Gegen-Gewalt
> ausloesen wird. Dadurch, dass der Staat sich das Recht vorbehaelt, als
> Unparteiischer eben diese Gegen-Gewalt auszuueben, verhindert er
> Selbstjustiz.
Hmmmm.... Der Staat ist ja kein perfektes Wesen. Also kann er nie
wirklich voellig unparteiische Urteile sprechen, aufgrund derer er
selektiv Gegengewalt im geringst-notwendigen Masse ausueben kann/
koennte.
Der Staatsapparat besteht ja auch aus Menschen, die (s.u.) einen
gewissen persoenlichen Aggressionstrieb haben, den sie (s.u.)
auch nicht immer so kanalisieren koennen, dass er sich nicht
in willkuerlicher (und damit nicht gerechter) Gewalt aeussern koennte.
Ausserdem bezweifle ich die Neutralitaet des Staates in der Rechts-
sprechung. Z.B. Klagen von Buergern gegen grosse Industrieunternehmen
wegen Verstoessen gegen bestehende Umwelt-Gesetze.
Da haben die "kleinen" Buerger kaum eine Chance, da die Unternehmen
dank ihrer Wirtschaftsmacht viele Moeglichkeiten haben, ihre
Suenden entweder zu verdecken oder sonst irgendwie ein guenstiges
Urteil zu sprechen. Ausserdem:
Hast Du je einen Wirtschaftsboss eines Unternehmens im Knast
gesehen, nachdem ein Urteil wegen Umweltstraftaten (oder
Straftaten gegen das Aussenwirtschaftsgesetz) rechtskraeftig war?
In den meisten Faellen ist es doch so, dass eine Geldstrafe verhaengt
wird, die das Unternehmen aus der Portokasse zahlt. Danach:
Weiter so :-(

> Wenn mir jemand (gewollt, ungewollt, vielleicht sogar unbewust oder
> misverstanden) Gewalt antut, so kann ich mich an den Staat (z.B. Polizei,
> Staatsanwaltschaft) wenden, mit der Bitte um "Gegen-Gewalt". Der Staat,
> als Unparteiischer, wird die Sache untersuchen, und eventuell
> feststellen, dass ich das alles misverstanden habe. Damit wird
> unberechtigte Gegen-Gewalt von meiner Seite und damit eventuell
> Eskalation (der andere fuehlt sich dann eventuell unberechtigterweise
> von mit "vergewaltigt") verhindert.

Nur: In manchen Faellen sagt er dann "Du hast es missverstanden",
wo dies gar nicht so klar ist.

> Natuerlich kann man darueber diskutieren, ob staatliche Gewalt nicht
> inzwischen zum Selbstzweck geworden ist, wie man gelegentlich annehmen
> koennte. Ansatz dieses Threads ist aber, den Staat und damit seine
> Gewaltorgane, grundsaetzlich abzuschaffen, da der Mensch eigentlich
> friedfertig ist und keinerlei Schutzes von oben bedarf.

Ich behaupte, dass die meisten Menschen tatsaechlich friedfertig
sind. Diejenigen, die tatsaechlich Gewalt an anderen Menschen
ausueben, sind Leute, die eben (ohne unbedingt etwas dafuer zu
koennen) eine niedrige Schwelle des Aggressionstriebs und eine
niedrige Ausloeseschwelle fuer (Aggression->Gewalt) haben.
Gerade weil sie nicht unbedingt was dafuer koennen, muss man sowieso
fragen, ob in diesem Fall "Strafe" noch berechtigt ist...
Wenn Du oben von Selbstjustiz redest:
Ich bin auch gegen diese. Aber Selbstschutz kannst Du niemandem
absprechen. Und Selbstschutz existiert auch in einer herrschafts-
freien Gesellschaft.


>
> >> Wenn man Gewalt als Folge von Agression und diese als Folge von
> >> Frustration sieht, so stellt sich die Frage, ob es neben Gewalt auch
> >> andere Gruende fuer Frustration geben kann.
> >>
> >> Hahn nennt folgende Gruende fuer ein Versagen beim Erreichen der
> >> gesteckten Ziele:
> >> - die Umgebung, z.B. wenn man wegen einer Verkehrsstauung den Zug nicht
> >> erreicht
> >Dann liegt der Grund fuer die Frustration an der Verkehrspolitik,
> >die so massiven Auto(oder sonstigen)-Verkehr zulaesst,anstatt ihn
> >durch attraktive Gegenangebote (OePNV) zurueckzudraengen.
> >(Anmerkung: Ich bin dafuer, dass alle OePNV verstaatlicht werden oder
> >unter staatliche Kontrolle kommen, ausschlieslich von Steuergeldern
> >finanziert werden, und so die Fahrpreise == 0 werden. Der Buerger
> >bekommt seine Steuergelder ja durch eingesparte Fahrtgebuehren bzw.
> >eingesparten Aufwand fuers Autofahren zurueck. So wuerde man sich noch
> >besser ueberlegen, ob man Auto oder Bus/Zug/Strassenbahn faehrt.
>
> Dies war ein _Beispiel_, das zeigen soll, dass es eben Einfluesse aus
> der Umgebung gibt, die keine "Gewalt" im herkoemmlichen Sinne sind.
> Als "Umgebung" koennte man auch die Natur sehen: Der Sturm gestern abend
> hat unseren Kindern ihren Martinszug verdorben. Das koennte natuerlich
> wieder eine Folge der Umweltpolitik des Staates sein ... Wie waer's dann
> mit einem Vogel, der mir auf meine schoene neue Jacke sch...t?

Bringt eine von Nicht-Menschen (z.B. Natur -> Dein Beispiel Sturm
oder Tier -> Vogel, der seine Sch****e auf Dir ablaesst) ausgeuebte
"Gewalt" einen zu erhoehter Gewaltneigung gegen Mitmenschen?
Es ist doch (fast :-() jedem klar, dass das keine bewusst ausgeuebte
Gewalt ist, die obendrein nicht von anderen Menschen verhindert
werden kann.
(Sturm ist nicht unbedingt Folge der Umweltpolitik - es gab
schon immer Stuerme.)


>
> >-- Followups zu diesem Thema aber bitte unter neuem Subject.
> >Anmerkung2: Wenn es keinen Staat mehr geben sollte, duerften mit
> >hoher Wahrscheinlichkeit auch Fahrpreise der Vergangenheit angehoeren,
> >auch ohne Verstaatlichung.)

Sorry - unklar ausgedrueckt. Es ging darum, dass die Verstaatlichung
auch auf eine Form von nichtstaatlichem Gemeineigentum uebertragen
werden kann - und fuer die Verwendung von Gemeineigentum kann man
schlecht von einem Menschen, der ja Miteigner ist, Geld oder
sonstige Bezahlung (Naturalien) verlangen.


>
> Das verstehe ich nicht! Warum darf ich dann mit meinem Pferdekarren
> (Strassen gibt's nicht mehr, Autos auch nicht) keinen Fahrpreis z.B. in
> Form von Naturalien erheben?

Darfst Du schon. Nur wird dieser Preis erheblich gedrueckt,
und zwar gegen 0.


>
> >> - persoenliches Unvermoegen, z.B. wenn man einen Kursus, der dem
> >> beruflichen Weiterkommen dienen soll, nicht besteht
> >Wenn ich einen Kurs, eine Klausur, eine Pruefung nicht bestehe, dann
> >wird jemand der vernuenftig denkt, diese Frustration-> Aggression
> >nicht durch Gewalt gegen Unschuldige abbauen, auch nicht durch Gewalt
> >gegen sich selbst, sondern er wird sie umsetzen in Anstrengungen,
> >es "das naechste Mal besser zu machen".
>
> An dieser Stelle geht's erst 'mal nur um die Ursachen von Frustration,
> nicht um ihre Bewaeltigung (dazu mehr unten). Und wenn man eine Pruefung
> das x-te mal "endgueltig nicht bestanden" hat, dann kann man sich
> zehnmal so sehr anstrengen, die gewuenschte Zukunft ist und bleibt
> (zumindest was diesen Weg angeht) verbaut.

Das liegt wieder an einer staatlichen oder staatsaehnlichen Bestimmung,
die die maximalzahl der Versuche festlegt. Wenn es keinen Staat gibt,
gibt es solche Beschraenkungen nicht mehr....
(Es sei denn es gaebe eine andere hierarchische Ordnung, die das
festlegt, aber diese koennte man dann ja als neuen Staat bezeichnen)


>
> >> - strittige Motive, z.B. wenn jemand etwas unternehmen moechte, jedoch
> >> Angst davor hat (Ziel: koerperliche Unversehrtheit).
> >Hmmm.. Das frustriert tatsaechlich, da hast Du recht.
> >Frage: Woher kommen (koennen kommen) solche Aengste?
> >Fall 1: Es ist eine konkrete Angst/Furcht vor einer tatsaechlichen
> >Gefahr, die in der geplanten Unternehmung liegt. Dann muss sich
> >derjenige aber ueberlegen, ob er das Risiko eingehen will oder von
> >seinem Vorhaben endgueltig Abschied nehmen soll.
> >Fall 2: Diffuse Angst vor irgendeiner imaginaeren Gefahr.
> >Da lass ich die Frage mal offen und bitte Dich oder jemand anderen,
> >einen Vorschlag zur Beantwortung dieser Frage zu bringen.
>
> Wie gesagt, es sind hier nur Beispiele. (Ich _liebe_ Beispiele B-{)
> "Strittige Motive" koennen auch sein: zwei Einladungen zum Essen am
> selben Abend, zwei Mitglieder des bevorzugten Geschlechts (neutral
> genug?), die einem beide gut gefallen, Geld, das man eben nur einmal
> ausgeben kann (persoenliche Erfahrung).

Der gesunde Menschenverstand ist sich aber im klaren, dass ein
solches Dilemma nicht durchbrochen werden kann, und kann sich damit
abfinden.


>
> >> Als Folgen der Frustration sieht er:
> >> - Ruhelosigkeit und Nervositaet
> >> - Doppelte Anstrengung, das Ziel doch noch zu erreichen
> >Das waere eine sehr gute Umsetzung der Frustration. Dieser Weg ist
> >konstruktiv...
>
> Ist aber nicht immer praktikabel, z.B. wenn das Ziel einmalig ist!

Aber WENNS praktikabel ist, ist es die beste Wahl !!


>
> >> - Agression, die gegen die "Frustrationsquelle" oder gegen unbeteiligte
> >> Dritte gerichtet ist, die aber auch unterdrueckt werden kann.
> >Hoffentlich :-) ^^^^^^^^^^^^
> >> - Depression
> >Die tritt nach mehrfacher aehnlicher Frustration ein, insbesondere
> >wenn man resigniert hat gegenueber dem Problem.
> >> - Apathie
> >Aehnlich wie Depression.
> >> - Regression, in der fruehere Gewohnheiten wieder aufgenommen werden
> >> oder sogar kindliches Verhalten gezeigt wird
> >Hmmm... Was koennte einen Menschen veranlassen, nach einer evtl.
> >wiederholten Frustration in irgendwelche fruehere Verhaltensweisen
> >zu regredieren? (ernsthafte Frage, da ich kein Psychologie-Profi
> >bin)
>
> Beispiel: Jemand ist Alkoholiker gewesen und faellt durch eine tiefe
> Enttaeuschung zurueck an die Buddel.

Okay, danke fuer das Beispiel.


>
> >> - Fantasie, bei der das Ziel in der Einbildung erreicht wird.
> >Das waere ein konstruktiver Weg, der aber erst dann eingeschlagen
> >werden sollte, wenn klar ist, dass das Ziel nicht in der Realitaet
> >erreicht werden kann.
>
> Was aber passiert, wenn jemand merkt, dass es eben nur Fantasie ist?

Wenn man die Fantasie bewusst aufbaut, dann merkt er es eh sofort.
Aber auch dann kann eine solche Fantasie durchaus eine Befriedigung
darstellen, wenn auch nicht so stark, wie wenn das Ziel tatsaechlich
erreicht worden waere.


>
> [ ... ]
>
> >> Wie oben bei der Aufzaehlung der Gruende fuer Frustration deutlich ist,
> >> gibt es neben der (initialen) Gewalt, eine Vielzahl von anderen Zuendern
> >> fuer die Frustration, die teilweise nichts, aber auch gar nichts mit
> >> Gewalt in irgendeiner Form zu tun haben.
> >>
> >> Dass ein Mensch beliebig formbar ist, und damit seine
> >> Frustrationstoleranz beliebig hoch schraubbar ist, wird allgemein
> >> abgelehnt. Diese These wurde etwa zwischen den beiden Weltkriegen von
> >> den Behaviouristen vertreten, inzwischen aber von den Ethologen
> >> verworfen und hat einer Instinkt-Theorie Platz gemacht.
> >Aber die Instinkt-Theorie ist auch nicht das Gelbe. Die Wahrheit wird
> >wohl sowieso irgendwo dazwischen liegen. Es gibt auch heute Kritiken
> >gegen die Instinkt-Theorie, die ich von Konrad Lorenz
> >("Das sogenannte Boese") her kenne. (Guck mal unter Erich Fromm,
> >den genauen Titel weiss ich nicht :-( )
>
> Keine Theorie, insbesondere ueber den Menschen und was ihn bewegt, ist
> "das Gelbe". Aber sie wird, wenn sie nicht gerade hanebuechen ist, doch
> das Verhalten eines mehr oder weniger grossen Teils der Menschen
> ziemlich genau beschreiben.

Richtig. Aber ist diese Theorie, die das Verhalten einer Majoritaet
beschreibt, wirklich die Aggression-als-Instinkt Theorie oder
die Mensch-als-vernuenftiges-natuerlicherweise-gemeinschaftlich-
denkendes-Wesen Theorie? (jeweils mit einer bestimmten Minoritaet
als Ausnahme...)

Ja, richtig. Nur... Wie weit gehen die Grenzen in beiden Richtungen?
(Grenzen der Formbarkeit meine ich) Und in welchem "Punkt" beginnen
die meisten Menschen zu Beginn ihres Lebens?


>
> >> Was aber auch die Funktion von Sexualitaet und Agression sind, die
> >> Formen, die sie bei den Menschen annehmen sind durch ihre Kultur
> >> bestimmt, jedoch die fundamentalen heftigen Verlangen, die Wuensche und
> >> Emotionen, die mit ihnen zusammenhaengen, sind angeboren.
> >Also nochmal: Aggression ist natuerlich, aber inwieweit Aggression
> >zur Gewalt fuehren kann, wird durch die Kultur, also letztendlich
> >durch die Gesellschaft gepraegt. (Die Gesellschaft ist ja Traeger
> >und Urheber der Kultur. Ohne Gesellschaft keine Kultur.)
>
> Kultur wird m.E. durch viele Faktoren gepraegt: durch die Geschichte
> eines Volkes, durch die Kontakte, die es hat, durch die Landschaft, in
> der sie lebt, sogar durch das Klima. Es scheint mir unmoeglich, ein Volk
> dazu zu bringen, seine alte Kultur _voellig_ abzuschuetteln und eine
> neue, synthetische, anzunehmen.

Nein. Aber in dem Text sah es so aus, als ob die Kultur eine feste
Konstante waere. Das ist sie nicht.


>
> >> Die Frage, ob es so etwas wie angeborene Agressivitaet im menschen gibt,
> >> geht ueber in die Frage, ob Gewalt, Feindseligkeit und Zerstoerungswut
> >> nur durch aeussere Initiierung entstehen, oder ob sie auch spontan
> >> entstehen koennen, selbst unter Strafandrohung. Man nimmt an, dass beim
> >> Menschen, wie auch bei anderen Arten, Bosheit und Kampf ebenso wie Panik
> >> und Flucht instinktive Reaktionen sind.
> >Nur: Inwieweit und wie stark sind Bosheit etc. im heutigen Menschen, der
> >mehrere zehntausend Jahre von der Steinzeit entfernt ist, noch
> >vom Instinkt vorgegeben?
>
> Kann ich auch nicht sagen. Dem Text nach zu urteilen, geht Beloff
> jedenfalls davon aus, dass gewisse Instinkte eben noch von damals
> vorhanden sind, zumal sie ja bis in die juengere Vergangenheit (und
> damit meine ich ebenein paar hundert Jahre) noch ganz brauchbar waren.

Ja. Er geht davon aus. Andere gehen von was anderem aus, auch NACH
den Behavioristen.

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! das ist Selbstschutz, der auch in der BRD
zulaessig ist.


> Schiedsstelle? Das waere aber schon wieder "staatliche Gewalt"!

Und hier geht es nicht um den direkten Schutz. So schnell ist die
Polizei gar nicht zur Stelle, wenn ich anrufe und sage:
"jemand bedroht mich mit dem Messer", um mich zu SCHUETZEN.
ALso kann es nur um Bestrafung gehen...


>
> >> Fazit: Gewalt erzeugt Gegengewalt. Jedoch gibt es neben der stattlichen
> >> (oder machterhaltenden) Gewalt noch andere Ausloeser fuer Gewalt, die
> >> jenseits unseres Einflusses liegen.
> >> Das Ziel einer "gewaltlosen Gesellschaft" ist also eine Utopie, die nie
> >> erreicht werden kann.
> >Aber das Ziel einer moeglichst gewaltarmen Gesellschaft ist doch
> >realisierbar, oder? Und ich glaube nicht, dass die BRD ein Beispiel
> >fuer eine moeglichst gewaltarme Gesellschaft ist.
>
> Im letzten stimme ich Dir uneingeschraenkt zu. Ich stimme Dir auch zu,
> wenn Du sagst, dass ein nicht unwesentlicher Teil dieser Gewalt vom
> Staate selber ausgeht.
>
> Der Kasus Knacktus ist doch, ob wir mit diesem Teil nicht leben
> _muessen_?
> Und da ist meine These eben, dass wir _im Prinzip_ staatliche Gewalt
> brauchen, als Ausgleich zwischen den (strittigen) Interessen der
> Menschen, als Gegen-Gewalt zur Gewalt des einen gegen den anderen.
> Dass diese staatliche Gewalt ein gewisses Eigenleben fuehrt, ist
> bedauerlich, aber ist es zu verhindern? Wir leben inzwischen in einer
> aeusserst komplexen Gesellschaft. Gesetze werden heutzutage nicht mehr
> neu geschaffen, sondern nur noch in irgendeiner Weise verfeinert.
> Dazu kommt sicher, dass auch Polizisten, Richter, Bundestagsabgeordnete
> und Minister Menschen sind, die ihren Emotionen, Wuenschen,
> Beduerfnissen unterliegen.

Muessen wir in einer so komplexen Gesellschaft leben?
In einer STARK dezentralen Struktur kann diese gemeinschaftlich
ausgeuebte (Gegen-)Gewalt nie so ein Eigenleben fuehren, wie
es bei den relativ zentralen gegenwaertigen Strukturen der Fall ist.
Wie waere es mit Dorfgemeinschaften, die zur Loesung von
grossflaechigeren Problemen sich zusammensetzen und lockere
Koordinationsstrukturen bilden?
Also dass es nicht heisst: Bundesrecht bricht Landesrecht,
sondern im Zweifel fuer die Kommune (meint Dorfgemeinschaft).
(Bei Staedten sollte die Stadt in sinnvolle Stadtviertel aufgeteilt
werden, die dann ganz genauso wie eine Dorfgemeinschaft organisiert
wird.)
Nur ein Vorschlag, das Eigenleben einer Staatsgewalt zu minimieren.
Das konkrete Beispiel ist vielleicht nicht gut, aber das Prinzip,
das ich meine: echte DEzentralisierung fuehrt zu uebersichtlichen
Strukturen.


>
> Das soll nicht heissen, dass wir alles akzeptieren, was die da tun. Aber
> das alles nur wegen seiner Fehler abschaffen? Wenn _mir_ der Kragen
> richtig platzt, werde ich aktiv in die Politik gehen. Solange werde ich
> mein Scherflein dadurch beitragen, dass ich mir einerseits nicht alles
> gefallen lasse und andereseits meine Kinder zu toleranten,
> selbstbewusetn Menschen erziehe. Amen!

ReAmen :-)


>
> --
> | Josef Moellers | c/o Siemens Nixdorf Informationssysteme AG
|
> | USA: molle...@sni-usa.com | Abt. STO-XS 113 | Riemekestrasse
|
> | !USA: molle...@sni.de | Phone: (+49) 5251 835124 | D-4790 Paderborn
|

MfG, Felix
Felix Schroeter - uk...@ibm3090.rz.uni-karlsruhe.de

>>>>> Hierarchical systems are for files, not for humans <<<<<

Josef Moellers

unread,
Nov 13, 1992, 5:46:32 AM11/13/92
to
In <1992Nov13.0...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) writes:

[ ... ]

>Die Gewalt eines Ordnungsamtsdienstes, wie ich ihn (ins Unreine
>hinein) vorgeschlagen habe, ist definitiv geringer als die der
>Polizei, denn er soll ja, nach meinem Vorschlag, nicht mit den
>ganzen Sondervollmachten, Schusswaffen usw. ausgestattet werden.

"Sondervollmachten" klingt gut! Und was die Schusswaffen angeht, kannst
Du von mir aus vorschlagen, dass ein Polizist vor jedem Einsatz
entscheiden muss, ob er seine Schusswaffe bei sich traegt, oder nicht.
Er koennte dann hinterher (in dreifacher Ausfertigung) einen Bericht
ueber jeden Einsatz schreiben und begruenden, warum er die Schusswaffe
bei sich getragen hat.

>>1. Ich glaube kaum, dass es in jedem Fall so freundlich zuende geht, wie
>>in meinem. Wenn einer ordentlich "einen getankt" hat, kann er schon 'mal
>>physisch gewalttaetig werden, und die Herren vom Ordnungsamt muessen
>>sich dann wohl gegen diesen Angriff auf ihre Person zur Wehr setzen.
>>2. Woher willst Du wissen, dass der Leiter dieser "Ordnungsamts-Truppe"
>>nicht auch von dieser Macht missbrauch machen wird?

>Da er weniger Macht hat, hat er auch weniger Gelegenheit zum
>Missbrauch.

Ein kleiner Keim von Macht und Mechtgelueste koennen immer dazu fuehren,
diese Macht auszuweiten. Und der eine OA-Leiter will vielleicht nur
Kosten fuer den Buerger sparen, wenn er gewisse Taetigkeiten anderer
Dienststellen mit den seinen zusammenlegt, der naechste tut dies, weil
er eben gerne viele Leute unter sich hat (Profilierungssucht) und der
naechste macht das aus Machtstreben.

[ ... ]

>Zweifellos kann man durch Strafandrohungen sehr grossen Einfluss
>auf das Handeln von Menschen ausueben. Man kann diese
>Moeglichkeit auch dazu nutzen, die Menschen am Verursachen
>irgendwelcher Schaeden zu hindern. Was man durch Drohungen aber
>eben *nicht* erreicht, ist, dass die betroffenen Menschen sich
>ueber die Sache Gedanken machen. Dies war die Behauptung, an der
>ich mich stark gestossen habe. Ich halte sie naemlich fuer
>ausgesprochen gefaehrlich, da sie nur allzu gern zur Begruendung
>autoritaerer Prinzipien in der Erziehung, der Politik, der
>Philosphie und sonstwo herangezogen wird.

Sie wird ihn davon abhalten, und ihm eventuell Zeit geben, darueber
nachzudenken, statt erst einmal Schaden anzurichten.
Im Uebrigen habe ich, z.B. als Autofahrer (ja, ich bin Umweltsuender!),
oft an mir selbst erfahren, wie Gedankenlos man ist: Da steht ein Schild
"70km", und ich fahre einfach mit 100 'dran vorbei. Warum sollte ich
langsam fahren? Die Strasse ist trocken, gut uebersichtlich! Woher
sollte ich denn wissen, dass hinter dem Haus da vorne eine Kreuzung
ist? Aber die Androhung von Strafe (eventuell Gerichtsverfahren,
Fuehrerscheinentzug) laesst mich den Fuss vom Gaspedal nehmen.

Ich bin gar nicht in der Lage, als kleiner mensch, mir die Tragweite
einer jeden Handlung vor Augen zu halten: 'mal schadet's, mal schadet's
nicht!
Mir ist eine "glatte" Grenze zu dem, was ich tun darf und was nicht,
lieber als eine, bei der ich mir jedes Mal Gedanken darueber machen
muss, ob ich _vielleicht_ jemandem damit schade. Dann wuerde ich
naemlich _gar nichts_ mehr tun. So schuetzen mich Gesetze, die mich
irgendwo einengen, indem sie mir die Sicherheit geben, dass wenn ich sie
nicht ueberschreite, mir keiner was kann.

Um bei dem Beispiel oben zu bleiben: wenn ich da 70 fahre, bin ich
_rechtlich_ gesehen, weniger schuldig. Von meiner allgemeinen Vorsicht
beim Autofahren befreit mich das natuerlich nicht.

[ ... ]

>>Wenn ich versuche, jemandem von seinem Treiben abzuhalten, dann bin ich,
>>und das ist meine These, darauf angewiesen, seiner Kraft das
>>Unrechtmaessige zu tun, eine _etwas_ groessere Kraft entgegenzusetzen.

>Zunaechst halte ich es nicht fuer einer ausgemachte Sache, dass
>man, um einen Menschen "von seinem Treiben abzuhalten", seiner
>Kraft eine etwas groessere Kraft entgegensetzen muss.
>Tatsaechlich trifft dies nur dann zu, wenn der Mensch, der da
>etwas treibt, jeglicher vernuenftiger Argumentation unzugaenglich
>ist. Natuerlich gibt es solche Menschen. Interessanterweise
>findet man sie umso haeufiger, je weiter oben man in beliebigen
>hierarchischen Strukturen nach ihnen sucht. Dies ist einer der
>Gruende, weshalb ich Hierarchie als Mittel zum konstruktiven
>Umgang mit der Unvernunft im Menschen fuer ausgesprochen unsinnig
>halte.
>Weiter faellt mir an der o.g. These auf, dass das "Treiben" des
>"jemanden" als "unrechmaessig" bezeichnet wird. Da stellt sich
>fuer mich die Frage, auf welche weise die Unrechtmaessigkeit
>irgendeines Handelns festgestellt werden soll.

Tja, das muss ich doch wohl selber tun!
In einer von Dir vorgeschlagenen Gesellschaft (hierarchie- und
gewaltfrei) kann es keine Gesetze geben. Wer sollte sie denn
verabschieden, wenn nicht eine ueber den anderen stehende
"Koerperschaft". 84Mio Menschen einstimmig ein Gesetz verabschieden zu
lassen, halte ich fuer unmoeglich.

>Setzt man schliesslich die Unrechtmaessigkeit des "Treibens"
>voraus, ist damit immer noch nicht automatisch gesagt, dass es
>sinnvoll ist, dieses Treiben durch das Entgegensetzen "einer
>etwas groesseren Kraft" zu verhindern. Ein solcher Automatismus
>kann nur konstruiert werden, wenn man das Einsetzen von Kraft an
>sich als rechtlich neutral ansieht. Ich bin und bleibe aber der
>Ueberzeugung, dass der Einsatz von Kraft, Macht, Zwang oder wie
>auch immer man dazu sagt, zur Beschraenkung der Freiheit eines
>Menschen schon fuer sich genommen ein Unrecht darstellt. Der
>Einsatz von Kraft in einem Konflikt ist nichts anderes als
>praktiziertes Recht des Staerkeren, das von irgendwem mal
>treffend als das staerkste Unrecht bezeichnet wurde. Er kommt,
>ethisch betracht, nur dann in Frage, wenn alle sinnvollerern
>Moeglichkeiten zur Loesung des Konflikts gescheitert sind *und*
>das "Treiben" ein so grosses Unrecht darstellt, dass das Unrecht
>eines Krafteinsatzes verhaeltnismaessig ist. Dies ist eine
>notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung fuer einen ethisch
>vertretbaren Krafteinsatz.

Um zu meiner gestoerten Nachtruhe zurueckzukommen: ich war der Meinung,
mit _mehreren_ Telefonaten "alle sinnvollen Loesungen" versucht zu
haben. Mitten in der Nacht, nach mehreren vergeblichen Versuchen, Schlaf
zu finden, kann ich jedenfalls nicht mehr klar denken!

Und was das "praktizierte Recht des Staerkeren" betrifft, so ist erst
einmal der der "Staerkere", der mit Gewalt anfaengt, und der, der aus
einem Konflikt als Sieger hervorgeht immer "der Staerkere".
Ich kann natuerlich jedesmal, wenn mir jemand Gewalt antut, den Schwanz
einziehen und mir sagen: "Der ist jetzt der Staerkere, und damit im
Unrecht".
Es geht mir auch nicht immer darum, festzustellen, wer der Staerkere
ist, sondern, wer "Recht" hat! Und da ist mir eine unparteiische Stelle
(hier die Polizei) gerade "recht".

Vielleicht stelle ich hier "die Staerke des Rechts" gegen "das Recht des
Staerkeren".

>>Da meine Kraft nicht ausreicht, z.B. etwa zwanzig laermende,
>>angetrunkene Leute leise zu machen, oder mehrere Autos von den
>>Buergersteigen zu schieben, muss ich mir jemanden suchen, der diese
>>Kraft hat.

>Kann sein, dass die derzeitige Strukturen sich in solchen eher
>banalen Faellen tatsaechlich als neutral erweisen, und ohne
>diskriminierendes Ansehen der Person oft relativ vernuenftig
>verfahren. Aber das ist es eben: Im Kleinen wird gerecht
>gehandelt, und in entscheidenden Punkten herrscht krasses
>Unrecht. Ich wuerde gern auf mein Recht, die Polizei bei
>naechtlicher Ruhestoerung zu bemuehen, verzichten, wenn ich
>dafuer vor willkuerlichen Polizeikontrollen auf naechtlichen
>Radfahrten oder bei zufaelliger raeumlicher Naehe des Papstes
>sicher waere.

Zu den "willkuerlichen Polizeikontrollen auf naechtlichen Radfahrten"
weiter unten. Zur "zufaelliger raeumlicher Naehe des Papstes":
Die Polizei hat u.a. zur Aufgabe, jede Person, ungeachtet ihres Standes,
vor koerperlichem Schaden zu schuetzen (Jaja, das ist graue Theorie,
aber so isses doch gedacht, oder?). Da es nun Menschen gibt, zu denen
zaehle ich den Papst (der hat mehr Mordanschlaege hinter sich, als ich,
und ist auch umstrittener). Wenn also Paulchen 'mal zu uns kommt, wird
er von der Obrigkeit besonders geschuetzt. Dazu gehoert m.E. auch, dass
keiner mit einer Waffe in seine Naehe kommt. Jetzt steht da so'n armer
Beamter, der Frau und Kinder zu versorgen hat, und sieht Dich ankommen.
Der muss jetzt blitzschnell 'ne Entscheidung treffen: eine falsche ("der
hat keine Waffe, und der Papst ist ihm wurscht") oder eine falsche ("der
_hatte_ eine Waffe und hat den Papst erschossen"). Er ueberlegt sich, ob
die koerperliche Unversehrtheit eines einzelnen, unbedeutenden Papstes
hoeher steht, als das Recht eines bedeutenden Jan Kim vor unberechtigter
Durchsuchung. Dadurch wird fuer ihn die Durchsuchung zwar nicht
berechtigter, aber doch "gerechtfertigter". Und er entscheidet sich fuer
die Durchsuchung!

[ ... ]

>>Natuerlich darfst Du Dich gegen ungerechtfertigte Staatsgewalt wehren.
>>Wenn Du aber etwas ungerechtfertigtes tust, darfst Du Dich nicht dagegen
>>wehren, wenn ein Polizist kommt, und Dich daran hindern will.

>In den folgenden Faellen tue ich demnach entweder etwas
>Ungerchtfertigtes oder ich darf mich wehren:
>* Ich fahre nachts auf meinem Fahrrad irgendwo lang und werde
>angehalten und kontrolliert, inklusive Durchwuehlen meiner
>Hosentaschen.

Freundliche Frage: "Darf ich bitte den Grund fuer diese Kontrolle
erfahren?"
Antwort: "Da vorne ist ..., wir muessen sicherstellen, dass ...".

>* Mein Vermieter hat es geschafft, durch staendiges Hochsetzen
>der Miete im hoechsten gesetzlich noch zulaessigen Rahmen, diese
>so hochzusetzen, dass ich sie nicht mehr aufbringen kann. Ich
>werde von der Polizei zwangsgeraeumt.

"Im hoechsten gesetzlich noch zulaessigen Rahmen"! Wenn es mehr Wohnraum
als potentielle Mieter gaebe, wuerde er Dir Seine Butze jeden Monat
tapezieren und Dir das Fruestuck an's Bett bringen.
Zur Zeit sieht's doch eher so aus, dass es mehr potentielle Mieter als
Wohnraum gibt. Und wenn der Staat da nicht eingreifen wuerde, und einen
Kompromiss zwischen den Berechtigten Interessen der Mieter nach
bezahlbarem Wohnraum, und den (berechtigten?) Interessen der Vermieter
nach Ammortisation und Gewinn (sonst wuerde der sein Geld woanders
anlegen) schaffen wuerde, indem er eine Rahmen fuer Mietsteigerungen
schaffen wuerde, waerst Du schon vor einem Jahr 'rausgeflogen!

Und da du "zwangsgeraeumt" wurdes, gehe ich davon aus, dass Du etwas
haben wolltest, naemlich Seine Wohnung, ohne den gueltigen Preis zu
bezahlen. Ich wuerde Dich auch mehrfach auffordern, auszuziehen, und
wenn Du nicht gehst, wuerde ich vielleicht nicht die Polizei holen!
Gut? Nee - ich wuerde Dir eine Schlaegerbande auf den Hals hetzen! Dann
kanste froh sein, wenn De Deine Haut rettest, Dein Hab' und Gut' liegt
in Truemmern!

>* Mein Arbeitgeber kuendigt mir. Ich nehme Geld- und Sachwerte in
>Hoehe der Gewinne, die die Firma durch meine Arbeit gemacht hat,
>aus der Firma mit, und werde wegen Diebstahls eingelocht.

Na, Du hast ja vielleicht Vorstellungen! Als wenn Du alleinig diese
Gewinne erwirtschaftet haettest! Die Firma hat in Dich investiert. Dir
eventuell Kurse fuer die Weiterbildung bezahlt. Eine Infrastruktur
aufgebaut, damit Du arbeiten kannst. Dir Geld zur Verfuegung gestellt,
damit Du Deine Arbeit verrichten kannst.
Darueberhinaus gibt es auch bim MPI Leute, die nicht direkt zum Gewinn
des Unternehmens beitragen, oder fegt Ihr Eure Flure selbst und reinigt
Eure Toiletten selbst? Bringt Ihr Eure Post selbst zum Postamt? Wie
stehts mit der Ueberweisung der Gehaelter, macht Ihr das per
Bankeinzug?

Im Uebrigen bist Du ja nicht verpflichtet, da zu arbeiten, wenn Du
meinst, dass dein Gehalt nicht dem entspricht, das Du "erwirtschaftest",
geh' doch woanders hin. Vielleicht zahlt jemand anders Dich am Ende
Deiner Arbeit aus! (Das ist jetzt nicht eines dieser
Pauschal-Bemerkungen: "Wenn's Dir hier nicht gefaellt, ..."!)
Du suchst Dir einen Arbeitgeben, handelst mit ihm ein gehalt aus, fuer
das Du ihm Deine Arbeitskraft zur Verfuegung stellst. Dieses Gehalt
zahlt er Dir jeden Monat aus und ihr seid quitt.
Wenn Du am Ende meinst, noch irgendwelche Ansprueche zu haben, musst Du
sie geltend machen. Aber ich glaub' ja nicht, dass Dich da irgendjemand
ueberhaupt Ernst nimmt!

>Ich weiss, das Recht auf Widerstand gegen Unrecht auch von Seiten
>der Staatsmacht ist sogar im Grundgesetz festgeschrieben. Nur
>nuetzt mir das de facto rein gar nichts.

Doch! Nur die Art des Widerstandes darfst Du Dir nicht selber aussuchen.
Das ist Anarchie!
Im GG und in den daraus abgeleiteten Gesetzen und Institutionen ist
festgelegt, auf welchem Weg Du Widerstand leisten darfst. Z.B. indem Du
vor Gericht gehst und den Polizisten anklagst, Dich unrechtmaessig
durchsucht zu haben.

>>Mein "elementares Grundrecht" in diesem Fall war meine Nachtruhe.
>>Ausserdem ist das, was die Leute da gemacht haben etwa KEINE Gewalt?
>>Die haben mir einige unbequeme Stunden aufgezwungen. Und ich hatte keine
>>Lust, diese Gewalt zu ertragen.

>Sicher, das ist Gewalt "in Form von Laerm". Deine Antwort war
>Gewalt in Form von Polizei. An was erinnert uns das... ?

Tja, an was erinnert Dich das? Ich weiss nicht, an was dies Jan Kim
erinnert, mich erinnert das an gar nix!
Meine erste Antwort war, das Kopfkissen ueber den Kopf zu ziehen. Keine
Reaktion auf der anderen Seite. Zweite Antwort: Fenster zu, immer noch
keine Reaktion. Dritte Antwort: Telefon. Reaktion: "Jaja, machen
wir", weiter nix. Dritte Antwort: nochmal Telefon, Reaktion: "Jetzt
legen wir erst richtig los". Vierte Antwort: Anruf bei der Polizei als
"Ornungshueter". Reaktion: Zwei Beamte, die wohl ihre Dinstwaffen nicht
abgelegt haben, stuermen das Haus, schiessen wie wild ... neinein,
Reaktion: Es klingelt an der Tuer, die Hausherrin macht auf, zwei Beamte
erklaeren, dass sich ein Nachbar gestoert fuehlt, und es herrscht Ruhe!
Endlich, um 3.00 Uhr nachts!

Es kann sogar sein, dass ich dreimal angerufen habe.

[ ... ]

>>Dem Polizisten wird aber das Recht genommen, von willkuerlicher
>>Beschuldigung geschuetzt zu sein?

>Das Ganze sollte besser aus dem Blickwinkel einer demokratischen
>Kontrolle als aus dem einer juristischen Schuldfeststellung
>betrachtet werden. Wenn jemand kommt und sich ueber die
>Behandlung durch einen Polizisten beschwert, sollte dies die
>"Abwahl" des Polizisten zur Folge haben. Der Polizist wird also
>seinen Job nicht los, weil ihn irgendeine Schuld trifft, sondern
>weil ihm sein "Mandat" oder das Vertrauen entzogen wurde.

"Abwahl" setzt aber erstens eine "Wahl" voraus. Wann werden denn bei
Euch die Polizisten gewahlt?
"Abwahl" setzt aber auch, nach meinem Verstaendnis von "Wahl" eine in
irgendeiner Form realisierte Mehrheit fuer diese Abwahl voraus. Und wie
willst Du einen Polizisten von der Mehrheit abwaehlen lassen, wenn nur
Du Dich von ihm ungerecht behandelt gefuehlt hast?

>Das Recht des Polizisten, sich gegen unzutreffende
>Anschuldigungen zu wehren, bleibt natuerlich von seinem
>Ausscheiden aus der Polizei unberuehrt. Und wenn sich die
>Anschuldigungen als haltlos erweisen, steht einer erneuten
>Polizeitaetigkeit nichts im Wege. Aber waehrend die Sache
>geklaert wird, muss er sein Amt ruhen lassen, wie dies auch
>beschuldigte Politiker tun sollten, wenn sie sowas wie Anstand
>besitzen. Und wenn keine eindeutige Klaerung herbeigefuehrt
>werden kann, wird der Polizist nicht wieder zugelassen: Im
>Zweifel fuer den Buerger, nicht fuer die Polizei!

Das kommt fast auf's Gleiche heraus: Es ist ein klarer Verstoss gegen
rechtstaatliche Prinzipien, wenn jemandem durch blosse Beschuldigung
sein Amt oder seine Wuerden abgenommen werden. Was machen wir denn mit
unserem armen, zu unrecht beschuldigten Polizisten, waehrend sein
verfahren laeuft? Und wenn dann seine Schuld feststeht, kriegt der doch
wieder keine Stelle. Erst hats Du gesagt, dass der Polizist bei jeder
kleinsten Beschuldigung sein Amt verliert, er aber sofort Arbeit findet,
da seine Schuld ja nicht erwiesen ist. Jetzt willst Du aber doch seine
Schuld nachweisen, und ihn bei Unschuld im Amt belassen. Schuldige, die
aus dem Polizeidienst entlassen werden, kriegen aber hoechstens noch bei
Bewachungsunternehmen eine Stelle (Sarkasmus)! Das Verfahren gegen den
Polizisten muss uebrigens oeffentlich sein!

>>>Diese Umkehr der Beweislast haette ausserdem die positive Folge,
>>>dass ein Polizist, dem an seinem Job gelegen ist, die Menschen,
>>>mit denen er zu tun bekommt, anstaendig behandelt. Damit waere
>>>schon mal vieles besser als jetzt.

>>Wie waere es, wenn Du die Poilizei "anstaendig behandelst".

>Ich pflege Polizisten mit derselben hoeflichen oder unhoeflichen
>Art zu begegnen, die mir halt zu eigen ist. Viele meiner
>Begegnungen mit Polizisten sind auch durchaus zivilisiert
>verlaufen.
>Wenn ich den taeglichen Machtmissbrauch der Polizei kritisiere
>und behaupte, dass die Polizei die sinnvollen Dinge, die sie tut,
>auch ohne die Macht, die sie derzeit hat, tun koennte, kann ich
>darin keine unanstaendige Behandlung der Polizei erkennen.

Die Polizei hat (leider) neben dem Schlichten von Nachbarschaftsstreit
auch andere Aufgaben. Sicher, bei einer Streife durch die Stadt
braeuchte sie (aehnlich wie die Bobbys in London) sicher keine
Schusswaffe. Aber hier in duL haben wir eine Dreiteilung der staatlichen
Gewalt:
- Legislative (Bundestag/-rat)
- Jurisdiktion (Gerichte)
- Exekutive (Polizei).

Die Tatsache, dass die Exekutive in einer Hand ist, macht die Kontrolle
dieser Exekutive einfacher. Wenn die Exekutive ueber mehrere Stellen
aufgeteilt waere, wuerde es zu Kompetenzgerangel und Undurchsichtigkeiten
kommen.
Ich habe glaub' ich schon erwaehnt, dass die Polizei viele Aufgaben hat,
die sie lieber nicht haette. Ich kann mir vorstellen, dass die Regelung
des Verkehrs von anderen Stellen uebernommen wird. Z.B. unterliegt die
Kontrolle des _stehenden_ Verkehrs ja auch dem Ordnungsamt und nicht der
Polizei!

>>Bis jetzt habe ich von Dir nur wueste Beschimpfungen und Anschuldigungen
>>gehoert!

>Wueste Beschimpfungen? Welche?

Dass die Polizei willkuerliche Kontrollen durchfuehrt, dass sie
Machtmisbrauch betreibt, um nur zwei zu nennen.
Dass Du aich positive Erfahrungen mit der Polizei gemacht hast, lese ich
in diesem Artikel zuerst!

[ ... ]

>>Na, da wird sich sein Chef aber freuen! Du solltest Dich 'mal bei
>>Frauenrechtlerinnen erkundigen, wie viele Arbeitgeber gluecklich sind,
>>wenn Frauen so nach einigen Jahren ploetzlich zwischendurch aufhoeren um
>>ein Kind zu bekommen. Der Arbeitsplatz wird ihnen aber garantiert, wenn
>>sie wiederkommen wollen!

>Die derzeitige Organisation der Arbeitsteilung ist ohne jeden
>sinnvollen Grund so starr. Ich habe bis heute nicht begriffen,
>weshalb die Arbeitgeber fuer jedes bisschen Flexibilitaet bei der
>Personalplanung, das man von ihnen verlangt, so ein Gegreine
>veranstalten. Sie fuerchten wohl, und das nicht zu Unrecht, dass
>jedwede Abwechslung den Blick der Arbeitnehmer dafuer, dass es
>auch andere als die in der Firma ausgetretenen Pfade gibt,
>schaerfen koennte.

Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, dass seine Investitionen
hoechsten Ertrag bringen. Jede Art von Reibung, Schlupf oder Stillstand
kostet ihn Geld.
Wenn Du Dir selber aussuchen koenntest, welche Arbeit Du als naechstes
tun wolltest, oder ob Du am naechsten Tag ueberhaupt noch da bist und
nicht bei der Konkurrenz, waere eine vernuenftige Planung unmoeglich.
Dein Arbeitgeber koennte Dir kein Vertrauen schenken, da Du ja schon
morgen alle Geheimnisse bei der Konkurrenz ausplaudern wuerdest.
Kurse besuchen geht auch nicht, wer weiss, was Du morgen lieber machen
wuerdest.
Eine neue Taetigkeit, weil Dir Deine alte nicht mehr gefaellt, bedeutet,
dass Du Dich dort einarbeiten musst. Du erbringst also keine oder nur
sehr wenig Leistung.

Und was ein "bisschen Flexibilitaet bei der Personalplanung" angeht, so
empfehle ich Dir, Dich einmal mit der Geschichte der Industrialisierung
auseinanderzusetzen. Bei mir ist es schon ein wenig her, dass ich mich
damit beschaeftigt habe, aber frueher waren Dinge wie "paritaetische
Mitbestimmung" Fremdwoerter.

Mir ist unklar, wieso Du beim Max-Planck-Institut arbeitest und nicht in
einer Kooperative, wo doch Arbeitgeber Ausbeuter sind! Zeige Du doch mit
anderen, wie's besser geht. Aber die Sicherheit, die Dir eine Stelle in
einem konventionellen Unternehmen bietet, ist doch durch nichts zu
ueberbieten.
Wenn Kooperativen so viel besser und effizienter Arbeiten, weil den
Menschen dort das Arbeiten Spass macht, waehrend es mir hier keinen
Spass machen darf (sonst bekaeme ich Abzuege fuer LUGAPs), dann muessten
doch so langsam alle herkoemmlichen Unternehmen von den Kooperativen vom
Markt verdraengt werden, oder?

>>(_Das_ kann man uebrigens auch als "Gewalt"
>>gegenueber dem Arbeitgeben betrachten)

>Kann man, ja. Aber man muss hier mal festhalten, dass die
>Arbeitgeber unter der Gewalt und Kraft, die in unserem System
>insgesamt ausgeuebt werden, erheblich weniger zu leiden haben als
>die Arbeitnehmer.

Na, das darfste aber duU nicht erzaehlen. Ich sitze hier relativ
trocken, die aber haben ganz schoen zu kaempfen.

>Loesen kann man dieses Problem, indem man zu konsequenterweise
>die Hierarchie in der Arbeitswelt abbaut. Dann wird weniger
>"Gewalt" von Arbeitnehmern auf Arbeitgeber, und auch weniger
>"Gewalt" von Arbeitgebern auf Arbeitnehmer ausgeuebt, bis man
>diese sinnlose Trennung schliesslich ganz beseitigt hat.

Na ja, das ist Traumwelt. Sorry, aber ich kann's nicht anders
bezeichnen.
Wie ich schon mal geschrieben habe, gibt es unter n Mitarbeitern
_mindestens_ n Meinungen darueber, was am Besten zu tun sei.
Darueberhinaus stehen die Interessen der Arbeitnehmer zum groessten Teil
denen der Arbeitgeber diametral gegenueber.
Der Arbeitnehmer moechte ein Riesengehalt, das seinen "Faehigkeiten" und
seiner Leistung voll entspricht, moeglichst viel Freizeit und moeglichst
wenig Einmischung in seine Taetigkeit.
Der Arbeitgeber moechte einen Riesengewinn, der seine Investitionen
lohnenswert macht, Arbeitnehmer die ihre Leistung 100% dem Unternehmen
zur Verfuegung stellen und absolute Kontrolle ueber seine Leute.

Der "Riesengewinn" (== Ertrag - Gehaelter und andere Kosten) dient
verschiedenen Zwecken:
- Entlohnung der Geldgeber (Dividende, Zinsen, ...)
- Ruecklagen fuer schlechte Zeiten (letztes Jahr bei uns 500Mio Miese)
- Ruecklagen fuer Kosten der Zukunft (Betriebsrenten)
- Neue Investitionen (neue Gebaeude, Entwicklungen)

[ ... ]

Das ist eine Milchmaedchenrechnung wie sie im Buche steht!
1. Ein Haus das 50 Jahre steht, bedarf eines gewissen Unterhalts, der
Kosten verursacht. Das eine Haus mehr, das andere Haus weniger.
2. Um nach 50 Jahren ein neues, gleichwertiges Haus zu bauen, braucht
man mehr als 50*2% des _heutigen_ Bauwerts des Hauses.
3. Kaum einer wird heute ein Haus bauen koennen, ohne dass er Kredite
aufnehmen muss. Selbst wenn die Banken minimale Zinsen nehmen wuerden
(die gerade ihre Kosten decken, ohne Milliardengewinne zu machen),
muesstest Du diese, vielleicht nochmal 2%, zu den Gewinnen fuer den
Vermieter hinzuaddieren.

Und was die "vermeintlichen Mechanismen der Marktwirtschaft" angeht, so
sind die Basisprinzipien "Angebot und Nachfrage". Die sind nicht
"vermeintlich", sondern real. Wenn ich etwas habe, und viele andere
moechten es auch haben, so kann ich dafuer einen hoeheren Preis
verlangen, als wenn nur wenige es haben wollen. Und zur Zeit ist eben
ein Mangel an Wohnraum. Als es noch ein Ueberangebot gab, waren Mieten
niedrig. Da hat auch keiner gemeckert (ausser den Vermietern
natuerlich)!

>>Und wer soll den Mieterschutz denn ueberwachen und notfalls
>>durchsetzen?

>Wie waer's mit der Polizei? Indem sie sich auf die Seite derer
>stellt, die sich weigern, Mieten oberhalb der o.g.
>Mietwuchergrenzen zu zahlen?

Wer definiert denn, was "Mietwucher" ist? Der Gesetzgeber muss, bei der
derzeitigen Marktlage fuer Mietwohnungen (und Wohnraum allgemein)
Anreize schaffen, damit sich Leute bereitfinden, Wohnraum zu schaffen.
Ich wuerde es sofort selber tun, wenn ich 50DM/qm verlangen koennte.
_Darf_ ich aber nicht, also lass' ich's. Und wenn Dein Vermieter meint,
eine Miete oberhalb der Mietwuchergrenze verlangen zu koennen, kannst Du
ihn vor den Kadi zitieren. Die Grenzen sind festgelegt, u.a. ueber den
Mietspeigel und die maximal moegliche Mieterhoehung.

>Um dies vielleicht klarzustellen: Die konkreten Vorschlaege
>verstehen sich eben gerade so, dass sie auch ohne die
>Voraussetzung einer vollstaendig hierarchiefrei umstrukturierten
>Gesellschaft realisierbar sind. Politisch durchsetzbar sind sie
>aber wohl kaum :-(((

Sie sind einfach nicht realisierbar!

>>>Wenn Euer Laden nicht von einem Arbeitgeber, sondern von Euch
>>>selbst in solidarischer und partnerschaftlicher Weise gefuehrt
>>>wuerde, waere an Entlassungen gar kein Gedanke. Und ausserdem
>>>gaebe es vermutlich viel bessere Computer :-)

>>Oder natuerlich auch nicht!

>>Das geht vielleicht in einem kleinen Handwerksbetrieb mit 10-15
>>Mitarbeitern, wo in einer Vollversammlung abgestimmt werden kann, nicht
>>aber in einem Laden mit >10.000 Mitarbeitern in X verschiedenen
>>Staedten.

>Naja. Hier lauert mal wieder die These, dass Gruppen, deren
>Groesse eine gewisse Grenze ueberschreitet, *nur* hierarchisch
>organisiert werden koennen. Ich warte immer noch auf ein Argument
>zur Stuetzung dieser These, das ueber das empirische "hat noch
>nie funktioniert" herausgeht.

Wenn Du von Menschen ausgehst, die verschiedene Wuensche, Vortsellungen,
Emotionen besizten, und versuchst, mit diesen Menschen ein Ziel zu
erreichen, dann wirst Du ohne einen "Vorgesetzten" nicht auskommen. Und
bei einer kleinen Menge von Menschen, die sich ueber das Ziel und wie
man es erreichen kann deutlich im klaren sind, mag das gehen. Je mehr
Menschen Du nimmst (Menschen == Wuensche, Vortsellungen, Emotionen), je
unklarer das Ziel oder je mehr Wege zum Ziel fuehren (koennen), die alle
ihre Vor- und Nachteile haben, umso mehr brauchst Du eine "Institution",
die die Richtung angibt. Und das nicht nur, weil das Ziel vielleicht
nicht das Ziel aller ist, sondern auch, da, zur Erreichung von
Synergieeffekten, einen gemeinsamen Weg gehen muss!
Man kann bei Menschen eben keinen schluessigen Beweis liefern, dazu
fehlen uns die Kenntnisse, aber es gibt ja immer wieder (kleine)
Versuche, die _auch_ aufgrund mangelnder Fuehrung versagen.
Und ich meine, dann reicht ein "das hat _so_ noch nie geklappt".

>[...]

>>Was ich damit sagen will:
>>Menschen sind verschieden. Jeder hat seine eigenen Vorstellungen davon,
>>wie's zu gehen hat oder auch nicht. Aber es gibt Situationen, in denen
>>muss einer nach langer solidarischer und partnerschaftlicher Diskussion
>>mit der Faust auf den Tisch hauen und sagen: "Da geht's lang". Heinz
>>Nixdorf hat das frueher getan und vielleicht ginge es uns etwas besser,
>>wenn er noch lebte.

>Wenn die Diskussion tatsaechlich solidarisch und
>partnerschaftlich war, schadet es nichts, wenn irgendwer die
>gemeinsam beschlossenen Entscheidungen nochmal zusammenfasst, und
>dabei kann er soviel er will mit der Faust auf den Tisch
>eindreschen. Schlimm ist es aber, wenn der, der mit der Faust auf
>den Tisch schlaegt, ausschliesslich seine eigene Entscheidung
>verkuendet und diese dann allen Betroffenen aufs Auge gedrueckt
>wird.

Ich habe aber angedeutet, dass es Gelegenheiten gab und gibt (und solche
Gelegenheiten hatten wir viele), bei denen eben _keine_ "gemeinsam
beschlossenen Entscheidungen" getroffen wurden, sondern jeder an seinem
Standpunkt festgehalten hat. Und es hat sich immer wieder gezeigt, dass
eine schlechte Entscheidung manchmal besser war als gar keine!

>Ob Heinz Nixdorf nun eher ein polternder Diskussionsmoderator
>oder ein autoritaerer Entscheider war, kann ich nicht beurteilen.

Meist letzteres, obwohl ich das nur aus der Ferne (von gaaaanz unten
nach gaaanz oben) beurteilen konnte!

>>[ ... ]

Punktuell auf Fehler des Systems zu zeigen, und fuer diese Punkte
Alternativen aufzuzeigen, ist einfach. Ein Globalkonzept zu entwickeln,
das von allen mitgetragen wird und vor allem realisierbar ist, ist
schwierig, wenn nicht unmoeglich.
Du kannst nicht sagen: Da und da und da ist unser System schlecht,
deshalb muss es geaendert werden. Fast jedes System hat seine Vor- und
Nachteile, sei es hierarchich oder hierechielos, sei es gewaltsam oder
gewaltfrei. Es kommt letztlich auf das an, was unter'm Strich
herauskommt. Und da faehrt unser System, mit allen Unzulaenglichkeiten,
eben besser als so manches andere.
Auch wenn fuer den eine oder anderen das nicht so ausschaut. Du beklagst
Dich, dass 80% der Bevoelkerung 20% ihre Gesellschaftsform aufzwingt, im
gleichen Atemzug forderst Du aber, dass diese 80% die Gesellschaftsform
der 20% uebernehmen muessen, weil diese 20% der Meinung sind, dass es
besser ist.

Ueberhaupt bist Du der Meinung, Gesetze duerften nur dazu da sein, die
Machthaber in ihrer Macht einzuschraenken. Gesetze soll es eben nur fuer
die anderen geben, nicht fuer Dich: Wenn Du in der gemieteten Wohnung
wohnen bleiben willst, dass darf es kein Gesetz geben, dass Dich da
heraustreibt, es muss aber Gesetze geben, die den Vermietern nur 2%
Gewinn zugestehen. Es darf kein Gesetz geben, nachdem ein Polizist
an Dir Personenkontrollen durchfuehren darf, es muss aber ein Gesetz
geben, nachdem ein Polizist "abgewaehlt" werden kann! Gewalt (oder
"Kraft") nein, es sei denn, sie ist gegen andere gerichtet.

>>Alle Gewalt von unten ist nur durch die Gewalt von oben
>>zustandegekommen.
>>Wuerde man die staatliche Gewalt abschaffen, wuerden wir alle
>>freidfertig nebeneinander wohnen, alle 84 Mio in duL, alle x Milliarden
>>auf dieser Welt.

>Oh oh oh... habe ich mich wirklich einer solch naiven
>Schwarzweissmalerei schuldig gemacht?

Ja!

>>Dass nicht alles perfekt ist, weiss ich auch. Und die Sache mit dem
>>Kessel von Hamburg, den Demos in Muenchen, u.ae. Faelle kann ich auch
>>nicht gutheissen.
>>Aber meine These ist, dass bei einer immer dichter werden Bevoelkerung
>>eine gewisse kontrollierende, steuernde Organisation notwendig ist. Und

>Wieder mal ein Fall von unbegruendeter Gleichsetzung von
>Organisation und Struktur mit Hierarchie.

Hierarchie _ist_ eine Organisationsform bzw. Struktur. Entweder ich
kontrolliere jemanden, und dann stehe ich per Definition ueber ihm, oder
ich stehe auf gleicher Stufe, dann kann ich ihn nicht kontrollieren.
Und wenn ich mir eine Gruppe Menschen so vorstelle (10, 100, 1000, 84 Mio,
3 Milliarden), so erzaehle mir doch bitte, welche Alternativen es gibt,
ausser:
- Alle Menschen stehen auf der gleichen Stufe und
- Einige stehen hoeher als andere.
Und in unserer Staatsform steht letztlich eben wieder das Wahlvolk ueber
unserem Bundeskohl und waehlt ihn ab, wenn er's zu dumm treibt. So ist
es gedacht, so wird's gemacht, aber es wird eben immer wieder von den
Machthabern pervertiert, z.B. indem man "alles oder nichts" nehmen muss.

>>um Reibungen zwischen den immer dichter aufeinander lebenden Menschen zu
>>verhindern, oder wenigstens Exszesse zu vermeiden, brauchen wir m.E.
>>eine "neutrale" "Gewalt".
>>Ich habe beides in Anfuehrungszeichen gesetzt, da ich mir auch bewusst
>>bin, dass (auch hier) Ideale nicht erreicht werden koennen.

>Sie koennen u.a. deshalb nicht erreicht werden, weil die
>"Gewalt", die dem Ideal entsprechend strikt "neutral" eingesetzt
>werden soll, ja wohl von irgendwelchen Menschen kontrolliert
>werden muss. Und zu strikter Neutralitaet ist kein Mensch
>imstande, auch beim besten Willen nicht.
>Noch problematischer ist bei diesem Ideal, dass sich keine Macht
>von selbst aufbaut und erhaelt. Man muss vielmehr die Macht, die
>man hat, benutzen, um diese zu stabilisieren und auszubauen, und
>das hat nichts mit strikter Neutralitaet zu tun.
>Mir ist bei dem Ideal einer "neutralen Gewalt" also nicht klar,
>wie eine fortdauernde und unbedingte Neutralitaet der Gewalt
>gewaehrleistet werden soll. Mir ist auch nicht klar, wieso dieses
>Ideal erstrebenswerter oder sonstwie besser sein sollte als das
>der Hierarchiefreiheit. Schliesslich ist mir unklar, weshalb das
>Ideal der "neutralen Gewalt" realistischer sein soll als das der
>Hierarchiefreiheit -- heute sind wir von beiden gleich weit
>entfernt.

Weil es eben "Hierarchiefreiheit" nicht geben kann, bei x Millionen
Menschen!

>>Ob wir hierarchiefrei leben koennen, wage ich auch zu bezweifeln.
>>Das faengt bitte bei so Dingen wie "Feuerwehr" an. Wenn da nicht einer
>>den Ueberblick behaelt und Befehle schreit, ...

>Koordination und Arbeitsteilung haben nichts mit Hierarchie zu
>tun. Jemand, der einen Feuerwehreinsatz koordiniert muss nicht
>hierarchisch ueber den anderen Feuerwehrleuten stehen,
>ebensowenig wie jemand, der einen aus einer Parkluecke winkt,
>hierarchisch ueber dem Ausparkenden stehen muss.

Doch, er muss Anweisungen geben und diese Anweisungen muessen befolgt
werden, bei der Feuerwehr sogar, ohne grossartig darueber nachzudenken.
Auch bei jemandem, "der einen aus einer Parkluecke winkt", hat
derjenige, der winkt Macht ueber den anderen, wenn auch nur fuer kurze
Zeit, und mit der ausdruecklichen Zustimmung des Autofahrers. Der
Autofahrer gibt sich voellig in die Haende des anderen, weil er selbst
den Ueberblick nicht hat. Der andere kann jetzt immer nur "Noch ein
Meter" rufen, bis es kracht! Der Autofahrer begibt sich in voellige
Abhaengigkeit zum Winker! Er folgt dessen Anweisungen, weil er ja aus
der Parkluecke herauswill.

>>Und oft genug muessen Nachteile fuer den einzelnen in Kauf genommen
>>werden, um fuer andere, oder sogar auf lange Sicht fuer alle, etwas
>>Gutes herauszuholen. Und die Entscheidungen muessen "von oben" getroffen
>>werden.

>Gerade Entscheidungen, bei denen Nachteile Einzelner in Kauf
>genommen werden, um Vorteile fuer alle zu erreichen, koennen am
>besten in solidarisch-partnerschaftlicher Weise getroffen und
>getragen werden. Denn Solidaritaet ist es ja, um was es dabei
>zentral geht, und die kann zwar vielleicht denen "unten" "von
>oben" verordnet werden, aber die Oberen selbst koppeln sich davon
>mit allerschoenster Regelmaessigkeit ab:
>* Waehrend dem Fussvolk bei der Krankenversicherung eine
>Solidargemeinschaft mit Nichtverdienenden verordnet wird,
>versichern sich die Oberen privat zu Kosten, die bezogen auf das
>monatliche Einkommen ein Bruchteil der Belastungen
>durchschnittlicher Lohnempfaenger durch die AOK ausmachen.

Ist mir auch ein Dorn im Auge. Vielleicht merken die privat Versicherten
im Alter, was sie daran haben! Dann uebersteigt naemlich der Beitrag den
"Bruchteil der Belastungen" erheblich!

>* Waehrend die Politiker die Bevoelkerung zum Sparen auffordern,
>sind sie sich quer durch alle Parteien einig, dass Abgeordnete,
>Minister und Parteien mehr Geld kriegen sollen.

Dass es wohl auch anders geht, zeigt sich jetzt in Hessen!

>* Arbeitgeberverbaende sehen zwar ein, dass eine
>Pflegeversicherung notwendig wird, aber bestehen darauf, dass
>diese fuer die Arbeitgeber kostenneutral gestaltet wird.

Und ich und die Gewerkschaften fordern, dass sie fuer uns Arbeitnehmer
kostenneutral gestaltet wird!
Ich will jetzt nicht den Eindruck erwecken, dass ich den AG nach dem
Mund rede, aber die zahlen schon 50% von Krankenversicherung,
Arbeitslosenversicherung. Wenn das so weiter geht, gehen eben immer mehr
Auftraege in Billiglohnlaender.

Aber die Arbeitgeber werden's wohl noch verkraften!

>Mir ist raetselhaft, wie man im Angesicht solcher Vorgaenge noch
>auf solidaritaetsorientierte Entscheidungen "von oben" hoffen
>kann.

>>Ich glaube eben nicht, dass 84 Mio Menschen alle gleich sind.
>>Und in einer Gemeinschaft dieser Groesse wird es immer unterschiedliche
>>Menschen mit verschiedenen Beduerfnissen, Wuenschen, Emotionen geben.
>>Das wirst Du nicht abstreiten koennen. Und es braucht doch nur einen
>>unter dieesn 84 Mio zu geben, der eben _nicht_ seine Beduerfnisse dem
>>Allgemeinwohl unterordnen will, der, vielleicht krankhaft,
>>herrschsuechtig ist. Der wird dann sicher versuchen, seine Wuensche und
>>Beduerfnisse zu befriedigen. Und er wird sicher Leute finden, derer er
>>sich bedienen kann.

>Es gibt zumindest derzeit eine ganze Menge krankhaft
>Herrschsuechtiger, und vielleicht wird es die immer geben. Aber
>was nuetzt uns unser derzeitiges System dabei? Es stellt doch
>gerade die Strukturen zur Verfuegung, die ein Ausleben der
>Herrschsucht ermoeglichen. Kohl, Reuter, Breuel, Niefer,
>Gauweiler... das sind doch alles klassische Beispiele fuer
>Herrschsucht, und es ist niemand in Sicht, der diese Leute
>therapiert und die Bevoelkerung vor den Folgen ihrer Herrschsucht
>schuetzt.

Aber in einer Gesellschaft, die blind auf das Gute im Menschen vertraut,
haben solche Leute auch Moeglichkeiten, Macht zu erlangen und
auszubauen.
Deine Beispiele koennen durchaus Beispiele von "Herrschsucht" sein, aber
auch von "Fanatismus" in Bezug auf die eigenen Grundsaetze. Wenn ich
gewisse Grundsaetze habe, dann strebe ich danach, diese Grundsaetze zu
verwirklichen. Dazu benoetige ich Macht, denn nicht alle Menschen teilen
meine Grundsaetze. Du hast auch Grundsaetze, nur das Problem fuer dich
ist, dass Du fuer die Durchsetzugn dieser Grundsaetze Macht brauchst,
und die lehnst Du ja ab: klassiches Beispiel fuer ein Dilemma!
Muss ganz schoen frustrierend sein. Ich hoffe, Deine
Frustrationstoleranz ist entsprechend hoch!

>>Und wenn Du meinst, dass sich 20% nicht von 80% ihr Leben diktieren
>>lassen duerfen, dann frag' doch mal die 20% (Zahl mag darueber oder
>>darunter liegen) der Bevoelkerung, die gegen Auslaender sind!

>In den Artikeln, durch die die 20% und die 80% geisterten, ging
>es besonders darum, dass das Recht zur Mitentscheidung auf die
>beschraenkt werden sollte, die von der Entscheidung betroffen
>sind. Und das waeren dann nun mal auch die betroffenen
>Auslaender.

Wer ist denn alles "mitbetroffen"? Um 'mal ein Extrem zu nennen: in der
Chaostheorie geht man davon aus, dass der Fluegelschlag eines
Schmetterlings in Japan das Wetter hier in Europa beeinflussen kann.
Beispiel Auslaender: sind wir nicht alle davon betroffen, wenn wir Tuer
und Tor fuer alle Armen dieser Welt oeffnen? Du verlangst Solidaritaet,
sprichst uns aber die Betroffenheit ab?
Einerseits waere es gerecht, wenn wir ueber die Gehaelter der Minister
u.ae. abstimmen, da wir das ja schliesslich von unseren Steuern
bezahlen, aber ueber Asylbewerber duerfen wir nicht abstimmen, obwohl
deren Unterbringung und Versorgung _auch_ von unseren Steuergeldern
bezahlt werden?

Ich werd' den verdacht nicht los, dass Du immer gerne feine Unterschiede
machst und Dich und die Deinen vom Rest der Menschen abkoppeln willst.
Wie oben bereits geschildert: Kontrolle ja, aber nur fuer die anderen.
Abstimmung ja, aber nur ueber die Politikergehaelter.
Du kannst nicht "gleiches Recht fuer alle" fordern, Dich aber
gleichzeitig ausschliessen.

Jan T. Kim

unread,
Nov 16, 1992, 5:25:02 PM11/16/92
to
Zunaechst was Organisatorisches: Ich bin leider infolge
irgndwelcher Probleme beim Umzug des Rechners, auf dem ich news
lese, zeitweise an der Verfolgung derselben gehindert worden.
Daher an dieser Stelle nochmal die Bitte, mir zu sagen, wo ich
eine ftp-Halde oder einen Mailserver finden kann, der alte
Usenet-Artikel im Angebot hat.
Da ich an diesem thread besonders interessiert bin, bitte ich
alle, die privat postings daraus aufbewahrt haben, mir eine Liste
von diesen zu mailen, oder einfach die Postings selbst, wenn's
nicht zuviel ist.

>In <1992Nov5.1...@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:

>Nach der o.g. Definition fuehrt "Gewalt" dazu, dass man das, was mach tun
>moechte, nicht tun kann. Nach John F. Hahn [An introduction to
>Psychology] ist dies (Grund fuer) Frustration. Folgen der Frustration
>kann u.a. Agression sein, die wiederum zu Gewalt fuehrt.

>Jan Kim hat nun die These aufgestellt, dass "Alle Gewalt geht vom Staate
>aus", bzw. von den Machthabern, so dass die Gewalt ausstirbt, nimmt man
>den Machthabern erst einmal ihre Faehigkeit, Gewalt auszuueben, aehnlich
>wie Wasser sich im Sande verlaeuft.

Ich habe nicht gesagt, dass *alle* Gewalt vom Staat und
irgendwelchen Machthabern auf andere Menschen ausgeuebt wird.
Natuerlich kann Gewalt auch von Menschen, die unten auf den
Hierarchieleitern stehen, ausgeuebt werden. Wenn sie sich dabei
zusammentun, kann das sogar sehr deutlich spuerbar werden, wie
z.B. bei dem OeTV-Streik im Fruehjahr dieses Jahres.
Es ist aber definitiv so, dass Menschen, die an der Basis
hierarchischer Strukturen stehen, mehr Gewalt ausgesetzt sind als
solche, die oben stehen, und dass die Obenstehenden mehr Macht
auf andere ausueben als die an der Basis Stehenden. Wenn man nun
eine hierarchieaermere Organisation anstrebt, muessen die Oberen
in staerkerem Masse auf den Einsatz von Macht, Kraft oder Gewalt
verzichten als das Fussvolk.
Da Gewalt aber nicht ausschliesslich von oben nach unten
ausgeuebt wird, waere es auch dumm, zu glauben, man brauche nur
die Maechtigen zu entmachten und schon habe man ein (fast)
gewaltfreies menschliches Miteinander. Anders als Josef Moellers
glaube ich aber nicht, dass hierarchische Strukturen die
*einzige* Moeglichkeit sind, die menschliche Gesellschaft zu
organisieren. Sie sind *eine* Moeglichkeit, und sie haben
entscheidende Nachteile:
1. Hierarchie beinhaltet immer massive Beschraenkungen
menschlicher Freiheit. Setzt man voraus, dass groesstmoegliche
Freiheit fuer alle Menschen ein durch die Ethik gefordertes
Handlungsziel ist, ist dies ein hierarchischen Strukturen
inhaerenter Widerspruch zu diesem Ziel.
2. Unabhaengig davon hat die Freiheitseinschraenkung den
Nachteil, dass sie bei den Menschen zu Frustration und
Aggressivitaet fuehrt. Versucht man, diese Aggressivitaet
wiederum mit Mitteln der Hierarchie zu kontrollieren,
laeuft man Gefahr, einen Teufelskreis zu schliessen.
3. In Hierarchien tritt das Bestreben zum Erhalt und Ausbau der
eigenen Position in Konkurrenz zu dem Bestreben, an der jeweils
m.o.w. sinnvollen Aufgabe der Organisation zu arbeiten. Dadurch
werden in erheblichem Masse kreative menschliche Energien
beansprucht, die dann nicht fuer die Arbeit an der Aufgabe der
Organisation zur Verfuegung stehen.
4. Es gibt keine Moeglichkeit, die hierarchischen Positionen
durch irgendwelche Rotationssysteme so unter den Menschen zu
verteilen, dass die mit ihnen verbundenen Ungerechtigkeiten sich
im zeitlichen Mittel ausgleichen. Daher ist hierarchischen
Strukturen ein gewisses Mass an Ungerechtigkeit immanent.

Alle diese Punkte sprechen dafuer, die derzeitige hierarchische
Organisation der menschlichen Gesellaft nicht als unabaenderlich
hinzunehmen und die damit verbundenen Uebel als unvermeidlich zu
akzeptieren, sondern vielmehr nach nichthierarchischen
Alternativen zu suchen. Insbesondere aufgrund des Unrechts, das
hierarchischen Strukturen immanent ist, kann es ethisch kein
Recht geben, die Suche nach Alternativen zu behindern oder zu
verbieten.

>Ist aber staatliche Gewalt der alleinige Grund fuer Gewalt von unten,
>wie immer so gerne behauptet wird?

[Aufzaehlung diverser Quellen von Frust und Gewalt geloescht]

>Wie oben bei der Aufzaehlung der Gruende fuer Frustration deutlich ist,
>gibt es neben der (initialen) Gewalt, eine Vielzahl von anderen Zuendern
>fuer die Frustration, die teilweise nichts, aber auch gar nichts mit
>Gewalt in irgendeiner Form zu tun haben.

Natuerlich kann Frustration auch ohne staatlichen Einfluss
entstehen, ich stimme den ganzen Ausfuehrungen im Wesentlichen
zu. Die Frage ist aber, ob Gewalt, oder meinetwegen auch Kraft,
das *einzige* Mittel zum Umgang mit der spontan auftretenden
Aggressivitaet ist.
Interessanterweise kann man aus ziemlich unterschiedlichen
Klassen von Menschenbildern eine Verneinung dieser Frage
ableiten:

1. Eine weitverbreitete Klasse von Menschenbildern, zu denen auch
das von mir Zugrundegelegte zaehlt, sieht Triebe und Emotionen
einerseits, und dass rationale Denken andererseits als die beiden
wesentlichen Triebfedern menschlichen Handelns an. Je staerker
eine Emotion ist, desto mehr wird sie das rationale Denken
dominieren, d.h. sich zu ihrer Erfuellung des rationalen
Denkens bedienen und im Falle des Widerspruchs zwischen ihr und
dem rationalen Denken letzteres uebergehen. Zum Beispiel kann ein
abgrundtiefer Hass, eine starke Aggression gegen einen anderen
Menschen, sich des rationalen Denkens zum Ausbrueten eines
teuflischen Mordplans bedienen und einen Menschen dazu bringen,
diesen entgegen seiner dem rationalen Denken entspringenden
ethischen Bedenken auch auszufuehren.
Aus dieser Klasse von Menschenbildern folgt als Ziel fuer die
Organisation der menschlichen Gesellschaft, dass alle
triebverstaerkenden Einfluesse vermieden werden muessen.
Konkreter heisst das, dass, bevor Konflikte durch den massiven
Einsatz von Kraft, der m.o.w. unweigerlich aggressive Gefuehle
nach sich zieht, alle Moeglichkeiten der Konfliktloesung
ausgeschoepft werden muessen. Als Idee fuer eine sinnvolle
Organisation der Gesellschaft erhaelt man damit, ganz grob
umrissen, eine Reihe von Instanzen kompetenter Moderatoren fuer
Diskussionen zur Konfliktloesung und Entscheidungsfindung, und
fuer Faelle, in denen ein Krafteinsatz unvermeidlich ist, eine
nichthierarchisch organisierte Gruppe, die diesen ausfuehrt.

2. Eine andere Klasse von Menschenbildern sieht Triebe und
Emotionen als einzige Triebfeder fuer menschliches Handeln an.
Das rationale Denken wird danach immer von den Emotionen
instrumentalisiert, aber es kommt eben darauf an, welche
Emotionen dominieren.
Unter dieser Annahme muss man natuerlich alles vermeiden, was
negative Emotionen, wie Frustration und Aggression ausloest. Eine
sinnvolle Organisation sollte also mit so wenig Krafteinsatz wie
moeglich auskommen und die Menschen hauptsaechlich durch das
Ansprechen der positiven Emotionen motivieren.

3. Ein weiteres, meiner Ansicht nach veraltetes Menschenbild
nimmt an, dass der Mensch von Natur aus stark aggressiv veranlagt
ist. Mit diesem Menschenbild kommt man natuerlich um das Problem,
dass Hierarchie Aggressivitaet ausloesen kann, herum. Allerdings
hat man damit noch keinen Schritt in Richtung eines Arguments
*fuer* eine hierarchische Organisation der menschlichen
Gesellschaft gemacht.

>Dass ein Mensch beliebig formbar ist, und damit seine
>Frustrationstoleranz beliebig hoch schraubbar ist, wird allgemein
>abgelehnt. Diese These wurde etwa zwischen den beiden Weltkriegen von
>den Behaviouristen vertreten, inzwischen aber von den Ethologen
>verworfen und hat einer Instinkt-Theorie Platz gemacht.

Meines Wissens hat in diesem thread niemand behauptet, der Mensch
sei beliebig formbar, weder explizit noch implizit. Ich habe
lediglich darauf hingewiesen, dass, von der Warte bestimmter
ethologischer und psychologischer Theorien aus betrachtet, die
hierarchische Strukturen als Ausloeser eines Grossteils der
Gewalttaetigkeit von Menschen in Frage kommen, und dass damit die
These, Hierarchie schuetze vor menschlicher Gewalt, fragwuerdig
ist.

>[ Das Folgende ist ein Auszug aus: John Beloff, Psychological Sciences,
>A Review of modern Psychology]:
>Diese sieht Agression, genauso wie den Sexualtrieb, als Instinkt, wobei
>erstaunliche Parallelen, vor allem bei den Maennern, zwischen den beiden
>existieren. So kann man zeigen dass das Hormon, das das sexuelle
>Verhalten bestimmt, auch fuer agressives Verhalten (mit-)
>verantwortlich ist. Es ist klar, dass dem sexuellen Verhalten ein klar
>erkennbares Ziel zugrundeliegt, das des Erhaltes der Art. Einerseits
>kann agressives Verhalten als Ueberbleibsel aus der Zeit betrachtet
>werden, als man noch sein Grundgebiet verteidigen musste, oder im Stamm
>seinen Platz in der Hierarchie. Damit haette Agression in der modernen
>Gesellschaft nur noch destruktiven Charakter.

Da frage ich mich, seit wann die Zeit, in der man seinen Platz in
der Hierarchie durch Aggressivitaet verteidigen musste, denn
vorbei? Seit wann muss ein Vorgesetzter keine "Autoritaet" mehr
verbreiten? Seit wann gibt es keinen Sexismus und sonstiges
"Mobbing" mehr am Arbeitsplatz?

>Andererseit behaupten
>verschiedene Psychologen, dass ohne ein gewisses Mass an Agression keine
>der kreativen Leistungen,die wir der Ruhelosigkeit und dem Ehrgeiz des
>Menschen verdanken, zustandekommen waeren.
>Was aber auch die Funktion von Sexualitaet und Agression sind, die
>Formen, die sie bei den Menschen annehmen sind durch ihre Kultur
>bestimmt, jedoch die fundamentalen heftigen Verlangen, die Wuensche und
>Emotionen, die mit ihnen zusammenhaengen, sind angeboren.
>Die Frage, ob es so etwas wie angeborene Agressivitaet im menschen gibt,
>geht ueber in die Frage, ob Gewalt, Feindseligkeit und Zerstoerungswut
>nur durch aeussere Initiierung entstehen, oder ob sie auch spontan
>entstehen koennen, selbst unter Strafandrohung.

*Gerade* unter Strafandrohung! Da haben wir ihn wieder, den
Irrglauben, man koenne die aggressiven Instinkte selbst durch
Strafandrohungen bekaempfen. Nein, durch Strafandrohung wird man
Frustration und Aggression eines Menschen stets *erhoehen*: Wenn
jemand mich bittet, ihm bei irgendeiner sinnvollen Taetigkeit zu
helfen, werde ich dies im Regelfalle auch tun. Will er mich aber
mit physischer Gewalt dazu zwingen, werde ich es im Regelfalle
ablehnen und eher bereit sein, mich mit dem Betreffenden auf eine
Auseinandersetzung einzulassen. Wenn ich schliesslich von einer
Uebermacht gezwungen werde, gegen die ich mich nicht wehren kann,
werde ich das von mir Verlangte moeglicherweise tun, und dabei
aber aufs Staerkste frustriert werden. Dann dann wird fuer mich
das Wesentliche an der Situation nicht mehr die von mir verlangte
Taetigkeit, sondern der auf mich ausgeuebte Zwang sein. Genau
dies ist die Situation, in der ich mich dem heutigen Staat
gegenueber befinde.

>Man nimmt an, dass beim
>Menschen, wie auch bei anderen Arten, Bosheit und Kampf ebenso wie Panik
>und Flucht instinktive Reaktionen sind.
>Agressivitaet als instinktive Reaktion bedeutet aber nicht, dass wir
>alle jetzt potentielle Moerder sind. Ebensowenig wie wir alle, trotz unseres
>Sexual-Instinkts, potentielle Vergewaltiger sind. Wenn unsere
>Frustrationstoleranz nur niedrig genug ist, werden wir zu agressiven
>Handlungen faehig, ebenso wie jemand, der sexuell ausgehungert ist,
>eher durch erotische Dinge stimuliert wird, die fuer "normale" Menschen
>nur schwach stimulierend wirken.

>Fazit: Gewalt erzeugt Gegengewalt. Jedoch gibt es neben der stattlichen
>(oder machterhaltenden) Gewalt noch andere Ausloeser fuer Gewalt, die
>jenseits unseres Einflusses liegen.
>Das Ziel einer "gewaltlosen Gesellschaft" ist also eine Utopie, die nie
>erreicht werden kann.

Stimmt. Aber wenn man annimmt, dass Frustration, Aggression und
Gewaltbereitschaft durch Zwang, Gewalt und Krafteinsatz
ausgeloest werden, muss man anstreben, diese Ausloeser soweit wie
moeglich einzudaemmen. Da Hierarchien sich auf den Einsatz von
Kraft als Hauptinstrument zur Motivation der Menschen stuetzen,
heisst dies, dass man nach alternativen Moeglichkeiten zur
Organisation der menschlichen Gesellschaft suchen muss.

Dies muss nicht heissen, dass jeder aktiv Hierarchie abbauen
muss. Wer fuer sich eine Moeglichkeit findet, innerhalb der ihn
umgebenden hierarchischen Strukturen sinnvoll zu leben und zu
handeln, hat alles Recht, das zu tun. Aber wer anderen Menschen
die Suche nach gedachten, gesprochenen *und* gelebten
Alternativen verbieten will, der hindert sie daran, ihre eigene
Menschlichkeit zu finden.

Greetinx, Jan

+- Jan Kim -- X.400: S=kim;OU=vax;O=mpiz-koeln;P=mpg;A=dbp;C=de -+
| Internet: k...@vax.mpiz-koeln.mpg.dbp.de |
| |

*----=< hierarchical systems are for files, not for humans >=-----*

Josef Moellers

unread,
Nov 16, 1992, 5:00:05 AM11/16/92
to

In <1992Nov13....@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:

>Josef Moellers schreibt:

[ ... ]

>>


>> Man koennte tatsaechlich danach streben, Gewalt zu minimieren, wenn die
>> "Rest-Gewalt" ungefaehrlich waere. Der Hintergedanke hinter dem Konzept
>> des "Gewaltmonopols des Staates" ist, soweit ich es begreife, dass es
>> imer Gewalt geben wird (s.u.) und dass diese Gewalt haeufig Gegen-Gewalt
>> ausloesen wird. Dadurch, dass der Staat sich das Recht vorbehaelt, als
>> Unparteiischer eben diese Gegen-Gewalt auszuueben, verhindert er
>> Selbstjustiz.
>Hmmmm.... Der Staat ist ja kein perfektes Wesen. Also kann er nie
>wirklich voellig unparteiische Urteile sprechen, aufgrund derer er
>selektiv Gegengewalt im geringst-notwendigen Masse ausueben kann/
>koennte.
>Der Staatsapparat besteht ja auch aus Menschen, die (s.u.) einen
>gewissen persoenlichen Aggressionstrieb haben, den sie (s.u.)
>auch nicht immer so kanalisieren koennen, dass er sich nicht
>in willkuerlicher (und damit nicht gerechter) Gewalt aeussern koennte.

Aber seine Urteile unterliegen oeffentlicher Be-urteil-ung. Wenn Du der
Meinung bist, ein Urteil sei parteiisch, kannst Du in die Berufung
gehen.

>Ausserdem bezweifle ich die Neutralitaet des Staates in der Rechts-
>sprechung. Z.B. Klagen von Buergern gegen grosse Industrieunternehmen
>wegen Verstoessen gegen bestehende Umwelt-Gesetze.
>Da haben die "kleinen" Buerger kaum eine Chance, da die Unternehmen
>dank ihrer Wirtschaftsmacht viele Moeglichkeiten haben, ihre
>Suenden entweder zu verdecken oder sonst irgendwie ein guenstiges
>Urteil zu sprechen. Ausserdem:
>Hast Du je einen Wirtschaftsboss eines Unternehmens im Knast
>gesehen, nachdem ein Urteil wegen Umweltstraftaten (oder
>Straftaten gegen das Aussenwirtschaftsgesetz) rechtskraeftig war?
>In den meisten Faellen ist es doch so, dass eine Geldstrafe verhaengt
>wird, die das Unternehmen aus der Portokasse zahlt. Danach:
>Weiter so :-(

Dem kann ich unumschraenkt zustimmen.
Da ist in der Vergangenheit viel versaeumt worden: Da hat 'mal ein
Bauer seinen Guelleeimer im nahen Fluss ausgewaschen, und weil das so
prakrisch war, hat er das naechste mal seinen Guellewagen ... usw.
Da hat der Staat nicht rechtzeitig reagiert. Ich aergere mich auch immer
darueber, dass die Strafen so niedrig ausfallen. Die brauchen ja nicht
einmal fuer die Behebung des Schadens aufkommen. Solange es billiger
ist, seinen Muell in die Landschaft zu kippen, so lange wird es auch
getan. Die Herren Richte lassen sich wahrscheinlich zu sehr vom Geheule
der Bosse beeinflussen, eine hohe Strafe wuerde Arbeitsplaetze kosten.
Das mag im einen oder anderen Fall ja auch stimmen, aber
gesamt-oekologisch (und vielleicht auch -oekonomisch) ist das natuerlich
BS!

>> Wenn mir jemand (gewollt, ungewollt, vielleicht sogar unbewust oder
>> misverstanden) Gewalt antut, so kann ich mich an den Staat (z.B. Polizei,
>> Staatsanwaltschaft) wenden, mit der Bitte um "Gegen-Gewalt". Der Staat,
>> als Unparteiischer, wird die Sache untersuchen, und eventuell
>> feststellen, dass ich das alles misverstanden habe. Damit wird
>> unberechtigte Gegen-Gewalt von meiner Seite und damit eventuell
>> Eskalation (der andere fuehlt sich dann eventuell unberechtigterweise
>> von mit "vergewaltigt") verhindert.
>Nur: In manchen Faellen sagt er dann "Du hast es missverstanden",
>wo dies gar nicht so klar ist.

"In dubio pro reo"?
Immerhin gibt es Gesetze, in denen steht (mehr oder weniger eindeutig),
was darf und was nicht darf. Und ich kann mir einen Rechtsanwalt nehmen,
der fuer mich entscheidet, ob ich es tatsaechlich missverstanden habe
(um es mal so auszudruecken).
Das ist eben fuer mich die zweite Bedeutung von Gesetzen: neben der
"Richtlinie" was man tun bzw nicht tun darf, der Massstab fuer eine
Entscheidung hinterher.

>> Natuerlich kann man darueber diskutieren, ob staatliche Gewalt nicht
>> inzwischen zum Selbstzweck geworden ist, wie man gelegentlich annehmen
>> koennte. Ansatz dieses Threads ist aber, den Staat und damit seine
>> Gewaltorgane, grundsaetzlich abzuschaffen, da der Mensch eigentlich
>> friedfertig ist und keinerlei Schutzes von oben bedarf.
>Ich behaupte, dass die meisten Menschen tatsaechlich friedfertig
>sind. Diejenigen, die tatsaechlich Gewalt an anderen Menschen
>ausueben, sind Leute, die eben (ohne unbedingt etwas dafuer zu
>koennen) eine niedrige Schwelle des Aggressionstriebs und eine
>niedrige Ausloeseschwelle fuer (Aggression->Gewalt) haben.
>Gerade weil sie nicht unbedingt was dafuer koennen, muss man sowieso
>fragen, ob in diesem Fall "Strafe" noch berechtigt ist...

Das eine sind die Verfahren "Der Staat gegen ...", wo am Ende eine
Strafe im herkoemmlichen Sinne herauskommt.
Das andere sind Verfahren "Moellers gegen ...", wo jemand mir gegenueber
Gewalt ausgeuebt hat, und ich so etwas wie Schadensersatz verlangen
kann.
Wenn ich z.B. mit meinen Kindern spazieren gehe, und alle Nase lang vom
Buergersteig 'runter muss, weil jemand den fuer einen Parkstreifen
haelt, dann moechte ich am liebsten einen spitzen Nagel nehmen und ...
Ratsch! Bis jetzt hat mich eigentlich nur die moegliche Strafe davon
abgehalten!
Androhung von Strafe kann also durchaus zur Erhoehung der
Ausloeseschwelle fuer Gewalt sein.
Sie kann auch Hinderungsgrund fuer eine "Affekttat" sein. Frag' doch
'mal Leute, die ein oder zwei Bierchen zuviel gekippt haben, warum sie
nicht mehr mit dem Auto fahren. Weil sie den Verkehr gefaehrden? Nein,
fahren koennen die noch B-{) Aber der Fuehrerschein, der ist doch zu
wertvoll!

>Wenn Du oben von Selbstjustiz redest:
>Ich bin auch gegen diese. Aber Selbstschutz kannst Du niemandem
>absprechen. Und Selbstschutz existiert auch in einer herrschafts-
>freien Gesellschaft.

Wo aber liegt die Grenze zwischen Selbstschutz und -justiz? Klar, im
einen Falle ist es gegen die Gewalt direkt gerichtet, im zweiten Fall
kommt sie erst spaeter. Da gibt es aber eine gewaltige Grauzone.
Zum anderen: wie viel Gewalt darf ich zum Selbstschutz einsetzen? Und
ueberhaupt, warum soll ich mich selbst schuetzen? Ich habe besseres zu
tun, als mich und die meinen den ganzen Tag zu schuetzen. Ich moechte
z.B. unter dem Schutz einer "Schutzmacht" ungestoert meiner Arbeit und
meinem Vergnuegen nachgehen, darauf vertraeuend, dass sie
a) sofort gerufen werden kann, wenn ich sie brauche
b) von sich aus darueber wacht, dass mir kein Leid angetan wird.

[ ... ]

>> Dies war ein _Beispiel_, das zeigen soll, dass es eben Einfluesse aus
>> der Umgebung gibt, die keine "Gewalt" im herkoemmlichen Sinne sind.
>> Als "Umgebung" koennte man auch die Natur sehen: Der Sturm gestern abend
>> hat unseren Kindern ihren Martinszug verdorben. Das koennte natuerlich
>> wieder eine Folge der Umweltpolitik des Staates sein ... Wie waer's dann
>> mit einem Vogel, der mir auf meine schoene neue Jacke sch...t?
>Bringt eine von Nicht-Menschen (z.B. Natur -> Dein Beispiel Sturm
>oder Tier -> Vogel, der seine Sch****e auf Dir ablaesst) ausgeuebte
>"Gewalt" einen zu erhoehter Gewaltneigung gegen Mitmenschen?
>Es ist doch (fast :-() jedem klar, dass das keine bewusst ausgeuebte
>Gewalt ist, die obendrein nicht von anderen Menschen verhindert
>werden kann.

Das ist ja das Problem! Es ist mir klar, dass ich nichts gegen den Sturm
und den Vogel ausrichten kann. Frustriert, weil sie mich am Erreichen
meiner Ziele gehindert haben, bin ich trotzdem. Und gerade _weil_ ich
nichts gene diese "Naturgewalten" ausrichten kann, suche ich mir ein
anderes Ziel fuer meine Agressionen. (Anm.: "Ich" als fiktive Person)
Vielleicht nicht als direkte Folge, so kann aber die unterdrueckte
Agression bei einem wesentlich geringeren Grund zu ueberhoehter Reaktion
fuehren.

>(Sturm ist nicht unbedingt Folge der Umweltpolitik - es gab
>schon immer Stuerme.)

Ich wollt' ja nur sicherstellen, dass kein Einwand mehr moeglich ist.

>> >-- Followups zu diesem Thema aber bitte unter neuem Subject.
>> >Anmerkung2: Wenn es keinen Staat mehr geben sollte, duerften mit
>> >hoher Wahrscheinlichkeit auch Fahrpreise der Vergangenheit angehoeren,
>> >auch ohne Verstaatlichung.)
>Sorry - unklar ausgedrueckt. Es ging darum, dass die Verstaatlichung
>auch auf eine Form von nichtstaatlichem Gemeineigentum uebertragen
>werden kann - und fuer die Verwendung von Gemeineigentum kann man
>schlecht von einem Menschen, der ja Miteigner ist, Geld oder
>sonstige Bezahlung (Naturalien) verlangen.

Trotzdem muss auch Gemeinschaftseigentum gepflegt und gewartet werden.
Die Menschen, die es bedienen, muessen fuer ihre Arbeit entlohnt werden.
Gelegentlich muss der Dienst erweitert werden, dafuer sind Investitionen
noetig.
Die Benutzung von Gemeineigentum kann durchaus Verbrauch von Material
bedeuten (Bus fahren -> Diesel verbrauchen).

All dies verursacht Kosten, die doch sinnvollerweise von denen getragen
werden sollten, die das Geminschaftseigentum auch benutzen.

>> Das verstehe ich nicht! Warum darf ich dann mit meinem Pferdekarren
>> (Strassen gibt's nicht mehr, Autos auch nicht) keinen Fahrpreis z.B. in
>> Form von Naturalien erheben?
>Darfst Du schon. Nur wird dieser Preis erheblich gedrueckt,
>und zwar gegen 0.

Und wieso wird der Preis gegen 0 gedrueckt? Ich biete eine Dienst an,
arbeite dafuer (Pferd pflegen, Karren in Schuss halten, ab und zu einen
neuen Karren, mit Polstersizten z.B. B-{), und darf nichts dafuer
verlangen? Wovon soll ich denn leben? Was soll ich und meine Familie essen?

>> >> - persoenliches Unvermoegen, z.B. wenn man einen Kursus, der dem
>> >> beruflichen Weiterkommen dienen soll, nicht besteht
>> >Wenn ich einen Kurs, eine Klausur, eine Pruefung nicht bestehe, dann
>> >wird jemand der vernuenftig denkt, diese Frustration-> Aggression
>> >nicht durch Gewalt gegen Unschuldige abbauen, auch nicht durch Gewalt
>> >gegen sich selbst, sondern er wird sie umsetzen in Anstrengungen,
>> >es "das naechste Mal besser zu machen".
>>
>> An dieser Stelle geht's erst 'mal nur um die Ursachen von Frustration,
>> nicht um ihre Bewaeltigung (dazu mehr unten). Und wenn man eine Pruefung
>> das x-te mal "endgueltig nicht bestanden" hat, dann kann man sich
>> zehnmal so sehr anstrengen, die gewuenschte Zukunft ist und bleibt
>> (zumindest was diesen Weg angeht) verbaut.
>Das liegt wieder an einer staatlichen oder staatsaehnlichen Bestimmung,
>die die maximalzahl der Versuche festlegt. Wenn es keinen Staat gibt,
>gibt es solche Beschraenkungen nicht mehr....
>(Es sei denn es gaebe eine andere hierarchische Ordnung, die das
>festlegt, aber diese koennte man dann ja als neuen Staat bezeichnen)

Muss ich mir eben ein anderes Beispiel fuer "persoenliches Unvermoegen"
ausdenken. Seufz!
Ich moechte Franzoesisch lernen, weil ich meinen naechsten Urlaub
in Fronkreisch verbringen moechte. Aber sosehr ich mich auch anstrenge,
diese Sprache wird mir immer verschlossen bleiben.
Oder ich habe ein Gedaechtnis wie ein Sieb, und das wurmt mich, wenn ich
etwas vergesse!
Oder ich moechte gerne Bergsteigen, bin aber nicht schwindelfrei!
Alles Faelle von persoenlichem Unvermoegen, bei denen ich den Einfluss
des Staates beim besten Willen nicht erkennen kann.

[ ... ]

>> Wie gesagt, es sind hier nur Beispiele. (Ich _liebe_ Beispiele B-{)
>> "Strittige Motive" koennen auch sein: zwei Einladungen zum Essen am
>> selben Abend, zwei Mitglieder des bevorzugten Geschlechts (neutral
>> genug?), die einem beide gut gefallen, Geld, das man eben nur einmal
>> ausgeben kann (persoenliche Erfahrung).
>Der gesunde Menschenverstand ist sich aber im klaren, dass ein
>solches Dilemma nicht durchbrochen werden kann, und kann sich damit
>abfinden.

Der "gesunde Menschenverstand" ja, aber der setzt eben in gewissen
Situationen aus. Da werden brave Buerger zu Totschlaegern, treusorgende
Vaeter zu Toechter-Vergewaltigern.
Man braucht doch nur 'mal die Zeitungen aufzuschlagen, um die Tragik
menschlichen Daseins zu erkennen. Und mit "Zeitung" meine ich jetzt
nicht "Bild" oder "Super Illu"! Da reicht eine normale Tageszeitung.
"Mann erschiesst erst treulose Ehefrau, dann sich selbst" "Frau
schneidet treulosem Ehemann im Schlaf Glied ab" "Junger Mann zetruemmert
Auto von ex-Freundin"
Alles Taten, bei denen der "gesunde Menschenverstand" ausgesetzt hat.
Da hat dann der Richter seine Probleme bezueglich des Urteils: Die
Leute sind genug gestraft, mit dieser Tat fertig zu werden, andererseits
muss er aufpassen, dass es keine Nachahmungstaeter gibt. Um so
erfreulicher, dass gelegentlich Strafen wie "Ein Jahr Arbeit an einer
karitativen Einrichtung" verhaengt werden.

[ ... ]

>> >> - Fantasie, bei der das Ziel in der Einbildung erreicht wird.
>> >Das waere ein konstruktiver Weg, der aber erst dann eingeschlagen
>> >werden sollte, wenn klar ist, dass das Ziel nicht in der Realitaet
>> >erreicht werden kann.
>>
>> Was aber passiert, wenn jemand merkt, dass es eben nur Fantasie ist?
>Wenn man die Fantasie bewusst aufbaut, dann merkt er es eh sofort.
>Aber auch dann kann eine solche Fantasie durchaus eine Befriedigung
>darstellen, wenn auch nicht so stark, wie wenn das Ziel tatsaechlich
>erreicht worden waere.

Von mir aus kann jemand nach einer Enttaeuschung in einer Fantasiewelt
leben. Es geht ja hier letztlich _auch_ darum, dass nicht jede
Frustration zu Agression und weiter zur Gewalt fuehrt. Agression war ja
nur eine der moeglichen Folgen von Frustration, Fantasie eine andere.

[ ... ]

>> Keine Theorie, insbesondere ueber den Menschen und was ihn bewegt, ist
>> "das Gelbe". Aber sie wird, wenn sie nicht gerade hanebuechen ist, doch
>> das Verhalten eines mehr oder weniger grossen Teils der Menschen
>> ziemlich genau beschreiben.
>Richtig. Aber ist diese Theorie, die das Verhalten einer Majoritaet
>beschreibt, wirklich die Aggression-als-Instinkt Theorie oder
>die Mensch-als-vernuenftiges-natuerlicherweise-gemeinschaftlich-
>denkendes-Wesen Theorie? (jeweils mit einer bestimmten Minoritaet
>als Ausnahme...)

Wie waere es mit:
Der Mensch ist ein vielschichtiges Wesen. In ihm schlummern viele
verschiedene Kraefte, gute wie boese. Je nach Entwicklung kommen mal die
einen, mal die anderen Kraefte zum Tragen. Manchmal verkuemmern einzele
Kraefte voellig, manchmal liegen sie nur jahrelang verborgen, um durch
einen, oftmals unscheinbaren, Ausloeser zum Vorschein zu kommen.

Ich tendiere weder zum Extrem des "der Mensch ist von Natur aus boese",
als zum Extrem "der Mensch ist von Natur aus gut". Die erste kann nicht
erklaeren, warum es immer noch Menschen gibt, die zwar in einer
gewalttaetigen Umgebung aufwachsen, sich aber dem Frieden verschreiben.
Ebensowenig kann die andere erklaeren, warum das Umgekehrte stattfinden
kann.

Ich denke da eben zurueck in die Vergangenheit. Wenn der Mensch
grundsaetzlich friedfertig ist, wo kommen dann unsere Konflikte her?
Irgendwann muss es ja den Anfang gegeben haben, als der erste Mensch
(und ich meine hier nicht Adam, sondern eventuell Kain), einen Knueppel
aufhob, und seinem Nebenbuhler den Schaedel zertruemmerte. Warum hat er
das getan? Weil er ein vernuenftiges-natuerlicherweise-gemeinschaftlich-
denkendes-Wesen ist? Weil er durch die Hierarchie zur Gewalt getrieben
wurde? Wohl kaum! Vielleicht weil der andere ihm seine Frau wegnehmen
wollte, oder seine Wintervorraete. Who knows!

(Ebenso frage ich mich, wo denn unsere hierarchische Struktur herkommt.
Man nenne mir ein Volk auf der Welt, das ohne Hierarchien auskommt bzw.
auskam. Auf der ganzen Welt sind unabhaengig voneinder (Stammes-)
Hierarchien entstanden.)

[ ... ]

>> "Vom Prinzip her" - klar. Nur ist, wie eben die Ethologen behaupten, der
>> Mensch nicht beliebig formbar und somit unsere Reaktion auf Frustration
>> individuell verschieden.
>Ja, richtig. Nur... Wie weit gehen die Grenzen in beiden Richtungen?
>(Grenzen der Formbarkeit meine ich) Und in welchem "Punkt" beginnen
>die meisten Menschen zu Beginn ihres Lebens?

Man kann durchaus annehmen, dass alle Menschen gleich geboren werden.
Musikalitaet mag erblich sein (ist auch umstritten), aber ueber die
Genetik der Agression habe ich noch nichts gelesen.
ALso ist es die Umgebung, die Erziehung, die Erfahrung, die einen
Menschen formen. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass aus der Masse
der gewaltorientierten ein friedfertiger Mensch hervortritt. Und ebensoe
sind manche Eltern erstaunt, wenn sich ihr "wohlerzogener" Sproessling
ploetzlich als Steinewerfer vor einem Asylbewerberheim entpuppt.

Dass man Menschen in beide Richtungen formen kann, sieht man immer
wieder. Waere dies nicht so, koennte ich meine Nebentaetigkeit als Vater
und (Mit-)Erzieher an den Nagel haengen. Fraglich ist aber, ob man das
Resultat garantieren kann. Und da behaupte ich (und mit mir wohl die
Ethologen), dass dem nicht so ist!

[ ... ]

>> Kultur wird m.E. durch viele Faktoren gepraegt: durch die Geschichte
>> eines Volkes, durch die Kontakte, die es hat, durch die Landschaft, in
>> der sie lebt, sogar durch das Klima. Es scheint mir unmoeglich, ein Volk
>> dazu zu bringen, seine alte Kultur _voellig_ abzuschuetteln und eine
>> neue, synthetische, anzunehmen.
>Nein. Aber in dem Text sah es so aus, als ob die Kultur eine feste
>Konstante waere. Das ist sie nicht.

Nein, ist sie auch nicht.
Kultur ist immer von den Menschen abhaengig, von ihrer Bildung, von
ihrer Umgebung, von ihrer Geschichte _und von den Kultur, auf die sie
aufbauen_.

Um auf die "Formbarkeit" der Menschen zurueckzukommen: Um eine absolut
gewaltlose, hierarchiefreie, solidarische Gesellschaft zu erreichen,
musst Du _alle_ Menschen zu gewaltlosen, hierarchiefreien, solidarischen
Wesen machen. Die Erziehung dieser Zukunftswesen, obliegt aber immer
noch den gewaltbereiten, hierarchischen, egoistischen Menschen von
heute. Ich verwende viel Zeit darauf, meine Kinder zu friedfertigen,
toleranten Menschen zu erziehen. Viele andere auch. Manch einer hat aber
keine Zeit dazu. Fuer manch einen sieht die Welt eben so aus, dass man
in ihr kaempfen muss, um seine Position zu behaupten bzw. auszubauen.
Und so werden sie ihre Kinder erziehen: "Nimm was Du kriegen kannst, die
anderen werden genauso denken".
Das mag alles eine Folge der Gesellschaft sein, in der wir leben. Aber
die Gesellschaft der Zukunft baut eben auf der Gesellschaft von heute,
auf den Menschen von heute auf. Und wir koennen nur ganz vorsichtig,
behutsam und langsam Veraenderungen im Grossen herbeifuehren. (Im
Kleinen koennen wir alle vier Jahre 'mal eine neue Regierung waehlen,
eine die den Menschen mehr Solidaritaet abverlangt, auch den "Grossen")
Ich bin kein Pessimist! Ich glaube das es moeglich ist, eine bessere
Gesellschaft zu erzeugen, aber Knall auf Fall geht das nicht.

S.o. Damit ueberlassen wir es jedem einzelnen, sich sein Recht zu
erkaempfen. Den Notwehrparagraphen (den 'mal jemand als "Ueberbleibsel
des 3. Reiches" und "unselig" genannt hat) musste ich 'mal auswendig
lernen, im Jiu-Jitsi-Training.
Was aber ist, wenn der eine Gewalt gegen mich ausuebt die
gerechtfertigt ist? Z.B. wenn meine Ziele und Wuensche dem des
Gemeinwohls entgegenstehen? Oder wenn die Wuensche und Ziele meines
Nachbarn durchaus legitim, meinen aber diametral entgegen stehen?
Ich finde es da schon beruhigend, wenn es ein objektives Regelwerk
gibt ("Gesetze" oder wie immer man dieses Regelwerk nennen will), nach
dem man gehen kann, wenn es Uneinigkeit gibt. Der Notwehrparagraph
regelt uebrigens nur einen "Angriff auf Leib, Leben oder Ehre", wenn ich
mich recht entsinne, nicht aber z.B. auf "Freiheit".

>> Schiedsstelle? Das waere aber schon wieder "staatliche Gewalt"!
>Und hier geht es nicht um den direkten Schutz. So schnell ist die
>Polizei gar nicht zur Stelle, wenn ich anrufe und sage:
>"jemand bedroht mich mit dem Messer", um mich zu SCHUETZEN.
>ALso kann es nur um Bestrafung gehen...

Fuer den Fall gibt's ja den (o.e.) Notwehrparagraphen.
Du koenntest auch versuchen, den Angreifer so lange hinzuhalten, bis die
Poilzei kommt, und ihn "fachgerecht entsorgt".
Wie sieht's denn aus, wenn Du aus dem Fenster schaust und einen von
Deinem Vermieter angeheuerten Schlaegertrupp? Wenn Du aus "persoenlichem
Unvermoegen" nicht in der Lage bist, Dich eines Angriffs zu erwehren,
den Angriff aber ueberlebst und jetzt Schadenersatz forderst?
Oder Du hoerst in der Nacht das Klirren von Scheiben in Deiner Wohnung ...

Es gibt immer Situationen, in denen eine Funktion nicht ausreichend ist.
Es ist aber relativ unwahrscheinlich, dass Du in Deiner Wohnung so
mir-nichts-dir-nichts angegriffen wirst. Denkbar waere, dass Du z.B.
durch eine, als "gefaehrlich" bekannte, Gegend gehst und von jemandem
angegriffen wirst. An solchen Stellen sollte es auch eine erhoehte
Polizeipraesenz geben.

[ ... ]

Oder auch nicht! Sicher, fuer alle Probleme, die lokal geloest werden
koennen, wird die Sache uebersichtlicher (Subsidiaritaetsprinzip). Aber
in dem Augenblick, wo die Dorfgemeinschaften untereinander Kontakte
haben, oder wo Dienste fuer jede Dorfgemeinschaft ineffizient werden
(Krankenhaus, Feuerwehr, ...), muessen uebergreifende Strukturen
gebildet werden.
Beispiel: OePNV. Meinst Du, jede DG koennte ihren eigenen OePNV
organisieren? Wenn ich dann von Elsen (in der DG lebe ich), in die
Innenstadt von Paderborn fahre, muss ich durch 2 andere DGen. Heisst
das, dass ich dann dreimal umsteigen muss? Also einen uebergreifenden
OePNV. Wer organisiert den? Wer legt fest, wo welche Busse fahren
(nehmen wir 'mal an, dass es noch Busse gibt, sonst koennten das auch
Eselskarren sein B-{)? Gut, jede DG schickt einen Repraesentanten in den
"Aufsichtsrat" des Verkehrsbetriebes. Wer kontrolliert den
Repraesentanten? Die DG! Klar! Erkundige Dich 'mal ueber die Struktur
und Zusammensetzung des Bundestages. Da gibt es Wahlkreise
("Dorfgemeinschaften"), die einen Abgeordneten waehlen (Direktmandat).
Dieser Abgeordnete koennte theoretisch seinem Wahlkreis verantwortlich
sein, aber wie viele Leute interessiert das denn? Sieh' Dich 'mal um,
wie viele Leute sich aktiv an der Politik beteiligen! Dann sind es eben
wieder nur ein paar Aktive, die Poilitik machen. Und dass ein
Abgeordneter nur "seinem Gewissen verantwortlich" ist, hat wohl
historische Gruende!
Das Problem hier liegt wohl eher darin, dass die meisten Leute zu bequem
sind, sich aktiv in der Politik zu engagieren. Und das wird durch
kleinere DGen auch nicht besser. Und in dem Augenblick, wo Du zum x-ten
Mal versuchst, Deine DG zu einer einstimmigen Haltung in Bezug auf die
Abwasserbeseitigung zu bewegen, von den 5000 Bewohnern aber wieder nur
20 gekommen sind, oder die Leute, neben deren Haus die Klaeranlage
gebaut werden soll, immer noch nicht zustimmen, wirst Du entweder eine
Entscheidung per einfacher Mehrheit treffen, oder den Leuten erklaeren,
dass es eben besser fuer das Allgemeinwohl ist, wenn sie den Gestank der
Faulschlaemme ertragen.

Ich persoenlich habe Besseres zu tun, als jeden zweiten Tag einer
DG-Versammlung beizuwohnen, nur weil _vielleicht_ etwas besprochen
wuerde, das mich betrifft.

Felix Schroeter

unread,
Nov 17, 1992, 5:42:20 AM11/17/92
to
Josef Moellers schreibt:..stuff deleted.

> Sie wird ihn davon abhalten, und ihm eventuell Zeit geben, darueber
> nachzudenken, statt erst einmal Schaden anzurichten.
> Im Uebrigen habe ich, z.B. als Autofahrer (ja, ich bin Umweltsuender!),
> oft an mir selbst erfahren, wie Gedankenlos man ist: Da steht ein Schild
> "70km", und ich fahre einfach mit 100 'dran vorbei. Warum sollte ich
> langsam fahren? Die Strasse ist trocken, gut uebersichtlich! Woher
> sollte ich denn wissen, dass hinter dem Haus da vorne eine Kreuzung
> ist? Aber die Androhung von Strafe (eventuell Gerichtsverfahren,
> Fuehrerscheinentzug) laesst mich den Fuss vom Gaspedal nehmen.
Da waere das richtige Verkehrsschild: Achtung, gefaehrliche
(unuebersichtliche) Kreuzung.
(Anmerkung: Bei uns im Dorf ist ein Engpass, wo sie ein
30 km-Schild hingestellt haben zusaetzlich zu dem "Engpass"-Schild.
Nachdem die Leute da teilweise immer noch durchgebrettert sind,
war es meiner Mutter zuviel - wir wohnen genau an dieser Stelle -
und sie rief mal bei dem fuer derartige Kontrollen zustaendigen Amt
an -- "kann nicht kontrolliert werden..."
Weiterhin hat AUCH mein Fahrlehrer die Meinung vertreten, dass hier
das Engpass-Schild ausreichen sollte. Entsprechend in deinem Fall..)
..stuff deleted.

> >>Wenn ich versuche, jemandem von seinem Treiben abzuhalten, dann bin ich,
> >>und das ist meine These, darauf angewiesen, seiner Kraft das
> >>Unrechtmaessige zu tun, eine _etwas_ groessere Kraft entgegenzusetzen.
>
> >Zunaechst halte ich es nicht fuer einer ausgemachte Sache, dass
> >man, um einen Menschen "von seinem Treiben abzuhalten", seiner
> >Kraft eine etwas groessere Kraft entgegensetzen muss.
> >Tatsaechlich trifft dies nur dann zu, wenn der Mensch, der da
> >etwas treibt, jeglicher vernuenftiger Argumentation unzugaenglich
> >ist. Natuerlich gibt es solche Menschen. Interessanterweise
> >findet man sie umso haeufiger, je weiter oben man in beliebigen
> >hierarchischen Strukturen nach ihnen sucht. Dies ist einer der
> >Gruende, weshalb ich Hierarchie als Mittel zum konstruktiven
> >Umgang mit der Unvernunft im Menschen fuer ausgesprochen unsinnig
> >halte.
> >Weiter faellt mir an der o.g. These auf, dass das "Treiben" des
> >"jemanden" als "unrechmaessig" bezeichnet wird. Da stellt sich
> >fuer mich die Frage, auf welche weise die Unrechtmaessigkeit
> >irgendeines Handelns festgestellt werden soll.
>
> Tja, das muss ich doch wohl selber tun!
> In einer von Dir vorgeschlagenen Gesellschaft (hierarchie- und
> gewaltfrei) kann es keine Gesetze geben. Wer sollte sie denn
> verabschieden, wenn nicht eine ueber den anderen stehende
> "Koerperschaft". 84Mio Menschen einstimmig ein Gesetz verabschieden zu
> lassen, halte ich fuer unmoeglich.
Ich finde es ja auch legitim, sich gegen einem persoenlich zugefuegte
Gewalt zu wehren. Du etwa nicht?
(Das ist ja auch in der BRD erlaubt -- Notwehr und Nothilfe-Paragraphen)

> >Setzt man schliesslich die Unrechtmaessigkeit des "Treibens"
> >voraus, ist damit immer noch nicht automatisch gesagt, dass es
> >sinnvoll ist, dieses Treiben durch das Entgegensetzen "einer
> >etwas groesseren Kraft" zu verhindern. Ein solcher Automatismus
> >kann nur konstruiert werden, wenn man das Einsetzen von Kraft an
> >sich als rechtlich neutral ansieht. Ich bin und bleibe aber der
> >Ueberzeugung, dass der Einsatz von Kraft, Macht, Zwang oder wie
> >auch immer man dazu sagt, zur Beschraenkung der Freiheit eines
> >Menschen schon fuer sich genommen ein Unrecht darstellt. Der
Richtig. Nur zur Notwehr oder Nothilfe, wenn das eigene Leben oder
die eigene Gesundheit (oder bei Nothilfe die eines anderen Menschen)
bedroht sind, ist sie (Ausuebung von Kraft) als geringeres Uebel legitim.

> >Einsatz von Kraft in einem Konflikt ist nichts anderes als
> >praktiziertes Recht des Staerkeren, das von irgendwem mal
> >treffend als das staerkste Unrecht bezeichnet wurde. Er kommt,
> >ethisch betracht, nur dann in Frage, wenn alle sinnvollerern
> >Moeglichkeiten zur Loesung des Konflikts gescheitert sind *und*
> >das "Treiben" ein so grosses Unrecht darstellt, dass das Unrecht
> >eines Krafteinsatzes verhaeltnismaessig ist. Dies ist eine
> >notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung fuer einen ethisch
> >vertretbaren Krafteinsatz.
>
> Um zu meiner gestoerten Nachtruhe zurueckzukommen: ich war der Meinung,
> mit _mehreren_ Telefonaten "alle sinnvollen Loesungen" versucht zu
> haben. Mitten in der Nacht, nach mehreren vergeblichen Versuchen, Schlaf
> zu finden, kann ich jedenfalls nicht mehr klar denken!
>
> Und was das "praktizierte Recht des Staerkeren" betrifft, so ist erst
> einmal der der "Staerkere", der mit Gewalt anfaengt, und der, der aus
> einem Konflikt als Sieger hervorgeht immer "der Staerkere".
> Ich kann natuerlich jedesmal, wenn mir jemand Gewalt antut, den Schwanz
> einziehen und mir sagen: "Der ist jetzt der Staerkere, und damit im
> Unrecht".
Er ist im Unrecht. Nicht weil er zufaellig der Staerkere ist, sondern
weil er Gewalt gegen einen Mitmenschen veruebt hat.
Dieses Unrecht rechtfertigt aber nicht automatisch ein weiteres
Unrecht (die Gegengewalt).

> Es geht mir auch nicht immer darum, festzustellen, wer der Staerkere
> ist, sondern, wer "Recht" hat! Und da ist mir eine unparteiische Stelle
> (hier die Polizei) gerade "recht".
Ganz neu... Die Polizei als rechtsprechende Gewalt?
Sind da nicht die Gerichte zustaendig??

>
> Vielleicht stelle ich hier "die Staerke des Rechts" gegen "das Recht des
> Staerkeren".
Unterscheide nur noch: positives Recht (was in den Gesetzbuechern steht)
und das, was ethisch gerecht ist...
Hmmm.... Wenn ich ne Morddrohung bekomme, die ich der Polizei vorweisen
kann, bekomme ich dann vollstaendigen Personenschutz, wie sie jemand,
der in unserer Hierarchie fuehrend ist (Bandeskunzler etc) bekommt,
selbst wenn er keine konkrete Morddrohung vorweisen kann...
Seltsame Gleichbehandlung von Menschen unterschiedlichen Standes...

>
> [ ... ]
>
> >>Natuerlich darfst Du Dich gegen ungerechtfertigte Staatsgewalt wehren.
> >>Wenn Du aber etwas ungerechtfertigtes tust, darfst Du Dich nicht dagegen
> >>wehren, wenn ein Polizist kommt, und Dich daran hindern will.
>
> >In den folgenden Faellen tue ich demnach entweder etwas
> >Ungerchtfertigtes oder ich darf mich wehren:
> >* Ich fahre nachts auf meinem Fahrrad irgendwo lang und werde
> >angehalten und kontrolliert, inklusive Durchwuehlen meiner
> >Hosentaschen.
>
> Freundliche Frage: "Darf ich bitte den Grund fuer diese Kontrolle
> erfahren?"
> Antwort: "Da vorne ist ..., wir muessen sicherstellen, dass ...".
Hmm.... Ob der Polizist nachts, wenn er lieber schlaeft, noch gewillt
ist, eine derartige Auskunft zu geben... Er ist ja auch "nur" ein
Mensch. Nur: Die Folgen SEINER Fehler sind hoeher als die MEINER
Fehler...

>
> >* Mein Vermieter hat es geschafft, durch staendiges Hochsetzen
> >der Miete im hoechsten gesetzlich noch zulaessigen Rahmen, diese
> >so hochzusetzen, dass ich sie nicht mehr aufbringen kann. Ich
> >werde von der Polizei zwangsgeraeumt.
>
> "Im hoechsten gesetzlich noch zulaessigen Rahmen"! Wenn es mehr Wohnraum
> als potentielle Mieter gaebe, wuerde er Dir Seine Butze jeden Monat
> tapezieren und Dir das Fruestuck an's Bett bringen.
> Zur Zeit sieht's doch eher so aus, dass es mehr potentielle Mieter als
> Wohnraum gibt. Und wenn der Staat da nicht eingreifen wuerde, und einen
> Kompromiss zwischen den Berechtigten Interessen der Mieter nach
> bezahlbarem Wohnraum, und den (berechtigten?) Interessen der Vermieter
> nach Ammortisation und Gewinn (sonst wuerde der sein Geld woanders
> anlegen) schaffen wuerde, indem er eine Rahmen fuer Mietsteigerungen
> schaffen wuerde, waerst Du schon vor einem Jahr 'rausgeflogen!
>
> Und da du "zwangsgeraeumt" wurdes, gehe ich davon aus, dass Du etwas
> haben wolltest, naemlich Seine Wohnung, ohne den gueltigen Preis zu
> bezahlen. Ich wuerde Dich auch mehrfach auffordern, auszuziehen, und
> wenn Du nicht gehst, wuerde ich vielleicht nicht die Polizei holen!
> Gut? Nee - ich wuerde Dir eine Schlaegerbande auf den Hals hetzen! Dann
> kanste froh sein, wenn De Deine Haut rettest, Dein Hab' und Gut' liegt
> in Truemmern!
Hmmmm.... Heutzutage sind Wohnungen wirklich extrem teuer...
Und findest Du es gut, jemanden, der nicht gerade sehr rosig verdient,
auf die Strasse zu setzen, nur weil der Mietspiegel selbst schon so
hoch ist, dass er selbst diesen nicht mehr aufbringen kann?
(also selbst wenn der Vermieter nur eine durchschnittliche Miete
verlangt...)
Schoener Sozialstaat (s. GG Art. 20)
Der Mietspiegel kann ja auch von den Vermietern in die Hoehe
getrieben werden:
Jeder Vermieter erhoeht die Miete so hoch, wie es nach dem
gegenwaertigen Mietspiegel gesetzlich zulaessig ist. Dadurch steigt
aber der Mietspiegel, da der sich irgendwie aus dem Durchschnitt
aller Quadratmetermieten errechnet.
Und dann kann er im naechsten Jahr mal wieder erhoehen...

>
> >* Mein Arbeitgeber kuendigt mir. Ich nehme Geld- und Sachwerte in
> >Hoehe der Gewinne, die die Firma durch meine Arbeit gemacht hat,
^^^^^^^^^^^^^^^^^^

> >aus der Firma mit, und werde wegen Diebstahls eingelocht.
Alles klar?? Den Nettogewinn, den die Fa. aus einem zieht...

> Na, Du hast ja vielleicht Vorstellungen! Als wenn Du alleinig diese
> Gewinne erwirtschaftet haettest! Die Firma hat in Dich investiert. Dir
> eventuell Kurse fuer die Weiterbildung bezahlt. Eine Infrastruktur
> aufgebaut, damit Du arbeiten kannst. Dir Geld zur Verfuegung gestellt,
> damit Du Deine Arbeit verrichten kannst.
> Darueberhinaus gibt es auch bim MPI Leute, die nicht direkt zum Gewinn
> des Unternehmens beitragen, oder fegt Ihr Eure Flure selbst und reinigt
> Eure Toiletten selbst? Bringt Ihr Eure Post selbst zum Postamt? Wie
> stehts mit der Ueberweisung der Gehaelter, macht Ihr das per
> Bankeinzug?
>
> Im Uebrigen bist Du ja nicht verpflichtet, da zu arbeiten, wenn Du
> meinst, dass dein Gehalt nicht dem entspricht, das Du "erwirtschaftest",
> geh' doch woanders hin. Vielleicht zahlt jemand anders Dich am Ende
> Deiner Arbeit aus! (Das ist jetzt nicht eines dieser
> Pauschal-Bemerkungen: "Wenn's Dir hier nicht gefaellt, ..."!)

Warum sollte ein anderer Arbeitgeber sozialere Loehne zahlen als der
eine? Die kapitalistische Wirtschaftsform ZWINGT ja den Arbeitgeber
dazu, Gewinne aus den Beschaeftigten zu ziehen, sonst wuerde er ja
schlichtweg PLEITE gehen. Und wer will schon, dass der eigene Arbeit-
Geber Pleite geht? Dann steht man ja auf der Strasse...

> Du suchst Dir einen Arbeitgeben, handelst mit ihm ein gehalt aus, fuer
> das Du ihm Deine Arbeitskraft zur Verfuegung stellst. Dieses Gehalt
> zahlt er Dir jeden Monat aus und ihr seid quitt.

Prinzip ja. Sog. Tarifverhandlungen.
Nur sind die Anfangsbedingungen ungleich. Wenn die Arbeitnehmer
"NEIN" sagen, hat der A-Geber noch Ruecklagen, um einen Streik durch-
zuhalten und letztlich die A-Nehmer dazu zu zwingen, fuer diese
abgelehnten Gehaelter zu arbeiten.
Wenn der A-Geber NEIN sagt, dann hat er ja die Moeglichkeit, keinen
Arbeitsvertrag zu schliessen und mit der Drohung, die A-Nehmer auf
der Strasse zu lassen, sie zu Konzessionen zwingen.
Auf jeden Fall hat der A-Geber mehr Wirtschaftsmacht, um seine
Vorstellungen durchzusetzen als die A-Nehmer.


> Wenn Du am Ende meinst, noch irgendwelche Ansprueche zu haben, musst Du
> sie geltend machen. Aber ich glaub' ja nicht, dass Dich da irgendjemand
> ueberhaupt Ernst nimmt!
>
> >Ich weiss, das Recht auf Widerstand gegen Unrecht auch von Seiten
> >der Staatsmacht ist sogar im Grundgesetz festgeschrieben. Nur
> >nuetzt mir das de facto rein gar nichts.
>
> Doch! Nur die Art des Widerstandes darfst Du Dir nicht selber aussuchen.
> Das ist Anarchie!

DOCH darf man sich die Mittel aussuchen. NUR:
Nach Art. 20 muss man erst den Rechtsweg gehen, dann erst ist
Widerstand erlaubt.
Weiterhin mal zu Begriffen:
Anarchie != Chaos.
Anarchie sind alle Organisationsformen, die herrschaftsfrei aufgebaut
sind.
"Das ist Anarchie" ist nur eine Ausflucht und kein Argument.
Wenn ich diesen Satz mal interpretiere:
Du verwendest deine Ablehnung hierarchiefreier Organisationsformen
als *Argument* gegen genaudiese. Nur: Eine Tautologie kann nichts
begruenden.


> Im GG und in den daraus abgeleiteten Gesetzen und Institutionen ist
> festgelegt, auf welchem Weg Du Widerstand leisten darfst. Z.B. indem Du
> vor Gericht gehst und den Polizisten anklagst, Dich unrechtmaessig
> durchsucht zu haben.

Richtig. Und wenn das Gericht nicht funzt, dann erlaubt Artikel
20(4) weitergehenden Widerstand. Lies dir mal IRGENDEINEN
GG-Kommentar zu Art. 20(4) durch.


>
> >>Mein "elementares Grundrecht" in diesem Fall war meine Nachtruhe.
> >>Ausserdem ist das, was die Leute da gemacht haben etwa KEINE Gewalt?
> >>Die haben mir einige unbequeme Stunden aufgezwungen. Und ich hatte keine
> >>Lust, diese Gewalt zu ertragen.
>
> >Sicher, das ist Gewalt "in Form von Laerm". Deine Antwort war
> >Gewalt in Form von Polizei. An was erinnert uns das... ?

Tja... Gewalt und Gegengewalt - das alte Lied :-/
..stuff deleted.


> >>Dem Polizisten wird aber das Recht genommen, von willkuerlicher
> >>Beschuldigung geschuetzt zu sein?
>
> >Das Ganze sollte besser aus dem Blickwinkel einer demokratischen
> >Kontrolle als aus dem einer juristischen Schuldfeststellung
> >betrachtet werden. Wenn jemand kommt und sich ueber die
> >Behandlung durch einen Polizisten beschwert, sollte dies die
> >"Abwahl" des Polizisten zur Folge haben. Der Polizist wird also
> >seinen Job nicht los, weil ihn irgendeine Schuld trifft, sondern
> >weil ihm sein "Mandat" oder das Vertrauen entzogen wurde.
>
> "Abwahl" setzt aber erstens eine "Wahl" voraus. Wann werden denn bei
> Euch die Polizisten gewahlt?

Tja... Bei "uns" gibts keine Polizisten. Aber EIN Schritt in unsere
Richtung waeren tatsaechlich demokratisch gewaehlte Beamte der
Exekutive, also dass auch die Aemter der Exekutive
(und auch der Judikative) demokratisch gewaehlte und abberufbare
Mandate waeren.


> "Abwahl" setzt aber auch, nach meinem Verstaendnis von "Wahl" eine in
> irgendeiner Form realisierte Mehrheit fuer diese Abwahl voraus. Und wie
> willst Du einen Polizisten von der Mehrheit abwaehlen lassen, wenn nur
> Du Dich von ihm ungerecht behandelt gefuehlt hast?

Ganz einfach: Man bringt einen Antrag auf Abwahl ein mit Begruendung
und laesst die Basis darueber abstimmen...


>
> >Das Recht des Polizisten, sich gegen unzutreffende
> >Anschuldigungen zu wehren, bleibt natuerlich von seinem
> >Ausscheiden aus der Polizei unberuehrt. Und wenn sich die
> >Anschuldigungen als haltlos erweisen, steht einer erneuten
> >Polizeitaetigkeit nichts im Wege. Aber waehrend die Sache
> >geklaert wird, muss er sein Amt ruhen lassen, wie dies auch
> >beschuldigte Politiker tun sollten, wenn sie sowas wie Anstand
> >besitzen. Und wenn keine eindeutige Klaerung herbeigefuehrt
> >werden kann, wird der Polizist nicht wieder zugelassen: Im
> >Zweifel fuer den Buerger, nicht fuer die Polizei!
>
> Das kommt fast auf's Gleiche heraus: Es ist ein klarer Verstoss gegen
> rechtstaatliche Prinzipien, wenn jemandem durch blosse Beschuldigung
> sein Amt oder seine Wuerden abgenommen werden. Was machen wir denn mit

NEIN. Du kannst ja ohne Schuldbeweis auch deinen Wahlkreisabgeordneten
in der naechsten Bundestagswahl abwaehlen (mit-abwaehlen natuerlich).
Das ist ja auch Rechtstaatlich.
Nur: Polizei nicht mehr als Beruf, sondern als Mandat. Das ist
das ganze.


> unserem armen, zu unrecht beschuldigten Polizisten, waehrend sein
> verfahren laeuft? Und wenn dann seine Schuld feststeht, kriegt der doch
> wieder keine Stelle. Erst hats Du gesagt, dass der Polizist bei jeder
> kleinsten Beschuldigung sein Amt verliert, er aber sofort Arbeit findet,
> da seine Schuld ja nicht erwiesen ist. Jetzt willst Du aber doch seine
> Schuld nachweisen, und ihn bei Unschuld im Amt belassen. Schuldige, die
> aus dem Polizeidienst entlassen werden, kriegen aber hoechstens noch bei
> Bewachungsunternehmen eine Stelle (Sarkasmus)! Das Verfahren gegen den
> Polizisten muss uebrigens oeffentlich sein!

Wenn "Polizist" ein Mandat ist, braucht man kein Verfahren mehr, sondern
nur die formelle Abwahl.


>
> >>>Diese Umkehr der Beweislast haette ausserdem die positive Folge,
> >>>dass ein Polizist, dem an seinem Job gelegen ist, die Menschen,
> >>>mit denen er zu tun bekommt, anstaendig behandelt. Damit waere
> >>>schon mal vieles besser als jetzt.
>
> >>Wie waere es, wenn Du die Poilizei "anstaendig behandelst".
>
> >Ich pflege Polizisten mit derselben hoeflichen oder unhoeflichen
> >Art zu begegnen, die mir halt zu eigen ist. Viele meiner
> >Begegnungen mit Polizisten sind auch durchaus zivilisiert
> >verlaufen.
> >Wenn ich den taeglichen Machtmissbrauch der Polizei kritisiere
> >und behaupte, dass die Polizei die sinnvollen Dinge, die sie tut,
> >auch ohne die Macht, die sie derzeit hat, tun koennte, kann ich
> >darin keine unanstaendige Behandlung der Polizei erkennen.
>
> Die Polizei hat (leider) neben dem Schlichten von Nachbarschaftsstreit
> auch andere Aufgaben. Sicher, bei einer Streife durch die Stadt
> braeuchte sie (aehnlich wie die Bobbys in London) sicher keine
> Schusswaffe. Aber hier in duL haben wir eine Dreiteilung der staatlichen
> Gewalt:
> - Legislative (Bundestag/-rat)
> - Jurisdiktion (Gerichte)
> - Exekutive (Polizei).
>
> Die Tatsache, dass die Exekutive in einer Hand ist, macht die Kontrolle
> dieser Exekutive einfacher. Wenn die Exekutive ueber mehrere Stellen

Nein - schwieriger. Je machtvoller ein Organ, desto schwieriger ist
es zu kontrollieren. Du kannst sicher deinem Gemeinderat leichter
auf die Finger schauen als deinem Wahlkreisabgeordneten im Bundestag.
Genauso kannst Du, wenn Du in einem Konzern arbeitest, deinem
Abteilungsleiter viel leichter auf die Finger gucken als dem
Geschaeftsfuehrer...


> aufgeteilt waere, wuerde es zu Kompetenzgerangel und Undurchsichtigkeiten
> kommen.
> Ich habe glaub' ich schon erwaehnt, dass die Polizei viele Aufgaben hat,
> die sie lieber nicht haette. Ich kann mir vorstellen, dass die Regelung
> des Verkehrs von anderen Stellen uebernommen wird. Z.B. unterliegt die
> Kontrolle des _stehenden_ Verkehrs ja auch dem Ordnungsamt und nicht der
> Polizei!
>
> >>Bis jetzt habe ich von Dir nur wueste Beschimpfungen und Anschuldigungen
> >>gehoert!
>
> >Wueste Beschimpfungen? Welche?
>
> Dass die Polizei willkuerliche Kontrollen durchfuehrt, dass sie
> Machtmisbrauch betreibt, um nur zwei zu nennen.

Willst Du behaupten, dass es keinerlei willkuerliche Kontrollen gaebe?


> Dass Du aich positive Erfahrungen mit der Polizei gemacht hast, lese ich
> in diesem Artikel zuerst!

Klar ist die Polizei nicht nur "schwarz"...
Manchmal sehe ich auch positive Auswirkungen der Polizei.
Nur: Sind die nicht substituierbar?


>
> [ ... ]
>
> >>Na, da wird sich sein Chef aber freuen! Du solltest Dich 'mal bei
> >>Frauenrechtlerinnen erkundigen, wie viele Arbeitgeber gluecklich sind,
> >>wenn Frauen so nach einigen Jahren ploetzlich zwischendurch aufhoeren um
> >>ein Kind zu bekommen. Der Arbeitsplatz wird ihnen aber garantiert, wenn
> >>sie wiederkommen wollen!

Das ist das Problem der profitorientierten Wirtschaft.
Darum: Wirtschaft nicht fuer den Profit, sondern fuer ALLE Menschen.


>
> >Die derzeitige Organisation der Arbeitsteilung ist ohne jeden
> >sinnvollen Grund so starr. Ich habe bis heute nicht begriffen,
> >weshalb die Arbeitgeber fuer jedes bisschen Flexibilitaet bei der
> >Personalplanung, das man von ihnen verlangt, so ein Gegreine
> >veranstalten. Sie fuerchten wohl, und das nicht zu Unrecht, dass
> >jedwede Abwechslung den Blick der Arbeitnehmer dafuer, dass es
> >auch andere als die in der Firma ausgetretenen Pfade gibt,
> >schaerfen koennte.
>
> Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, dass seine Investitionen
> hoechsten Ertrag bringen. Jede Art von Reibung, Schlupf oder Stillstand
> kostet ihn Geld.
> Wenn Du Dir selber aussuchen koenntest, welche Arbeit Du als naechstes
> tun wolltest, oder ob Du am naechsten Tag ueberhaupt noch da bist und
> nicht bei der Konkurrenz, waere eine vernuenftige Planung unmoeglich.
> Dein Arbeitgeber koennte Dir kein Vertrauen schenken, da Du ja schon
> morgen alle Geheimnisse bei der Konkurrenz ausplaudern wuerdest.

Man darf sich auch in einer hierarchiefreien Gesellschaft durch
Vertraege binden. ABER:
In einer hierarchiefreien Gesellschaft gibt es keine Hierarchie
Arbeitgeber-Arbeitnehmer.


> Kurse besuchen geht auch nicht, wer weiss, was Du morgen lieber machen
> wuerdest.
> Eine neue Taetigkeit, weil Dir Deine alte nicht mehr gefaellt, bedeutet,
> dass Du Dich dort einarbeiten musst. Du erbringst also keine oder nur
> sehr wenig Leistung.

Und das ist nur in EINER Wirtschaftsform schlecht.
Es ist dafuer eine Bereicherung des Lebens desjenigen, der eben
"alles mal mitbekommen hat".


>
> Und was ein "bisschen Flexibilitaet bei der Personalplanung" angeht, so
> empfehle ich Dir, Dich einmal mit der Geschichte der Industrialisierung
> auseinanderzusetzen. Bei mir ist es schon ein wenig her, dass ich mich
> damit beschaeftigt habe, aber frueher waren Dinge wie "paritaetische
> Mitbestimmung" Fremdwoerter.

Und wie einflussreich sind die Gewekrschaften heute, wo formell
paritaetische Mitbestimmung herrscht? Die nuetzt immer noch nix, da
der Geldgeber sowieso nur auf einer Seite sitzt. Und die Wirtschafts-
macht entscheidet eben auch WESENTLICH mit.


>
> Mir ist unklar, wieso Du beim Max-Planck-Institut arbeitest und nicht in
> einer Kooperative, wo doch Arbeitgeber Ausbeuter sind! Zeige Du doch mit

Kooperative werden nicht gefoerdert. Da bekommen Privatunternehmen
in herkoemmlicher Art weit mehr Subventionen als Kooperative.
Weiterhin nehmen in der Marktwirtschaft die Abnehmer natuerlich das
billigste Angebot.
Und in Geldkosten ist die herkoemmliche Organisation tatsaechlich
leistungsfaehiger. Nur ist sie menschlich nicht so leistungsfaehig,
aber diese Art der Leistungsfaehigkeit ergibt nichts zaehl (zahl-)
bares.

> anderen, wie's besser geht. Aber die Sicherheit, die Dir eine Stelle in
> einem konventionellen Unternehmen bietet, ist doch durch nichts zu
> ueberbieten.

Wie gesagt: In kapitalistischen Dimensionen tatsaechlich.


> Wenn Kooperativen so viel besser und effizienter Arbeiten, weil den
> Menschen dort das Arbeiten Spass macht, waehrend es mir hier keinen
> Spass machen darf (sonst bekaeme ich Abzuege fuer LUGAPs), dann muessten
> doch so langsam alle herkoemmlichen Unternehmen von den Kooperativen vom
> Markt verdraengt werden, oder?
>
> >>(_Das_ kann man uebrigens auch als "Gewalt"
> >>gegenueber dem Arbeitgeben betrachten)
>
> >Kann man, ja. Aber man muss hier mal festhalten, dass die
> >Arbeitgeber unter der Gewalt und Kraft, die in unserem System
> >insgesamt ausgeuebt werden, erheblich weniger zu leiden haben als
> >die Arbeitnehmer.
>
> Na, das darfste aber duU nicht erzaehlen. Ich sitze hier relativ
> trocken, die aber haben ganz schoen zu kaempfen.
>
> >Loesen kann man dieses Problem, indem man zu konsequenterweise
> >die Hierarchie in der Arbeitswelt abbaut. Dann wird weniger
> >"Gewalt" von Arbeitnehmern auf Arbeitgeber, und auch weniger
> >"Gewalt" von Arbeitgebern auf Arbeitnehmer ausgeuebt, bis man
> >diese sinnlose Trennung schliesslich ganz beseitigt hat.
>
> Na ja, das ist Traumwelt. Sorry, aber ich kann's nicht anders
> bezeichnen.

Der Beweis steht aus, dass dies unmoeglich waere.


> Wie ich schon mal geschrieben habe, gibt es unter n Mitarbeitern
> _mindestens_ n Meinungen darueber, was am Besten zu tun sei.
> Darueberhinaus stehen die Interessen der Arbeitnehmer zum groessten Teil
> denen der Arbeitgeber diametral gegenueber.
> Der Arbeitnehmer moechte ein Riesengehalt, das seinen "Faehigkeiten" und
> seiner Leistung voll entspricht, moeglichst viel Freizeit und moeglichst
> wenig Einmischung in seine Taetigkeit.
> Der Arbeitgeber moechte einen Riesengewinn, der seine Investitionen
> lohnenswert macht, Arbeitnehmer die ihre Leistung 100% dem Unternehmen
> zur Verfuegung stellen und absolute Kontrolle ueber seine Leute.
>
> Der "Riesengewinn" (== Ertrag - Gehaelter und andere Kosten) dient
> verschiedenen Zwecken:
> - Entlohnung der Geldgeber (Dividende, Zinsen, ...)

Sind Zinsen ethisch gerechtfertigt?
Noch im Fruehkapitalismus wurde das Nehmen von Zinsen als
unchristlich bezeichnet und daher den Juden vorbehalten.


> - Ruecklagen fuer schlechte Zeiten (letztes Jahr bei uns 500Mio Miese)
> - Ruecklagen fuer Kosten der Zukunft (Betriebsrenten)
> - Neue Investitionen (neue Gebaeude, Entwicklungen)
>
> [ ... ]
>
> >>Also, 2% Gewinn mache ich anderswo auch und noch viel mehr!
> >>Warum also vermieten?
>
> >Naja, bei allem, was so viel Gewinn bringt, gibt es jemanden, auf
> >dessen Kosten dieser Gewinn gemacht wird. Bei Firmengewinnen sind
> >dies z.B. die Arbeiter. Im Zuge einer Umgestaltung der Wirtschaft
> >in Richtung mehr Gerechtigkeit (soziale und sonstige) und weniger
> >Hierarchie wuerden die Gewinnmoeglichkeiten mit anderen
> >Anlagemoeglichkeiten also auch verschwinden.

Und die, die Gewinn machen koennen werden verschwinden, da solche
Trennungen wie Arbeitgeber/Arbeitnehmer auch aufgehoben werden sollen.

..stuff (Diskussion ueber den genauen Betrag des gerechtfertigten
Gewinns beim Vermieten) deleted.


> Und was die "vermeintlichen Mechanismen der Marktwirtschaft" angeht, so
> sind die Basisprinzipien "Angebot und Nachfrage". Die sind nicht
> "vermeintlich", sondern real. Wenn ich etwas habe, und viele andere
> moechten es auch haben, so kann ich dafuer einen hoeheren Preis
> verlangen, als wenn nur wenige es haben wollen. Und zur Zeit ist eben
> ein Mangel an Wohnraum. Als es noch ein Ueberangebot gab, waren Mieten
> niedrig. Da hat auch keiner gemeckert (ausser den Vermietern
> natuerlich)!

Markt funzt nur, wenn Konkurrenz da ist. Aber in einigen Sparten gibts
die de fakto nicht mehr.
..stuff deleted.
(in Sachen Mietwucher: s.o.)


> >Um dies vielleicht klarzustellen: Die konkreten Vorschlaege
> >verstehen sich eben gerade so, dass sie auch ohne die
> >Voraussetzung einer vollstaendig hierarchiefrei umstrukturierten
> >Gesellschaft realisierbar sind. Politisch durchsetzbar sind sie
> >aber wohl kaum :-(((
>
> Sie sind einfach nicht realisierbar!

Beweis...

Hier wird mit Behauptungen hin und herdiskutiert.
Keiner bringt einen Beweis.
Ich will mal eine untermauerte Behauptung bringen in Sachen
Kapitalismus:
Das hat so nicht geklappt.
Grund: Die durch den Kapitalismus angeheizte Verschwendung unserer
(ALLER Menschen) Ressourcen wird uns, wenn wir sie nicht schnell
beenden, unsere Lebensbedingungen EXTREM verschlechtern.
.. stuff deleted.


> Punktuell auf Fehler des Systems zu zeigen, und fuer diese Punkte
> Alternativen aufzuzeigen, ist einfach. Ein Globalkonzept zu entwickeln,
> das von allen mitgetragen wird und vor allem realisierbar ist, ist
> schwierig, wenn nicht unmoeglich.

Dito umgekehrt...


> Du kannst nicht sagen: Da und da und da ist unser System schlecht,
> deshalb muss es geaendert werden. Fast jedes System hat seine Vor- und
> Nachteile, sei es hierarchich oder hierechielos, sei es gewaltsam oder
> gewaltfrei. Es kommt letztlich auf das an, was unter'm Strich
> herauskommt. Und da faehrt unser System, mit allen Unzulaenglichkeiten,
> eben besser als so manches andere.
> Auch wenn fuer den eine oder anderen das nicht so ausschaut. Du beklagst
> Dich, dass 80% der Bevoelkerung 20% ihre Gesellschaftsform aufzwingt, im
> gleichen Atemzug forderst Du aber, dass diese 80% die Gesellschaftsform
> der 20% uebernehmen muessen, weil diese 20% der Meinung sind, dass es
> besser ist.

Wir zwingen die 80% nicht dazu hierarchiefrei leben zu lassen.
Nur sollen SIE uns 20% mit ihrer Hierarchie in Ruhe lassen.
Ich hab nie zugestimmt, die deutsche Staatsbuergerschaft zu erwerben.
Ich hab dem Grundgesetz nie zugestimmt.
Ich hab den Polizeigesetzen nie zugestimmt.
(ich hab nicht mal darueber abgestimmt... -- bin grad 18)
Wenn ich geboren werde, gelten ueber mich Gesetze, an deren
entstehung ich nicht mitgewirkt habe - Demokratie??
..stuff (Diverse Vorwuerfe) deleted.


> >Wieder mal ein Fall von unbegruendeter Gleichsetzung von
> >Organisation und Struktur mit Hierarchie.
>
> Hierarchie _ist_ eine Organisationsform bzw. Struktur. Entweder ich

eine von x moeglichen. Also nicht unbedingt die beste.
Du darfst einen Teil (also eine Moeglichkeit) nicht mit dem Ganzen
(Organisationsform) gleichsetzen.


> kontrolliere jemanden, und dann stehe ich per Definition ueber ihm, oder
> ich stehe auf gleicher Stufe, dann kann ich ihn nicht kontrollieren.
> Und wenn ich mir eine Gruppe Menschen so vorstelle (10, 100, 1000, 84 Mio,
> 3 Milliarden), so erzaehle mir doch bitte, welche Alternativen es gibt,
> ausser:
> - Alle Menschen stehen auf der gleichen Stufe und
> - Einige stehen hoeher als andere.
> Und in unserer Staatsform steht letztlich eben wieder das Wahlvolk ueber
> unserem Bundeskohl und waehlt ihn ab, wenn er's zu dumm treibt. So ist

Wie waehle ich JETZT den Kanzler ab?
Antwort garnicht, selbst wenn 80 Mio mit mir einverstanden waeren.


> es gedacht, so wird's gemacht, aber es wird eben immer wieder von den
> Machthabern pervertiert, z.B. indem man "alles oder nichts" nehmen muss.

..stuff deleted.


> Weil es eben "Hierarchiefreiheit" nicht geben kann, bei x Millionen
> Menschen!

Beweis steht aus.


> >>Ob wir hierarchiefrei leben koennen, wage ich auch zu bezweifeln.
> >>Das faengt bitte bei so Dingen wie "Feuerwehr" an. Wenn da nicht einer
> >>den Ueberblick behaelt und Befehle schreit, ...
>
> >Koordination und Arbeitsteilung haben nichts mit Hierarchie zu
> >tun. Jemand, der einen Feuerwehreinsatz koordiniert muss nicht
> >hierarchisch ueber den anderen Feuerwehrleuten stehen,
> >ebensowenig wie jemand, der einen aus einer Parkluecke winkt,
> >hierarchisch ueber dem Ausparkenden stehen muss.
>
> Doch, er muss Anweisungen geben und diese Anweisungen muessen befolgt
> werden, bei der Feuerwehr sogar, ohne grossartig darueber nachzudenken.
> Auch bei jemandem, "der einen aus einer Parkluecke winkt", hat
> derjenige, der winkt Macht ueber den anderen, wenn auch nur fuer kurze
> Zeit, und mit der ausdruecklichen Zustimmung des Autofahrers. Der
> Autofahrer gibt sich voellig in die Haende des anderen, weil er selbst
> den Ueberblick nicht hat. Der andere kann jetzt immer nur "Noch ein
> Meter" rufen, bis es kracht! Der Autofahrer begibt sich in voellige
> Abhaengigkeit zum Winker! Er folgt dessen Anweisungen, weil er ja aus
> der Parkluecke herauswill.

Der Unterschied: dem Hauptmann unterwerfe ich mich freiwillig und
fuer begrenzte Zeit.
Dem, der mich einweist (herauswinkt) unterwerfe ich mich genauso
freiwillig und noch kurzzeitiger.
Ausserdem dient hier die "Macht" wirklich einem konkreten,
offensichtlichen gemeinsamen Nutzen.
..stuff deleted.


> | Josef Moellers | c/o Siemens Nixdorf Informationssysteme AG
|
> | USA: molle...@sni-usa.com | Abt. STO-XS 113 | Riemekestrasse
|
> | !USA: molle...@sni.de | Phone: (+49) 5251 835124 | D-4790 Paderborn
|

MfG, Felix
Felix Schroeter - uk...@ibm3090.rz.uni-karlsruhe.de

>>>>> Hierarchical systems are for files, not for humans <<<<<

Josef Moellers

unread,
Nov 17, 1992, 4:57:09 AM11/17/92
to

>Zunaechst was Organisatorisches: Ich bin leider infolge
>irgndwelcher Probleme beim Umzug des Rechners, auf dem ich news
>lese, zeitweise an der Verfolgung derselben gehindert worden.
>Daher an dieser Stelle nochmal die Bitte, mir zu sagen, wo ich
>eine ftp-Halde oder einen Mailserver finden kann, der alte
>Usenet-Artikel im Angebot hat.
>Da ich an diesem thread besonders interessiert bin, bitte ich
>alle, die privat postings daraus aufbewahrt haben, mir eine Liste
>von diesen zu mailen, oder einfach die Postings selbst, wenn's
>nicht zuviel ist.

>>In <1992Nov5.1...@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:

Neenee, das war ich!

>>Nach der o.g. Definition fuehrt "Gewalt" dazu, dass man das, was mach tun
>>moechte, nicht tun kann. Nach John F. Hahn [An introduction to
>>Psychology] ist dies (Grund fuer) Frustration. Folgen der Frustration
>>kann u.a. Agression sein, die wiederum zu Gewalt fuehrt.

>>Jan Kim hat nun die These aufgestellt, dass "Alle Gewalt geht vom Staate
>>aus", bzw. von den Machthabern, so dass die Gewalt ausstirbt, nimmt man
>>den Machthabern erst einmal ihre Faehigkeit, Gewalt auszuueben, aehnlich
>>wie Wasser sich im Sande verlaeuft.

>Ich habe nicht gesagt, dass *alle* Gewalt vom Staat und
>irgendwelchen Machthabern auf andere Menschen ausgeuebt wird.
>Natuerlich kann Gewalt auch von Menschen, die unten auf den
>Hierarchieleitern stehen, ausgeuebt werden. Wenn sie sich dabei
>zusammentun, kann das sogar sehr deutlich spuerbar werden, wie
>z.B. bei dem OeTV-Streik im Fruehjahr dieses Jahres.

Du suggerierst aber immer wieder, auch in diesem Posting, dass die von
einer Hierarchie ausgehende Macht und Zwaenge Hauptursache fuer
Frustration und Aggression sind.

>Es ist aber definitiv so, dass Menschen, die an der Basis
>hierarchischer Strukturen stehen, mehr Gewalt ausgesetzt sind als
>solche, die oben stehen, und dass die Obenstehenden mehr Macht
>auf andere ausueben als die an der Basis Stehenden. Wenn man nun
>eine hierarchieaermere Organisation anstrebt, muessen die Oberen
>in staerkerem Masse auf den Einsatz von Macht, Kraft oder Gewalt
>verzichten als das Fussvolk.

Stimmt eigentlich soweit.

>Da Gewalt aber nicht ausschliesslich von oben nach unten
>ausgeuebt wird, waere es auch dumm, zu glauben, man brauche nur
>die Maechtigen zu entmachten und schon habe man ein (fast)
>gewaltfreies menschliches Miteinander. Anders als Josef Moellers
>glaube ich aber nicht, dass hierarchische Strukturen die
>*einzige* Moeglichkeit sind, die menschliche Gesellschaft zu
>organisieren.

Dann komm' doch endlich 'mal mit einem konkreten Gegenvorschlag!
Ich habe in einem anderen Posting auch schon dazu aufgerufen, mir doch
einmal ein Volk zu benennen, das hierarchiefrei gelebt hat.
Du sagst immer: "Es geht auch anders" und gibst einige Beispiele, wo es
in bestehenden System knackt. Wenn ich in die Vergangenheit sehe, finde
ich kein Volk, das ohne Hierarchie (Haeuptling, Aeltestenrat)
ausgekommen ist. Und ich suche immer noch nach einer Organisationsform,
die nichthierarchisch ist.

> Sie sind *eine* Moeglichkeit, und sie haben
>entscheidende Nachteile:
>1. Hierarchie beinhaltet immer massive Beschraenkungen
>menschlicher Freiheit. Setzt man voraus, dass groesstmoegliche

^^^^^^^^^


>Freiheit fuer alle Menschen ein durch die Ethik gefordertes
>Handlungsziel ist, ist dies ein hierarchischen Strukturen
>inhaerenter Widerspruch zu diesem Ziel.

Du schreibst selber "groesstmoegliche" Freiheit. Wieviel Freiheit ist
denn "moeglich", ohne den anderen wiederum in seiner Freiheit zu
beschraenken? Wer legt das fest? Nur auf die Toleranz und Solidaritaet
zu vertrauen ist mir etwas zu vage.
Um ein umstrittenes Thema zu nehmen: Die Freiheit des einen, Zigaretten
zu rauchen ist eine Beschraenkung der Freiheit des anderen, den Gestank
und die Gesundheitsgefaerdung nicht ertragen zu muessen. Und umgekehrt!

Ich sehe da in Hierarchien keinen inhaerenden Widerspruch. Eine
Hierarchie kann durchaus sinnvoll sein, um das Nebeneinander und
Miteienander der Leute zu regeln, um _jedem_ ein groesstmoegliches Mass
an Freiheit zu ermoeglichen. Ob und wieweit "wir uns" von diesem Ziel
wieder entfernen, darueber koennen wird noch diskutierten und ich werde
Dir da wohl mehr zustimmen als hier. Aber Hierarchie grundsaetzlich zu
verdammen, ...

>2. Unabhaengig davon hat die Freiheitseinschraenkung den
>Nachteil, dass sie bei den Menschen zu Frustration und
>Aggressivitaet fuehrt. Versucht man, diese Aggressivitaet
>wiederum mit Mitteln der Hierarchie zu kontrollieren,
>laeuft man Gefahr, einen Teufelskreis zu schliessen.

S.o. Du stellst Freiheitseinschraenkung als Hauptgrund fuer Frustration
und Aggression hin. Ich habe in meinem anderen Posting versucht
darzulegen, dass es eine Vielzahl anderer Gruende gibt, und dass nicht
jede Frustration zu Aggression und damit zu (Gegen-) Gewalt fuehren
muss.

>3. In Hierarchien tritt das Bestreben zum Erhalt und Ausbau der
>eigenen Position in Konkurrenz zu dem Bestreben, an der jeweils
>m.o.w. sinnvollen Aufgabe der Organisation zu arbeiten. Dadurch
>werden in erheblichem Masse kreative menschliche Energien
>beansprucht, die dann nicht fuer die Arbeit an der Aufgabe der
>Organisation zur Verfuegung stehen.

Dem steht eine Gesellschaftsform entgegen, in der jeder seine Freiheit
selber erstreiten muss. In der er staendig aufpassen muss, ob er nicht
die Freiheit eines anderen verletzt. In der er staendig aufpassen muss,
dass nicht ein andere seine Freiheit einschraenkt. In der er auch
staendig nachweisen muss, dass der andere gerade seine Freiheit
einschraenkt.
In unserer Gesellschaftsform geben die "ueber uns stehenden" die Grenzen
der Freiheit vor. Damit ist klar, in welchem Rahmen wir uns bewegen
duerfen und wir koennen uns mehr unserer eigentlichen Aufgabe widmen.

Viele derer, die bei uns in der Hierarchie ueber uns stehen, muessen
ihren Platz in der Hierarchie durch Leistung sichern. D.h. sie muessen
gute Arbeit leisten, wollen sie ihre Stellung behalten.
In unserer Firma muessen also meine Vorgesetzten unsere Arbeit so
planen, dass am Ende ein gut vermarktbares Produkt herauskommt. Das
sichert meinen Arbeitsplatz und damit mein Einkommen und letztlich ein
Stueck meiner Freiheit.
In unserer Regierung muessen die "Volksvertreter" so regieren, dass sie
bei der naechsten Wahl wiedergewaehlt werden. Wiedergewaehlt werden sie
aber nur, wenn sie das getan haben, wass das Wahlvolk in der Mehrheit
wuenscht. (Dies kann natuerlich zu Problemen fuehren, wenn sich z.B.
unter der Bevoelkerung eine steigende Auslaenderfeindlichkeit bemerkbar
macht)

>4. Es gibt keine Moeglichkeit, die hierarchischen Positionen
>durch irgendwelche Rotationssysteme so unter den Menschen zu
>verteilen, dass die mit ihnen verbundenen Ungerechtigkeiten sich
>im zeitlichen Mittel ausgleichen. Daher ist hierarchischen
>Strukturen ein gewisses Mass an Ungerechtigkeit immanent.

^^^^^^^^

Auch hier wieder eine Relativierung: "gewisses" Mass.
Jede Organisationsform mit _realen_ Menschen beinhaltet ein "gewisses"
Mass an Ungerechtigkeit. Zeige mir eine Organisationsform, die keine
Ungerechtigkeit beinhaltet. In einer Hierarchie bist _Du_ es vielleicht,
der ungerecht behandelt wirst, in einer anderen Organisationsform bin
_ich_ es vielleicht.

>Alle diese Punkte sprechen dafuer, die derzeitige hierarchische
>Organisation der menschlichen Gesellaft nicht als unabaenderlich
>hinzunehmen und die damit verbundenen Uebel als unvermeidlich zu
>akzeptieren, sondern vielmehr nach nichthierarchischen
>Alternativen zu suchen. Insbesondere aufgrund des Unrechts, das
>hierarchischen Strukturen immanent ist, kann es ethisch kein
>Recht geben, die Suche nach Alternativen zu behindern oder zu
>verbieten.

Dem stimme ich zu. Nur, wie bereits mehrfach erwaehnt, bitte ich doch um
Beschreibung einer Organisationsform, die alle Nachteile beseitigt.

Also, diese "Reihe von Instanzen kompetenter Moderatoren" werden sich
dann ganz schnell zu den uns bekannten "Gerichten" entwickeln. Und die
"nichthierarchisch organisierte Gruppe" sieht mir wie eine "Polizei"
aus.
Mir ist es naemlich wurscht, ob der Polizist, der den Einbruch in meinem
Haus aufklaert, oder fuer mich bei meinen Nachbarn interveniert,
keinen, einen oder viele Vorgesetzte hat. Er muss Macht haben, um die
Entscheidungen, die die Moderatoren gefunden haben, durchzusetzen.
Und auch die Moderatoren muessen Macht haben, Entscheidungen zu finden,
die fuer einzelne unpopulaer und damit ungerecht, fuer die Gemeinschaft
aber foerderlich und unter dem Strich gerecht sind.

>2. Eine andere Klasse von Menschenbildern sieht Triebe und
>Emotionen als einzige Triebfeder fuer menschliches Handeln an.
>Das rationale Denken wird danach immer von den Emotionen
>instrumentalisiert, aber es kommt eben darauf an, welche
>Emotionen dominieren.
>Unter dieser Annahme muss man natuerlich alles vermeiden, was
>negative Emotionen, wie Frustration und Aggression ausloest. Eine
>sinnvolle Organisation sollte also mit so wenig Krafteinsatz wie
>moeglich auskommen und die Menschen hauptsaechlich durch das
>Ansprechen der positiven Emotionen motivieren.

Wieder: die Organisationsform ist Hauptverursacher von Frustrationen.

Ich halte dem gegenueber, dass, wenn Triebe und Emotionen einzige
Triebfeder sind, es eine unabhaengige Instanz geben muss, die die Triebe
und Emotionen soweit in sinnvolle Bahnen lenkt, dass von ihnen kein
Schaden ausgeht.

>3. Ein weiteres, meiner Ansicht nach veraltetes Menschenbild
>nimmt an, dass der Mensch von Natur aus stark aggressiv veranlagt
>ist. Mit diesem Menschenbild kommt man natuerlich um das Problem,
>dass Hierarchie Aggressivitaet ausloesen kann, herum. Allerdings
>hat man damit noch keinen Schritt in Richtung eines Arguments
>*fuer* eine hierarchische Organisation der menschlichen
>Gesellschaft gemacht.

Dieses Menschenbild lehne ich ab. Ich gehe von dem Menschenbild aus,
dass der Mensch von Natur aus alle Richtungen in sich hat: Kreativitaet,
Toleranz, Solidaritaet, Liebe aber auch Agression, Furcht, Hass, Neid,
Eifersucht (und viele mehr). Und je nach der Situation und der Historie
reagiert man mal so mal so.

>>Dass ein Mensch beliebig formbar ist, und damit seine
>>Frustrationstoleranz beliebig hoch schraubbar ist, wird allgemein
>>abgelehnt. Diese These wurde etwa zwischen den beiden Weltkriegen von
>>den Behaviouristen vertreten, inzwischen aber von den Ethologen
>>verworfen und hat einer Instinkt-Theorie Platz gemacht.

>Meines Wissens hat in diesem thread niemand behauptet, der Mensch
>sei beliebig formbar, weder explizit noch implizit. Ich habe
>lediglich darauf hingewiesen, dass, von der Warte bestimmter
>ethologischer und psychologischer Theorien aus betrachtet, die
>hierarchische Strukturen als Ausloeser eines Grossteils der
>Gewalttaetigkeit von Menschen in Frage kommen, und dass damit die
>These, Hierarchie schuetze vor menschlicher Gewalt, fragwuerdig
>ist.

Ich habe auch nie behaupte, dass jemand behauptet habe ...
Nur, _ich_ habe angedeutet, dass Gewalt auch ohne Hierarchie auftritt.
Und dass eine der Aufgaben von Hierarchie ist, den Menschen objektiv
aufzuzeigen, wie weit sie in ihrer Gewalt gehen duerfen, bzw. wenn sie
zu weit gegangen sind, objektiv den Sachverhalt zu pruefen und "Recht zu
sprechen".
Ich stelle die These auf, dass Hierarchie auch Gewalt der Menschen
untereinander verhindert, indem sie Richtlinien fuer das Leben
miteinander aufstellt. Richtlinien an die sich alle zu halten haben.
Und dann steht die Frage im Raum: gibt es ohne Hierarchie mehr oder
weniger Gewalt?
Dies betrachtet Hierarchie aber nur vom Aspekt der Gewalt heraus.
Hierarchie hat ja auch noch andere Funktionen.
Ich denke da nur an die Tendenz der Menschen, fuer sich selbst
Schwerpunkte zu setzen, bei denen eben _nicht_ das Gemeinwohl im
Vordergrund steht (die aber auch nicht _gegen_ das Gemeinwohl gerichtet
sind). D.h. Hierarchie als "Dienstleistung". Hierarchie als
"Verwaltung".
Willst Du Hierarchien abschaffen, so muss jede Entscheidung vom Volke
getroffen werden. In dem Augenblick naemlich, in dem Du ein
Entscheidungsgremium einsetzt, muss dieses Gremium Macht haben, seine
Entscheidungen durchzusetzen. Nur ist es mir wurscht, ob ein Bewohner am
anderen Ende unseres Dorfes in seimen Garten eine Garage bauen darf,
oder nicht. Das gilt natuerlich nicht fuer das Haus Gartenstrasse 7,
weil ich gerade versuche das Haus Gartenstrasse 5 zu kaufen, und dann
haette ich eine Garage direkt vor meiner Terasse.

Das mit der "beliebig formbar"keit zielt natuerlich auch in die Richtung
einer gewaltlosen, hierarchiefreien, _solidarischen_ Gesellschaft. Du
muesstest alle Menschen zu solidarischen Wesen formen, damit keiner
versucht, den anderen zu uebervorteilen. Hass, Neid, _Egoismus_, all das
darf es nicht mehr geben. Aber auch nicht Liebe, denn wie viel Unrecht
geht nicht von Liebe aus? Wenn Liebe nicht erwidert wird.
Ich habe eben meine Probleme, mir eine Gesellschaft in unserer
Groessenordnung vorzustellen, die ohne "oben" und "unten" auskommt. Die
auskommt ohne eine (gewaehlte) Koerperschaft, die Regeln fuer das
Nebeneinander und Miteinander aufstellt. Nur darauf zu vertrauen, dass
die Menschen "solidarisch" miteienander umgehen, heisst, den idealen
Menschen vorauszusetzen und dieser ist eben nicht erzeugbar!

>>[ Das Folgende ist ein Auszug aus: John Beloff, Psychological Sciences,
>>A Review of modern Psychology]:
>>Diese sieht Agression, genauso wie den Sexualtrieb, als Instinkt, wobei
>>erstaunliche Parallelen, vor allem bei den Maennern, zwischen den beiden
>>existieren. So kann man zeigen dass das Hormon, das das sexuelle
>>Verhalten bestimmt, auch fuer agressives Verhalten (mit-)
>>verantwortlich ist. Es ist klar, dass dem sexuellen Verhalten ein klar
>>erkennbares Ziel zugrundeliegt, das des Erhaltes der Art. Einerseits
>>kann agressives Verhalten als Ueberbleibsel aus der Zeit betrachtet
>>werden, als man noch sein Grundgebiet verteidigen musste, oder im Stamm
>>seinen Platz in der Hierarchie. Damit haette Agression in der modernen
>>Gesellschaft nur noch destruktiven Charakter.

>Da frage ich mich, seit wann die Zeit, in der man seinen Platz in
>der Hierarchie durch Aggressivitaet verteidigen musste, denn
>vorbei? Seit wann muss ein Vorgesetzter keine "Autoritaet" mehr
>verbreiten? Seit wann gibt es keinen Sexismus und sonstiges
>"Mobbing" mehr am Arbeitsplatz?

Alles destruktiv, so wie Beloff es schreibt!

Du sagst, dass man Agressive Handlungen nicht unter Strafandrohung
verhindern kannst, gibst aber das Beispiel, dass jemand dich zu einer
nicht-aggressiven Handlung zwingt.
Die aggressiven _Instinkte_ wird man auch wohl kaum bekaempfen koennen.
Wir kommen nicht in die Koepfe und Gefuehle unserer Mitmenschen hinein.
Was wir aber tun koennen ist, die Gewalt, die durch die aggressiven
Instinkte entsteht, durch Androhung von Gegen-Gewalt einzudaemmen.
Dass man nicht stehlen darf, ist klar, oder? Kein normal denkende
Mensch stiehlt! Und wenn es einer doch tut? "Sechs Wochen Arbeit
waehrend der Freizeit in einer karitativen Einrichtung" ist sehr
sinnvoll, fuer den Taeter aber letztendlich eine Strafe.
Ich habe mehrfach meine eigene Familie als Beispiel genommen. Ich
versuche auch immer wieder, Regeln zu begruenden. Mein Standardbeispiel
ist: "Geh' nicht ohne _gut_ zu gucken ueber die Strasse". Warum? Weil
sonst ein Auto kommt und Dich ueberfaehrt! Strafandrohung bringt nix,
denn dann tut er's wenn er meint, dass ich es nicht sehe!
Was tut man aber mit jemandem, der gemerkt hat, dass es so, wie er es
tut, viel einfacher und bequemer ist, obwohl er damit anderen schadet?
Beispiel: Buergersteig-Parker! Wir haben lange versucht, mit witzigen,
teils lustigen, Zetteln, die Leute vom Buergersteig auf die Strasse zu
bekommen. Resultat: Wir fanden eines Morgens etwa 20 unserer Zettel in
unserem Briefkasten! Als sich das Ordnungsamt dann mal bequemt hat,
jemanden zur Kontrolle vorbeizuschicken, hatten wir einige Wochen leere
Buergersteige (Strafe: etwa 30 DM). Jetzt stehen sie wieder!

>>Man nimmt an, dass beim
>>Menschen, wie auch bei anderen Arten, Bosheit und Kampf ebenso wie Panik
>>und Flucht instinktive Reaktionen sind.
>>Agressivitaet als instinktive Reaktion bedeutet aber nicht, dass wir
>>alle jetzt potentielle Moerder sind. Ebensowenig wie wir alle, trotz unseres
>>Sexual-Instinkts, potentielle Vergewaltiger sind. Wenn unsere
>>Frustrationstoleranz nur niedrig genug ist, werden wir zu agressiven
>>Handlungen faehig, ebenso wie jemand, der sexuell ausgehungert ist,
>>eher durch erotische Dinge stimuliert wird, die fuer "normale" Menschen
>>nur schwach stimulierend wirken.

>>Fazit: Gewalt erzeugt Gegengewalt. Jedoch gibt es neben der stattlichen
>>(oder machterhaltenden) Gewalt noch andere Ausloeser fuer Gewalt, die
>>jenseits unseres Einflusses liegen.
>>Das Ziel einer "gewaltlosen Gesellschaft" ist also eine Utopie, die nie
>>erreicht werden kann.

>Stimmt. Aber wenn man annimmt, dass Frustration, Aggression und
>Gewaltbereitschaft durch Zwang, Gewalt und Krafteinsatz
>ausgeloest werden, muss man anstreben, diese Ausloeser soweit wie
>moeglich einzudaemmen. Da Hierarchien sich auf den Einsatz von
>Kraft als Hauptinstrument zur Motivation der Menschen stuetzen,
>heisst dies, dass man nach alternativen Moeglichkeiten zur
>Organisation der menschlichen Gesellschaft suchen muss.

Ich nehme an, dass Frustration und Aggression durch viele Dinge
ausgeloest werden koennen. "Persoenliches Unvermoegen" war eines davon.
Du sprichst sofort wieder von "Zwang, Gewalt und Krafteinsatz".

Und dass "Hierarchien sich auf den Einsatz von Kraft als Hauptinstrument
zur Motivation der Menschen stuetzen" ist eine These, die wohl nur Du
vertrittst. Hierarchien koennen auch durch Einsatz von Belohnung und
Anerkennung motivieren. Motivation ist voellig unabhaengig von der
Organisationsform. Die moderne Organisationslehre kennt _viele_ Formen
von Motivation.
Andererseits ist der Mensch erst einmal traege. Warum sollte er etwas
tun? Hierachisch oder hierarchielos! D.h. es ist grundsaetzlich Kraft
noetig, den Menschen zu etwas zu bewegen. Das kann eine abstossende
Kraft sein (Strafandrohung, Androhung von Liebesentzug oder dem Entzug
von Anerkennung, Privilegien) oder eine anziehende (Belohnung, Liebe,
Anerkennung).

>Dies muss nicht heissen, dass jeder aktiv Hierarchie abbauen
>muss. Wer fuer sich eine Moeglichkeit findet, innerhalb der ihn
>umgebenden hierarchischen Strukturen sinnvoll zu leben und zu
>handeln, hat alles Recht, das zu tun. Aber wer anderen Menschen
>die Suche nach gedachten, gesprochenen *und* gelebten
>Alternativen verbieten will, der hindert sie daran, ihre eigene
>Menschlichkeit zu finden.

Deine These am Anfang dieses Threads war, dass es einem Teil der
Bevoelkerung gestattet sein muss, sich vom Rest abzukoppeln und nach
seiner Facon gluecklich zu werden, a la "Freie Republik Wendland".
Dem habe ich widersprochen und behauptet, dass wir dies nicht zulassen
koennen. Schon aus Gruenden der Gleichheit aller nicht.

Daraus ist eine Diskussion ueber die (Vor- und) Nachteile unseres
hierarchischen Systems entstanden mit der Frage, ob es anders geht.
Ich habe immer wieder behauptet, und stehe noch dazu, dass es nicht
anders geht.

Deine Vorstellung ist, dass Du glaubst, dass Du Dich nicht mehr an die
bestehenden Gesetze halten brauchst, weil sie Deinem Empfinden
widersprechen. Es gibt viele andere, die dies auch glauben, und sogar
Steine werfen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Du darfst Deine Alternativen denken, sprechen und leben, aber nur im
Rahmen der bestehenden Ordnung. Wenn Du damit diese Ordnung veraenderst,
hast Du Glueck. Ich wuensche Dir dieses Glueck!

Felix Schroeter

unread,
Nov 17, 1992, 8:52:36 AM11/17/92
to
Jan T. Kim schreibt:
..stuff deleted.
(Ich bin im wesentlichen mit dem geloeschten einverstanden...)

> 3. Ein weiteres, meiner Ansicht nach veraltetes Menschenbild
> nimmt an, dass der Mensch von Natur aus stark aggressiv veranlagt
> ist. Mit diesem Menschenbild kommt man natuerlich um das Problem,
> dass Hierarchie Aggressivitaet ausloesen kann, herum. Allerdings
> hat man damit noch keinen Schritt in Richtung eines Arguments
> *fuer* eine hierarchische Organisation der menschlichen
> Gesellschaft gemacht.
Das ist eher ein Argument GEGEN hierarchische Gesellschafts-
strukturen.
Wenn jeder stark aggressiv ist, ist auch ein Regierender, also
einer, der in der Hierarchie oben steht, stark aggressiv.
Nur sind die Folgen der Aggressivitaet eines hierarchisch
hochstehenden viel umfassender als die Folgen der Aggressivitaet
eines "Normalsterblichen", also eines Menschen, der entweder
hierarchisch weit unten steht oder gar in einer hierarchie-
armen/-freien Gesellschaft lebt.
..stuff deleted.

> Stimmt. Aber wenn man annimmt, dass Frustration, Aggression und
> Gewaltbereitschaft durch Zwang, Gewalt und Krafteinsatz
> ausgeloest werden, muss man anstreben, diese Ausloeser soweit wie
> moeglich einzudaemmen. Da Hierarchien sich auf den Einsatz von
> Kraft als Hauptinstrument zur Motivation der Menschen stuetzen,
> heisst dies, dass man nach alternativen Moeglichkeiten zur
> Organisation der menschlichen Gesellschaft suchen muss.
Noch ein Aspekt wurde durch mein Posting zum Begriff der Gewalt
(Re: Staatsethik vom Freitag, den 6.11.92) deutlich, naemlich dass
es ausser der individuellen, taetlichen Gewalt auch die strukturelle
Gewalt gibt. Bitte nachlesen. Guck, dass Du das Posting irgendwoher
bekommst, da das RePosten hier extrem umstaendlich ist.
(MVS auf ner IBM3090 :-/)
Nur wenn unbedingt noetig kannst Du ein RePosting anfordern...
(Mail an mich oder in die NG...)

>
> Dies muss nicht heissen, dass jeder aktiv Hierarchie abbauen
> muss. Wer fuer sich eine Moeglichkeit findet, innerhalb der ihn
> umgebenden hierarchischen Strukturen sinnvoll zu leben und zu
> handeln, hat alles Recht, das zu tun. Aber wer anderen Menschen
> die Suche nach gedachten, gesprochenen *und* gelebten
> Alternativen verbieten will, der hindert sie daran, ihre eigene
> Menschlichkeit zu finden.
100% einverstanden. Wenn schon 80% hierarchisch leben WOLLEN,
dann sollen die uns 20 % trotzdem suchen lassen...

>
> Greetinx, Jan
>
> +- Jan Kim -- X.400: S=kim;OU=vax;O=mpiz-koeln;P=mpg;A=dbp;C=de -+
> | Internet: k...@vax.mpiz-koeln.mpg.dbp.de |
> | |
> *----=< hierarchical systems are for files, not for humans >=-----*
Ich hoffe, Jan Kim hat nix dagegen, wenn ich seinen Spruch kopiere :-)
MfG, Felix.

Felix Schroeter

unread,
Nov 17, 1992, 10:42:30 AM11/17/92
to
Josef Moellers schreibt:
> >>In <1992Nov5.1...@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK1O@DKAUN
I2

> .BITNET> writes:
>
> Neenee, das war ich!
Kann ich bestaetigen.

> Dann komm' doch endlich 'mal mit einem konkreten Gegenvorschlag!
> Ich habe in einem anderen Posting auch schon dazu aufgerufen, mir doch
> einmal ein Volk zu benennen, das hierarchiefrei gelebt hat.
> Du sagst immer: "Es geht auch anders" und gibst einige Beispiele, wo es
> in bestehenden System knackt. Wenn ich in die Vergangenheit sehe, finde
> ich kein Volk, das ohne Hierarchie (Haeuptling, Aeltestenrat)
> ausgekommen ist. Und ich suche immer noch nach einer Organisationsform,
> die nichthierarchisch ist.
Nur weil es noch nie ein Gegenbeispiel gab, gehts prinzipiell
nicht ???
(Hinweis: Horst Stowasser: "Leben ohne Chef und Staat"
Eichborn-Verlag behandelt historische Beispiele, hierarchie-
aermere Gesellschaftsformen gegen die herrschende Ordnung
aufzubauen und zu verteidigen. Lesenswert - meine Meinung)

>
> Ich sehe da in Hierarchien keinen inhaerenden Widerspruch. Eine
> Hierarchie kann durchaus sinnvoll sein, um das Nebeneinander und
> Miteienander der Leute zu regeln, um _jedem_ ein groesstmoegliches Mass
> an Freiheit zu ermoeglichen. Ob und wieweit "wir uns" von diesem Ziel
> wieder entfernen, darueber koennen wird noch diskutierten und ich werde
> Dir da wohl mehr zustimmen als hier. Aber Hierarchie grundsaetzlich zu
> verdammen, ...
Du musst Dir im klaren sein, dass in einer Hierarchie die
gesamte Freiheit ungleich verteilt ist, naemlich "oben" mehr,
"unten" weniger. Also haben die "unten" in einer Hierarchie auf
keinen Fall die groesstmoegliche Freiheit. Um diese zu haben,
muessten sie "oben" stehen.
Also muessten alle oben stehen, damit die Freiheit gerecht
verteilt ist.

>
> S.o. Du stellst Freiheitseinschraenkung als Hauptgrund fuer Frustration
Er stellt sie NICHT als Hauptgrund dar.
Freiheitsbeschraenkung fuehrt zu ... -
so formulierte Jan Kim es. Nicht etwa "fuehrt ausschliesslich zu"
oder so..

> und Aggression hin. Ich habe in meinem anderen Posting versucht
> darzulegen, dass es eine Vielzahl anderer Gruende gibt, und dass nicht
> jede Frustration zu Aggression und damit zu (Gegen-) Gewalt fuehren
> muss.
>
> >3. In Hierarchien tritt das Bestreben zum Erhalt und Ausbau der
> >eigenen Position in Konkurrenz zu dem Bestreben, an der jeweils
> >m.o.w. sinnvollen Aufgabe der Organisation zu arbeiten. Dadurch
> >werden in erheblichem Masse kreative menschliche Energien
> >beansprucht, die dann nicht fuer die Arbeit an der Aufgabe der
> >Organisation zur Verfuegung stehen.
>
> Dem steht eine Gesellschaftsform entgegen, in der jeder seine Freiheit
> selber erstreiten muss. In der er staendig aufpassen muss, ob er nicht
> die Freiheit eines anderen verletzt. In der er staendig aufpassen muss,
> dass nicht ein andere seine Freiheit einschraenkt. In der er auch
> staendig nachweisen muss, dass der andere gerade seine Freiheit
> einschraenkt.
Muss man dies nicht auch hier nachweisen?
Man muss es gegen einen Polizisten nachweisen, der seine
Befugnisse etwas ZU weit ausgelegt hat.
Man muss es gegen Gesetze beweisen, die gegen Art. 1-19 GG
verstossen usw. usf.

> In unserer Gesellschaftsform geben die "ueber uns stehenden" die Grenzen
> der Freiheit vor. Damit ist klar, in welchem Rahmen wir uns bewegen
> duerfen und wir koennen uns mehr unserer eigentlichen Aufgabe widmen.
Und sie beschraenken damit unsere Freiheit, die fuer uns optimale
Lebensform zu finden.
Z.B. wird Homosexuellen vorgeschrieben, dass eine Ehe zwischen
ihnen die Freiheit der Heterosexuellen einschraenkt........
(Oder mit was fuer einem Argument koenntest Du begruenden, dass
unser ach so freiheitlicher Staat dieses Gesetz entgegen Art.2 GG
bestehen laesst?)

>
> Viele derer, die bei uns in der Hierarchie ueber uns stehen, muessen
> ihren Platz in der Hierarchie durch Leistung sichern. D.h. sie muessen
> gute Arbeit leisten, wollen sie ihre Stellung behalten.
Hmmmmmm :-(
Beispiel - sinngemaesses Zitat von H.A.Pestalozzi:
"Nach uns die Zukunft":
Ein schlechter Soldat bleibt Soldat, ein guter wird Offizier.
Ein schlechter Offizier bleibt ein solcher, ein guter wird Hauptmann
usw. bis oben zum General.
--> Auf jeder Stufe der Hierarchie steht ein schlechter, denn
wuerde er sein Amt gut ausfuehren, wuerde er aufsteigen...

-- nicht auf meinem Mist gewachsen, aber stellt denke ich
etwas ueberzeichnet und damit aber deutlicher als eine
realistische Formulierung ein grosses Problem von Hierarchien
dar.


> >4. Es gibt keine Moeglichkeit, die hierarchischen Positionen
> >durch irgendwelche Rotationssysteme so unter den Menschen zu
> >verteilen, dass die mit ihnen verbundenen Ungerechtigkeiten sich
> >im zeitlichen Mittel ausgleichen. Daher ist hierarchischen
> >Strukturen ein gewisses Mass an Ungerechtigkeit immanent.
> ^^^^^^^^
>
> Auch hier wieder eine Relativierung: "gewisses" Mass.
> Jede Organisationsform mit _realen_ Menschen beinhaltet ein "gewisses"
> Mass an Ungerechtigkeit. Zeige mir eine Organisationsform, die keine
> Ungerechtigkeit beinhaltet. In einer Hierarchie bist _Du_ es vielleicht,
> der ungerecht behandelt wirst, in einer anderen Organisationsform bin
> _ich_ es vielleicht.

Aber ist das hierarchische System das mit dem geringsten
"gewissen" Mass an Ungerechtigkeit? Wir sagen eben: NEIN.


>
> >Alle diese Punkte sprechen dafuer, die derzeitige hierarchische
> >Organisation der menschlichen Gesellaft nicht als unabaenderlich
> >hinzunehmen und die damit verbundenen Uebel als unvermeidlich zu
> >akzeptieren, sondern vielmehr nach nichthierarchischen
> >Alternativen zu suchen. Insbesondere aufgrund des Unrechts, das
> >hierarchischen Strukturen immanent ist, kann es ethisch kein
> >Recht geben, die Suche nach Alternativen zu behindern oder zu
> >verbieten.
>
> Dem stimme ich zu. Nur, wie bereits mehrfach erwaehnt, bitte ich doch um
> Beschreibung einer Organisationsform, die alle Nachteile beseitigt.

Beschreib DU mal ein hierarchisches System, das alle oben gezeigte
Nachteile beseitigt.
Das fehlt naemlich auch noch, obwohl die Vertreter von hierarchischen
Systemen damit weit mehr Erfahrung haben, um diese zu optimieren,
als wir die Erfahrung mit nichthierarchischen Systemen, um diese
zu optimieren.

Jan, da hst Du dich tatsaechlich in einen Widerspruch gefahren :-(
Diese Gruppe, die diesen ausfuehrt, steht ueber den restlichen
Menschen -> Hierarchie :-( :-(
Da hat Josef Moellers recht. Daher:
.. stuff deleted.


>
> >2. Eine andere Klasse von Menschenbildern sieht Triebe und
> >Emotionen als einzige Triebfeder fuer menschliches Handeln an.
> >Das rationale Denken wird danach immer von den Emotionen
> >instrumentalisiert, aber es kommt eben darauf an, welche
> >Emotionen dominieren.
> >Unter dieser Annahme muss man natuerlich alles vermeiden, was
> >negative Emotionen, wie Frustration und Aggression ausloest. Eine
> >sinnvolle Organisation sollte also mit so wenig Krafteinsatz wie
> >moeglich auskommen und die Menschen hauptsaechlich durch das
> >Ansprechen der positiven Emotionen motivieren.
>
> Wieder: die Organisationsform ist Hauptverursacher von Frustrationen.

Nein. Sie ist EIN Verursacher, den man aber leichter beseitigen
kann als andere Ursachen wie Naturgewalten.


>
> Ich halte dem gegenueber, dass, wenn Triebe und Emotionen einzige
> Triebfeder sind, es eine unabhaengige Instanz geben muss, die die Triebe
> und Emotionen soweit in sinnvolle Bahnen lenkt, dass von ihnen kein
> Schaden ausgeht.

Kann es aber in diesem Fall nicht geben. Unter dieser Annahme
gibt es ja keine oder so gut wie keine Menschen, die rational
handeln koennten, also als Richter und Polizisten gerechterweise
auftreten koennten.
Selbst wenn 5 % der Menschen rational handeln koennten, wuerden
die anderen 95% diese nicht zu Polizisten etc machen.
Unter dieser Annahme waere eine "Anarchie" im landlaeufigen,
negativen Sinne nahezu unvermeidlich.
(Zum Begriff der Anarchie hab ich schon was geschrieben.)
Da sie aber nicht herrscht, ist diese Annahme 2. wohl nicht korrekt.
Darum hat Jan Kim auch andere Annahmen betrachtet.


>
> Ich habe auch nie behaupte, dass jemand behauptet habe ...
> Nur, _ich_ habe angedeutet, dass Gewalt auch ohne Hierarchie auftritt.

Und Jan hat angedeutet, dass ohne hierarchische, strukturelle
Gewalt, WENIGER Gewalt auftritt.


> Und dass eine der Aufgaben von Hierarchie ist, den Menschen objektiv
> aufzuzeigen, wie weit sie in ihrer Gewalt gehen duerfen, bzw. wenn sie
> zu weit gegangen sind, objektiv den Sachverhalt zu pruefen und "Recht zu
> sprechen".

Und diese Faehigkeit der Hierarchie bestreiten wir.


> Ich stelle die These auf, dass Hierarchie auch Gewalt der Menschen
> untereinander verhindert, indem sie Richtlinien fuer das Leben
> miteinander aufstellt. Richtlinien an die sich alle zu halten haben.
> Und dann steht die Frage im Raum: gibt es ohne Hierarchie mehr oder
> weniger Gewalt?
> Dies betrachtet Hierarchie aber nur vom Aspekt der Gewalt heraus.
> Hierarchie hat ja auch noch andere Funktionen.
> Ich denke da nur an die Tendenz der Menschen, fuer sich selbst
> Schwerpunkte zu setzen, bei denen eben _nicht_ das Gemeinwohl im
> Vordergrund steht (die aber auch nicht _gegen_ das Gemeinwohl gerichtet
> sind). D.h. Hierarchie als "Dienstleistung". Hierarchie als
> "Verwaltung".

Diese sind nichthierarchisch substituierbar.


> Willst Du Hierarchien abschaffen, so muss jede Entscheidung vom Volke
> getroffen werden. In dem Augenblick naemlich, in dem Du ein

Nein. Streng genommen ist auch ein Volksentscheid Supression:
Die Minderheit wird in ihrer Freiheit beschraenkt.
Ob ein Volksentscheid sagt: "Wir schaffen auf Steuerkosten 10
Jaeger 90 an" oder ob das ein Parlamentsbeschluss sagt, ist
mir schnurzpiepe. Ich bin immernoch dagegen.


> Entscheidungsgremium einsetzt, muss dieses Gremium Macht haben, seine
> Entscheidungen durchzusetzen. Nur ist es mir wurscht, ob ein Bewohner am
> anderen Ende unseres Dorfes in seimen Garten eine Garage bauen darf,

Ich denke, dass nach Art. 2 GG er auf SEINEM Garten auf jeden
Fall eine Garage bauen darf. Gravierende Gruende dagegen sind
hoechstens Denkmalschutz oder Umweltschutz.


> oder nicht. Das gilt natuerlich nicht fuer das Haus Gartenstrasse 7,
> weil ich gerade versuche das Haus Gartenstrasse 5 zu kaufen, und dann
> haette ich eine Garage direkt vor meiner Terasse.
>
> Das mit der "beliebig formbar"keit zielt natuerlich auch in die Richtung
> einer gewaltlosen, hierarchiefreien, _solidarischen_ Gesellschaft. Du
> muesstest alle Menschen zu solidarischen Wesen formen, damit keiner
> versucht, den anderen zu uebervorteilen. Hass, Neid, _Egoismus_, all das
> darf es nicht mehr geben. Aber auch nicht Liebe, denn wie viel Unrecht
> geht nicht von Liebe aus? Wenn Liebe nicht erwidert wird.
> Ich habe eben meine Probleme, mir eine Gesellschaft in unserer

^^^^^^^^^^


> Groessenordnung vorzustellen, die ohne "oben" und "unten" auskommt. Die

^^^^^^^^^^^^^^^
Siehe Dezentralisierung...
Alte Forderung, auch von Marx im Zusammenhang mit der Pariser
Kommune geaeussert.


> auskommt ohne eine (gewaehlte) Koerperschaft, die Regeln fuer das
> Nebeneinander und Miteinander aufstellt. Nur darauf zu vertrauen, dass
> die Menschen "solidarisch" miteienander umgehen, heisst, den idealen
> Menschen vorauszusetzen und dieser ist eben nicht erzeugbar!

Dass er definitiv nicht erzeugbar ist, ist nicht bewiesen.
Allerdings wuerde ich ihn nicht voraussetzen, da auch nicht
bewiesen ist, dass eine Mehrheit soweit formbar ist.


>
> Du sagst, dass man Agressive Handlungen nicht unter Strafandrohung
> verhindern kannst, gibst aber das Beispiel, dass jemand dich zu einer
> nicht-aggressiven Handlung zwingt.
> Die aggressiven _Instinkte_ wird man auch wohl kaum bekaempfen koennen.
> Wir kommen nicht in die Koepfe und Gefuehle unserer Mitmenschen hinein.
> Was wir aber tun koennen ist, die Gewalt, die durch die aggressiven
> Instinkte entsteht, durch Androhung von Gegen-Gewalt einzudaemmen.

Ist das das einzige, was wir dagegen tun koennen?
Ausserdem sagst Du selbst, dass die aggressiven Instinkte nicht
unbedingt zu Gewalt fuehren.


> Dass man nicht stehlen darf, ist klar, oder? Kein normal denkende
> Mensch stiehlt! Und wenn es einer doch tut? "Sechs Wochen Arbeit
> waehrend der Freizeit in einer karitativen Einrichtung" ist sehr
> sinnvoll, fuer den Taeter aber letztendlich eine Strafe.
> Ich habe mehrfach meine eigene Familie als Beispiel genommen. Ich
> versuche auch immer wieder, Regeln zu begruenden. Mein Standardbeispiel
> ist: "Geh' nicht ohne _gut_ zu gucken ueber die Strasse". Warum? Weil
> sonst ein Auto kommt und Dich ueberfaehrt! Strafandrohung bringt nix,
> denn dann tut er's wenn er meint, dass ich es nicht sehe!
> Was tut man aber mit jemandem, der gemerkt hat, dass es so, wie er es
> tut, viel einfacher und bequemer ist, obwohl er damit anderen schadet?
> Beispiel: Buergersteig-Parker! Wir haben lange versucht, mit witzigen,
> teils lustigen, Zetteln, die Leute vom Buergersteig auf die Strasse zu
> bekommen. Resultat: Wir fanden eines Morgens etwa 20 unserer Zettel in
> unserem Briefkasten! Als sich das Ordnungsamt dann mal bequemt hat,
> jemanden zur Kontrolle vorbeizuschicken, hatten wir einige Wochen leere
> Buergersteige (Strafe: etwa 30 DM). Jetzt stehen sie wieder!

Richtig. Die Strafandrohung nutzt nix, da sie bis auf Deine
Ausnahme nie kontrolliert wird. Also ist die Strafandrohung
obsolet.


>
> >Stimmt. Aber wenn man annimmt, dass Frustration, Aggression und
> >Gewaltbereitschaft durch Zwang, Gewalt und Krafteinsatz
> >ausgeloest werden, muss man anstreben, diese Ausloeser soweit wie
> >moeglich einzudaemmen. Da Hierarchien sich auf den Einsatz von
> >Kraft als Hauptinstrument zur Motivation der Menschen stuetzen,
> >heisst dies, dass man nach alternativen Moeglichkeiten zur
> >Organisation der menschlichen Gesellschaft suchen muss.
>

> Ich nehme an, dass Frustration und Aggression durch viele Dinge
> ausgeloest werden koennen. "Persoenliches Unvermoegen" war eines davon.
> Du sprichst sofort wieder von "Zwang, Gewalt und Krafteinsatz".

S.o. den gesellschaftlichen Zwang kann man leichter abschaffen/
reduzieren als persoenliches Unvermoegen.


>
> Und dass "Hierarchien sich auf den Einsatz von Kraft als Hauptinstrument
> zur Motivation der Menschen stuetzen" ist eine These, die wohl nur Du
> vertrittst. Hierarchien koennen auch durch Einsatz von Belohnung und
> Anerkennung motivieren. Motivation ist voellig unabhaengig von der
> Organisationsform. Die moderne Organisationslehre kennt _viele_ Formen
> von Motivation.
> Andererseits ist der Mensch erst einmal traege. Warum sollte er etwas
> tun? Hierachisch oder hierarchielos! D.h. es ist grundsaetzlich Kraft
> noetig, den Menschen zu etwas zu bewegen. Das kann eine abstossende
> Kraft sein (Strafandrohung, Androhung von Liebesentzug oder dem Entzug
> von Anerkennung, Privilegien) oder eine anziehende (Belohnung, Liebe,
> Anerkennung).
>

> >Dies muss nicht heissen, dass jeder aktiv Hierarchie abbauen
> >muss. Wer fuer sich eine Moeglichkeit findet, innerhalb der ihn
> >umgebenden hierarchischen Strukturen sinnvoll zu leben und zu
> >handeln, hat alles Recht, das zu tun. Aber wer anderen Menschen
> >die Suche nach gedachten, gesprochenen *und* gelebten
> >Alternativen verbieten will, der hindert sie daran, ihre eigene
> >Menschlichkeit zu finden.
>

> Deine These am Anfang dieses Threads war, dass es einem Teil der
> Bevoelkerung gestattet sein muss, sich vom Rest abzukoppeln und nach
> seiner Facon gluecklich zu werden, a la "Freie Republik Wendland".
> Dem habe ich widersprochen und behauptet, dass wir dies nicht zulassen
> koennen. Schon aus Gruenden der Gleichheit aller nicht.

Aus Gruenden der Gleichheit kann ich dann also auch keine
organisatorischen Grenzen zwischen der BRD und der Schweiz
anerkennen. Also hier Volksentscheid oder dort keinen mehr.
Du erkennst doch sicher auch Kroatien oder Slowenien an?
Und das, obwohl Du dagegen bist, dass jemandem (den Kroaten,
den Slowenen) "gestattet sein muss, sich vom Rest abzukoppeln
und nach seiner Facon gluecklich zu werden" ??
Da ist ein Widerspruch...


>
> Daraus ist eine Diskussion ueber die (Vor- und) Nachteile unseres
> hierarchischen Systems entstanden mit der Frage, ob es anders geht.
> Ich habe immer wieder behauptet, und stehe noch dazu, dass es nicht
> anders geht.

Und ich stehe dazu, dass es anders geht. Und das solange, bis mir
BEWIESEN wird, dass es nicht geht.


>
> Deine Vorstellung ist, dass Du glaubst, dass Du Dich nicht mehr an die
> bestehenden Gesetze halten brauchst, weil sie Deinem Empfinden
> widersprechen. Es gibt viele andere, die dies auch glauben, und sogar
> Steine werfen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
> Du darfst Deine Alternativen denken, sprechen und leben, aber nur im
> Rahmen der bestehenden Ordnung. Wenn Du damit diese Ordnung veraenderst,
> hast Du Glueck. Ich wuensche Dir dieses Glueck!

"Wenn man immer nur das Moegliche fordert, erreicht man nichts.
Wenn man dagegen das unmoegliche fordert, dann erreicht man wenigstens
das Moegliche". (M. Bakunin)


>
> --
> | Josef Moellers | c/o Siemens Nixdorf Informationssysteme AG
|
> | USA: molle...@sni-usa.com | Abt. STO-XS 113 | Riemekestrasse
|
> | !USA: molle...@sni.de | Phone: (+49) 5251 835124 | D-4790 Paderborn
|

Felix Schroeter

unread,
Nov 17, 1992, 10:42:28 AM11/17/92
to
Josef Moellers schreibt:
(Anmerkung: Ich hab die OePNV-Diskussion mal abgespaltet.)
-- some stuff is being deleted --
> In <1992Nov13....@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK1O@DKAUNI2
.B

> ITNET> writes:
> Aber seine Urteile unterliegen oeffentlicher Be-urteil-ung. Wenn Du der
> Meinung bist, ein Urteil sei parteiisch, kannst Du in die Berufung
> gehen.
Ricvhtig. Einmal Berufung, einmal Revision, einmal BVG, dann ist
Sense. Und wenn ich nen Schadenersatzprozess gegen irgendwelche
Grossindustrie wegen Umweltsuenden usw. fuehre, werd ich denn
sicher in ALLEN Instanzen verlieren. (hab ich schon in der
letzten Mail geschrieben, wie dus auch gequotet hast)

>
> >Ausserdem bezweifle ich die Neutralitaet des Staates in der Rechts-
> >sprechung. Z.B. Klagen von Buergern gegen grosse Industrieunternehmen
> >wegen Verstoessen gegen bestehende Umwelt-Gesetze.
s.o.

> >Da haben die "kleinen" Buerger kaum eine Chance, da die Unternehmen
> >dank ihrer Wirtschaftsmacht viele Moeglichkeiten haben, ihre
> >Suenden entweder zu verdecken oder sonst irgendwie ein guenstiges
> >Urteil zu sprechen. Ausserdem:
Korrektur: .. zu erwirken.

> >Hast Du je einen Wirtschaftsboss eines Unternehmens im Knast
> >gesehen, nachdem ein Urteil wegen Umweltstraftaten (oder
> >Straftaten gegen das Aussenwirtschaftsgesetz) rechtskraeftig war?
> >In den meisten Faellen ist es doch so, dass eine Geldstrafe verhaengt
> >wird, die das Unternehmen aus der Portokasse zahlt. Danach:
> >Weiter so :-(
Zeilen geloescht. (Beispiele zu lascher Bestrafung von Umweltsuenden)

>
> >> Wenn mir jemand (gewollt, ungewollt, vielleicht sogar unbewust oder
> >> misverstanden) Gewalt antut, so kann ich mich an den Staat (z.B. Polizei,
> >> Staatsanwaltschaft) wenden, mit der Bitte um "Gegen-Gewalt". Der Staat,
> >> als Unparteiischer, wird die Sache untersuchen, und eventuell
> >> feststellen, dass ich das alles misverstanden habe. Damit wird
> >> unberechtigte Gegen-Gewalt von meiner Seite und damit eventuell
> >> Eskalation (der andere fuehlt sich dann eventuell unberechtigterweise
> >> von mit "vergewaltigt") verhindert.
> >Nur: In manchen Faellen sagt er dann "Du hast es missverstanden",
> >wo dies gar nicht so klar ist.
>
> "In dubio pro reo"?
In dubio erst mal versuchen, den Zweifel auszuraeumen mit allen
legitimen Mitteln. Nur wenn das wirklich nicht geht, dann pro reo.
Bei bestimmten Angeklagten wird aber kaum Muehe angewandt, Zweifel
auszuraeumen, sondern eben mal ein Freispruch ausgefertigt.
Z.B. Prozesse gegen ungerechtfertigt ausgeuebte Polizeigewalt.
(Da gabs ein Buch, das ich gelesen hatte in Sachen Polizei...
Da ging mir erst mal ein Licht auf in Sachen
"Polizei - dein Freund und Helfer" :-( Leider ist das ne Weile
her und ich bezog das Buch aus der Buecherei, so dass es schwierig
sein wird, den Hinweis zu finden -- SCHADE.)

> Immerhin gibt es Gesetze, in denen steht (mehr oder weniger eindeutig),

Oft (bewusst?) weniger eindeutig...


> was darf und was nicht darf. Und ich kann mir einen Rechtsanwalt nehmen,
> der fuer mich entscheidet, ob ich es tatsaechlich missverstanden habe
> (um es mal so auszudruecken).

Jaja.. Wer den besseren Anwalt hat gewinnt :-/


> Das ist eben fuer mich die zweite Bedeutung von Gesetzen: neben der
> "Richtlinie" was man tun bzw nicht tun darf, der Massstab fuer eine
> Entscheidung hinterher.

Das soll die Bedeutung von Gesetzen im Idealfall sein.


> Das eine sind die Verfahren "Der Staat gegen ...", wo am Ende eine
> Strafe im herkoemmlichen Sinne herauskommt.
> Das andere sind Verfahren "Moellers gegen ...", wo jemand mir gegenueber
> Gewalt ausgeuebt hat, und ich so etwas wie Schadensersatz verlangen
> kann.

Da wuerde ich nicht trennen. Wenn ich zu 10000 DM Schadenersatz
verurteilt werde, macht es mir genausoviel aus, wie wenn ich
zo 10000 DM Geldstrafe verurteilt werde.


> Wenn ich z.B. mit meinen Kindern spazieren gehe, und alle Nase lang vom
> Buergersteig 'runter muss, weil jemand den fuer einen Parkstreifen
> haelt, dann moechte ich am liebsten einen spitzen Nagel nehmen und ...
> Ratsch! Bis jetzt hat mich eigentlich nur die moegliche Strafe davon
> abgehalten!

Das ist ein Beispiel, das auch bei uns gilt:
Enzberg, enge Ortsdurchfahrt.
Da ist unser Haus, genauer:
Unten drin eine Bank, oben unsere Wohnung.
Geht man vorn vorbei, steht da ein Auto von jemandem, der grad
nen Sparvertrag bei der Bank abschliesst :-(
Aber da nuetzt es garnichts, die Polizei zu rufen.
Wenn diese sofort anmarschiert, reicht das immer noch nicht, um
den Suender zu erwischen.
Anmerkung: Die stehen so eng an der Wand, dass man sich nicht mal
durchQUETSCHEN kann. Ausserdem ist da der Verkehr oft relativ stark,
so dass man da ewig warten muss, bis man IRGENDWIE mal weiterkommt.


> Androhung von Strafe kann also durchaus zur Erhoehung der
> Ausloeseschwelle fuer Gewalt sein.
> Sie kann auch Hinderungsgrund fuer eine "Affekttat" sein. Frag' doch
> 'mal Leute, die ein oder zwei Bierchen zuviel gekippt haben, warum sie
> nicht mehr mit dem Auto fahren. Weil sie den Verkehr gefaehrden? Nein,
> fahren koennen die noch B-{) Aber der Fuehrerschein, der ist doch zu
> wertvoll!

Da kenn ich einen, dem ist das auch egal. Da wirkt die Strafandrohung
absolut NICHT. Der faehrt heim, ob er grad 0.0 Promille oder
2.0 Promille hat...


>
> Wo aber liegt die Grenze zwischen Selbstschutz und -justiz? Klar, im
> einen Falle ist es gegen die Gewalt direkt gerichtet, im zweiten Fall
> kommt sie erst spaeter. Da gibt es aber eine gewaltige Grauzone.

Selbstschutz ist nichts anderes als das, was im Gesetz unter
"Notwehr" und "Nothilfe" laeuft. Nicht mehr und nicht weniger.
Nur, dass bislang es einige Faelle gibt, wo die Notwehr eines
Polizisten weiter ausgelegt wird, dagegen die eines Buergers
extrem eng.


> Zum anderen: wie viel Gewalt darf ich zum Selbstschutz einsetzen? Und
> ueberhaupt, warum soll ich mich selbst schuetzen? Ich habe besseres zu
> tun, als mich und die meinen den ganzen Tag zu schuetzen. Ich moechte
> z.B. unter dem Schutz einer "Schutzmacht" ungestoert meiner Arbeit und
> meinem Vergnuegen nachgehen, darauf vertraeuend, dass sie
> a) sofort gerufen werden kann, wenn ich sie brauche
> b) von sich aus darueber wacht, dass mir kein Leid angetan wird.

b) trifft hierzulande fast nicht zu.
Ich hab mich mal erkundigt:
Wenn ich ne Morddrohung schriftlich und nachweisbar bekomme,
bekomme ich trotzdem keinen Personenschutz.
(Ja, das stimmt WIRKLICH! Ich hab einen, der Personenschutz
als BERUF macht mal dazu befragt. Immerhin erlaubt unser
gnaedige Staat, dass wir auf eigene Kosten - weit ueber 100DM
pro Tag - einen privaten Personenschuetzer engagieren)
Dagegen bekommen Leute, die oben stehen in der Hierarchie
stets Personenschutz, und das selbst wenn gerade keine konkrete
Bedrohung herrscht.
(Auch jetzt, wo die abstraktere Bedrohung durch z.B. RAF wesentlich
geringer ist als noch vor einem bis 20 Jahren...)
>
> [ ... ]


>
> Das ist ja das Problem! Es ist mir klar, dass ich nichts gegen den Sturm
> und den Vogel ausrichten kann. Frustriert, weil sie mich am Erreichen
> meiner Ziele gehindert haben, bin ich trotzdem. Und gerade _weil_ ich
> nichts gene diese "Naturgewalten" ausrichten kann, suche ich mir ein
> anderes Ziel fuer meine Agressionen. (Anm.: "Ich" als fiktive Person)
> Vielleicht nicht als direkte Folge, so kann aber die unterdrueckte
> Agression bei einem wesentlich geringeren Grund zu ueberhoehter Reaktion
> fuehren.

Tja.. Und die durch einen Staat unterdrueckte Aggression, zu was
fuehrt die?
Ausserdem hast Du selbst gesagt, dass die Aggression nicht immer
zu Gewalt gegen Menschen fuehrt.
Z.B. koennen die Kinder aus der Aggression, die durch den Sturm
und den damit verhinderten Martinszug entsteht, dadurch
"rauslassen", dass sie sich zusammensetzen und irgendwelche
Gesellschaftsspiele miteinander machen...

> >> >-- Followups zu diesem Thema aber bitte unter neuem Subject.

^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^


> Muss ich mir eben ein anderes Beispiel fuer "persoenliches Unvermoegen"
> ausdenken. Seufz!
> Ich moechte Franzoesisch lernen, weil ich meinen naechsten Urlaub
> in Fronkreisch verbringen moechte. Aber sosehr ich mich auch anstrenge,
> diese Sprache wird mir immer verschlossen bleiben.
> Oder ich habe ein Gedaechtnis wie ein Sieb, und das wurmt mich, wenn ich
> etwas vergesse!

Zwingt dich diese Frustration zur Gewalt gegen andere Menschen?
NEIN. Du selbst hast ja gesagt, dass Frustration/Aggression
nicht unbedingt zu persoenlicher Gewalt fuehrt.


> Oder ich moechte gerne Bergsteigen, bin aber nicht schwindelfrei!
> Alles Faelle von persoenlichem Unvermoegen, bei denen ich den Einfluss
> des Staates beim besten Willen nicht erkennen kann.

Ich auch nicht. Hat also nicht mehr allzuviel mit Staatsethik zu tun.
Darum: .stuff deleted.
Wir sehen ja auch ein, dass es Gewalt ausserhalb der Staatsgewalt
gibt. Nur sehen wir nicht ein, dass eine hierarchische Ordnung
der einzige/beste Weg ist, diese Primaer-Gewalt zu beherrschen.


> Man braucht doch nur 'mal die Zeitungen aufzuschlagen, um die Tragik
> menschlichen Daseins zu erkennen. Und mit "Zeitung" meine ich jetzt
> nicht "Bild" oder "Super Illu"! Da reicht eine normale Tageszeitung.
> "Mann erschiesst erst treulose Ehefrau, dann sich selbst" "Frau
> schneidet treulosem Ehemann im Schlaf Glied ab" "Junger Mann zetruemmert
> Auto von ex-Freundin"

Da hilft auch der Staat nix mehr. Da muesste der Staat jedem Menschen
einen Personenschuetzer zuordnen, denn die Bestrafung eines Moerders
macht den Ermordeten nicht mehr lebendig...


> Alles Taten, bei denen der "gesunde Menschenverstand" ausgesetzt hat.
> Da hat dann der Richter seine Probleme bezueglich des Urteils: Die
> Leute sind genug gestraft, mit dieser Tat fertig zu werden, andererseits
> muss er aufpassen, dass es keine Nachahmungstaeter gibt. Um so
> erfreulicher, dass gelegentlich Strafen wie "Ein Jahr Arbeit an einer
> karitativen Einrichtung" verhaengt werden.

Eine solche Strafe ist VIEL besser als Knast, gerade bei Taetern,
bei denen der Richter davon ueberzeugt ist, dass sie keine
kaltbluetigen Moerder sind, sondern dass sie "nur" im Affekt
gehandelt haben.
Ob das die OPTIMALE Strafe ist, ist die Frage, aber sie ist eine
relativ gute Strafe. Wenn alle Straftaten, ausser die von nachgewiesen
kaltbluetig handelnden Taetern, so geahndet werden WUERDEN, dann
waere uns schon viel geholfen.


> [ ... ]
>
> >> >> - Fantasie, bei der das Ziel in der Einbildung erreicht wird.
> >> >Das waere ein konstruktiver Weg, der aber erst dann eingeschlagen
> >> >werden sollte, wenn klar ist, dass das Ziel nicht in der Realitaet
> >> >erreicht werden kann.
> >>
> >> Was aber passiert, wenn jemand merkt, dass es eben nur Fantasie ist?
> >Wenn man die Fantasie bewusst aufbaut, dann merkt er es eh sofort.
> >Aber auch dann kann eine solche Fantasie durchaus eine Befriedigung
> >darstellen, wenn auch nicht so stark, wie wenn das Ziel tatsaechlich
> >erreicht worden waere.
>
> Von mir aus kann jemand nach einer Enttaeuschung in einer Fantasiewelt
> leben. Es geht ja hier letztlich _auch_ darum, dass nicht jede
> Frustration zu Agression und weiter zur Gewalt fuehrt. Agression war ja
> nur eine der moeglichen Folgen von Frustration, Fantasie eine andere.

Ich hab nix gesagt, dass sich derjenige in eine Fantasiewelt zurueck-
ziehen soll...
Manchmal scheinst Du aber in deinen Ausfuehrungen davon auszugehen,
dass Frustration stets zu Aggression und diese zu persoenlicher
Gewalt fuehrt. (Z.B. das Beispiel mit dem Vogel, der einem irgend-
wohin sch****t)


> [ ... ]
>
> >> Keine Theorie, insbesondere ueber den Menschen und was ihn bewegt, ist
> >> "das Gelbe". Aber sie wird, wenn sie nicht gerade hanebuechen ist, doch
> >> das Verhalten eines mehr oder weniger grossen Teils der Menschen
> >> ziemlich genau beschreiben.
> >Richtig. Aber ist diese Theorie, die das Verhalten einer Majoritaet
> >beschreibt, wirklich die Aggression-als-Instinkt Theorie oder
> >die Mensch-als-vernuenftiges-natuerlicherweise-gemeinschaftlich-
> >denkendes-Wesen Theorie? (jeweils mit einer bestimmten Minoritaet
> >als Ausnahme...)
>
> Wie waere es mit:
> Der Mensch ist ein vielschichtiges Wesen. In ihm schlummern viele
> verschiedene Kraefte, gute wie boese. Je nach Entwicklung kommen mal die
> einen, mal die anderen Kraefte zum Tragen. Manchmal verkuemmern einzele
> Kraefte voellig, manchmal liegen sie nur jahrelang verborgen, um durch
> einen, oftmals unscheinbaren, Ausloeser zum Vorschein zu kommen.

Sieht gut aus.


>
> Ich tendiere weder zum Extrem des "der Mensch ist von Natur aus boese",
> als zum Extrem "der Mensch ist von Natur aus gut". Die erste kann nicht
> erklaeren, warum es immer noch Menschen gibt, die zwar in einer
> gewalttaetigen Umgebung aufwachsen, sich aber dem Frieden verschreiben.
> Ebensowenig kann die andere erklaeren, warum das Umgekehrte stattfinden
> kann.

Richtig. Das hab ich auch schon geschrieben...
(Die Probleme dieser zwei extreme)


>
> Ich denke da eben zurueck in die Vergangenheit. Wenn der Mensch
> grundsaetzlich friedfertig ist, wo kommen dann unsere Konflikte her?
> Irgendwann muss es ja den Anfang gegeben haben, als der erste Mensch
> (und ich meine hier nicht Adam, sondern eventuell Kain), einen Knueppel
> aufhob, und seinem Nebenbuhler den Schaedel zertruemmerte. Warum hat er
> das getan? Weil er ein vernuenftiges-natuerlicherweise-gemeinschaftlich-
> denkendes-Wesen ist? Weil er durch die Hierarchie zur Gewalt getrieben
> wurde? Wohl kaum! Vielleicht weil der andere ihm seine Frau wegnehmen
> wollte, oder seine Wintervorraete. Who knows!

Seltsam.... Oben stellst Du ausgewogen das Problem der Mensch-
Grundsaetzlich-nur-gut-Auffassung gegenueber dem Problem der
Mensch-von-Grund-auf-nur-schlecht-Auffassung.
Jetzt wirst Du aber wieder einseitig.


>
> (Ebenso frage ich mich, wo denn unsere hierarchische Struktur herkommt.
> Man nenne mir ein Volk auf der Welt, das ohne Hierarchien auskommt bzw.
> auskam. Auf der ganzen Welt sind unabhaengig voneinder (Stammes-)
> Hierarchien entstanden.)
>

> Man kann durchaus annehmen, dass alle Menschen gleich geboren werden.
> Musikalitaet mag erblich sein (ist auch umstritten), aber ueber die
> Genetik der Agression habe ich noch nichts gelesen.

Mein Klavierlehrer meint, dass Vererbung bei der Musikalitaet auch
nur zu ca. EIN Prozent eine Rolle spielt.


> ALso ist es die Umgebung, die Erziehung, die Erfahrung, die einen
> Menschen formen. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass aus der Masse
> der gewaltorientierten ein friedfertiger Mensch hervortritt. Und ebensoe
> sind manche Eltern erstaunt, wenn sich ihr "wohlerzogener" Sproessling
> ploetzlich als Steinewerfer vor einem Asylbewerberheim entpuppt.
>
> Dass man Menschen in beide Richtungen formen kann, sieht man immer
> wieder. Waere dies nicht so, koennte ich meine Nebentaetigkeit als Vater
> und (Mit-)Erzieher an den Nagel haengen. Fraglich ist aber, ob man das

> Resultat garantieren kann. Und da behaupte ich (und mit mir wohl die
> Ethologen), dass dem nicht so ist!
Ne. Garantieren kann man nix.
Aber: In einer stark gewalttaetigen Umgebung wird aus einem
anfangs "neutralen" Menschen zu 80% ein gewalttaetiger, vielleicht
zu 20% ein friedliebender. (Zahlen ohne Gewaehr, nur als Beispiel.
Ersetze 80% durch eine beliebige Zahl signifikant > 50%,
20 durch 100%-der anderen...)
In einer relativ friedlichen Umgebung ist das umgekehrt.
Das wirst Du nicht bestreiten koennen.


>
> Um auf die "Formbarkeit" der Menschen zurueckzukommen: Um eine absolut
> gewaltlose, hierarchiefreie, solidarische Gesellschaft zu erreichen,
> musst Du _alle_ Menschen zu gewaltlosen, hierarchiefreien, solidarischen

^^^^^^ ??


> Wesen machen. Die Erziehung dieser Zukunftswesen, obliegt aber immer
> noch den gewaltbereiten, hierarchischen, egoistischen Menschen von
> heute. Ich verwende viel Zeit darauf, meine Kinder zu friedfertigen,
> toleranten Menschen zu erziehen. Viele andere auch. Manch einer hat aber
> keine Zeit dazu. Fuer manch einen sieht die Welt eben so aus, dass man
> in ihr kaempfen muss, um seine Position zu behaupten bzw. auszubauen.
> Und so werden sie ihre Kinder erziehen: "Nimm was Du kriegen kannst, die
> anderen werden genauso denken".

Tja... Und zumindest im Wirtschaftsleben der Konkurrenz wird man
dazu GEZWUNGEN, und zwar durch gesellschaftlichen Einfluss.

> Das mag alles eine Folge der Gesellschaft sein, in der wir leben. Aber
> die Gesellschaft der Zukunft baut eben auf der Gesellschaft von heute,
> auf den Menschen von heute auf. Und wir koennen nur ganz vorsichtig,
> behutsam und langsam Veraenderungen im Grossen herbeifuehren. (Im
> Kleinen koennen wir alle vier Jahre 'mal eine neue Regierung waehlen,
> eine die den Menschen mehr Solidaritaet abverlangt, auch den "Grossen")

Es ist aber nicht gottgegeben, dass wir nur alle 4 Jahre Einfluss
auf die Politik nehmen koennen.


> Ich bin kein Pessimist! Ich glaube das es moeglich ist, eine bessere
> Gesellschaft zu erzeugen, aber Knall auf Fall geht das nicht.

Hab ich das behauptet??


>
> S.o. Damit ueberlassen wir es jedem einzelnen, sich sein Recht zu
> erkaempfen. Den Notwehrparagraphen (den 'mal jemand als "Ueberbleibsel
> des 3. Reiches" und "unselig" genannt hat) musste ich 'mal auswendig
> lernen, im Jiu-Jitsi-Training.

Und? Wenn ich mit dem Messer bedroht bin, MUSS ich mich ja wehren.
Willst Du wegen des obigen Zitats den Notwehr-Paragraphen abschaffen?
Wenn ja, muessen wir in Zukunft erstmal das Glueck haben,
OHNE UNS ZU WEHREN, die Polizei rufen zu koennen, also dass der
gnaedige Mensch, der uns bedroht, uns zur Telefonzelle laesst, und
dass er uns dann solange leben laesst, bis die Polizei kommt und
uns endlich -- nach einer Viertel Stunde reiner Fahrzeit --
rettet.

> Was aber ist, wenn der eine Gewalt gegen mich ausuebt die
> gerechtfertigt ist? Z.B. wenn meine Ziele und Wuensche dem des
> Gemeinwohls entgegenstehen? Oder wenn die Wuensche und Ziele meines
> Nachbarn durchaus legitim, meinen aber diametral entgegen stehen?

Wer definiert Gemeinwohl? Vom Kohl lass ich mir nicht vorschreiben,
was ich als Gemeinwohl ansehe.


> Ich finde es da schon beruhigend, wenn es ein objektives Regelwerk
> gibt ("Gesetze" oder wie immer man dieses Regelwerk nennen will), nach
> dem man gehen kann, wenn es Uneinigkeit gibt. Der Notwehrparagraph
> regelt uebrigens nur einen "Angriff auf Leib, Leben oder Ehre", wenn ich
> mich recht entsinne, nicht aber z.B. auf "Freiheit".

Richtig. Aber den Angriff auf die Freiheit regelt der Art. 2 GG
in Verbindung mit der Rechtswegegarantie des Art. 19(2) und
dem Widerstandsrecht nach Art. 20(4).


>
> Fuer den Fall gibt's ja den (o.e.) Notwehrparagraphen.
> Du koenntest auch versuchen, den Angreifer so lange hinzuhalten, bis die
> Poilzei kommt, und ihn "fachgerecht entsorgt".
> Wie sieht's denn aus, wenn Du aus dem Fenster schaust und einen von
> Deinem Vermieter angeheuerten Schlaegertrupp? Wenn Du aus "persoenlichem

Vermieter gibts in der Hierarchie. Da gibts auch Polizei.
Und ohne Polizei gibts keine Vermieter, zumindest nicht solche, die
mit Schlaegertrupps anmarschieren. Grund:
Es gibt weit aus mehr Mieter als Vermieter heutzutage. D.h.
ein solcher Schlaegertrupp haette eh keine Chance. Und da die
Vermieter auch taktisch klug sind, werden sie das wohl sein lassen,
da sie wissen, dass die Mieter -- solidarisch vereint, um sich
gegenseitig Nothilfe gegen Gewalt zu leisten -- die Gewalt dieser
von Dir erwaehnten Trupps zurueckweisen koennen.


> Unvermoegen" nicht in der Lage bist, Dich eines Angriffs zu erwehren,
> den Angriff aber ueberlebst und jetzt Schadenersatz forderst?
> Oder Du hoerst in der Nacht das Klirren von Scheiben in Deiner Wohnung ...
>
> Es gibt immer Situationen, in denen eine Funktion nicht ausreichend ist.
> Es ist aber relativ unwahrscheinlich, dass Du in Deiner Wohnung so
> mir-nichts-dir-nichts angegriffen wirst. Denkbar waere, dass Du z.B.
> durch eine, als "gefaehrlich" bekannte, Gegend gehst und von jemandem
> angegriffen wirst. An solchen Stellen sollte es auch eine erhoehte
> Polizeipraesenz geben.

Gibts aber nicht. Die suchen lieber nach Parksuendern....
Im Ernst: Gab es in Rostock erhoehte Polizeipraesenz?
Selbiges in vielen anderen Gegenden.
2. Beispiel: Gibt es in Berlin-Kreuzberg, wo diejenigen, die
sich Autonome nennen, die Gewalt ausueben, erhoehte Polizeipraesenz?
Schon eher, aber trotzdem nicht :-)
In Rostock : p(Polizeipraesenz) = 2%
In Kreuzberg: p(""") = 2.1 % :-/
>
> [ ... ]


> >Nur ein Vorschlag, das Eigenleben einer Staatsgewalt zu minimieren.
> >Das konkrete Beispiel ist vielleicht nicht gut, aber das Prinzip,
> >das ich meine: echte DEzentralisierung fuehrt zu uebersichtlichen
> >Strukturen.
>
> Oder auch nicht! Sicher, fuer alle Probleme, die lokal geloest werden
> koennen, wird die Sache uebersichtlicher (Subsidiaritaetsprinzip). Aber
> in dem Augenblick, wo die Dorfgemeinschaften untereinander Kontakte
> haben, oder wo Dienste fuer jede Dorfgemeinschaft ineffizient werden
> (Krankenhaus, Feuerwehr, ...), muessen uebergreifende Strukturen
> gebildet werden.

Richtig und bei uns ist die Situation genau umgekehrt.
Im Zweifel entscheidet der Bund.
Sonst das Land, und darunter gibts nix (zumindest in der
"hoechsten" Gewalt, naemlich der Legislative).
Das ist zentralistisch, wenn auch nicht total zentralistisch...


> Beispiel: OePNV. Meinst Du, jede DG koennte ihren eigenen OePNV
> organisieren? Wenn ich dann von Elsen (in der DG lebe ich), in die
> Innenstadt von Paderborn fahre, muss ich durch 2 andere DGen. Heisst
> das, dass ich dann dreimal umsteigen muss? Also einen uebergreifenden
> OePNV. Wer organisiert den? Wer legt fest, wo welche Busse fahren
> (nehmen wir 'mal an, dass es noch Busse gibt, sonst koennten das auch
> Eselskarren sein B-{)? Gut, jede DG schickt einen Repraesentanten in den
> "Aufsichtsrat" des Verkehrsbetriebes. Wer kontrolliert den
> Repraesentanten? Die DG! Klar! Erkundige Dich 'mal ueber die Struktur
> und Zusammensetzung des Bundestages. Da gibt es Wahlkreise
> ("Dorfgemeinschaften"), die einen Abgeordneten waehlen (Direktmandat).
> Dieser Abgeordnete koennte theoretisch seinem Wahlkreis verantwortlich
> sein, aber wie viele Leute interessiert das denn? Sieh' Dich 'mal um,
> wie viele Leute sich aktiv an der Politik beteiligen! Dann sind es eben
> wieder nur ein paar Aktive, die Poilitik machen. Und dass ein
> Abgeordneter nur "seinem Gewissen verantwortlich" ist, hat wohl
> historische Gruende!

Guck in das Gesetz:
Der BT-Abgeordnete kann nicht wirksam kontrolliert werden, sonst
koennte man ihn ja jederzeit, wenn er etwas gegen die Interessen
des Wahlkreis macht, abwaehlen.
Ausserdem: Wenn Ihr ihn in 4 Jahren abwaehlt, dann kommt er ueber
seinen gesicherten Listenplatz sowieso wieder rein...

> Das Problem hier liegt wohl eher darin, dass die meisten Leute zu bequem
> sind, sich aktiv in der Politik zu engagieren. Und das wird durch
> kleinere DGen auch nicht besser. Und in dem Augenblick, wo Du zum x-ten

Denk ich schon. Wenn die Leute merken: Ich kann was bewirken -
dann betaetigen sie sich. Wenn sie merken, dass sie unter 80 Mio.
untergehen, dann resignieren sie.
Wenn ich hier auch nur ins Leere schreiben wuerde, dann wuerde ich
nicht mehr viel schreiben.


> Mal versuchst, Deine DG zu einer einstimmigen Haltung in Bezug auf die
> Abwasserbeseitigung zu bewegen, von den 5000 Bewohnern aber wieder nur
> 20 gekommen sind, oder die Leute, neben deren Haus die Klaeranlage
> gebaut werden soll, immer noch nicht zustimmen, wirst Du entweder eine
> Entscheidung per einfacher Mehrheit treffen, oder den Leuten erklaeren,
> dass es eben besser fuer das Allgemeinwohl ist, wenn sie den Gestank der
> Faulschlaemme ertragen.

Ne. Dann werden Stimmzettel verteilt und das ganze wird
von jedem abgestimmt.


>
> Ich persoenlich habe Besseres zu tun, als jeden zweiten Tag einer
> DG-Versammlung beizuwohnen, nur weil _vielleicht_ etwas besprochen
> wuerde, das mich betrifft.

Ich auch. Aber jeden Monat wuerde ich kommen.
Fuer die Zwischenzeit gibt es Methoden, Repraesentanten so
zu bestimmen, dass sie der Kontrolle des Volkes direkt unterliegen.
Stichwort: Raetesystem (Nachlesen).


>
> >> Das soll nicht heissen, dass wir alles akzeptieren, was die da tun. Aber
> >> das alles nur wegen seiner Fehler abschaffen? Wenn _mir_ der Kragen
> >> richtig platzt, werde ich aktiv in die Politik gehen. Solange werde ich
> >> mein Scherflein dadurch beitragen, dass ich mir einerseits nicht alles
> >> gefallen lasse und andereseits meine Kinder zu toleranten,
> >> selbstbewusetn Menschen erziehe. Amen!
> >ReAmen :-)

Sodele... Langes Posting :-/
Jetzt hab ich lange rumdiskutiert ueber das Problem einer DG am Schluss
Es geht ja nicht darum, ob genau das DG-System DIE Abhilfe ist.
(Vielleicht ist sies, vielleicht ist sie aber der groesste
Mist, der je durch die News ging...)

cJan T. Kim

unread,
Nov 18, 1992, 12:44:04 PM11/18/92
to

>>>In <1992Nov5.1...@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:

>Neenee, das war ich!

Oops, sorry... da hab' ich 'ne Zeile zuviel geloescht.

>>Ich habe nicht gesagt, dass *alle* Gewalt vom Staat und
>>irgendwelchen Machthabern auf andere Menschen ausgeuebt wird.
>>Natuerlich kann Gewalt auch von Menschen, die unten auf den
>>Hierarchieleitern stehen, ausgeuebt werden. Wenn sie sich dabei
>>zusammentun, kann das sogar sehr deutlich spuerbar werden, wie
>>z.B. bei dem OeTV-Streik im Fruehjahr dieses Jahres.

>Du suggerierst aber immer wieder, auch in diesem Posting, dass die von
>einer Hierarchie ausgehende Macht und Zwaenge Hauptursache fuer
>Frustration und Aggression sind.

Ich suggeriere das nicht, sondern das ist meine erklaerte
Meinung. Du hattest sie aber mit "Alle Gewalt geht von den
staatlichen Machthabern aus" oder so aehnlich wiedergegeben.
Diese Wiedergabe ist in zwei mir wichigen Punkten unzutreffend:
Erstens ist "die Hauptursache" nicht gleich "die alleinige
Ursache", und zweitens ist die Macht, die in einer hierarchischen
Struktur von den Hochgestellten ausgeuebt wird, nicht alles, was
dabei an Macht ausgeuebt wird. Die Gewalt, die von unten nach
oben und von Nebengeordneten aufeinander ausgeuebt wird, zaehtl
ebenfalls dazu und sollte nicht vernachlaessigt werden.

>>Es ist aber definitiv so, dass Menschen, die an der Basis
>>hierarchischer Strukturen stehen, mehr Gewalt ausgesetzt sind als
>>solche, die oben stehen, und dass die Obenstehenden mehr Macht
>>auf andere ausueben als die an der Basis Stehenden. Wenn man nun
>>eine hierarchieaermere Organisation anstrebt, muessen die Oberen
>>in staerkerem Masse auf den Einsatz von Macht, Kraft oder Gewalt
>>verzichten als das Fussvolk.

>Stimmt eigentlich soweit.

>>Da Gewalt aber nicht ausschliesslich von oben nach unten
>>ausgeuebt wird, waere es auch dumm, zu glauben, man brauche nur
>>die Maechtigen zu entmachten und schon habe man ein (fast)
>>gewaltfreies menschliches Miteinander. Anders als Josef Moellers
>>glaube ich aber nicht, dass hierarchische Strukturen die
>>*einzige* Moeglichkeit sind, die menschliche Gesellschaft zu
>>organisieren.

>Dann komm' doch endlich 'mal mit einem konkreten Gegenvorschlag!
>Ich habe in einem anderen Posting auch schon dazu aufgerufen, mir doch
>einmal ein Volk zu benennen, das hierarchiefrei gelebt hat.

Dieses "Argument", es habe noch nie ein hierarchiefreies
menschliches Miteinander gegeben, ist im Laufe dieser Diskussion
schon von W. Schelongowski, M. Jung und jetzt zum wiederholten
Male von Dir bemueht worden. Ich kann mich da auch nur
wiederholen und sagen, dass ich diese Denkweise fuer einen
klassischen Fall eines "vollstaendig intuitiven Schlusses von 1
auf n" halte.
Nach dieser Denkweise haetten sich die Alliierten nach dem 2.
Weltkrieg beispielsweise sagen koennen: "Die Deutschen haben noch
nie in einer vernuenftigen Demokratie gelebt, also Bombe drauf".
Glaubt Ihr, mit dieser Geisteshaltung haetten die Menschen jemals
aus dem Mittelalter heraus die Aufklaerung entwickeln koennen?
Glaubt Ihr, man haette so die erste Weltumsegelung erreicht? Oder
das Rad entwickelt? Oder den Umgang mit dem Feuer gelernt? Wenn
man sich immer nur an das haelt, was bekannt und "bewaehrt" ist,
und sei es noch so schlecht, dann beraubt man sich doch jeglicher
Chance zur Weiterentwicklung.
Das Argument scheint mir auch in sich absurd zu sein: Wann hat es
jemals einen Fall gegeben, wo eine neue Organisationsform "am
gruenen Tisch" bis ins letzte Detail gestaltet war, bevor man zu
dieser ueberging?
Einen solchen Uebergang kann man nur dann friedlich vollziehen,
wenn ein Mindestmass an Freiheit zur gelebten Erprobung von
Alternativen besteht. Auf diese Freiheit hat jeder Mensch einen
ethisch begruendeten Anspruch. Meine zentraler Kritikpunkt am
derzeitigen System ist, dass es den Menschen diese Freiheit
nimmt.

Was konkrete Vorschlaege betrifft, ich habe in diesem thread
bereits einige gemacht:

* Einschraenkung der Bevorrechtigung von Polizisten
* Gerechtere Beteiligung aller an in Betrieben erwirtschafteten
Gewinnen
* Gerechtere Beteiligung aller an Entscheidungen in Betrieben und
sonstigen Gemeinschaften
* Abschaffung des Schachers mit Grundrechten, insbesondere dem
auf Wohnung.

In verschiedenen Postings ist darauf bereits eingegangen worden,
und ich hoffe, meinen news-lag demnaechst abbauen und darauf
antworten zu koennen.

>Du sagst immer: "Es geht auch anders" und gibst einige Beispiele, wo es
>in bestehenden System knackt. Wenn ich in die Vergangenheit sehe, finde
>ich kein Volk, das ohne Hierarchie (Haeuptling, Aeltestenrat)
>ausgekommen ist. Und ich suche immer noch nach einer Organisationsform,
>die nichthierarchisch ist.

>> Sie sind *eine* Moeglichkeit, und sie haben
>>entscheidende Nachteile:
>>1. Hierarchie beinhaltet immer massive Beschraenkungen
>>menschlicher Freiheit. Setzt man voraus, dass groesstmoegliche
> ^^^^^^^^^
>>Freiheit fuer alle Menschen ein durch die Ethik gefordertes
>>Handlungsziel ist, ist dies ein hierarchischen Strukturen
>>inhaerenter Widerspruch zu diesem Ziel.

>Du schreibst selber "groesstmoegliche" Freiheit. Wieviel Freiheit ist
>denn "moeglich", ohne den anderen wiederum in seiner Freiheit zu
>beschraenken? Wer legt das fest? Nur auf die Toleranz und Solidaritaet
>zu vertrauen ist mir etwas zu vage.

Mir scheinen Toleranz und Solidaritaet immer noch
vertrauenswuerdiger als Kohl, Waigel, Breuel, Cordus, Gauweiler,
Toepfer, Lambsdorff, Schaeuble, Engholm, Lafontaine, u.v.a.m.
zusammengenommen.

>Um ein umstrittenes Thema zu nehmen: Die Freiheit des einen, Zigaretten
>zu rauchen ist eine Beschraenkung der Freiheit des anderen, den Gestank
>und die Gesundheitsgefaerdung nicht ertragen zu muessen. Und umgekehrt!

>Ich sehe da in Hierarchien keinen inhaerenden Widerspruch. Eine
>Hierarchie kann durchaus sinnvoll sein, um das Nebeneinander und
>Miteienander der Leute zu regeln, um _jedem_ ein groesstmoegliches Mass
>an Freiheit zu ermoeglichen. Ob und wieweit "wir uns" von diesem Ziel
>wieder entfernen, darueber koennen wird noch diskutierten und ich werde
>Dir da wohl mehr zustimmen als hier. Aber Hierarchie grundsaetzlich zu
>verdammen, ...

Hae?? Du hast mir doch oben zugestimmt, dass Menschen, die an


der Basis hierarchischer Strukturen stehen, mehr Gewalt

ausgesetzt sind als solche, die oben stehen. Wie kannst Du dann
behaupten, Hierarchie sei ein System, bie dem u.U. *jedem* ein
groesstmoegliches Mass an Freiheit ermoeglicht wird?
Fuer meine Begriffe ist Hierarchie ein System, das explizit den
Hoeherstehenden Freiheit auf Kosten der unter ihnen Stehenden
ermoeglicht. Damit ist sie dem Ziel, allen die groesstmoegliche
Freiheit zu ermoeglichen, ferner als nichthierarchische
Strukturen.
Du gehst bei Deinen Ueberlegungen mal wieder davon aus, dass die
Hoehergestellten einer Hierarchie ihre Position zugunsten ihrer
Untergebenen ausnutzen. Ich warte immer noch auf eine
Gewaehrleistung dafuer, dass sie dieses tun, die nicht auf die
Annahme von solidarischen und ethischen Motivationen bei den
Herrschenden basiert.
Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass ich NOCH NIE,
weder im persoenlichen Umfeld noch durch die oeffentlichen
Medien, von jemandem gehoert habe, der seine Macht zugunsten der
von ihm Beherrschten eingesetzt haette. Dabei schliesse ich mich
selbst ausdruecklich ein.

>>2. Unabhaengig davon hat die Freiheitseinschraenkung den
>>Nachteil, dass sie bei den Menschen zu Frustration und
>>Aggressivitaet fuehrt. Versucht man, diese Aggressivitaet
>>wiederum mit Mitteln der Hierarchie zu kontrollieren,
>>laeuft man Gefahr, einen Teufelskreis zu schliessen.

>S.o. Du stellst Freiheitseinschraenkung als Hauptgrund fuer Frustration
>und Aggression hin. Ich habe in meinem anderen Posting versucht
>darzulegen, dass es eine Vielzahl anderer Gruende gibt, und dass nicht
>jede Frustration zu Aggression und damit zu (Gegen-) Gewalt fuehren
>muss.

Natuerlich fuehrt nicht jede Erfahrung von Zwang und Frustration
notwendigerweise zu Gewalt, ein Mensch hat mehrere
Moeglichkeiten, mit solchen Situationen umzugehen. Es besteht
aber ein statistischer Zusammenhang. Wenn in einer Gesellschaft
mehr Zwang angewandt wird, um das Handeln der Menschen zu
beeinflussen, ist mit einem groesseren Gewaltpotential der
Menschen zu rechnen.

>>3. In Hierarchien tritt das Bestreben zum Erhalt und Ausbau der
>>eigenen Position in Konkurrenz zu dem Bestreben, an der jeweils
>>m.o.w. sinnvollen Aufgabe der Organisation zu arbeiten. Dadurch
>>werden in erheblichem Masse kreative menschliche Energien
>>beansprucht, die dann nicht fuer die Arbeit an der Aufgabe der
>>Organisation zur Verfuegung stehen.

>Dem steht eine Gesellschaftsform entgegen, in der jeder seine Freiheit
>selber erstreiten muss. In der er staendig aufpassen muss, ob er nicht
>die Freiheit eines anderen verletzt. In der er staendig aufpassen muss,
>dass nicht ein andere seine Freiheit einschraenkt. In der er auch
>staendig nachweisen muss, dass der andere gerade seine Freiheit
>einschraenkt.

Du verwechselst hier (zum wiederholten Male) Hierarchiefreiheit
mit dem Fehlen jeglicher Organisation. Natuerlich wird es auch in
einem nichthierarchischen menschlichen Miteinander einen "Rahmen"
des alltaeglichen Lebens, oder besser, "ausgetretene Pfade"
geben, auf denen man sich bewegen kann, ohne sich staendig ueber
die von Dir oben angesprochenen Probleme den Kopf zu zerbrechen.
Der Unterschied ist dabe aber der dass, bildlich gesprochen, dass
diese ausgetretenen Pfade nicht, wie die von der Hierarchie
erzwungenen Pfade, eingemauert sind, so dass niemand Alternativen
erproben kann und man sich auf ihnen wie in der Kanalisation
bewegt.

>In unserer Gesellschaftsform geben die "ueber uns stehenden" die Grenzen
>der Freiheit vor. Damit ist klar, in welchem Rahmen wir uns bewegen
>duerfen und wir koennen uns mehr unserer eigentlichen Aufgabe widmen.

Wenn ich eine "eigentliche Aufgabe" habe, dann ist das, ein
moeglichst sinnvolle, freies und selbstbestimmtes Leben zu
fuehren. Der starre "Rahmen" der Fremdbestimmung ist mir dabei
massiv im Wege.

>Viele derer, die bei uns in der Hierarchie ueber uns stehen, muessen
>ihren Platz in der Hierarchie durch Leistung sichern. D.h. sie muessen
>gute Arbeit leisten, wollen sie ihre Stellung behalten.

Naja. Dein Glaube daran, dass sinnvolles Handeln, und nicht
eiskalte Machtpolitik, zuverlaessig den Aufstieg in der
Hierarchie bewirken, ist wohl durch nichts zu erschuettern.

>In unserer Firma muessen also meine Vorgesetzten unsere Arbeit so
>planen, dass am Ende ein gut vermarktbares Produkt herauskommt. Das
>sichert meinen Arbeitsplatz und damit mein Einkommen und letztlich ein
>Stueck meiner Freiheit.
>In unserer Regierung muessen die "Volksvertreter" so regieren, dass sie
>bei der naechsten Wahl wiedergewaehlt werden. Wiedergewaehlt werden sie
>aber nur, wenn sie das getan haben, wass das Wahlvolk in der Mehrheit
>wuenscht. (Dies kann natuerlich zu Problemen fuehren, wenn sich z.B.
>unter der Bevoelkerung eine steigende Auslaenderfeindlichkeit bemerkbar
>macht)

Eine seit Generationen bewaehrte Methode, wiedergewaehlt zu
werden, ist, stets dafuer zu sorgen, dass keine sinnvolle
Alternative zur Wahl steht.

>>4. Es gibt keine Moeglichkeit, die hierarchischen Positionen
>>durch irgendwelche Rotationssysteme so unter den Menschen zu
>>verteilen, dass die mit ihnen verbundenen Ungerechtigkeiten sich
>>im zeitlichen Mittel ausgleichen. Daher ist hierarchischen
>>Strukturen ein gewisses Mass an Ungerechtigkeit immanent.
> ^^^^^^^^

>Auch hier wieder eine Relativierung: "gewisses" Mass.

Ok, das war nicht korrekt formuliert. Genauer muss es heissen:
"ein entsprechendes Mass", naemlich eben jenes, welches aus der
Ungleichberechtigung in der Hierarchie resultiert.

>Jede Organisationsform mit _realen_ Menschen beinhaltet ein "gewisses"
>Mass an Ungerechtigkeit. Zeige mir eine Organisationsform, die keine
>Ungerechtigkeit beinhaltet. In einer Hierarchie bist _Du_ es vielleicht,
>der ungerecht behandelt wirst, in einer anderen Organisationsform bin
>_ich_ es vielleicht.

Ungerechte Behandlung ist nicht notwendigerweise gleich
Benachteiligung. In einem hierarchischen System geniesst man
ungerechte Bevorzugung gegenueber den Nachgeordneten und ist
gegenueber den Vorgesetzen ungerechterweise benachteiligt. Diese
Unrecht laesst sich uebrigens auch *nicht* durch Unterschiede in
der erbrachten Leistung, wie diese auch immer festgestellt werden
mag, rechtfertigen.
Kein Mensch ist perfekt und kann sich immer allen ethischen
Massstaeben entsprechend verhalten. Weder ein nichthierarchisches
System noch eine Hierarchie koennen etwas daran aendern. In einer
Hierarchie wird aber eine gewisse Klasse von Unrecht, naemlich
das willkuerliche Einschraenken der Freiheit von Untergebenen,
explizit zu "Recht" erklaert. In nichthierarchischen Systemen ist
dies nicht der Fall.

>>Alle diese Punkte sprechen dafuer, die derzeitige hierarchische
>>Organisation der menschlichen Gesellaft nicht als unabaenderlich
>>hinzunehmen und die damit verbundenen Uebel als unvermeidlich zu
>>akzeptieren, sondern vielmehr nach nichthierarchischen
>>Alternativen zu suchen. Insbesondere aufgrund des Unrechts, das
>>hierarchischen Strukturen immanent ist, kann es ethisch kein
>>Recht geben, die Suche nach Alternativen zu behindern oder zu
>>verbieten.

>Dem stimme ich zu. Nur, wie bereits mehrfach erwaehnt, bitte ich doch um
>Beschreibung einer Organisationsform, die alle Nachteile beseitigt.

Warum denn gleich *alle* Nachteile? Wie bereits mehrfach gesagt,
meine ich, dass man die Nachteile nur schrittweise abschaffen
kann. Dazu ist aber die Freiheit, alternative Strukturen zu
errichten und zu erproben, erforderlich. Man kann nicht alles bis
ins letzte Detail im Voraus planen und dann auf einen Schlag in
die Realitaet umsetzen.
Mir scheint, dass Deine Bedenken sich weniger gegen die
nichthierarchische Idee an sich, sondern vielmehr gegen die
derzeitige geistige Unvorbereitetheit der Menschen auf ein
solches System richten. Natuerlich sind die meisten Menschen auf
ein voellig nichthierarchisches System unvorbereitet -- wer
sollte sie auch vorbereiten, ihre Herrscher vielleicht?
Diese Unvorbereitetheit auf nichthierarchische Verhaeltnisse
wuerde den Versuch einer schlagartigen Umstellung unweigerlich zu
einem Kraftakt mit ungewissem Ausgang machen, selbst wenn er ohne
Gewalt, die das Ziel ja verraten wuerde, moeglich waere. Meine
Vorstellung ist daher die der schrittweisen Abschaffung
hierarchischer Strukturen, begleitet von dazu parallelem Aufbau
nichthierarchischer Alternativen, indem Vertrauensvorschuesse in
die menschliche Vernunft schrittweise von hierarchischen
Entscheidungstraeger auf die von den jeweiligen Entscheidungen
Betroffenen uebertragen werden. Dies gibt den Menschen
Gelegenheit, neue Freiheiten kennenzulernen und sinnvoll
zu nutzen, und die Gefahr der schlagartigen Entladung
aufgestauter Aggressionen (nichts anderes ist das so
gefuerchtete "Chaos-Anarchie-Szenario") wird gering gehalten.

[...]

>>Aus dieser Klasse von Menschenbildern folgt als Ziel fuer die
>>Organisation der menschlichen Gesellschaft, dass alle
>>triebverstaerkenden Einfluesse vermieden werden muessen.
>>Konkreter heisst das, dass, bevor Konflikte durch den massiven
>>Einsatz von Kraft, der m.o.w. unweigerlich aggressive Gefuehle
>>nach sich zieht, alle Moeglichkeiten der Konfliktloesung
>>ausgeschoepft werden muessen. Als Idee fuer eine sinnvolle
>>Organisation der Gesellschaft erhaelt man damit, ganz grob
>>umrissen, eine Reihe von Instanzen kompetenter Moderatoren fuer
>>Diskussionen zur Konfliktloesung und Entscheidungsfindung, und
>>fuer Faelle, in denen ein Krafteinsatz unvermeidlich ist, eine
>>nichthierarchisch organisierte Gruppe, die diesen ausfuehrt.

>Also, diese "Reihe von Instanzen kompetenter Moderatoren" werden sich
>dann ganz schnell zu den uns bekannten "Gerichten" entwickeln. Und die
>"nichthierarchisch organisierte Gruppe" sieht mir wie eine "Polizei"

Die Konfliktmoderatoren und die nichthierarchisch organisierte
Gruppe sind Gerichten bzw. der Polizei analog, aber nur insofern,
als dass sie mit vergleichbaren Situationen, die unter
hierarchischen wie unter nichthierarchischen Verhaeltnissen stets
auftreten werden, befasst sind. Die Art und Weise, wie diese
jeweils analogen Organisationen mit dem Problem umgehen, ist
jedoch grundlegend verschieden.
Gerichte und Polizei verhaengen Sanktionen, die im Interesse des
Staates sind. Die Interessen der Konfliktparteien bleiben dabei
weitestgehend unberuecksichtigt. Die Intervention dieser
Instanzen bringt im Regelfalle eine Menge neuen Unrechts in die
Sache, ohne dass das zuvor bestehende Unrecht (wenn es ueberhaupt
eins gab) aufgearbeitet oder sonstwas in Richtung einer gerechten
Konfliktloesung getan wird. Dies ist uebrigens eine Quelle
starker Frustration fuer die Konfliktparteien, die oftmals zum
Motor dafuer wird, dass ein banaler Nachbarschaftsstreit durch
saemtliche Instanzen gepruegelt wird.
Nichthierarchische Strukturen, die mit Konfliktloesungen zu tun
haben, tragen dagegen keinerlei eigenes Interesse in die Sache
hinein. Ihr Ziel ist es, entstandenes Unrecht bewusst zu machen,
es aufzuarbeiten und soweit wie moeglich auszugleichen, bei der
Entwicklung gerechter Konfliktloesungen mitzuhelfen, kurz, dazu
beizutragen, dass allen Beteiligten das, was trotz menschlicher
Unvollkommenheit und ihrer Folgen moeglich ist, auch ermoeglicht
wird.

>Mir ist es naemlich wurscht, ob der Polizist, der den Einbruch in meinem
>Haus aufklaert, oder fuer mich bei meinen Nachbarn interveniert,
>keinen, einen oder viele Vorgesetzte hat.

Fuer die konkreten Faelle, in denen man die Dienste der Polizei
beansprucht, mag es gleichgueltig erscheinen, wie diese
organisiert ist. Bedenkt man aber, dass die Polizei fuer das
eigene taegliche Leben eine erhebliche Bedeutung hat, ist ihre
Organisationsform aber ganz und gar nicht wurscht. Mir ist es
jedenfalls erheblich lieber, mit einer Gruppe Gleichberechtigter,
die auch mir als Gleichberechtigtem begegnen, zu tun zu haben,
als mit Leuten, die mit Macht ueber mich ausgestattet sind und
ihrerseits von noch Maechtigeren beherrscht werden.

>Er muss Macht haben, um die
>Entscheidungen, die die Moderatoren gefunden haben, durchzusetzen.

Der Gebrauch von Macht zur Durchsetzung einer an sich ethisch
richtigen Entscheidung ist nur dann gerechtfertigt, wenn alle
Mittel, die Entscheidung mit weniger Unrecht durchzusetzen,
ausgeschoepft sind.
Wichtiger als der Besitz von Macht ist fuer einen Polizisten
daher der Besitz bzw. die Beherrschung dieser mit weniger oder
gar keinem Unrecht verbundenen Mittel.

Wenn man zum Umgang mit Konflikten hauptsaechlich Macht fuer
wichtig haelt, zeigt das fuer mich, dass man den Konfliktparteien
nicht zutraut, mit sinnvolleren Mitteln ansprechbar zu sein. Ich
kann nicht aufhoeren, mich zu wundern, wie ein solch geringes
Vertrauen in die menschliche Vernunft mit einem grossen Vertrauen
in die edle Motivation hierarchisch Hochgestellter vereinbart
werden kann.

>Und auch die Moderatoren muessen Macht haben, Entscheidungen zu finden,
>die fuer einzelne unpopulaer und damit ungerecht, fuer die Gemeinschaft
>aber foerderlich und unter dem Strich gerecht sind.

Noch ein Beispiel fuer das mir wirklich voellig unverstaendliche
Misstrauen in die Moral der Machtlosen und das fuer meine
Begriffe voellig unbegruendete Vertrauen in die Moral der
Maechtigen: Dem machtlosen "Einzelnen" wird ein Intellekt
zugetraut, der es ihm gerade mal gestattet, das fuer ihn
Unpopulaere als Unrecht zu begreifen. Den machthabenden
Moderatoren wird aber die intellektuelle Faehigkeit zum Blick
fuer das Allgemeinwohl zugetraut, nebst der Faehigkeit, sich
nicht von der Macht korrumpieren zu lassen.

>>2. Eine andere Klasse von Menschenbildern sieht Triebe und
>>Emotionen als einzige Triebfeder fuer menschliches Handeln an.
>>Das rationale Denken wird danach immer von den Emotionen
>>instrumentalisiert, aber es kommt eben darauf an, welche
>>Emotionen dominieren.
>>Unter dieser Annahme muss man natuerlich alles vermeiden, was
>>negative Emotionen, wie Frustration und Aggression ausloest. Eine
>>sinnvolle Organisation sollte also mit so wenig Krafteinsatz wie
>>moeglich auskommen und die Menschen hauptsaechlich durch das
>>Ansprechen der positiven Emotionen motivieren.

>Wieder: die Organisationsform ist Hauptverursacher von Frustrationen.

>Ich halte dem gegenueber, dass, wenn Triebe und Emotionen einzige
>Triebfeder sind, es eine unabhaengige Instanz geben muss, die die Triebe
>und Emotionen soweit in sinnvolle Bahnen lenkt, dass von ihnen kein
>Schaden ausgeht.

Unabhaengig wovon? Ich meine, in einem solchen Fall muessen alle
Menschen versuchen, ihre eigenen Triebe in sinnvolle Bahnen zu
lenken, und sie muessen anderen Menschen dabei helfen. Wichtig
ist dabei aber vor allem, dass sie, um diese Lenkung der Triebe
zu erreichen, Macht nur als ultima ratio anwenden duerfen, da der
Machtgebrauch an sich die Triebe in unerwuenschte Richtung
beeinflusst.

[3. Menschenbild vergruftet]

>Ich habe auch nie behaupte, dass jemand behauptet habe ...
>Nur, _ich_ habe angedeutet, dass Gewalt auch ohne Hierarchie auftritt.
>Und dass eine der Aufgaben von Hierarchie ist, den Menschen objektiv
>aufzuzeigen, wie weit sie in ihrer Gewalt gehen duerfen, bzw. wenn sie
>zu weit gegangen sind, objektiv den Sachverhalt zu pruefen und "Recht zu
>sprechen".

Das "objektive Recht", das derzeit von Hierarchien "gesprochen"
wird, ist und bleibt fuer mich eine Festschreibung von Unrecht,
das Maechtige stark bevorzugt und Machtlose stark benachteiligt.
Und selbst wenn eine Hierarchie, in der Macht nur in ethisch
gerechtfertigter Weise eingesetzt wird, theoretisch moeglich
waere (was ich stark bezweifle), ist doch mindestens
festzuhalten, dass diese Theorie kein bisschen weniger grau als
die einer nichthierarchischen Gesellschaft ist.
Oder kann mir hier irgendjemand ein Beispiel aus der Geschichte
nennen, wo eine solche Hierarchie mal existiert hat? :-)

>Ich stelle die These auf, dass Hierarchie auch Gewalt der Menschen
>untereinander verhindert, indem sie Richtlinien fuer das Leben
>miteinander aufstellt. Richtlinien an die sich alle zu halten haben.
>Und dann steht die Frage im Raum: gibt es ohne Hierarchie mehr oder
>weniger Gewalt?
>Dies betrachtet Hierarchie aber nur vom Aspekt der Gewalt heraus.
>Hierarchie hat ja auch noch andere Funktionen.
>Ich denke da nur an die Tendenz der Menschen, fuer sich selbst
>Schwerpunkte zu setzen, bei denen eben _nicht_ das Gemeinwohl im
>Vordergrund steht (die aber auch nicht _gegen_ das Gemeinwohl gerichtet
>sind). D.h. Hierarchie als "Dienstleistung". Hierarchie als
>"Verwaltung".

Hierarchie als "Dienstleistung", darueber habe ich gut gelacht.
Das hat mich an die Fernsehserie "Shogun" erinnert, die ich vor
Ewigkeiten mal gesehen habe. Da erklaert einer dem Protagonisten:
"Samurai, das heisst uebersetzt 'dienen'. Wenn Du etwas tust, was
dem Samurai nicht passt, dann dient er Dir damit, dass er Dir den
Kopf abschlaegt." (oder so aehnlich) :-)
Nein, tut mir leid, die Dienstleistung "Hierarchie" wird ohne
meinen Auftrag und gegen meinen erklaerten Willen erbracht, und
daher bestehe ich auf einer sofortigen und vollstaendigen
Einstellung derselben.

>Willst Du Hierarchien abschaffen, so muss jede Entscheidung vom Volke
>getroffen werden.

Nein, jede Entscheidung muss von den Betroffenen gefaellt werden.
Diese Gruppe wird in vielen Faellen erheblich kleiner als ein
"Volk" sein. Und wenn sie mal die Groessenordnung eines "Volkes"
hat, besteht deswegen noch lange kein Bedarf, einen oder mehrere
Maechtige zu ernennen, die der Gruppe die von ihr getroffene
Entscheidung dann aufs Auge druecken.
Fuer mich ist sowas absurd. Entweder man unterstuetzt eine
Entscheidung und traegt sie mit, dann braucht man keinen, der
einen dazu zwingt. Oder man tut es nicht, dass hat niemand ein
ethisch begruendbares Recht, einen gegen den eigenen Willen dazu
zu zwingen.

>In dem Augenblick naemlich, in dem Du ein
>Entscheidungsgremium einsetzt, muss dieses Gremium Macht haben, seine
>Entscheidungen durchzusetzen.

Zum wiederholten Male: Macht ist keineswegs das einzige, sie ist
in jederlei Hinsicht das LETZTE Mittel, um Entscheidungen in die
Tat umzusetzen.

>Das mit der "beliebig formbar"keit zielt natuerlich auch in die Richtung
>einer gewaltlosen, hierarchiefreien, _solidarischen_ Gesellschaft. Du
>muesstest alle Menschen zu solidarischen Wesen formen, damit keiner
>versucht, den anderen zu uebervorteilen. Hass, Neid, _Egoismus_, all das
>darf es nicht mehr geben. Aber auch nicht Liebe, denn wie viel Unrecht
>geht nicht von Liebe aus? Wenn Liebe nicht erwidert wird.

Naja, man kann wohl lange darueber diskutieren, ob das dann noch
Liebe ist. Im Zusammenhang dieses threads schlage ich vor, diese
Faelle als durch Frustration erzeugte Aggression/Destruktivitaet
zu behandeln.

>Ich habe eben meine Probleme, mir eine Gesellschaft in unserer
>Groessenordnung vorzustellen, die ohne "oben" und "unten" auskommt.

Die habe ich auch. Sie sind vermutlich ungefaehr so gross wie die
eines Leibeigenen im Mittelalter, sich unser derzeitiges System
vorzustellen.

>Die
>auskommt ohne eine (gewaehlte) Koerperschaft, die Regeln fuer das
>Nebeneinander und Miteinander aufstellt. Nur darauf zu vertrauen, dass
>die Menschen "solidarisch" miteienander umgehen, heisst, den idealen
>Menschen vorauszusetzen und dieser ist eben nicht erzeugbar!

Insbesondere kann man aus einem normalen Menschen doch wohl
keinen idealen Menschen erzeugen, indem man ihn in eine
Koerperschaft waehlt?!

>>>Die Frage, ob es so etwas wie angeborene Agressivitaet im menschen gibt,
>>>geht ueber in die Frage, ob Gewalt, Feindseligkeit und Zerstoerungswut
>>>nur durch aeussere Initiierung entstehen, oder ob sie auch spontan
>>>entstehen koennen, selbst unter Strafandrohung.

>>*Gerade* unter Strafandrohung! Da haben wir ihn wieder, den
>>Irrglauben, man koenne die aggressiven Instinkte selbst durch
>>Strafandrohungen bekaempfen. Nein, durch Strafandrohung wird man
>>Frustration und Aggression eines Menschen stets *erhoehen*: Wenn
>>jemand mich bittet, ihm bei irgendeiner sinnvollen Taetigkeit zu
>>helfen, werde ich dies im Regelfalle auch tun. Will er mich aber
>>mit physischer Gewalt dazu zwingen, werde ich es im Regelfalle
>>ablehnen und eher bereit sein, mich mit dem Betreffenden auf eine
>>Auseinandersetzung einzulassen. Wenn ich schliesslich von einer
>>Uebermacht gezwungen werde, gegen die ich mich nicht wehren kann,
>>werde ich das von mir Verlangte moeglicherweise tun, und dabei
>>aber aufs Staerkste frustriert werden. Dann dann wird fuer mich
>>das Wesentliche an der Situation nicht mehr die von mir verlangte
>>Taetigkeit, sondern der auf mich ausgeuebte Zwang sein. Genau
>>dies ist die Situation, in der ich mich dem heutigen Staat
>>gegenueber befinde.

>Du sagst, dass man Agressive Handlungen nicht unter Strafandrohung
>verhindern kannst, gibst aber das Beispiel, dass jemand dich zu einer
>nicht-aggressiven Handlung zwingt.

Ich habe ja auch nie behauptet, dass Hierarchie einen zu Gewalt
zwingt. Es geht vielmehr darum, dass Macht, die Methode also, mit
der in Hierarchien die Menschen zu m.o.w. sinnvollen Handlungen
gebracht werden, unvermeidlich Frust, Aggression und
Gewaltbereitschaft saet.
Mit dem Beispiel wollte ich zeigen, dass es in fast allen Faellen
sinnvollere, zivilisiertere, Methoden als Strafandrohung gibt,
jemanden zu einer halbwegs sinnvollen Handlung zu bringen.
>>>nur schwach stimulierend wirken.

[...]

>Und dass "Hierarchien sich auf den Einsatz von Kraft als Hauptinstrument
>zur Motivation der Menschen stuetzen" ist eine These, die wohl nur Du
>vertrittst. Hierarchien koennen auch durch Einsatz von Belohnung und
>Anerkennung motivieren. Motivation ist voellig unabhaengig von der
>Organisationsform. Die moderne Organisationslehre kennt _viele_ Formen
>von Motivation.

Naja, Zuckerbrot und Peitsche sind doch wohl nur zwei Spielarten
desselben Unrechts, das man mit ungerechter Privilegierung
bezeichnen kann. Im einen Fall werden die Privilegien gewaehrt,
im anderen Fall entzogen. Ersteres ist nicht positiver als
Letzeres -- genauso, wie ein halbvolles Glas nicht besser ist als
ein Halbleeres.

>Andererseits ist der Mensch erst einmal traege. Warum sollte er etwas
>tun? Hierachisch oder hierarchielos! D.h. es ist grundsaetzlich Kraft
>noetig, den Menschen zu etwas zu bewegen. Das kann eine abstossende
>Kraft sein (Strafandrohung, Androhung von Liebesentzug oder dem Entzug
>von Anerkennung, Privilegien) oder eine anziehende (Belohnung, Liebe,
>Anerkennung).

Aber *irgendwo* aus dem Menschen muss der Antrieb doch kommen!
Wenn der Mensch so "traege" ist, dass er irgendeine sinnvolle
Sache nicht tut, wieso sollte er dann andererseits die
Anstrengung unternehmen, eine Hierarchie mit ihm selbst an der
Spitze aufzubauen, um diese sinnvolle Sache zu tun? Letzteres ist
doch um ein Vielfaches aufwendiger.

>Deine These am Anfang dieses Threads war, dass es einem Teil der
>Bevoelkerung gestattet sein muss, sich vom Rest abzukoppeln und nach
>seiner Facon gluecklich zu werden, a la "Freie Republik Wendland".
>Dem habe ich widersprochen und behauptet, dass wir dies nicht zulassen
>koennen. Schon aus Gruenden der Gleichheit aller nicht.

Wieso aus Gruenden der Gleichheit? Sind staatstreue Buerger
gleicher als solche, die eine Alternative wollen?
Wer ist hier "wir"? Ich fuer meinen Teil kann sehr gut zulassen,
dass mutige Menschen eine moeglicherweise gerechtere,
menschlichere Alternative zu unserem derzeitigen System erproben.
Dagegen kann ich nicht zulassen, dass unser System dies
verhindert. Allein weil nicht bewiesen werden kann, dass es das
bestmoegliche System ist, kann die Verhinderung der Erprobung von
Alternativen ethisch nicht gerechtfertigt werden.

Die Freie Republik Wendland war nie als Modell fuer ein von mir
befuerwortetes alternatives System gemeint. Ich war damals zu
jung, um mich daran aktiv zu beteiligen und habe auch sonst viel
zuwenig Information ueber sie, um ueberhaupt sagen zu koennen, in
welchen Punkten ich mit ihr als Modell uebereinstimme.
Ich habe die Freie Republik Wendland nur als sehr reales,
drastisches Beispiel dafuer genommen, wie das derzeitige System
mit Versuchen, eine Alternative zu realisieren, umgeht: Es macht
sie platt.

>Daraus ist eine Diskussion ueber die (Vor- und) Nachteile unseres
>hierarchischen Systems entstanden mit der Frage, ob es anders geht.
>Ich habe immer wieder behauptet, und stehe noch dazu, dass es nicht
>anders geht.

>Deine Vorstellung ist, dass Du glaubst, dass Du Dich nicht mehr an die
>bestehenden Gesetze halten brauchst, weil sie Deinem Empfinden
>widersprechen. Es gibt viele andere, die dies auch glauben, und sogar
>Steine werfen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
>Du darfst Deine Alternativen denken, sprechen und leben, aber nur im
>Rahmen der bestehenden Ordnung.

Meine Empfindungen haben fuer die von mir vertretene Ethik
keinerlei Bedeutung. Ich glaube auch nicht, dass ich mich
ihretwegen "nicht mehr an Gesetze zu halten brauche". Nach der
von mir vertretenen Ethik hat aber die Freiheit, ein sinnvolles,
selbstbestimmtes Leben zu fuehren, einen hoeheren Stellenwert als
alle Gesetze. Wo der "Rahmen der bestehenden Ordnung" mich daran
hindert, diese Freiheit fuer mich und fuer andere zu
verwirklichen, glaube ich, ein ethisches Recht zu haben, diesen
Rahmen zu verlassen. Und ich glaube, in diesen Faellen die
ethische Pflicht zu haben, fuer eine Abschaffung solcher
Einschraenkungen einzutreten.

>Wenn Du damit diese Ordnung veraenderst,
>hast Du Glueck. Ich wuensche Dir dieses Glueck!

Danke fuer den guten Wunsch. Ich wuensche Dir alles Glueck und
allen Erfolg dabei, die Dich umgebenden und betreffenden
Strukturen nach Deinen Vorstellungen mitzugestalten.

Schliesslich sind die Strukturen fuer uns da, und nicht wir fuer
die Strukturen!

Felix Schroeter

unread,
Nov 19, 1992, 6:52:59 AM11/19/92
to
Jan T. Kim schreibt:
(Zeilen, denen ich kommentarlos zustimme, werden geloescht.
Teilweise kommentiere ich auch Aeusserungen des von Jan gequoteten
Josef Moellers.)

> In <1eafll...@uranium.sto.pdb.sni.de> Josef Moellers <molle...@sni.de> w
ri
> tes:
>
> >In <1e973u...@rs1.rrz.Uni-Koeln.DE> ae...@rrz.uni-koeln.de (Jan T. Kim) w
ri
> tes:
> >Dann komm' doch endlich 'mal mit einem konkreten Gegenvorschlag!
> >Ich habe in einem anderen Posting auch schon dazu aufgerufen, mir doch
> >einmal ein Volk zu benennen, das hierarchiefrei gelebt hat.
Anmerkung: Ich hab mal GRUNDZUEGE !! eines Gegenvorschlags gebracht.
Betonungen: ^^^^^^^^^^ ^^^^^

>
> Was konkrete Vorschlaege betrifft, ich habe in diesem thread
> bereits einige gemacht:
>
> * Einschraenkung der Bevorrechtigung von Polizisten
> * Gerechtere Beteiligung aller an in Betrieben erwirtschafteten
> Gewinnen
Das geht aber kaum, wenn noch ein Chef (in marxschen Begriffen:
ein Kaitalist, selbst wenn dieser aus 1000 Aktionaeren besteht...)
existiert, der sagt:
"ICH habe investiert. Deshalb will ICH auch den Gewinn."

> * Gerechtere Beteiligung aller an Entscheidungen in Betrieben und
> sonstigen Gemeinschaften
Richtig. D.h. alle Arbeiter eines Betriebes stimmen gemeinsam mit
dem/den Eigner(n) desselben ab, was gemacht wird.
Das Abstimmungsergebnis muss dann aber fuer beide Seiten bindend
sein.
Problem: Schutz einer Minderheit, sei es unter den Arbeitern,
sei es unter den Eignern.

> * Abschaffung des Schachers mit Grundrechten, insbesondere dem
> auf Wohnung.
Dann muesste man Immobilien kollektivieren.
(Wogegen ich nichts haette :-)

>
> >>2. Unabhaengig davon hat die Freiheitseinschraenkung den
> >>Nachteil, dass sie bei den Menschen zu Frustration und
> >>Aggressivitaet fuehrt. Versucht man, diese Aggressivitaet
> >>wiederum mit Mitteln der Hierarchie zu kontrollieren,
> >>laeuft man Gefahr, einen Teufelskreis zu schliessen.
>
> >S.o. Du stellst Freiheitseinschraenkung als Hauptgrund fuer Frustration
> >und Aggression hin. Ich habe in meinem anderen Posting versucht
> >darzulegen, dass es eine Vielzahl anderer Gruende gibt, und dass nicht
> >jede Frustration zu Aggression und damit zu (Gegen-) Gewalt fuehren
> >muss.
>
> Natuerlich fuehrt nicht jede Erfahrung von Zwang und Frustration
> notwendigerweise zu Gewalt, ein Mensch hat mehrere
> Moeglichkeiten, mit solchen Situationen umzugehen. Es besteht
> aber ein statistischer Zusammenhang. Wenn in einer Gesellschaft
> mehr Zwang angewandt wird, um das Handeln der Menschen zu
> beeinflussen, ist mit einem groesseren Gewaltpotential der
> Menschen zu rechnen.
Auf jeden Fall: Freiheitsbeschraenkung ist ein Grund fuer Gewaltbereit-
schaft. Niemand behauptet(e), sie sei der einzige...
Freiheitsberaubung fuehrt zu Frustration, die ihrerseits ein Faktor
bei der Entstehung von Gewalt ist.
Da muss auch Josef Moellers mir zustimmen, zumindest wenn er dem
von ihm zitierten Psychologen zustimmt.

>
> >>3. In Hierarchien tritt das Bestreben zum Erhalt und Ausbau der
> >>eigenen Position in Konkurrenz zu dem Bestreben, an der jeweils
> >>m.o.w. sinnvollen Aufgabe der Organisation zu arbeiten. Dadurch
> >>werden in erheblichem Masse kreative menschliche Energien
> >>beansprucht, die dann nicht fuer die Arbeit an der Aufgabe der
> >>Organisation zur Verfuegung stehen.
>
> >Dem steht eine Gesellschaftsform entgegen, in der jeder seine Freiheit
> >selber erstreiten muss. In der er staendig aufpassen muss, ob er nicht
> >die Freiheit eines anderen verletzt. In der er staendig aufpassen muss,
> >dass nicht ein andere seine Freiheit einschraenkt. In der er auch
> >staendig nachweisen muss, dass der andere gerade seine Freiheit
> >einschraenkt.
>
> Du verwechselst hier (zum wiederholten Male) Hierarchiefreiheit
> mit dem Fehlen jeglicher Organisation. Natuerlich wird es auch in
Das ist auch das Prblem des Begriffs Anarchie.
Diejenigen, die sich hinter den Begriff stellen, meinen damit
nichts anderes als irgendeine Organisationsform ohne Hierarchie,
also nichts anderes als das, was Jan und ich (und andere !?) hier
vertreten.
Viele andere verwechseln Anarchie mit einer Lebensform, wo die Menschen
nur auf sich alleine gestellt sind und KEINERLEI gesellschaftliche
Organisation haben, wo also letztlich WIRKLICH ein Chaos droht.
Und jetzt wird gesagt:
hierarchiefreie Organisation -> Anarchie -> Chaos, jeder kloppt jeden.
Dem ist nicht so. ^ ^
einer der beiden Pfeile ist naemlich ein Trugschluss:
Bei Begriff Anarchie Nr 1 der zweite, bei Begriff Anarchie Nr.2
der erste.

> einem nichthierarchischen menschlichen Miteinander einen "Rahmen"
> des alltaeglichen Lebens, oder besser, "ausgetretene Pfade"
> geben, auf denen man sich bewegen kann, ohne sich staendig ueber
> die von Dir oben angesprochenen Probleme den Kopf zu zerbrechen.
> Der Unterschied ist dabe aber der dass, bildlich gesprochen, dass
> diese ausgetretenen Pfade nicht, wie die von der Hierarchie
> erzwungenen Pfade, eingemauert sind, so dass niemand Alternativen
> erproben kann und man sich auf ihnen wie in der Kanalisation
> bewegt.
Richtig. Es existiert also weiterhin eine Ordnung (Organisation),
nur ist jedem freigestellt, ob er diese Ordnung fuer sich uebernehmen
will oder ob er eine andere Ordnung einhalten will.
Es koennten also im Prinzip 2 Organisationsformen auf einem Gebiet
existieren und da sie sich nicht ausschliessen, muessen sie sich
nicht gegenseitig bekaempfen (wie jetzt die hierarchische <-> eine
nichthierarchische), sondern sie koennen sogar kooperieren.

>
> >Viele derer, die bei uns in der Hierarchie ueber uns stehen, muessen
> >ihren Platz in der Hierarchie durch Leistung sichern. D.h. sie muessen
> >gute Arbeit leisten, wollen sie ihre Stellung behalten.
>
> Naja. Dein Glaube daran, dass sinnvolles Handeln, und nicht
> eiskalte Machtpolitik, zuverlaessig den Aufstieg in der
> Hierarchie bewirken, ist wohl durch nichts zu erschuettern.
Leider :-(
Siehe auch mein neuliches Beispiel mit der Armee...

> >In unserer Firma muessen also meine Vorgesetzten unsere Arbeit so
> >planen, dass am Ende ein gut vermarktbares Produkt herauskommt. Das
> >sichert meinen Arbeitsplatz und damit mein Einkommen und letztlich ein
> >Stueck meiner Freiheit.

Das koennten die Arbeiter auch gemeinschaftlich, ohne Vorgesetzte,
machen... s.o. die partiellen Gegenvorschlaege von Jan.


> >In unserer Regierung muessen die "Volksvertreter" so regieren, dass sie
> >bei der naechsten Wahl wiedergewaehlt werden. Wiedergewaehlt werden sie
> >aber nur, wenn sie das getan haben, wass das Wahlvolk in der Mehrheit
> >wuenscht. (Dies kann natuerlich zu Problemen fuehren, wenn sich z.B.
> >unter der Bevoelkerung eine steigende Auslaenderfeindlichkeit bemerkbar
> >macht)
>
> Eine seit Generationen bewaehrte Methode, wiedergewaehlt zu
> werden, ist, stets dafuer zu sorgen, dass keine sinnvolle
> Alternative zur Wahl steht.

Ist euch der Spruch nicht bekannt??
Wenn Wahlen etwas aendern koennten, waeren sie verboten.
Wenn hier die naechste BT-Wahl ansteht, muss ich mir es hundert Mal
ueberlegen, wie ich handle.
Gehe ich nach einem Ausschliessungsverfahren vor, muss ich alle
Entraege auf dem Wahlzettel ROT durchstreichen und fertig.
Das halte ich aber fuer nicht so sinnvoll..
Daher also das geringste Uebel aussuchen :-(


>
> >>4. Es gibt keine Moeglichkeit, die hierarchischen Positionen
> >>durch irgendwelche Rotationssysteme so unter den Menschen zu
> >>verteilen, dass die mit ihnen verbundenen Ungerechtigkeiten sich
> >>im zeitlichen Mittel ausgleichen. Daher ist hierarchischen
> >>Strukturen ein gewisses Mass an Ungerechtigkeit immanent.
> > ^^^^^^^^
>
> >Auch hier wieder eine Relativierung: "gewisses" Mass.
>
> Ok, das war nicht korrekt formuliert. Genauer muss es heissen:
> "ein entsprechendes Mass", naemlich eben jenes, welches aus der
> Ungleichberechtigung in der Hierarchie resultiert.

Lieber Josef, gestehe dem Jan auch mal nen Irrtum zu, zumal er ihn
hier korrigiert hat.


>
> >>Alle diese Punkte sprechen dafuer, die derzeitige hierarchische
> >>Organisation der menschlichen Gesellaft nicht als unabaenderlich
> >>hinzunehmen und die damit verbundenen Uebel als unvermeidlich zu
> >>akzeptieren, sondern vielmehr nach nichthierarchischen
> >>Alternativen zu suchen. Insbesondere aufgrund des Unrechts, das
> >>hierarchischen Strukturen immanent ist, kann es ethisch kein
> >>Recht geben, die Suche nach Alternativen zu behindern oder zu
> >>verbieten.
>
> >Dem stimme ich zu. Nur, wie bereits mehrfach erwaehnt, bitte ich doch um
> >Beschreibung einer Organisationsform, die alle Nachteile beseitigt.

NA ALSO !! Du gibst uns also das Recht, uns Alternativen zu suchen.
Nur: Eine Alternative muss wachsen, genauso wie alle bisherigen
Systeme gewachsen sind. --> Das derzeitige System darf Alternativen
nicht bekaempfen.
Sonst gehts wieder so wie mit der "freien Republik Wendland".
Sie war ein Versuch, eine Alternative im kleinen zu erproben.
Sie wurde durch den Einsatz von "Kraft" (Gewalt) zerschlagen, und dann
heisst es womoeglich, sie habe an sich nicht funktionieren KOENNEN :-(
Klar hat sie nicht funktionieren koennen, aber nicht weil sie innere
Widersprueche hatte, sondern weil sie von aussen durch eine Uebermacht
zerschlagen wurde.
Anmerkung: Fuer mich gilt das gleiche, was auch Jan zur Fr. Republik
Wendland geschrieben hat: ich kenne sie nicht genau, also kann ich
zu ihrer Struktur nichts sagen. Aber fest steht, dass sie ein
Versuch war, eine Alternative zum bestehenden System zu erproben.


>
> Warum denn gleich *alle* Nachteile? Wie bereits mehrfach gesagt,
> meine ich, dass man die Nachteile nur schrittweise abschaffen
> kann. Dazu ist aber die Freiheit, alternative Strukturen zu
> errichten und zu erproben, erforderlich. Man kann nicht alles bis
> ins letzte Detail im Voraus planen und dann auf einen Schlag in
> die Realitaet umsetzen.

Tja... Dieses "Argument":
Ihr koennt uns kein fertiges Modell sagen --> Es funzt eh net.
Macht erstmal nen fertigen Entwurf :-(

> Mir scheint, dass Deine Bedenken sich weniger gegen die
> nichthierarchische Idee an sich, sondern vielmehr gegen die
> derzeitige geistige Unvorbereitetheit der Menschen auf ein
> solches System richten. Natuerlich sind die meisten Menschen auf
> ein voellig nichthierarchisches System unvorbereitet -- wer
> sollte sie auch vorbereiten, ihre Herrscher vielleicht?

..flame on.
Klar. Die sind ja nur ethisch motiviert. Nur sie haben die Macht,
den Menschen das neue System (nichthierarchisch) einzutrichtern und
danach sich selbst abzusetzen.
..flame off.
Im Ernst:
Wie soll ein hierarchischer Chef besser ueber nichthierarchische
Alternativen aufgeklaert sein als ein untenstehender?
Nur dadurch, dass er die Hierarchie verinnerlicht hat, konnte er
erst die von der Hierarchie geforderte Leistung, naemlich
"Faehigkeit zur Menschenfuehrung", erbringen.

> Diese Unvorbereitetheit auf nichthierarchische Verhaeltnisse
> wuerde den Versuch einer schlagartigen Umstellung unweigerlich zu
> einem Kraftakt mit ungewissem Ausgang machen, selbst wenn er ohne
> Gewalt, die das Ziel ja verraten wuerde, moeglich waere. Meine
> Vorstellung ist daher die der schrittweisen Abschaffung
> hierarchischer Strukturen, begleitet von dazu parallelem Aufbau
> nichthierarchischer Alternativen, indem Vertrauensvorschuesse in
> die menschliche Vernunft schrittweise von hierarchischen
> Entscheidungstraeger auf die von den jeweiligen Entscheidungen
> Betroffenen uebertragen werden. Dies gibt den Menschen
> Gelegenheit, neue Freiheiten kennenzulernen und sinnvoll
> zu nutzen, und die Gefahr der schlagartigen Entladung
> aufgestauter Aggressionen (nichts anderes ist das so
> gefuerchtete "Chaos-Anarchie-Szenario") wird gering gehalten.

Zu diesem Szenario s.o. meine Ausfuehrungen zum Begriff Anarchie.
>
> [...]


>
> >Also, diese "Reihe von Instanzen kompetenter Moderatoren" werden sich
> >dann ganz schnell zu den uns bekannten "Gerichten" entwickeln. Und die
> >"nichthierarchisch organisierte Gruppe" sieht mir wie eine "Polizei"

Instanzen hoert sich in der Tat hierarchiegefaehrdet an.
Aber aus den unten stehenden Ausfuehrungen schliesse ich,
dass diese Moderatoren, sozusagen Schiedsrichter, von beiden
Konfliktparteien gemeinsam angerufen werden:
"Wir sind nicht in der Lage, unseren Konflikt gemeinsam zu loesen.
Koennt Ihr uns helfen?"
Die "Unterwerfung" unter diese ist zeitlich eingegrenzt und geschieht
auf voellig freiwilliger Basis.


>
> Die Konfliktmoderatoren und die nichthierarchisch organisierte
> Gruppe sind Gerichten bzw. der Polizei analog, aber nur insofern,
> als dass sie mit vergleichbaren Situationen, die unter
> hierarchischen wie unter nichthierarchischen Verhaeltnissen stets
> auftreten werden, befasst sind. Die Art und Weise, wie diese
> jeweils analogen Organisationen mit dem Problem umgehen, ist
> jedoch grundlegend verschieden.
> Gerichte und Polizei verhaengen Sanktionen, die im Interesse des
> Staates sind. Die Interessen der Konfliktparteien bleiben dabei
> weitestgehend unberuecksichtigt. Die Intervention dieser
> Instanzen bringt im Regelfalle eine Menge neuen Unrechts in die
> Sache, ohne dass das zuvor bestehende Unrecht (wenn es ueberhaupt
> eins gab) aufgearbeitet oder sonstwas in Richtung einer gerechten
> Konfliktloesung getan wird. Dies ist uebrigens eine Quelle
> starker Frustration fuer die Konfliktparteien, die oftmals zum
> Motor dafuer wird, dass ein banaler Nachbarschaftsstreit durch
> saemtliche Instanzen gepruegelt wird.

Insbesondere wenn beide Rechtschutzversicherungen haben :-/

> Nichthierarchische Strukturen, die mit Konfliktloesungen zu tun
> haben, tragen dagegen keinerlei eigenes Interesse in die Sache
> hinein. Ihr Ziel ist es, entstandenes Unrecht bewusst zu machen,
> es aufzuarbeiten und soweit wie moeglich auszugleichen, bei der
> Entwicklung gerechter Konfliktloesungen mitzuhelfen, kurz, dazu

Genau das: ^^^^^^


> beizutragen, dass allen Beteiligten das, was trotz menschlicher
> Unvollkommenheit und ihrer Folgen moeglich ist, auch ermoeglicht
> wird.

Letztlich versuchen die "Schiedsrichter", den beiden Konfliktparteien
zu einer Distanzierung zu der Sache zu verhelfen.


>
> >Er muss Macht haben, um die
> >Entscheidungen, die die Moderatoren gefunden haben, durchzusetzen.
>
> Der Gebrauch von Macht zur Durchsetzung einer an sich ethisch
> richtigen Entscheidung ist nur dann gerechtfertigt, wenn alle
> Mittel, die Entscheidung mit weniger Unrecht durchzusetzen,
> ausgeschoepft sind.

Wer stellt dies fest?
Sorry, ich kann mich mit Gebrauch von Macht/Kraft in dieser Sache
GARNICHT anfreunden.


> Wichtiger als der Besitz von Macht ist fuer einen Polizisten
> daher der Besitz bzw. die Beherrschung dieser mit weniger oder
> gar keinem Unrecht verbundenen Mittel.

D.h. der Polizist sollte statt Schiessuebungen praxisnahe Uebung
^^^^^^^^^^^^^^^ z.B.
im Umgang mit Menschen und im einvernehmlichen Schlichten von Zaenken
absolvieren.


>
> Wenn man zum Umgang mit Konflikten hauptsaechlich Macht fuer
> wichtig haelt, zeigt das fuer mich, dass man den Konfliktparteien
> nicht zutraut, mit sinnvolleren Mitteln ansprechbar zu sein. Ich
> kann nicht aufhoeren, mich zu wundern, wie ein solch geringes
> Vertrauen in die menschliche Vernunft mit einem grossen Vertrauen
> in die edle Motivation hierarchisch Hochgestellter vereinbart
> werden kann.

Das ist das ganze Problem....
Da wird einerseits gesagt: Der einzelne kann ohne eine Hierarchie
nicht moralisch handeln, andererseits muessen dafuer "Chefs" da sein,
die selbst OHNE Vorgesetzte !!!! moralisch handeln koennen.


>
>
> [3. Menschenbild vergruftet]
>
> >Ich habe auch nie behaupte, dass jemand behauptet habe ...
> >Nur, _ich_ habe angedeutet, dass Gewalt auch ohne Hierarchie auftritt.
> >Und dass eine der Aufgaben von Hierarchie ist, den Menschen objektiv
> >aufzuzeigen, wie weit sie in ihrer Gewalt gehen duerfen, bzw. wenn sie
> >zu weit gegangen sind, objektiv den Sachverhalt zu pruefen und "Recht zu
> >sprechen".
>
> Das "objektive Recht", das derzeit von Hierarchien "gesprochen"
> wird, ist und bleibt fuer mich eine Festschreibung von Unrecht,
> das Maechtige stark bevorzugt und Machtlose stark benachteiligt.
> Und selbst wenn eine Hierarchie, in der Macht nur in ethisch
> gerechtfertigter Weise eingesetzt wird, theoretisch moeglich
> waere (was ich stark bezweifle), ist doch mindestens
> festzuhalten, dass diese Theorie kein bisschen weniger grau als
> die einer nichthierarchischen Gesellschaft ist.
> Oder kann mir hier irgendjemand ein Beispiel aus der Geschichte
> nennen, wo eine solche Hierarchie mal existiert hat? :-)

Scheint nicht so... Aber von uns eines verlangen fuer eine hierarchie-
lose Gesellschaft.
Sowieso:
Irgendwann gibt es etwas immer zum ersten Mal:
irgendwann wurde das Lehnswesen erfunden, irgendwann dann die
absolute Monarchie, spaeter die moderne konstitutionelle
Monarchie, und irgendwann der Parlamentarismus.
Als letzterer erfunden wurde, wurde auch nicht gefragt:
"Wo gabs das jemals?" Wenn dies gefragt worden waere, haetten wir
noch jetzt keine parlamentarische Demokratie.
Genauso unberechtigt ist also diese Frage bei nichthierarchischer
Organisation.


>
> >Ich stelle die These auf, dass Hierarchie auch Gewalt der Menschen
> >untereinander verhindert, indem sie Richtlinien fuer das Leben

Hierarchie ist wie gesagt EINE Moeglichkeit, individuelle Gewalt
einzudaemmen, ABER: Auf Kosten eines nicht akzeptablen Masses an
struktureller Gewalt (aber davon hat J.M. scheinbar erst von mir gehoert:
in meinem Posting zum Thema Gewalt / Definition bei Galtung)


> >miteinander aufstellt. Richtlinien an die sich alle zu halten haben.
> >Und dann steht die Frage im Raum: gibt es ohne Hierarchie mehr oder
> >weniger Gewalt?
> >Dies betrachtet Hierarchie aber nur vom Aspekt der Gewalt heraus.
> >Hierarchie hat ja auch noch andere Funktionen.
> >Ich denke da nur an die Tendenz der Menschen, fuer sich selbst
> >Schwerpunkte zu setzen, bei denen eben _nicht_ das Gemeinwohl im
> >Vordergrund steht (die aber auch nicht _gegen_ das Gemeinwohl gerichtet
> >sind). D.h. Hierarchie als "Dienstleistung". Hierarchie als
> >"Verwaltung".
>
> Hierarchie als "Dienstleistung", darueber habe ich gut gelacht.
> Das hat mich an die Fernsehserie "Shogun" erinnert, die ich vor
> Ewigkeiten mal gesehen habe. Da erklaert einer dem Protagonisten:
> "Samurai, das heisst uebersetzt 'dienen'. Wenn Du etwas tust, was
> dem Samurai nicht passt, dann dient er Dir damit, dass er Dir den
> Kopf abschlaegt." (oder so aehnlich) :-)

:-/


> Nein, tut mir leid, die Dienstleistung "Hierarchie" wird ohne
> meinen Auftrag und gegen meinen erklaerten Willen erbracht, und
> daher bestehe ich auf einer sofortigen und vollstaendigen
> Einstellung derselben.

Richtig. Wenn Josef Hierarchie als Dienstleistung zu sehen, muss er
uns freistellen, ob wir sie in Anspruch nehmen oder nicht, wie das
bei jeder anderen Dienstleistung selbstverstaendlicherweise der
Fall ist.


>
> >Willst Du Hierarchien abschaffen, so muss jede Entscheidung vom Volke
> >getroffen werden.

Nein. Auch Diktatur einer Mehrheit ist strukturelle Gewalt gegenueber
der Minderheit, wenn diese zur Einhaltung des Mehrheitsbeschlusses
GEZWUNGEN wird.


>
> Nein, jede Entscheidung muss von den Betroffenen gefaellt werden.
> Diese Gruppe wird in vielen Faellen erheblich kleiner als ein
> "Volk" sein. Und wenn sie mal die Groessenordnung eines "Volkes"
> hat, besteht deswegen noch lange kein Bedarf, einen oder mehrere
> Maechtige zu ernennen, die der Gruppe die von ihr getroffene
> Entscheidung dann aufs Auge druecken.

Siehe Stichwort DEZENTRALISIERUNG.


> Fuer mich ist sowas absurd. Entweder man unterstuetzt eine
> Entscheidung und traegt sie mit, dann braucht man keinen, der
> einen dazu zwingt. Oder man tut es nicht, dass hat niemand ein
> ethisch begruendbares Recht, einen gegen den eigenen Willen dazu
> zu zwingen.

Lieber Josef: Lese mal Art.1 GG:
"...unveraeusserliche Menschenrechte..."
Art.2 GG: persoenliche Freiheit
Art.19(2) Grundrecht (also auch Freiheit) darf GRUNDSAETZLICH!!
nicht im Wesensgehalt angetastet werden.
--
Wird es aber. Das ist ein Widerspruch in der bestehenden Ordnung.
..zigte Widerholung von Josef&Jan gestrichen.

> >Das mit der "beliebig formbar"keit zielt natuerlich auch in die Richtung
> >einer gewaltlosen, hierarchiefreien, _solidarischen_ Gesellschaft. Du
> >muesstest alle Menschen zu solidarischen Wesen formen, damit keiner
> >versucht, den anderen zu uebervorteilen. Hass, Neid, _Egoismus_, all das
> >darf es nicht mehr geben. Aber auch nicht Liebe, denn wie viel Unrecht
> >geht nicht von Liebe aus? Wenn Liebe nicht erwidert wird.

Hmmmm... Das ist wirklich KEINE Liebe mehr, wenn sie ein unbedingtes
Verlangen (also versuchte Machtausuebung) gegenueber dem Objekt der
"Liebe" ist.


> Naja, man kann wohl lange darueber diskutieren, ob das dann noch
> Liebe ist. Im Zusammenhang dieses threads schlage ich vor, diese
> Faelle als durch Frustration erzeugte Aggression/Destruktivitaet
> zu behandeln.
>
> >Ich habe eben meine Probleme, mir eine Gesellschaft in unserer
> >Groessenordnung vorzustellen, die ohne "oben" und "unten" auskommt.
>
> Die habe ich auch. Sie sind vermutlich ungefaehr so gross wie die
> eines Leibeigenen im Mittelalter, sich unser derzeitiges System
> vorzustellen.

Ausserdem steht nicht fest, dass wir unbedingt die ganze jetzige
BRD in EINE grosse Organisation umwandeln muss. s.o.
Dezentralisierung.

> >Die
> >auskommt ohne eine (gewaehlte) Koerperschaft, die Regeln fuer das
> >Nebeneinander und Miteinander aufstellt. Nur darauf zu vertrauen, dass
> >die Menschen "solidarisch" miteienander umgehen, heisst, den idealen
> >Menschen vorauszusetzen und dieser ist eben nicht erzeugbar!
>
> Insbesondere kann man aus einem normalen Menschen doch wohl
> keinen idealen Menschen erzeugen, indem man ihn in eine
> Koerperschaft waehlt?!

Wieder das Problem der Hierarchie....


>
> Ich habe ja auch nie behauptet, dass Hierarchie einen zu Gewalt
> zwingt. Es geht vielmehr darum, dass Macht, die Methode also, mit
> der in Hierarchien die Menschen zu m.o.w. sinnvollen Handlungen
> gebracht werden, unvermeidlich Frust, Aggression und
> Gewaltbereitschaft saet.
> Mit dem Beispiel wollte ich zeigen, dass es in fast allen Faellen
> sinnvollere, zivilisiertere, Methoden als Strafandrohung gibt,
> jemanden zu einer halbwegs sinnvollen Handlung zu bringen.
> >>>nur schwach stimulierend wirken.

Da gibts noch einige ausser uns, die dem zustimmen.


> [...]
>
> >Und dass "Hierarchien sich auf den Einsatz von Kraft als Hauptinstrument
> >zur Motivation der Menschen stuetzen" ist eine These, die wohl nur Du
> >vertrittst. Hierarchien koennen auch durch Einsatz von Belohnung und
> >Anerkennung motivieren. Motivation ist voellig unabhaengig von der
> >Organisationsform. Die moderne Organisationslehre kennt _viele_ Formen
> >von Motivation.
>
> Naja, Zuckerbrot und Peitsche sind doch wohl nur zwei Spielarten
> desselben Unrechts, das man mit ungerechter Privilegierung
> bezeichnen kann. Im einen Fall werden die Privilegien gewaehrt,
> im anderen Fall entzogen. Ersteres ist nicht positiver als
> Letzeres -- genauso, wie ein halbvolles Glas nicht besser ist als
> ein Halbleeres.

Netter Vergleich :-)


>
> >Andererseits ist der Mensch erst einmal traege. Warum sollte er etwas
> >tun? Hierachisch oder hierarchielos! D.h. es ist grundsaetzlich Kraft
> >noetig, den Menschen zu etwas zu bewegen. Das kann eine abstossende
> >Kraft sein (Strafandrohung, Androhung von Liebesentzug oder dem Entzug
> >von Anerkennung, Privilegien) oder eine anziehende (Belohnung, Liebe,
> >Anerkennung).
>
> Aber *irgendwo* aus dem Menschen muss der Antrieb doch kommen!
> Wenn der Mensch so "traege" ist, dass er irgendeine sinnvolle
> Sache nicht tut, wieso sollte er dann andererseits die
> Anstrengung unternehmen, eine Hierarchie mit ihm selbst an der
> Spitze aufzubauen, um diese sinnvolle Sache zu tun? Letzteres ist
> doch um ein Vielfaches aufwendiger.

Oder die Leistung erbringen, um mal Dampf ins System zu bringen :-)
^^^^^^^^ (um erst mal Einfluss zu bekommen)


>
> >Deine These am Anfang dieses Threads war, dass es einem Teil der
> >Bevoelkerung gestattet sein muss, sich vom Rest abzukoppeln und nach
> >seiner Facon gluecklich zu werden, a la "Freie Republik Wendland".
> >Dem habe ich widersprochen und behauptet, dass wir dies nicht zulassen
> >koennen. Schon aus Gruenden der Gleichheit aller nicht.
>
> Wieso aus Gruenden der Gleichheit? Sind staatstreue Buerger
> gleicher als solche, die eine Alternative wollen?

#define flame(genau)


> Wer ist hier "wir"? Ich fuer meinen Teil kann sehr gut zulassen,
> dass mutige Menschen eine moeglicherweise gerechtere,
> menschlichere Alternative zu unserem derzeitigen System erproben.
> Dagegen kann ich nicht zulassen, dass unser System dies
> verhindert. Allein weil nicht bewiesen werden kann, dass es das
> bestmoegliche System ist, kann die Verhinderung der Erprobung von
> Alternativen ethisch nicht gerechtfertigt werden.
>
> Die Freie Republik Wendland war nie als Modell fuer ein von mir
> befuerwortetes alternatives System gemeint. Ich war damals zu
> jung, um mich daran aktiv zu beteiligen und habe auch sonst viel
> zuwenig Information ueber sie, um ueberhaupt sagen zu koennen, in
> welchen Punkten ich mit ihr als Modell uebereinstimme.
> Ich habe die Freie Republik Wendland nur als sehr reales,
> drastisches Beispiel dafuer genommen, wie das derzeitige System
> mit Versuchen, eine Alternative zu realisieren, umgeht: Es macht
> sie platt.

s.o.

> >Daraus ist eine Diskussion ueber die (Vor- und) Nachteile unseres
> >hierarchischen Systems entstanden mit der Frage, ob es anders geht.
> >Ich habe immer wieder behauptet, und stehe noch dazu, dass es nicht
> >anders geht.
>
> >Deine Vorstellung ist, dass Du glaubst, dass Du Dich nicht mehr an die
> >bestehenden Gesetze halten brauchst, weil sie Deinem Empfinden
> >widersprechen. Es gibt viele andere, die dies auch glauben, und sogar
> >Steine werfen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
> >Du darfst Deine Alternativen denken, sprechen und leben, aber nur im
> >Rahmen der bestehenden Ordnung.
>
> Meine Empfindungen haben fuer die von mir vertretene Ethik
> keinerlei Bedeutung. Ich glaube auch nicht, dass ich mich
> ihretwegen "nicht mehr an Gesetze zu halten brauche". Nach der
> von mir vertretenen Ethik hat aber die Freiheit, ein sinnvolles,
> selbstbestimmtes Leben zu fuehren, einen hoeheren Stellenwert als
> alle Gesetze. Wo der "Rahmen der bestehenden Ordnung" mich daran

Auch nach Art.1 GG stehen die Menschenrechte ueber ALLEM gesetzen
Recht. Somit wuerde es reichen, wenn mal Art.1 GG wirklich ausgefuehrt
WUERDE.


> hindert, diese Freiheit fuer mich und fuer andere zu
> verwirklichen, glaube ich, ein ethisches Recht zu haben, diesen
> Rahmen zu verlassen. Und ich glaube, in diesen Faellen die
> ethische Pflicht zu haben, fuer eine Abschaffung solcher
> Einschraenkungen einzutreten.
>
> >Wenn Du damit diese Ordnung veraenderst,
> >hast Du Glueck. Ich wuensche Dir dieses Glueck!

Ich hoffe, dass der Wunsch auch fuer mich gilt :-)
Wenn ja: auch danke.


> Danke fuer den guten Wunsch. Ich wuensche Dir alles Glueck und
> allen Erfolg dabei, die Dich umgebenden und betreffenden
> Strukturen nach Deinen Vorstellungen mitzugestalten.
>
> Schliesslich sind die Strukturen fuer uns da, und nicht wir fuer
> die Strukturen!

Das ist der Casus Cnactus in Kurzform...


>
> Greetinx, Jan
>
> +- Jan Kim -- X.400: S=kim;OU=vax;O=mpiz-koeln;P=mpg;A=dbp;C=de -+
> | Internet: k...@vax.mpiz-koeln.mpg.dbp.de |
> | |
> *----=< hierarchical systems are for files, not for humans >=-----*
>

MfG, Felix.
Felix Schroeter - uk...@ibm3090.rz.uni-karlsruhe.de

>>>>> Hierarchical systems are for files, not for humans <<<<<

Josef Moellers

unread,
Nov 19, 1992, 5:03:32 AM11/19/92
to
Jetzt habe ich schon _3_ Followups am Hals ...
Siehe "Staatsethik ... die (vor)letzte"

In <1992Nov17.1...@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:

>Josef Moellers schreibt:
>(Anmerkung: Ich hab die OePNV-Diskussion mal abgespaltet.)
>-- some stuff is being deleted --
>> In <1992Nov13....@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK1O@DKAUNI2
>.B
>> ITNET> writes:
>> Aber seine Urteile unterliegen oeffentlicher Be-urteil-ung. Wenn Du der
>> Meinung bist, ein Urteil sei parteiisch, kannst Du in die Berufung
>> gehen.
>Ricvhtig. Einmal Berufung, einmal Revision, einmal BVG, dann ist
>Sense.

Nicht ganz! Ein Berufungsverfahren kann die Sache an das urspruengliche
Gericht zurueckverweisen! Ich muss zugeben, dass ich nicht weiss, ob
danach die Berufung wieder moeglich ist! Aber im Wesentlichen ist es nun
mal so. Man wollte wohl vermeiden, dass jemand, der auf seinem Unrecht
beharrt, ewig lange 'rumprozessiert. Das BVG faellt dan ja auch kein
Urteil im herkoemmlichen Sinne sonder macht eine Grundsatzaussage.
Oder?

> Und wenn ich nen Schadenersatzprozess gegen irgendwelche
>Grossindustrie wegen Umweltsuenden usw. fuehre, werd ich denn
>sicher in ALLEN Instanzen verlieren. (hab ich schon in der
>letzten Mail geschrieben, wie dus auch gequotet hast)

Na ja, das mit dem "sicher" ist mir nicht so klar. Andererseits werden
sich die grossen Firmen vorher ueberlegt haben, ob das, was sie da tun,
irgendwie rechtlich machbar ist (Luecke im Gesetz und so, siehe unten
"mehr oder weniger eindeutig"). Dann wirst Du, der vielleicht spontan
handelt, das Gesetz anders interpretieren. Aber dazu mehr unten.

>>
>> >Ausserdem bezweifle ich die Neutralitaet des Staates in der Rechts-
>> >sprechung. Z.B. Klagen von Buergern gegen grosse Industrieunternehmen
>> >wegen Verstoessen gegen bestehende Umwelt-Gesetze.
>s.o.
>> >Da haben die "kleinen" Buerger kaum eine Chance, da die Unternehmen
>> >dank ihrer Wirtschaftsmacht viele Moeglichkeiten haben, ihre
>> >Suenden entweder zu verdecken oder sonst irgendwie ein guenstiges
>> >Urteil zu sprechen. Ausserdem:
>Korrektur: .. zu erwirken.

Hab' ich auch nicht anders gelesen!

Ich glaube gern, dass es dieses Buch gibt. Es gibt Buecher ueber so
ziemlich alles.
a) So ein Buch ist so eine einseitige Sache. Da werden Dinge
geschrieben, die von der "Gegenseite" schlecht geradegerueckt werden
koennen
b) Wenn einer einen Brast auf "die da oben" hat, und er hat die Macht,
ein Buch darueber zu schreiben und zu veroeffentlichen, dann tut er
das. Das ist auch eine Art der Macht. Nennt sich sogar
"Pressefreiheit"! Wie steht's im "Zen and the art of the Internet":
Wer die (Drucker-)Presse hat, hat die Freiheit.
Ich denke in diesem Zusammenhang an Wallraffs Buch "Ganz unten". Das ist
hinterher ganz schoen verrissen worden. Von allen Seiten. Insbesondere
in der Richtung, dass Wallraff das Unrecht, dass er anklagt bewust und
aktiv herausgefordert habe.
Aber ich kenne das o.e. Buch nicht, kann also wenig darueber sagen.

>> Immerhin gibt es Gesetze, in denen steht (mehr oder weniger eindeutig),
>Oft (bewusst?) weniger eindeutig...

Das umgekehrte wird den Gesetzgebern oft vorgehalten, dass Gesetze
naemlich zu kompliziert sind! Sind sie zu eindeutig, dann finden pfiffige
Anwaelte immer Loecher, durch die sie schluepfen koennnen. Sind sie zu
allgemein, kann man auch nix damit anfangen.
Beispiele:
Eindeutig?: "Man darf an Sonn- und Feiertagen keine Waesche im Garten an
der Waescheleine aufhaengen" (Gibt's zwar so nicht, wir haben aber schon
massig Aerger mit unserer Sonntagswaesche gehabt)
-> Darf ich meine Badehose zum trocknen 'raushaengen? (Ist doch keine
Waesche, oder?) Oder meine Waesche auf meiner Terasse?
Allgemein?: "Bei Glaette muss gestreut werden" (Dieser Vorschlag einer
Aenderung kam hier 'mal in 'nem Leserbrief einer Tageszeitung)
-> Ich halte 'mal kurz meinen Salzstreuer aus dem Fenster: Dann habe ich
gestreut. Oder ich kippe massiv Tausalz auf den Buergersteig. Im
einen Fall wird sich die alte Dame freuen, wenn sie mal rutschen
darf, im andern Fall die Natur.
Bei uns an der Fachhochschule (Enschede/NL) hatten wir auch "Einfuehrung
in Jura". Da hat unser Dozent (ein Anwalt) 'mal ein paar Anklagen
vorgelesen. Nach denen konnte einer, der in Enschede einen jungen Mann
in der Mittagszeit auf dem Marktplatz ausgeraubt hatte, genausogut fuer
einen Bankueberfall in Amsterdam zur spaeten Nacht in einer
Seitenstrasse belangt werden (Ende Uebertreibung). Aber das war eben so
allgemein gehalten, da ja eine Anklageschrift nicht einfach waehrend des
Verfahrens praezisiert werden darf!

Daher doch wohl die Zweiteilung: Legislative und Jurisdiktion.

>> was darf und was nicht darf. Und ich kann mir einen Rechtsanwalt nehmen,
>> der fuer mich entscheidet, ob ich es tatsaechlich missverstanden habe
>> (um es mal so auszudruecken).
>Jaja.. Wer den besseren Anwalt hat gewinnt :-/

Und wenn wir die Hierarchie abschaffen, dann hat der Recht, der besser
argumentieren kann. Wenn einer schon Lampenfieber hat, wenn er vor mehr
als zwei Personen reden muss, dann wird er sich nicht rechtfertigen
koennen. Und der, der hochtrabende Reden schwingen kann, redet den
anderen in Grund und Boden.

>> Das ist eben fuer mich die zweite Bedeutung von Gesetzen: neben der
>> "Richtlinie" was man tun bzw nicht tun darf, der Massstab fuer eine
>> Entscheidung hinterher.
>Das soll die Bedeutung von Gesetzen im Idealfall sein.

Was ist denn Deiner Meinung nach, die Bedeutung von Gesetzen? Ach ja:
uns hier unten zu entmuendigen. Dann lies' mal das ArbeitsSchutzGesetz!

>> Das eine sind die Verfahren "Der Staat gegen ...", wo am Ende eine
>> Strafe im herkoemmlichen Sinne herauskommt.
>> Das andere sind Verfahren "Moellers gegen ...", wo jemand mir gegenueber
>> Gewalt ausgeuebt hat, und ich so etwas wie Schadensersatz verlangen
>> kann.
>Da wuerde ich nicht trennen. Wenn ich zu 10000 DM Schadenersatz
>verurteilt werde, macht es mir genausoviel aus, wie wenn ich
>zo 10000 DM Geldstrafe verurteilt werde.

Nur, das eine Verfahren "Der Staat gegen Felix Schroeter" wird es in
einer hierarchiefreien Gesellschaft mangels "Staat" nicht mehr geben.
Das Verfahren "Moellers gegen Schroeter" aber wohl!

>> Wenn ich z.B. mit meinen Kindern spazieren gehe, und alle Nase lang vom
>> Buergersteig 'runter muss, weil jemand den fuer einen Parkstreifen
>> haelt, dann moechte ich am liebsten einen spitzen Nagel nehmen und ...
>> Ratsch! Bis jetzt hat mich eigentlich nur die moegliche Strafe davon
>> abgehalten!
>Das ist ein Beispiel, das auch bei uns gilt:
>Enzberg, enge Ortsdurchfahrt.
>Da ist unser Haus, genauer:
>Unten drin eine Bank, oben unsere Wohnung.
>Geht man vorn vorbei, steht da ein Auto von jemandem, der grad
>nen Sparvertrag bei der Bank abschliesst :-(
>Aber da nuetzt es garnichts, die Polizei zu rufen.
>Wenn diese sofort anmarschiert, reicht das immer noch nicht, um
>den Suender zu erwischen.
>Anmerkung: Die stehen so eng an der Wand, dass man sich nicht mal
>durchQUETSCHEN kann. Ausserdem ist da der Verkehr oft relativ stark,
>so dass man da ewig warten muss, bis man IRGENDWIE mal weiterkommt.

Oh, da gaebe es noch"
- Briefe an das Ordnungsamt mit Bitte um besondere Kontrolle (hat bei
uns was gebracht, zwar nur ein oder zwei mal, aber wenigstens etwas)
- Leserbrief an die oertliche Zeitung. Moeglichst mit Photo!

>> Androhung von Strafe kann also durchaus zur Erhoehung der
>> Ausloeseschwelle fuer Gewalt sein.
>> Sie kann auch Hinderungsgrund fuer eine "Affekttat" sein. Frag' doch
>> 'mal Leute, die ein oder zwei Bierchen zuviel gekippt haben, warum sie
>> nicht mehr mit dem Auto fahren. Weil sie den Verkehr gefaehrden? Nein,
>> fahren koennen die noch B-{) Aber der Fuehrerschein, der ist doch zu
>> wertvoll!
>Da kenn ich einen, dem ist das auch egal. Da wirkt die Strafandrohung
>absolut NICHT. Der faehrt heim, ob er grad 0.0 Promille oder
>2.0 Promille hat...

Dann versuch' es 'mal mit gut zureden. Oder appelliere an seine
Solidaritaet! Wahrscheinlich haben die ihn noch nie erwischt! Es gibt
zwar Leute, die zum x-ten mal vor dem Richter stehen wegen Trunkenheit
am Steuer (Im Zusammenhang mit dem Jura-Unterricht haben wir auch 'mal
das Amtsgericht Almelo besucht. Da war dann der Fall eines Mannes, der
zum wiederholten Male vor dem Kadi stand. Jedesmal das Gleiche! Jedesmal
hat der Richter die Strafe etwas verschaerft! Hat nix genutzt!), aber
fuer viele ist es eben _doch_ ein Grund, zu Fuss zu gehen!

>> Wo aber liegt die Grenze zwischen Selbstschutz und -justiz? Klar, im
>> einen Falle ist es gegen die Gewalt direkt gerichtet, im zweiten Fall
>> kommt sie erst spaeter. Da gibt es aber eine gewaltige Grauzone.
>Selbstschutz ist nichts anderes als das, was im Gesetz unter
>"Notwehr" und "Nothilfe" laeuft. Nicht mehr und nicht weniger.
>Nur, dass bislang es einige Faelle gibt, wo die Notwehr eines
>Polizisten weiter ausgelegt wird, dagegen die eines Buergers
>extrem eng.

Das ist wohl eine Konsequenz aus der Tatsache, dass ein Polizist als
"Hueter der Ordnung" umgekehrt besonderen Schutz gegen Angriffe hat.

>> Zum anderen: wie viel Gewalt darf ich zum Selbstschutz einsetzen? Und
>> ueberhaupt, warum soll ich mich selbst schuetzen? Ich habe besseres zu
>> tun, als mich und die meinen den ganzen Tag zu schuetzen. Ich moechte
>> z.B. unter dem Schutz einer "Schutzmacht" ungestoert meiner Arbeit und
>> meinem Vergnuegen nachgehen, darauf vertraeuend, dass sie
>> a) sofort gerufen werden kann, wenn ich sie brauche
>> b) von sich aus darueber wacht, dass mir kein Leid angetan wird.
>b) trifft hierzulande fast nicht zu.

Na, also das stimmt ja so nicht ganz! Aus der Tatsache, dass man etwas
nicht unbedingt sieht, darf man doch nicht schliessen, dass es sie nicht
gibt! Zum einen alleine die Tatsache DASS ich sie rufen koennte, bzw.
dass sie nach einem Alarm kaemen ist schon Schutz. Zum anderen
verhindern sie durch Streife fahren wohl so manches (obwohl ich sie in
unserer Strasse noch nie gesehen habe). Zum dritten koennen die einen
Straftaeter "vorlaeufig festnehmen", damit der keinen weiteren Schaden
anrichtet.
Irgendwo hast Du aber auch Recht, da die Polizei nicht so direkt von
sich aus taetig werden darf. Ermitteln tut (darf?) z.B. nur die
Staatsanwalt. Dazu bedient sie sich der Polizei. Und einen
(potentiellen) Starftaeter "vorsorglich" zu behindern duerfen sie auch
nicht.

>Ich hab mich mal erkundigt:
>Wenn ich ne Morddrohung schriftlich und nachweisbar bekomme,
>bekomme ich trotzdem keinen Personenschutz.
>(Ja, das stimmt WIRKLICH! Ich hab einen, der Personenschutz
>als BERUF macht mal dazu befragt. Immerhin erlaubt unser
>gnaedige Staat, dass wir auf eigene Kosten - weit ueber 100DM
>pro Tag - einen privaten Personenschuetzer engagieren)

Moeglichst den, den Du befragt hast B-{)

>Dagegen bekommen Leute, die oben stehen in der Hierarchie
>stets Personenschutz, und das selbst wenn gerade keine konkrete
>Bedrohung herrscht.

>(Auch jetzt, wo die abstraktere Bedrohung durch z.B. RAF wesentlich
>geringer ist als noch vor einem bis 20 Jahren...)

An den Beispielen Papst Johannes Paul II, (ex-Innenminister) Wolfgang
Schaeuble und ex-Praesident Reagen sieht man, dass es wohl immer eine
latente Gefahr fuer die Jungs gibt.

>> [ ... ]
>>
>> Das ist ja das Problem! Es ist mir klar, dass ich nichts gegen den Sturm
>> und den Vogel ausrichten kann. Frustriert, weil sie mich am Erreichen
>> meiner Ziele gehindert haben, bin ich trotzdem. Und gerade _weil_ ich
>> nichts gene diese "Naturgewalten" ausrichten kann, suche ich mir ein
>> anderes Ziel fuer meine Agressionen. (Anm.: "Ich" als fiktive Person)
>> Vielleicht nicht als direkte Folge, so kann aber die unterdrueckte
>> Agression bei einem wesentlich geringeren Grund zu ueberhoehter Reaktion
>> fuehren.
>Tja.. Und die durch einen Staat unterdrueckte Aggression, zu was
>fuehrt die?
>Ausserdem hast Du selbst gesagt, dass die Aggression nicht immer
>zu Gewalt gegen Menschen fuehrt.
>Z.B. koennen die Kinder aus der Aggression, die durch den Sturm
>und den damit verhinderten Martinszug entsteht, dadurch
>"rauslassen", dass sie sich zusammensetzen und irgendwelche
>Gesellschaftsspiele miteinander machen...

Ich habe, obwohl die These Frustration erzeugt Aggression erzeugt
Gewalt" griffig ist, in meinem Artikel darauf hingewiesen, dass ich
(auch und vielleicht vor allem durch Lektuere der beiden Buecher) davon
ueberzeugt bin, dass
- Frustration auch andere Folgen als Aggression haben kann (bei
entsprechend hoher Frustrationstoleranz sogar keine?)
- Aggression nicht unbedingt in Gewalt gegen andere Menschen ausarten
muss.

Das Problem ist, dass wenn man frustriert ist, diese Frustration in
Aggression uebergehen _kann_. In dem Augenblick hakt aber oft unser
gesunder Menschenverstand aus! Du wirst die Kinder nur als besonnener
Erwachsener, der die Sacher nuechten ueberschaut, dazu bringen, ihre
Frustration anders als durch Aggression und Gewalt loszuwerden. Was
meinst Du, wie oft meine Frau oder ich unseren Kindern erklaeren, dass
das, was da passiert ist, doch "gar nicht so schlimm ist, wie es
aussieht"!

Aber noch zum Thema "Gesellschaftsspiele". Die meisten dieser Spiele
haben immer noch _einen_ Gewinner! Und selbst zweiter zu sein ist schon
"verloren"! Wir haben zwar im Kindergarten Spiele, bei denen "das Spiel
gewinnt/verliert gegen die Spieler", aber was tun, wenn die Spieler
tatsachlich verlieren? Oder wenn der, der den letzten Stein gegen den
Bagger einsetzt, von den anderen neidisch als "Gewinner" betrachtet
wird.

Bei unseren (3,5,6 Jahre) hat uebrigens die Wahrheit gut geholfen! Denen
ist inzwischen klar, dass wenn wir etwas sagen, dass wir (meistens B-{)
nicht luegen. Jedenfalls nicht bewust! Und wenn wir sagen, dass es zu
gefaehrlich waere, bei dem Sturm einen Martinszug zu machen und das die
Leuchten sowieso nicht leuchten, dann sehen die das tatsaechlich ein!

>> >> >-- Followups zu diesem Thema aber bitte unter neuem Subject.
> ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
>> Muss ich mir eben ein anderes Beispiel fuer "persoenliches Unvermoegen"
>> ausdenken. Seufz!
>> Ich moechte Franzoesisch lernen, weil ich meinen naechsten Urlaub
>> in Fronkreisch verbringen moechte. Aber sosehr ich mich auch anstrenge,
>> diese Sprache wird mir immer verschlossen bleiben.
>> Oder ich habe ein Gedaechtnis wie ein Sieb, und das wurmt mich, wenn ich
>> etwas vergesse!
>Zwingt dich diese Frustration zur Gewalt gegen andere Menschen?
>NEIN. Du selbst hast ja gesagt, dass Frustration/Aggression
>nicht unbedingt zu persoenlicher Gewalt fuehrt.

Es muss keine direkte, bewuste Gewalt gegen andere Menschen sein.
Aber ich kann diese Frustration z.B. dadurch abzureagieren versuchen,
indem ich laute Musik hoere -> Gewalt gegen den Nachbarn.
Es haengt eben alles davon ab, in welchem Gemuetszustand mich die
schlechte Nachricht erreicht! Es koennte der Tropfen sein, der das Fass
zum ueberlaufen bringt. Die "Kleinigkeit", die mich platzen laesst!

>> Oder ich moechte gerne Bergsteigen, bin aber nicht schwindelfrei!
>> Alles Faelle von persoenlichem Unvermoegen, bei denen ich den Einfluss
>> des Staates beim besten Willen nicht erkennen kann.
>Ich auch nicht. Hat also nicht mehr allzuviel mit Staatsethik zu tun.
>Darum: .stuff deleted.

Mit Staatsethik direkt nicht.
Was ich damit zeigen wollte war, dass es in _jeder_ Gesellschaftsform
Gewalt geben wird. Dass Frustration durch absolut harmlose Ursachen
erzeugt werden kann. Dass in (seltenen) Faellen diese Frustration zu
Aggression und diese wieder in einigen Faellen zu Gewalt fuehrt.
Dies alles um die Theorie einer "gewaltfreien Gesellschaft" ad absurdum
zu fuehren. Und um einen Grund dafuer zu finden, dass eine hoehere Macht
(im Idealfall) unparteiisch solche Gewalttaten verhindert bzw
gesellschaftlich aechtet und eventuell unter Strafe stellt.

>Wir sehen ja auch ein, dass es Gewalt ausserhalb der Staatsgewalt
>gibt. Nur sehen wir nicht ein, dass eine hierarchische Ordnung
>der einzige/beste Weg ist, diese Primaer-Gewalt zu beherrschen.

Dafuer setzt ihr auf den gesunden Menschenverstand, auf das Gute im
Menschen, das ihn vor solcher Gewalt zurueckhaelt. Nur, dass dieser
"gesunde Menschenverstand" entweder auch 'mal krank werden kann oder
aber temporaer aussetzt. Und dann muss das Opfer dieser gewalt selber
sehen, wie es fertig wird, da keiner Macht ueber den armen Gewalttaeter
hat um ihn an seiner Tat zu hindern!

>> Man braucht doch nur 'mal die Zeitungen aufzuschlagen, um die Tragik
>> menschlichen Daseins zu erkennen. Und mit "Zeitung" meine ich jetzt
>> nicht "Bild" oder "Super Illu"! Da reicht eine normale Tageszeitung.
>> "Mann erschiesst erst treulose Ehefrau, dann sich selbst" "Frau
>> schneidet treulosem Ehemann im Schlaf Glied ab" "Junger Mann zetruemmert
>> Auto von ex-Freundin"
>Da hilft auch der Staat nix mehr. Da muesste der Staat jedem Menschen
>einen Personenschuetzer zuordnen, denn die Bestrafung eines Moerders
>macht den Ermordeten nicht mehr lebendig...

Umgekehrt werden die Zeitungen wohl kaum von den Faellen berichten, bei
denen die Polizei gerade noch rechtzeitig gekommen ist! Obwohl ...
erinnern kann ich mich schon, 'mal so was gelesen zu haben!

>> Alles Taten, bei denen der "gesunde Menschenverstand" ausgesetzt hat.
>> Da hat dann der Richter seine Probleme bezueglich des Urteils: Die
>> Leute sind genug gestraft, mit dieser Tat fertig zu werden, andererseits
>> muss er aufpassen, dass es keine Nachahmungstaeter gibt. Um so
>> erfreulicher, dass gelegentlich Strafen wie "Ein Jahr Arbeit an einer
>> karitativen Einrichtung" verhaengt werden.
>Eine solche Strafe ist VIEL besser als Knast, gerade bei Taetern,
>bei denen der Richter davon ueberzeugt ist, dass sie keine
>kaltbluetigen Moerder sind, sondern dass sie "nur" im Affekt
>gehandelt haben.
>Ob das die OPTIMALE Strafe ist, ist die Frage, aber sie ist eine
>relativ gute Strafe. Wenn alle Straftaten, ausser die von nachgewiesen
>kaltbluetig handelnden Taetern, so geahndet werden WUERDEN, dann
>waere uns schon viel geholfen.

Sag' ich ja "Um so erfreulicher"!

Aber was tun wir denn mit Deinen "kaltbluetig handelnden Taetern". Die
sind ja doch wohl krank und muessen in ein Krankenhaus, oder? Und wer
stellt letztendlich fest, was ein "kaltbluetiger Mord" und was eine "Tat
aus dem Affekt" war? Ich kann mir vorstellen, dass es Faelle gegeben
hat, wo jemand des Mordes angeklagt war, sich aber vor Gericht
herausgestellt hat, dass es eigentlich eine Tat aus dem Affekt war.
Umgekehrt geht's natuerlich auch: Da verteidigt sich ein kaltbluetiger
Moerder mit der Behauptung, er habe aus Selbstverteidfigung oder im
Affekt gehandelt, weil dann die Strafe milder ist!

>> [ ... ]
>>
>> >> >> - Fantasie, bei der das Ziel in der Einbildung erreicht wird.
>> >> >Das waere ein konstruktiver Weg, der aber erst dann eingeschlagen
>> >> >werden sollte, wenn klar ist, dass das Ziel nicht in der Realitaet
>> >> >erreicht werden kann.
>> >>
>> >> Was aber passiert, wenn jemand merkt, dass es eben nur Fantasie ist?
>> >Wenn man die Fantasie bewusst aufbaut, dann merkt er es eh sofort.
>> >Aber auch dann kann eine solche Fantasie durchaus eine Befriedigung
>> >darstellen, wenn auch nicht so stark, wie wenn das Ziel tatsaechlich
>> >erreicht worden waere.
>>
>> Von mir aus kann jemand nach einer Enttaeuschung in einer Fantasiewelt
>> leben. Es geht ja hier letztlich _auch_ darum, dass nicht jede
>> Frustration zu Agression und weiter zur Gewalt fuehrt. Agression war ja
>> nur eine der moeglichen Folgen von Frustration, Fantasie eine andere.
>Ich hab nix gesagt, dass sich derjenige in eine Fantasiewelt zurueck-
>ziehen soll...
>Manchmal scheinst Du aber in deinen Ausfuehrungen davon auszugehen,
>dass Frustration stets zu Aggression und diese zu persoenlicher
>Gewalt fuehrt. (Z.B. das Beispiel mit dem Vogel, der einem irgend-
>wohin sch****t)

Neineinein! Nur sind die Beispiele, bei denen Frustration _nicht_ zu
Aggression und damit zu Gewalt fuehren, hier weniger relevant. Genauso,
wie ihr ja auch die regelnde, steuernde Form der Hierarchie ausser Acht
lasst. Oder die Faelle, in denen die Polizei tatsaechlich den
schwaecheren schuetzt. Oder die Faelle, in denen Gesetze zum Schutz des
kleinen Mannes erlassen werden.

>> [ ... ]
>>
>> >> Keine Theorie, insbesondere ueber den Menschen und was ihn bewegt, ist
>> >> "das Gelbe". Aber sie wird, wenn sie nicht gerade hanebuechen ist, doch
>> >> das Verhalten eines mehr oder weniger grossen Teils der Menschen
>> >> ziemlich genau beschreiben.
>> >Richtig. Aber ist diese Theorie, die das Verhalten einer Majoritaet
>> >beschreibt, wirklich die Aggression-als-Instinkt Theorie oder
>> >die Mensch-als-vernuenftiges-natuerlicherweise-gemeinschaftlich-
>> >denkendes-Wesen Theorie? (jeweils mit einer bestimmten Minoritaet
>> >als Ausnahme...)
>>
>> Wie waere es mit:
>> Der Mensch ist ein vielschichtiges Wesen. In ihm schlummern viele
>> verschiedene Kraefte, gute wie boese. Je nach Entwicklung kommen mal die
>> einen, mal die anderen Kraefte zum Tragen. Manchmal verkuemmern einzele
>> Kraefte voellig, manchmal liegen sie nur jahrelang verborgen, um durch
>> einen, oftmals unscheinbaren, Ausloeser zum Vorschein zu kommen.
>Sieht gut aus.

Danke!

>>
>> Ich tendiere weder zum Extrem des "der Mensch ist von Natur aus boese",
>> als zum Extrem "der Mensch ist von Natur aus gut". Die erste kann nicht
>> erklaeren, warum es immer noch Menschen gibt, die zwar in einer
>> gewalttaetigen Umgebung aufwachsen, sich aber dem Frieden verschreiben.
>> Ebensowenig kann die andere erklaeren, warum das Umgekehrte stattfinden
>> kann.
>Richtig. Das hab ich auch schon geschrieben...
>(Die Probleme dieser zwei extreme)
>>
>> Ich denke da eben zurueck in die Vergangenheit. Wenn der Mensch
>> grundsaetzlich friedfertig ist, wo kommen dann unsere Konflikte her?
>> Irgendwann muss es ja den Anfang gegeben haben, als der erste Mensch
>> (und ich meine hier nicht Adam, sondern eventuell Kain), einen Knueppel
>> aufhob, und seinem Nebenbuhler den Schaedel zertruemmerte. Warum hat er
>> das getan? Weil er ein vernuenftiges-natuerlicherweise-gemeinschaftlich-
>> denkendes-Wesen ist? Weil er durch die Hierarchie zur Gewalt getrieben
>> wurde? Wohl kaum! Vielleicht weil der andere ihm seine Frau wegnehmen
>> wollte, oder seine Wintervorraete. Who knows!
>Seltsam.... Oben stellst Du ausgewogen das Problem der Mensch-
>Grundsaetzlich-nur-gut-Auffassung gegenueber dem Problem der
>Mensch-von-Grund-auf-nur-schlecht-Auffassung.
>Jetzt wirst Du aber wieder einseitig.

Nein, ich versuche nur zu zeigen, dass Gewalt schlechthin und unsere
heutige Lage im Besonderen nicht von irgendwelchen gewaltsuechtigen,
hierarchiebesessenen Menschen herbeigefuehrt wurde, sondern aus der
Natur des Menschen stammt. Eben der Natur, dass es Gutes wie Boeses im
Menschen gibt und dass es Aufgabe der Gemeinschaft ist, das Boese zu
unterdruecken. Das Problem dabei ist nur, dass dann gelegentlich auch
das Gute leidet. Immerhin: wer entscheidet, was gut und was boese ist?

Das habe ich auch nie bestritten. Und Deine 80% wuerde ich sogar als
niedrig betrachten wollen.
Bevor Ihr jetzt auf mich springt und die "hierarchische Gewalt" als
Faktor einbringt: Es gibt solche Gewalt und solche. Ich empfinde eben
die "staatliche Gewalt" als organisierende, regulierende Gewalt. Dadurch
fuehrt mich diese nicht zu Gegen-Gewalt. Ich koennte Euch jetzt
vorhalten, dass Eure Einstellung zur staatlichen Gewalt eine
Fehleinschaetzung ist, die Euch zu einer (unberechtigten?) Gegen-Gewalt
fuehrt. Toleranz gegen staatliche Gewalt wuerde Euch zu friedfertigeren
Menschen machen.

>> Um auf die "Formbarkeit" der Menschen zurueckzukommen: Um eine absolut
>> gewaltlose, hierarchiefreie, solidarische Gesellschaft zu erreichen,
>> musst Du _alle_ Menschen zu gewaltlosen, hierarchiefreien, solidarischen
> ^^^^^^ ??
>> Wesen machen. Die Erziehung dieser Zukunftswesen, obliegt aber immer
>> noch den gewaltbereiten, hierarchischen, egoistischen Menschen von
>> heute. Ich verwende viel Zeit darauf, meine Kinder zu friedfertigen,
>> toleranten Menschen zu erziehen. Viele andere auch. Manch einer hat aber
>> keine Zeit dazu. Fuer manch einen sieht die Welt eben so aus, dass man
>> in ihr kaempfen muss, um seine Position zu behaupten bzw. auszubauen.
>> Und so werden sie ihre Kinder erziehen: "Nimm was Du kriegen kannst, die
>> anderen werden genauso denken".
>Tja... Und zumindest im Wirtschaftsleben der Konkurrenz wird man
>dazu GEZWUNGEN, und zwar durch gesellschaftlichen Einfluss.

Mir fehlen hier zwar die noetigen Literaturstellen, aber ich tendiere
dazu, auch Konkurrenzdenken als menschliche Eigenschaft zu sehen.
Angefangen mit dem Konkurrenzdenken zweier Menschen, die sich um den
selben Partner bemuehen. Oder das Konkurrenzdenken derer, die das
gleiche Stueck Wild verfolgen, oder das gleiche Stueck Land beackern
moechten!

Aber trotzdem, wie viele Generationen willst Du warten, um dieses
Konkurrenzdenken auszumerzen?

>> Das mag alles eine Folge der Gesellschaft sein, in der wir leben. Aber
>> die Gesellschaft der Zukunft baut eben auf der Gesellschaft von heute,
>> auf den Menschen von heute auf. Und wir koennen nur ganz vorsichtig,
>> behutsam und langsam Veraenderungen im Grossen herbeifuehren. (Im
>> Kleinen koennen wir alle vier Jahre 'mal eine neue Regierung waehlen,
>> eine die den Menschen mehr Solidaritaet abverlangt, auch den "Grossen")
>Es ist aber nicht gottgegeben, dass wir nur alle 4 Jahre Einfluss
>auf die Politik nehmen koennen.

Mir waere eine Regelung wie in der Schweiz auch lieber (z.B. betreffend
Maastricht). Aber Frankreich (und im geringen Mass auch England) haben
gezeigt, dass oft das eigentliche Thema doch wieder mit anderen Dingen
verknuepft wird. Dass eine Entscheidung fuer/gegen Maastricht als
Entscheidung fuer/gegen eine Person ausgelegt wird.
Dazu kommt, dass die Argumentation oft nicht fair ist. Dass die
Information nicht gerecht verteilt ist. Dass das Wissen um die
Hintergruende nicht gerecht verteilt ist. Dass auch "der Durchblick"
nicht gerecht verteilt ist.
Wenn man mich heute fragen wuerde, ich waere gegen Maastricht. Erstens
weil es gewisse Leute bei uns gibt (H.K.), die diese Vertraege, koste es
was es wolle, durchbringen wollen (ist so 'ne Eigenschaft von mir: je
mehr Begeisterung ich bei anderen verspuere, um so reservierter bin
ich!). Zweitens, weil ich den Buerokraten in Bruessel nicht fuer 5Pf
traue.
Andererseits, wenn ich mir die USA ansehe, dann geht's da doch auch ganz
gut (bitte keine Flames, ich habe genug an den Amis auszusetzen).

>> Ich bin kein Pessimist! Ich glaube das es moeglich ist, eine bessere
>> Gesellschaft zu erzeugen, aber Knall auf Fall geht das nicht.
>Hab ich das behauptet??

Gelegentlich wurde der Eindruck erweckt, als ob das ginge. So a'la
"Freie Republik Wendland": Wir proklamieren die "gewaltlose,
hierarchiefreie, solidarische Gesellschaft" und alles ist Paletti.

>> S.o. Damit ueberlassen wir es jedem einzelnen, sich sein Recht zu
>> erkaempfen. Den Notwehrparagraphen (den 'mal jemand als "Ueberbleibsel
>> des 3. Reiches" und "unselig" genannt hat) musste ich 'mal auswendig
>> lernen, im Jiu-Jitsi-Training.
>Und? Wenn ich mit dem Messer bedroht bin, MUSS ich mich ja wehren.
>Willst Du wegen des obigen Zitats den Notwehr-Paragraphen abschaffen?
>Wenn ja, muessen wir in Zukunft erstmal das Glueck haben,
>OHNE UNS ZU WEHREN, die Polizei rufen zu koennen, also dass der
>gnaedige Mensch, der uns bedroht, uns zur Telefonzelle laesst, und
>dass er uns dann solange leben laesst, bis die Polizei kommt und
>uns endlich -- nach einer Viertel Stunde reiner Fahrzeit --
>rettet.

_Ich_ stelle ihn gar nicht in Frage. Das hat jemand anders getan!
Ich habe aber auch schon 'mal eine Stunde mit einem Briten darueber
diskutiert, wie man sich gegen einen direkten, gewalttaetigen Angriff
schuetzen muesse. Er tendierte zu der Behauptung: "Ein toter Angreifer
ist keine Gefahr", ich tendierte zu "Ein Kampfunfaehiger Angreifer ist
keine Gefahr" und setzte z.B. einen Knieschuss gegen einen Kopfschuss.

>> Was aber ist, wenn der eine Gewalt gegen mich ausuebt die
>> gerechtfertigt ist? Z.B. wenn meine Ziele und Wuensche dem des
>> Gemeinwohls entgegenstehen? Oder wenn die Wuensche und Ziele meines
>> Nachbarn durchaus legitim, meinen aber diametral entgegen stehen?
>Wer definiert Gemeinwohl? Vom Kohl lass ich mir nicht vorschreiben,
>was ich als Gemeinwohl ansehe.

Dann eben von wem? Von 80% der Gemeinschaft? Von 99,99%? Von 50.01%?

>> Ich finde es da schon beruhigend, wenn es ein objektives Regelwerk
>> gibt ("Gesetze" oder wie immer man dieses Regelwerk nennen will), nach
>> dem man gehen kann, wenn es Uneinigkeit gibt. Der Notwehrparagraph
>> regelt uebrigens nur einen "Angriff auf Leib, Leben oder Ehre", wenn ich
>> mich recht entsinne, nicht aber z.B. auf "Freiheit".
>Richtig. Aber den Angriff auf die Freiheit regelt der Art. 2 GG
>in Verbindung mit der Rechtswegegarantie des Art. 19(2) und
>dem Widerstandsrecht nach Art. 20(4).

In Art 2(2) steht eben auch nur, dass die "Freiheit der Person [...]
unverletzlich" ist! Erstreiten muss man die Freiheit aber dann immer
noch selber.
Im uebrigen stehen in Art 2 aber Einschraenkungen:
1.) Art 2(1): "... soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht
gegen die verfassungsmaessige Ordnung oder das Sittengesetz verstoesst"
2.) Art 2(2): "In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetztes
eingegriffen werden"!
Mein GG ist alt. Art 20(4) gabs damals (1966) noch nicht B-{)
Art 19(4) koennte man so etwas wie ein "Widerstandsrecht" ablesen. Aber
da steht eben auch nur was ueber "Rechtsweg" bzw. sogar "ordentlicher
Rechtsweg". Im uebrigen erweiter Art 19(3) die Grundrechte auch auf
"inlaendische juristische Personen"! (Art 20 ff regelt das Verhaeltnis
zwischen Bund und Laendern)

>> Fuer den Fall gibt's ja den (o.e.) Notwehrparagraphen.
>> Du koenntest auch versuchen, den Angreifer so lange hinzuhalten, bis die
>> Poilzei kommt, und ihn "fachgerecht entsorgt".
>> Wie sieht's denn aus, wenn Du aus dem Fenster schaust und einen von
>> Deinem Vermieter angeheuerten Schlaegertrupp? Wenn Du aus "persoenlichem
>Vermieter gibts in der Hierarchie. Da gibts auch Polizei.
>Und ohne Polizei gibts keine Vermieter, zumindest nicht solche, die
>mit Schlaegertrupps anmarschieren. Grund:
>Es gibt weit aus mehr Mieter als Vermieter heutzutage. D.h.
>ein solcher Schlaegertrupp haette eh keine Chance. Und da die
>Vermieter auch taktisch klug sind, werden sie das wohl sein lassen,
>da sie wissen, dass die Mieter -- solidarisch vereint, um sich
>gegenseitig Nothilfe gegen Gewalt zu leisten -- die Gewalt dieser
>von Dir erwaehnten Trupps zurueckweisen koennen.

Und die, die noch keine Mieter sind, es aber werden wollen? Die haben
keine Rechte?
Und was das "solidarisch vereint" entgegenstellen: Frag' doch 'mal die
Asylbewerber, ob sie sich den Neonazis "solidarisch vereint"
entgegenstellen wuerden!
Aber auch hier wieder: ich muss mir meine Rechte selbst erkaempfen! Nee
danke. Da nehme ich doch lieber eine Mieterschutzgesetz und akzeptiere,
dass ein Vermieter Pflichten, aber auch Rechte hat! Und wenn die
Nachfrage das Angebot uebersteigt, dann sitzt der Vermieter am laengeren
Hebel. Umgekehrt waer's mir lieber!

>> Unvermoegen" nicht in der Lage bist, Dich eines Angriffs zu erwehren,
>> den Angriff aber ueberlebst und jetzt Schadenersatz forderst?
>> Oder Du hoerst in der Nacht das Klirren von Scheiben in Deiner Wohnung ...
>>
>> Es gibt immer Situationen, in denen eine Funktion nicht ausreichend ist.
>> Es ist aber relativ unwahrscheinlich, dass Du in Deiner Wohnung so
>> mir-nichts-dir-nichts angegriffen wirst. Denkbar waere, dass Du z.B.
>> durch eine, als "gefaehrlich" bekannte, Gegend gehst und von jemandem
>> angegriffen wirst. An solchen Stellen sollte es auch eine erhoehte
>> Polizeipraesenz geben.
>Gibts aber nicht. Die suchen lieber nach Parksuendern....

Also, bei uns in der Kneipengegend sieht man sie aber haeufiger als in
unserem Wohngebiet. (Ich hab' mal mitten 'drin gewohnt, in 'ner
Kneipengegend)

>Im Ernst: Gab es in Rostock erhoehte Polizeipraesenz?

Ich war nicht in Rostock dabei (auf _keiner_ Seite)! Also kann ich nicht
beurteilen, wie die Kraefteverhaeltnisse waren und wer auf Seiten der
Polizei die Befehlsgewalt hatte. Wenn das ex-VoPos waren, dann hatten
die bestimmt ihre Probleme mit Dingen die nicht sein konnten, weil nicht
durften!

>Selbiges in vielen anderen Gegenden.
>2. Beispiel: Gibt es in Berlin-Kreuzberg, wo diejenigen, die
>sich Autonome nennen, die Gewalt ausueben, erhoehte Polizeipraesenz?
>Schon eher, aber trotzdem nicht :-)

Da versucht man eben, die Gegen-Gewalt auf ihre Gewalt zu minimieren.

>In Rostock : p(Polizeipraesenz) = 2%
>In Kreuzberg: p(""") = 2.1 % :-/

>> [ ... ]
>> >Nur ein Vorschlag, das Eigenleben einer Staatsgewalt zu minimieren.
>> >Das konkrete Beispiel ist vielleicht nicht gut, aber das Prinzip,
>> >das ich meine: echte DEzentralisierung fuehrt zu uebersichtlichen
>> >Strukturen.
>>
>> Oder auch nicht! Sicher, fuer alle Probleme, die lokal geloest werden
>> koennen, wird die Sache uebersichtlicher (Subsidiaritaetsprinzip). Aber
>> in dem Augenblick, wo die Dorfgemeinschaften untereinander Kontakte
>> haben, oder wo Dienste fuer jede Dorfgemeinschaft ineffizient werden
>> (Krankenhaus, Feuerwehr, ...), muessen uebergreifende Strukturen
>> gebildet werden.
>Richtig und bei uns ist die Situation genau umgekehrt.
>Im Zweifel entscheidet der Bund.
>Sonst das Land, und darunter gibts nix (zumindest in der
>"hoechsten" Gewalt, naemlich der Legislative).
>Das ist zentralistisch, wenn auch nicht total zentralistisch...

OK, ein Regierungspraesident, ein Oberkreisdirektor, ein Buergermeister
(bzw. die denen organisatorisch nahestehenden Beschlussorgane) koennen
keone Gesetze erlassen. Aber es gibt auf diesen Ebenen Verordnungen, die
in meinen Augen Gesetzeskraft haben. Ich denke da ganz konkret an eine
"Baumsatzung", die es hier in PB (noch) nicht gibt. Da wird hier
abgeholzt, was die Kettensaege hergibt. Andernorts darfst Du nicht 'mal
einen etwas tiefer haengenden Ast absaegen, wenn der Deine
Garageneinfahrt versperrt.

Als Gegenbeispiel fuer Zentralistisch sehe ich die USA: Da brauch sich
ein Verbrecher nur auf das Gebiet des Nachbarstaates zu retten und ist
erst 'mal sicher. Da gelten in einem Staat Gesetze, die im anderen Staat
nicht gelten! So nach dem Motto: "Haette ich das Papier zwei Meter
weiter aus dem Fenster geworfen, haette ich keine $20 Strafe zahlen
muessen!"
Aber es scheint ja doch einiges zu geben, was Laendersache ist.
Schule, _Polizei_, ...

>> Beispiel: OePNV. Meinst Du, jede DG koennte ihren eigenen OePNV
>> organisieren? Wenn ich dann von Elsen (in der DG lebe ich), in die
>> Innenstadt von Paderborn fahre, muss ich durch 2 andere DGen. Heisst
>> das, dass ich dann dreimal umsteigen muss? Also einen uebergreifenden
>> OePNV. Wer organisiert den? Wer legt fest, wo welche Busse fahren
>> (nehmen wir 'mal an, dass es noch Busse gibt, sonst koennten das auch
>> Eselskarren sein B-{)? Gut, jede DG schickt einen Repraesentanten in den
>> "Aufsichtsrat" des Verkehrsbetriebes. Wer kontrolliert den
>> Repraesentanten? Die DG! Klar! Erkundige Dich 'mal ueber die Struktur
>> und Zusammensetzung des Bundestages. Da gibt es Wahlkreise
>> ("Dorfgemeinschaften"), die einen Abgeordneten waehlen (Direktmandat).
>> Dieser Abgeordnete koennte theoretisch seinem Wahlkreis verantwortlich
>> sein, aber wie viele Leute interessiert das denn? Sieh' Dich 'mal um,
>> wie viele Leute sich aktiv an der Politik beteiligen! Dann sind es eben
>> wieder nur ein paar Aktive, die Poilitik machen. Und dass ein
>> Abgeordneter nur "seinem Gewissen verantwortlich" ist, hat wohl
>> historische Gruende!
>Guck in das Gesetz:
>Der BT-Abgeordnete kann nicht wirksam kontrolliert werden, sonst
>koennte man ihn ja jederzeit, wenn er etwas gegen die Interessen
>des Wahlkreis macht, abwaehlen.

Wie gesagt, das hat wohl historische Gruende!

>Ausserdem: Wenn Ihr ihn in 4 Jahren abwaehlt, dann kommt er ueber
>seinen gesicherten Listenplatz sowieso wieder rein...

Nur noch Direktmandate? Den Bundestag moechte ich sehen: ein paar
hundert verschiedene Paarteien. Waer' vielleicht doch nicht schlecht!
Meinen Segen hast Du!

>> Das Problem hier liegt wohl eher darin, dass die meisten Leute zu bequem
>> sind, sich aktiv in der Politik zu engagieren. Und das wird durch
>> kleinere DGen auch nicht besser. Und in dem Augenblick, wo Du zum x-ten
>Denk ich schon. Wenn die Leute merken: Ich kann was bewirken -
>dann betaetigen sie sich. Wenn sie merken, dass sie unter 80 Mio.
>untergehen, dann resignieren sie.

Ich wuerde auch resignieren, wenn ich als Bewohner einer laendlichen
Gegend gegen die Ueber_macht_ der Landwirte nichts ausrichten kann!

>Wenn ich hier auch nur ins Leere schreiben wuerde, dann wuerde ich
>nicht mehr viel schreiben.

Das geht 'runter wie Sahne! B-{)

>> Mal versuchst, Deine DG zu einer einstimmigen Haltung in Bezug auf die
>> Abwasserbeseitigung zu bewegen, von den 5000 Bewohnern aber wieder nur
>> 20 gekommen sind, oder die Leute, neben deren Haus die Klaeranlage
>> gebaut werden soll, immer noch nicht zustimmen, wirst Du entweder eine
>> Entscheidung per einfacher Mehrheit treffen, oder den Leuten erklaeren,
>> dass es eben besser fuer das Allgemeinwohl ist, wenn sie den Gestank der
>> Faulschlaemme ertragen.
>Ne. Dann werden Stimmzettel verteilt und das ganze wird
>von jedem abgestimmt.

Dann stellt sich heraus, dass 80% der Waehler 20% ihren Willen
aufdruecken, nur weil die 80% diesen Gestank nicht in ihrer Naehe haben
wollen. Was hast Du damit erreicht? Wie Du selber oben schreibst (mit
den 10000DM Strafe): Mir ist es egal ob die 80% von 84Mio oder von 5000
sind, ich hab' den Gestank! (Gott sei Dank in Wirklichkeit nicht)

>> Ich persoenlich habe Besseres zu tun, als jeden zweiten Tag einer
>> DG-Versammlung beizuwohnen, nur weil _vielleicht_ etwas besprochen
>> wuerde, das mich betrifft.
>Ich auch. Aber jeden Monat wuerde ich kommen.
>Fuer die Zwischenzeit gibt es Methoden, Repraesentanten so
>zu bestimmen, dass sie der Kontrolle des Volkes direkt unterliegen.
>Stichwort: Raetesystem (Nachlesen).

Und wenn ein Rat seine Sache gut macht, wird er nochmal gewaehlt. Und
weil er dann schon die Erfahrung hat, nochmal. Und dann darf er auch
noch ...

>> >> Das soll nicht heissen, dass wir alles akzeptieren, was die da tun. Aber
>> >> das alles nur wegen seiner Fehler abschaffen? Wenn _mir_ der Kragen
>> >> richtig platzt, werde ich aktiv in die Politik gehen. Solange werde ich
>> >> mein Scherflein dadurch beitragen, dass ich mir einerseits nicht alles
>> >> gefallen lasse und andereseits meine Kinder zu toleranten,
>> >> selbstbewusetn Menschen erziehe. Amen!
>> >ReAmen :-)
>Sodele... Langes Posting :-/
>Jetzt hab ich lange rumdiskutiert ueber das Problem einer DG am Schluss
>Es geht ja nicht darum, ob genau das DG-System DIE Abhilfe ist.
>(Vielleicht ist sies, vielleicht ist sie aber der groesste
>Mist, der je durch die News ging...)

Sei's drum!

Wir sollten zu einem Schluss kommen -> "Staatsethik ... die (vor)letzte"

Josef Moellers

unread,
Nov 19, 1992, 8:47:09 AM11/19/92
to

>In <1eafll...@uranium.sto.pdb.sni.de> Josef Moellers <molle...@sni.de> writes:

>>>>In <1992Nov5.1...@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:

>>Neenee, das war ich!

>Oops, sorry... da hab' ich 'ne Zeile zuviel geloescht.

No problem!

[...]


>>Dann komm' doch endlich 'mal mit einem konkreten Gegenvorschlag!
>>Ich habe in einem anderen Posting auch schon dazu aufgerufen, mir doch
>>einmal ein Volk zu benennen, das hierarchiefrei gelebt hat.

>Dieses "Argument", es habe noch nie ein hierarchiefreies
>menschliches Miteinander gegeben, ist im Laufe dieser Diskussion
>schon von W. Schelongowski, M. Jung und jetzt zum wiederholten
>Male von Dir bemueht worden. Ich kann mich da auch nur
>wiederholen und sagen, dass ich diese Denkweise fuer einen
>klassischen Fall eines "vollstaendig intuitiven Schlusses von 1
>auf n" halte.
>Nach dieser Denkweise haetten sich die Alliierten nach dem 2.
>Weltkrieg beispielsweise sagen koennen: "Die Deutschen haben noch
>nie in einer vernuenftigen Demokratie gelebt, also Bombe drauf".
>Glaubt Ihr, mit dieser Geisteshaltung haetten die Menschen jemals
>aus dem Mittelalter heraus die Aufklaerung entwickeln koennen?
>Glaubt Ihr, man haette so die erste Weltumsegelung erreicht? Oder
>das Rad entwickelt? Oder den Umgang mit dem Feuer gelernt? Wenn
>man sich immer nur an das haelt, was bekannt und "bewaehrt" ist,
>und sei es noch so schlecht,

^^^^^^^^
Das ist eine Unterstellung! Bleib bitte neutral!


> dann beraubt man sich doch jeglicher
>Chance zur Weiterentwicklung.
>Das Argument scheint mir auch in sich absurd zu sein: Wann hat es
>jemals einen Fall gegeben, wo eine neue Organisationsform "am
>gruenen Tisch" bis ins letzte Detail gestaltet war, bevor man zu
>dieser ueberging?
>Einen solchen Uebergang kann man nur dann friedlich vollziehen,
>wenn ein Mindestmass an Freiheit zur gelebten Erprobung von
>Alternativen besteht. Auf diese Freiheit hat jeder Mensch einen
>ethisch begruendeten Anspruch. Meine zentraler Kritikpunkt am
>derzeitigen System ist, dass es den Menschen diese Freiheit
>nimmt.

Das Problem ist, dass jeder Mensch _seine_ Auffassung von der idealen
Gesellschaft hat. Ich muss an dieser Stelle (leider) auf gewisse Gruppen
hinweisen, denen eine "reinrassige" Gesellschaft "ideal" ist. Haben die
auch einen "ethisch begruendeten Anspruch" darauf, diese Freiheit zu
erproben? Und wenn sich dann herausstellt, dass es da friedfertiger
zugeht, da Rassenunruhen oder vielleicht sogar nur ihr eigener Hass auf
Auslaender der Vergangenheit angehoeren.

Nein! Du darfst alles probieren, aber bitte im Rahmen unserer
staatlichen Ordnung, also z.B. unserer Gesetze. Wenn eine Gruppierung
meint, die Gesetze seien eine Form der Unterdrueckung und gehoerten
abgeschafft, dann bleibt sie nicht im Rahmen unserer Ordnung.
Du wirst das System nur von innne und mit seinen eigenen Mitteln
bekaempfen koennen und duerfen!

>Was konkrete Vorschlaege betrifft, ich habe in diesem thread
>bereits einige gemacht:

> * Einschraenkung der Bevorrechtigung von Polizisten

... im Gleichschritt mit der Einschrankung der Freiheit von Ungesetzlichen!

> * Gerechtere Beteiligung aller an in Betrieben erwirtschafteten
> Gewinnen

Und Jan Kim entscheidet, was "gerecht" ist? Und wer ist "alle"?
Was ist "Gewinn"?
Kennst Du die Annekdote mit dem franzoesichen Millionaer? Ich glaub' es
war Baron Rothschild. Er hoerte inmal das Gespraech zweier Bettler, man
muesse sein Vermoegen aufteilen. Er ging zu ihnen, drueckte jedem 10
Franc in die Hand und sagte: "Und wenn es dann 'mal so weit ist, sagen
Sie bitte, sie haetten Ihren Anteil schon bekommen".

> * Gerechtere Beteiligung aller an Entscheidungen in Betrieben und
> sonstigen Gemeinschaften

Na ja, was ich davon halte, habe ich schon gesagt!

> * Abschaffung des Schachers mit Grundrechten, insbesondere dem
> auf Wohnung.

Wer eine hat, kann dies trefflich fordern! Aber meinst Du wirklich, man
solle dieses Grundrecht abschaffen B-{)?

>In verschiedenen Postings ist darauf bereits eingegangen worden,
>und ich hoffe, meinen news-lag demnaechst abbauen und darauf
>antworten zu koennen.

[ ... ]

>>Du schreibst selber "groesstmoegliche" Freiheit. Wieviel Freiheit ist
>>denn "moeglich", ohne den anderen wiederum in seiner Freiheit zu
>>beschraenken? Wer legt das fest? Nur auf die Toleranz und Solidaritaet
>>zu vertrauen ist mir etwas zu vage.

>Mir scheinen Toleranz und Solidaritaet immer noch
>vertrauenswuerdiger als Kohl, Waigel, Breuel, Cordus, Gauweiler,
>Toepfer, Lambsdorff, Schaeuble, Engholm, Lafontaine, u.v.a.m.
>zusammengenommen.

Dann geh' doch bitte in die Politik. Ich waehle Dich dann zum
Bundeskanzler!

>>Um ein umstrittenes Thema zu nehmen: Die Freiheit des einen, Zigaretten
>>zu rauchen ist eine Beschraenkung der Freiheit des anderen, den Gestank
>>und die Gesundheitsgefaerdung nicht ertragen zu muessen. Und umgekehrt!

>>Ich sehe da in Hierarchien keinen inhaerenden Widerspruch. Eine
>>Hierarchie kann durchaus sinnvoll sein, um das Nebeneinander und
>>Miteienander der Leute zu regeln, um _jedem_ ein groesstmoegliches Mass
>>an Freiheit zu ermoeglichen. Ob und wieweit "wir uns" von diesem Ziel
>>wieder entfernen, darueber koennen wird noch diskutierten und ich werde
>>Dir da wohl mehr zustimmen als hier. Aber Hierarchie grundsaetzlich zu
>>verdammen, ...

>Hae?? Du hast mir doch oben zugestimmt, dass Menschen, die an
>der Basis hierarchischer Strukturen stehen, mehr Gewalt
>ausgesetzt sind als solche, die oben stehen. Wie kannst Du dann
>behaupten, Hierarchie sei ein System, bie dem u.U. *jedem* ein
>groesstmoegliches Mass an Freiheit ermoeglicht wird?

Gewalt hat mit "groesstmoeglicher Freiheit" wenig zu tun. Wenn ich
Gewalt einsetze, um den Freiheitsdrang des einen einzudaemmen, um dem
naechsten mehr Freiheit zu geben, dann ist das sinnvoll. Wenn ich
Steuern mit Gewalt von einem eintreibe, um den sozial Schwaecheren
oeffentliche Einrichtungen zu finanzieren oder sogar das Leben zu
ermoeglichen (ueber Arbeitslosen- und Sozialhilfe), dann ist das doch
nicht schlecht. Also hat das eine wenig mit dem anderen zu tun!

>Fuer meine Begriffe ist Hierarchie ein System, das explizit den
>Hoeherstehenden Freiheit auf Kosten der unter ihnen Stehenden
>ermoeglicht. Damit ist sie dem Ziel, allen die groesstmoegliche
>Freiheit zu ermoeglichen, ferner als nichthierarchische
>Strukturen.

Nein, Hierarchie ist ein System, bei dem die Meinungsvielfalt und damit
Entscheidungsschwaeche vieler, auf die Kompetenz einiger uebertragen
wird. Dass dies bei uns pervertiert ist, sage ich schon 'mal selber!

>Du gehst bei Deinen Ueberlegungen mal wieder davon aus, dass die
>Hoehergestellten einer Hierarchie ihre Position zugunsten ihrer
>Untergebenen ausnutzen. Ich warte immer noch auf eine
>Gewaehrleistung dafuer, dass sie dieses tun, die nicht auf die
>Annahme von solidarischen und ethischen Motivationen bei den
>Herrschenden basiert.

Also erwartest Du von 80% der Bevoelkerung einer hierarchielosen und
solidarischen Gesellschaft, dass sie ihre Wuensche und Beduerfnisse
zugunsten der 20% aufgeben!

>Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass ich NOCH NIE,
>weder im persoenlichen Umfeld noch durch die oeffentlichen
>Medien, von jemandem gehoert habe, der seine Macht zugunsten der
>von ihm Beherrschten eingesetzt haette. Dabei schliesse ich mich
>selbst ausdruecklich ein.

Und das glaubst Du, wird in einer zukuenftigen, idealen Gesellschaft
anders? Ich glaube eher, dass jedes kleinste Kruemelchen Macht ein
Kristallisationspunkt fuer immer mehr Macht ist. D.h. Du darfst in
Deiner idealen Gesellschaft absolut keine Macht zulassen!

[ ... ]

>>S.o. Du stellst Freiheitseinschraenkung als Hauptgrund fuer Frustration
>>und Aggression hin. Ich habe in meinem anderen Posting versucht
>>darzulegen, dass es eine Vielzahl anderer Gruende gibt, und dass nicht
>>jede Frustration zu Aggression und damit zu (Gegen-) Gewalt fuehren
>>muss.

>Natuerlich fuehrt nicht jede Erfahrung von Zwang und Frustration
>notwendigerweise zu Gewalt, ein Mensch hat mehrere
>Moeglichkeiten, mit solchen Situationen umzugehen. Es besteht
>aber ein statistischer Zusammenhang. Wenn in einer Gesellschaft
>mehr Zwang angewandt wird, um das Handeln der Menschen zu
>beeinflussen, ist mit einem groesseren Gewaltpotential der
>Menschen zu rechnen.

Dies ist aber unabhaengig davon, wo diese Gewalt herkommt. Und wenn dann
die Initialgewalt nicht von mir, sondern von oben kommt, kann
Gegen-Gewalt auch nicht gegen mich, sondern gegen die da oben gehen.
Frueher, als es noch Feudalherren (Graf Lambsdorff) gab, war
Solidaritaet unter den Untergebenen an der Tagesordnung. Die haben sich
zusammengerauft, um gegen "die da oben" an zu gehen. Die groesste Quelle
der Gewalt war die der Feudalherren. Heute kann jeder Gewalt gegen jeden
ausueben. Also zurueck zur Feudalherrschaft?

[ ... ]

>>Dem steht eine Gesellschaftsform entgegen, in der jeder seine Freiheit
>>selber erstreiten muss. In der er staendig aufpassen muss, ob er nicht
>>die Freiheit eines anderen verletzt. In der er staendig aufpassen muss,
>>dass nicht ein andere seine Freiheit einschraenkt. In der er auch
>>staendig nachweisen muss, dass der andere gerade seine Freiheit
>>einschraenkt.

>Du verwechselst hier (zum wiederholten Male) Hierarchiefreiheit
>mit dem Fehlen jeglicher Organisation. Natuerlich wird es auch in
>einem nichthierarchischen menschlichen Miteinander einen "Rahmen"
>des alltaeglichen Lebens, oder besser, "ausgetretene Pfade"
>geben, auf denen man sich bewegen kann, ohne sich staendig ueber
>die von Dir oben angesprochenen Probleme den Kopf zu zerbrechen.
>Der Unterschied ist dabe aber der dass, bildlich gesprochen, dass
>diese ausgetretenen Pfade nicht, wie die von der Hierarchie
>erzwungenen Pfade, eingemauert sind, so dass niemand Alternativen
>erproben kann und man sich auf ihnen wie in der Kanalisation
>bewegt.

Nein. Ich versuche bewust, den Unterschied zwischen Hierarchiefreiheit
und dem Fehlen jeglicher Organisation zu bewahren. Nur versuche ich mir
eben eine Gesellschaft vorzustellen, bei der es keine zentrale Stelle
gibt, die Regeln fuer das Zusammenleben aufstellt und deren Befolgung
sichert. Diese zentrale Stelle haette naemlich Macht, die Regeln nach
ihrer Vorstellung aufzustellen. Damit gibt es keine festen Regeln, und
jeder kann, je nach Gemuetslage, sein Rechtsempfinden ausleben.
Ich glaube eben kaum, das es eine Gesellschaft ohne Gesetze (oder auch
einfach nur "festgeschriebene Regeln") geben kann. Und erklaere mir
bitte, wer diese Regeln aufstellt und wer das Einhalten dieser regeln
ueberwacht.

>>In unserer Gesellschaftsform geben die "ueber uns stehenden" die Grenzen
>>der Freiheit vor. Damit ist klar, in welchem Rahmen wir uns bewegen
>>duerfen und wir koennen uns mehr unserer eigentlichen Aufgabe widmen.

>Wenn ich eine "eigentliche Aufgabe" habe, dann ist das, ein
>moeglichst sinnvolle, freies und selbstbestimmtes Leben zu
>fuehren. Der starre "Rahmen" der Fremdbestimmung ist mir dabei
>massiv im Wege.

Stimmt, in einer hierarchiefreien Gesellschaft gibt es keine Aufgaben!

>>Viele derer, die bei uns in der Hierarchie ueber uns stehen, muessen
>>ihren Platz in der Hierarchie durch Leistung sichern. D.h. sie muessen
>>gute Arbeit leisten, wollen sie ihre Stellung behalten.

>Naja. Dein Glaube daran, dass sinnvolles Handeln, und nicht
>eiskalte Machtpolitik, zuverlaessig den Aufstieg in der
>Hierarchie bewirken, ist wohl durch nichts zu erschuettern.

Felix hat in einem anderen Posting L. Peters Theorien aufgefuehrt,
wonach jeder in der Hierarchie bis zur Stufe seiner Unfaehigkeit
aufsteigt, da nur die Faehigen weiter aufsteigen! (Deshalb sitzen
ueberall nur Kohlkoepfe). Das solltet Ihr eben untereinander ausmachen.

Aber dass ich nur durch "Machtstreben" nach oben komme, ist mir neu.
Ich komme nach oben, wenn ich dem uebernaechsten in der Hierarchie
zutraeglich bin. Gelegentlich sizten aber in der Hierarchie Leute, die
a) _wirklich_ unser Wohl im Auge haben
b) die naechste Wahl gewinnen moechten.
Ueber diesen Umweg wird auch schon 'mal was in unserem Sinne getan.

>>In unserer Firma muessen also meine Vorgesetzten unsere Arbeit so
>>planen, dass am Ende ein gut vermarktbares Produkt herauskommt. Das
>>sichert meinen Arbeitsplatz und damit mein Einkommen und letztlich ein
>>Stueck meiner Freiheit.
>>In unserer Regierung muessen die "Volksvertreter" so regieren, dass sie
>>bei der naechsten Wahl wiedergewaehlt werden. Wiedergewaehlt werden sie
>>aber nur, wenn sie das getan haben, wass das Wahlvolk in der Mehrheit
>>wuenscht. (Dies kann natuerlich zu Problemen fuehren, wenn sich z.B.
>>unter der Bevoelkerung eine steigende Auslaenderfeindlichkeit bemerkbar
>>macht)

>Eine seit Generationen bewaehrte Methode, wiedergewaehlt zu
>werden, ist, stets dafuer zu sorgen, dass keine sinnvolle
>Alternative zur Wahl steht.

Zur Zeit hast Du Recht, was die "Alternativen" angeht. Stell' Du Dich
doch zur Wahl!
Aber wie Kohl Einfluss auf die SPD und ihre Waehlbarkeit nehmen kann,
ist mir raetselhaft.

>>>4. Es gibt keine Moeglichkeit, die hierarchischen Positionen
>>>durch irgendwelche Rotationssysteme so unter den Menschen zu
>>>verteilen, dass die mit ihnen verbundenen Ungerechtigkeiten sich
>>>im zeitlichen Mittel ausgleichen. Daher ist hierarchischen
>>>Strukturen ein gewisses Mass an Ungerechtigkeit immanent.
>> ^^^^^^^^

>>Auch hier wieder eine Relativierung: "gewisses" Mass.

>Ok, das war nicht korrekt formuliert. Genauer muss es heissen:
>"ein entsprechendes Mass", naemlich eben jenes, welches aus der
>Ungleichberechtigung in der Hierarchie resultiert.

So, jetzt sind wir schon bei "entsprechende". Immer noch relativ, da Du
hier die Ungerechtigkeit gegen die Vorteile abwaegst. Und da legt der
eine eben andere Gewichte an als der andere.

>>Jede Organisationsform mit _realen_ Menschen beinhaltet ein "gewisses"
>>Mass an Ungerechtigkeit. Zeige mir eine Organisationsform, die keine
>>Ungerechtigkeit beinhaltet. In einer Hierarchie bist _Du_ es vielleicht,
>>der ungerecht behandelt wirst, in einer anderen Organisationsform bin
>>_ich_ es vielleicht.

>Ungerechte Behandlung ist nicht notwendigerweise gleich
>Benachteiligung. In einem hierarchischen System geniesst man
>ungerechte Bevorzugung gegenueber den Nachgeordneten und ist
>gegenueber den Vorgesetzen ungerechterweise benachteiligt. Diese
>Unrecht laesst sich uebrigens auch *nicht* durch Unterschiede in
>der erbrachten Leistung, wie diese auch immer festgestellt werden
>mag, rechtfertigen.

Man koennte es aber damit rechtfertigen, dass fuer gewisse Stellungen in
der Hierarchie gewisse Faehigkeiten benoetigt werden. Ich, "ganz unten"
brauche dazu bloss technischen Sachverstand. Der naechste muss schon
Personal planen koennen, d.h. den richtigen Mitarbeiter fuer die
richtige Aufgabe (das hat uebrigens nichts mit Macht oder so zu tun, nur
mit Aufgabenverteilung, da man oft seine Faehigkeiten falsch
einschaetzt). Der naechsthoehere kann dann schon etwas die Projekte
planen. Muss sich also ueberlegen, welche Aufgabe als naechste geloest
werden muss. Dann muessen Produkte geplant werden. Usw. D.h. die
jeweilige Entlohnung (und ich zaehle Privilegien und Freiheiten als
"Entlohnung"), richtet sich nicht unbedingt nach "der erbrachten
Leistung", sondern auch nach den erwuenschten Faehigkeiten. Und wenn
meine Firma einem Top-Planer keine Top-Entlohnung bietet, tut's die
Konkurrenz. Und dann sind wir einen guten Mann los und koennen sehen, wo
wir bleiben.

>Kein Mensch ist perfekt und kann sich immer allen ethischen
>Massstaeben entsprechend verhalten. Weder ein nichthierarchisches
>System noch eine Hierarchie koennen etwas daran aendern. In einer
>Hierarchie wird aber eine gewisse Klasse von Unrecht, naemlich
>das willkuerliche Einschraenken der Freiheit von Untergebenen,
>explizit zu "Recht" erklaert. In nichthierarchischen Systemen ist
>dies nicht der Fall.

Da schraenken dann 80% (oder vielleicht sogar 50.01% die Rechte der
anderen ein. Nur weil Du diesmal auf der Seite der eingeschraenkten
Klasse sitzt, muss das im anderen Fall nicht umgekehrt sein. Und was
machst Du, wenn in einer hierarchiefreien Gesellschaft die Mehrheit aus
einer gewissen Stimmung heraus Dinge beschliesst, die "bei Tageslicht
betrachtet" ethisch-moralisch nicht zu rechtfertigen sind? Beispiel:
Todesstrafe?

>>>Alle diese Punkte sprechen dafuer, die derzeitige hierarchische
>>>Organisation der menschlichen Gesellaft nicht als unabaenderlich
>>>hinzunehmen und die damit verbundenen Uebel als unvermeidlich zu
>>>akzeptieren, sondern vielmehr nach nichthierarchischen
>>>Alternativen zu suchen. Insbesondere aufgrund des Unrechts, das
>>>hierarchischen Strukturen immanent ist, kann es ethisch kein
>>>Recht geben, die Suche nach Alternativen zu behindern oder zu
>>>verbieten.

>>Dem stimme ich zu. Nur, wie bereits mehrfach erwaehnt, bitte ich doch um
>>Beschreibung einer Organisationsform, die alle Nachteile beseitigt.

>Warum denn gleich *alle* Nachteile? Wie bereits mehrfach gesagt,
>meine ich, dass man die Nachteile nur schrittweise abschaffen
>kann. Dazu ist aber die Freiheit, alternative Strukturen zu
>errichten und zu erproben, erforderlich. Man kann nicht alles bis
>ins letzte Detail im Voraus planen und dann auf einen Schlag in
>die Realitaet umsetzen.
>Mir scheint, dass Deine Bedenken sich weniger gegen die
>nichthierarchische Idee an sich, sondern vielmehr gegen die
>derzeitige geistige Unvorbereitetheit der Menschen auf ein
>solches System richten. Natuerlich sind die meisten Menschen auf
>ein voellig nichthierarchisches System unvorbereitet -- wer
>sollte sie auch vorbereiten, ihre Herrscher vielleicht?

Wie Du schon in einem anderen Posting selbst schreibst: Ich bin in
dieses System hineingeboren. Ich kenne kein anderes und ich habe mich
mit ihm abgefunden. So wie sich viele (ex-) DDR-Buerger irgendwann mit
der Tatsache abgefunden haben, in ihrem System zu leben. Dass es dort zu
einem Umsturz gekommen ist, ist vielleicht Leuten wie Dir zu verdanken.
Aber frag' doch mal die Bewohner der FNL, ob sie so gluecklich darueber
sind? Das DDR-Regime mag machtbesessen und korrupt gewesen sein, aber
die Mieten 'drueben waren mit unseren nicht zu vergleichen. Und wie
steht's mit der Arbeitslosenquote aus? Und Gewaltverbrechen?
Kohl hat die _auch_ nur verarscht!

>Diese Unvorbereitetheit auf nichthierarchische Verhaeltnisse
>wuerde den Versuch einer schlagartigen Umstellung unweigerlich zu
>einem Kraftakt mit ungewissem Ausgang machen, selbst wenn er ohne
>Gewalt, die das Ziel ja verraten wuerde, moeglich waere. Meine
>Vorstellung ist daher die der schrittweisen Abschaffung
>hierarchischer Strukturen, begleitet von dazu parallelem Aufbau
>nichthierarchischer Alternativen, indem Vertrauensvorschuesse in
>die menschliche Vernunft schrittweise von hierarchischen
>Entscheidungstraeger auf die von den jeweiligen Entscheidungen
>Betroffenen uebertragen werden. Dies gibt den Menschen
>Gelegenheit, neue Freiheiten kennenzulernen und sinnvoll
>zu nutzen, und die Gefahr der schlagartigen Entladung
>aufgestauter Aggressionen (nichts anderes ist das so
>gefuerchtete "Chaos-Anarchie-Szenario") wird gering gehalten.

Meine Befuerchtung ist nur, dass es in dem zukuenftigen System nicht
besser ist als jetzt. Und das wir ueber kurz oder lang wieder da sind,
wo wir jetzt sind.
Ich wuerde dies in einem SChlussplaydingsbums gerne noch mal
zusammenfassen!

[...]

>>Also, diese "Reihe von Instanzen kompetenter Moderatoren" werden sich
>>dann ganz schnell zu den uns bekannten "Gerichten" entwickeln. Und die
>>"nichthierarchisch organisierte Gruppe" sieht mir wie eine "Polizei"

>Die Konfliktmoderatoren und die nichthierarchisch organisierte
>Gruppe sind Gerichten bzw. der Polizei analog, aber nur insofern,
>als dass sie mit vergleichbaren Situationen, die unter
>hierarchischen wie unter nichthierarchischen Verhaeltnissen stets
>auftreten werden, befasst sind. Die Art und Weise, wie diese
>jeweils analogen Organisationen mit dem Problem umgehen, ist
>jedoch grundlegend verschieden.
>Gerichte und Polizei verhaengen Sanktionen, die im Interesse des
>Staates sind. Die Interessen der Konfliktparteien bleiben dabei
>weitestgehend unberuecksichtigt. Die Intervention dieser
>Instanzen bringt im Regelfalle eine Menge neuen Unrechts in die
>Sache, ohne dass das zuvor bestehende Unrecht (wenn es ueberhaupt
>eins gab) aufgearbeitet oder sonstwas in Richtung einer gerechten
>Konfliktloesung getan wird. Dies ist uebrigens eine Quelle
>starker Frustration fuer die Konfliktparteien, die oftmals zum
>Motor dafuer wird, dass ein banaler Nachbarschaftsstreit durch
>saemtliche Instanzen gepruegelt wird.

Gerichte (nicht die Polizei!) verhaengen Sanktionen, die _nicht nur_ im
Interesse des Staates sind. Wenn z.B. ein Schwerverbrecher eingesperrt
wird, ist das auch in meinem und Deinem Interesse. Soviel zu "Der Staat
gegen ...".
Wenn Zivilgerichte Urteile faellen, dann sind diese in der regel im
Interesse einer der Parteien. Sonst wuerde keiner mehr die Gerichte
bemuehen. Z.B. wurde hier in PB geurteilt, dass ein Bauunternehmer
_nicht_ nach einem geaenderten bebauungsplan auf einmal 10 Reihenhaeuser
dahin setzen durfte, wo 3 freistehende Haeuser geplant waren. Er muss
die Bauruine entfernen! Im Interesse der Bewohner. Es kann einem
Feste-feierer untersagt werden, nach 10.00 Abends laute Musik zu machen,
oder z.B. als Kompromiss, dass er einmal im jahr bis 2.00 feiern darf,
dies aber mindestens 14 Tage vorher in der nachbarschaft bekanntmachen
muss. Im Interesse der Anwohner.
Das Problem mit dem "durch dir Instanzen pruegeln" liegt eben an den
Unterschiedlichen Beduerfnissen der Leute. Im Prinzip haben eben beide
Recht! Was will man da machen? Und da aendert auch eine ideale
Gesellschaft nichts 'dran!

>Nichthierarchische Strukturen, die mit Konfliktloesungen zu tun
>haben, tragen dagegen keinerlei eigenes Interesse in die Sache
>hinein. Ihr Ziel ist es, entstandenes Unrecht bewusst zu machen,
>es aufzuarbeiten und soweit wie moeglich auszugleichen, bei der
>Entwicklung gerechter Konfliktloesungen mitzuhelfen, kurz, dazu
>beizutragen, dass allen Beteiligten das, was trotz menschlicher
>Unvollkommenheit und ihrer Folgen moeglich ist, auch ermoeglicht
>wird.

Dazu muss aber erst einmal festgestellt werden, wer denn nun Recht hat
und wer nicht. Erst dann steht fest, wer denn nun Unrecht hat und somit
dieses Unrechts bewust gemacht werden kann. Und wenn, wie oben erwaehnt
und am hier am Beispiel des Tabakkonsums exemplifiziert (schoenes Wort!),
beide Parteien irgendwie meinen im Recht zu sein, oder sogar im Recht
sind? Gibt es "Hoehenunterschiede" im Recht? Ein Recht steht hoeher als
das andere? Koerperliche Unversehrtheit vs. freie Entfaltung der
Persoenlichkeit?

>>Mir ist es naemlich wurscht, ob der Polizist, der den Einbruch in meinem
>>Haus aufklaert, oder fuer mich bei meinen Nachbarn interveniert,
>>keinen, einen oder viele Vorgesetzte hat.

>Fuer die konkreten Faelle, in denen man die Dienste der Polizei
>beansprucht, mag es gleichgueltig erscheinen, wie diese
>organisiert ist. Bedenkt man aber, dass die Polizei fuer das
>eigene taegliche Leben eine erhebliche Bedeutung hat, ist ihre
>Organisationsform aber ganz und gar nicht wurscht. Mir ist es
>jedenfalls erheblich lieber, mit einer Gruppe Gleichberechtigter,
>die auch mir als Gleichberechtigtem begegnen, zu tun zu haben,
>als mit Leuten, die mit Macht ueber mich ausgestattet sind und
>ihrerseits von noch Maechtigeren beherrscht werden.

Mit Gleichberechtigten wuerde ich mich auf stundenlange Diskussionen
einlassen B-{)

>>Er muss Macht haben, um die
>>Entscheidungen, die die Moderatoren gefunden haben, durchzusetzen.

>Der Gebrauch von Macht zur Durchsetzung einer an sich ethisch
>richtigen Entscheidung ist nur dann gerechtfertigt, wenn alle
>Mittel, die Entscheidung mit weniger Unrecht durchzusetzen,
>ausgeschoepft sind.
>Wichtiger als der Besitz von Macht ist fuer einen Polizisten
>daher der Besitz bzw. die Beherrschung dieser mit weniger oder
>gar keinem Unrecht verbundenen Mittel.

... die aber wieder _Macht_mittel sind! Und Macht zieht Macht an!

>Wenn man zum Umgang mit Konflikten hauptsaechlich Macht fuer
>wichtig haelt, zeigt das fuer mich, dass man den Konfliktparteien
>nicht zutraut, mit sinnvolleren Mitteln ansprechbar zu sein.

Nach 3-4 Telefonaten traute ich denen das nicht mehr zu. Vorher: ja!
Und dem, der aus Verzweiflung ueber die mislungene Ernte letztes Jahr,
bei mir einbricht, um mir meine (mageren) Vorraete zu klauen, traue ich
das auch nicht mehr zu!

> Ich
>kann nicht aufhoeren, mich zu wundern, wie ein solch geringes
>Vertrauen in die menschliche Vernunft mit einem grossen Vertrauen
>in die edle Motivation hierarchisch Hochgestellter vereinbart
>werden kann.

Ich bin sehr wohl bereit, Konflikte verbal an zu gehen, aber nur bis zu
einem gewissen Punkt. Dann ist fuer mich Schluss! Und etwa 3.00 Uhr
nachts war Schluss!

>>Und auch die Moderatoren muessen Macht haben, Entscheidungen zu finden,
>>die fuer einzelne unpopulaer und damit ungerecht, fuer die Gemeinschaft
>>aber foerderlich und unter dem Strich gerecht sind.

>Noch ein Beispiel fuer das mir wirklich voellig unverstaendliche
>Misstrauen in die Moral der Machtlosen und das fuer meine
>Begriffe voellig unbegruendete Vertrauen in die Moral der
>Maechtigen: Dem machtlosen "Einzelnen" wird ein Intellekt
>zugetraut, der es ihm gerade mal gestattet, das fuer ihn
>Unpopulaere als Unrecht zu begreifen. Den machthabenden
>Moderatoren wird aber die intellektuelle Faehigkeit zum Blick
>fuer das Allgemeinwohl zugetraut, nebst der Faehigkeit, sich
>nicht von der Macht korrumpieren zu lassen.

Nein, ich sehe nur den Ersatz einer Macht durch eine andere!

[ ... ]

>>Ich halte dem gegenueber, dass, wenn Triebe und Emotionen einzige
>>Triebfeder sind, es eine unabhaengige Instanz geben muss, die die Triebe
>>und Emotionen soweit in sinnvolle Bahnen lenkt, dass von ihnen kein
>>Schaden ausgeht.

>Unabhaengig wovon? Ich meine, in einem solchen Fall muessen alle
>Menschen versuchen, ihre eigenen Triebe in sinnvolle Bahnen zu
>lenken, und sie muessen anderen Menschen dabei helfen. Wichtig
>ist dabei aber vor allem, dass sie, um diese Lenkung der Triebe
>zu erreichen, Macht nur als ultima ratio anwenden duerfen, da der
>Machtgebrauch an sich die Triebe in unerwuenschte Richtung
>beeinflusst.

Ist ja sicher alles richtig, nur ist jeder offen dafuer, sich von
anderen in der Bewaeltigung ihrer eigenen Triebe helfen zu lassen? Und
kann jeder andere helfen? Bedarf das nicht einer psychologischen
Ausbildung? Und vor allem wieder: was sind "sinnvolle Bahnen"? Neonazis
wissen sehr wohl, was fuer sie "sinnvolle Bahnen" sind, in die sie die
Triebe andere lenken.

>[3. Menschenbild vergruftet]

>>Ich habe auch nie behaupte, dass jemand behauptet habe ...
>>Nur, _ich_ habe angedeutet, dass Gewalt auch ohne Hierarchie auftritt.
>>Und dass eine der Aufgaben von Hierarchie ist, den Menschen objektiv
>>aufzuzeigen, wie weit sie in ihrer Gewalt gehen duerfen, bzw. wenn sie
>>zu weit gegangen sind, objektiv den Sachverhalt zu pruefen und "Recht zu
>>sprechen".

>Das "objektive Recht", das derzeit von Hierarchien "gesprochen"
>wird, ist und bleibt fuer mich eine Festschreibung von Unrecht,
>das Maechtige stark bevorzugt und Machtlose stark benachteiligt.

Diese These bestimmt Dein Denken (und auch handeln?) Ich glaube, Dein
Haupt-Problem ist, dass Du vor den herrschenden Strukturen kapituliert
hast. Ich selber wundere mich manchmal, wieviel Macht ich letztlich doch
habe. Wenn sich z.B. mein Chef ueber mich aufregt, deute ich an, dass es
auch noch andere Stellen gibt, die mir sinnvolle Aufgaben zutragen
koennen! In der Situation unserer Gruppe (5 "Indianer", davon macht
einer SW-Verwaltung), waere ein Ausfall einer Person dramatisch!

>Und selbst wenn eine Hierarchie, in der Macht nur in ethisch
>gerechtfertigter Weise eingesetzt wird, theoretisch moeglich
>waere (was ich stark bezweifle), ist doch mindestens
>festzuhalten, dass diese Theorie kein bisschen weniger grau als
>die einer nichthierarchischen Gesellschaft ist.
>Oder kann mir hier irgendjemand ein Beispiel aus der Geschichte
>nennen, wo eine solche Hierarchie mal existiert hat? :-)

Da Ethik ein Moralbegriff ist, haengt dies stark von den
Moralvorstellungen des Volkes ab. Aber es hat z.B. in der roemischen
Geschichte 'mal einen Zeitpunkt gegeben, an dem hat ein Kaiser diese
eine Tuer schliessen koennen -> Frieden im Land. Oder vielleicht
Griechenland zum Zeitpunkt seiner Bluete -> Philisophie und Mathematik
waren Hauptbeschaeftigung der denker. Aegypten unter den Pharaoen? Die
Majas, Inkas?

>>Ich stelle die These auf, dass Hierarchie auch Gewalt der Menschen
>>untereinander verhindert, indem sie Richtlinien fuer das Leben
>>miteinander aufstellt. Richtlinien an die sich alle zu halten haben.
>>Und dann steht die Frage im Raum: gibt es ohne Hierarchie mehr oder
>>weniger Gewalt?
>>Dies betrachtet Hierarchie aber nur vom Aspekt der Gewalt heraus.
>>Hierarchie hat ja auch noch andere Funktionen.
>>Ich denke da nur an die Tendenz der Menschen, fuer sich selbst
>>Schwerpunkte zu setzen, bei denen eben _nicht_ das Gemeinwohl im
>>Vordergrund steht (die aber auch nicht _gegen_ das Gemeinwohl gerichtet
>>sind). D.h. Hierarchie als "Dienstleistung". Hierarchie als
>>"Verwaltung".

>Hierarchie als "Dienstleistung", darueber habe ich gut gelacht.
>Das hat mich an die Fernsehserie "Shogun" erinnert, die ich vor
>Ewigkeiten mal gesehen habe. Da erklaert einer dem Protagonisten:
>"Samurai, das heisst uebersetzt 'dienen'. Wenn Du etwas tust, was
>dem Samurai nicht passt, dann dient er Dir damit, dass er Dir den
>Kopf abschlaegt." (oder so aehnlich) :-)
>Nein, tut mir leid, die Dienstleistung "Hierarchie" wird ohne
>meinen Auftrag und gegen meinen erklaerten Willen erbracht, und
>daher bestehe ich auf einer sofortigen und vollstaendigen
>Einstellung derselben.

Also, wenn Du und ich und wir alle eine bestimmte Dienstleistung
benoetigen, dann kann diese von einer zentralen Stelle vielleicht besser
und effizienter erbracht werden, als wenn wir diese jeder einzeln
erbringen. Z.B. die Planung des OePNV. Diese Planung bedarf aber einer
gewissen Stellung ueber uns, da nicht die Wuensche eines jeden einzelnen
beruecksichtigt werden koennen. Daher muss der Planer unabhaengig von
uns entscheiden und hat die Befugnis, uns Fahrplaene aufzudiktieren.

>>Willst Du Hierarchien abschaffen, so muss jede Entscheidung vom Volke
>>getroffen werden.

>Nein, jede Entscheidung muss von den Betroffenen gefaellt werden.
>Diese Gruppe wird in vielen Faellen erheblich kleiner als ein
>"Volk" sein. Und wenn sie mal die Groessenordnung eines "Volkes"
>hat, besteht deswegen noch lange kein Bedarf, einen oder mehrere
>Maechtige zu ernennen, die der Gruppe die von ihr getroffene
>Entscheidung dann aufs Auge druecken.

Wer ist aber "betroffen"? Wenn ich mir ansehe, wer alles wogegen
demonstriert ...
Bin ich betroffen, wenn Neonazis Asylbewerberheime anzuenden? Innerlich
ja, aber das bin ich auch, wenn auch voellig anders, wenn jemand sein
Haus blassrosa anstreicht, das Haus aber am anderen Ende des Dorfes
steht! Bin ich betroffen, wenn jemand einen Baum in seiner Einfahrt
umhackt? Wenn mir der Baum im Sommer guten Schatten spendet, ja!
Sind z.B. auslaendische Investoren betroffen, wenn unsere Regierung
Entscheidungen trifft? Haben die deshalb (aktives/passives) Wahlrecht?
(Das die Einfluss auf andere Weise nehmen ist klar).

>Fuer mich ist sowas absurd. Entweder man unterstuetzt eine
>Entscheidung und traegt sie mit, dann braucht man keinen, der
>einen dazu zwingt. Oder man tut es nicht, dass hat niemand ein
>ethisch begruendbares Recht, einen gegen den eigenen Willen dazu
>zu zwingen.

Was aber, wenn die Mehrheit eine Entscheidung unterstuetzt, ich aber
nicht? Da ist es dann irrelevant, ob dies 50.01%, 80% oder 99.99% sind.
Und wenn ich der einzige bin, der dagegen ist?

>>In dem Augenblick naemlich, in dem Du ein
>>Entscheidungsgremium einsetzt, muss dieses Gremium Macht haben, seine
>>Entscheidungen durchzusetzen.

>Zum wiederholten Male: Macht ist keineswegs das einzige, sie ist
>in jederlei Hinsicht das LETZTE Mittel, um Entscheidungen in die
>Tat umzusetzen.

Jaja Einsicht in die ethische Begruendung der Entscheidung oder so!
Ich begreife ja, dass Entscheidungen gegen mich gefaellt werden muessen,
aber solange von mir verlangt wird, dass ich zustimmen muss ...
Da kommt mir immer der Vergleich mit dem, der frueher den Rohrstock in
der Schule holen musste ... das war meistens der, der auch versohlt
wurde!

>>Das mit der "beliebig formbar"keit zielt natuerlich auch in die Richtung
>>einer gewaltlosen, hierarchiefreien, _solidarischen_ Gesellschaft. Du
>>muesstest alle Menschen zu solidarischen Wesen formen, damit keiner
>>versucht, den anderen zu uebervorteilen. Hass, Neid, _Egoismus_, all das
>>darf es nicht mehr geben. Aber auch nicht Liebe, denn wie viel Unrecht
>>geht nicht von Liebe aus? Wenn Liebe nicht erwidert wird.

>Naja, man kann wohl lange darueber diskutieren, ob das dann noch
>Liebe ist. Im Zusammenhang dieses threads schlage ich vor, diese
>Faelle als durch Frustration erzeugte Aggression/Destruktivitaet
>zu behandeln.

Dann nenne es Verliebtsein, Verknalltsein, Wasimmersein. Tatsache ist,
dass gerade die Emotionen in diesem Gebiet fuer viel Frustration und vor
allem _grosse_ Frustration sorgen. Und dann haben wir wieder
Ungleichheit ("der hat 'ne Frau, ich nicht"), Aggression, Destruktivitaet!

>>Ich habe eben meine Probleme, mir eine Gesellschaft in unserer
>>Groessenordnung vorzustellen, die ohne "oben" und "unten" auskommt.

>Die habe ich auch. Sie sind vermutlich ungefaehr so gross wie die
>eines Leibeigenen im Mittelalter, sich unser derzeitiges System
>vorzustellen.

>>Die
>>auskommt ohne eine (gewaehlte) Koerperschaft, die Regeln fuer das
>>Nebeneinander und Miteinander aufstellt. Nur darauf zu vertrauen, dass
>>die Menschen "solidarisch" miteienander umgehen, heisst, den idealen
>>Menschen vorauszusetzen und dieser ist eben nicht erzeugbar!

>Insbesondere kann man aus einem normalen Menschen doch wohl
>keinen idealen Menschen erzeugen, indem man ihn in eine
>Koerperschaft waehlt?!

Aber man kann den besseren Menschen in eine Koerperschaft waehlen. Und
wenn er nicht der bessere ist, dann waehlen wir eben naechstes Mal einen
anderen!

Im uebrigen geht es mir darum, zu zeigen, dass auch eine ideale
Gesellschaft nicht ohne (wenn auch flachere) Hierarchie auskommt. Auch
wenn es eine zweischichtige Hierarchie ist.

[ ... ]

>>Du sagst, dass man Agressive Handlungen nicht unter Strafandrohung
>>verhindern kannst, gibst aber das Beispiel, dass jemand dich zu einer
>>nicht-aggressiven Handlung zwingt.

>Ich habe ja auch nie behauptet, dass Hierarchie einen zu Gewalt
>zwingt.

Doch! Hierarchie sei nur dazu da, die "unten" zu unterdruecken, das
erzeuge Frustration, damit Aggression und Gegen-Gewalt!

> Es geht vielmehr darum, dass Macht, die Methode also, mit
>der in Hierarchien die Menschen zu m.o.w. sinnvollen Handlungen
>gebracht werden, unvermeidlich Frust, Aggression und
>Gewaltbereitschaft saet.
>Mit dem Beispiel wollte ich zeigen, dass es in fast allen Faellen
>sinnvollere, zivilisiertere, Methoden als Strafandrohung gibt,
>jemanden zu einer halbwegs sinnvollen Handlung zu bringen.

Ja, man koennte ihm suggerieren, es sei "nur zu seinem Besten" B-{)
Wenn einer meint, dass seine persoenlichen Ziele mit denen der
Gemeinschaft strittig sind, dann kannst Du versuchen, was Du willst, um
ihn "zu einer halbwegs sinnvollen Handlung zu bringen". Er wird's nicht
tun!

>>>>nur schwach stimulierend wirken.

>[...]

>>Und dass "Hierarchien sich auf den Einsatz von Kraft als Hauptinstrument
>>zur Motivation der Menschen stuetzen" ist eine These, die wohl nur Du
>>vertrittst. Hierarchien koennen auch durch Einsatz von Belohnung und
>>Anerkennung motivieren. Motivation ist voellig unabhaengig von der
>>Organisationsform. Die moderne Organisationslehre kennt _viele_ Formen
>>von Motivation.

>Naja, Zuckerbrot und Peitsche sind doch wohl nur zwei Spielarten
>desselben Unrechts, das man mit ungerechter Privilegierung
>bezeichnen kann. Im einen Fall werden die Privilegien gewaehrt,
>im anderen Fall entzogen. Ersteres ist nicht positiver als
>Letzeres -- genauso, wie ein halbvolles Glas nicht besser ist als
>ein Halbleeres.

Also, lass Dir 'mal von einem Kenner erzehlen, was es da alles an
Motivationsmittel gibt, bzw. an Beduerfnissen, die Befriedigt werden
wollen:
- nackte Existenz (Leben)
- Essen und Trinken
- Kleidung
- Dach ueber dem Kopf
- Geld
- Privilegien (ja!)
- Anerkennung
- innere Genugtuung.
Und jetzt ueberleg' mal, wie viele Menschen Du mit jedem dieser Dinge
Motivieren kannst, bei der Vielfalt der Menschen!

>>Andererseits ist der Mensch erst einmal traege. Warum sollte er etwas
>>tun? Hierachisch oder hierarchielos! D.h. es ist grundsaetzlich Kraft
>>noetig, den Menschen zu etwas zu bewegen. Das kann eine abstossende
>>Kraft sein (Strafandrohung, Androhung von Liebesentzug oder dem Entzug
>>von Anerkennung, Privilegien) oder eine anziehende (Belohnung, Liebe,
>>Anerkennung).

>Aber *irgendwo* aus dem Menschen muss der Antrieb doch kommen!
>Wenn der Mensch so "traege" ist, dass er irgendeine sinnvolle
>Sache nicht tut, wieso sollte er dann andererseits die
>Anstrengung unternehmen, eine Hierarchie mit ihm selbst an der
>Spitze aufzubauen, um diese sinnvolle Sache zu tun? Letzteres ist
>doch um ein Vielfaches aufwendiger.

Indem er klein anfaengt! Z.B. indem sich eine Horde Jaeger in grauer
Steinzeit zusammengetan haben und dem gefolgt sind, der ihnen die meiste
Beute versprach _und auch lieferte_! Als Gegenzug hat er vielleicht die
schoenste Frau bekommen oder so. Als Nachfolger waehlte man dann seinen
Sohn, denn der hat vom Papa am meisten gelernt. Der hat dann auch die
Arbeitsteilung eingefuehrt. Dass _sein_ Sohn wiederum der naechste
Nachfolger wurde, war schon von Anfang an klar! ... (Komprimierte
Darstellung)

Du tust immer so, als waere unsere heutige Gesellschaftsform so Knall
auf Fall von irgendwelchen Machthunrigen eingefuehrt worden, so per
Dekret! Runter von ihr geht's aber nur schrittweise!

>>Deine These am Anfang dieses Threads war, dass es einem Teil der
>>Bevoelkerung gestattet sein muss, sich vom Rest abzukoppeln und nach
>>seiner Facon gluecklich zu werden, a la "Freie Republik Wendland".
>>Dem habe ich widersprochen und behauptet, dass wir dies nicht zulassen
>>koennen. Schon aus Gruenden der Gleichheit aller nicht.

>Wieso aus Gruenden der Gleichheit? Sind staatstreue Buerger
>gleicher als solche, die eine Alternative wollen?
>Wer ist hier "wir"? Ich fuer meinen Teil kann sehr gut zulassen,
>dass mutige Menschen eine moeglicherweise gerechtere,
>menschlichere Alternative zu unserem derzeitigen System erproben.
>Dagegen kann ich nicht zulassen, dass unser System dies
>verhindert. Allein weil nicht bewiesen werden kann, dass es das
>bestmoegliche System ist, kann die Verhinderung der Erprobung von
>Alternativen ethisch nicht gerechtfertigt werden.

"Gleichheit", weil vielleicht andere Leute sich eine andere Richtung
denken. Frag' 'mal die Schnuerstiefel mit Buerstenschnitt! Duerfen die
eine Alternative basierend auf Fremdenhass und Auslaenderfeindlichkeit
ausprobieren? Jeder, der auch nur annaehernd wie ein Tuerke aussieht,
wird Krankenhausreif geschlagen!

>Die Freie Republik Wendland war nie als Modell fuer ein von mir
>befuerwortetes alternatives System gemeint. Ich war damals zu
>jung, um mich daran aktiv zu beteiligen und habe auch sonst viel
>zuwenig Information ueber sie, um ueberhaupt sagen zu koennen, in
>welchen Punkten ich mit ihr als Modell uebereinstimme.
>Ich habe die Freie Republik Wendland nur als sehr reales,
>drastisches Beispiel dafuer genommen, wie das derzeitige System
>mit Versuchen, eine Alternative zu realisieren, umgeht: Es macht
>sie platt.

Es zwingt sie vielleicht, sich an die hier bestehenden Gesetze zu
halten. Und diese standen dann vielleicht den Vortsellungen der Bewohner
von Wendland diamtral entgegen, so dass sie meinten, die Gesetze haetten
dort keine Geltung! S.o.

[ ... ]

>Meine Empfindungen haben fuer die von mir vertretene Ethik
>keinerlei Bedeutung. Ich glaube auch nicht, dass ich mich
>ihretwegen "nicht mehr an Gesetze zu halten brauche". Nach der
>von mir vertretenen Ethik hat aber die Freiheit, ein sinnvolles,
>selbstbestimmtes Leben zu fuehren, einen hoeheren Stellenwert als
>alle Gesetze. Wo der "Rahmen der bestehenden Ordnung" mich daran
>hindert, diese Freiheit fuer mich und fuer andere zu
>verwirklichen, glaube ich, ein ethisches Recht zu haben, diesen
>Rahmen zu verlassen. Und ich glaube, in diesen Faellen die
>ethische Pflicht zu haben, fuer eine Abschaffung solcher
>Einschraenkungen einzutreten.

Letzeres (Einsetzen fuer Abschaffung): Ja, unbedingt!
Ersteres (Rahmen verlassen): nein, s.o.

>>Wenn Du damit diese Ordnung veraenderst,
>>hast Du Glueck. Ich wuensche Dir dieses Glueck!

>Danke fuer den guten Wunsch. Ich wuensche Dir alles Glueck und
>allen Erfolg dabei, die Dich umgebenden und betreffenden
>Strukturen nach Deinen Vorstellungen mitzugestalten.

>Schliesslich sind die Strukturen fuer uns da, und nicht wir fuer
>die Strukturen!

Und wir sind Teil der Strukturen, oder?

Ich denke da immer an den Spruch: "Nur wer sich nicht bewegt, spuert die
Ketten nicht". Mag sein. Aber ich denke auch immer an eine goldene
Segler-Regel: Willst Du dahin, wo der Wind weht, musst Du die Nase nicht
in selbigen legen, sondern Kreuzen.

Michael Jung

unread,
Nov 19, 1992, 3:58:12 AM11/19/92
to
"Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:
>Ich behaupte, dass die meisten Menschen tatsaechlich friedfertig
>sind. Diejenigen, die tatsaechlich Gewalt an anderen Menschen
>ausueben, sind Leute, die eben (ohne unbedingt etwas dafuer zu
>koennen) eine niedrige Schwelle des Aggressionstriebs und eine
>niedrige Ausloeseschwelle fuer (Aggression->Gewalt) haben.

Das ist eine schwerwiegende Behauptung, die da im Raum steht.
Sollte sie nicht zutreffen, gestehst du dann zu, dass dann die Hoelle
los ist?

>Wenn Du oben von Selbstjustiz redest:
>Ich bin auch gegen diese. Aber Selbstschutz kannst Du niemandem
>absprechen. Und Selbstschutz existiert auch in einer herrschafts-
>freien Gesellschaft.

Ab wann ist es noch Selbstschutz: wenn ein schwaecherer Mensch mit
einer Schusswaffe herumlaeuft? Wo ist die Grenze?

>Bringt eine von Nicht-Menschen (z.B. Natur -> Dein Beispiel Sturm
>oder Tier -> Vogel, der seine Sch****e auf Dir ablaesst) ausgeuebte
>"Gewalt" einen zu erhoehter Gewaltneigung gegen Mitmenschen?

Ganz klar: Ja.

>Sorry - unklar ausgedrueckt. Es ging darum, dass die Verstaatlichung
>auch auf eine Form von nichtstaatlichem Gemeineigentum uebertragen
>werden kann - und fuer die Verwendung von Gemeineigentum kann man
>schlecht von einem Menschen, der ja Miteigner ist, Geld oder
>sonstige Bezahlung (Naturalien) verlangen.

Natuerlich kann man das. Wird auch staendig gemacht. (Bezahlung habe
ich etwas weiter gefasst.)

>Das liegt wieder an einer staatlichen oder staatsaehnlichen Bestimmung,
>die die maximalzahl der Versuche festlegt. Wenn es keinen Staat gibt,
>gibt es solche Beschraenkungen nicht mehr....

Alter. Ich werde nie mehr hundert Meter in 10 Sekunden laufen, egal wie
ich mich anstrenge. Es gibt weitere soclher Beschraenkungen.

>Der gesunde Menschenverstand ist sich aber im klaren, dass ein
>solches Dilemma nicht durchbrochen werden kann, und kann sich damit
>abfinden.

[...]
>Mensch-als-vernuenftiges-natuerlicherweise-gemeinschaftlich-
>denkendes-Wesen Theorie?

Der Vernuftmensch ist in jedem Fall ein Ideal, keine Tatsache.
Da hilft auch nicht das Aufstellen schoener Theorien. Jeder Mensch
ist an bestimmten Punkten unvernuenftig.

>> >Und wer Aggressivitaet zeigt, zeigt sie nicht immer als Gewalt.
>> >Also mal "mathematisch": p(X) heisst Wahrscheinlichkeit von X.
>> >p(Gewalt)=p(Frustration)*p(Frustration->Aggression)*
>> >p(Aggression->Gewalt)
>> >Die Gesellschaft bestimmt alle 3 Wahrscheinlichkeiten auf der
>> >rechten Seite mit. Somit hat sie Einfluss (und zwar gewaltigen,
>> >da in dritter Potenz) auf die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch
>> >Gewalt ausuebt.

Das ist eine Milchmaedchenrechnung. Ohne Probleme ist der Einfluss
in fuenfter Potenz gegeben:
p(Frustration) = p(Problem)*p(Problem->Situation)*p(Situation->Frustration)
Bei Bedarf koennen wir noch ein paar Potenzen hinzufuegen.

>> >Aber das Ziel einer moeglichst gewaltarmen Gesellschaft ist doch
>> >realisierbar, oder? Und ich glaube nicht, dass die BRD ein Beispiel
>> >fuer eine moeglichst gewaltarme Gesellschaft ist.

Das ist aber jetzt was anderes, als das urspruengliche Ziel, oder?

>Muessen wir in einer so komplexen Gesellschaft leben?
>In einer STARK dezentralen Struktur kann diese gemeinschaftlich
>ausgeuebte (Gegen-)Gewalt nie so ein Eigenleben fuehren, wie
>es bei den relativ zentralen gegenwaertigen Strukturen der Fall ist.
>Wie waere es mit Dorfgemeinschaften, die zur Loesung von
>grossflaechigeren Problemen sich zusammensetzen und lockere
>Koordinationsstrukturen bilden?

Wenn jeder den Wald vor seiner Haustuer rodet, gibt es bald keinen mehr.

>Also dass es nicht heisst: Bundesrecht bricht Landesrecht,
>sondern im Zweifel fuer die Kommune (meint Dorfgemeinschaft).
>(Bei Staedten sollte die Stadt in sinnvolle Stadtviertel aufgeteilt
>werden, die dann ganz genauso wie eine Dorfgemeinschaft organisiert
>wird.)

Das ist eine ganz neue Stossrichtung! Wie waere es mit Schutzzoellen
in jedem Dorf, Bundsland, etc? Das gab es schonmal auf deutschem Boden.
War nicht so beliebt.

>Nur ein Vorschlag, das Eigenleben einer Staatsgewalt zu minimieren.
>Das konkrete Beispiel ist vielleicht nicht gut, aber das Prinzip,
>das ich meine: echte DEzentralisierung fuehrt zu uebersichtlichen
>Strukturen.

Das ist ein Traum (zumindest eine unbegruendete Meinung).

Schoene Gruesse,
Michael

Michael Jung

unread,
Nov 20, 1992, 5:12:37 AM11/20/92
to
In article <1eg5st...@uranium.sto.pdb.sni.de> Josef Moellers <molle...@sni.de> writes:
In <1992Nov18.1...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de (cJan T. Kim) writes:
>Dieses "Argument", es habe noch nie ein hierarchiefreies
>menschliches Miteinander gegeben, ist im Laufe dieser Diskussion
>schon von W. Schelongowski, M. Jung und jetzt zum wiederholten
>Male von Dir bemueht worden. Ich kann mich da auch nur
>wiederholen und sagen, dass ich diese Denkweise fuer einen
>klassischen Fall eines "vollstaendig intuitiven Schlusses von 1
>auf n" halte.

Dies bezieht sich auf J. Kims Aeusserung: Ich verwahre mich dagegen, dass
ich eine solche Argumentation gefuehrt habe. Ich habe immer nach einer
Moeglichkeit gefragt, nie nach einem gegebenen Beispiel. Aber selbst
dieses von mir nicht gebrachte "Argument" hat nichts mit "vollstaendiger
Intuition von 1 auf n" zu tun.

>Das Argument scheint mir auch in sich absurd zu sein: Wann hat es
>jemals einen Fall gegeben, wo eine neue Organisationsform "am
>gruenen Tisch" bis ins letzte Detail gestaltet war, bevor man zu
>dieser ueberging?

Das stimmt, jede Organisationsform wurde mit mehr oder weniger Gewalt
hergestellt...

>Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass ich NOCH NIE,
>weder im persoenlichen Umfeld noch durch die oeffentlichen
>Medien, von jemandem gehoert habe, der seine Macht zugunsten der
>von ihm Beherrschten eingesetzt haette. Dabei schliesse ich mich
>selbst ausdruecklich ein.

Bist Du tatsaechlich derart verbittert? Jeder Lehrer beherrscht in ge-
wissem Sinne seine Schueler, denen er etwas beibringt. Das geschieht
IMHO zugunsten deselben.

Felix hat in einem anderen Posting L. Peters Theorien aufgefuehrt,
wonach jeder in der Hierarchie bis zur Stufe seiner Unfaehigkeit
aufsteigt, da nur die Faehigen weiter aufsteigen! (Deshalb sitzen
ueberall nur Kohlkoepfe). Das solltet Ihr eben untereinander ausmachen.

Wichtig ist das aufsteigen KOENNEN ! Ausserdem sind natuerlich die An-
forderungen in einer hoeheren Hierarchieebene andere als auf einer unteren.
Der faehigste Politiker kommt nicht nach oben, wenn ihm das dicke Fell
fehlt.

Gibt es "Hoehenunterschiede" im Recht? Ein Recht steht hoeher als
das andere? Koerperliche Unversehrtheit vs. freie Entfaltung der
Persoenlichkeit?

Ja.

Schoene Gruesse,
Michael

Felix Schroeter

unread,
Nov 20, 1992, 7:52:26 AM11/20/92
to
Michael Jung schreibt:
> In article <1eg5st...@uranium.sto.pdb.sni.de> Josef Moellers <mollers.pad@s
ni

> .de> writes:
> In <1992Nov18.1...@rrz.uni-koeln.de> ae...@rrz.uni-koeln.de (cJan
T.
> Kim) writes:
> >Dieses "Argument", es habe noch nie ein hierarchiefreies
> >menschliches Miteinander gegeben, ist im Laufe dieser Diskussion
> >schon von W. Schelongowski, M. Jung und jetzt zum wiederholten
> >Male von Dir bemueht worden. Ich kann mich da auch nur
> >wiederholen und sagen, dass ich diese Denkweise fuer einen
> >klassischen Fall eines "vollstaendig intuitiven Schlusses von 1
> >auf n" halte.
>
> Dies bezieht sich auf J. Kims Aeusserung: Ich verwahre mich dagegen, dass
> ich eine solche Argumentation gefuehrt habe. Ich habe immer nach einer
> Moeglichkeit gefragt, nie nach einem gegebenen Beispiel. Aber selbst
> dieses von mir nicht gebrachte "Argument" hat nichts mit "vollstaendiger
> Intuition von 1 auf n" zu tun.
>
> >Das Argument scheint mir auch in sich absurd zu sein: Wann hat es
> >jemals einen Fall gegeben, wo eine neue Organisationsform "am
> >gruenen Tisch" bis ins letzte Detail gestaltet war, bevor man zu
> >dieser ueberging?
>
> Das stimmt, jede Organisationsform wurde mit mehr oder weniger Gewalt
> hergestellt...
Diese Aeusserung von Jan Kim will eben das Argument:
"Sag mir ein Beispiel, wo das schon mal funktioniert hat"
zu recht ad absurdum fuehren.
--
Leider wird es sehr schwierig, ohne Gewalt eine hierarchielose
Gesellschaft aufzubauen :-(
Grund: Die bestehende Ordnung ist nicht faehig, anzuerkennen, dass
einige Menschen auch anders leben koennen.
Kurz gefasst: Der Totalitaetsanspruch der bestehenden
hierarchischen Systeme steht einer gewaltfreien/armen
Umwandlung in eine hierarchiearme und dann eine hierarchie-
freie Gesellschaft im Wege.

>
> >Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass ich NOCH NIE,
> >weder im persoenlichen Umfeld noch durch die oeffentlichen
> >Medien, von jemandem gehoert habe, der seine Macht zugunsten der
> >von ihm Beherrschten eingesetzt haette. Dabei schliesse ich mich
> >selbst ausdruecklich ein.
>
> Bist Du tatsaechlich derart verbittert? Jeder Lehrer beherrscht in ge-
> wissem Sinne seine Schueler, denen er etwas beibringt. Das geschieht
> IMHO zugunsten deselben.
Hat der einzelne Lehrer soooo viel Macht??
Ne. Der Kultusminister bestimmt: So ist der Lehrplan.
Und der Lehrer, der FAST ganz unten steht, versucht einigermassen, das
wieder gradzubuegeln :-(
Es gab bei uns auf der Schule einige Lehrer, die MASSIG auf den Lehrplan
geschimpft haben.

>
> Felix hat in einem anderen Posting L. Peters Theorien aufgefuehrt,
> wonach jeder in der Hierarchie bis zur Stufe seiner Unfaehigkeit
> aufsteigt, da nur die Faehigen weiter aufsteigen! (Deshalb sitzen
> ueberall nur Kohlkoepfe). Das solltet Ihr eben untereinander ausmachen.
>
> Wichtig ist das aufsteigen KOENNEN ! Ausserdem sind natuerlich die An-
> forderungen in einer hoeheren Hierarchieebene andere als auf einer unteren.
> Der faehigste Politiker kommt nicht nach oben, wenn ihm das dicke Fell
> fehlt.
>
> Gibt es "Hoehenunterschiede" im Recht? Ein Recht steht hoeher als
> das andere? Koerperliche Unversehrtheit vs. freie Entfaltung der
> Persoenlichkeit?
>
> Ja.
Ich wuerde sowieso jedes Recht der Person an sich, also
Leben, koerperliche Unversehrtheit, Freiheit ueber andere Rechte wie
Eigentum und Erbrecht stellen.
>
> Schoene Gruesse,
> Michael

Felix Schroeter

unread,
Nov 20, 1992, 7:52:27 AM11/20/92
to
Josef Moellers schreibt:

> Jetzt habe ich schon _3_ Followups am Hals ...
> Siehe "Staatsethik ... die (vor)letzte"
Noch diesen ....
Aber Plaedoyer kommt getrennt... Brauchste also nicht hier zu antworten.
>
> In <1992Nov17.1...@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK1O@DKAUNI

2.
> BITNET> writes:
>
> >Josef Moellers schreibt:
> >(Anmerkung: Ich hab die OePNV-Diskussion mal abgespaltet.)
Jetzt hab ichs immer noch nicht getan :-((
Aber in den naechsten Tagen werd ichs lostreten.
Vielleicht beteiligen sich ja andere ausser
Josef Moellers, Jan Kim und meiner Wenigkeit.

Klar ueberlegen die sichs vorher...
Aber wenn sie DOCH mal verurteilt werden, dann eben nur glimplich..
s. unten das 4fachgequotete und Josefs Kommentar dazu.

Ich werd mich nicht weiter darauf berufen. Okay?


> a) So ein Buch ist so eine einseitige Sache. Da werden Dinge
> geschrieben, die von der "Gegenseite" schlecht geradegerueckt werden
> koennen
> b) Wenn einer einen Brast auf "die da oben" hat, und er hat die Macht,
> ein Buch darueber zu schreiben und zu veroeffentlichen, dann tut er
> das. Das ist auch eine Art der Macht. Nennt sich sogar
> "Pressefreiheit"! Wie steht's im "Zen and the art of the Internet":
> Wer die (Drucker-)Presse hat, hat die Freiheit.
> Ich denke in diesem Zusammenhang an Wallraffs Buch "Ganz unten". Das ist
> hinterher ganz schoen verrissen worden. Von allen Seiten. Insbesondere
> in der Richtung, dass Wallraff das Unrecht, dass er anklagt bewust und
> aktiv herausgefordert habe.
> Aber ich kenne das o.e. Buch nicht, kann also wenig darueber sagen.

Welches jetzt ? Das vom Wallraff kennste oder nicht?


>
> >> Immerhin gibt es Gesetze, in denen steht (mehr oder weniger eindeutig),
> >Oft (bewusst?) weniger eindeutig...
>
> Das umgekehrte wird den Gesetzgebern oft vorgehalten, dass Gesetze
> naemlich zu kompliziert sind! Sind sie zu eindeutig, dann finden pfiffige
> Anwaelte immer Loecher, durch die sie schluepfen koennnen. Sind sie zu
> allgemein, kann man auch nix damit anfangen.

Das ist das Problem... Und grosse Firmen koennen sich bessere Anwaelte
leisten, die noch feinere Loecher auffinden, als kleine Normalbuerger.

> Beispiele:
> Eindeutig?: "Man darf an Sonn- und Feiertagen keine Waesche im Garten an
> der Waescheleine aufhaengen" (Gibt's zwar so nicht, wir haben aber schon
> massig Aerger mit unserer Sonntagswaesche gehabt)
> -> Darf ich meine Badehose zum trocknen 'raushaengen? (Ist doch keine
> Waesche, oder?) Oder meine Waesche auf meiner Terasse?
> Allgemein?: "Bei Glaette muss gestreut werden" (Dieser Vorschlag einer
> Aenderung kam hier 'mal in 'nem Leserbrief einer Tageszeitung)
> -> Ich halte 'mal kurz meinen Salzstreuer aus dem Fenster: Dann habe ich
> gestreut. Oder ich kippe massiv Tausalz auf den Buergersteig. Im
> einen Fall wird sich die alte Dame freuen, wenn sie mal rutschen
> darf, im andern Fall die Natur.

Hast ja recht, obwohl Du spitzfindig bist von wegen Salzstreuer :-)


> Bei uns an der Fachhochschule (Enschede/NL) hatten wir auch "Einfuehrung
> in Jura". Da hat unser Dozent (ein Anwalt) 'mal ein paar Anklagen
> vorgelesen. Nach denen konnte einer, der in Enschede einen jungen Mann
> in der Mittagszeit auf dem Marktplatz ausgeraubt hatte, genausogut fuer
> einen Bankueberfall in Amsterdam zur spaeten Nacht in einer
> Seitenstrasse belangt werden (Ende Uebertreibung). Aber das war eben so
> allgemein gehalten, da ja eine Anklageschrift nicht einfach waehrend des
> Verfahrens praezisiert werden darf!
>
> Daher doch wohl die Zweiteilung: Legislative und Jurisdiktion.
>
> >> was darf und was nicht darf. Und ich kann mir einen Rechtsanwalt nehmen,
> >> der fuer mich entscheidet, ob ich es tatsaechlich missverstanden habe
> >> (um es mal so auszudruecken).
> >Jaja.. Wer den besseren Anwalt hat gewinnt :-/
>
> Und wenn wir die Hierarchie abschaffen, dann hat der Recht, der besser
> argumentieren kann. Wenn einer schon Lampenfieber hat, wenn er vor mehr

Das hat man jetzt schon.... Ein guter, teuerer Anwalt oder gar ein
Staatsanwalt ist doch besser als ein billiger Anwalt, den ich mir
noch leisten kann...


> als zwei Personen reden muss, dann wird er sich nicht rechtfertigen
> koennen. Und der, der hochtrabende Reden schwingen kann, redet den
> anderen in Grund und Boden.
>
> >> Das ist eben fuer mich die zweite Bedeutung von Gesetzen: neben der
> >> "Richtlinie" was man tun bzw nicht tun darf, der Massstab fuer eine
> >> Entscheidung hinterher.
> >Das soll die Bedeutung von Gesetzen im Idealfall sein.
>
> Was ist denn Deiner Meinung nach, die Bedeutung von Gesetzen? Ach ja:
> uns hier unten zu entmuendigen. Dann lies' mal das ArbeitsSchutzGesetz!

Kenn ich nicht... Aber der Idealfall eines Gesetzes waere, wenn es klar
sagen wuerde: Genau das darfste nicht. Und da darfs dann aber keine
Loecher geben, durch die der teuerere Anwalt des Chemiekonzerns X
noch durchschluepfen kann.


>
> >> Das eine sind die Verfahren "Der Staat gegen ...", wo am Ende eine
> >> Strafe im herkoemmlichen Sinne herauskommt.
> >> Das andere sind Verfahren "Moellers gegen ...", wo jemand mir gegenueber
> >> Gewalt ausgeuebt hat, und ich so etwas wie Schadensersatz verlangen
> >> kann.
> >Da wuerde ich nicht trennen. Wenn ich zu 10000 DM Schadenersatz
> >verurteilt werde, macht es mir genausoviel aus, wie wenn ich
> >zo 10000 DM Geldstrafe verurteilt werde.
>
> Nur, das eine Verfahren "Der Staat gegen Felix Schroeter" wird es in
> einer hierarchiefreien Gesellschaft mangels "Staat" nicht mehr geben.
> Das Verfahren "Moellers gegen Schroeter" aber wohl!

Ne. Weil mir niemand einen Richter ueber die Sache "Moellers vs
Schroeter" aufzwingen darf. Also gibts dann ein Verfahren, wenn wir
beide dem Schiedsrichter vertrauen und und freiwillig dem Verfahren
unterziehen.


>
> >> Wenn ich z.B. mit meinen Kindern spazieren gehe, und alle Nase lang vom
> >> Buergersteig 'runter muss, weil jemand den fuer einen Parkstreifen
> >> haelt, dann moechte ich am liebsten einen spitzen Nagel nehmen und ...
> >> Ratsch! Bis jetzt hat mich eigentlich nur die moegliche Strafe davon
> >> abgehalten!
> >Das ist ein Beispiel, das auch bei uns gilt:
> >Enzberg, enge Ortsdurchfahrt.
> >Da ist unser Haus, genauer:
> >Unten drin eine Bank, oben unsere Wohnung.
> >Geht man vorn vorbei, steht da ein Auto von jemandem, der grad
> >nen Sparvertrag bei der Bank abschliesst :-(
> >Aber da nuetzt es garnichts, die Polizei zu rufen.
> >Wenn diese sofort anmarschiert, reicht das immer noch nicht, um
> >den Suender zu erwischen.
> >Anmerkung: Die stehen so eng an der Wand, dass man sich nicht mal
> >durchQUETSCHEN kann. Ausserdem ist da der Verkehr oft relativ stark,
> >so dass man da ewig warten muss, bis man IRGENDWIE mal weiterkommt.
>
> Oh, da gaebe es noch"
> - Briefe an das Ordnungsamt mit Bitte um besondere Kontrolle (hat bei
> uns was gebracht, zwar nur ein oder zwei mal, aber wenigstens etwas)

Nunja... In einer anderen Sache: Dort, wo wir wohnen, ist ein
Engpass mit 30km/h Begrenzung.
Als da die Leute weiterhin durchgebrettert sind, hat meine Mutter mal
auf dem entsprechenden Amt angerufen -->
"Tut uns leid, wir koennen das nicht kontrollieren"
und es wird weiter gebrettert.


> - Leserbrief an die oertliche Zeitung. Moeglichst mit Photo!

Hmmmmm...

Ist also ein Polizist gleicher als ein Normalbuerger?
Art 3 GG.....


>
> >> Zum anderen: wie viel Gewalt darf ich zum Selbstschutz einsetzen? Und
> >> ueberhaupt, warum soll ich mich selbst schuetzen? Ich habe besseres zu
> >> tun, als mich und die meinen den ganzen Tag zu schuetzen. Ich moechte
> >> z.B. unter dem Schutz einer "Schutzmacht" ungestoert meiner Arbeit und
> >> meinem Vergnuegen nachgehen, darauf vertraeuend, dass sie
> >> a) sofort gerufen werden kann, wenn ich sie brauche
> >> b) von sich aus darueber wacht, dass mir kein Leid angetan wird.
> >b) trifft hierzulande fast nicht zu.
>
> Na, also das stimmt ja so nicht ganz! Aus der Tatsache, dass man etwas
> nicht unbedingt sieht, darf man doch nicht schliessen, dass es sie nicht
> gibt! Zum einen alleine die Tatsache DASS ich sie rufen koennte, bzw.
> dass sie nach einem Alarm kaemen ist schon Schutz. Zum anderen

Ohne Notwehr wuerde es mir nix bringen, s.u.

Was war mit Paulchen und Ronny?
Was mit Schaeuble war, weiss ich - tut mir auch leid fuer ihn...


>
> >> [ ... ]
> >>
> >> Das ist ja das Problem! Es ist mir klar, dass ich nichts gegen den Sturm
> >> und den Vogel ausrichten kann. Frustriert, weil sie mich am Erreichen
> >> meiner Ziele gehindert haben, bin ich trotzdem. Und gerade _weil_ ich
> >> nichts gene diese "Naturgewalten" ausrichten kann, suche ich mir ein
> >> anderes Ziel fuer meine Agressionen. (Anm.: "Ich" als fiktive Person)
> >> Vielleicht nicht als direkte Folge, so kann aber die unterdrueckte
> >> Agression bei einem wesentlich geringeren Grund zu ueberhoehter Reaktion
> >> fuehren.
> >Tja.. Und die durch einen Staat unterdrueckte Aggression, zu was
> >fuehrt die?

Korrektur: Kann die fuehren..


> >Ausserdem hast Du selbst gesagt, dass die Aggression nicht immer
> >zu Gewalt gegen Menschen fuehrt.
> >Z.B. koennen die Kinder aus der Aggression, die durch den Sturm
> >und den damit verhinderten Martinszug entsteht, dadurch
> >"rauslassen", dass sie sich zusammensetzen und irgendwelche
> >Gesellschaftsspiele miteinander machen...
>
> Ich habe, obwohl die These Frustration erzeugt Aggression erzeugt
> Gewalt" griffig ist, in meinem Artikel darauf hingewiesen, dass ich
> (auch und vielleicht vor allem durch Lektuere der beiden Buecher) davon
> ueberzeugt bin, dass
> - Frustration auch andere Folgen als Aggression haben kann (bei
> entsprechend hoher Frustrationstoleranz sogar keine?)

Habe ich zugestimmt. Aber sie KANN auch Aggression zur Folge haben.


> - Aggression nicht unbedingt in Gewalt gegen andere Menschen ausarten
> muss.

Hab ich auch zugestimmt. Aber sie KANN auch zur Gewalt fuehren.
Das sagst Du unten ja selbst.


>
> Das Problem ist, dass wenn man frustriert ist, diese Frustration in
> Aggression uebergehen _kann_. In dem Augenblick hakt aber oft unser
> gesunder Menschenverstand aus! Du wirst die Kinder nur als besonnener
> Erwachsener, der die Sacher nuechten ueberschaut, dazu bringen, ihre
> Frustration anders als durch Aggression und Gewalt loszuwerden. Was
> meinst Du, wie oft meine Frau oder ich unseren Kindern erklaeren, dass
> das, was da passiert ist, doch "gar nicht so schlimm ist, wie es
> aussieht"!

Richtig. Aber in diesem Zusammenhang mindert der Staat diese Frustration
eh nicht. Also ist in diesem Beispiel der Staat nicht schaedlich, aber
auch nicht besonders nuetzlich.


>
> Aber noch zum Thema "Gesellschaftsspiele". Die meisten dieser Spiele
> haben immer noch _einen_ Gewinner! Und selbst zweiter zu sein ist schon
> "verloren"! Wir haben zwar im Kindergarten Spiele, bei denen "das Spiel
> gewinnt/verliert gegen die Spieler", aber was tun, wenn die Spieler
> tatsachlich verlieren? Oder wenn der, der den letzten Stein gegen den
> Bagger einsetzt, von den anderen neidisch als "Gewinner" betrachtet
> wird.

Der Unterschied zwischen einem Gesellschaftsspiel und der Konkurrenz
im Schulleben (Stichwort:Notendruck) und der im Arbeitsleben
(der bessere wird eingestellt...) ist:
Man kann sagen: Ja, ich spiele mit oder nein, ich spiele nicht mit.
Dies kann man nicht in der Schule/im Arbeitsleben :-/


>
> Bei unseren (3,5,6 Jahre) hat uebrigens die Wahrheit gut geholfen! Denen
> ist inzwischen klar, dass wenn wir etwas sagen, dass wir (meistens B-{)
> nicht luegen. Jedenfalls nicht bewust! Und wenn wir sagen, dass es zu
> gefaehrlich waere, bei dem Sturm einen Martinszug zu machen und das die
> Leuchten sowieso nicht leuchten, dann sehen die das tatsaechlich ein!

Das heisst, dass Eure Kinder durch Praezedenzfaelle, also dadurch, dass
IHR Ehrlichkeit vorgeschossen habt, gelernt haben, dass versucht,
ehrlich zu sein, und darauf ein Vertrauen in Euch gegruendet haben.


>
> >> >> >-- Followups zu diesem Thema aber bitte unter neuem Subject.
> > ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
> >> Muss ich mir eben ein anderes Beispiel fuer "persoenliches Unvermoegen"
> >> ausdenken. Seufz!
> >> Ich moechte Franzoesisch lernen, weil ich meinen naechsten Urlaub
> >> in Fronkreisch verbringen moechte. Aber sosehr ich mich auch anstrenge,
> >> diese Sprache wird mir immer verschlossen bleiben.
> >> Oder ich habe ein Gedaechtnis wie ein Sieb, und das wurmt mich, wenn ich
> >> etwas vergesse!
> >Zwingt dich diese Frustration zur Gewalt gegen andere Menschen?
> >NEIN. Du selbst hast ja gesagt, dass Frustration/Aggression
> >nicht unbedingt zu persoenlicher Gewalt fuehrt.
>
> Es muss keine direkte, bewuste Gewalt gegen andere Menschen sein.
> Aber ich kann diese Frustration z.B. dadurch abzureagieren versuchen,
> indem ich laute Musik hoere -> Gewalt gegen den Nachbarn.

Das ist ein Rechtekonflikt, auch bei uns in der BaeAerrDae zwischen
Deiner Freiheit, Musik zu hoeren (auch laut) und der des Nachbarn,
seine Ruhe zu haben... Aber dieser Konflikt muss ja nicht unbedingt
durch ein Gesetz und einen Richterspruch ausgeraeumt werden, sondern
kann auch durch guetliche Einigung (die geht oefter als man zuerst
denkt) einen Kompromiss zwischen den beiden Anspruechen finden.

> Es haengt eben alles davon ab, in welchem Gemuetszustand mich die
> schlechte Nachricht erreicht! Es koennte der Tropfen sein, der das Fass
> zum ueberlaufen bringt. Die "Kleinigkeit", die mich platzen laesst!

Da kann auch ein Staat nix daran tun.


>
> >> Oder ich moechte gerne Bergsteigen, bin aber nicht schwindelfrei!
> >> Alles Faelle von persoenlichem Unvermoegen, bei denen ich den Einfluss
> >> des Staates beim besten Willen nicht erkennen kann.
> >Ich auch nicht. Hat also nicht mehr allzuviel mit Staatsethik zu tun.
> >Darum: .stuff deleted.
>
> Mit Staatsethik direkt nicht.
> Was ich damit zeigen wollte war, dass es in _jeder_ Gesellschaftsform
> Gewalt geben wird. Dass Frustration durch absolut harmlose Ursachen
> erzeugt werden kann. Dass in (seltenen) Faellen diese Frustration zu
> Aggression und diese wieder in einigen Faellen zu Gewalt fuehrt.
> Dies alles um die Theorie einer "gewaltfreien Gesellschaft" ad absurdum
> zu fuehren. Und um einen Grund dafuer zu finden, dass eine hoehere Macht
> (im Idealfall) unparteiisch solche Gewalttaten verhindert bzw
> gesellschaftlich aechtet und eventuell unter Strafe stellt.

Richtig. Aber die Frage war: Wo gibts mehr Gewalt?
In einer hierarchischen oder einer nichthierarchischen Gesellschaft?


>
> >Wir sehen ja auch ein, dass es Gewalt ausserhalb der Staatsgewalt
> >gibt. Nur sehen wir nicht ein, dass eine hierarchische Ordnung
> >der einzige/beste Weg ist, diese Primaer-Gewalt zu beherrschen.
>
> Dafuer setzt ihr auf den gesunden Menschenverstand, auf das Gute im
> Menschen, das ihn vor solcher Gewalt zurueckhaelt. Nur, dass dieser
> "gesunde Menschenverstand" entweder auch 'mal krank werden kann oder
> aber temporaer aussetzt. Und dann muss das Opfer dieser gewalt selber
> sehen, wie es fertig wird, da keiner Macht ueber den armen Gewalttaeter
> hat um ihn an seiner Tat zu hindern!
>
> >> Man braucht doch nur 'mal die Zeitungen aufzuschlagen, um die Tragik
> >> menschlichen Daseins zu erkennen. Und mit "Zeitung" meine ich jetzt
> >> nicht "Bild" oder "Super Illu"! Da reicht eine normale Tageszeitung.
> >> "Mann erschiesst erst treulose Ehefrau, dann sich selbst" "Frau
> >> schneidet treulosem Ehemann im Schlaf Glied ab" "Junger Mann zetruemmert
> >> Auto von ex-Freundin"
> >Da hilft auch der Staat nix mehr. Da muesste der Staat jedem Menschen
> >einen Personenschuetzer zuordnen, denn die Bestrafung eines Moerders
> >macht den Ermordeten nicht mehr lebendig...
>
> Umgekehrt werden die Zeitungen wohl kaum von den Faellen berichten, bei
> denen die Polizei gerade noch rechtzeitig gekommen ist! Obwohl ...
> erinnern kann ich mich schon, 'mal so was gelesen zu haben!

Klar. Die Polizei ist nicht voellig "schwarz" (boese im ethischen Sinne)
Nur ist die Frage: Lassen sich ihre guten Auswirkungen nicht auch
auf nichthierarchische Weise substituieren?


>
> >> Alles Taten, bei denen der "gesunde Menschenverstand" ausgesetzt hat.
> >> Da hat dann der Richter seine Probleme bezueglich des Urteils: Die
> >> Leute sind genug gestraft, mit dieser Tat fertig zu werden, andererseits
> >> muss er aufpassen, dass es keine Nachahmungstaeter gibt. Um so
> >> erfreulicher, dass gelegentlich Strafen wie "Ein Jahr Arbeit an einer
> >> karitativen Einrichtung" verhaengt werden.
> >Eine solche Strafe ist VIEL besser als Knast, gerade bei Taetern,
> >bei denen der Richter davon ueberzeugt ist, dass sie keine
> >kaltbluetigen Moerder sind, sondern dass sie "nur" im Affekt
> >gehandelt haben.
> >Ob das die OPTIMALE Strafe ist, ist die Frage, aber sie ist eine
> >relativ gute Strafe. Wenn alle Straftaten, ausser die von nachgewiesen
> >kaltbluetig handelnden Taetern, so geahndet werden WUERDEN, dann
> >waere uns schon viel geholfen.
>
> Sag' ich ja "Um so erfreulicher"!
>
> Aber was tun wir denn mit Deinen "kaltbluetig handelnden Taetern". Die
> sind ja doch wohl krank und muessen in ein Krankenhaus, oder? Und wer

Also. Weg mit Gefaengnissen.
Affekttaeter leisten ein halbes Jahr Arbeit in sozialen Einrichtungen,
krankhafte Taeter werden psychologisch/psychiatrisch behandelt.

> stellt letztendlich fest, was ein "kaltbluetiger Mord" und was eine "Tat
> aus dem Affekt" war? Ich kann mir vorstellen, dass es Faelle gegeben

Heute stellen es die Richter fest. Kann dies etwa nicht substituiert
werden?

Klar: Sowohl Polizei, als auch Gesetze, als auch Hierarchie ist nicht
AUSSCHLIESSLICH schwarz.
Nur: Ist das Uebel, das wir uns mit Hierarchie einhandeln akzeptabel
im Vergleich zu den Vorteilen, die sie bringt?


>
> >> [ ... ]
> >>
> >> >> Keine Theorie, insbesondere ueber den Menschen und was ihn bewegt, ist
> >> >> "das Gelbe". Aber sie wird, wenn sie nicht gerade hanebuechen ist, doch
> >> >> das Verhalten eines mehr oder weniger grossen Teils der Menschen
> >> >> ziemlich genau beschreiben.
> >> >Richtig. Aber ist diese Theorie, die das Verhalten einer Majoritaet
> >> >beschreibt, wirklich die Aggression-als-Instinkt Theorie oder
> >> >die Mensch-als-vernuenftiges-natuerlicherweise-gemeinschaftlich-
> >> >denkendes-Wesen Theorie? (jeweils mit einer bestimmten Minoritaet
> >> >als Ausnahme...)
> >>
> >> Wie waere es mit:
> >> Der Mensch ist ein vielschichtiges Wesen. In ihm schlummern viele
> >> verschiedene Kraefte, gute wie boese. Je nach Entwicklung kommen mal die
> >> einen, mal die anderen Kraefte zum Tragen. Manchmal verkuemmern einzele
> >> Kraefte voellig, manchmal liegen sie nur jahrelang verborgen, um durch
> >> einen, oftmals unscheinbaren, Ausloeser zum Vorschein zu kommen.
> >Sieht gut aus.
>
> Danke!

Bitte

Warum soll der Politiker X.Y. das besser entscheiden koennen als ich?

Sie sollte es sein... Aber: Macht korrumpiert.


> fuehrt mich diese nicht zu Gegen-Gewalt. Ich koennte Euch jetzt
> vorhalten, dass Eure Einstellung zur staatlichen Gewalt eine
> Fehleinschaetzung ist, die Euch zu einer (unberechtigten?) Gegen-Gewalt
> fuehrt. Toleranz gegen staatliche Gewalt wuerde Euch zu friedfertigeren
> Menschen machen.

Soso... Sind wir etwa NICHT friedfertig?
Wenn wir nicht jetzt einigermassen friedfertig waeren, wuerden wir
vielleicht jeden Mai mit den Autonomen Randale machen.
ABER: Randale ist keine Form der fairen politischen Auseinandersetzung.
Genauso ist aber Unterdrueckung andersartiger Organisationsformen zu
sehen. (s. freie Republik Wendland, siehe Deine Meinung gegenueber
Alternativen)


>
> >> Um auf die "Formbarkeit" der Menschen zurueckzukommen: Um eine absolut
> >> gewaltlose, hierarchiefreie, solidarische Gesellschaft zu erreichen,
> >> musst Du _alle_ Menschen zu gewaltlosen, hierarchiefreien, solidarischen
> > ^^^^^^ ??
> >> Wesen machen. Die Erziehung dieser Zukunftswesen, obliegt aber immer
> >> noch den gewaltbereiten, hierarchischen, egoistischen Menschen von
> >> heute. Ich verwende viel Zeit darauf, meine Kinder zu friedfertigen,
> >> toleranten Menschen zu erziehen. Viele andere auch. Manch einer hat aber
> >> keine Zeit dazu. Fuer manch einen sieht die Welt eben so aus, dass man
> >> in ihr kaempfen muss, um seine Position zu behaupten bzw. auszubauen.
> >> Und so werden sie ihre Kinder erziehen: "Nimm was Du kriegen kannst, die
> >> anderen werden genauso denken".
> >Tja... Und zumindest im Wirtschaftsleben der Konkurrenz wird man
> >dazu GEZWUNGEN, und zwar durch gesellschaftlichen Einfluss.
>
> Mir fehlen hier zwar die noetigen Literaturstellen, aber ich tendiere
> dazu, auch Konkurrenzdenken als menschliche Eigenschaft zu sehen.
> Angefangen mit dem Konkurrenzdenken zweier Menschen, die sich um den
> selben Partner bemuehen. Oder das Konkurrenzdenken derer, die das
> gleiche Stueck Wild verfolgen, oder das gleiche Stueck Land beackern
> moechten!
>
> Aber trotzdem, wie viele Generationen willst Du warten, um dieses
> Konkurrenzdenken auszumerzen?

Mir ists egal. Es muss aber ein ANFANG gemacht werden, sonst muessen
wir unendlich Generationen warten.


>
> >> Das mag alles eine Folge der Gesellschaft sein, in der wir leben. Aber
> >> die Gesellschaft der Zukunft baut eben auf der Gesellschaft von heute,
> >> auf den Menschen von heute auf. Und wir koennen nur ganz vorsichtig,
> >> behutsam und langsam Veraenderungen im Grossen herbeifuehren. (Im
> >> Kleinen koennen wir alle vier Jahre 'mal eine neue Regierung waehlen,
> >> eine die den Menschen mehr Solidaritaet abverlangt, auch den "Grossen")
> >Es ist aber nicht gottgegeben, dass wir nur alle 4 Jahre Einfluss
> >auf die Politik nehmen koennen.
>
> Mir waere eine Regelung wie in der Schweiz auch lieber (z.B. betreffend
> Maastricht). Aber Frankreich (und im geringen Mass auch England) haben
> gezeigt, dass oft das eigentliche Thema doch wieder mit anderen Dingen
> verknuepft wird. Dass eine Entscheidung fuer/gegen Maastricht als
> Entscheidung fuer/gegen eine Person ausgelegt wird.

Das kommt dadurch, dass so ein Volksentscheid von oben angeordnet
wird. Das entartet zur sog. akklamatorischen Demokratie.
Hitler hat ja auch, um sich gegen seine politischen Gegner zu festigen,
geschickte Volksabstimmungen durchgefuehrt.

> Dazu kommt, dass die Argumentation oft nicht fair ist. Dass die
> Information nicht gerecht verteilt ist. Dass das Wissen um die
> Hintergruende nicht gerecht verteilt ist. Dass auch "der Durchblick"
> nicht gerecht verteilt ist.

Und was foerdert diese Ungleichverteilung?
(ausser natuerlichen Unterschieden der Menschen)
Warum gehen Beamtensoehnchen eher aufs Gymnasium als Arbeitersoehnchen?

> Wenn man mich heute fragen wuerde, ich waere gegen Maastricht. Erstens
> weil es gewisse Leute bei uns gibt (H.K.), die diese Vertraege, koste es
> was es wolle, durchbringen wollen (ist so 'ne Eigenschaft von mir: je
> mehr Begeisterung ich bei anderen verspuere, um so reservierter bin
> ich!). Zweitens, weil ich den Buerokraten in Bruessel nicht fuer 5Pf
> traue.
> Andererseits, wenn ich mir die USA ansehe, dann geht's da doch auch ganz
> gut (bitte keine Flames, ich habe genug an den Amis auszusetzen).
>
> >> Ich bin kein Pessimist! Ich glaube das es moeglich ist, eine bessere
> >> Gesellschaft zu erzeugen, aber Knall auf Fall geht das nicht.
> >Hab ich das behauptet??
>
> Gelegentlich wurde der Eindruck erweckt, als ob das ginge. So a'la
> "Freie Republik Wendland": Wir proklamieren die "gewaltlose,
> hierarchiefreie, solidarische Gesellschaft" und alles ist Paletti.

Ich hab, als ich frisch eingestiegen bin, klar dargelegt, dass es
Schritt fuer Schritt gehen muss.
Aber wenn wir den ersten Schritt verboten bekommen, koennen wir nie
den zweiten tun.


>
> >> S.o. Damit ueberlassen wir es jedem einzelnen, sich sein Recht zu
> >> erkaempfen. Den Notwehrparagraphen (den 'mal jemand als "Ueberbleibsel
> >> des 3. Reiches" und "unselig" genannt hat) musste ich 'mal auswendig
> >> lernen, im Jiu-Jitsi-Training.
> >Und? Wenn ich mit dem Messer bedroht bin, MUSS ich mich ja wehren.
> >Willst Du wegen des obigen Zitats den Notwehr-Paragraphen abschaffen?
> >Wenn ja, muessen wir in Zukunft erstmal das Glueck haben,
> >OHNE UNS ZU WEHREN, die Polizei rufen zu koennen, also dass der
> >gnaedige Mensch, der uns bedroht, uns zur Telefonzelle laesst, und
> >dass er uns dann solange leben laesst, bis die Polizei kommt und
> >uns endlich -- nach einer Viertel Stunde reiner Fahrzeit --
> >rettet.
>
> _Ich_ stelle ihn gar nicht in Frage. Das hat jemand anders getan!
> Ich habe aber auch schon 'mal eine Stunde mit einem Briten darueber
> diskutiert, wie man sich gegen einen direkten, gewalttaetigen Angriff
> schuetzen muesse. Er tendierte zu der Behauptung: "Ein toter Angreifer
> ist keine Gefahr", ich tendierte zu "Ein Kampfunfaehiger Angreifer ist
> keine Gefahr" und setzte z.B. einen Knieschuss gegen einen Kopfschuss.

Warum brachtest Du dann das Zitat, das gegen den Notwehrparagraphen
gerichtet ist?


>
> >> Was aber ist, wenn der eine Gewalt gegen mich ausuebt die
> >> gerechtfertigt ist? Z.B. wenn meine Ziele und Wuensche dem des
> >> Gemeinwohls entgegenstehen? Oder wenn die Wuensche und Ziele meines
> >> Nachbarn durchaus legitim, meinen aber diametral entgegen stehen?
> >Wer definiert Gemeinwohl? Vom Kohl lass ich mir nicht vorschreiben,
> >was ich als Gemeinwohl ansehe.
>
> Dann eben von wem? Von 80% der Gemeinschaft? Von 99,99%? Von 50.01%?

Nein. Ich bin ein von Natur aus frei geborener Mensch. Also lass
ich keine Mehrheit ueber mich diktieren.


>
> >> Ich finde es da schon beruhigend, wenn es ein objektives Regelwerk
> >> gibt ("Gesetze" oder wie immer man dieses Regelwerk nennen will), nach
> >> dem man gehen kann, wenn es Uneinigkeit gibt. Der Notwehrparagraph
> >> regelt uebrigens nur einen "Angriff auf Leib, Leben oder Ehre", wenn ich
> >> mich recht entsinne, nicht aber z.B. auf "Freiheit".
> >Richtig. Aber den Angriff auf die Freiheit regelt der Art. 2 GG
> >in Verbindung mit der Rechtswegegarantie des Art. 19(2) und
> >dem Widerstandsrecht nach Art. 20(4).

Halt... 19(2) sagt aus, dass Grundrechte in ihrem Wesensgehalt keines-
falls angetastet werden duerfen. Woanders im 19 steht dann die
Rechtswegegarantie.


>
> In Art 2(2) steht eben auch nur, dass die "Freiheit der Person [...]
> unverletzlich" ist! Erstreiten muss man die Freiheit aber dann immer
> noch selber.
> Im uebrigen stehen in Art 2 aber Einschraenkungen:
> 1.) Art 2(1): "... soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht
> gegen die verfassungsmaessige Ordnung oder das Sittengesetz verstoesst"
> 2.) Art 2(2): "In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetztes
> eingegriffen werden"!
> Mein GG ist alt. Art 20(4) gabs damals (1966) noch nicht B-{)
> Art 19(4) koennte man so etwas wie ein "Widerstandsrecht" ablesen. Aber
> da steht eben auch nur was ueber "Rechtsweg" bzw. sogar "ordentlicher
> Rechtsweg". Im uebrigen erweiter Art 19(3) die Grundrechte auch auf
> "inlaendische juristische Personen"! (Art 20 ff regelt das Verhaeltnis
> zwischen Bund und Laendern)

20 regelt den Grundaufbau der BRD. Inzwischen eben mit Widerstandsrecht
gegen jede Bedrohung der Verfassung (einschliesslich Grundrechte), wenn
alle anderen Mittel offensichtlich versagen.
(Also erst vors Gericht, dann Widerstand.)


>
> >> Fuer den Fall gibt's ja den (o.e.) Notwehrparagraphen.
> >> Du koenntest auch versuchen, den Angreifer so lange hinzuhalten, bis die
> >> Poilzei kommt, und ihn "fachgerecht entsorgt".
> >> Wie sieht's denn aus, wenn Du aus dem Fenster schaust und einen von
> >> Deinem Vermieter angeheuerten Schlaegertrupp? Wenn Du aus "persoenlichem
> >Vermieter gibts in der Hierarchie. Da gibts auch Polizei.
> >Und ohne Polizei gibts keine Vermieter, zumindest nicht solche, die
> >mit Schlaegertrupps anmarschieren. Grund:
> >Es gibt weit aus mehr Mieter als Vermieter heutzutage. D.h.
> >ein solcher Schlaegertrupp haette eh keine Chance. Und da die
> >Vermieter auch taktisch klug sind, werden sie das wohl sein lassen,
> >da sie wissen, dass die Mieter -- solidarisch vereint, um sich
> >gegenseitig Nothilfe gegen Gewalt zu leisten -- die Gewalt dieser
> >von Dir erwaehnten Trupps zurueckweisen koennen.
>
> Und die, die noch keine Mieter sind, es aber werden wollen? Die haben
> keine Rechte?

Ja welche Rechte haben die denn JETZT? Klaer mich da bitte auf, wenn
es Deine Zeit erlaubt.


> Und was das "solidarisch vereint" entgegenstellen: Frag' doch 'mal die
> Asylbewerber, ob sie sich den Neonazis "solidarisch vereint"
> entgegenstellen wuerden!
> Aber auch hier wieder: ich muss mir meine Rechte selbst erkaempfen! Nee
> danke. Da nehme ich doch lieber eine Mieterschutzgesetz und akzeptiere,
> dass ein Vermieter Pflichten, aber auch Rechte hat! Und wenn die
> Nachfrage das Angebot uebersteigt, dann sitzt der Vermieter am laengeren
> Hebel. Umgekehrt waer's mir lieber!

Klar sitzt er am laengeren Hebel.... Besonders jetzt.


>
> >> Unvermoegen" nicht in der Lage bist, Dich eines Angriffs zu erwehren,
> >> den Angriff aber ueberlebst und jetzt Schadenersatz forderst?
> >> Oder Du hoerst in der Nacht das Klirren von Scheiben in Deiner Wohnung ...
> >>
> >> Es gibt immer Situationen, in denen eine Funktion nicht ausreichend ist.
> >> Es ist aber relativ unwahrscheinlich, dass Du in Deiner Wohnung so
> >> mir-nichts-dir-nichts angegriffen wirst. Denkbar waere, dass Du z.B.
> >> durch eine, als "gefaehrlich" bekannte, Gegend gehst und von jemandem
> >> angegriffen wirst. An solchen Stellen sollte es auch eine erhoehte
> >> Polizeipraesenz geben.
> >Gibts aber nicht. Die suchen lieber nach Parksuendern....
>
> Also, bei uns in der Kneipengegend sieht man sie aber haeufiger als in
> unserem Wohngebiet. (Ich hab' mal mitten 'drin gewohnt, in 'ner
> Kneipengegend)
>
> >Im Ernst: Gab es in Rostock erhoehte Polizeipraesenz?
>
> Ich war nicht in Rostock dabei (auf _keiner_ Seite)! Also kann ich nicht
> beurteilen, wie die Kraefteverhaeltnisse waren und wer auf Seiten der
> Polizei die Befehlsgewalt hatte. Wenn das ex-VoPos waren, dann hatten
> die bestimmt ihre Probleme mit Dingen die nicht sein konnten, weil nicht
> durften!

Sache war, dass NICHT verhindert wurde, dass Brandstiftung an dem Asyl-
bewerberheim veruebt wurde.


>
> >Selbiges in vielen anderen Gegenden.
> >2. Beispiel: Gibt es in Berlin-Kreuzberg, wo diejenigen, die
> >sich Autonome nennen, die Gewalt ausueben, erhoehte Polizeipraesenz?
> >Schon eher, aber trotzdem nicht :-)
>
> Da versucht man eben, die Gegen-Gewalt auf ihre Gewalt zu minimieren.

Soso... Sitzstreiks gegen AKW werden gewaltsam aufgelest, danach wird
der Paragraph "Noetigung" so gebogen, dass die Blockierer deswegen
belangt werden koennen. Andererseits wird in Rostock BRANDSTIFTUNG
geduldet.
Die "Noetigung" der Sitzblockierer hat vielleicht einen LKW-Transport
an der Durchfahrt gehindert, okay.
Aber die Brandstiftung bedrohte das LEBEN und die koerperliche
Unversehrtheit von einigen Menschen.


>
> >In Rostock : p(Polizeipraesenz) = 2%
> >In Kreuzberg: p(""") = 2.1 % :-/

Soll sagen: Selbst unsere Hierarchie ist nicht faehig, diese Gewalt
zu verhindern, seien es Krawalle in Rostock oder in Kreuzberg.
>
> >> [ ... ]


> >> >Nur ein Vorschlag, das Eigenleben einer Staatsgewalt zu minimieren.
> >> >Das konkrete Beispiel ist vielleicht nicht gut, aber das Prinzip,
> >> >das ich meine: echte DEzentralisierung fuehrt zu uebersichtlichen
> >> >Strukturen.
> >>

So Grundlegendes wie Gesetze zum Schutz von Grundrechten - nichts
anderes ist die Intention des StGB (Paragraphen ueber Straftaten
gegen Person etc.) - duerfen ruhig zentral sein. Grund:
die Menschenrechte sind in Nord-de gleich wie in Sued-DL.

> Aber es scheint ja doch einiges zu geben, was Laendersache ist.
> Schule, _Polizei_, ...
>
> >> Beispiel: OePNV. Meinst Du, jede DG koennte ihren eigenen OePNV
> >> organisieren? Wenn ich dann von Elsen (in der DG lebe ich), in die
> >> Innenstadt von Paderborn fahre, muss ich durch 2 andere DGen. Heisst
> >> das, dass ich dann dreimal umsteigen muss? Also einen uebergreifenden
> >> OePNV. Wer organisiert den? Wer legt fest, wo welche Busse fahren
> >> (nehmen wir 'mal an, dass es noch Busse gibt, sonst koennten das auch
> >> Eselskarren sein B-{)? Gut, jede DG schickt einen Repraesentanten in den
> >> "Aufsichtsrat" des Verkehrsbetriebes. Wer kontrolliert den
> >> Repraesentanten? Die DG! Klar! Erkundige Dich 'mal ueber die Struktur
> >> und Zusammensetzung des Bundestages. Da gibt es Wahlkreise
> >> ("Dorfgemeinschaften"), die einen Abgeordneten waehlen (Direktmandat).
> >> Dieser Abgeordnete koennte theoretisch seinem Wahlkreis verantwortlich
> >> sein, aber wie viele Leute interessiert das denn? Sieh' Dich 'mal um,
> >> wie viele Leute sich aktiv an der Politik beteiligen! Dann sind es eben
> >> wieder nur ein paar Aktive, die Poilitik machen. Und dass ein
> >> Abgeordneter nur "seinem Gewissen verantwortlich" ist, hat wohl
> >> historische Gruende!
> >Guck in das Gesetz:
> >Der BT-Abgeordnete kann nicht wirksam kontrolliert werden, sonst
> >koennte man ihn ja jederzeit, wenn er etwas gegen die Interessen
> >des Wahlkreis macht, abwaehlen.
>
> Wie gesagt, das hat wohl historische Gruende!

Welche? Noch NIE war in DL ein Parlamentarier vorzeitig
abberufbar.


>
> >Ausserdem: Wenn Ihr ihn in 4 Jahren abwaehlt, dann kommt er ueber
> >seinen gesicherten Listenplatz sowieso wieder rein...
>
> Nur noch Direktmandate? Den Bundestag moechte ich sehen: ein paar
> hundert verschiedene Paarteien. Waer' vielleicht doch nicht schlecht!
> Meinen Segen hast Du!

Parteien? Wenn die Wahlkreise uebersichtlich genug sind - dafuer kann
man sorgen - dann kann der Kandidat seine Meinungen direkt darlegen.

Lies mal nach, wie das Raetesystem gedacht ist.


>
> >> >> Das soll nicht heissen, dass wir alles akzeptieren, was die da tun. Aber
> >> >> das alles nur wegen seiner Fehler abschaffen? Wenn _mir_ der Kragen
> >> >> richtig platzt, werde ich aktiv in die Politik gehen. Solange werde ich
> >> >> mein Scherflein dadurch beitragen, dass ich mir einerseits nicht alles
> >> >> gefallen lasse und andereseits meine Kinder zu toleranten,
> >> >> selbstbewusetn Menschen erziehe. Amen!
> >> >ReAmen :-)
> >Sodele... Langes Posting :-/
> >Jetzt hab ich lange rumdiskutiert ueber das Problem einer DG am Schluss
> >Es geht ja nicht darum, ob genau das DG-System DIE Abhilfe ist.
> >(Vielleicht ist sies, vielleicht ist sie aber der groesste
> >Mist, der je durch die News ging...)
>
> Sei's drum!
>
> Wir sollten zu einem Schluss kommen -> "Staatsethik ... die (vor)letzte"

> --
> | Josef Moellers | c/o Siemens Nixdorf Informationssysteme AG
|
> | USA: molle...@sni-usa.com | Abt. STO-XS 113 | Riemekestrasse
|
> | !USA: molle...@sni.de | Phone: (+49) 5251 835124 | D-4790 Paderborn
|

Michael Jung

unread,
Nov 20, 1992, 11:44:42 AM11/20/92
to
In article <1992Nov20....@rz.uni-karlsruhe.de> "Felix Schroeter" <UK...@DKAUNI2.BITNET> writes:

Leider wird es sehr schwierig, ohne Gewalt eine hierarchielose
Gesellschaft aufzubauen :-(
Grund: Die bestehende Ordnung ist nicht faehig, anzuerkennen, dass
einige Menschen auch anders leben koennen.
Kurz gefasst: Der Totalitaetsanspruch der bestehenden
hierarchischen Systeme steht einer gewaltfreien/armen
Umwandlung in eine hierarchiearme und dann eine hierarchie-
freie Gesellschaft im Wege.

Es ist wahr, dass dieser Totalitaetsanspruch existiert. Das ist hart,
aber es gibt Gruende, die fuer die Unmoeglichkeit einer hierarchielosen
Gesellschaft sprechen. Auch die Gravitation erhebt einen Totalitaets-
anspruch.

>
> >Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass ich NOCH NIE,
> >weder im persoenlichen Umfeld noch durch die oeffentlichen
> >Medien, von jemandem gehoert habe, der seine Macht zugunsten der
> >von ihm Beherrschten eingesetzt haette. Dabei schliesse ich mich
> >selbst ausdruecklich ein.
> Bist Du tatsaechlich derart verbittert? Jeder Lehrer beherrscht in ge-
> wissem Sinne seine Schueler, denen er etwas beibringt. Das geschieht
> IMHO zugunsten deselben.
Hat der einzelne Lehrer soooo viel Macht??
Ne. Der Kultusminister bestimmt: So ist der Lehrplan.
Und der Lehrer, der FAST ganz unten steht, versucht einigermassen, das
wieder gradzubuegeln :-(

Das ist etwas anderes. Der Lehrer nutzt seine Gewalt zugunsten der Schueler.
Was der Kultusminister bestimmt, haengt von anderen Dingen ab, deren
Darstellung hier nicht am Platze ist. Sicherlich hat man nicht direkt
das Wohl der Schueler im Auge, insbesondere da das Wohl von verschiedenen
Leuten verschieden gesehen wird.

Es gab bei uns auf der Schule einige Lehrer, die MASSIG auf den Lehrplan
geschimpft haben.

Klar. Es gibt Faelle, wo religioese Leute ihre Kinder selber erziehen wollen.
Unter anderem wird ihnen dann (in manchen Faellen) nicht die gottlose Theorie
der Evolution erklaert. Oder gewisse Details der ruhmreichen deutschen Ge-
schichte verschwiegen.

> Gibt es "Hoehenunterschiede" im Recht? Ein Recht steht hoeher als
> das andere? Koerperliche Unversehrtheit vs. freie Entfaltung der
> Persoenlichkeit?
> Ja.
Ich wuerde sowieso jedes Recht der Person an sich, also
Leben, koerperliche Unversehrtheit, Freiheit ueber andere Rechte wie
Eigentum und Erbrecht stellen.

Eine Gemeinsamkeit. Sogar mit den Gruendungsvaetern dieses unseres Staates.:-)

Schoene Gruesse,
Michael

Josef Moellers

unread,
Nov 20, 1992, 10:15:36 AM11/20/92
to
In <MJUNG.92N...@stokes.math.TU-Berlin.DE> mj...@math.TU-Berlin.DE (Michael Jung) writes:

[ ... ]

> >Das Argument scheint mir auch in sich absurd zu sein: Wann hat es
> >jemals einen Fall gegeben, wo eine neue Organisationsform "am
> >gruenen Tisch" bis ins letzte Detail gestaltet war, bevor man zu
> >dieser ueberging?

>Das stimmt, jede Organisationsform wurde mit mehr oder weniger Gewalt
>hergestellt...

Wann wurde denn die hierarchische Regierungsform "mit Gewalt"
hergestellt? Dann haetten wir ja endlich die nicht-hierarchische
Regierung, naemlich die vorher! Ist es nicht eher so, dass sich eine
hierarchische Organisation zu gewissen Zeiten als passend erwiesen hat,
und das diese dann bis heute beibehalten wurde? Dass also eine
hierarchische Organisation, quasi ganz natuerlich, entstanden ist?

> >Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass ich NOCH NIE,
> >weder im persoenlichen Umfeld noch durch die oeffentlichen
> >Medien, von jemandem gehoert habe, der seine Macht zugunsten der
> >von ihm Beherrschten eingesetzt haette. Dabei schliesse ich mich
> >selbst ausdruecklich ein.

>Bist Du tatsaechlich derart verbittert? Jeder Lehrer beherrscht in ge-
>wissem Sinne seine Schueler, denen er etwas beibringt. Das geschieht
>IMHO zugunsten deselben.

Darf er auch nicht! Die Schueler werden sich in der idealen Gesellschaft
freiwillig um ihre Lehrer scharen, um deren Weisheit zu lernen B-{)

[ ... ]

> Gibt es "Hoehenunterschiede" im Recht? Ein Recht steht hoeher als
> das andere? Koerperliche Unversehrtheit vs. freie Entfaltung der
> Persoenlichkeit?

>Ja.

Wer entscheidet im Zweifelsfall? Heute tut das ein Richter!

>Schoene Gruesse,
> Michael

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