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Mediziner sperren Christen in die Psychatrie

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PAG's (Thorsten Müller)

unread,
Feb 24, 2001, 4:25:00 PM2/24/01
to
Im Elsmhorner Krankenhaus wurde gegen seinen erklärten Willen der Patient
Thorsten Müller GEGEN seiner Willen in die Psychatrie eingeliefert, einmal
Ende Juni 1997 und einmal Mitte Januar 1998, weil er von Projekten Gottes
und den Projekten des Teufels gesprochen hatte.

Dieses ist die Lehre der sogenannten Chick-Traktate, herausgegeben von
Christen.

Namentlich ist Frau Dr. Heidenreich verantwortlich für die Aufnahme in die
psychatrische Klinik gegen den erklärten Willen von Herrn Thorsten Müller.

Ferner wurde schon unterstellt, Herr Müller höre Stimmen, obwohl er nur von
der christlichen Zwiesprache mit Gott sprach.

Ich habe im Krankenhaus gesagt, ich habe Kokain genommen. Das wurde sofort
geglaubt, obwohl es dafür keine medizinischen Beweise gab und machte dann
zumindestens unter der Ärzteschaft die Runde.

Das ich homosexuelle Handlungen als Sünde bezeichne, wurde von Fr. Dr.
Heidenreich, die angeblich selber christlich ist, nicht akzeptiert und
selbst der Leiter der PSychatrie Prof. Kuhs hat mir empfohlen, homosexuelle
Beziehungen aufzunehmen, Drogen solle ich aber nicht nehmen (letzteres ist
ja vernünftig).

So werden Christen mundtot gemacht!

Die Ärzte wurden übrigens vom Unternehmensberater Preller die Ärzte Dr.Held
(ungleich Armin Held!), Frau Dr. Heidenreich, Dr. Breitkreuz (den ich
schätze!) u.a. bei der Computerfirma proAdmin geschult, in einer Firma des
"christlichen" Unternehmers Andreas Hinze, eines charismatischen
Extremchristen, der zur Zeit beim TCC Hamburg in den Gottesdienst geht und
Schulungen bei der Jesusgemeinde Rinteln (www.jesusgemeinde.de) gemacht hat.

Dieser christliche Unternehmer Andreas Hinze hat Herrn Thorsten Müller am
30.06.00 entlassen, obwohl er, sofern er gesund war, auch nach Eigenaussage
immer sehr gute Arbeit geleistet hat.Das wird wohl auch die Polizei Hamburg
bestätigen können, wo ich bis zum Schluß bei Herrn Gerhard Butzlaff, LPS 12
/ FL gearbeitet habe.

Ich vermute, Herr Hinze hat mich nur eingestellt, um die
Schwerbehindertenförderung des Arbeitsamtes Elmshorns zu kassieren, die er
nach der fristgerechten Kündigung zum 30.06.2000 wohl nicht mehr
weiterbeziehen konnte.

Zuvor hat er in der Firma ProUser mehrere Schwerbehinderte, entlassen und
für die Firma Konkurs angemeldet, gleichzeitig mit der Firma proAdmin
weitergemacht. Über diesen Sachverhalt wurde im Hamburger Abendblatt
berichtet.Mit der Firma Interlink Consulting www.ilc.de arbeitet er auch
jetzt noch weiter, und vertreibt eine sogenannte Bibelschulung.

Eine Anfrage per Email hat er nicht beantwortet, er wird da wohl Zeitmangel
vorschieben.

Wehret den Anfängen, das hatten wir doch schon mal im Dritten Reich und so
etwas passiert in einer modernen psychatrischen Klinik.

In der Klinik durfte ich dann Mandalas malen, einer esoterischen
Beschäftigung, wurde allerdings vom Ergotherapeuten Beekmann und Götz (gegen
die ich überhaupt nichts habe, sondern die gute Arbeit machen) dahingeghend
gefördert, daß ich das Wahlergebnis der Elmshorner Kommunalpolitik im
Krankenhaus als Exceldiagramm veröffentlichen konnte, einen Fisch aus
Speckstein machte, eine Tasche mit Fischen und am Computer arbeiten durfte.
Vielen Dank dafür.

Ich durfte am Gottesdienst von Frau Otto-Kempermann nur nach starkem Drängen
unter Begleitung eines mit Methadon therapierten Heroinabhängigen besuchen.
(Dabei fand ich auch das erste Mal, die Schriften von Rosenius)

Thorsten Müller
www.guter-hirte.de
(Morgenstund hat Gold im Mund), darüber sollte ich bei der
Gerichtsverhandlung dozieren auf Anweisung von Dr. Kanitz.
Die Anwaltskosten von über 1000 DM wurden mir von dem Rechtsanwalt
Schweinsberg in Rechnung gestellt und ich sah damal keine Möglichkeit mich
dagegen zu wehren.


Holger Bruns

unread,
Feb 24, 2001, 5:56:40 PM2/24/01
to
On Sat, 24 Feb 2001 22:25:00 +0100, "PAG's \(Thorsten Müller\)"
<a...@pags.de> wrote:

>Im Elsmhorner Krankenhaus wurde gegen seinen erklärten Willen der Patient
>Thorsten Müller GEGEN seiner Willen in die Psychatrie eingeliefert, einmal
>Ende Juni 1997 und einmal Mitte Januar 1998, weil er von Projekten Gottes
>und den Projekten des Teufels gesprochen hatte.

Das wird nicht stimmen. Gegen deinen Willen kommst du da nur hinein,
wenn du dich selbst oder andere Menschen erheblich gefährdest. Ich
weiß nicht, ob dies jetzt der ehrliche Teil deiner Geschichte oder
wieder nur eine Provokation ist, aber das du seelische Probleme hast,
die du mit einer Flucht in obskure religiöse Wahnwelten konterst, ist
auch ohne deine jetzige Schilderung offensichtlich. Wie gesagt: Du
tust mir ehrlich leid, aber als Therapieort ist eine NG denkbar
ungeeignet. Ich würde an deiner Stelle mal auf Abstand zu all deinen
jetzigen Gewohnheiten gehen und eine Psychotherapie ernsthaft in
Erwägung ziehen. Ich weiß nicht, ob man dir noch helfen kann, ein
gesundes Verhältnis zur Religion wird in deinem Fall sehr schwierig
sein, aber ein liebender Gott wird es dir nicht abfordern, daß du
weiterhin so erbarmungslos mit dir selbst umgehst wie zur Zeit noch.

Holger

Gerhard Freisinger

unread,
Feb 24, 2001, 5:54:08 PM2/24/01
to
Hi,

> In der Klinik durfte ich dann Mandalas malen, einer esoterischen
> Beschäftigung, wurde allerdings vom Ergotherapeuten Beekmann und Götz
(gegen
> die ich überhaupt nichts habe, sondern die gute Arbeit machen)
dahingeghend
> gefördert, daß ich das Wahlergebnis der Elmshorner Kommunalpolitik im
> Krankenhaus als Exceldiagramm veröffentlichen konnte, einen Fisch aus
> Speckstein machte, eine Tasche mit Fischen und am Computer arbeiten
durfte.
> Vielen Dank dafür.
>
> Ich durfte am Gottesdienst von Frau Otto-Kempermann nur nach starkem
Drängen
> unter Begleitung eines mit Methadon therapierten Heroinabhängigen
besuchen.
> (Dabei fand ich auch das erste Mal, die Schriften von Rosenius)
>
> Thorsten Müller
> www.guter-hirte.de

und was ist mit den Leuten, denen IHR den Glauben eingeprügelt habt, was ist
mit den tausendfachen Morden an nicht-Gläubige, was ist mit all denen die
Kirchensteuer zahlen und euren Gott ernähren... gerade den der nur mit dem
Finger auf uns zeigt und mit Drohungen bekehrt... es gibt keinen Gott, wann
werdet ihr das verstehen? und wenn du öffentlich Homosexualität als Sünde
bezeichnest nenne ich dich einen Rassisten. Denkst du vielleicht Christen
sind von psychischen Krankheiten ausgeschlossen? Früher hiess es doch "vom
Teufel bessessen", dabei hatten die Leute nur Epilepsie. Aber sie wurden zu
Tode gequält mit Exorzismen, die letzte in den 70er Jahren in Bayern. Ich
pfeiffe auf den Papst und seine römische Zentrale...

so far...


Gerhard

Johannes Schwarz

unread,
Feb 24, 2001, 5:54:49 PM2/24/01
to
Hallo Holger,

Holger Bruns schrieb:

> >Im Elsmhorner Krankenhaus wurde gegen seinen erklärten Willen der Patient
> >Thorsten Müller GEGEN seiner Willen in die Psychatrie eingeliefert, einmal
> >Ende Juni 1997 und einmal Mitte Januar 1998, weil er von Projekten Gottes
> >und den Projekten des Teufels gesprochen hatte.
>
> Das wird nicht stimmen.

Mit Sicherheit ist auch diese Geschichte wieder erstunken und erlogen.
Warum fütterst Du dauernd diesen Troll? Vielleicht sollte man mit einer
Standardfloskel auf die Postings von T. M. antworten (ungefähr so:
"Liebe NG-Teilnehmer, bei T. M. handelt es sich um einen lernresistenten
Troll, der mit seinen Aussagen nur provozieren möchte. Von einer Antwort
auf seine Postings wird dringend abgeraten!").

Grüße
Hannes

Holger Bruns

unread,
Feb 24, 2001, 7:28:24 PM2/24/01
to
On Sat, 24 Feb 2001 23:54:49 +0100, Johannes Schwarz
<hannes....@freenet.de> wrote:

>Warum fütterst Du dauernd diesen Troll? Vielleicht sollte man mit einer
>Standardfloskel auf die Postings von T. M. antworten (ungefähr so:
>"Liebe NG-Teilnehmer, bei T. M. handelt es sich um einen lernresistenten
>Troll, der mit seinen Aussagen nur provozieren möchte. Von einer Antwort
>auf seine Postings wird dringend abgeraten!").

Hallo Hannes,

ich füttere ihn ja nur selten. Ich halte ihn für krank. Er ist ein
armer Wicht, so wie er sich hier darstellt. Ich möchte nicht in seiner
Haut stecken. Andererseits möchte ich mir auch ihm gegenüber eine
gewisse Toleranz erlauben, denn ich sehe, daß er hier die Themen
reinschaufelt, während andere nicht viel sagen. Er liefert also
Diskussionsansätze, und was ich in meine Postings reinschreibe, hat ja
nichts mit ihm, sondern nur noch mit meinen Ansichten zu tun. Deshalb
finde ich das nicht so dramatisch, ein Müller-Posting als Aufhänger zu
nutzen. Was mir zur Zeit durch den Sinn geht, hat eventuell sogar mit
dem Thema zu tun, was TM hier ansprach: Christentum und Psychiatrie.
Mir geht durch den Sinn, daß das Christentum fordert, ein Kind müsse
seine Eltern verehren, und zwar um jeden Preis. Der Konflikt ist
offensichtlich: Was soll ein Christ machen, der als Kind von seinen
Eltern geschlagen, vergewaltigt und zum Sozialwaisen gemacht wurde und
seine Eltern am liebsten hassen würde, sich dies aber aus Angst vor
der Strafe seines Gottes nicht getraut? Hier kann die Religion doch
krankmachen? Ich gehe mal davon aus, daß die Pastoren in dswc dazu wie
üblich schweigen, aber vielleicht posten in dsmp Fachleute, die sich
äußern wollen. Es würde mich wirklich mal interessieren.

Holger

Thorsten Mueller

unread,
Feb 24, 2001, 9:43:26 PM2/24/01
to
Diese Veröffentlichung ist wahr.

Thorsten Müller

Ing. Franz Glaser

unread,
Feb 25, 2001, 4:55:01 AM2/25/01
to
Gerhard Freisinger wrote:

> und was ist mit den Leuten, denen IHR den Glauben eingeprügelt habt,

> was ist ...
> ... und wenn du öffentlich Homosexualität als Sünde


> bezeichnest nenne ich dich einen Rassisten.

Was zum Teufel geht Sie das überhaupt an, was eine Sünde ist?
Als Ungläubiger haben Sie damit nix zu tun, es ist kein Maß
für Ihre Werte. Also regen Sie sich ab.

> ... Ich pfeiffe auf den Papst und seine römische Zentrale...

Was hat nun wieder der Papst mit einem Sektierer und einem
Fanatiker zu tun? Sie bringen alles durcheinander. Leiden Sie
unter einem stellvertretenden Verfolgungswahn?

Es gibt eine Menge von Sauereien, die man der Kirche vorwerfen
kann, aber die meisten Ihrer Vorwürfe hier sind schlichter
Blödsinn.

MfG
--
Franz Glaser, Glasau 3, A-4191 Vorderweissenbach Austria +43-7219-7035-0
Muehlviertler Elektronik Glaser. Industrial control and instrumentation
http://members.eunet.at/meg-glaser/ http://members.xoom.com/f_glaser/
http://www.geocities.com/~franzglaser/ http://start.at/bedarf

Lothar Pilgenroeder

unread,
Feb 25, 2001, 5:46:23 AM2/25/01
to

Holger Bruns schrieb:


>
> was TM hier ansprach: Christentum und Psychiatrie.
> Mir geht durch den Sinn, daß das Christentum fordert, ein Kind müsse
> seine Eltern verehren, und zwar um jeden Preis. Der Konflikt ist
> offensichtlich: Was soll ein Christ machen, der als Kind von seinen
> Eltern geschlagen, vergewaltigt und zum Sozialwaisen gemacht wurde und
> seine Eltern am liebsten hassen würde, sich dies aber aus Angst vor
> der Strafe seines Gottes nicht getraut? Hier kann die Religion doch
> krankmachen? Ich gehe mal davon aus, daß die Pastoren in dswc dazu wie
> üblich schweigen, aber vielleicht posten in dsmp Fachleute, die sich
> äußern wollen. Es würde mich wirklich mal interessieren.
>
> Holger

Hallo Holger,

Religion ist ein Teilelement unserer sozialen Umwelt und kann je nach
Zeit, Ort und persönlicher Konstellation zu einem "alles bestimmenden
Element" werden. Für den oder die betroffenen Menschen in so einer
Situation bleiben Konflikte, wie oben beschrieben, dann natürlich nicht
aus.Je nach Veranlagung der betroffenen Menschen kann es zu einer
Fehlverarbeitung eines solchen Erlebnis-Konflikt-Komplexes kommen,
die dann in sog.dissoziativen Störungen oder Neurosen enden kann.

Übrigens ist mir nicht bekannt, daß die christliche Religion eine
(auch harte) kritische Auseinandersetzung von mißhandelten Kindern
mit ihren fehlhandelnden Eltern verbietet.Insofern kann die Religion
an sich nicht als in diesem Sinne krankheitsfördernd bezeichnet werden

Das gilt im übrigen auch für andere seriöse Weltanschauungen und
politsche Systeme, in denen zwar thematisch andere, aber in ihrer
Konflikthaftigkeit genau so schmerzhaft empfundene Probleme aufteten
und bei entsprechender Konstellation zu neurotischen Störungen führen
können.

Gruß Lothar
(der übrigens kein Experte für Psychiatie ist, sich aber für
solche, wie von Dir aufgeworfene, Fragen interessiert.

Johannes Kuhn

unread,
Feb 25, 2001, 6:01:13 AM2/25/01
to
HAllo Lothar,

"Lothar Pilgenroeder" <lothar.pi...@t-online.de> schrieb im
Newsbeitrag news:3A98E277...@t-online.de...

> Übrigens ist mir nicht bekannt, daß die christliche
> Religion eine (auch harte) kritische Auseinandersetzung
> von mißhandelten Kindern mit ihren fehlhandelnden Eltern
> verbietet.Insofern kann die Religion an sich nicht als
> in diesem Sinne krankheitsfördernd bezeichnet werden

"Du sollst Vater und Mutter ehren, damit Du lange lebst auf
Erden"...

ich weiß nicht, wie oft ich diesen Spruch als Kind hingedrückt
bekommen habe. Und der macht höllisch Angst, weil es ja den
Umkehrschluß gibt, wenn man die Eltern nicht "ehrt" - was immer das
bedeutet.

Und noch ein Beispiel - Beichtspiegel für das Kind - nach dem es mir
immer besonders leicht gefallen ist, selbstbewußt gegenüber meinen
Eltern und Lehrern aufzutreten und zu mir zu stehen....:-(( ....
m.E. ein gutes Beispiel, daß das Christentum in seiner Tradition
sehr zur Obrigkeitshörigkeit erziehen wollte:

"4. GEBOT: ELTERN UND VORGESETZTE
Ich habe meinen Eltern nicht gefolgt. - Ich habe ihnen Böses
gewünscht. - Ich war lieblos und frech gegen meine Eltern. - Ich
habe den Eltern nicht helfen wollen. - Ich habe die Eltern sehr
geärgert. - Ich war trotzig gegen sie. - Ich habe für meine Eltern
nicht gebetet. - Ich bin gegen Priester und Lehrer nicht gehorsam
gewesen. - Ich war frech gegen sie. - Ich bin beim Unterricht
absichtlich unaufmerksam gewesen. - Ich habe den Unterricht
absichtlich gestört. - Ich habe die Schulaufgaben aus Faulheit
vernachlässigt. - Ich habe die Schule geschwänzt."

Gruß Johannes

Lothar Pilgenroeder

unread,
Feb 25, 2001, 6:29:10 AM2/25/01
to

Johannes Kuhn schrieb:


>
> HAllo Lothar,
>
> "Lothar Pilgenroeder" <lothar.pi...@t-online.de> schrieb im
> Newsbeitrag news:3A98E277...@t-online.de...
>
> > Übrigens ist mir nicht bekannt, daß die christliche
> > Religion eine (auch harte) kritische Auseinandersetzung
> > von mißhandelten Kindern mit ihren fehlhandelnden Eltern
> > verbietet.Insofern kann die Religion an sich nicht als
> > in diesem Sinne krankheitsfördernd bezeichnet werden
>
> "Du sollst Vater und Mutter ehren, damit Du lange lebst auf
> Erden"...

Das schließt doch aber eine kritische Auseinandersetzung
mit den Taten der Eltern nicht aus.Insofern ist doch das
Gebot nicht falsch sondern der Mißbrauch dieses Gebotes
seitens der Eltern mit dem Ziel der menschenverachtenden
Unterdrückung ihrer Kinder.
Auch die Kirche (vor allem die kathol.)hat in dieser
Hinscht vieles getan, was der christlichen Religion m.E.
diametral widerspricht! Noch heute läßt der Papst
Kritik in +keiner+ Weise zu! Der Mann ist Antichrist!:-(

Gruß Lothar

Astrid Engeler

unread,
Feb 25, 2001, 6:42:05 AM2/25/01
to


Ich kann das nur unterschreiben was Gerhard anführt.
Zumal ich auch Christin bin und mich sehr intensiv damit
auseinandergesetzt habe. Lies das Buch von Karlheinz
Deschner "Das Kreuz mit der Kirche" eine
Sexualgeschichte des Christentums!!!!!!!
Gruss Astrid


>

--
_____________________________________________________________
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Gruppe N

unread,
Feb 25, 2001, 10:38:15 AM2/25/01
to
On Sun, 25 Feb 2001 00:28:24 GMT, hbr...@gmx.de (Holger Bruns) wrote:

>Christentum und Psychiatrie.
>Mir geht durch den Sinn, daß das Christentum fordert, [...]

...Therapie - Carl Schneider - Arbeit macht frei, dort findest Du die
Anwort, nach der Du suchst:

http://www.fu-berlin.de/foucault-tribunal/therapiecarlschneider.htm


Ein kleiner Abschnitt daraus:
"Ich zitiere aus Thomas Szasz: Theologie der Medizin" S. 164
..."kann Gerechtigkeit im einfachsten Sinn als Erfüllung von Verträgen
oder Erwartungen definiert werden. Verträge beinhalten außerdem
Leistungen und Gegenleistungen - also offenkundige Handlungen. Dadurch
unterscheiden sie sich von Absichten, Gefühlen oder Geisteszuständen,
die persönliche Erfahrungen sind. Folglich läßt sich Gerechtigkeit
öffentlich kontrollieren, überprüfen und beurteilen, während Liebe
nicht überprüfbar ist.

Daher ist die Behauptung man handle gerecht, ein Ersuchen um die
Zustimmung anderer Menschen, während die Behauptung, man handele
liebevoll, keinen Raum für das Urteil anderer läßt und in ihrem Eifer
auch keinen Widerspruch duldet. Kurz obwohl die Liebe dem Ideal
nachstrebt, die Bedürfnissse der anderen zu beachten, und die
Gerechtigkeit dem Ideal, vereinbarte Regeln zu beachten, bietet die
Gerechtigkeit in der Praxis den Interessen der anderen,
so wie sie selbst sie verstehen, mehr Schutz als liebevolle
Handlungen."
Dies erklärt wie Intentionales eben keinen Schutz vor den Verfolgungen
und Vernichtungen bietet wie z.B. in der Inquisition. Dabei war als
Motiv ganz typisch, dies zum Besten des Verfolgten zu tun, ihn zu
bekehren, zu missionieren. Die Grundlage ist ein intentionaler Maßstab
und eben nicht ein sprachlich/kommunikativer, der das Handeln an
Versprechungen und Verträgen meßbar macht, sondern ein
willkürlicher Maßstab der Liebeserklärungen der Herschenden."


Gruppe N
Markus-Yasna-René-Jörg


- Wir bestreiten die Existenz von "psychischer Krankheit".
- Wir akzeptieren als Voraussetzung für legale Freiheits-
entziehung nur kriminelles Handeln, das in Verhältnis-
mäßigkeit zur Tat bestraft wird.
- Wir lehnen jeden medizinischen Eingriff gegen den erklärten
Willen des Betroffenen als folterartige Zwangsmaßnahme ab.
- Wir lehnen ab, für Zwangspsychiatrie Krankenkassenbeiträge
zahlen zu müssen.
- Für alle Erwachsenen gilt, daß nur sie über ihren Körper
verfügen dürfen. Damit ist die Forderung nach Freigabe
aller Drogen an Erwachsene verbunden, der Staat ist nur
für die Prüfung der Authentizität bzw. deren Wirkungen
zuständig.

Gruppe N

unread,
Feb 25, 2001, 10:50:44 AM2/25/01
to
On Sun, 25 Feb 2001 12:01:13 +0100, "Johannes Kuhn" <ij....@gmx.de>
wrote:

>Ich habe meinen Eltern nicht gefolgt. - Ich habe ihnen Böses
>gewünscht. - Ich war lieblos und frech gegen meine Eltern. - Ich
>habe den Eltern nicht helfen wollen. - Ich habe die Eltern sehr
>geärgert. - Ich war trotzig gegen sie. - Ich habe für meine Eltern
>nicht gebetet. - Ich bin gegen Priester und Lehrer nicht gehorsam
>gewesen. - Ich war frech gegen sie. - Ich bin beim Unterricht
>absichtlich unaufmerksam gewesen. - Ich habe den Unterricht
>absichtlich gestört. - Ich habe die Schulaufgaben aus Faulheit
>vernachlässigt. - Ich habe die Schule geschwänzt."

Du hast uns noch nie so gut gefallen wie heute:
was für ein sympatisches Kind Du gewesen sein mußt!
Ein Held des Kindsein, der sagt: "Ich habe die Schulaufgaben aus
FAULHEIT vernachlässigt"
Und ist irgendwas wenigstens hängengeblieben?

Gruppe N

unread,
Feb 25, 2001, 10:29:56 AM2/25/01
to
On Sat, 24 Feb 2001 23:54:08 +0100, "Gerhard Freisinger"
<Frei...@web.de> wrote:

> und wenn du öffentlich Homosexualität als Sünde
> bezeichnest nenne ich dich einen Rassisten.

Wenn Du jetzt aber auf dem Opfer von Zwangspsychiatrie einen
"Rassisten" machst, dann hast du genau um 180 grad danebengeschossen!
Er wurde nur genauso unmenschlich verfolgt wie Homosexuelle vor etwas
mehr als 30 Jahren, als Homosexualität eine angebliche "psychische
Krankheit" war, man dafür eingesperrt und "therapiert" wurde, und das
alles von den tatsächlichen Rassisten, den Psychiatern. Rassisten
deshalb, weil sie abweichendes Verhalten als eine "biologische"
Abweichung, eine "kranke" Seele bezeichnen, und die Menschen
die sie in ihre Gewalt bekommen zum "hirnkranken" Stück Fleisch
erklären können.

Diese umfassende Entrechtung haben psychiatrisch verfolgte
Homosexuelle genauso erfahren, wie sie heute noch unverändert alle
anderen psychiatrisch Verfolgten erfahren.
Es ist endlich an der Zeit, daß beide Gruppen erkennen, welche
bösartige Hackordnung zugunsten der terroristischen "Normalen" sie
mitmachen, wenn sie gegeneinander vorgegehen, statt gegen die
Unterdrückungsmechanismen sich aufzulehnen.
Gerade wo Schwule in der BRD raus aus der gesetzlichen Verfolgung
gekommen sind, könnte man Solidariätt mit psychiatrisch Verfolgten
erhoffen, statt das falsche Sündengerede zum Anlaß zu nehmen, um
selber wieder (die Falschen) zu diskriminieren.

Gruppe N

unread,
Feb 25, 2001, 10:21:43 AM2/25/01
to
On Sat, 24 Feb 2001 22:56:40 GMT, hbr...@gmx.de (Holger Bruns) wrote:

>Das wird nicht stimmen. Gegen deinen Willen kommst du da nur hinein,
>wenn du dich selbst oder andere Menschen erheblich gefährdest.

http://www.antipsychiatrie.berlinet.de/zz_stein2.htm

http://www.wildwechsel.de/artikel/input/skandal.htm

http://www.bverfg.de/entscheidungen/frames/rk19980323_2bvr227096


Amen

Johannes Kuhn

unread,
Feb 25, 2001, 1:10:11 PM2/25/01
to
Hi G.N.,

"Gruppe N" <Grup...@gmx.net> schrieb im Newsbeitrag
news:jbai9t0oniunlm31o...@4ax.com...

> Ein Held des Kindsein, der sagt: "Ich habe die
> Schulaufgaben aus FAULHEIT vernachlässigt"
> Und ist irgendwas wenigstens hängengeblieben?

Ja - die latente Straferwartung, wenn ich einmal faul bin :-((

Aber abgesehen davon: Nehmt ihr eigentlich noch irgendwas ernst
außer euch selbst?

Gruß Johannes

Gruppe N

unread,
Feb 25, 2001, 1:59:17 PM2/25/01
to
On Sun, 25 Feb 2001 16:21:43 +0100, Gruppe N <Grup...@gmx.net> wrote:

> http://www.antipsychiatrie.berlinet.de/zz_stein2.htm

Dieser Link Funktioniert nicht.

Bitte folgenden Link nutzen

www.psychiatrie-erfahrene.de/PsyNetzLinksSeiten/bremen_nachrichten.htm

Axel Joensson

unread,
Feb 27, 2001, 7:02:37 AM2/27/01
to
Hallo Holger,

Holger Bruns wrote:
>
> Mir geht durch den Sinn, daß das Christentum fordert, ein Kind müsse
> seine Eltern verehren, und zwar um jeden Preis. Der Konflikt ist
> offensichtlich: Was soll ein Christ machen, der als Kind von seinen
> Eltern geschlagen, vergewaltigt und zum Sozialwaisen gemacht wurde und
> seine Eltern am liebsten hassen würde, sich dies aber aus Angst vor
> der Strafe seines Gottes nicht getraut? Hier kann die Religion doch
> krankmachen?

Ich finde, das kann man so nicht stehen lassen. Nicht, dass ich an die
Bibel glauben würde oder irgendeine Kirche oder Sekte. Aber selbst in
der IMHO widersprüchlichen Bibel gibt es eine Art "Hierarchie" der
Gebote, die viele aus ideologischen oder sonstigen Gründen übersehen.
Das "höchste" der Gebote wäre danach die Liebe zu Gott, als nächstes
käme "liebe deinen Nächsten wie dich selbst". Alles andere ist dem
unterzuordnen. Das dürfte daran klar werden, dass die Bibel sogar
verlangt, die jeweilige Regierung zu achten, was z.B. im Falle eines
diktatorischen und mörderischen Regimes das gesamte Christentum total
auf den Kopf stellen würde (und bereits mehrfach getan hat!).

Wer das immer schon am "besten" volbracht hat, nämlich das Christentum
und seine Werte gnadenlos ins Gegenteil zu verkehren, waren i.d.R. die,
die sich selbst als Christen bezeichnen: Das war so während der
Inquisition und Hexenjagd, auf den Kreuzzügen und Eroberungen, aber auch
während der Nazi-Herrschaft oder IMHO wenn der Papst Verhütungsmittel
ablehnt, dann aber lieber das Vermögen der RömKath-Kirche zusammen hält,
statt sich mit all seiner seit 2000 Jahren ungebrochenen Macht (welche
Institution hätte länger durchgehalten?) um die jährlich 40 Mio. am
Hunger verreckenden Kinder zu sorgen. Ich glaube, eine Unterscheidung
ist geboten zwischen den eigentlich unmißverständlichen christlichen
Werten (die leider, wie alle Werte in unserer Welt, nur ein Ideal sind)
und dem, was machtgeile Kleriker und andere Perverse sich gerade jeweils
daraus zurecht biegen, um andere zu unterdrücken und ggfls.
"gerechtfertigt" als "Ketzer" umzulegen.

Konkret: Eltern, die ein Kind nicht achten, sondern mißbrauchen oder
quälen, sind von niemandem, den ich als "wahren Christen" akzeptieren
könnte, und schon gar nicht diesen Kindern selbst zu ehren, sondern
anzuzeigen und somit aus dem Weg zu schaffen. Alles andere hat nichts
mit Christentum zu tun, sondern ist Menschenverachtung.

Gruß,
Axel.

Gruppe N

unread,
Feb 27, 2001, 3:55:18 PM2/27/01
to
"Johannes Kuhn" <ij....@gmx.de> schrieb :

> Ja - die latente Straferwartung, wenn ich einmal faul bin :-((

Da läßt sich doch was gegen tun oder nicht ?
Oder möchtest Du warten bis Faulheit im ICD-Katalog als Kriterium
für eine "seelische Erkrankung" eine Rolle spielt ?

> Aber abgesehen davon: Nehmt ihr eigentlich noch irgendwas ernst
> außer euch selbst?

Menschenrechtsverletzungen !
Vermutlich haben wir Dir die Frage nach dem Verständnis zu früh gestellt.

Marianne Kestler

unread,
Feb 27, 2001, 4:59:41 PM2/27/01
to
Hallo Gruppe N,

On Tue, 27 Feb 2001 21:55:18 +0100, "Gruppe N" <Grup...@gmx.net>
wrote:

>"Johannes Kuhn" <ij....@gmx.de> schrieb :

>> Aber abgesehen davon: Nehmt ihr eigentlich noch irgendwas ernst
>> außer euch selbst?
>
>Menschenrechtsverletzungen !

Und was haltet Ihr von dieser Initiative: www.psychiatrieopfer.de?
Inzwischen sind die Medien drauf angesprungen. Es geht aber nicht um
die komplette Abschaffung der Psychiatrie, sondern darum, aus der
Psychiatriereform, die "Löcher wie ein Schweizer Käse" hat (R. Hartig
im Lichtblick-Newsletter 7/2000), eine menschenwürdige Anlaufstelle
für Menschen zu machen, die einen *Zufluchtsort* brauchen, dem sie
vertrauen können. Keinen "Weglaufort"!

>Vermutlich haben wir Dir die Frage nach dem Verständnis zu früh gestellt.

Die Frage ist durchaus permanent aktuell und hat mit "zu früh" oder
"zu spät" wenig zu tun.

Herzlichen Tach

Marianne
--
Liebe ist eine Krankheit, die so ernst ist, dass man die Symptome
nicht übersehen kann, und für die es kein Heilmittel gibt - man
muss ins Bett, und das so schnell wie möglich.
www.scheherza.de

Rolf Karstaedt

unread,
Feb 27, 2001, 5:47:31 PM2/27/01
to

"Axel Joensson" <a.joe...@web.de> schrieb im Newsbeitrag
news:3A9B975D...@web.de...

> Hallo Holger,
>
> Holger Bruns wrote:
> >
> > Mir geht durch den Sinn, daß das Christentum fordert, ein Kind müsse
> > seine Eltern verehren, und zwar um jeden Preis.

Hallo Axel, hallo Holger, hallo NG,

Mann darf eb nicht nur den Wortlaut des Gebotes sehen, sondern auch den
biblischen, sozialen und kulturellen kontext. So galt dieses Gebot nicht für
Kinder, sondern für Erwachsene Kinder. Es spricht die Altersversorgung an
und den Umgang mit den zu versorgenden Eltern, insbesondere dann, wenn diese
Pflegebdürftig oder "wunderlich" geworden sind. Oftmals haben dann die
erwachsenen Kinder ihre Eltern mißachte, d.h. schlecht versorgt und
vernachlässigt, oder sogar mißhandelt. Hierfür gilt dieses Gebot und will
die verantwortung, die Kinder für Ihre "greisen" Eltern in sozialer,
kultureller und gegebenfalls sogar medizinischer Sicht haben.
An anderen Stellen wird die Verantwortung angesprochen, die Eltern für Ihre
Kinder haben. Insbesondere die Achtung, die Kindern gebührt und die Sorgfalt
in der Erziehung und betreuung des nachwuchses.
Die Bibel sagt an keiner Stelle, das mißhandelte oder mißbrauchte Kinder
sich nicht wehren sollen.

Rolf Karstaedt


Regina Sickel

unread,
Feb 28, 2001, 12:38:17 PM2/28/01
to
On Tue, 27 Feb 2001 23:47:31 +0100,"Rolf Karstaedt"
<Gospe...@t-online.de> wrote:

>> Holger Bruns wrote:
>> > Mir geht durch den Sinn, daß das Christentum fordert, ein Kind müsse
>> > seine Eltern verehren, und zwar um jeden Preis.
>

>Mann darf eb nicht nur den Wortlaut des Gebotes sehen

Mann darf. Frau auch. Vor allem: Religionslehrer/innen dürfen.

>So galt dieses Gebot nicht für Kinder, sondern für Erwachsene Kinder.

Mit Verlaub: Tatsache ist, daß Religionslehrer/innen Kinder die 10
Gebote ohne derartige Hintergrund-Informationen auswendig lernen
lassen.

>Die Bibel sagt an keiner Stelle, das mißhandelte oder mißbrauchte Kinder
>sich nicht wehren sollen.

"Vergebt, so wird euch vergeben." "Richtet nicht, so werdet ihr auch
nicht gerichtet" (Lk 6,37). "Und vergib uns unsere Schuld, wie wir
unseren Schuldigern vergeben" (Mt 6,12)"
http://www.wuerzburg.de/emk-wue/doku/verzeihen-wohltat.htm


R.S.

GeRoBe

unread,
Feb 28, 2001, 5:35:42 PM2/28/01
to
Servus Marianne, Servus Brettgemeinde,

mal ganz OT zu den hier diskutierten Dingen bin ich etwas an der URL,
die von Dir, Marianne, mitgeteilt wurde, hängengeblieben (komischer Satz
;-))

Bisher habe ich noch nichts weiter von Alzey gehört und auch der Inhalt
und die Gestaltung dieser page lassen mich etwas im Zweifel, was da
dahinter stecken mag. An wen ging z.B. dieser "Offene Brief", wann ist
er datiert?

Wenn darüber mehr zu erfahren ist, dann teile dies doch mit -
Öffentlichkeit tut Not in solchen Dingen ...

mfg - Roland

Christian Günther

unread,
Feb 28, 2001, 6:00:00 PM2/28/01
to
Hallo Regina,

>
>>Die Bibel sagt an keiner Stelle, das mißhandelte oder mißbrauchte Kinder
>>sich nicht wehren sollen.
>
>"Vergebt, so wird euch vergeben." "Richtet nicht, so werdet ihr auch
>nicht gerichtet" (Lk 6,37). "Und vergib uns unsere Schuld, wie wir
>unseren Schuldigern vergeben" (Mt 6,12)"

Meine Schüler im Religionsunterricht lernen, daß es für das Vergeben
zwei Voraussetzungen gibt:
1. Der Schuldiger bereut aufrichtig, was er getan hat.
2. Der Geschädigte sieht sich in der Lage, von Herzen zu vergeben.

Vorher gehts nicht. Wer so schlimm gekränkt wurde, daß er/sie das
einfach nicht schafft, fällt unter die Zuständigkeit der
Seligpreisungen ('Selig seid ihr, die ihr weint...').

Der Punkt ist nicht, daß man auf Deuwel komm raus vergeben muß.
Sondern daß man entsprechend der eigenen Möglichkeiten an seiner
Vergebungsbereitschaft arbeiten und nicht seine Haßgefühle pflegen
sollte.

Gruß
Christian

Rolf Karstaedt

unread,
Feb 28, 2001, 4:49:55 PM2/28/01
to

"Regina Sickel" <sic...@ibm.net> schrieb im Newsbeitrag

> "Vergebt, so wird euch vergeben." "Richtet nicht, so werdet ihr auch
> nicht gerichtet" (Lk 6,37). "Und vergib uns unsere Schuld, wie wir
> unseren Schuldigern vergeben" (Mt 6,12)"

stimmt, doch selbst die Stelle
Mt 5,39 Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel;
sondern, so dir jemand einen Streich gibt auf deinen rechten Backen, dem
biete den andern auch dar.

gibt es nicht her, das Kindesmißbraucn und -mißhandlung geduldet werden
müssen. Auch nicht von den Kindern. Wenn die gebote aus dem Kontext gerissen
werden in den Sie gehören so ist das traurig und zeugt von einer
realitätsfremde, die ein Christ nuneinmal nicht haben sollte.

Regina schrieb:


>Mit Verlaub: Tatsache ist, daß Religionslehrer/innen Kinder die 10
>Gebote ohne derartige Hintergrund-Informationen auswendig lernen
>lassen.

Es ist sicher nichts schlechtes daran die zehn gebote (und auch andere
Bibelstellen) auswendig zu können, schließlich sind sie wertvoll für eine
Lebensausrichtung. Auch ist sicher nicht falsch den Kindern beizubringen
respekt vor Eltern zu haben, doch Eltern müssen sich auch dem respekt würdig
erweisen. Doch dieses Gebot wird eben leider aus diesem Kontext gerissen. Im
übrigen glaube ich mehr denn je, das wir uns als Erwachsene neu auf diese
gebot besinnen müssen, wollen wir von unseren Kindern respekt erwarten.
Schließlich folgen die Kids nur dem was sie von uns erleben.
Un d es ist sehr traurig, wenn die Religionslehrer den Kontext des gebotes
mißachten und dadurch kadavergehorsam erzeugen. Ich persönlich finde diese
Informationen immens wichtig, gerade in unserer heutigen Pflegesituation.
Ich finde es aber auch wichtig, unseren kindern mit Liebe und Konsequenz zu
begegnen, wobei Liebe den höheren Stellenwert haben muß. Doch auch Liebe
gestattet eben nicht alles.

Rolf Karstaedt (ich hoffe zur allgemeinen verwirrung beigetragen zu haben
;-) )

> http://www.wuerzburg.de/emk-wue/doku/verzeihen-wohltat.htm
>
>
> R.S.


Rolf Karstaedt

unread,
Feb 28, 2001, 6:21:52 PM2/28/01
to
Hallo Christian,
ich stimme Dir prinzipiell zu und sehe da auch keinen widerspruch in sich.

> Meine Schüler im Religionsunterricht lernen, daß es für das Vergeben
> zwei Voraussetzungen gibt:
> 1. Der Schuldiger bereut aufrichtig, was er getan hat.
> 2. Der Geschädigte sieht sich in der Lage, von Herzen zu vergeben.

Das stimmt natürlich, doch sind das nach der Bibel eben nicht voneinander
abhängige prinzipien. Sondern für die Bibel ist ausschlagebend das Vergeben
wollen.
Ich bin selbst als Kind Jahrelang von meinem Vater mißbraucht und mißhandelt
worden, mit 18 Jahren bin ich bewußt Christ geworden und habe dann noch 15
Jahre gebraucht bis ich ihm vergeben konnte, obwohl ich das (vom Kopf und
der Lehre her) natürlich viel Früher wußte. Wichtig für die eigen stabilität
ist zunächstmal das Vergeben wollen unabhängig davon, ob es zur zeit möglich
ist und ob der Schuldiger schon einsichtig ist oder nicht.
Dann gilt absolut das was Du im folgenden schreibst:


>
> Vorher gehts nicht. Wer so schlimm gekränkt wurde, daß er/sie das
> einfach nicht schafft, fällt unter die Zuständigkeit der
> Seligpreisungen ('Selig seid ihr, die ihr weint...').

Jemand darf auf keinen fall in die "Vergebungspresse" gesteckt werden, da
stimme ich Dir zu, doch vorsetzlich am haß festhalten ist sicherlich auch
nicht Gesund und vergiftet die eigenen gefühle.

Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt und vergbeung schafft man
nicht wenn man nicht die bereitschaft erlernt zu vergeben. Wie oft man es
dann tatsächlich schafft ist die andere Seite der Medaillie.

>
> Der Punkt ist nicht, daß man auf Deuwel komm raus vergeben muß.
> Sondern daß man entsprechend der eigenen Möglichkeiten an seiner
> Vergebungsbereitschaft arbeiten und nicht seine Haßgefühle pflegen
> sollte.

Siehe oben
Gruß Rolf Karstaedt


Christian Günther

unread,
Mar 1, 2001, 9:29:43 AM3/1/01
to
Hallo Rolf,

>Das stimmt natürlich, doch sind das nach der Bibel eben nicht voneinander
>abhängige prinzipien. Sondern für die Bibel ist ausschlagebend das Vergeben
>wollen.

Das sehe ich auch so.
Ich kennen einen, der konnte - bis zu seiner Ehescheidung vor ein paar
Jahren - einem einfach nicht böse sein. Er wuchs so überbehütet und
-bemuttert auf, inklusive elternbestimmter Ausbildung und
elternbestimmter, schwangerschaftsbedingter, vorzeitiger Heirat, daß
ich den Eindruck bekam: Er ist einfach unfähig zu verzeihen, denn um
wirklich verzeihen zu können, müßte er erst mal hassen können.

Inzwischen hat er's AIC gelernt. Beides. Jetzt ist er erwachsen.

Gruß
Christian

Regina Sickel

unread,
Mar 1, 2001, 11:41:08 AM3/1/01
to
On Wed, 28 Feb 2001 22:49:55 +0100,"Rolf Karstaedt"
<Gospe...@t-online.de> wrote:

>Wenn die gebote aus dem Kontext gerissen
>werden in den Sie gehören so ist das traurig

Schau dir bitte deine vollständige Antwort noch mal an. Die von mir
zitierten Bibelstellen und der Kontext bzw. die Quellenangabe sind
ebenfalls weit auseinandergerissen. So einfach geht das.

>und zeugt von einer
>realitätsfremde, die ein Christ nuneinmal nicht haben sollte.

Sollte! Ein solch "realitätsfremder" Christ erzieht als
Religionslehrer o.ä. aber leider real viele neue kleine
"realitätsfremde" Christen.

R.S.

Regina Sickel

unread,
Mar 1, 2001, 11:38:56 AM3/1/01
to
On Wed, 28 Feb 2001 23:00:00 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

Hallo Christian,


>
>Meine Schüler im Religionsunterricht lernen, daß es für das Vergeben
>zwei Voraussetzungen gibt:
>1. Der Schuldiger bereut aufrichtig, was er getan hat.
>2. Der Geschädigte sieht sich in der Lage, von Herzen zu vergeben.
>
>Vorher gehts nicht.

Halte ich für realitätsnah.

>Wer so schlimm gekränkt wurde,

Ich will nicht unnötig Erbsen zählen. Ausgehend von Holger Bruns
Einwand aber geschieht mit einem mißbrauchten oder mißhandelten Kind
meist wesentlich mehr. "Kränkung" halte ich in dem Zusammenhang für
einen verharmlosenden Begriff.

>daß er/sie das
>einfach nicht schafft, fällt unter die Zuständigkeit der
>Seligpreisungen ('Selig seid ihr, die ihr weint...').

... im Rahmen der katholischen Kirche, vermute ich.

>Der Punkt ist nicht, daß man auf Deuwel komm raus vergeben muß.
>Sondern daß man entsprechend der eigenen Möglichkeiten an seiner
>Vergebungsbereitschaft arbeiten

Du weißt oder kannst dir vielleicht vorstellen, mit welchen Mitteln
Täter/innen ihren vermeintlichen Besitz mitunter noch jahrzehntelang
schikanieren. Gerade dann, wenn sie an sich arbeiten. Denn das ist
bedrohlich. Ergo sind Familiengeheimnisse oft entweder zu hüten, oder
manche/r wird zum "Judas" erklärt, was nicht selten mit kollektiver
Rache bestraft wird. Ein zweites Mal bestraft wird, um genau zu sein.
Insoweit würde ich "eigene" da oben streichen, da die "Möglichkeiten"
nicht isoliert beim Betroffenen zu betrachten sind, wenn es eigentlich
oft um fortgesetzte Interaktionswirkungen im Umfeld geht.

>und nicht seine Haßgefühle pflegen
>sollte.

Sollte. Da ist er wieder, der moralische Zeigefinger. Warum sollte man
denn an seiner Vergebungsbereitschaft arbeiten? Und was macht Euch so
sicher, daß (und wenn ja, warum) es zwischen Vergebung und Haß nichts
weiter gibt? Besitzt die Bibel und/oder Kirche frei nach dem
entweder-oder-Prinzip die Definitionsmacht darüber, was Betroffen zu
fühlen haben? Ja, ich gehe noch weiter: wie reduziert hat die
Gefühlswelt eines missionarischen Christen eigentlich zu sein, wenn er
gegenüber seinen "Schäfchen" zwischen zwei Endpunkten auf der
Gefühlsskala polarisieren muß?


R.S.

Christian Günther

unread,
Mar 1, 2001, 3:37:59 PM3/1/01
to
Hallo Regina,

>>Wer so schlimm gekränkt wurde,
>
>Ich will nicht unnötig Erbsen zählen. Ausgehend von Holger Bruns
>Einwand aber geschieht mit einem mißbrauchten oder mißhandelten Kind
>meist wesentlich mehr. "Kränkung" halte ich in dem Zusammenhang für
>einen verharmlosenden Begriff.

Akzeptiert. Diesen Begriff habe ich von unserem Ober-Seelsorger, der
ihn auf alles bezog, was Menschen in physischer oder psychischer Weise
verletzt oder dauerhaft krank macht.

>>daß er/sie das
>>einfach nicht schafft, fällt unter die Zuständigkeit der
>>Seligpreisungen ('Selig seid ihr, die ihr weint...').
>
>... im Rahmen der katholischen Kirche, vermute ich.

Nein, im Rahmen der Terminologie der Bergpredigt, bei der es ja ganz
zentral um Vergebung geht.

>>Der Punkt ist nicht, daß man auf Deuwel komm raus vergeben muß.
>>Sondern daß man entsprechend der eigenen Möglichkeiten an seiner
>>Vergebungsbereitschaft arbeiten
>
>Du weißt oder kannst dir vielleicht vorstellen, mit welchen Mitteln
>Täter/innen ihren vermeintlichen Besitz mitunter noch jahrzehntelang
>schikanieren.
>Gerade dann, wenn sie an sich arbeiten. Denn das ist
>bedrohlich. Ergo sind Familiengeheimnisse oft entweder zu hüten, oder
>manche/r wird zum "Judas" erklärt, was nicht selten mit kollektiver
>Rache bestraft wird. Ein zweites Mal bestraft wird, um genau zu sein.
>Insoweit würde ich "eigene" da oben streichen, da die "Möglichkeiten"
>nicht isoliert beim Betroffenen zu betrachten sind, wenn es eigentlich
>oft um fortgesetzte Interaktionswirkungen im Umfeld geht.

In so einem Fall ist die erste Voraussetzung für Vergebung nicht
gegeben. Der an sich selber arbeitende Täter bereut *irgendwas* und
erwartet dann vielleicht auch noch, daß man ihm verzeiht. Mal
abgesehen davon, daß ein Täter, ob reuig oder nicht, nicht den
allergeringsten Anspruch auf Vergebung oder Versöhnung besitzt, läuft
der Kampf, wie Du schon schriebst, einfach mit geänderten Vorzeichen
weiter. In einer solchen Lage geht es mE überhaupt nicht um Vergebung,
sondern um Entkommen.

>>und nicht seine Haßgefühle pflegen
>>sollte.
>
>Sollte. Da ist er wieder, der moralische Zeigefinger. Warum sollte man
>denn an seiner Vergebungsbereitschaft arbeiten?

Um seiner selbst willen.
Solche Verstrickungen setzen sich ja manchmal über Generationen hinweg
fort.
Wenn ich jemandem anderen wirklich vergeben kann, dann entbinde ich
mich selber meiner bisherigen Opferrolle. Das kann mich befreien.
Aber wie schon gesagt: Vorher müssen wirklich klare Verhältnisse
bestehen. Niemand verlangt, daß ich dem, der mich noch an der Gurgel
hat, die Hand der Versöhnung reiche.

>Und was macht Euch so
>sicher, daß (und wenn ja, warum) es zwischen Vergebung und Haß nichts
>weiter gibt?

Oh, da gibt es eine ganze Menge Zwischentöne, die meistens auf
weiterbestehende Abhängigkeiten zurückzuführen sind. Da ist mir
ehrlich gesagt ein sauberer Haß lieber, wenn er dazu führt, daß ich
mich aus so einer Abhängigkeit definitiv lösen kann.

>Besitzt die Bibel und/oder Kirche frei nach dem
>entweder-oder-Prinzip die Definitionsmacht darüber, was Betroffen zu
>fühlen haben?

Keineswegs. Aber man kann der Bibel einige sehr nützliche
Verhaltensmuster entnehmen, gerade in solchen Situationen.
Das Problem dabei ist, daß man neben diesem Buch noch ein paar
Menschen braucht, die einen voll unterstützen. Und das zweite Problem
ist, daß in der Kirche wirklich sehr viel Schindluder mit der
Vergebung getrieben wurde. Obwohl genau diese Fälle in den Evangelien
angeprangert werden, wird in der Praxis oft mehr auf Äußerlichkeiten
gesehen, wird den Opfern gedanken- bzw. einsichtslos der moralische
Zeigefinger präsentiert statt die Freiheit - beides zumeist eine Folge
seelsorgerlichen Zeitmangels -, und, was das Theologische betrifft,
die Vergebung wird bei Abendmahls- bzw Eucharistiefeiern in einer
Weise verschleudert, die IMHO die kirchliche Evangeliumsverkündigung
völlig untergräbt.

>Ja, ich gehe noch weiter: wie reduziert hat die
>Gefühlswelt eines missionarischen Christen eigentlich zu sein, wenn er
>gegenüber seinen "Schäfchen" zwischen zwei Endpunkten auf der
>Gefühlsskala polarisieren muß?

Erst mal danke für das Kompliment. Als sooo missionarisch stufe ich
mich gar nicht ein. Was die Polarisierung betrifft, das hat weniger
mit frommer Gefühlswelt zu tun als damit, daß ich gerade in meiner
eigenen Familie erlebe, wie Haß gehegt, gepflegt und gezüchtet wird -
wegen verletzter Eitelkeit oder sowas in der Art. Ich steh daneben,
Worte verhallen wirkungslos, und denke: Himmel hilf! Aber es ist die
persönliche Einstellung, die geändert werden muß.

Gruß
Christian

Gruppe N

unread,
Mar 1, 2001, 4:27:25 PM3/1/01
to

"Marianne Kestler" <marianne...@gmx.de> schrieb :


> >Menschenrechtsverletzungen !

> Und was haltet Ihr von dieser Initiative: www.psychiatrieopfer.de?

Eine typische Demonstration, wie staatlichen Stellen
Kritiker mundtot macht, rausschmeißt, versucht deren
Einkommensmöglichkiten auszuschalten.
TOTSCHWEIGESYSTEM

> Es geht aber nicht um
> die komplette Abschaffung der Psychiatrie, sondern darum,

Da Schreiben Lesen können vorausetzt, hast du schon einige mal lesen können,
daß wir nur die Zwangspsychiatrie endgültig ein für alle mal abschaffen
wollen - offensichtlich ist für dich die Zwangspsychiatrie identisch mit der
ganzen Psychiatrie .

Marianne Kestler

unread,
Mar 1, 2001, 5:20:20 PM3/1/01
to
On Wed, 28 Feb 2001 23:35:42 +0100, GeRoBe <ger...@myokay.net> wrote:

>Bisher habe ich noch nichts weiter von Alzey gehört und auch der Inhalt
>und die Gestaltung dieser page lassen mich etwas im Zweifel, was da
>dahinter stecken mag. An wen ging z.B. dieser "Offene Brief", wann ist
>er datiert?
>
>Wenn darüber mehr zu erfahren ist, dann teile dies doch mit -
>Öffentlichkeit tut Not in solchen Dingen ...

Ich werde diesbezüglich hier wieder was schreiben, sobald ich aus dem
totalen Burnout 'raus bin - ein Grund, warum ich hier im Moment aktiv
(und ab sofort auch passiv) nicht mehr mitmache. Kann etwas dauern,
sorry!

Herzliche Grüße an alle

Regina Sickel

unread,
Mar 2, 2001, 3:39:15 PM3/2/01
to
On Thu, 01 Mar 2001 20:37:59 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

Hallo Christian,
>


>>>Wer so schlimm gekränkt wurde,
>>
>>Ich will nicht unnötig Erbsen zählen. Ausgehend von Holger Bruns
>>Einwand aber geschieht mit einem mißbrauchten oder mißhandelten Kind
>>meist wesentlich mehr. "Kränkung" halte ich in dem Zusammenhang für
>>einen verharmlosenden Begriff.
>
>Akzeptiert.

;-)

>>>Seligpreisungen ('Selig seid ihr, die ihr weint...').
>>
>>... im Rahmen der katholischen Kirche, vermute ich.
>
>Nein, im Rahmen der Terminologie der Bergpredigt, bei der es ja ganz
>zentral um Vergebung geht.

Gehört dazu auch das hier?

"Von der Vergeltung:
Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Auge für Auge und
Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses
antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange
schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor
Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann laß ihm auch
den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu
gehen, dann geh zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib, und wer von
dir borgen will, den weise nicht ab."

Von der Liebe zu den Feinden:
Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten
lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde
und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im
Himmel werdet..."

Btw: ich will gar kein Sohn werden ;)

Übrigens ist mir die Passage "Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie
säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen;
euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als
sie?" aktuell aufgefallen, da mir allein schon der Trailer zur Sendung

heute abend in der ARD, IIRC 22 Uhr, "Das Haus der Hühner"

den Magen umgedreht hat. "Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?"
bezweifle ich, wenn ich sehe, wozu Mensch fähig ist.

>>Du weißt oder kannst dir vielleicht vorstellen, mit welchen Mitteln
>>Täter/innen ihren vermeintlichen Besitz mitunter noch jahrzehntelang
>>schikanieren. Gerade dann, wenn sie an sich arbeiten. Denn das ist
>>bedrohlich.
>

>In so einem Fall ist die erste Voraussetzung für Vergebung nicht

>gegeben. Der an sich selber arbeitende Täter (...)

Sorry, ich meinte, "gerade wenn Betroffene an sich arbeiten"

>In einer solchen Lage geht es mE überhaupt nicht um Vergebung,
>sondern um Entkommen.

ACK, wobei ein Leben auf der Flucht auch nicht die Lösung ist. Das
wäre Abhängigkeit in neuem Gewand.

>Warum sollte man
>>denn an seiner Vergebungsbereitschaft arbeiten?
>
>Um seiner selbst willen.
>Solche Verstrickungen setzen sich ja manchmal über Generationen hinweg
>fort. Wenn ich jemandem anderen wirklich vergeben kann, dann entbinde ich
>mich selber meiner bisherigen Opferrolle. Das kann mich befreien.

Das ist sicher eine Möglichkeit. Sich von der Opferrolle zu entbinden,
kann aber auch heißen, Bindung(en) zu lösen, sein Leben
zukunftsgerichtet und soweit als möglich unbeeinflußt von schadenden
Personen zu gestalten. Dazu braucht man nicht zwangsläufig zu hassen,
aber auch nicht verzeihen.

>>Und was macht Euch so
>>sicher, daß (und wenn ja, warum) es zwischen Vergebung und Haß nichts
>>weiter gibt?
>
>Oh, da gibt es eine ganze Menge Zwischentöne, die meistens auf
>weiterbestehende Abhängigkeiten zurückzuführen sind.

Manchmal, manchmal aber auch nicht. Zum Beispiel dann nicht, wenn der
ehemals Schädigende einfach nicht mehr wichtig ist, wenn sich
irgendwann eine ruhige Klarheit und unaufgeregte Nüchternheit
breitmacht.

>Da ist mir
>ehrlich gesagt ein sauberer Haß lieber, wenn er dazu führt, daß ich
>mich aus so einer Abhängigkeit definitiv lösen kann.

Haß oder besser Wut kann sicher zur Trennung verhelfen. Danach würde
man sich allerdings mit fortgesetzten Haßgefühlen weiterhin an das
Haßobjekt binden.

>>Besitzt die Bibel und/oder Kirche frei nach dem
>>entweder-oder-Prinzip die Definitionsmacht darüber, was Betroffen zu
>>fühlen haben?
>
>Keineswegs. Aber man kann der Bibel einige sehr nützliche
>Verhaltensmuster entnehmen, gerade in solchen Situationen.
>Das Problem dabei ist, daß man neben diesem Buch noch ein paar
>Menschen braucht, die einen voll unterstützen.

Dem stimme ich allerdings voll zu, nachdem ich mir einen Teil der
Bergpredigt noch mal angesehen habe. Den Text pur an Kinder zu
vermitteln halte ich dagegen für pädagogisch zweifelhaft bis
unverantwortlich.

>Und das zweite Problem
>ist, daß in der Kirche wirklich sehr viel Schindluder mit der
>Vergebung getrieben wurde.

Stimmt, da fällt vermutlich den meisten sofort das Klischeebild vom
beichtenden Mafiosi ein. Oder auch der Umgang von Kircheninstitutionen
mit sexuell Devianten in den eigenen Reihen.

>Obwohl genau diese Fälle in den Evangelien
>angeprangert werden, wird in der Praxis oft mehr auf Äußerlichkeiten
>gesehen, wird den Opfern gedanken- bzw. einsichtslos der moralische
>Zeigefinger präsentiert statt die Freiheit

;-)

>>Ja, ich gehe noch weiter: wie reduziert hat die
>>Gefühlswelt eines missionarischen Christen eigentlich zu sein, wenn er
>>gegenüber seinen "Schäfchen" zwischen zwei Endpunkten auf der
>>Gefühlsskala polarisieren muß?
>
>Erst mal danke für das Kompliment.

Nimms nicht allzu persönlich bitte. Mein "zu sein hat" meinte
entsprechenden Druck durch Lehre und Institutionen.

>Was die Polarisierung betrifft, das hat weniger
>mit frommer Gefühlswelt zu tun als damit, daß ich gerade in meiner
>eigenen Familie erlebe, wie Haß gehegt, gepflegt und gezüchtet wird -
>wegen verletzter Eitelkeit oder sowas in der Art. Ich steh daneben,
>Worte verhallen wirkungslos, und denke: Himmel hilf! Aber es ist die
>persönliche Einstellung, die geändert werden muß.

Wenn du die eigene Einstellung zu einer solchen Familie meinst, stimme
ich dir unbedingt zu.

Gruesse
R.S.

Holger Bruns

unread,
Mar 2, 2001, 4:12:28 PM3/2/01
to
On Fri, 02 Mar 2001 21:39:15 +0100, Regina Sickel <sic...@ibm.net>
wrote:

>Sorry, ich meinte, "gerade wenn Betroffene an sich arbeiten"
>
>>In einer solchen Lage geht es mE überhaupt nicht um Vergebung,
>>sondern um Entkommen.
>
>ACK, wobei ein Leben auf der Flucht auch nicht die Lösung ist. Das
>wäre Abhängigkeit in neuem Gewand.

Mihandelte Kinder sind für ihr Leben geschädigt, denn sie tragen die
Erinnerung in sich, der sie nicht entkommen können. Ein Beispiel aus
dem TV. In der WDR-Sendereihe Domian gab es mal einen Themenrunde zu
"bösen Müttern". Da war die Geschichte einer Frau, deren Mutter zu
Adolfs Zeiten einen SS-Mann als neuen Liebhaber fand. Das Kind aus der
Vorgängerbeziehung war im Weg. Das Nazi-Pärchen suchte nach einer
Möglichkeit, die Tochter loszuwerden. Rassenschande, ab ins KZ, das
waren ihre Alternativen. Sie konnten das selbst damals zwar nicht
umsetzen, die Tochter überlebte, aber sie war einer psychopathischen
Mutter ausgeliefert, die ihr alles mögliche an Schaden zufügte und
auch körperlich mißhandelte. Die Tochter ist heute ein gebrochener
Mensch und völlig beziehungsunfähig. Ihr einziger Wunsch, sich mit
ihrer Mutter wenigstens einmal aussprechen zu können, schlug fehl. Nun
ist die Mutter im Grab, aber die Spuren der Mißhandlung lassen sich
aus dem Leben der Tochter nicht mehr tilgen.

Vor diesem Hintergrund ist diese Vergebungspolemik des Jesus von
Nazareth mit seiner Feindesliebe schwer zu verstehen. Diese Mutter hat
es ihrer Tochter nie vergeben, durch sie auf die Welt gekommen und am
Leben geblieben zu sein. Sie wollte von ihrer Tochter auch keine
Vergebung ihrer Mißhandlungen. Warum sollte die Tochter also vergeben?
Sie könnte allenfalls versuchen, zu ergründen, warum die Mutter zu
solch einem menschlichen Monster wurde, warum ihre Moral ein derart
schreckliches Verhalten den eigenen Kindern gegenüber zuließ. Aber
verstehen heißt nicht vergeben und vergeben heißt nicht vergessen.
Alles ist an Bedingungen geknüpft, die an anderer Stelle der Bibel
stehen: Im Vaterunser. "Und vergib uns unsere Schuld, so wie auch wir
vergeben unseren Schuldigern." Also wenn sich die Schuldiger nicht um
Vergebung bemühen, ist sie nicht zu erteilen. So ist der Umkehrschluß.

>Das ist sicher eine Möglichkeit. Sich von der Opferrolle zu entbinden,
>kann aber auch heißen, Bindung(en) zu lösen, sein Leben
>zukunftsgerichtet und soweit als möglich unbeeinflußt von schadenden
>Personen zu gestalten. Dazu braucht man nicht zwangsläufig zu hassen,
>aber auch nicht verzeihen.

Haß entsteht zwangsläufig, wenn du als Erwachsene/r begreifst, was man
dir antat. Den kannst du nicht unterdrücken. Das Gefühl ist da.
Vergebung ohne echte Reue ist auch nicht möglich. Aber wie willst du
echte Reue von Menschen glauben, die dich zeitlebens angelogen und
gequält haben? Die dich in deinen Alpträumen womöglich immer noch
verprügeln und vergewaltigen? Die für deine Depressionen und deine
Selbstmordgedanken verantwortlich sind? Die dir das ganze Leben
ruiniert haben, aus nichtigen Gründen heraus? Das sind sehr ernste
Fragen, die man mit platten Bibelsprüchen wohl kaum adäquat
beantworten kann.

Meine spirituelle Antwort ist also nicht biblisch. Es kommt für jeden
Menschen letztendlich darauf an, daß man zu sich selbst findet und
eine Ethik kultiviert, die sich wenigstens am kategorischen Imperativ
orientiert: "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem
anderen zu." Man sollte sich seiner Lebensgeschichte stellen und auch
die dunklen Seiten als geschehen akzeptieren. Die Vergangenheit ist
so, wie sie ist, aber die Zukunft ist offen, und die Zukunft
mißhandelter Kinder sollte niemals ihren Peinigern gehören.

>Haß oder besser Wut kann sicher zur Trennung verhelfen. Danach würde
>man sich allerdings mit fortgesetzten Haßgefühlen weiterhin an das
>Haßobjekt binden.

Haß ist da oder nicht. Ich würde meinen Haß stets akzeptieren und im
Zweifelsfall offen ausleben, aber keinesfalls unterdrücken oder als
schlecht bekämpfen. Man _muß_ zu seinen Gefühlen stehen, grade in
solchen Situationen, denn sonst wird man niemals von den Schatten der
Vergangenheit frei sein. Auch das ist nicht christlich. Aber ich weiß
lieber, daß ich hasse und auch, warum, bevor ich mir einrede, ich
würde gar nicht hassen und würde an dieser Selbstbelügung krank
werden.

Holger

Christian Günther

unread,
Mar 2, 2001, 5:08:36 PM3/2/01
to
Hallo Regina ,

[...]


>>>>Seligpreisungen ('Selig seid ihr, die ihr weint...').
>>>
>>>... im Rahmen der katholischen Kirche, vermute ich.
>>
>>Nein, im Rahmen der Terminologie der Bergpredigt, bei der es ja ganz
>>zentral um Vergebung geht.
>
>Gehört dazu auch das hier?
>
>"Von der Vergeltung:
>Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Auge für Auge und
>Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses
>antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange
>schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor
>Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann laß ihm auch
>den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu
>gehen, dann geh zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib, und wer von
>dir borgen will, den weise nicht ab."
>
>Von der Liebe zu den Feinden:
>Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten
>lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde
>und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im
>Himmel werdet..."

Auffälligerweise steht da nirgendwo was von Vergeben. Hier geht es um
das Perfektsein bzw das Sammeln glühender Kohlen auf das Haupt des
Gegners.
Ich bereite gerade eine Auslegung der Bergpredigt für das Usenet vor.
Es wird eine recht umfangreiche Angelegenheit, 10 Postings vielleicht.
Ich wollte sie nach dst posten, denn man muß gelegentlich Bibelstellen
nachschlagen. Wenn ich es auch nach dswc stelle, wärst zB Du rein
theoretisch interessiert?

>Btw: ich will gar kein Sohn werden ;)

:-)

>Übrigens ist mir die Passage "Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie
>säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen;
>euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als
>sie?" aktuell aufgefallen, da mir allein schon der Trailer zur Sendung
>
>heute abend in der ARD, IIRC 22 Uhr, "Das Haus der Hühner"
>
>den Magen umgedreht hat. "Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?"
>bezweifle ich, wenn ich sehe, wozu Mensch fähig ist.

Wahrscheinlich verstanden die Zeitgenossen Jesu noch was von
ökologischer Landwirtschaft.

[Sexueller Mißbrauch]
[...]


>>In einer solchen Lage geht es mE überhaupt nicht um Vergebung,
>>sondern um Entkommen.
>
>ACK, wobei ein Leben auf der Flucht auch nicht die Lösung ist. Das
>wäre Abhängigkeit in neuem Gewand.

Klar. Abstand ist aber notwendig.

>>Warum sollte man
>>>denn an seiner Vergebungsbereitschaft arbeiten?
>>
>>Um seiner selbst willen.
>>Solche Verstrickungen setzen sich ja manchmal über Generationen hinweg
>>fort. Wenn ich jemandem anderen wirklich vergeben kann, dann entbinde ich
>>mich selber meiner bisherigen Opferrolle. Das kann mich befreien.
>
>Das ist sicher eine Möglichkeit. Sich von der Opferrolle zu entbinden,
>kann aber auch heißen, Bindung(en) zu lösen, sein Leben
>zukunftsgerichtet und soweit als möglich unbeeinflußt von schadenden
>Personen zu gestalten. Dazu braucht man nicht zwangsläufig zu hassen,
>aber auch nicht verzeihen.

Sofern man so etwas nicht komplett vergessen kann, vermute ich hinter
der von Dir geschilderten wiederhergestellten Außenseite
unterschiedliche Haltungen:
Latente Furcht / Kalter Haß: Ich fühle mich frei von all den
Verstrickungen der Vergangenheit, aber wenn er/sie mir nochmal
begegnen sollte, werde ich ein Gespräch nicht zulassen.
Latente Vergebungsbereitschaft: Ich kann mir vorstellen, daß einer
Begegnung von meiner Seite her ein Gespräch möglich ist. (Siehe Rolfs
Posting)

>>>Und was macht Euch so
>>>sicher, daß (und wenn ja, warum) es zwischen Vergebung und Haß nichts
>>>weiter gibt?
>>
>>Oh, da gibt es eine ganze Menge Zwischentöne, die meistens auf
>>weiterbestehende Abhängigkeiten zurückzuführen sind.
>
>Manchmal, manchmal aber auch nicht. Zum Beispiel dann nicht, wenn der
>ehemals Schädigende einfach nicht mehr wichtig ist, wenn sich
>irgendwann eine ruhige Klarheit und unaufgeregte Nüchternheit
>breitmacht.
>
>>Da ist mir
>>ehrlich gesagt ein sauberer Haß lieber, wenn er dazu führt, daß ich
>>mich aus so einer Abhängigkeit definitiv lösen kann.
>
>Haß oder besser Wut kann sicher zur Trennung verhelfen. Danach würde
>man sich allerdings mit fortgesetzten Haßgefühlen weiterhin an das
>Haßobjekt binden.

Klar. Und dann gibt es noch eine Form von Haß, die einen noch tiefer
in so eine Abhängigkeit verstrickt.

>>>Besitzt die Bibel und/oder Kirche frei nach dem
>>>entweder-oder-Prinzip die Definitionsmacht darüber, was Betroffen zu
>>>fühlen haben?
>>
>>Keineswegs. Aber man kann der Bibel einige sehr nützliche
>>Verhaltensmuster entnehmen, gerade in solchen Situationen.
>>Das Problem dabei ist, daß man neben diesem Buch noch ein paar
>>Menschen braucht, die einen voll unterstützen.
>
>Dem stimme ich allerdings voll zu, nachdem ich mir einen Teil der
>Bergpredigt noch mal angesehen habe. Den Text pur an Kinder zu
>vermitteln halte ich dagegen für pädagogisch zweifelhaft bis
>unverantwortlich.

Für vieles aus der Bergpredigt fehlt uns der Kontext. Wir sind halt
keine Judenchristen.
Die Bergpredigt an Kinder zu vermitteln ist eine außerordentlich
schwere Aufgabe. Dieses Jahr habe ich es in der Schule auszugsweise
versucht (mit Hilfe einer Briefwaage). Ich denke, es hat einigermaßen
geklappt.

>>Und das zweite Problem
>>ist, daß in der Kirche wirklich sehr viel Schindluder mit der
>>Vergebung getrieben wurde.
>
>Stimmt, da fällt vermutlich den meisten sofort das Klischeebild vom
>beichtenden Mafiosi ein. Oder auch der Umgang von Kircheninstitutionen
>mit sexuell Devianten in den eigenen Reihen.

Tja, da gibts eine ganze Reihe von moralisierenden
Schwarze-Peter-Spielchen.

[...]


>>>Ja, ich gehe noch weiter: wie reduziert hat die
>>>Gefühlswelt eines missionarischen Christen eigentlich zu sein, wenn er
>>>gegenüber seinen "Schäfchen" zwischen zwei Endpunkten auf der
>>>Gefühlsskala polarisieren muß?
>>
>>Erst mal danke für das Kompliment.
>
>Nimms nicht allzu persönlich bitte. Mein "zu sein hat" meinte
>entsprechenden Druck durch Lehre und Institutionen.
>
>>Was die Polarisierung betrifft, das hat weniger
>>mit frommer Gefühlswelt zu tun als damit, daß ich gerade in meiner
>>eigenen Familie erlebe, wie Haß gehegt, gepflegt und gezüchtet wird -
>>wegen verletzter Eitelkeit oder sowas in der Art. Ich steh daneben,
>>Worte verhallen wirkungslos, und denke: Himmel hilf! Aber es ist die
>>persönliche Einstellung, die geändert werden muß.
>
>Wenn du die eigene Einstellung zu einer solchen Familie meinst, stimme
>ich dir unbedingt zu.

Ach, ich bin gar nicht persönlich betroffen. Aber zu nah dran, um als
unparteiisch angesehen zu werden.

Gruß
Christian

Christian Günther

unread,
Mar 2, 2001, 6:10:40 PM3/2/01
to
Hallo Holger,

>Aber
>verstehen heißt nicht vergeben und vergeben heißt nicht vergessen.
>Alles ist an Bedingungen geknüpft, die an anderer Stelle der Bibel
>stehen: Im Vaterunser. "Und vergib uns unsere Schuld, so wie auch wir
>vergeben unseren Schuldigern." Also wenn sich die Schuldiger nicht um
>Vergebung bemühen, ist sie nicht zu erteilen. So ist der Umkehrschluß.

Völlig richtig. Aber darin bestand, AIC, ohnehin Konsens.


>Haß entsteht zwangsläufig, wenn du als Erwachsene/r begreifst, was man
>dir antat. Den kannst du nicht unterdrücken. Das Gefühl ist da.
>Vergebung ohne echte Reue ist auch nicht möglich. Aber wie willst du
>echte Reue von Menschen glauben, die dich zeitlebens angelogen und
>gequält haben? Die dich in deinen Alpträumen womöglich immer noch
>verprügeln und vergewaltigen? Die für deine Depressionen und deine
>Selbstmordgedanken verantwortlich sind? Die dir das ganze Leben
>ruiniert haben, aus nichtigen Gründen heraus? Das sind sehr ernste
>Fragen, die man mit platten Bibelsprüchen wohl kaum adäquat
>beantworten kann.

Naja, aus dem, was in den Evangelien zu lesen ist, kann ich folgern,
daß Vergebung von keinem (ehemaligen) Schuldiger eingefordert werden
kann, und daß in der von Dir geschilderten Situation keine Möglichkeit
zur Vergebung besteht.

> Man _muß_ zu seinen Gefühlen stehen, grade in
>solchen Situationen, denn sonst wird man niemals von den Schatten der
>Vergangenheit frei sein. Auch das ist nicht christlich.

Doch, durchaus - was nicht bedeutet, daß man den Gefühlen freien Lauf
läßt und anfängt, Amok zu laufen.
Ich vermute, Du spielst auf das Gebot der Feindesliebe an. Dies ist
nach Jesus verbindlich für die, die aus den Werken des Gesetzes heraus
gerecht sein wollen, für die, die von sich sagen wollen, sie seien
wirklich *gut*. Aber selbst Jesus verwahrt sich dagegen, daß er gut
ist.
Für alle übrigen gilt: Sei authentisch (denn Gott sieht ins Herz),
mach Dich frei von der Situation und arbeite dann an Deiner
Versöhnungsbereitschaft.

Gruß
Christian

Rolf Karstaedt

unread,
Mar 2, 2001, 6:28:53 PM3/2/01
to

Holger Bruns schrieb :

>Warum sollte die Tochter also vergeben?
Vieleicht um Ihrer selbst wilen, denn fortwährend genährter haß und
unvergebung vergiftet nicht das Leben des anderen, sondern mein eigenes.
Oftmals leidet der Täter gar nicht unter seiner tat sondern nur das Opfer,
und es leidet umso länger, wie Haß und Wut auf den Täter geschürt wird.
Ich bin selbst von meinem Vater mißhandelt und mißbraucht worden und später
im alter von 8 Jahren auch homosexuell von anderen Mißbraucht worden.
Jahrzehntelang war mein Leben vergiftet durch haß, weil ich nicht bereit war
zu vergeben. Ein großteil der Männer ist Tot und kann mich nicht mehr um
vergebung bitten, das ist aber nicht das ausschlaggebende, sondern die
Verbegung tut mir und meiner Seele zunächst einmla wohl.

> Alles ist an Bedingungen geknüpft, die an anderer Stelle der Bibel
> stehen: Im Vaterunser. "Und vergib uns unsere Schuld, so wie auch wir
> vergeben unseren Schuldigern." Also wenn sich die Schuldiger nicht um
> Vergebung bemühen, ist sie nicht zu erteilen. So ist der Umkehrschluß.

Jesus geht hier nicht von einer ausgesprochenen Bitte um vergebung aus,
sondern von einer von der Bitte unabhängig erteilten vergebung (So zumindest
der Kontext). Hier geht es vordergründig auch nicht um die zu erteilende
Vergebung für eine anderen sondern um zu erlangende vergebung für die
eigenen "Schulden" die mann sich auflädt (Oder machst Du immer alles richtig
und verletzt nie jemand?). Jesus setzt hier auch nicht den anderen und sein
handeln als maßstab, sondern die betende Person selbst. Es geht eben nicht
um den anderen sondern um das was mit mir passiert. Das ich vergebung
ausspreche und leben wenn ich selbst vergebung erlangen will ist doch
logisch oder (Siehe acuh das Gleichnis in Matthäus 18,21 - 35)

Mit freundlichen grüßen

Rolf Karstaedt


Holger Bruns

unread,
Mar 3, 2001, 5:35:34 AM3/3/01
to
On Sat, 3 Mar 2001 00:28:53 +0100, "Rolf Karstaedt"
<Gospe...@t-online.de> wrote:

>Ein großteil der Männer ist Tot und kann mich nicht mehr um
>vergebung bitten, das ist aber nicht das ausschlaggebende, sondern die
>Verbegung tut mir und meiner Seele zunächst einmla wohl.

Das heißt, du möchtest sie im Jenseits wiedersehen und dich ihnen
gegenüber so verhalten, als seiest du nie mißhandelt worden? Kann ich
mir kaum vorstellen. Wenn du mit Vergebung den eigenen inneren
Abschluß mit diesem Teil deines Lebens meinst, dann ist es für mich
nachvollziehbar, aber davon unabhängig kannst du deine persönlichen
Entscheidungen nicht für alle anderen Menschen verallgemeinern.

Den Rest deines Postings werde ich mir noch mal in Ruhe durchlesen und
vielleicht noch was dazu schreiben.

Holger

Regina Sickel

unread,
Mar 3, 2001, 6:24:19 AM3/3/01
to
On Fri, 02 Mar 2001 21:12:28 GMT,hbr...@gmx.de (Holger Bruns) wrote:

Hallo Holger,

>>>In einer solchen Lage geht es mE überhaupt nicht um Vergebung,
>>>sondern um Entkommen.
>>
>>ACK, wobei ein Leben auf der Flucht auch nicht die Lösung ist. Das
>>wäre Abhängigkeit in neuem Gewand.
>
>Mihandelte Kinder sind für ihr Leben geschädigt, denn sie tragen die
>Erinnerung in sich, der sie nicht entkommen können.

Wenn ich Christian richtig verstanden habe, ging es oben darum, nach
all dem ohnehin schon Vorgefallenen "den/dem Schädiger/n zu entkommen"
im Sinne von Schadensbegrenzung.

[Emotionale und körperliche Mißhandlung durch psychopathische Mutter]


>Vor diesem Hintergrund ist diese Vergebungspolemik des Jesus von
>Nazareth mit seiner Feindesliebe schwer zu verstehen. Diese Mutter hat
>es ihrer Tochter nie vergeben, durch sie auf die Welt gekommen und am
>Leben geblieben zu sein. Sie wollte von ihrer Tochter auch keine
>Vergebung ihrer Mißhandlungen. Warum sollte die Tochter also vergeben?

Ich denke, zumindest zwischen dir, Christian und mir besteht bei allen
Meinungsunterschieden im Detail inzwischen aber doch Konsens darüber,
daß niemand mit einer solchen Geschichte zu Vergebung genötigt werden
kann und sollte.

>Sie könnte allenfalls versuchen, zu ergründen, warum die Mutter zu
>solch einem menschlichen Monster wurde, warum ihre Moral ein derart
>schreckliches Verhalten den eigenen Kindern gegenüber zuließ. Aber
>verstehen heißt nicht vergeben und vergeben heißt nicht vergessen.

Mit Ausnahme des "allenfalls" (therapeutische Möglichkeiten?!) stimme
ich dir zu.

>>Das ist sicher eine Möglichkeit. Sich von der Opferrolle zu entbinden,
>>kann aber auch heißen, Bindung(en) zu lösen, sein Leben
>>zukunftsgerichtet und soweit als möglich unbeeinflußt von schadenden
>>Personen zu gestalten. Dazu braucht man nicht zwangsläufig zu hassen,
>>aber auch nicht verzeihen.
>
>Haß entsteht zwangsläufig, wenn du als Erwachsene/r begreifst, was man
>dir antat.

Ich bin mir aufgrund meines "nicht zwangsläufig" (in beide Richtungen
gemeint) nicht sicher, worauf du hinauswillst. Meinst du damit, daß es
dir so gegangen ist und das für dich in Ordnung ist, oder daß du es
für unvorstellbar oder für eine Fehlentwicklung hältst, falls andere
Betroffene mit anderer Biografie eigene, sich von Haß deutlich
unterscheidende Gefühle haben sollten?

>Meine spirituelle Antwort ist also nicht biblisch. Es kommt für jeden
>Menschen letztendlich darauf an, daß man zu sich selbst findet und
>eine Ethik kultiviert, die sich wenigstens am kategorischen Imperativ
>orientiert: "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem
>anderen zu." Man sollte sich seiner Lebensgeschichte stellen und auch
>die dunklen Seiten als geschehen akzeptieren. Die Vergangenheit ist
>so, wie sie ist, aber die Zukunft ist offen, und die Zukunft
>mißhandelter Kinder sollte niemals ihren Peinigern gehören.

ACK

>>Haß oder besser Wut kann sicher zur Trennung verhelfen. Danach würde
>>man sich allerdings mit fortgesetzten Haßgefühlen weiterhin an das
>>Haßobjekt binden.
>
>Haß ist da oder nicht.

Gemeint war: Ich kann und will ihn dir nicht wegreden. Wenn ich
erwähne, daß Haß bindet, dann, weil ich dir wie oben schon erwähnt
zustimme: "die Zukunft mißhandelter Kinder sollte niemals ihren
Peinigern gehören.

>Ich würde meinen Haß stets akzeptieren und im
>Zweifelsfall offen ausleben

Was meinst du mit "offen ausleben" vor dem Hintergrund der oben
erwähnten Ethik?

Gruss
R.S.

Holger Bruns

unread,
Mar 3, 2001, 6:58:58 AM3/3/01
to
On Sat, 03 Mar 2001 12:24:19 +0100, Regina Sickel <sic...@ibm.net>
wrote:

>Meinst du damit, daß es


>dir so gegangen ist und das für dich in Ordnung ist, oder daß du es
>für unvorstellbar oder für eine Fehlentwicklung hältst, falls andere
>Betroffene mit anderer Biografie eigene, sich von Haß deutlich
>unterscheidende Gefühle haben sollten?

Zuallererst meine ich, daß ich meine persönlichen Geschichten aus dem
Usenet heraushalten möchte, um nicht völlig zum gläsernen Menschen zu
werden. Wenn ich mir mal ansehe, was ich in der Vergangenheit alles
schrieb, dann wird mir etwas blümerant zumute. Ich trete meinen
eigenen Datenschutz mit Füßen, Deja sei Dank. Man muß heute sehr
aufpassen, was man den Profilsammlern und Marketingleuten über sich
für alle Zeiten festgehalten mitteilen will.

>>Ich würde meinen Haß stets akzeptieren und im
>>Zweifelsfall offen ausleben
>
>Was meinst du mit "offen ausleben" vor dem Hintergrund der oben
>erwähnten Ethik?

Ich denke, die Antwort ist dir klar, zumal ich von dir weggeschnitten
schrieb:

"Aber ich weiß lieber, daß ich hasse und auch, warum, bevor ich mir
einrede, ich würde gar nicht hassen und würde an dieser Selbstbelügung
krank werden."

Ich schrieb das wirklich mit Grund, und damit ist doch alles gesagt?

Holger

Regina Sickel

unread,
Mar 3, 2001, 8:09:45 AM3/3/01
to
On Fri, 02 Mar 2001 22:08:36 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

Hallo Christian,

>>>Nein, im Rahmen der Terminologie der Bergpredigt, bei der es ja ganz


>>>zentral um Vergebung geht.
>>
>>Gehört dazu auch das hier?
>>
>>"Von der Vergeltung:
>>Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Auge für Auge und
>>Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses
>>antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange
>>schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor
>>Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann laß ihm auch
>>den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu
>>gehen, dann geh zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib, und wer von
>>dir borgen will, den weise nicht ab."
>>
>>Von der Liebe zu den Feinden:
>>Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten
>>lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde
>>und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im
>>Himmel werdet..."
>
>Auffälligerweise steht da nirgendwo was von Vergeben. Hier geht es um
>das Perfektsein

Interessant dein Hinweis, denn ich hatte aus meiner vorherigen
Antworten vorerst den Hinweis auf die mögliche Weichenstellung zu
Perfektionswahn (s.a. Depression und Perfektionswahn), die ich da
sehe, wieder gelöscht.

>bzw das Sammeln glühender Kohlen auf das Haupt des Gegners.

Meinst du damit die potentiell mögliche subtile, unterschwellige
Wirkung?

>Ich bereite gerade eine Auslegung der Bergpredigt für das Usenet vor.
>Es wird eine recht umfangreiche Angelegenheit, 10 Postings vielleicht.
>Ich wollte sie nach dst posten, denn man muß gelegentlich Bibelstellen
>nachschlagen. Wenn ich es auch nach dswc stelle, wärst zB Du rein
>theoretisch interessiert?

Ja gerne, u.a. weil pädagogisch tätige Christen einen nicht
unerheblichen Einfluß auf meine Biografie hatten und mir bisher Zeit
und Gelegenheit fehlte, als Erwachsene mithilfe einer Hintergründe
vermittelnden Auslegung abzugleichen, was mir als Kind vermittelt
wurde.

["Das Haus der Hühner"]


>Wahrscheinlich verstanden die Zeitgenossen Jesu noch was von
>ökologischer Landwirtschaft.

;-)

[Familiäre Be-/Verhinderung von Ablösung/Aufarbeitung]


>[...]
>>>In einer solchen Lage geht es mE überhaupt nicht um Vergebung,
>>>sondern um Entkommen.
>>
>>ACK, wobei ein Leben auf der Flucht auch nicht die Lösung ist. Das
>>wäre Abhängigkeit in neuem Gewand.
>
>Klar. Abstand ist aber notwendig.

Ja, wenn du aber nicht dauern umziehen kannst und willst, wie willst
du das Problem lösen, wenn du um deiner selbst willen nach Eurer
Theorie entweder jedesmal weinen müßtest oder hassen? Beides ist für
mich eine Fixierung auf den/die Täter. Wiewohl ich eine Phase des
Weinens für unbestritten gesünder halte als Haß. Das kann aber kein
Dauerzustand werden, womit sich vielleicht jetzt erklärt was ich meine
mit:

>Sich von der Opferrolle zu entbinden,
>>kann aber auch heißen, Bindung(en) zu lösen, sein Leben
>>zukunftsgerichtet und soweit als möglich unbeeinflußt von schadenden
>>Personen zu gestalten. Dazu braucht man nicht zwangsläufig zu hassen,
>>aber auch nicht verzeihen.
>
>Sofern man so etwas nicht komplett vergessen kann,

Wie stellst du dir ein solches "vergessen können" vor bei einem durch
Lernen geprägten Menschen?

>vermute ich hinter der von Dir geschilderten wiederhergestellten
>Außenseite unterschiedliche Haltungen:

Siehe oben, die von mir vermeintlich wieder hergestellte "Außenseite"
heißt in deinen Worten "Abstand ist aber notwendig". Mein Punkt ist:
wer tatsächlich völlig frei von äußerem Erwartungsdruck von Herzen
verzeihen kann, kann aus meiner Sicht nicht gleichzeitig Abstand
halten wollen.

[Polarisierung zwischen Liebe/Vergebung und Haß]

>>>Oh, da gibt es eine ganze Menge Zwischentöne, die meistens auf
>>>weiterbestehende Abhängigkeiten zurückzuführen sind.
>>
>>Manchmal, manchmal aber auch nicht. Zum Beispiel dann nicht, wenn der
>>ehemals Schädigende einfach nicht mehr wichtig ist, wenn sich
>>irgendwann eine ruhige Klarheit und unaufgeregte Nüchternheit
>>breitmacht.
>>
>>>Da ist mir
>>>ehrlich gesagt ein sauberer Haß lieber, wenn er dazu führt, daß ich
>>>mich aus so einer Abhängigkeit definitiv lösen kann.
>>
>>Haß oder besser Wut kann sicher zur Trennung verhelfen. Danach würde
>>man sich allerdings mit fortgesetzten Haßgefühlen weiterhin an das
>>Haßobjekt binden.
>
>Klar. Und dann gibt es noch eine Form von Haß, die einen noch tiefer
>in so eine Abhängigkeit verstrickt.

<seufz> Kann es sein, daß dir eine fortgesetzte Polarisierung aus
irgendeinem Grund wichtig ist, den ich nicht kenne und deshalb nicht
nachvollziehen kann?

[Wirkung nicht selbsterklärender bibl. Verhaltensmuster]

>>
>Für vieles aus der Bergpredigt fehlt uns der Kontext. Wir sind halt
>keine Judenchristen.
>Die Bergpredigt an Kinder zu vermitteln ist eine außerordentlich
>schwere Aufgabe. Dieses Jahr habe ich es in der Schule auszugsweise
>versucht (mit Hilfe einer Briefwaage). Ich denke, es hat einigermaßen
>geklappt.

Ich wünsche es dir und deinen Schülern und der Institution Kirche die
Einsicht, daß erheblicher pädagogischer Schaden angerichtet werden
kann, wenn diese wie du schreibst außerordentlich schwere Aufgabe
schon aus Zeitmangel leicht mißlingen kann.

Gruss
R.S.

Regina Sickel

unread,
Mar 3, 2001, 8:19:34 AM3/3/01
to
On Sat, 03 Mar 2001 11:58:58 GMT,hbr...@gmx.de (Holger Bruns) wrote:

>On Sat, 03 Mar 2001 12:24:19 +0100, Regina Sickel <sic...@ibm.net>
>wrote:

>>>Haß entsteht zwangsläufig, wenn du als Erwachsene/r begreifst, was man
>>>dir antat.
>>

>>Meinst du damit, daß es
>>dir so gegangen ist und das für dich in Ordnung ist, oder daß du es
>>für unvorstellbar oder für eine Fehlentwicklung hältst, falls andere
>>Betroffene mit anderer Biografie eigene, sich von Haß deutlich
>>unterscheidende Gefühle haben sollten?
>
>Zuallererst meine ich, daß ich meine persönlichen Geschichten aus dem
>Usenet heraushalten möchte, um nicht völlig zum gläsernen Menschen zu
>werden. Wenn ich mir mal ansehe, was ich in der Vergangenheit alles
>schrieb, dann wird mir etwas blümerant zumute. Ich trete meinen
>eigenen Datenschutz mit Füßen, Deja sei Dank. Man muß heute sehr
>aufpassen, was man den Profilsammlern und Marketingleuten über sich
>für alle Zeiten festgehalten mitteilen will.

Das ist für mich kein Problem, da tust du gut dran. Meine Frage betraf
deine auf mich sehr rigide wirkende Pauschalisierung, gegen die du
dich zu Recht selbst verwahrst.

>>>Ich würde meinen Haß stets akzeptieren und im
>>>Zweifelsfall offen ausleben
>>
>>Was meinst du mit "offen ausleben" vor dem Hintergrund der oben
>>erwähnten Ethik?
>
>Ich denke, die Antwort ist dir klar

Leider nicht, ich respektiere aber, daß du meine Nachfrage nicht
wünschst.

> zumal ich von dir weggeschnitten schrieb:
>
>"Aber ich weiß lieber, daß ich hasse und auch, warum, bevor ich mir
>einrede, ich würde gar nicht hassen und würde an dieser Selbstbelügung
>krank werden."
>
>Ich schrieb das wirklich mit Grund, und damit ist doch alles gesagt?

Ich bezweifle nicht, daß du einen Grund hast. Belassen wir es dabei.

Gruss
R.S.

Holger Bruns

unread,
Mar 3, 2001, 8:21:19 AM3/3/01
to
On Sat, 03 Mar 2001 14:09:45 +0100, Regina Sickel <sic...@ibm.net>
wrote:

>>Die Bergpredigt an Kinder zu vermitteln ist eine außerordentlich


>>schwere Aufgabe. Dieses Jahr habe ich es in der Schule auszugsweise
>>versucht (mit Hilfe einer Briefwaage). Ich denke, es hat einigermaßen
>>geklappt.
>
>Ich wünsche es dir und deinen Schülern und der Institution Kirche die
>Einsicht, daß erheblicher pädagogischer Schaden angerichtet werden
>kann, wenn diese wie du schreibst außerordentlich schwere Aufgabe
>schon aus Zeitmangel leicht mißlingen kann.

Ich halte den Text der Bergpredigt für schwer verständlich, wenn man
nicht in der Lage ist, den Kontext herzustellen, aus dem diese Predigt
stammt. Das Dilemma des Christen besteht darin, daß er niemals
wirklich unbefangen über essentielle Aussagen seiner Religion sprechen
kann. Für mich ist daher die Toleranz wichtig: Man muß sagen können,
daß es sich bei der Bergpredigt um ethische Maximalforderungen
handelte, und man muß beschreiben, wie jemand auf solche Forderungen
kommen kann. Ein Stück Verzweiflung gehört IMHO schon dazu, aber man
kann heutigen Menschen diese Verzweiflung der Palästinenser unter der
römischen Besatzung nicht abverlangen. Oder kurz: Ein Christ muß
sagen: "Die Bergpredigt mußt du glauben." Ein Nichtchrist kann sagen:
"An die Bergpredigt haben Menschen geglaubt, laßt uns mal sehen, warum
eigentlich?" Ich entdecke grade meine prinzipiellen Schwierigkeiten
mit religiöser Erziehung in Schulen und Kindergärten...

Holger

Holger Bruns

unread,
Mar 3, 2001, 8:29:21 AM3/3/01
to
On Sat, 03 Mar 2001 14:19:34 +0100, Regina Sickel <sic...@ibm.net>
wrote:

>>>Was meinst du mit "offen ausleben" vor dem Hintergrund der oben


>>>erwähnten Ethik?
>>
>>Ich denke, die Antwort ist dir klar
>
>Leider nicht, ich respektiere aber, daß du meine Nachfrage nicht
>wünschst.

Mit "offen ausleben" meine ich: Zuallererst nicht verstecken, sondern
sich vor allem vor sich selbst dazu bekennen. Ich fordere nicht, daß
es zu Mord und Totschlag kommt, aber selbst da hätte ich ein gewisses
Verständnis, welches aber von den konkreten Umständen abhängt.

>> zumal ich von dir weggeschnitten schrieb:
>>
>>"Aber ich weiß lieber, daß ich hasse und auch, warum, bevor ich mir
>>einrede, ich würde gar nicht hassen und würde an dieser Selbstbelügung
>>krank werden."
>>
>>Ich schrieb das wirklich mit Grund, und damit ist doch alles gesagt?
>
>Ich bezweifle nicht, daß du einen Grund hast. Belassen wir es dabei.

Es macht einen Menschen krank, wenn er sich unter Verdrängung
traumatisierender Erlebnisse einredet, eigentlich hätte er alles
vergeben und würde jetzt gar nicht mehr hassen. Ehrlichkeit gegenüber
den eigenen Gefühlen halte ich für wichtiger als konkrete Aktionen.
Ich kann ja jemanden hassen, ohne diesen Menschen zu verfolgen, ohne
ihn umbringen zu wollen, ohne ihm Schaden zufügen zu wollen. Aber aus
dem Weg kann ich ihm gehen, um zu verhindern, daß dieser Mensch noch
einmal Einfluß auf mein Leben gewinnt. Und ja, ich sage dies vor dem
Hintergrund meiner eigenen Geschichte.

Holger

Christian Günther

unread,
Mar 3, 2001, 9:04:10 AM3/3/01
to
Hallo Regina,

[Antithesen der Bergpredigt]


>>Auffälligerweise steht da nirgendwo was von Vergeben. Hier geht es um
>>das Perfektsein
>
>Interessant dein Hinweis, denn ich hatte aus meiner vorherigen
>Antworten vorerst den Hinweis auf die mögliche Weichenstellung zu
>Perfektionswahn (s.a. Depression und Perfektionswahn), die ich da
>sehe, wieder gelöscht.

'Take it easy' würde Jesus AFAIK darauf antworten.
Mehr dazu in der entsprechenden Stelle der Bergpredigtauslegung. (Hm,
"Depression und Perfektionswahn": gute Ausdrücke, die dort einen
Ehrenplatz verdienen!)

>[Familiäre Be-/Verhinderung von Ablösung/Aufarbeitung]
>>[...]
>>>>In einer solchen Lage geht es mE überhaupt nicht um Vergebung,
>>>>sondern um Entkommen.
>>>
>>>ACK, wobei ein Leben auf der Flucht auch nicht die Lösung ist. Das
>>>wäre Abhängigkeit in neuem Gewand.
>>
>>Klar. Abstand ist aber notwendig.
>
>Ja, wenn du aber nicht dauern umziehen kannst und willst, wie willst
>du das Problem lösen, wenn du um deiner selbst willen nach Eurer
>Theorie entweder jedesmal weinen müßtest oder hassen? Beides ist für
>mich eine Fixierung auf den/die Täter.

Mea culpa, so steil war's gar nicht gemeint.

> Wiewohl ich eine Phase des
>Weinens für unbestritten gesünder halte als Haß. Das kann aber kein
>Dauerzustand werden, womit sich vielleicht jetzt erklärt was ich meine
>mit:
>
>>Sich von der Opferrolle zu entbinden,
>>>kann aber auch heißen, Bindung(en) zu lösen, sein Leben
>>>zukunftsgerichtet und soweit als möglich unbeeinflußt von schadenden
>>>Personen zu gestalten. Dazu braucht man nicht zwangsläufig zu hassen,
>>>aber auch nicht verzeihen.

Ich mißbillige es weder aus ideologischen noch sonstigen Gründen, wenn
es gelingt, so eine Tür hinter sich zu schließen. Ganz im Gegenteil.
Aber nach meiner Erfahrung kommt in vielen Fällen irgendwann so ein
Kamel und frißt das ganze drübergewachsene Gras wieder auf.

>>Sofern man so etwas nicht komplett vergessen kann,
>
>Wie stellst du dir ein solches "vergessen können" vor bei einem durch
>Lernen geprägten Menschen?

Lernen zu verlernen?

>>vermute ich hinter der von Dir geschilderten wiederhergestellten
>>Außenseite unterschiedliche Haltungen:
>
>Siehe oben, die von mir vermeintlich wieder hergestellte "Außenseite"
>heißt in deinen Worten "Abstand ist aber notwendig". Mein Punkt ist:
>wer tatsächlich völlig frei von äußerem Erwartungsdruck von Herzen
>verzeihen kann, kann aus meiner Sicht nicht gleichzeitig Abstand
>halten wollen.

Warum?

>[Polarisierung zwischen Liebe/Vergebung und Haß]

>>Klar. Und dann gibt es noch eine Form von Haß, die einen noch tiefer
>>in so eine Abhängigkeit verstrickt.
>
><seufz> Kann es sein, daß dir eine fortgesetzte Polarisierung aus
>irgendeinem Grund wichtig ist, den ich nicht kenne und deshalb nicht
>nachvollziehen kann?

Neinnein, ich wollte das nur der Vollständigkeit halber ergänzen. Du
gehst selber weit genauer darauf in Deinem Posting an Holger ein.

>[Wirkung nicht selbsterklärender bibl. Verhaltensmuster]
>>>
>>Für vieles aus der Bergpredigt fehlt uns der Kontext. Wir sind halt
>>keine Judenchristen.
>>Die Bergpredigt an Kinder zu vermitteln ist eine außerordentlich
>>schwere Aufgabe. Dieses Jahr habe ich es in der Schule auszugsweise
>>versucht (mit Hilfe einer Briefwaage). Ich denke, es hat einigermaßen
>>geklappt.
>
>Ich wünsche es dir und deinen Schülern und der Institution Kirche die
>Einsicht, daß erheblicher pädagogischer Schaden angerichtet werden
>kann, wenn diese wie du schreibst außerordentlich schwere Aufgabe
>schon aus Zeitmangel leicht mißlingen kann.

Kinder sind da relativ unkompliziert. Sie erleben selber eine Menge
Situationen von Schuldigwerden und Vergeben/Nichtvergeben an der
Schule oder im Freundeskreis.
Ich glaube, einigen von ihnen war die Bergpredigt-Geschichte eine
echte Hilfe und eine Befreiung von moralischer Pression.

Gruß
Christian

Regina Sickel

unread,
Mar 5, 2001, 4:54:38 PM3/5/01
to
On Sat, 03 Mar 2001 14:04:10 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

Hallo Christian,

>>>Sich von der Opferrolle zu entbinden,


>>>>kann aber auch heißen, Bindung(en) zu lösen, sein Leben
>>>>zukunftsgerichtet und soweit als möglich unbeeinflußt von schadenden
>>>>Personen zu gestalten. Dazu braucht man nicht zwangsläufig zu hassen,
>>>>aber auch nicht verzeihen.
>
>Ich mißbillige es weder aus ideologischen noch sonstigen Gründen, wenn
>es gelingt, so eine Tür hinter sich zu schließen. Ganz im Gegenteil.
>Aber nach meiner Erfahrung kommt in vielen Fällen irgendwann so ein
>Kamel und frißt das ganze drübergewachsene Gras wieder auf.
>
>>>Sofern man so etwas nicht komplett vergessen kann,
>>
>>Wie stellst du dir ein solches "vergessen können" vor bei einem durch
>>Lernen geprägten Menschen?
>
>Lernen zu verlernen?

Dürfte dein Kamel freuen. Oder den Fuchs, weil das blinde Huhn
vergessen hat, auf wessen Speiseplan es steht.

Btw: Man munkelt, selbst der Papst habe seinen Frieden mit Darwin
geschlossen.

>>wer tatsächlich völlig frei von äußerem Erwartungsdruck von Herzen
>>verzeihen kann, kann aus meiner Sicht nicht gleichzeitig Abstand
>>halten wollen.
>
>Warum?

Aus dem selben Grund, warum es dir Probleme bereiten dürfte, deine
Arme vorbehaltlos für einen Mitmenschen zu öffnen, während du sie
gleichzeitig schützend vor deinen Leib halten mußt.

Gruss
R.S.

Christian Günther

unread,
Mar 5, 2001, 5:10:23 PM3/5/01
to
Hallo Regina;

>>Ich mißbillige es weder aus ideologischen noch sonstigen Gründen, wenn
>>es gelingt, so eine Tür hinter sich zu schließen. Ganz im Gegenteil.
>>Aber nach meiner Erfahrung kommt in vielen Fällen irgendwann so ein
>>Kamel und frißt das ganze drübergewachsene Gras wieder auf.
>>
>>>>Sofern man so etwas nicht komplett vergessen kann,
>>>
>>>Wie stellst du dir ein solches "vergessen können" vor bei einem durch
>>>Lernen geprägten Menschen?
>>
>>Lernen zu verlernen?
>
>Dürfte dein Kamel freuen. Oder den Fuchs, weil das blinde Huhn
>vergessen hat, auf wessen Speiseplan es steht.

Lernen zu verlernen war nicht als Empfehlung gemeint.
Wie schrieb schon Erich Kästner:
Die Erinnrung ist eine mysteriose
Macht und und formt den Menschen um,
Wer das Gute vergißt, wird böse,
Wer das Schlimme vergißt, wird dumm.

>>>wer tatsächlich völlig frei von äußerem Erwartungsdruck von Herzen
>>>verzeihen kann, kann aus meiner Sicht nicht gleichzeitig Abstand
>>>halten wollen.
>>
>>Warum?
>
>Aus dem selben Grund, warum es dir Probleme bereiten dürfte, deine
>Arme vorbehaltlos für einen Mitmenschen zu öffnen, während du sie
>gleichzeitig schützend vor deinen Leib halten mußt.

Hat der Mensch nicht zwei Arme? Jetzt bist Du es, die zwei Extreme
gegenüberstelt. Was ist gegen gesunde Vorsicht einzuwenden?

Gruß
Christian

Regina Sickel

unread,
Mar 5, 2001, 6:21:12 PM3/5/01
to
On Mon, 05 Mar 2001 22:10:23 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

>>>>wer tatsächlich völlig frei von äußerem Erwartungsdruck von Herzen
>>>>verzeihen kann, kann aus meiner Sicht nicht gleichzeitig Abstand
>>>>halten wollen.
>>>
>>>Warum?
>>
>>Aus dem selben Grund, warum es dir Probleme bereiten dürfte, deine
>>Arme vorbehaltlos für einen Mitmenschen zu öffnen, während du sie
>>gleichzeitig schützend vor deinen Leib halten mußt.
>
>Hat der Mensch nicht zwei Arme?

Sieht nicht so aus, als hättest du dich je mit Symptombildung
beschäftigt.

>Jetzt bist Du es, die zwei Extreme gegenüberstelt.

Das ergibt sich, wenn man theologische Theorien mit der Realität
abgleicht, weshalb denn ja auch nicht zufällig der Kirche die
Mitglieder davon laufen. Und ja, in der Tat leb(t)en Kinder, die mit
psychisch Kranken dauerhaft allein gelassen wurden, in Extremen und
brauchen daher später i.a.R. beide Arme für sich. Falls du dich aus
deinem Elfenbeinturm rauswagst ins Extreme, überzeuge dich von
Realitäten:
http://www.fachklinik-furth.de/sachs.htm

Diese Klinik wurde übrigens von einem Christen besucht, der mir deine
Auslegung der Bergpredigt entbehrlich macht:
http://www.fachklinik-furth.de/dreverm.htm


Gruss
R.S.


Rolf Karstaedt

unread,
Mar 5, 2001, 8:08:01 PM3/5/01
to

Regina Sickel schrieb

> Das ergibt sich, wenn man theologische Theorien mit der Realität
> abgleicht, weshalb denn ja auch nicht zufällig der Kirche die
> Mitglieder davon laufen.

Hallo Regina,
es ist doch leider so, das der Kirche die Mitglieder davon laufen weil sie
eben keinen Kontakt mit der realität sucht. Genau das ist doch das Manko
der Kirchen, das sie realitätsfremd mit Theologie und Glaube umgeht und
dadurch die chancen Verpaßßt die uns Gott mit Glaube und Bibel gibt.
Ich meine nicht, das die Kirche (oder die pastoren) psychartrische
Behandlungen über nehmen sollen, ganz im gegenteil, die allermeisten wären
da wohl übervordert. Aber in manchen Fällen könnte ein Seelsorgerliche
Begleitung die Therapie stützen.
Viele Grüße

Rolf Karstaedt

Holger Bruns

unread,
Mar 6, 2001, 4:07:54 AM3/6/01
to
On Tue, 06 Mar 2001 00:21:12 +0100, Regina Sickel
<sic...@attglobal.net> wrote:

>>Jetzt bist Du es, die zwei Extreme gegenüberstelt.
>
>Das ergibt sich, wenn man theologische Theorien mit der Realität
>abgleicht, weshalb denn ja auch nicht zufällig der Kirche die
>Mitglieder davon laufen. Und ja, in der Tat leb(t)en Kinder, die mit
>psychisch Kranken dauerhaft allein gelassen wurden, in Extremen und
>brauchen daher später i.a.R. beide Arme für sich. Falls du dich aus
>deinem Elfenbeinturm rauswagst ins Extreme, überzeuge dich von
>Realitäten:
>http://www.fachklinik-furth.de/sachs.htm

Ich habe diesen Text diagonal durchgelesen, er klingt recht
interessant. Der Punkt ist aber aus meiner Sicht, daß er auf das hier
zur Debatte stehende theologische Problem der Schuld und des Vergebens
nicht eingeht. Ich denke, es ist unstreitig, daß Menschen, die andere
Menschen und vor allem ihre eigenen Kinder quälen, psychisch krank
sind und möglicherweise erlittene Schädigungen an andere weitergeben.
Das kann aber für sich gesehen kein Freispruch sein. Das theologische
Problem mit der Vergebung von Schuld ist ziemlich sicher sehr viel
komplizierter und meines Erachtens nicht mit einem Realitätsabgleich
beantwortbar, der Fallschilderungen aus der Psychiatrie mit Maximen
zusammenbringt, die einst ein Jesus von Nazareth der Welt mitteilte.
Ich würde immer zwischen dem Ideal des Jesus von Nazareth und einer
eigenen Lebensbewältigung in der Realität der heutigen Welt eine
zumindest begriffliche Trennung vollziehen und gebe zu, daß ich meine
Bereitschaft zur Vergebung an Bedingungen knüpfe, die ich sehr
willkürlich selbst bestimme. Ich kann einen anderen Menschen nur
lieben, wenn ich mich selbst liebe. Wenn ich mich hassen müßte, weil
ich mich jesusmäßig zwinge, selbst Menschen zu lieben, die mir nur
schaden wollen, kann ich nicht lieben. Die Feindesliebe und die
unbedingte Vergebung sind ein Widerspruch in sich selbst, sogar nach
biblischen Kriterien.

Holger

Christian Günther

unread,
Mar 6, 2001, 4:32:22 AM3/6/01
to
Hallo Regina,

>>>Aus dem selben Grund, warum es dir Probleme bereiten dürfte, deine
>>>Arme vorbehaltlos für einen Mitmenschen zu öffnen, während du sie
>>>gleichzeitig schützend vor deinen Leib halten mußt.
>>
>>Hat der Mensch nicht zwei Arme?
>
>Sieht nicht so aus, als hättest du dich je mit Symptombildung
>beschäftigt.

Nicht wissenschaftlich, nur ein wenig in pragmatischer Hinsicht, in
Richtung: Woran kann ich in der Schule erkennen, daß ein Kind ein
Mißbrauchsopfer ist, und wie gehe ich damit um; oder: welche
biographischen Ursachen stecken hinter auffälligem Verhalten von
Schülern...
Und dann gibts halt noch eine Reihe von persönlichen und im Beruf
gesammelten Erfahrungen, die mir - entgegen meiner 'Theorie' - genau
die Geschichte mit den beiden Händen vorgeführt haben. Was nicht
bedeutet, daß die Mehrzahl der Frauen ihren Peinigern vergeben hätten.

Klinische Extremfälle waren das nicht (zumindest gab es IIRC keine
entsprechende Behandlung), die wenigen schweren Trauma-Opfer, von
denen ich Kenntnis habe, landeten sehr schnell in der Psychatrie, und
ich mußte mich nicht eingehend damit befassen.

>>Jetzt bist Du es, die zwei Extreme gegenüberstelt.
>
>Das ergibt sich, wenn man theologische Theorien mit der Realität
>abgleicht, weshalb denn ja auch nicht zufällig der Kirche die
>Mitglieder davon laufen. Und ja, in der Tat leb(t)en Kinder, die mit
>psychisch Kranken dauerhaft allein gelassen wurden, in Extremen und
>brauchen daher später i.a.R. beide Arme für sich. Falls du dich aus
>deinem Elfenbeinturm rauswagst ins Extreme, überzeuge dich von
>Realitäten:
>http://www.fachklinik-furth.de/sachs.htm
>
>Diese Klinik wurde übrigens von einem Christen besucht, der mir deine
>Auslegung der Bergpredigt entbehrlich macht:
>http://www.fachklinik-furth.de/dreverm.htm

Findest Du? Mir scheint, Drewermann wollte nicht nur einen schönen
Vortrag halten, sondern auch, daß man sich das ein oder andere
vielleicht mal zur Brust nimmt. So zB, was er über Mt 7,1ff in
Zusammenhang mit Projektion gesagt hat. Da frage ich mich schon die
ganze Zeit, was Du meinst, wenn Du von *meiner* Theologie der
Bergpredigt sprichst, wie Du überhaupt von meiner subjektiven
Einschätzung bezüglich traumatischer Erfahrungen plötzlich bei
theologischen Theorien im allgemeinen und Kirche(naustritten) landest,
und warum dies alles für Dich einen Sinnzusammenhang ergibt. Selbst
wenn Deine Vorstellungen hinsichtlich meiner 'entbehrlichen
Elfenbeinturmtheologie' zutreffen sollten: Suche Dir bitte eine andere
Projektionsfläche für Deine Vorstellungen aus.

Gruß
Christian

Christian Günther

unread,
Mar 6, 2001, 9:25:55 AM3/6/01
to
Hallo Holger,

>Ich kann einen anderen Menschen nur
>lieben, wenn ich mich selbst liebe. Wenn ich mich hassen müßte, weil
>ich mich jesusmäßig zwinge, selbst Menschen zu lieben, die mir nur
>schaden wollen, kann ich nicht lieben. Die Feindesliebe und die
>unbedingte Vergebung sind ein Widerspruch in sich selbst, sogar nach
>biblischen Kriterien.

Wer sagt denn, daß man sich unter allen Umständen und jederzeit zur
Vergebung zwingen müßte? Sogar dann, wenn man sich dafür hassen muß?
Dem ist nicht so!
Wie schon gesagt, es gibt zwei Voraussetzungen zur Vergebung:
- Da ich als Opfer nicht die Schuld des Täters habe, kann ich sie auch
nicht vergeben, solange er sie mir nicht zur Vergebung, dh zur
Annullierung zur Verfügung stellt (indem er um Entschuldigung bittet).
- Ein Mensch ohne Stimme kann nicht sprechen. Wer ein Trauma erlitten
hat, das ihn sozusagen sprachlos macht vor Angst, dem wird es nicht
gelingen, dem um Entschuldigung Bittenden die Schuld wieder
abzusprechen, denn er hat seine Stimme verloren. Wenn man sich dennoch
(aus vermeintlichen Glaubensgründen zB) dazu zwingt, so zu tun, als
könnte man es, dann betrügt man sich nicht nur selbst, man betrügt
auch den sich um Entschuldigung Bittenden, weil man ihm eine falsche
Vergebung vormacht, und legt überdies noch einen ziemlich
stümperhaften Versuch hin, Gott zu betrügen.

Laß Dich durch die Kasuistik der Bergpredigt nicht zu unmöglichen
Handlungen verleiten, denn diese Kasuistik hebt sich letztlich selbst
auf.

Gruß
Christian

Regina Sickel

unread,
Mar 6, 2001, 6:31:36 PM3/6/01
to
On Tue, 06 Mar 2001 09:32:22 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

Hallo Christian,

>>>>Aus dem selben Grund, warum es dir Probleme bereiten dürfte, deine


>>>>Arme vorbehaltlos für einen Mitmenschen zu öffnen, während du sie
>>>>gleichzeitig schützend vor deinen Leib halten mußt.
>>>
>>>Hat der Mensch nicht zwei Arme?
>>
>>Sieht nicht so aus, als hättest du dich je mit Symptombildung
>>beschäftigt.
>
>Nicht wissenschaftlich, nur ein wenig in pragmatischer Hinsicht

Nachstehend ein Hinweis, auf welchem Terrain du dich mit deiner
zwei-Arme-Frage _nach_ einer unstrittigen Tat bewegst:
http://www.lawww.de/Library/stgb/225.htm

>Und dann gibts halt noch eine Reihe von persönlichen und im Beruf
>gesammelten Erfahrungen, die mir - entgegen meiner 'Theorie' - genau
>die Geschichte mit den beiden Händen vorgeführt haben.

Soviel zum Thema "Projektion" und ...

>Klinische Extremfälle waren das nicht (zumindest gab es IIRC keine
>entsprechende Behandlung), die wenigen schweren Trauma-Opfer, von
>denen ich Kenntnis habe, landeten sehr schnell in der Psychatrie, und
>ich mußte mich nicht eingehend damit befassen.

... soviel zum Thema "Elfenbeinturm". Wobei dir der von Herzen gegönnt
sei, solange du nicht undifferenziert zu Themen Stellung nimmst, mit
denen du dich ganz offensichtlich bisher nicht befaßt hast.


>>Diese Klinik wurde übrigens von einem Christen besucht, der mir deine
>>Auslegung der Bergpredigt entbehrlich macht:
>>http://www.fachklinik-furth.de/dreverm.htm
>
>Findest Du?

Falls es nicht angekommen sein sollte: Das war ein nachträgliches NEIN
auf deine Frage, ob ich Interesse an deiner Auslegung der Bergpredigt
hätte.

Gruss
R.S.

Regina Sickel

unread,
Mar 6, 2001, 6:47:31 PM3/6/01
to
On Tue, 06 Mar 2001 09:07:54 GMT,hbr...@gmx.de (Holger Bruns) wrote:

Hallo Holger,

>Regina Sickel <sic...@attglobal.net> wrote:
>>http://www.fachklinik-furth.de/sachs.htm
>
>Ich habe diesen Text diagonal durchgelesen, er klingt recht
>interessant. Der Punkt ist aber aus meiner Sicht, daß er auf das hier
>zur Debatte stehende theologische Problem der Schuld und des Vergebens
>nicht eingeht.

Die mir von Christian gestellte, vorangehende Frage war, ob ein Mensch
nicht zwei Arme hätte. Kontextorientiert also einen schützenden für
sich und einen, den er vorbehaltlos öffnet gegenüber dem/der Täter/in.
Dazu findet sich neben diversen Hinweisen in der fundierten
Traumatologie-Literatur bei Prof. Sachsse folgender deutlicher
Hinweis:

"Das bedeutet auch, daß Traumaexposition nicht gemacht werden darf,
wenn es irgendwelche Täterkontakte gibt, und auch nicht, wenn die
Leute in mißbrauchenden Beziehungen leben; denn dann brauchen die ihre
Dissoziationsfähigkeit. Die müssen Abstand halten können, die müssen
aus dem Körper raus gehen können, die müssen in der Lage sein
wegzudenken, und diese Fähigkeit wird durch diese Art der
Traumatherapie massiv geschwächt."

>Ich kann einen anderen Menschen nur
>lieben, wenn ich mich selbst liebe.

Du erinnerst dich an die beiden Arme, die Kinder, die mit psychisch
Kranken allein gelassen wurden, i.a.R. für sich selbst brauchen?

>Wenn ich mich hassen müßte, weil ich mich jesusmäßig zwinge,
>selbst Menschen zu lieben, die mir nur
>schaden wollen, kann ich nicht lieben.

Lies bitte auch Drewermann dazu:
http://www.fachklinik-furth.de/dreverm.htm.

Gruss
R.S.

Regina Sickel

unread,
Mar 6, 2001, 6:47:45 PM3/6/01
to
On Tue, 6 Mar 2001 02:08:01 +0100,"Rolf Karstaedt"
<Gospe...@t-online.de> wrote:

Hallo Rolf,

>es ist doch leider so, das der Kirche die Mitglieder davon laufen weil sie
>eben keinen Kontakt mit der realität sucht. Genau das ist doch das Manko
>der Kirchen, das sie realitätsfremd mit Theologie und Glaube umgeht und
>dadurch die chancen Verpaßßt die uns Gott mit Glaube und Bibel gibt.
>Ich meine nicht, das die Kirche (oder die pastoren) psychartrische
>Behandlungen über nehmen sollen, ganz im gegenteil, die allermeisten wären
>da wohl übervordert. Aber in manchen Fällen könnte ein Seelsorgerliche
>Begleitung die Therapie stützen.

Glaubst du, das würde bei dem Beispiel von Drewermann gutgehen? Müßte
ein Seelsorger das Problem der "kotzenden" Frau nicht völlig anders
behandeln als ein Therapeut?

Gruss
R.S.


Christian Günther

unread,
Mar 7, 2001, 5:12:14 AM3/7/01
to
Hallo Regina,

>>>>>Aus dem selben Grund, warum es dir Probleme bereiten dürfte, deine
>>>>>Arme vorbehaltlos für einen Mitmenschen zu öffnen, während du sie
>>>>>gleichzeitig schützend vor deinen Leib halten mußt.
>>>>
>>>>Hat der Mensch nicht zwei Arme?
>>>
>>>Sieht nicht so aus, als hättest du dich je mit Symptombildung
>>>beschäftigt.
>>
>>Nicht wissenschaftlich, nur ein wenig in pragmatischer Hinsicht
>
>Nachstehend ein Hinweis, auf welchem Terrain du dich mit deiner
>zwei-Arme-Frage _nach_ einer unstrittigen Tat bewegst:
>http://www.lawww.de/Library/stgb/225.htm

Was soll das?
Du versuchst gerade, mit Gesetzestexten oder (unbenommenerweise
lehrreichen und interessant zu lesenden) Theorien meine und anderer
Leute Erfahungen in Frage zu stellen. Das ist schwierig.

Gruß
Christian

Regina Sickel

unread,
Mar 7, 2001, 6:21:14 AM3/7/01
to
On Wed, 07 Mar 2001 10:12:14 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

Hallo Christian,
>


>>>>>>Aus dem selben Grund, warum es dir Probleme bereiten dürfte, deine
>>>>>>Arme vorbehaltlos für einen Mitmenschen zu öffnen, während du sie
>>>>>>gleichzeitig schützend vor deinen Leib halten mußt.
>>>>>
>>>>>Hat der Mensch nicht zwei Arme?
>>>>
>>>>Sieht nicht so aus, als hättest du dich je mit Symptombildung
>>>>beschäftigt.
>>>
>>>Nicht wissenschaftlich, nur ein wenig in pragmatischer Hinsicht
>>
>>Nachstehend ein Hinweis, auf welchem Terrain du dich mit deiner
>>zwei-Arme-Frage _nach_ einer unstrittigen Tat bewegst:
>>http://www.lawww.de/Library/stgb/225.htm
>
>Was soll das?

Du hast dich in einen Strang dieses threads eingeklinkt, in dem Holger
Bruns folgendes thematisierte:

"Was mir zur Zeit durch den Sinn geht, hat eventuell sogar mit
dem Thema zu tun, was TM hier ansprach: Christentum und Psychiatrie.
Mir geht durch den Sinn, daß das Christentum fordert, ein Kind müsse
seine Eltern verehren, und zwar um jeden Preis. Der Konflikt ist
offensichtlich: Was soll ein Christ machen, der als Kind von seinen
Eltern geschlagen, vergewaltigt und zum Sozialwaisen gemacht wurde und
seine Eltern am liebsten hassen würde, sich dies aber aus Angst vor
der Strafe seines Gottes nicht getraut? Hier kann die Religion doch
krankmachen?" <3a984e58...@news.fu-berlin.de>


>Du versuchst gerade, mit Gesetzestexten oder (unbenommenerweise
>lehrreichen und interessant zu lesenden) Theorien meine und anderer
>Leute Erfahungen in Frage zu stellen.

Steht das irgendwo oder phantasierst du dir das zusammen? Fakt ist:
Ich habe dir einen juristischen Hinweis gegeben, auf welchem Terrain
du dich mit deiner zwei-Arme-Frage befindest. Wenn du deine eigenen
Erfahrungen dadurch angezweifelt siehst, daß unstrittiger Mißbrauch
und Mißhandlung strafrechtlich geahndet werden, könnte das vielleicht
daran liegen, daß du zwischen dir und anderen nicht hinreichend
unterscheidest. Think about it.

>Das ist schwierig.

Rolf wies zu Recht schon frühzeitig auf folgendes hin: "Mann darf eb
nicht nur den Wortlaut des Gebotes sehen, sondern auch den
biblischen, sozialen und kulturellen kontext."

Und ich füge hinzu: Damals wie heute.

Gruss
R.S.

Christian Günther

unread,
Mar 7, 2001, 8:43:01 AM3/7/01
to
Hallo Regina,

>>>>>>>Aus dem selben Grund, warum es dir Probleme bereiten dürfte, deine
>>>>>>>Arme vorbehaltlos für einen Mitmenschen zu öffnen, während du sie
>>>>>>>gleichzeitig schützend vor deinen Leib halten mußt.
>>>>>>
>>>>>>Hat der Mensch nicht zwei Arme?
>>>>>
>>>>>Sieht nicht so aus, als hättest du dich je mit Symptombildung
>>>>>beschäftigt.
>>>>
>>>>Nicht wissenschaftlich, nur ein wenig in pragmatischer Hinsicht
>>>
>>>Nachstehend ein Hinweis, auf welchem Terrain du dich mit deiner
>>>zwei-Arme-Frage _nach_ einer unstrittigen Tat bewegst:
>>>http://www.lawww.de/Library/stgb/225.htm
>>
>>Was soll das?
>
>Du hast dich in einen Strang dieses threads eingeklinkt, in dem Holger
>Bruns folgendes thematisierte:
>
>"Was mir zur Zeit durch den Sinn geht, hat eventuell sogar mit
>dem Thema zu tun, was TM hier ansprach: Christentum und Psychiatrie.
>Mir geht durch den Sinn, daß das Christentum fordert, ein Kind müsse
>seine Eltern verehren, und zwar um jeden Preis. Der Konflikt ist
>offensichtlich: Was soll ein Christ machen, der als Kind von seinen
>Eltern geschlagen, vergewaltigt und zum Sozialwaisen gemacht wurde und
>seine Eltern am liebsten hassen würde, sich dies aber aus Angst vor
>der Strafe seines Gottes nicht getraut? Hier kann die Religion doch
>krankmachen?" <3a984e58...@news.fu-berlin.de>

Ja, und meine Antwort ist bekannt:
Ich habe geschrieben, daß es in so einer Situation keinen Zwang zur
Vergebung gibt, daß es vielmehr sinnvoll sei, aus dieser Lage erst mal
herauszukommen.
Dann bist Du, wenn ich Dich korrekt verstanden habe, darauf zu spechen
gekommen, daß es für die Betroffenen vielleicht gar nicht relevant
sein muß, ob den Tätern vergeben wird oder nicht; Hauptsache der
Abstand bleibe gewahrt.
Dies 'einfach nicht Relevant-Sein' zog ich in Zweifel, einen neutralen
Standpunkt gebe es nicht, wobei ich den unglücklichen Gegensatz
Vergebung-Haß benutzte, was bei Dir offenbar den Eindruck erweckte,
daß Haß 'in meiner Auslegung der Bergpredigt' oder 'Lehrmeinung' der
einzige hölzern-kasuistische Grund für das Nicht-Vergeben sei.
Du hast darauf hingewiesen, daß bereits die Wiederannäherung an die
Täter schon verarbeitete oder noch vorhandene traumatische Ängste
auslösen könne - so daß die Betroffenen beide Hände voll zu tun
hätten, um Abstand zu halten.
Um das Mißverständnis zu komplettieren, habe ich die These vertreten,
daß man ja sozusagen 'auf Abstand vergeben' könne, eine Hand schützend
vor sich, die andere den um Entschuldigung Bittenden reichend.
So.
Diese These vertrat ich nicht
a) weil sie irgendeiner religiösen Doktrin oder gar den Forderungen
der Bergpredigt entspräche
b) weil sie meinen idealistisch-wolkenkuckuckheimsmäßigen
Vorstellungen von Christentum entsprächen,
im Gegenteil: mir waren die von Dir verlinkten Trauma-Theorien
zumindest rudimentär bekannt, und sie entsprachen meiner persönlichen
Auffassung, bis -
ja, bis ich halt - vor allem bei ehemaligen Frauenhausbewohnerinnen
bzw ihren Kindern - mehrfach das für mich vordem Unfaßliche erlebte,
wie die *von sich aus* zu ihren ehemaligen Tätern (aus
unterschiedlichen Motiven heraus) Kontakt aufnahmen, ohne daß sich
traumatische Rückfälle ereigneten.

Nun möchte ich noch folgendes festhalten:
Ich bin nach wie vor der Meinung, daß es einen neutralen, nur durch
Distanz bestimmten Standpunkt des Opfers zum Täter nicht gibt. Die
Fälle, auf die Du angespielt hast - Stichwort Trauma -, machen es IMO
einfach unmöglich zu vergeben.

>>Du versuchst gerade, mit Gesetzestexten oder (unbenommenerweise
>>lehrreichen und interessant zu lesenden) Theorien meine und anderer
>>Leute Erfahungen in Frage zu stellen.
>
>Steht das irgendwo oder phantasierst du dir das zusammen? Fakt ist:
>Ich habe dir einen juristischen Hinweis gegeben, auf welchem Terrain
>du dich mit deiner zwei-Arme-Frage befindest.

Das ist mir nicht neu.
Ich frage nur, warum Du mir diesen Hinweis gegeben hast.

Mir scheint, du glaubst, ich würde die abseitige These vertreten, man
sollte die Opfer zu ihren ehemaligen, reuigen Tätern (wenigstens mit
moralischen Mitteln) hinzwingen, damit sie ihnen vergeben.
Darum ging es mir überhaupt nicht. Sondern darum, zu zeigen, daß es
offenbar möglich ist, daß Menschen
a) ihre Ängste soweit wieder in den Griff kriegen, daß sie ihren
Mißbrauchern ohne gravierende Folgen gegenübertreten,
b) daß es darum auch *nicht auszuschließen ist*, daß sie ihnen - mit
angemessener Vorsicht - versöhnlich gegenübertreten können und dann
auch imstande sind, ihnen zu vergeben.
Vergeben bedeutet aber nicht, sich vorbehaltlos in ihre Arme zu
werfen. IMHO gibt es eine Vergebung *in Anbetracht der Tatsache* der
Gefährlichkeit des Gegenübers, eben eine zwar ehrliche Vergebung, aber
eine aus der Distanz heraus.
So etwa beurteile ich auch den Standpunkt wohlmeindender Juden uns
Deutschen gegenüber.

> Wenn du deine eigenen
>Erfahrungen dadurch angezweifelt siehst, daß unstrittiger Mißbrauch
>und Mißhandlung strafrechtlich geahndet werden, könnte das vielleicht
>daran liegen, daß du zwischen dir und anderen nicht hinreichend
>unterscheidest. Think about it.

S.o.

>>Das ist schwierig.
>
>Rolf wies zu Recht schon frühzeitig auf folgendes hin: "Mann darf eb
>nicht nur den Wortlaut des Gebotes sehen, sondern auch den
>biblischen, sozialen und kulturellen kontext."
>
>Und ich füge hinzu: Damals wie heute.

ACK.
Andererseits muß man sich der Bedeutung dieses Gebots bewußt sein.
Immerhin ist es der Schlüssel, mit dem im Christentum sowohl jegliche
religiöse wie auch zivile Gesetzeskasuistik aufgebrochen wird, und
insofern auch der Schlüssel zur evangelischen (bitte nicht
konfessionell verstehen) Freiheit.

Gruß
Christian

Regina Sickel

unread,
Mar 7, 2001, 10:46:15 AM3/7/01
to
On Wed, 07 Mar 2001 13:43:01 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

Hallo Christian,
>

Nein, ich habe _neben deiner_ eine zweite Möglichkeit eröffnet:
--------------------------------------------------------------

R.S.:


>>Warum sollte man denn an seiner Vergebungsbereitschaft arbeiten?

C.G.:


>Um seiner selbst willen.
>Solche Verstrickungen setzen sich ja manchmal über Generationen hinweg
>fort. Wenn ich jemandem anderen wirklich vergeben kann, dann entbinde ich
>mich selber meiner bisherigen Opferrolle. Das kann mich befreien.

R.S.:
Das ist sicher eine Möglichkeit. Sich von der Opferrolle zu entbinden,


kann aber auch heißen, Bindung(en) zu lösen, sein Leben
zukunftsgerichtet und soweit als möglich unbeeinflußt von schadenden
Personen zu gestalten. Dazu braucht man nicht zwangsläufig zu hassen,
aber auch nicht verzeihen.

<97p0cj$q4bal$1...@ID-39166.news.dfncis.de>

------------------------------------------------------------------

>Dies 'einfach nicht Relevant-Sein' zog ich in Zweifel,

Nochmal: Ich beschrieb oben nachlesbar ohne Entwertung deines Beitrags
eine _weitere, andere Möglichkeit_, so zu verarbeiten, daß man weder
hassen noch verzeihen muß. Richtig ist, daß du selbst andere
Möglichkeiten in Zweifel ziehst, diese Tatsache aber unter dem
Mäntelchen "Projektion" mir anhängen willst.

Wie war das noch mit dem Balken im eigenen Auge?

>Du hast darauf hingewiesen, daß bereits die Wiederannäherung an die
>Täter schon verarbeitete oder noch vorhandene traumatische Ängste
>auslösen könne

Komm, lies nach. Du allein hast Angst thematisiert und mit dem Kamel
angefangen, daß deiner Erfahrung nach irgendwann kommt und das
inzwischen gewachsene Gras wieder abfrißt. Ich dagegen habe Prof.
Sachsse zitiert (keine Trauma-Exposition bei Täterkontakt), und auf
die einschlägige Lehrmeinung sowie den juristischen Backround
verwiesen sowie darauf, daß Menschen, die als Kinder mit psychisch
Kranken dauerhaft alleingelassen wurde, i.A.R. beide Hände für sich
brauchen.

Deine Interpretation davon ist ...

> - so daß die Betroffenen beide Hände voll zu tun
>hätten, um Abstand zu halten.

>Um das Mißverständnis zu komplettieren, habe ich die These vertreten,
>daß man ja sozusagen 'auf Abstand vergeben' könne, eine Hand schützend
>vor sich, die andere den um Entschuldigung Bittenden reichend.

Von einem um Entschuldigung Bittenden hast du im konkreten Kontext
deiner 2-Arme-Bemerkung nichts geschrieben. Darüber hinaus gibt es
diverse psychische Störungen, bei denen einer solchen Entschuldigung
eine neuerliche "Schädigung" folgt, weil der/die "Täter(in)" seine
Wahrnehmungen und Handlungen nicht immer oder gar nicht kontrollieren
kann. Damit ist die Gefahr einer Retraumatisierung nicht nur latent,
es ist leichtsinnig und für Betroffene u.U. gefährlich, ohne genaue
Kenntnis und professionelles Hintergrundwissen hierzu anderen
Ratschläge zu erteilen, den moralischen Zeigefinger zu zeigen oder
täterzentrierte Suggestivfragen zu stellen. Hier geht es nämlich
keineswegs nur um Gebote, sondern u.U. um eine existentielle
Gesundheits- oder gar Uberlebensfrage.

>mir waren die von Dir verlinkten Trauma-Theorien
>zumindest rudimentär bekannt, und sie entsprachen meiner persönlichen
>Auffassung, bis -
>ja, bis ich halt - vor allem bei ehemaligen Frauenhausbewohnerinnen
>bzw ihren Kindern - mehrfach das für mich vordem Unfaßliche erlebte,
>wie die *von sich aus* zu ihren ehemaligen Tätern (aus
>unterschiedlichen Motiven heraus) Kontakt aufnahmen, ohne daß sich
>traumatische Rückfälle ereigneten.

Derlei Beispiele sind nicht ungewöhnlich. Dennoch ist ohne
hinreichende Aufarbeitung leider kein ehemals oder noch schwer
traumatisierter Mensch damit auf der sicheren Seite. Neben der Gefahr
der schleichenden Chronifizierung ist unter Fachleuten hinlänglich
bekannt, daß künftige Schwellenereignisse (Berufs-, Wohnungswechsel
oder andere Lebenskrisen) nicht hinreichend aufgearbeitete Traumata
reaktivieren können. Das kann selbst im Altersheim noch passieren.

>Nun möchte ich noch folgendes festhalten:
>Ich bin nach wie vor der Meinung, daß es einen neutralen, nur durch
>Distanz bestimmten Standpunkt des Opfers zum Täter nicht gibt.

Von "neutral" war meinerseits nicht die Rede. Nochmal: ich habe neben
deine Dichotomie "Vergebung/Liebe vs. Haß" eine weitere Möglichkeit
gestellt. Wenn du dir andere Möglichkeiten nicht vorstellen kannst,
heißt das noch nicht, daß es dazwischen nichts geben kann. Wenn du
weiterführende Literaturempfehlungen dazu brauchst, sag Bescheid.

>>Steht das irgendwo oder phantasierst du dir das zusammen? Fakt ist:
>>Ich habe dir einen juristischen Hinweis gegeben, auf welchem Terrain
>>du dich mit deiner zwei-Arme-Frage befindest.
>
>Das ist mir nicht neu.
>Ich frage nur, warum Du mir diesen Hinweis gegeben hast.

Solange du bei mir rückfragst und mir nicht deine Interpretationen wie
eine Tatsache überstülpst, ist das für mich in Ordnung.

>Mir scheint, du glaubst, [...]

Zum Thema "Entschuldigungen" habe ich oben einiges erläutert.


>>Rolf wies zu Recht schon frühzeitig auf folgendes hin: "Mann darf eb
>>nicht nur den Wortlaut des Gebotes sehen, sondern auch den
>>biblischen, sozialen und kulturellen kontext."
>>
>>Und ich füge hinzu: Damals wie heute.
>
>ACK.
>Andererseits muß man sich der Bedeutung dieses Gebots bewußt sein.
>Immerhin ist es der Schlüssel, mit dem im Christentum sowohl jegliche
>religiöse wie auch zivile Gesetzeskasuistik aufgebrochen wird, und
>insofern auch der Schlüssel zur evangelischen (bitte nicht
>konfessionell verstehen) Freiheit.

Zum kulturellen Kontext heute gehört für mich auch das im Grundgesetz
verankerte Bewußtsein, daß in diesem Land kein Religionszwang, sondern
Religionsfreiheit herrscht und daß die kirchlichen Institutionen in
ihrem Wirken nicht außerhalb der Gesetze stehen.

Gruss
R.S.

Regina Sickel

unread,
Mar 7, 2001, 5:10:04 PM3/7/01
to
On 07 Mar 2001 20:29:00 +0200,detlef...@foni.net (detlef.bosau)
wrote:

>Die Interpretierer kann ich nicht ab.
>Das sind keine Heiden, das sind keine Christen, die sind unbrauchbar.

Unbrauchbare Menschen. Aha. Dieser Bloedsinn wird immer wieder gesagt.

Es gibt zwei Möglichkeiten:

Entweder

der ist von Goebbels

oder von dir. In beiden Fällen halte ich dich weder für ehrlich noch
für konsequent, wenn ich mir als Pendant zu obigem deinen 566 Zeilen
langen dramatische Auftritt in Sachen Bürgerrechte ansehe, siehe Sig.

R.S.
--
"Koennen wir nicht akzeptieren, dass ein Mensch schlicht so ist, wie
er ist?" (Detlef Bosau in d.s.p. <7xJnd...@foni.net>)

Christian Günther

unread,
Mar 7, 2001, 5:23:41 PM3/7/01
to
Hallo Regina,

>>Ich habe geschrieben, daß es in so einer Situation keinen Zwang zur
>>Vergebung gibt, daß es vielmehr sinnvoll sei, aus dieser Lage erst mal
>>herauszukommen.
>>
>>Dann bist Du, wenn ich Dich korrekt verstanden habe, darauf zu spechen
>>gekommen, daß es für die Betroffenen vielleicht gar nicht relevant
>>sein muß, ob den Tätern vergeben wird oder nicht; Hauptsache der
>>Abstand bleibe gewahrt.
>
>Nein, ich habe _neben deiner_ eine zweite Möglichkeit eröffnet:
>--------------------------------------------------------------

"Nein"?

>
>R.S.:
>>>Warum sollte man denn an seiner Vergebungsbereitschaft arbeiten?
>
>C.G.:
>>Um seiner selbst willen.
>>Solche Verstrickungen setzen sich ja manchmal über Generationen hinweg
>>fort. Wenn ich jemandem anderen wirklich vergeben kann, dann entbinde ich
>>mich selber meiner bisherigen Opferrolle. Das kann mich befreien.
>
>R.S.:
>Das ist sicher eine Möglichkeit. Sich von der Opferrolle zu entbinden,
>kann aber auch heißen, Bindung(en) zu lösen, sein Leben
>zukunftsgerichtet und soweit als möglich unbeeinflußt von schadenden
>Personen zu gestalten. Dazu braucht man nicht zwangsläufig zu hassen,
>aber auch nicht verzeihen.
><97p0cj$q4bal$1...@ID-39166.news.dfncis.de>

Nun erkläre mir bitte, inwieweit ich Deine _zweite Möglichkeit_ nicht
adäquat wiedergegeben habe:


>>Dann bist Du, wenn ich Dich korrekt verstanden habe, darauf zu spechen
>>gekommen, daß es für die Betroffenen vielleicht gar nicht relevant
>>sein muß, ob den Tätern vergeben wird oder nicht; Hauptsache der
>>Abstand bleibe gewahrt.

anstatt Wiederholungen zu posten.

>
>>Dies 'einfach nicht Relevant-Sein' zog ich in Zweifel,
>
>Nochmal: Ich beschrieb oben nachlesbar ohne Entwertung deines Beitrags
>eine _weitere, andere Möglichkeit_, so zu verarbeiten, daß man weder
>hassen noch verzeihen muß. Richtig ist, daß du selbst andere
>Möglichkeiten in Zweifel ziehst,

Nein. Was ich in Zweifel zog, war, daß ein Betroffener letztlich eine
Einstellung einnehmen kann, bei der die Frage nach Vergebung einfach
unwichtig wird ('neutral'). Meine These war bzw ist, daß Vergebung
entweder möglich oder unmöglich, aber niemals bedeutungslos ist. Und
ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, daß, wenn sie unmöglich
*ist*, man es gar nicht erst *versuchen* sollte.

>diese Tatsache aber unter dem
>Mäntelchen "Projektion" mir anhängen willst.

Na schön, wenn Du unbedingt willst, thematisieren wir noch mal den
Projektionshinweis. :-(

>Wie war das noch mit dem Balken im eigenen Auge?

Moooment! (Wenn schon Balken suchen, dann aber richtig!)
CG.


>>Hat der Mensch nicht zwei Arme?

RS.


>Sieht nicht so aus, als hättest du dich je mit Symptombildung
>beschäftigt.

CG.


>>Jetzt bist Du es, die zwei Extreme gegenüberstelt.

RS.


>Das ergibt sich, wenn man theologische Theorien mit der Realität
>abgleicht, weshalb denn ja auch nicht zufällig der Kirche die
>Mitglieder davon laufen. Und ja, in der Tat leb(t)en Kinder, die mit
>psychisch Kranken dauerhaft allein gelassen wurden, in Extremen und
>brauchen daher später i.a.R. beide Arme für sich. Falls du dich aus
>deinem Elfenbeinturm rauswagst ins Extreme, überzeuge dich von
>Realitäten

Meine Bemerkung, daß Du Extreme gegenüberstellst (als gäbe es nur
schwer traumatisierte Opfer, nicht aber solche, die irgendwann wieder
in die Lage kommen, sich mit ihren Schuldigern auseinanderzusetzen),
veranlaßte Dich, irgendwo (wohl bei mir) 'theologische Theorien' (was
immer das bedeuten mag) auszumachen, die im Abgleich mit der Realität
zu Kirchenaustritten führten.

Tatsächlich ist es aber so, daß sich meine Bemerkung auf (offenbar
nicht unübliche) *Erfahrungen* bezogen, die sowohl meinen
theologischen wie rudimentär-psychologischen 'Theoreien'
*zuwiderliefen*.
Dafür entspricht das Bild von den 'Seelsorgern', die theoriebeladen
kopflos-gefährlich von ihrem Wolkenkuckucksheim herab in der Realität
herumpfuschen zum Schaden der Kirche, einem geläufigen Klischee in
Akademikerkreisen.
Und dagegen wollte ich mich verwahren.

>>Um das Mißverständnis zu komplettieren, habe ich die These vertreten,
>>daß man ja sozusagen 'auf Abstand vergeben' könne, eine Hand schützend
>>vor sich, die andere den um Entschuldigung Bittenden reichend.
>
>Von einem um Entschuldigung Bittenden hast du im konkreten Kontext
>deiner 2-Arme-Bemerkung nichts geschrieben.

Nein, das erschien mir nicht nötig, denn das war schon die
Voraussetzung unserer Diskussion:
CG:
>Meine Schüler im Religionsunterricht lernen, daß es für das Vergeben
>zwei Voraussetzungen gibt:
>1. Der Schuldiger bereut aufrichtig, was er getan hat.
>2. Der Geschädigte sieht sich in der Lage, von Herzen zu vergeben.
... um mal eins von mehreren ähnlichlautenden Statements zu zitieren.

>Darüber hinaus gibt es
>diverse psychische Störungen, bei denen einer solchen Entschuldigung
>eine neuerliche "Schädigung" folgt, weil der/die "Täter(in)" seine
>Wahrnehmungen und Handlungen nicht immer oder gar nicht kontrollieren
>kann.

ACK.

>Damit ist die Gefahr einer Retraumatisierung nicht nur latent,
>es ist leichtsinnig und für Betroffene u.U. gefährlich, ohne genaue
>Kenntnis und professionelles Hintergrundwissen hierzu anderen
>Ratschläge zu erteilen, den moralischen Zeigefinger zu zeigen oder
>täterzentrierte Suggestivfragen zu stellen. Hier geht es nämlich
>keineswegs nur um Gebote, sondern u.U. um eine existentielle
>Gesundheits- oder gar Uberlebensfrage.

ACK. Für den Seelsorger wird die Frage nach Versöhnung erst akut, wenn
sicher steht, daß daraus für Betroffene keine Gefahr erwächst (erst
dann kann man überhaupt von der *Möglichkeit* zur Vergebung sprechen),
und wenn er den Eindruck gewinnt, daß der/die Betroffene entweder nach
Wegen sucht, einen solchen Prozeß einzuleiten oder im Gegenteil ohne
Not seinen/ihren Haß kultiviert oder gar versucht, den früheren Täter
rachemäßig zu treffen.

>>mir waren die von Dir verlinkten Trauma-Theorien
>>zumindest rudimentär bekannt, und sie entsprachen meiner persönlichen
>>Auffassung, bis -
>>ja, bis ich halt - vor allem bei ehemaligen Frauenhausbewohnerinnen
>>bzw ihren Kindern - mehrfach das für mich vordem Unfaßliche erlebte,
>>wie die *von sich aus* zu ihren ehemaligen Tätern (aus
>>unterschiedlichen Motiven heraus) Kontakt aufnahmen, ohne daß sich
>>traumatische Rückfälle ereigneten.
>
>Derlei Beispiele sind nicht ungewöhnlich.

Das freut mich zu hören.

>Dennoch ist ohne
>hinreichende Aufarbeitung leider kein ehemals oder noch schwer
>traumatisierter Mensch damit auf der sicheren Seite. Neben der Gefahr
>der schleichenden Chronifizierung

"Chronifizierung"?

>ist unter Fachleuten hinlänglich
>bekannt, daß künftige Schwellenereignisse (Berufs-, Wohnungswechsel
>oder andere Lebenskrisen) nicht hinreichend aufgearbeitete Traumata
>reaktivieren können.

In der Schule geschieht es gelegentlich, daß Schüler selbst bei den
allerfriedlichsten Lehrern Amok laufen, weil durch irgendeine
unscheinbare Handlung oder Äußerung Traumata aus der Familie
reaktiviert wurden.

>Das kann selbst im Altersheim noch passieren.
>
>>Nun möchte ich noch folgendes festhalten:
>>Ich bin nach wie vor der Meinung, daß es einen neutralen, nur durch
>>Distanz bestimmten Standpunkt des Opfers zum Täter nicht gibt.
>
>Von "neutral" war meinerseits nicht die Rede.

Ja, fiel mir auch inzwischen auf. Unter 'neutral' verstehe ich
'letztlich unwichtig'.

>Nochmal: ich habe neben
>deine Dichotomie "Vergebung/Liebe vs. Haß" eine weitere Möglichkeit

Ich hatte dem Haß noch die Furcht beigesellt. 'Trauma' wäre wohl der
passendere Ausdruck gewesen.

>gestellt. Wenn du dir andere Möglichkeiten nicht vorstellen kannst,
>heißt das noch nicht, daß es dazwischen nichts geben kann. Wenn du
>weiterführende Literaturempfehlungen dazu brauchst, sag Bescheid.

Ja es würde mich interessieren, welche Ausschlußmöglichkeiten für
Vergebung/Versöhnung neben Trauma, Furcht und Haß (und natürlich dem
fehlenden Versöhnungswillen des Täters) IYO noch existieren.

Gruß
Christian

Regina Sickel

unread,
Mar 8, 2001, 7:29:03 AM3/8/01
to
On Wed, 07 Mar 2001 22:23:41 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

Hallo Christian,

>"Nein"?

Ok, lassen wir das. Ich sehe zwar völlig unterschiedliche
Schwerpunkte, aber der Quatsch wird immer quetscher.

>Meine Bemerkung, daß Du Extreme gegenüberstellst (als gäbe es nur
>schwer traumatisierte Opfer, nicht aber solche, die irgendwann wieder
>in die Lage kommen, sich mit ihren Schuldigern auseinanderzusetzen),

Deine Bemerkung galt dem Punkt "Arme öffnen und gleichzeitig schützend
vor sich halten". Aber lassen wir auch das.

>>Darüber hinaus gibt es
>>diverse psychische Störungen, bei denen einer solchen Entschuldigung
>>eine neuerliche "Schädigung" folgt, weil der/die "Täter(in)" seine
>>Wahrnehmungen und Handlungen nicht immer oder gar nicht kontrollieren
>>kann.
>
>ACK.
>
>>Damit ist die Gefahr einer Retraumatisierung nicht nur latent,
>>es ist leichtsinnig und für Betroffene u.U. gefährlich, ohne genaue
>>Kenntnis und professionelles Hintergrundwissen hierzu anderen
>>Ratschläge zu erteilen, den moralischen Zeigefinger zu zeigen oder
>>täterzentrierte Suggestivfragen zu stellen. Hier geht es nämlich
>>keineswegs nur um Gebote, sondern u.U. um eine existentielle
>>Gesundheits- oder gar Uberlebensfrage.
>
>ACK. Für den Seelsorger wird die Frage nach Versöhnung erst akut, wenn
>sicher steht, daß daraus für Betroffene keine Gefahr erwächst

Mithilfe welcher Kriterien prüft ein Seelsorger für einen Dritten
sicher, daß für den Betroffenen keine Gefahr mehr droht?

>>>wie die *von sich aus* zu ihren ehemaligen Tätern (aus
>>>unterschiedlichen Motiven heraus) Kontakt aufnahmen, ohne daß sich
>>>traumatische Rückfälle ereigneten.
>>
>>Derlei Beispiele sind nicht ungewöhnlich.
>
>Das freut mich zu hören.

Warum? Könnte es nicht sein, daß Betroffene nur deshalb in einer Ehe
mit bekanntem Tätertypus landeten, weil ein letztlich ins Frauenhaus
führendes Verhalten seit ihrer Kindheit für sie "normal", also noch
nicht aufgearbeitet ist? Ist gewiß, daß sich all das schadlos für die
Kinder ausgewirkt hat? Besteht ohne Aufarbeitung mit prof. Hilfe guter
Grund zu der Annahme, daß der nächste Versuch anders verlaufen wird?

>>Dennoch ist ohne
>>hinreichende Aufarbeitung leider kein ehemals oder noch schwer
>>traumatisierter Mensch damit auf der sicheren Seite. Neben der Gefahr
>>der schleichenden Chronifizierung
>
>"Chronifizierung"?

Um nicht noch mehr Romane zu produzieren, schau hier mal rein ...
http://www.google.de/search?q=trauma+chronifiziert&btnG=Google-Suche&hl=de&csr=lang_de

>In der Schule geschieht es gelegentlich, daß Schüler selbst bei den
>allerfriedlichsten Lehrern Amok laufen, weil durch irgendeine
>unscheinbare Handlung oder Äußerung Traumata aus der Familie
>reaktiviert wurden.

u.U. gehts um "Intrusionen", daß müßte aber prof. geklärt werden ...
http://www.google.de/search?hl=de&safe=off&q=trauma+intrusionen&btnG=Google-Suche&csr=lang_de

>>>Nun möchte ich noch folgendes festhalten:
>>>Ich bin nach wie vor der Meinung, daß es einen neutralen, nur durch
>>>Distanz bestimmten Standpunkt des Opfers zum Täter nicht gibt.
>>
>>Von "neutral" war meinerseits nicht die Rede.
>
>Ja, fiel mir auch inzwischen auf. Unter 'neutral' verstehe ich
>'letztlich unwichtig'.

Bloße Distanz reicht in der Tat oft nicht aus. Wenn der Betroffene
nach entsprechender Aufarbeitung für sich selbst sorgend zu einer
Lebensqualität ohne erhebliche gesundheitliche Einbußen findet, ist
der/die Täterin _als Quelle aktueller Frustrationen_ doch aber
tatsächlich "nicht mehr wichtig"?!

[Vergebung < > Haß]


>>gestellt. Wenn du dir andere Möglichkeiten nicht vorstellen kannst,
>>heißt das noch nicht, daß es dazwischen nichts geben kann. Wenn du
>>weiterführende Literaturempfehlungen dazu brauchst, sag Bescheid.
>
>Ja es würde mich interessieren, welche Ausschlußmöglichkeiten für
>Vergebung/Versöhnung neben Trauma, Furcht und Haß (und natürlich dem
>fehlenden Versöhnungswillen des Täters) IYO noch existieren.

Wie gesagt, es geht um eine weitere *Möglichkeit*, wie man sich aus
seiner Rolle als Opfer befreien *kann*, ohne sich deshalb versöhnen
oder zwingend Haßgefühle haben *zu müssen*.

Vorab: mir ist klar, daß einige nachstehende Begriffe verharmlosend
wirken können, es handelt sich hier auch nicht um Fachliteratur
speziell der Traumatologie (s.a. Fischer). Vermitteln läßt sich damit
aber sicher das Grundverständnis für o.g.:

Ok, also im Rahmen der Ärgerforschung unterscheiden Laux & Weber drei
grundlegende Beziehungen zwischen Ärger und Bewältigung:

1. Ärger geht dem Bewältigungsprozeß voraus. Ziel ist die Regulation
negativ erlebten Ärgers [...]

2. Ärgerreaktion und Bewältigung sind identisch. Bei funktionaler
Betrachtung dient das Ärgererleben auch der Bewältigung des
ärgerauslösenden Ereignisses (Novaco, 1976; Weber, 1994)

3. Bewältigung ist ein Mediator der Ärgerentstehung.
Bewältigungsprozesse bestimmen die Qualität und Intensität des Ärgers
(Lazarus & Folkmann, 1987)

Wenn also die Intensität des Ärgers bei "Haß" angesiedelt wird, sagt
das schon auch etwas über die aktuellen Bewältigungsmöglichkeiten aus,
wobei ich das nicht wertend verstanden haben möchte. Bewältigung von
fortgesetztem Mißbrauch/Mißhandlung in der Kindheit _ist_ nicht selten
ein langer Prozeß. Darüber hinaus nicht nur nach meinem Verständnis
ein Prozeß, der im Kontext gesellschaftlicher Rahmenbedingungen zu
betrachten ist: "Neben persönlichen Aspekten der Bewältigung solcher
Erfahrungen sollen erstmalig auch gesellschaftliche und kulturelle
Prozesse, wie zum Beispiel die Wertschätzung als Opfer, untersucht
werden.
http://psilab.educat.hu-berlin.de/newsticker/artikel.asp?nummer=4430
Aber das hier nur am Rande.

Erwähnt sei aber der Aspekt "Verantwortungszuschreibung und Ärger".
Ärger ist nach Averill (1983) nicht nur eine konflikthafte Emotion,
Ärger ist ein affektiver Schuldvorwurf gegen den Provokateur, der
allerdings nur entsteht, wenn man den Provokateur für seine Handlung
verantwortlich macht (Stufenskala). Nach Analysen von Schmitt et al.
(1991) zeigte sich nun, daß mit Abnahme der Verantwortungszuschreibung
auch die nach außen gerichtete Ärgerreaktion abnimmt, während das
Ausmaß der Ärgerkontrolle (in Abhängigkeit vom Ärgerbewältigungsstil)
zunimmt.

Wenn also ein Betroffener im Rahmen oder nach entsprechender
grundlegender Aufarbeitung zu dem Schluß kommt, daß sein/e Täter/in
wegen psychischer Störungen sich unfreiwillig/unkontrollierbar
schädigend verhalten hat, kann analog zu Schmitts Analyse die
Intensität des Zustandsärgers auf einer Stufenskala von 1 - 6 niedrig,
dürfte jedenfalls aber nicht hoch (wie bei Haß mit entsprechenden
Vergeltungswünschen) angesiedelt sein. Wenn wegen z.B. fehlender
Krankheitseinsicht oder mangels entspr. Auflagen der/die Täter/in sich
nicht behandeln läßt, kann aber wegen Fortsetzung dieses Verhaltens
dennoch Abstand geboten sein.

Das bei aller Länge dennoch sehr verkürzt und biologische
Vulnerabilitäten oder Intrusionen dabei außen vor.

Näheres bei
P. Schwenkmezger/G. Steffgen/D. Dusi
Umgang mit Ärger
Hogrefe Verlag
(Fachliteratur auf kognitiv-verhaltenstherapeutischer Grundlage)

Gruss
R.S.

Christian Günther

unread,
Mar 8, 2001, 4:42:08 PM3/8/01
to
Hallo Regina,

>>>Damit ist die Gefahr einer Retraumatisierung nicht nur latent,
>>>es ist leichtsinnig und für Betroffene u.U. gefährlich, ohne genaue
>>>Kenntnis und professionelles Hintergrundwissen hierzu anderen
>>>Ratschläge zu erteilen, den moralischen Zeigefinger zu zeigen oder
>>>täterzentrierte Suggestivfragen zu stellen. Hier geht es nämlich
>>>keineswegs nur um Gebote, sondern u.U. um eine existentielle
>>>Gesundheits- oder gar Uberlebensfrage.
>>
>>ACK. Für den Seelsorger wird die Frage nach Versöhnung erst akut, wenn
>>sicher steht, daß daraus für Betroffene keine Gefahr erwächst
>
>Mithilfe welcher Kriterien prüft ein Seelsorger für einen Dritten
>sicher, daß für den Betroffenen keine Gefahr mehr droht?

Hoho, das ist die Frage!

Das Hauptproblem besteht nach meiner Erfahrung, überhaupt erst einmal
zu realisieren, in welcher Lage sich sein Klient und er sich befinden,
wenn er ein Mißbrauchsopfer beseelsorgt. Denn in den seltensten Fällen
wird er mit den Worten empfangen: Herr Pfarrer, ich habe deshalb ein
so schlechtes Verhältnis zu meinem Vater, weil ich von ihm jahrelang
sexuell mißbraucht wurde.
Wenn diese Sache einmal geklärt ist, so wird jeder einigermaßen
verantwortungsbewußte Seelsorger sehr behutsam werden, zuhören,
zuhören, zuhören, seinen Klienten zu nichts drängen, und Ratschläge
nur erteilen, wenn er mit Fachleuten, die den Klienten kennen, zB
Psychologen, Rücksprache gehalten hat.
Wenn er merkt, daß es noch keine psychologische Betreuung für den
Klienten gab, wird er sich kundig machen, wo eine geeignete vorhanden
ist und seinem Klienten nahelegen, diese in Anspruch zu nehmen.

>>>>wie die *von sich aus* zu ihren ehemaligen Tätern (aus
>>>>unterschiedlichen Motiven heraus) Kontakt aufnahmen, ohne daß sich
>>>>traumatische Rückfälle ereigneten.
>>>
>>>Derlei Beispiele sind nicht ungewöhnlich.
>>
>>Das freut mich zu hören.
>
>Warum? Könnte es nicht sein, daß Betroffene nur deshalb in einer Ehe
>mit bekanntem Tätertypus landeten, weil ein letztlich ins Frauenhaus
>führendes Verhalten seit ihrer Kindheit für sie "normal", also noch
>nicht aufgearbeitet ist?

Ich kenne sowohl den Fall, daß ein mißbrauchtes Mädchen nymphomane
Züge an den Tag legte und mit 14 ihr erstes Kind bekam, als auch
Fälle, in denen die betroffenen Mädchen einen von ihrer Familie völlig
verschiedenen Lebensstil entwickelten und mit ihren ehemaligen Tätern
wiederaufnahmen.

>Ist gewiß, daß sich all das schadlos für die
>Kinder ausgewirkt hat?

Keine Ahnung. Ich weiß nur, daß in beiden von mir letztgenannten
Fällen mittlerweile fast 10 Jahren vergangen sind, ohne daß es zu
schweren traumatischen Rückfällen gekommen ist.

>Besteht ohne Aufarbeitung mit prof. Hilfe guter
>Grund zu der Annahme, daß der nächste Versuch anders verlaufen wird?

'Versuch'? Der Kontaktaufnahme?

>>"Chronifizierung"?
>
>Um nicht noch mehr Romane zu produzieren, schau hier mal rein ...
>http://www.google.de/search?q=trauma+chronifiziert&btnG=Google-Suche&hl=de&csr=lang_de
>

>u.U. gehts um "Intrusionen", daß müßte aber prof. geklärt werden ...
>http://www.google.de/search?hl=de&safe=off&q=trauma+intrusionen&btnG=Google-Suche&csr=lang_de

Danke für die Info.

>>>>Nun möchte ich noch folgendes festhalten:
>>>>Ich bin nach wie vor der Meinung, daß es einen neutralen, nur durch
>>>>Distanz bestimmten Standpunkt des Opfers zum Täter nicht gibt.
>>>
>>>Von "neutral" war meinerseits nicht die Rede.
>>
>>Ja, fiel mir auch inzwischen auf. Unter 'neutral' verstehe ich
>>'letztlich unwichtig'.
>
>Bloße Distanz reicht in der Tat oft nicht aus. Wenn der Betroffene
>nach entsprechender Aufarbeitung für sich selbst sorgend zu einer
>Lebensqualität ohne erhebliche gesundheitliche Einbußen findet, ist
>der/die Täterin _als Quelle aktueller Frustrationen_ doch aber
>tatsächlich "nicht mehr wichtig"?!

Doch, natürlich ist er/sie noch wichtig. Und natürlich kann jemand,
der sozusagen ein neues Leben begonnen hat, noch unter Intrusionen und
dergleichen leiden.

>[Vergebung < > Haß]


>>Ja es würde mich interessieren, welche Ausschlußmöglichkeiten für
>>Vergebung/Versöhnung neben Trauma, Furcht und Haß (und natürlich dem
>>fehlenden Versöhnungswillen des Täters) IYO noch existieren.
>
>Wie gesagt, es geht um eine weitere *Möglichkeit*, wie man sich aus
>seiner Rolle als Opfer befreien *kann*, ohne sich deshalb versöhnen
>oder zwingend Haßgefühle haben *zu müssen*.

BTW: Ich halte es für ausgeschlossen, sich aus einer Opferrolle heraus
(ob mit oder ohne Zwang) zur Versöhnung zu befreien.
Vergebung ist ein hoheitlicher Akt, während die Bitte um
Entschuldigung ein Art von Unterwerfung darstellt. Solange ich mich
ausschließlich als Opfer fühle, bin ich nicht zu einem hoheitlichen
Akt fähig.

Habe ich Dich richtig verstanden:
Ärgerbewältigung als Möglichkeit des Loslösens aus der Opferrolle,
ohne eine direkte Wiederaufnahme des Kontakts zum Täter (etwa durch
die 'Notwendigkeit' von Versöhnung)?

Gruß
Christian

Regina Sickel

unread,
Mar 8, 2001, 6:12:25 PM3/8/01
to
On Thu, 08 Mar 2001 21:42:08 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

>>Wie gesagt, es geht um eine weitere *Möglichkeit*, wie man sich aus
>>seiner Rolle als Opfer befreien *kann*, ohne sich deshalb versöhnen
>>oder zwingend Haßgefühle haben *zu müssen*.
>
>BTW: Ich halte es für ausgeschlossen, sich aus einer Opferrolle heraus
>(ob mit oder ohne Zwang) zur Versöhnung zu befreien.
>Vergebung ist ein hoheitlicher Akt, während die Bitte um
>Entschuldigung ein Art von Unterwerfung darstellt. Solange ich mich
>ausschließlich als Opfer fühle, bin ich nicht zu einem hoheitlichen
>Akt fähig.

Ok, die Argumente sind ausgetauscht, der Graben unüberwindlich.

>Habe ich Dich richtig verstanden:
>Ärgerbewältigung als Möglichkeit des Loslösens aus der Opferrolle,

<repeat>Wenn also ein Betroffener im Rahmen oder nach entsprechender
grundlegender Aufarbeitung ...


Machs gut
R.S.

Christian Günther

unread,
Mar 8, 2001, 6:30:35 PM3/8/01
to
Hallo Regina,

>>BTW: Ich halte es für ausgeschlossen, sich aus einer Opferrolle heraus
>>(ob mit oder ohne Zwang) zur Versöhnung zu befreien.
>>Vergebung ist ein hoheitlicher Akt, während die Bitte um
>>Entschuldigung ein Art von Unterwerfung darstellt. Solange ich mich
>>ausschließlich als Opfer fühle, bin ich nicht zu einem hoheitlichen
>>Akt fähig.
>
>Ok, die Argumente sind ausgetauscht, der Graben unüberwindlich.

Sorry, daß ich Dich nochmal behellige, aber ich sehe den
unüberwindlichen Graben nicht.

Gruß
Christian

Holger Bruns

unread,
Mar 9, 2001, 3:08:09 AM3/9/01
to

Der Graben besteht IMHO Darin, daß du die Vergebung als hohes Ideal
darstellst und implizit unterstellt, man habe vor Gott versagt, wenn
man nicht vergeben kann. Das sanktioniert die Traumatisierung
zusätzlich; egal, ob man das nicht packt, weil man sich noch in der
Opferrolle fühlt oder aus anderen Gründen. Ich lese aus deinen Zeilen
heraus, daß du nicht sehen willst, daß Vergebung auch Unterwerfung
sein kann - man bestätigt seinen Feinden, es sei richtig, von ihnen
verfolgt und gepeinigt zu werden. Das ist grausam.

Ich muß dir ehrlich sagen, daß mich der gravierende Mangel an Weisheit
an der christlichen Religionen am massivsten stört. Was man dort von
den Leuten fordert, ist menschenunmöglich. Das schrieb ich schon: Die
Feindesliebe läuft auf eine Paradoxie hinaus, denn wer seine Feinde
liebt, kann sich nur selbst hassen. Wer sich selbst haßt, kann nicht
lieben, denn lieben kann nur, wer sich selbst liebt.

Zweitens will ich an dieser Stelle nicht über das ewige Leben
spekulieren - aber soviel: Eine dauerhafte Traumatisierung bis in alle
Ewigkeit ist weit grausamer als ein Tod, der dir wenigstens bis in
alle Ewigkeit das Bewußtsein nimmt und damit auch jeden Schmerz.

Gut, das soll andererseits kein Plädoyer für den Freitod sein. Aber
ich will dir verraten, was nach meiner Meinung das einzige wirkliche
Heiligtum sein kann: Das menschliche Leben. Kein Jesus, keine Maria,
keine unbefleckte Empfängnis, keine Wiederauferstehung von den Toten,
kein Kruzifix: Das menschliche Leben ist heilig und sonst nichts.

Soweit ich Regina verstanden habe, geht es auch ihr um das Leben im
Diesseits und nicht um die Vorbereitung auf die Ewigkeit im irdischen
Jammertal. Es geht um Lebensqualität auch für Menschen, denen durch
die Traumatisierung diese Lebensqualität genommen wurde und nicht um
den Abgleich leider sehr dummer Jesus-Parolen mit der heutigen Welt.
Du willst das letztere, und das tut den Opfern von Gewalt noch
zusätzlich weh. Aber man muß Christ sein, um das zu übersehen. Anders
kann ich mir das nicht erklären. Und ich grübele immer noch, warum man
erst seit ein paar Jahrzehnten überhaupt wissen will, was Menschen
seelisch krank macht. Es hat offenbar irre lange gedauert, bis man die
Leute nicht mehr als vom Teufel besessene ansah, sondern als Opfer von
Gewalttaten, die ich auch im Falle einer fortgesetzten Mißhandlung der
eigenen Kinder durch ihre Eltern für ein Schwerverbrechen halte, das
dem sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen gleichgestellt sein muß,
denn die Auswirkungen auf das spätere Leben wiegen ähnlich schwer.

Holger

Ingrid Liebeler

unread,
Mar 9, 2001, 8:28:35 AM3/9/01
to
On Fri, 09 Mar 2001 08:08:09 GMT, hbr...@gmx.de (Holger Bruns) wrote:

>Der Graben besteht IMHO Darin, daß du die Vergebung als hohes Ideal
>darstellst und implizit unterstellt, man habe vor Gott versagt, wenn
>man nicht vergeben kann. Das sanktioniert die Traumatisierung
>zusätzlich; egal, ob man das nicht packt, weil man sich noch in der
>Opferrolle fühlt oder aus anderen Gründen. Ich lese aus deinen Zeilen
>heraus, daß du nicht sehen willst, daß Vergebung auch Unterwerfung
>sein kann - man bestätigt seinen Feinden, es sei richtig, von ihnen
>verfolgt und gepeinigt zu werden. Das ist grausam.

"Und vergib' uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unsern
Schuldigern."

Schliesslich bitten wir Gott ja auch um Vergebung ...

>Ich muß dir ehrlich sagen, daß mich der gravierende Mangel an Weisheit
>an der christlichen Religionen am massivsten stört. Was man dort von
>den Leuten fordert, ist menschenunmöglich. Das schrieb ich schon: Die
>Feindesliebe läuft auf eine Paradoxie hinaus, denn wer seine Feinde
>liebt, kann sich nur selbst hassen. Wer sich selbst haßt, kann nicht
>lieben, denn lieben kann nur, wer sich selbst liebt.

Seinerzeit als ich noch Psychologie studierte und selbst
Psychotherapie machte wegen meiner Depressionen, lernte ich.
dass nur der(jenige) lieben koenne, der sich selbst lieben kann ...

"Und liebe deinen Naechsten wie dich selbst".

Negativ aber ist die Eigenliebe, der Narzissmus (Selbstliebe),
d.h. jemand, der _nur_ sich selbst liebt und immer/stets den eigenen
Vorteil im Auge hat.

Was ist Selbstlosigkeit (Uneigennuetzigkeit)?

Da lobe ich mir doch den BUDDHISMUS, wo/bei dem es gar kein
Selbst gibt ...

>Du willst das letztere, und das tut den Opfern von Gewalt noch
>zusätzlich weh. Aber man muß Christ sein, um das zu übersehen. Anders
>kann ich mir das nicht erklären. Und ich grübele immer noch, warum man
>erst seit ein paar Jahrzehnten überhaupt wissen will, was Menschen
>seelisch krank macht. Es hat offenbar irre lange gedauert, bis man die
>Leute nicht mehr als vom Teufel besessene ansah, sondern als Opfer von
>Gewalttaten, die ich auch im Falle einer fortgesetzten Mißhandlung der
>eigenen Kinder durch ihre Eltern für ein Schwerverbrechen halte, das
>dem sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen gleichgestellt sein muß,
>denn die Auswirkungen auf das spätere Leben wiegen ähnlich schwer.

Na ja, also ich glaube an Karma und Reinkarnation und erklaere mir das
Leid(en) aus dieser Sicht, will heisen: dass der Mensch erntet was er
gesaet hat ...

Ingrid

Christian Günther

unread,
Mar 9, 2001, 11:41:45 AM3/9/01
to
Hallo Holger,

>>>Ok, die Argumente sind ausgetauscht, der Graben unüberwindlich.
>>
>>Sorry, daß ich Dich nochmal behellige, aber ich sehe den
>>unüberwindlichen Graben nicht.
>
>Der Graben besteht IMHO Darin, daß du die Vergebung als hohes Ideal
>darstellst und implizit unterstellt, man habe vor Gott versagt, wenn
>man nicht vergeben kann.

Nie habe ich das explizit oder implizit unterstellt. Ich habe _im
Gegenteil_ geschrieben, daß der, der nicht vergeben *kann*, es auch
*nicht versuchen sollte*, weil dann genau das herauskommst, was Du mir
unterstellst, sondern daß Leute, die nicht vergeben *können*, IMHO
nach der Terminologie der Bergpredigt aufgrund ihres Leides
seliggesprochen (zB Mt 5,4) und moralisch somit in jeder Hinsicht
entlastet sind!

>Das sanktioniert die Traumatisierung
>zusätzlich; egal, ob man das nicht packt, weil man sich noch in der
>Opferrolle fühlt oder aus anderen Gründen. Ich lese aus deinen Zeilen
>heraus, daß du nicht sehen willst, daß Vergebung auch Unterwerfung
>sein kann

Kann es auch nicht. Wenn ich vergebe, verzichte ich auf einen Anspruch
(nämlich den, meinen Schuldiger weiterhin als Schuldiger zu
betrachten). Das ist ein Hoheitsakt, gleich einem Bill Clinton, der
einen Steuerbetrüger amnestiert.

>- man bestätigt seinen Feinden, es sei richtig, von ihnen
>verfolgt und gepeinigt zu werden. Das ist grausam.

Ich bitte Dich: Zitiere mich, zeige mir, wo ich einen solchen Unsinn
geschrieben habe!

>Ich muß dir ehrlich sagen, daß mich der gravierende Mangel an Weisheit
>an der christlichen Religionen am massivsten stört. Was man dort von
>den Leuten fordert, ist menschenunmöglich. Das schrieb ich schon: Die
>Feindesliebe läuft auf eine Paradoxie hinaus, denn wer seine Feinde
>liebt, kann sich nur selbst hassen. Wer sich selbst haßt, kann nicht
>lieben, denn lieben kann nur, wer sich selbst liebt.

Das ist jetzt eine andere Baustelle. Hier nur so viel: Jesus fordert
dies von dem, der im Sinne einer Werkgerechtigkeit *perfekt* sein
will. Ich zB kann es nicht und will es auch nicht. Wenn es so schwer
ist, durch die Vordertür ins Gottesreich zu gelangen, konzentriere ich
mich lieber darauf, durch den Hintereingang hineinzukommen.

>Zweitens will ich an dieser Stelle nicht über das ewige Leben
>spekulieren -

OK, ich auch nicht.

[...]

>Soweit ich Regina verstanden habe, geht es auch ihr um das Leben im
>Diesseits und nicht um die Vorbereitung auf die Ewigkeit im irdischen
>Jammertal. Es geht um Lebensqualität auch für Menschen, denen durch
>die Traumatisierung diese Lebensqualität genommen wurde und nicht um
>den Abgleich leider sehr dummer Jesus-Parolen mit der heutigen Welt.

Mal abgesehen von Deiner IMHO nicht zutreffenden Wertung kann ich
nicht erkennen, daß irgendeine der von Dir aufgestellten Alternativen
[Vorbereitung auf die Ewigkeit contra Lebensqualität im Diesseits;
dumme Jesuanische Versöhnungs-Parolen contra Lebensqualität]
berechtigt ist. IMHO ergänzen sich diese Dinge.

Aber nochmal zu Reginas Posting, das mir wirklich ganz unverständlich
ist:
Sie schrieb:


>>>Wie gesagt, es geht um eine weitere *Möglichkeit*, wie man sich aus
>>>seiner Rolle als Opfer befreien *kann*, ohne sich deshalb versöhnen
>>>oder zwingend Haßgefühle haben *zu müssen*.

Du wirfst mir vor, bei den ungeeignetsten Gelegenheiten von Versöhnung
daherzuschwatzen. Dabei hat *sie* dies, wie oben nachzulesen, selbst
thematisiert. Dabei betrachtete *sie* Versöhnung als einen möglichen
Weg, aus der Opferrolle herauszukommen.

Nach der langen Diskussion, die wir über die Verarbeitung
traumatischer Erlebnisse geführt hatten, mußte ich mich darüber doch
sehr wundern.
Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, daß Versöhnung nach
traumatischen Erfahrungen von Gewalt und Mißbrauch erst *möglich
werde*, wenn
a) eine Bewältigung stattgefunden habe,
b) Rückfälle weitgehend auszuschließen seien,
c) jegliche Gefährdung durch ehemalige Täter auszuschließen seien
- kurz gesagt, *wenn sich das Opfer aus seiner Opferrolle definitiv
gelöst habe* -
d) eine aufrichtige Bitte um Entschuldigung durch den ehemaligen Täter
vorliege.

Und selbst dann gibt es keinen Täter-Anspruch auf Vergebung.

Ich antwortete:


>>BTW: Ich halte es für ausgeschlossen, sich aus einer Opferrolle heraus
>>(ob mit oder ohne Zwang) zur Versöhnung zu befreien.
>>Vergebung ist ein hoheitlicher Akt, während die Bitte um
>>Entschuldigung ein Art von Unterwerfung darstellt. Solange ich mich
>>ausschließlich als Opfer fühle, bin ich nicht zu einem hoheitlichen
>>Akt fähig.

Also, im Gegensatz zu dem, was Du mir zu unterstellen scheinst, wollte
ich nicht wahllos mit dem Vergebungs-Hammer um mich hauen, sondern
vielmehr vor einem womöglich leichtfertigen Griff zur Versöhnung als
Alternative zur Äger-Bewältigung der Opferrolle warnen: Wer sich noch
als Opfer fühlt, sollte nicht vergeben, denn er *kann* nicht vergeben.

>Du willst das letztere, und das tut den Opfern von Gewalt noch
>zusätzlich weh. Aber man muß Christ sein, um das zu übersehen.
>Anders
>kann ich mir das nicht erklären. Und ich grübele immer noch, warum man
>erst seit ein paar Jahrzehnten überhaupt wissen will, was Menschen
>seelisch krank macht. Es hat offenbar irre lange gedauert, bis man die
>Leute nicht mehr als vom Teufel besessene ansah, sondern als Opfer von
>Gewalttaten, die ich auch im Falle einer fortgesetzten Mißhandlung der
>eigenen Kinder durch ihre Eltern für ein Schwerverbrechen halte, das
>dem sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen gleichgestellt sein muß,
>denn die Auswirkungen auf das spätere Leben wiegen ähnlich schwer.

Jetzt muß ich Dir Projektion vorwerfen. Aber bitte zitiere mich, damit
ich erkenne, daß ich Deinem Bild von mir entspreche.

Gruß
Christian,

immer noch schwer dabei, die ergotherapeutische Verarbeitung
traumatischer Usenet-Erfahrungen zum Schluß zu bringen.

Regina Sickel

unread,
Mar 9, 2001, 2:34:23 PM3/9/01
to
On Fri, 09 Mar 2001 08:08:09 GMT,hbr...@gmx.de (Holger Bruns) wrote:

>gund...@t-online.de (Christian Günther) wrote:
>>>>BTW: Ich halte es für ausgeschlossen, sich aus einer Opferrolle heraus
>>>>(ob mit oder ohne Zwang) zur Versöhnung zu befreien.
>>>>Vergebung ist ein hoheitlicher Akt, während die Bitte um
>>>>Entschuldigung ein Art von Unterwerfung darstellt. Solange ich mich
>>>>ausschließlich als Opfer fühle, bin ich nicht zu einem hoheitlichen
>>>>Akt fähig.
>>>
>>>Ok, die Argumente sind ausgetauscht, der Graben unüberwindlich.
>>
>>Sorry, daß ich Dich nochmal behellige, aber ich sehe den
>>unüberwindlichen Graben nicht.
>
>Der Graben besteht IMHO Darin, daß du die Vergebung als hohes Ideal
>darstellst

Hallo Holger,

Vergebung scheint mir eher Mittel zum Zweck zu sein, denn oben ist nun
offenbar geworden, was diese Scheindiskussion hier soll, in der
Ergebnisse doch längst feststehen, wo rumgedeutelt und sinnentstellt
wird, daß sich die Balken biegen: es geht um die Versöhnung mit dem
Täter. Man muß sich den Satz mal auf der Zunge zergehen lassen "sich
... zur Versöhnung zu befreien". Heißt im Umkehrschluß: Keine
Befreiung ohne Versöhnung.

Dann ist natürlich klar, warum mein Fokus auf Gesundheit und
Autonomiebestrebungen im Sinne von Lebensqualität und sozialer
Teilhabe des Betroffenen immer wieder umgedeutet wird. Es muß
Abhängigkeit kontruiert werden. Die Opferrolle wird als Druckmittel
gebraucht für die Drohgebärde "Versöhnst du dich nicht mit dem Täter,
bleibst du Opfer." Eine aus meiner Sicht perfide Haltung, die unter
dem Mäntelchen der g*ttlichen Liebe vorgibt, am Wohl des Geschädigten
interessiert zu sein, selbst wenn das Ergebnis die Wiederherstellung
alter Machtstrukturen und der Preis Leben und Gesundheit ist.

>und implizit unterstellt, man habe vor Gott versagt, wenn
>man nicht vergeben kann. Das sanktioniert die Traumatisierung
>zusätzlich; egal, ob man das nicht packt, weil man sich noch in der
>Opferrolle fühlt oder aus anderen Gründen. Ich lese aus deinen Zeilen
>heraus, daß du nicht sehen willst, daß Vergebung auch Unterwerfung
>sein kann - man bestätigt seinen Feinden, es sei richtig, von ihnen
>verfolgt und gepeinigt zu werden. Das ist grausam.

Ein kluger Mensch hat einmal gesagt, es gäbe drei Grundformen
menschlicher Transaktionen: Drohsystem - Tauschsystem - Liebe

Ich denke, ich muß das im Zusammenhang mit dieser Diskussion hier
nicht weiter ausführen.

>Ich muß dir ehrlich sagen, daß mich der gravierende Mangel an Weisheit
>an der christlichen Religionen am massivsten stört. Was man dort von
>den Leuten fordert, ist menschenunmöglich.

Wie meinte noch Drewermann: Die Kirche muß sich entscheiden, ob sie
autoritär oder humanistisch sein will.

>Das schrieb ich schon: Die
>Feindesliebe läuft auf eine Paradoxie hinaus, denn wer seine Feinde
>liebt, kann sich nur selbst hassen.

Ich denke, das Problem dahinter ist vielen nicht klar, denn bis zu
einem bestimmten Alter kann ein Kleinkind gar nicht anders, als die
Rückmeldungen seiner engsten und oft einzigen Bezugspersonen als wahr
zu verinnerlichen. Womit die Haltung der Eltern zum Kind sein
Selbstbild bestimmt, sofern die Individuation überhaupt gelingt.

>Wer sich selbst haßt, kann nicht
>lieben, denn lieben kann nur, wer sich selbst liebt.

So ist es. Was Eltern nicht geleistet haben, muß der Betroffene später
für sich selbst tun mit Unterstützung anderer Menschen und neuen
Erfahrungen. Ich weiß leider auch nicht, warum die naive Vorstellung
so verbreitet ist, Eltern, die ihre Kinder nicht lieben konnten,
könnten es später, Eltern, die mißbraucht und mißhandelt hätten, täten
es später nicht mehr.

>Soweit ich Regina verstanden habe, geht es auch ihr um das Leben im
>Diesseits und nicht um die Vorbereitung auf die Ewigkeit im irdischen
>Jammertal. Es geht um Lebensqualität auch für Menschen, denen durch
>die Traumatisierung diese Lebensqualität genommen wurde

Danke, ich fühle mich verstanden, denn darum geht es. Um
Lebensqualität für Betroffene, um Gesundheit, um gesellschaftliche
Teilhabe, um Autonomie und nicht um Wiederholungszwang.

>kann ich mir das nicht erklären. Und ich grübele immer noch, warum man
>erst seit ein paar Jahrzehnten überhaupt wissen will, was Menschen
>seelisch krank macht.

Meine Meinung: Wer das Schicksal Dritter ohne Rücksicht auf Verluste
zwanghaft in ein verinnerlichtes Formelwerk pressen muss, der kann
Menschen nicht offen begegnen. Denn wo ideologisches Formelwerk das
Denken beherrscht, wird gefiltert. Da muß "Zuhören" zur Selektion und
Umdeutung von Informationen verkommen, damit sie ins Formelwerk
passen. Das ist nicht menschenfreundlich, sondern menschenfeindlich.
Und deshalb: wenn ich nicht bereits vor über 20 Jahren aus der Kirche
ausgetreten wäre, ich würde es jetzt tun.

Grüsse
resi


Ingrid Liebeler

unread,
Mar 10, 2001, 5:48:25 AM3/10/01
to
Hallo Regina,

mir gefaellt was Du schreibst.

On Fri, 09 Mar 2001 20:34:23 +0100, Regina Sickel
<sic...@attglobal.net> wrote:

[...] snip

>Wie meinte noch Drewermann: Die Kirche muß sich entscheiden, ob sie
>autoritär oder humanistisch sein will.
>
>>Das schrieb ich schon: Die
>>Feindesliebe läuft auf eine Paradoxie hinaus, denn wer seine Feinde
>>liebt, kann sich nur selbst hassen.
>
>Ich denke, das Problem dahinter ist vielen nicht klar, denn bis zu
>einem bestimmten Alter kann ein Kleinkind gar nicht anders, als die
>Rückmeldungen seiner engsten und oft einzigen Bezugspersonen als wahr
>zu verinnerlichen. Womit die Haltung der Eltern zum Kind sein
>Selbstbild bestimmt, sofern die Individuation überhaupt gelingt.
>
>>Wer sich selbst haßt, kann nicht
>>lieben, denn lieben kann nur, wer sich selbst liebt.
>
>So ist es. Was Eltern nicht geleistet haben, muß der Betroffene später
>für sich selbst tun mit Unterstützung anderer Menschen und neuen
>Erfahrungen. Ich weiß leider auch nicht, warum die naive Vorstellung
>so verbreitet ist, Eltern, die ihre Kinder nicht lieben konnten,
>könnten es später, Eltern, die mißbraucht und mißhandelt hätten, täten
>es später nicht mehr.

Nun das habe ich, mittlerweile 44 Jahre alt geworden, inzwischen
begriffen. BTW: Ich habe mir im Alter von 23 Jahren versucht, das
Leben zu nehmen ... Meine Eltern und ich haben Familientherapie
gemacht - erfolgreich! ;-)

Es ist doch so: Erst muss man sich von den Eltern befreien, innerlich,
psychisch. Dann geht man seinen eigenen Weg und bildet neue eigene
Werte und eigene Vorstellungen und Ansichten. Manchmal kommt es
dabei sogar zum Bruch mit den Eltern, leider oftmals zum radikalen und
endgueltigen, was ich als schlimm, traurig und bedauernswert empfinde,
denn man sollte auch verzeihen, vergessen und vergeben koennen.
Manchen gelingt aber wieder eine Annaeherung an die Eltern, und das
ist schoen und erfreulich. Radikal habe ich mich nie getrennt, geloest
von ihnen, ich lebe sogar nach wie vor im Elternhaus und bin unver-
heiratet und habe auch kein Kind(er). Na ja und ich werde bereits "45"
im Sommer ... Was ich aber sagen will, ist, man KANN ihnen verzeihen,
indem man sich klar macht, dass sie ja schliesslich auch nur MENSCHEN
sind ... Und sie waren ja auch einmal Kind und haben selbst durch ihre
Eltern oder andere Erziehungsfiguren Traumatisierendes erlebt ...
Oft gehen gewisse Probleme ueber Generationen ... Doch auch Eltern
koennen einsichtig werden und sich gewissermassen als oder fuer
schuldig bekennen und aufrichtig bereuen, was sie falsch gemscht
haben bei ihren Kindern. Nun kann die Vergebung von oder auf Seiten
der Kinder erfolgen, die Nachsicht zeigen und Verstaendnis fuer die
Probleme der Eltern aufbringen koennen.
Mein Bruder ist Psychoanalytischer Therapeut fuer Kinder und
Jugendliche. Er hat fuenf Jahre lang eine Lehranalyse (an sich oder
bei sich selbst) durchlaufen ... An und bei ihm konnte ich sehr gut
beobachten, wie er sich innerlich von den Eltern befreite, um dann so
mit Vierzig sich ihnen wieder anzunaehern, indem er ihnen verzieh
und eben Verstaendnis fuer _ihre_ (deren) Probleme aufbrachte ...
Und heute, er wird bereits "52" im Mai, die Mutter wird "77" und der
Vater ist "86" haben wir ein sehr schoenes Verhaeltnis miteinander,
es gibt kaum mehr Streit, und wenn dann nur wegen Kleinigkeiten.
Der Vater, da er so alt geworden ist, hatte im Ruhestand seine eigene
Kindheit aufarbeiten koennen, und inzwischen hat er Abschied nehmen
muessen von drei Geschwistern, die leider bereits verstorben sind.
Sie waren bei ihm zu Hause fuenf Kinder, drei Maedchen und zwei
Jungen/Buben. Bescheidene Verhaeltnisse, keine Akademiker.
Meine Mutter hat keine Geschwister. Ihre Mutter ist sechs Jahre
nach der Geburt meiner Mutter im Alter von 23 Jahren an einer
Embolie verstorben. So ab dem Alter von vier bis sieben Jahren
hat meine Mutter dann eine Stiefmutter bekommen, die vor 12 Jahren
verstorben ist. Der Vater bereits 1965. Meine Mutter ist Jahrgang'24.

>>Soweit ich Regina verstanden habe, geht es auch ihr um das Leben im
>>Diesseits und nicht um die Vorbereitung auf die Ewigkeit im irdischen
>>Jammertal. Es geht um Lebensqualität auch für Menschen, denen durch
>>die Traumatisierung diese Lebensqualität genommen wurde

Was soll denn das mit der Ewigkeit im irdischen Jammertal?
Weder gibt es diese, eine solche noch das Paradies auf Erden.

>Danke, ich fühle mich verstanden, denn darum geht es. Um
>Lebensqualität für Betroffene, um Gesundheit, um gesellschaftliche
>Teilhabe, um Autonomie und nicht um Wiederholungszwang.

Ja sicher.

>>kann ich mir das nicht erklären. Und ich grübele immer noch, warum man
>>erst seit ein paar Jahrzehnten überhaupt wissen will, was Menschen
>>seelisch krank macht.

;-)

>Meine Meinung: Wer das Schicksal Dritter ohne Rücksicht auf Verluste
>zwanghaft in ein verinnerlichtes Formelwerk pressen muss, der kann
>Menschen nicht offen begegnen. Denn wo ideologisches Formelwerk das
>Denken beherrscht, wird gefiltert. Da muß "Zuhören" zur Selektion und
>Umdeutung von Informationen verkommen, damit sie ins Formelwerk
>passen. Das ist nicht menschenfreundlich, sondern menschenfeindlich.
>Und deshalb: wenn ich nicht bereits vor über 20 Jahren aus der Kirche
>ausgetreten wäre, ich würde es jetzt tun.

Nun ja, ich kann das durchaus verstehen, doch man muss ja nicht
unbedingt aus der Kirche austreten ... Ich bin evangelisch und habe
mein letztes Abendmahl bei meiner Konfirmation 1970 eingenommen
oder besser: daran teilgenommen ... Ich gehe nie in die Kirche, glaube
durchaus aber an den Gott der Liebe und Barmherzigkeit,

Ingrid


Christian Günther

unread,
Mar 10, 2001, 8:09:05 AM3/10/01
to
Hallo Regina,

>>gund...@t-online.de (Christian Günther) wrote:
>>>>>BTW: Ich halte es für ausgeschlossen, sich aus einer Opferrolle heraus
>>>>>(ob mit oder ohne Zwang) zur Versöhnung zu befreien.
>>>>>Vergebung ist ein hoheitlicher Akt, während die Bitte um
>>>>>Entschuldigung ein Art von Unterwerfung darstellt. Solange ich mich
>>>>>ausschließlich als Opfer fühle, bin ich nicht zu einem hoheitlichen
>>>>>Akt fähig.
>>>>
>>>>Ok, die Argumente sind ausgetauscht, der Graben unüberwindlich.
>>>
>>>Sorry, daß ich Dich nochmal behellige, aber ich sehe den
>>>unüberwindlichen Graben nicht.
>>
>>Der Graben besteht IMHO Darin, daß du die Vergebung als hohes Ideal
>>darstellst
>
>Hallo Holger,
>
>Vergebung scheint mir eher Mittel zum Zweck zu sein, denn oben ist nun
>offenbar geworden, was diese Scheindiskussion hier soll, in der
>Ergebnisse doch längst feststehen, wo rumgedeutelt und sinnentstellt
>wird, daß sich die Balken biegen: es geht um die Versöhnung mit dem
>Täter. Man muß sich den Satz mal auf der Zunge zergehen lassen "sich
>... zur Versöhnung zu befreien". Heißt im Umkehrschluß: Keine
>Befreiung ohne Versöhnung.

Oh, Tschulligung, da habe ich mich wirklich verschrieben. Ersetze
'zur' durch 'per'.
Komisch, daß Dir das nicht aufgefallen ist. So wie Du es
interpretierst, steht es ja im Widerspruch zu allem anderen, was ich
geschrieben habe. Aber nein, statt einer Nachfrage schlägt die
Projektion jetzt voll zu.

>Dann ist natürlich klar, warum mein Fokus auf Gesundheit und
>Autonomiebestrebungen im Sinne von Lebensqualität und sozialer
>Teilhabe des Betroffenen immer wieder umgedeutet wird. Es muß

>Abhängigkeit kontruiert werden. [...]

>Meine Meinung: Wer das Schicksal Dritter ohne Rücksicht auf Verluste
>zwanghaft in ein verinnerlichtes Formelwerk pressen muss, der kann
>Menschen nicht offen begegnen. Denn wo ideologisches Formelwerk das
>Denken beherrscht, wird gefiltert. Da muß "Zuhören" zur Selektion und
>Umdeutung von Informationen verkommen, damit sie ins Formelwerk
>passen. Das ist nicht menschenfreundlich, sondern menschenfeindlich.
>Und deshalb: wenn ich nicht bereits vor über 20 Jahren aus der Kirche
>ausgetreten wäre, ich würde es jetzt tun.

Nicht gerade ein Ruhmesblatt für die therapeutische Branche.
Vielleicht bleibe ich da lieber Theologe. :-(

Gruß
Christian

Regina Sickel

unread,
Mar 11, 2001, 7:00:59 AM3/11/01
to
On Sat, 10 Mar 2001 13:09:05 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

Hallo Christian,

>Regina Sickel <sic...@attglobal.net> wrote:
>>On Fri, 09 Mar 2001 08:08:09 GMT,hbr...@gmx.de (Holger Bruns) wrote:
>>kann ich mir das nicht erklären. Und ich grübele immer noch, warum man
>>erst seit ein paar Jahrzehnten überhaupt wissen will, was Menschen
>>seelisch krank macht.
>

>>Meine Meinung: Wer das Schicksal Dritter ohne Rücksicht auf Verluste
>>zwanghaft in ein verinnerlichtes Formelwerk pressen muss, der kann
>>Menschen nicht offen begegnen. Denn wo ideologisches Formelwerk das
>>Denken beherrscht, wird gefiltert. Da muß "Zuhören" zur Selektion und
>>Umdeutung von Informationen verkommen, damit sie ins Formelwerk
>>passen. Das ist nicht menschenfreundlich, sondern menschenfeindlich.
>>Und deshalb: wenn ich nicht bereits vor über 20 Jahren aus der Kirche
>>ausgetreten wäre, ich würde es jetzt tun.
>
>Nicht gerade ein Ruhmesblatt für die therapeutische Branche.

Hm. Spricht das jetzt für deinen kreativen Reichtum oder für meine
Überzeugungskraft, daß du mich in so kurzer Zeit zum Branchenvertreter
der therapeutischen Zunft beförderst? Wie dem auch sei, Christian,
begründete Gegenargumente ziehe ich deutlich vor. Btw: es ging hier
nicht um Ruhm, sondern immer noch um Gesundheit und damit
Lebensqualität für ehemals mißbrauchte und mißhandelte Kinder.

>Vielleicht bleibe ich da lieber Theologe. :-(

So sorry, wenn dich das traurig macht. Da ich zum Missionar nicht
tauge und mir das Prinzip 'Selbstverantwortung' heilig ist, kann ich
dir den Zweifel aber leider nicht nehmen.

Gruss
R.S.
--
"Meinungsfreiheit ist sicherlich gefährlich, aber jeder Versuch, sie
zu beschränken, ist noch gefährlicher."
Reporter ohne Grenzen: http://www.rsf.fr/uk/html/internet/ennemis.html

Regina Sickel

unread,
Mar 11, 2001, 7:19:22 AM3/11/01
to
On Sat, 10 Mar 2001 10:48:25 GMT,Liebeler-...@t-online.de
(Ingrid Liebeler) wrote:

Hallo Ingrid,


>
>mir gefaellt was Du schreibst.

Das freut mich.

>>Regina Sickel <sic...@attglobal.net> wrote:


>>>Holger Bruns wrote:
>>>Das schrieb ich schon: Die
>>>Feindesliebe läuft auf eine Paradoxie hinaus, denn wer seine Feinde
>>>liebt, kann sich nur selbst hassen.
>>
>>Ich denke, das Problem dahinter ist vielen nicht klar, denn bis zu
>>einem bestimmten Alter kann ein Kleinkind gar nicht anders, als die
>>Rückmeldungen seiner engsten und oft einzigen Bezugspersonen als wahr
>>zu verinnerlichen. Womit die Haltung der Eltern zum Kind sein
>>Selbstbild bestimmt, sofern die Individuation überhaupt gelingt.
>>
>>>Wer sich selbst haßt, kann nicht
>>>lieben, denn lieben kann nur, wer sich selbst liebt.
>>
>>So ist es. Was Eltern nicht geleistet haben, muß der Betroffene später
>>für sich selbst tun mit Unterstützung anderer Menschen und neuen
>>Erfahrungen. Ich weiß leider auch nicht, warum die naive Vorstellung
>>so verbreitet ist, Eltern, die ihre Kinder nicht lieben konnten,
>>könnten es später, Eltern, die mißbraucht und mißhandelt hätten, täten
>>es später nicht mehr.
>
>Nun das habe ich, mittlerweile 44 Jahre alt geworden, inzwischen
>begriffen. BTW: Ich habe mir im Alter von 23 Jahren versucht, das
>Leben zu nehmen ... Meine Eltern und ich haben Familientherapie
>gemacht - erfolgreich! ;-)

Schön, daß es auch solche Beispiele gibt, wenngleich mir leider keine
weiteren Beispiele dieser Art bekannt sind, sofern es im Vorfeld
unstrittig um dauerhaften Mißbrauch oder um Mißhandlung - körperliche
wie emotionale - seit der frühen Kindheit ging. Kennst du solche
Beispiele?

>Es ist doch so: Erst muss man sich von den Eltern befreien, innerlich,
>psychisch. Dann geht man seinen eigenen Weg und bildet neue eigene
>Werte und eigene Vorstellungen und Ansichten.

ACK, wobei ein später erarbeitetes Selbstvertrauen Stabilität braucht
und deutlich schneller zu erschüttern ist als bei einem in dieser
Hinsicht unbelasteten "Kind".

>Manchmal kommt es
>dabei sogar zum Bruch mit den Eltern, leider oftmals zum radikalen und
>endgueltigen, was ich als schlimm, traurig und bedauernswert empfinde,
>denn man sollte auch verzeihen, vergessen und vergeben koennen.

Ingrid, so erfreulich deine eigenen Erfahrungen sind: muß man nicht in
jedem einzelnen Fall individuell hinsehen, _warum_ es zum endgültigen
Bruch gekommen ist? Mir ist leider nicht klar, warum meist wie
selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß die Kinder der
entscheidende Part wären und daher selbstverständlich sie entsprechend
auch "verzeihen, vergessen und vergeben können" müßten. Ich komme hier
zurück auf den an früherer Stelle schon mal erwähnten und nicht zu
vernachlässigenden Aspekt zurück, daß die meisten mir bekannten
Familiensysteme ausgrenzend auf die Aufarbeitungs- bzw.
Autonomiebestrebungen ihrer erwachsenen Kinder reagieren, wenn es
tatsächlich ein dunkles Familiengeheimnis zu hüten gilt.

Diesen Punkt zu vernachlässigen hieße, den manchmal für das ganze
Leben gesundheitlich geschädigten Kindern zusätzlich Schuld aufzuladen
oder daraus künstlich Unfreiheit konstruieren zu müssen, weil sie es
wagen, in Schwerstarbeit das nachzuholen, was eigentlich Aufgabe der
Eltern gewesen wäre. Was sollen also z.B. "Kinder" machen, wenn ihnen
die einzige Chance, die sie noch haben, wenn sie sich also prof.
helfen lassen, als unverzeihliche Illoyalität angelastet wird? Wenn
sie quasi vor die Wahl gestellt werden, entweder du oder ich/wir? Mit
diesem impliziten "entweder du oder ich/wir" - und auf diesem Klavier
kann man viele häßliche Stücke spielen - verzeihen doch in Wahrheit
die Schädiger dem Geschädigten nicht, daß er endlich leben will, daß
er geliebt werden will, daß er gesund werden will, daß er sich
zwangsläufig wie jeder Pubertierende von seiner Familie lösen muß. Mit
dem Unterschied, daß im normalen Pubertätsverlauf sich ein Kind
entfernen und wieder zurückkehren kann. In pathologisch gestörten
Familiensystemen dagegen wird das (aus gutem Grunde) nicht geduldet,
wird Symbiose gefordert, wird Autonomie behindert, wird Autonomie als
Verrat interpretiert.

Was genau also sollte ein Geschädigter in solcher Situation verzeihen,
vergessen und vergeben koennen? Dass ihm ein eigenes, menschenwürdiges
Leben verwehrt wird, sollte er seine Familie behalten wollen?

Ein weiterer Aspekt, der mir ebenfalls stets wie selbstverständlich
vorausgesetzt zu werden scheint, ist "Versöhnung" als erstrebenswertes
Ziel per se. Müssen dazu nicht emotionale Bindungen im positiven Sinne
bestanden haben, die über reine Abhängigkeit hinaus gingen?

Gruesse
R.S.

Regina Sickel

unread,
Mar 11, 2001, 7:20:42 AM3/11/01
to
On Sat, 10 Mar 2001 13:09:05 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

>>>gund...@t-online.de (Christian Günther) wrote:
>>>>>>BTW: Ich halte es für ausgeschlossen, sich aus einer Opferrolle heraus
>>>>>>(ob mit oder ohne Zwang) zur Versöhnung zu befreien.
>>>>>>Vergebung ist ein hoheitlicher Akt, während die Bitte um
>>>>>>Entschuldigung ein Art von Unterwerfung darstellt. Solange ich mich
>>>>>>ausschließlich als Opfer fühle, bin ich nicht zu einem hoheitlichen
>>>>>>Akt fähig.
>>>>>
>>>>>Ok, die Argumente sind ausgetauscht, der Graben unüberwindlich.
>>>>
>>>>Sorry, daß ich Dich nochmal behellige, aber ich sehe den
>>>>unüberwindlichen Graben nicht.
>>>
>>>Der Graben besteht IMHO Darin, daß du die Vergebung als hohes Ideal
>>>darstellst
>>

>>Vergebung scheint mir eher Mittel zum Zweck zu sein, denn oben ist nun
>>offenbar geworden, was diese Scheindiskussion hier soll, in der
>>Ergebnisse doch längst feststehen, wo rumgedeutelt und sinnentstellt
>>wird, daß sich die Balken biegen: es geht um die Versöhnung mit dem
>>Täter. Man muß sich den Satz mal auf der Zunge zergehen lassen "sich
>>... zur Versöhnung zu befreien". Heißt im Umkehrschluß: Keine
>>Befreiung ohne Versöhnung.
>
>Oh, Tschulligung, da habe ich mich wirklich verschrieben. Ersetze
>'zur' durch 'per'.

Wozu? Die damit willkürlich konstruierte Abhängigkeit bleibt erhalten.

>Komisch, daß Dir das nicht aufgefallen ist. So wie Du es
>interpretierst, steht es ja im Widerspruch zu allem anderen, was ich
>geschrieben habe.

Christian, du solltest dir ein anderes Hobby suchen, wenn du nicht
beim Wort genommen werden möchtest. Heißt: Für eine klare Aussage bist
du und kein anderer zuständig und deine Zuflucht in Projektion kein
akzeptabler Ersatz für nachvollziehbare Gegenargumente.

Darüber hinaus paßt obiges (egal, ob "zur" oder "per") zu dem vorher
von dir gesetzten Schwerpunkt und steht, wie ich bereits schrieb, für
mich in Einklang damit.

Zurück zum Kritikpunkt und jetzt mal Butter bei die Fische: was hast
du persönlich davon, bei Dritten ohne jede Backround-Information
pauschal und geradezu formelhaft Abhängigkeit zu konstruieren? Was
macht dich so sicher, daß ein/e Täter/in für den Geschädigten
"wichtig" ist? Auf eine nachvollziehbare Begründung hast du ja leider
verzichtet.

R.S.

Christian Günther

unread,
Mar 11, 2001, 5:53:47 PM3/11/01
to
Hallo Regina,

>>>>gund...@t-online.de (Christian Günther) wrote:
>>>>>>>BTW: Ich halte es für ausgeschlossen, sich aus einer Opferrolle heraus
>>>>>>>(ob mit oder ohne Zwang) zur Versöhnung zu befreien.
>>>>>>>Vergebung ist ein hoheitlicher Akt, während die Bitte um
>>>>>>>Entschuldigung ein Art von Unterwerfung darstellt. Solange ich mich
>>>>>>>ausschließlich als Opfer fühle, bin ich nicht zu einem hoheitlichen
>>>>>>>Akt fähig.
>>>>>>
>>>>>>Ok, die Argumente sind ausgetauscht, der Graben unüberwindlich.

[...]


>>>Vergebung scheint mir eher Mittel zum Zweck zu sein, denn oben ist nun
>>>offenbar geworden, was diese Scheindiskussion hier soll, in der
>>>Ergebnisse doch längst feststehen, wo rumgedeutelt und sinnentstellt
>>>wird, daß sich die Balken biegen: es geht um die Versöhnung mit dem
>>>Täter. Man muß sich den Satz mal auf der Zunge zergehen lassen "sich
>>>... zur Versöhnung zu befreien". Heißt im Umkehrschluß: Keine
>>>Befreiung ohne Versöhnung.
>>
>>Oh, Tschulligung, da habe ich mich wirklich verschrieben. Ersetze
>>'zur' durch 'per'.
>
>Wozu? Die damit willkürlich konstruierte Abhängigkeit bleibt erhalten.

Da ist keine Abhängigkeit. Die kann man vielleicht aus dem 'zur'-Satz
herauslesen, wenn man übersieht, daß das im Zusammenhang mit dem
folgenden Satz keinen Sinn ergibt. Im 'per'-Satz gibt es keine -
jedenfalls keine von *mir* hergestellte.

Ich bin auf Dein Statement eingegangen, sonst nichts:
R.S.


>>Wie gesagt, es geht um eine weitere *Möglichkeit*, wie man sich aus
>>seiner Rolle als Opfer befreien *kann*, ohne sich deshalb versöhnen
>>oder zwingend Haßgefühle haben *zu müssen*.
>

Und gegenüber Holger habe ich mit Bezug darauf klargestellt:

[Nach der langen Diskussion, die wir über die Verarbeitung


traumatischer Erlebnisse geführt hatten, mußte ich mich darüber doch
sehr wundern.
Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, daß Versöhnung nach
traumatischen Erfahrungen von Gewalt und Mißbrauch erst *möglich
werde*, wenn
a) eine Bewältigung stattgefunden habe,
b) Rückfälle weitgehend auszuschließen seien,
c) jegliche Gefährdung durch ehemalige Täter auszuschließen seien
- kurz gesagt, *wenn sich das Opfer aus seiner Opferrolle definitiv
gelöst habe* -
d) eine aufrichtige Bitte um Entschuldigung durch den ehemaligen Täter
vorliege.

Und selbst dann gibt es keinen Täter-Anspruch auf Vergebung.

[...]
Also, im Gegensatz zu dem, was Du [Holger] mir zu unterstellen


scheinst, wollte ich nicht wahllos mit dem Vergebungs-Hammer um mich
hauen, sondern vielmehr vor einem womöglich leichtfertigen Griff zur
Versöhnung als Alternative zur Äger-Bewältigung der Opferrolle warnen:
Wer sich noch als Opfer fühlt, sollte nicht vergeben, denn er *kann*

nicht vergeben.]

Wenn Du meinst, daß da Abhängigkeiten konstruiert würden, zeige sie
mir bitte auf.

>>Komisch, daß Dir das nicht aufgefallen ist. So wie Du es
>>interpretierst, steht es ja im Widerspruch zu allem anderen, was ich
>>geschrieben habe.
>
>Christian, du solltest dir ein anderes Hobby suchen, wenn du nicht
>beim Wort genommen werden möchtest. Heißt: Für eine klare Aussage bist
>du und kein anderer zuständig und deine Zuflucht in Projektion kein
>akzeptabler Ersatz für nachvollziehbare Gegenargumente.

Der Unterschied zwischen Dir und dem Bruder aus Mt 7,2 ist: Während
der eine Ungereimtheit sieht und sagt: "Halt, ich will dir den
Splitter aus deinem Auge ziehen" - was ja auch nur die zweitbeste
Möglichkeit ist - schriebst Du, nachdem Du einen (fehlerhaften) Satz
gelesen und so etwa hundert vorher geschriebene anscheinend verdrängt
hast:

>>Ok, die Argumente sind ausgetauscht, der Graben unüberwindlich.

um danach noch die Tonne mit der Aufschrift "Da haben wir dieses
pschychevergewaltigende Christenpack am Wickel" auszukippen.

>Darüber hinaus paßt obiges (egal, ob "zur" oder "per") zu dem vorher
>von dir gesetzten Schwerpunkt und steht, wie ich bereits schrieb, für
>mich in Einklang damit.

Ich habe mal nachgesehen. Dieser Schwerpunkt wurde von Dir am 28.2.
gesetzt, wobei Du implizit die These aufstelltest, daß das
Vergebungsgebot aus der Bergpredigt den Widerstand mißbrauchter Kinder
untersage. Darum gehts. Ich hoffe, wir sind uns mittlerweile
wenigstens einig darüber, daß das nicht stimmt.

Und wenn Du jüngst geschrieben hast:

>Es muß


>Abhängigkeit kontruiert werden. Die Opferrolle wird als Druckmittel
>gebraucht für die Drohgebärde "Versöhnst du dich nicht mit dem Täter,
>bleibst du Opfer."

dann sehe ich nach wie vor massiven Bedarf, den Schwerpunkt
'Versöhnung' zu thematisieren, denn dann kann ich im günstigsten Fall
nur annehmen, daß Du einfach noch nicht verstanden hast, daß das
Gegenteil der Sinn meiner Rede war:

<replay>


Wer sich noch
als Opfer fühlt, sollte nicht vergeben, denn er *kann* nicht vergeben.

</replay>


>Zurück zum Kritikpunkt und jetzt mal Butter bei die Fische: was hast
>du persönlich davon, bei Dritten ohne jede Backround-Information
>pauschal und geradezu formelhaft Abhängigkeit zu konstruieren?

Ich konstruiere keine Abhängigkeiten.

>Was
>macht dich so sicher, daß ein/e Täter/in für den Geschädigten
>"wichtig" ist? Auf eine nachvollziehbare Begründung hast du ja leider
>verzichtet.

Wenn Dir jemand ein Trauma verursacht, ist er für Dich dann nicht von
Bedeutung? Wie war das noch mit Intrusionen?

Gruß
Christian

Ingrid Liebeler

unread,
Mar 12, 2001, 1:19:12 AM3/12/01
to
Hallo Regina,

On Sun, 11 Mar 2001 13:19:22 +0100, Regina Sickel
<sic...@attglobal.net> wrote:

>>Nun das habe ich, mittlerweile 44 Jahre alt geworden, inzwischen
>>begriffen. BTW: Ich habe mir im Alter von 23 Jahren versucht, das
>>Leben zu nehmen ... Meine Eltern und ich haben Familientherapie
>>gemacht - erfolgreich! ;-)
>
>Schön, daß es auch solche Beispiele gibt, wenngleich mir leider keine
>weiteren Beispiele dieser Art bekannt sind, sofern es im Vorfeld
>unstrittig um dauerhaften Mißbrauch oder um Mißhandlung - körperliche
>wie emotionale - seit der frühen Kindheit ging. Kennst du solche
>Beispiele?

Nein nicht direkt. Nur aus dem Fernsehen. Und in meiner Beratung hatte
ich einen einzigen Fall von sexuellem Missbrauch (Inzest) in der
Jugend. Eine aeltere Dame mit Schluckbeschwerden ...

>>Es ist doch so: Erst muss man sich von den Eltern befreien, innerlich,
>>psychisch. Dann geht man seinen eigenen Weg und bildet neue eigene
>>Werte und eigene Vorstellungen und Ansichten.
>
>ACK, wobei ein später erarbeitetes Selbstvertrauen Stabilität braucht
>und deutlich schneller zu erschüttern ist als bei einem in dieser
>Hinsicht unbelasteten "Kind".

Ja sicher.

>>Manchmal kommt es
>>dabei sogar zum Bruch mit den Eltern, leider oftmals zum radikalen und
>>endgueltigen, was ich als schlimm, traurig und bedauernswert empfinde,
>>denn man sollte auch verzeihen, vergessen und vergeben koennen.
>
>Ingrid, so erfreulich deine eigenen Erfahrungen sind: muß man nicht in
>jedem einzelnen Fall individuell hinsehen, _warum_ es zum endgültigen
>Bruch gekommen ist?

Klar muss man das.

>Mir ist leider nicht klar, warum meist wie
>selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß die Kinder der
>entscheidende Part wären und daher selbstverständlich sie entsprechend
>auch "verzeihen, vergessen und vergeben können" müßten.

Man *muss* gar nichts. Selbstverstaendlich ist das noch lange nicht.
Jedoch erfreulich, wenn's irgendwie geht bzw. moeglich ist. ;-)
Denn oftmals geht sowas ueber den Tod hinaus ...
Ich glaube an Karma und Reinkarnation ...

>Ich komme hier
>zurück auf den an früherer Stelle schon mal erwähnten und nicht zu
>vernachlässigenden Aspekt zurück, daß die meisten mir bekannten
>Familiensysteme ausgrenzend auf die Aufarbeitungs- bzw.
>Autonomiebestrebungen ihrer erwachsenen Kinder reagieren, wenn es
>tatsächlich ein dunkles Familiengeheimnis zu hüten gilt.

Das mag sein.
Nein es ist so, ich weiss. ;-(

>Diesen Punkt zu vernachlässigen hieße, den manchmal für das ganze
>Leben gesundheitlich geschädigten Kindern zusätzlich Schuld aufzuladen
>oder daraus künstlich Unfreiheit konstruieren zu müssen, weil sie es
>wagen, in Schwerstarbeit das nachzuholen, was eigentlich Aufgabe der
>Eltern gewesen wäre.

Christenpflicht kann krank machen ... I know ... Es kann da zu sehr
schlimmen inneren Konflikten kommen, die unloesbar sind.
Deshalb ist der Glaube allein nicht gerade hilfreich. Etwas
Psychologie spielt da schon auch mit eine Rolle.
Ich bevorzuge systemische Familientherapie. (Gregory Bateson,
Stierlin)

>Was sollen also z.B. "Kinder" machen, wenn ihnen
>die einzige Chance, die sie noch haben, wenn sie sich also prof.
>helfen lassen, als unverzeihliche Illoyalität angelastet wird?

Gute Frage. Gerade Loyalitaetskonflikte sind schwer zu loesen.
Mit diesem Problem hatte ich auch lange zu kaempfen. Man fuehlt
sich wie ein Verraeter, allein schon wenn oder indem man Psycho-
therapie macht ... Allein nur ueber die Eltern sprechen zu muessen
ist subjektiv wie ein Verrat. ;-(
Fuehlt sich so an wie ein Verrat, selbst wenn die Eltern das gar nicht
mal offen (!) bekunden ...

>Wenn
>sie quasi vor die Wahl gestellt werden, entweder du oder ich/wir? Mit
>diesem impliziten "entweder du oder ich/wir" - und auf diesem Klavier
>kann man viele häßliche Stücke spielen - verzeihen doch in Wahrheit
>die Schädiger dem Geschädigten nicht, daß er endlich leben will, daß
>er geliebt werden will, daß er gesund werden will, daß er sich
>zwangsläufig wie jeder Pubertierende von seiner Familie lösen muß. Mit
>dem Unterschied, daß im normalen Pubertätsverlauf sich ein Kind
>entfernen und wieder zurückkehren kann. In pathologisch gestörten
>Familiensystemen dagegen wird das (aus gutem Grunde) nicht geduldet,
>wird Symbiose gefordert, wird Autonomie behindert, wird Autonomie als
>Verrat interpretiert.

Genau so ist es. ;-(

>Was genau also sollte ein Geschädigter in solcher Situation verzeihen,
>vergessen und vergeben koennen? Dass ihm ein eigenes, menschenwürdiges
>Leben verwehrt wird, sollte er seine Familie behalten wollen?

Nein das geht erst, wenn er sich befreit und leben gelernt hat.
Wenn er oder sie unabhanegig geworden ist.
Dann nach einer guten Zeit, Weile kann evtl. eine Wiederannaeherung
und Versoehnung stattfinden, vorher nicht.

>Ein weiterer Aspekt, der mir ebenfalls stets wie selbstverständlich
>vorausgesetzt zu werden scheint, ist "Versöhnung" als erstrebenswertes
>Ziel per se. Müssen dazu nicht emotionale Bindungen im positiven Sinne
>bestanden haben, die über reine Abhängigkeit hinaus gingen?

Sicher,

Ingrid, ebenso freundlich gruessend

Regina Sickel

unread,
Mar 12, 2001, 9:04:04 AM3/12/01
to
On Mon, 12 Mar 2001 06:19:12 GMT,Liebeler-...@t-online.de
(Ingrid Liebeler) wrote:

Hallo Ingrid,

>>Wenn


>>sie quasi vor die Wahl gestellt werden, entweder du oder ich/wir? Mit
>>diesem impliziten "entweder du oder ich/wir" - und auf diesem Klavier
>>kann man viele häßliche Stücke spielen - verzeihen doch in Wahrheit
>>die Schädiger dem Geschädigten nicht, daß er endlich leben will, daß
>>er geliebt werden will, daß er gesund werden will, daß er sich
>>zwangsläufig wie jeder Pubertierende von seiner Familie lösen muß. Mit
>>dem Unterschied, daß im normalen Pubertätsverlauf sich ein Kind
>>entfernen und wieder zurückkehren kann. In pathologisch gestörten
>>Familiensystemen dagegen wird das (aus gutem Grunde) nicht geduldet,
>>wird Symbiose gefordert, wird Autonomie behindert, wird Autonomie als
>>Verrat interpretiert.
>
>Genau so ist es. ;-(
>
>>Was genau also sollte ein Geschädigter in solcher Situation verzeihen,
>>vergessen und vergeben koennen? Dass ihm ein eigenes, menschenwürdiges
>>Leben verwehrt wird, sollte er seine Familie behalten wollen?
>
>Nein das geht erst, wenn er sich befreit und leben gelernt hat.

Was die Vergebung betrifft, kann ich das als grundsätzliche
Möglichkeit nachvollziehen. IIRC schrieb Rolf (?) dazu etwas in dem
Sinne, daß für ihn Vergebung unabhängig von dem aktiven Verhalten der
Schädiger möglich war.

Zwischen Vergebung und Versöhnung unterscheide ich allerdings
deutlich. Denn für eine aktive Versöhnung bedarf es der entsprechenden
Haltung zweier Parteien und ich halte es für eine gesellschaftlich
inakzeptable täterzentrierte Sicht, dem Geschädigten einseitig
anzulasten, für eine Versöhnung müsse nur er "sich befreit und leben
gelernt" haben.

Was müßten deiner Meinung nach die Schädiger gelernt haben, damit von
ihrer Seite die Vorraussetzungen für eine Versöhnung gegeben sind und
vor allem: wessen Aufgabe sollte es sein, diesen Lernprozess - wenn
psychisch möglich - anzustoßen bei Straftätern?

Gruesse
R.S.

Regina Sickel

unread,
Mar 12, 2001, 10:22:32 AM3/12/01
to
On Sun, 11 Mar 2001 22:53:47 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

Hallo Christian,

>Ich bin auf Dein Statement eingegangen, sonst nichts:

Ganz im Gegenteil. Ich sehe zwischen der von mir auf deinen Wunsch hin
ausführlich begründeten weiteren Möglichkeit ...

-------------------------------------------------------------------
RS: Wie gesagt, es geht um eine weitere *Möglichkeit*, wie man sich


aus seiner Rolle als Opfer befreien *kann*, ohne sich deshalb
versöhnen oder zwingend Haßgefühle haben *zu müssen*.

[Ärgerbewältigungsstil/Ursachenzuschreibung]
-------------------------------------------------------------------

und deiner Reaktion ...

-------------------------------------------------------------------

CG: BTW: Ich halte es für ausgeschlossen, sich aus einer Opferrolle
heraus (ob mit oder ohne Zwang) zur Versöhnung zu befreien. [...]
-------------------------------------------------------------------

nicht, daß du auch nur ansatzweise auf meine Ausführungen Bezug
nimmst. Denn während ich eine Möglichkeit ausführte, in der Versöhnung
überhaupt keine Rolle spielt, ignorierst du das mit deiner Antwort
vorher und nacher nicht nur völlig, du verwürfelst plötzlich
Versöhnung mit Vergebung. Und nur über letzteres hattest du dich
vorher geäußerst auf meine Frage hin.

Eine Begründung lieferst du dann bei Holger nach ...

> wollte ... vor einem womöglich leichtfertigen Griff zur


>Versöhnung als Alternative zur Äger-Bewältigung der Opferrolle warnen:

... die gleichermaßen kontextfrei ist wie deine Originalantwort oben,
da Versöhnung weder bei der von mir ausgeführten Möglichkeit eine
Rolle spielt, wie man unschwer aus "ohne sich versöhnen zu müssen"
herauslesen kann noch bei Holger, der nicht Versöhnung, sondern "Haß"
thematisiert hatte. Versöhnung ist also allein _dein_ Thema. Und wenn
du mich ausgiebig nach Begründungen und Literaturhinweisen fragst, um
dann doch nur mit einer rigiden Bekräftigung deines Standpunktes zu
reagieren, dann nenne ich das zu Recht eine Scheindiskussion.

>Wenn Du meinst, daß da Abhängigkeiten konstruiert würden, zeige sie
>mir bitte auf.

Was "Versöhnung" mit "befreien" bzw. Versöhnung mit der von mir
ausgeführten Lebensqualität eines durch Straftaten gesundheitlich
Geschädigten zu tun haben soll, mußt du schon selbst darlegen. Und
bitte bemühe dich um sachdienliche Argumentation mit ggf. Hilfe von
nachvollziehbaren Zitaten, denn welche Vorstellungen du dir von meiner
Person und meinen vermeintlichen Gedanken machst, trägt genau nichts
zum Thema bei.

>>Was macht dich so sicher, daß ein/e Täter/in für den Geschädigten
>>"wichtig" ist? Auf eine nachvollziehbare Begründung hast du ja leider
>>verzichtet.

>Wenn Dir jemand ein Trauma verursacht, ist er für Dich dann nicht von
>Bedeutung?

Christian, üblicherweise belegt man als ernstzunehmender Diskutant
seine Behauptung und weicht nicht auf Gegenfragen aus. Also bitte:
Wozu soll der Verursacher eines Traumas (und nochmal: wir reden hier
von Straftätern) zukunftsgerichtet wichtig sein? Was könnte er für den
Geschädigten, für seinen Gesundheitszustand und seine Lebensqualität
in Gänze tun?

>Wie war das noch mit Intrusionen?

Butollo & al. nehmen an, dass neben Intrusionen und Übererregtheit ein
gestörter Trauerprozess für die Entstehung posttraumatischer Störungen
verantwortlich ist. Die Unterstützung dieses Trauerprozesses ist ein
Hauptaspekt des integrativen Verfahrens.

Im übrigen ist eine physiologische Umkehr der Geschehnisse illusorisch
http://www.stahlberg-net.de/menschen/jatzko/trauma_/hauptteil_trauma_.htm


R.S.

Ingrid Liebeler

unread,
Mar 12, 2001, 12:32:46 PM3/12/01
to
Hallo again,

On Mon, 12 Mar 2001 15:04:04 +0100, Regina Sickel
<sic...@attglobal.net> wrote:

>>>Was genau also sollte ein Geschädigter in solcher Situation verzeihen,
>>>vergessen und vergeben koennen? Dass ihm ein eigenes, menschenwürdiges
>>>Leben verwehrt wird, sollte er seine Familie behalten wollen?
>>
>>Nein das geht erst, wenn er sich befreit und leben gelernt hat.
>
>Was die Vergebung betrifft, kann ich das als grundsätzliche
>Möglichkeit nachvollziehen. IIRC schrieb Rolf (?) dazu etwas in dem
>Sinne, daß für ihn Vergebung unabhängig von dem aktiven Verhalten der
>Schädiger möglich war.
>
>Zwischen Vergebung und Versöhnung unterscheide ich allerdings
>deutlich. Denn für eine aktive Versöhnung bedarf es der entsprechenden
>Haltung zweier Parteien und ich halte es für eine gesellschaftlich
>inakzeptable täterzentrierte Sicht, dem Geschädigten einseitig
>anzulasten, für eine Versöhnung müsse nur er "sich befreit und leben
>gelernt" haben.

Hmmm ... Ehrlich gesagt habe ich es mit derart krassen Faellen noch
nicht zu tun gehabt.

>Was müßten deiner Meinung nach die Schädiger gelernt haben, damit von
>ihrer Seite die Vorraussetzungen für eine Versöhnung gegeben sind und
>vor allem: wessen Aufgabe sollte es sein, diesen Lernprozess - wenn
>psychisch möglich - anzustoßen bei Straftätern?

Also ich habe davon gehoert, dass in den letzten Jahren Wert auf
eine Taeter-Opfer-Zusammenfuehrung gelegt wird ...
Bei der Verhandlung (vor Gericht) ist das ja ohnehin der Fall ...

Nun ... Der Taeter muesste Scham zeigen koennen und aufrichtige
(aufrechte) Reue ... An sich muesste ER das Opfer um Verzeihung bitten
. Anders koennte ich mir eine Aussoehnung und auch Vergebung ehr-
lich gesagt nicht vorstellen, Du?

Dir noch einen angenehmen Abend wuensche
und freundlich gruesse,

Ingrid

PS: Dieses "Es tut mir unsagbar leid und ich bereue aufrichtig und
bin zutiefst beschaemt!" -
Kurz; Der Taeter muss/sollte Einsicht zeigen koennen und Mit-
gefuehl mit seinem/dem Opfer ...

Christian Günther

unread,
Mar 12, 2001, 4:17:57 PM3/12/01
to
Hallo Regina,

>>Ich bin auf Dein Statement eingegangen, sonst nichts:
>
>Ganz im Gegenteil. Ich sehe zwischen der von mir auf deinen Wunsch hin
>ausführlich begründeten weiteren Möglichkeit ...
>
>-------------------------------------------------------------------
>RS: Wie gesagt, es geht um eine weitere *Möglichkeit*, wie man sich
>aus seiner Rolle als Opfer befreien *kann*, ohne sich deshalb
>versöhnen oder zwingend Haßgefühle haben *zu müssen*.
>[Ärgerbewältigungsstil/Ursachenzuschreibung]
>-------------------------------------------------------------------
>
>und deiner Reaktion ...
>
>-------------------------------------------------------------------
>
>CG: BTW: Ich halte es für ausgeschlossen, sich aus einer Opferrolle
>heraus (ob mit oder ohne Zwang) zur Versöhnung zu befreien. [...]
>-------------------------------------------------------------------
>
>nicht, daß du auch nur ansatzweise auf meine Ausführungen Bezug
>nimmst. Denn während ich eine Möglichkeit ausführte, in der Versöhnung
>überhaupt keine Rolle spielt,

O doch:
Du hast von einer *weiteren Möglichkeit* der *Befreiung* aus der
Opferrolle geschrieben, ohne sich *versöhnen* oder hassen zu *müssen*
(die Du danach ausgeführt hast).
Also bestehe diese Möglichkeit - so habe ich geschlossen - *neben* der
Möglichkeit, hassen zu müssen, und neben der Möglichkeit, sich
versöhnen zu müssen.
Und letzteres habe ich bestritten. Zwang zur Versöhnung ist keine
Möglichkeit.

Kann ja sein, daß ich Dich mißverstanden habe. Dann bitte ich um
Erläuterung.

>ignorierst du das mit deiner Antwort
>vorher und nacher nicht nur völlig,

Nun, ich habe es mit Interesse zur Kenntnis genommen. Die
therapeutische Behandlung von Trauma-Opfern ist nicht gerade mein
Spezialgebiet.

>du verwürfelst plötzlich
>Versöhnung mit Vergebung.

Sorry, das gehört für mich zusammen. Wenn für Dich Versöhnung ohne
Vergebung möglich ist, würde ich gerne wissen, wie Du Dir das
vorstellst.

>Und nur über letzteres hattest du dich
>vorher geäußerst auf meine Frage hin.
>
>Eine Begründung lieferst du dann bei Holger nach ...
>
>> wollte ... vor einem womöglich leichtfertigen Griff zur
>>Versöhnung als Alternative zur Äger-Bewältigung der Opferrolle warnen:
>
>... die gleichermaßen kontextfrei ist wie deine Originalantwort oben,
>da Versöhnung weder bei der von mir ausgeführten Möglichkeit eine
>Rolle spielt, wie man unschwer aus "ohne sich versöhnen zu müssen"
>herauslesen kann noch bei Holger, der nicht Versöhnung, sondern "Haß"
>thematisiert hatte.

Du erfüllst mich mit tiefer Ratlosigkeit.
Holger hat das Wort "Haß" in dem Posting, auf das ich reagierte, genau
*einmal* verwendet im Sinne von Selbsthaß, der durch verordnete
Feindesliebe entstünde. Ich habe darauf geantwortet, daß dies eine
andere Baustelle sei.

Holger schrieb aber ua folgendes:

>Ich lese aus deinen Zeilen
>heraus, daß du nicht sehen willst, daß Vergebung auch Unterwerfung
>sein kann - man bestätigt seinen Feinden, es sei richtig, von ihnen
>verfolgt und gepeinigt zu werden. Das ist grausam.

Und das *gehört* zum Thema.

>Versöhnung ist also allein _dein_ Thema.

Nein, nicht allein _mein_ Thema, s.o.
Ich bin in diesen Thread eingestiegen, weil Holger und Du (in
unterschiedlicher Weise) die These vertraten, daß es im Christentum
einen wie auch immer gearteten Zwang zur Vegebung gäbe. Insofern ist
Vergebung natürlich mein Thema, aber eben auch das Eure.

>>Wenn Du meinst, daß da Abhängigkeiten konstruiert würden, zeige sie
>>mir bitte auf.
>
>Was "Versöhnung" mit "befreien" bzw. Versöhnung mit der von mir
>ausgeführten Lebensqualität eines durch Straftaten gesundheitlich
>Geschädigten zu tun haben soll, mußt du schon selbst darlegen.

S.o., es sind *Deine* Termini, das mußt Du Dir schon selbst erklären.

>>Wenn Dir jemand ein Trauma verursacht, ist er für Dich dann nicht von
>>Bedeutung?
>
>Christian, üblicherweise belegt man als ernstzunehmender Diskutant
>seine Behauptung und weicht nicht auf Gegenfragen aus.

Es sei denn, man empfindet sie als so banal, daß sich Belege
erübrigen.

> Also bitte:
>Wozu soll der Verursacher eines Traumas (und nochmal: wir reden hier
>von Straftätern) zukunftsgerichtet wichtig sein?

Nun, er ist sozusagen integrativer Bestandteil des Traumas.
Ich habe noch niemanden erlebt, der/die die auslösende Person oder das
auslösende Ereignis von dieser Erfahrung hätte lösen können. Im
Gegenteil: Vieles, was auch nur entfernt an sie erinnerte, löste bei
den Betroffenen Ängste und heftige Abwehrreaktionen aus.
Reicht Dir das als Beleg?

>Was könnte er für den
>Geschädigten, für seinen Gesundheitszustand und seine Lebensqualität
>in Gänze tun?

Der kann gar nichts tun als sich fernhalten.
Nur - jemand (und genau das war es, was ich eigentlich sagen wollte,
doch Du hast den Sinn meiner Worte in ihr Gegenteil verkehrt), der von
seinem Trauma losgekommen und seiner Opferrolle entwachsen ist, kann
unter bestimmten Umständen etwas *für sich* tun.

Gruß
Christian

Rolf Karstaedt

unread,
Mar 12, 2001, 5:28:51 PM3/12/01
to

> >Was die Vergebung betrifft, kann ich das als grundsätzliche
> >Möglichkeit nachvollziehen. IIRC schrieb Rolf (?) dazu etwas in dem
> >Sinne, daß für ihn Vergebung unabhängig von dem aktiven Verhalten der
> >Schädiger möglich war.
Hallo,
ja meiner meinung und meiner Praxis nach ist vergebung (nicht versöhnung)
für das Opfer wichtig. Wie hier schon gesagt (nicht von mir) ist vergebung
ein hoheitlicher Akt. Vergebung befreit das Opfer aus seiner Opferrolle und
bricht die Einwirkung des Täters. dabei muß es noch nicht einmal zu einer
begegnung zwischen Opfer und Täter kommen.

> >Zwischen Vergebung und Versöhnung unterscheide ich allerdings
> >deutlich. Denn für eine aktive Versöhnung bedarf es der entsprechenden
> >Haltung zweier Parteien und ich halte es für eine gesellschaftlich
> >inakzeptable täterzentrierte Sicht, dem Geschädigten einseitig
> >anzulasten, für eine Versöhnung müsse nur er "sich befreit und leben
> >gelernt" haben.

*unterschreib*
Ich zum beispiel habe mich mit meinem leibl Vater nie versöhnt, habe mich
aber durch die vergebung des mißbrauchs befreit und kann nun darüber reden
und es belastet mich und meine beziehung längst nicht mehr.


> >Was müßten deiner Meinung nach die Schädiger gelernt haben, damit von
> >ihrer Seite die Vorraussetzungen für eine Versöhnung gegeben sind und
> >vor allem: wessen Aufgabe sollte es sein, diesen Lernprozess - wenn
> >psychisch möglich - anzustoßen bei Straftätern?
>
> Also ich habe davon gehoert, dass in den letzten Jahren Wert auf
> eine Taeter-Opfer-Zusammenfuehrung gelegt wird ...
> Bei der Verhandlung (vor Gericht) ist das ja ohnehin der Fall ...
>
> Nun ... Der Taeter muesste Scham zeigen koennen und aufrichtige
> (aufrechte) Reue ... An sich muesste ER das Opfer um Verzeihung bitten
> . Anders koennte ich mir eine Aussoehnung und auch Vergebung ehr-
> lich gesagt nicht vorstellen, Du?

In disem fall ist dazu anzumerken, das Scham und reue von rechtsanwälten als
"Strategie" für mildere Urteile eingesetzt wird. Eine echte Versöhnung kann
nur dan stattfinden wenn Täter wirklich seine Schuld erkennt und echt
bereut. Dazu gehört auch das erkennen das das Handeln des Täters zu
verletzungen geführt hat (soviel in kürze, das Thema ist sehr kemplex)

Entschuldigt bitte, wenn ich hier auf zwei Postings antworte, aber irgendwie
komme ich an die urpostings nicht mehr ran.
Gruß Rolf


Holger Bruns

unread,
Mar 12, 2001, 5:45:43 PM3/12/01
to
On Mon, 12 Mar 2001 21:17:57 GMT, gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

>>du verwürfelst plötzlich Versöhnung mit Vergebung.
>
>Sorry, das gehört für mich zusammen. Wenn für Dich Versöhnung ohne
>Vergebung möglich ist, würde ich gerne wissen, wie Du Dir das
>vorstellst.

Es ist wohl eher andersherum gemeint: Ohne Vergebung keine Versöhnung.
Allerdings ist dies ein eher semantisches Problem und hat nur am Rande
was mit unserem Thema hier zu tun.

>Holger hat das Wort "Haß" in dem Posting, auf das ich reagierte, genau
>*einmal* verwendet im Sinne von Selbsthaß, der durch verordnete
>Feindesliebe entstünde. Ich habe darauf geantwortet, daß dies eine
>andere Baustelle sei.

Nein. Im Bezug auf die Feindesliebe erwähnte ich das Paradoxon, daß
jemand, der seine Feinde liebt, sich selbst haßt und sie gerade
deswegen nicht lieben kann. Da ging es um die innere Logik
christlicher Wertvorstellungen, die ich nicht für gegeben halte.

Ansonsten ist es schon so, daß man als Opfer seine Peiniger haßt, wenn
man der Beklemmung der Traumatisierung entweicht und klar sieht, was
wie und warum geschah. Ich halte diesen Haß für eine gesunde Reaktion.
Er muß ja nicht in einen Vernichtungswillen einmünden und zu
Heimzahlungen führen. Er kann ja auch zum endgültigen Bruch der
geistigen Nabelschnur führen, der zum Beispiel traumatisierte Kinder
mit ihren Prügeleltern verbindet. Das ist meines Erachtens sogar
gesünder als das Gefühl der Pflichtverletzung aufgrund einer nicht
erteilten Vergebung. Noch wichtiger als Haß oder Vergebung ist es
aber, eine oder mehrere Vertrauenspersonen zu haben, mit denen man
über die erlittenen mentalen und physischen Verletzungen offen
sprechen kann, weil meines Erachtens nur durch solche Gespräche die
gesundheitlich notwendige Ablösung aus pathologischen Familien
gelingt. Diese Ablösung ist notwendig, um sich psychisch zu
stabilisieren und um Verantwortung für das eigene Leben übernehmen zu
können. Solange diese Ablösung nicht gelingt, bleibt man labil. Man
ist dann sehr angreifbar und hat viel einzustecken. Nicht jeder
verkraftet das.

>Nein, nicht allein _mein_ Thema, s.o.
>Ich bin in diesen Thread eingestiegen, weil Holger und Du (in
>unterschiedlicher Weise) die These vertraten, daß es im Christentum
>einen wie auch immer gearteten Zwang zur Vegebung gäbe. Insofern ist
>Vergebung natürlich mein Thema, aber eben auch das Eure.

Ein Problem an Gott abgeben, nicht über seine Mitmenschen richten, zu
vergeben, damit einem vergeben werde, seine Feinde lieben: Das ist
originär christlich.

Ich erinnere mich an eine junge Frau, die sich in meiner ehemaligen
Nachbarschaft (ich bin inzwischen umgezogen) fremden Männern zum Sex
und als Kannibalenmahlzeit anbot. Die Frau wurde weder vergewaltigt
noch geschlachtet. Sie kam stattdessen in die Psychiatrie und lebt
heute noch. Ich sah sie vor einiger Zeit in einem Linienbus sitzen.
Von daher weiß ich das. Ihr Problem war nach ihren Erzählungen ein
fortgesetzter sexueller Mißbrauch durch einen Onkel. Ihre Eltern
duldeten das. Ab dem Alter von 9 Jahren wurde sie regelmäßig sexuell
attackiert. Als Erwachsene versuchte sie von ihren Eltern zu lösen.
Der Vater quittierte das mit ihrer Todesanzeige in der Tageszeitung.
Grausam. Wenn diese Frau jemals mit ihrem Trauma fertig wird und aus
der "Umnebelung" erwacht - wird sie es jemals verzeihen können, was
man ihr antat und was sie im Begriff war, sich selbst anzutun? Ich
weiß es ehrlich nicht.

Aber ich fände es schreiend ungerecht, wenn ein liebender Gott diesen
völlig verstörten und psychisch beinahe vernichteten Menschen abweist
und in die Wüste schickt, weil es ihr nicht möglich sein wird, ehrlich
zu vergeben und sich zu versöhnen. Vor dem Hintergrund solcher
Lebensgeschichten bewerte ich den religiösen Teil der Medaille und
sage inzwischen, daß die Religion mit ihren Normsetzungen die Opfer
ein zweites Mal schändet - ich wünsche dieser Frau einen gesunden Haß
auf ihre Peiniger und den festen Entschluß, den Kontakt zu ihrer
Familie hinter sich zu lassen, damit sie endlich leben kann.

>seinem Trauma losgekommen und seiner Opferrolle entwachsen ist, kann
>unter bestimmten Umständen etwas *für sich* tun.

Das mit der Opferrolle stört mich. Du bleibst immer Opfer, denn du
wirst nicht im Nachhinein die Vergangenheit ändern. Du bist als
Traumatisierter das Opfer von Verbrechern, die sich an dir vergriffen
haben, und gegen die durch dich nicht zur Wehr setzen konntest. Es
kommt also nicht darauf an, die "Opferrolle" zu entsorgen, es kommt
vielmehr auf eine psychische und lebenspraktische Bewältigung der
eigenen Situation an - und das ist sehr viel komplizierter als die
sich selbst auferlegte Leugnung der wahren Sachverhalte.

Holger

Holger Bruns

unread,
Mar 12, 2001, 5:52:27 PM3/12/01
to
On Mon, 12 Mar 2001 21:17:57 GMT, gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

>>du verwürfelst plötzlich Versöhnung mit Vergebung.
>
>Sorry, das gehört für mich zusammen. Wenn für Dich Versöhnung ohne
>Vergebung möglich ist, würde ich gerne wissen, wie Du Dir das
>vorstellst.

Es ist wohl eher andersherum gemeint: Ohne Vergebung keine Versöhnung.


Allerdings ist dies ein eher semantisches Problem und hat nur am Rande
was mit unserem Thema hier zu tun.

>Holger hat das Wort "Haß" in dem Posting, auf das ich reagierte, genau


>*einmal* verwendet im Sinne von Selbsthaß, der durch verordnete
>Feindesliebe entstünde. Ich habe darauf geantwortet, daß dies eine
>andere Baustelle sei.

Nein. Im Bezug auf die Feindesliebe erwähnte ich das Paradoxon, daß


jemand, der seine Feinde liebt, sich selbst haßt und sie gerade
deswegen nicht lieben kann. Da ging es um die innere Logik
christlicher Wertvorstellungen, die ich nicht für gegeben halte.

Ansonsten ist es schon so, daß man als Opfer seine Peiniger haßt, wenn
man der Beklemmung der Traumatisierung entweicht und klar sieht, was
wie und warum geschah. Ich halte diesen Haß für eine gesunde Reaktion.
Er muß ja nicht in einen Vernichtungswillen einmünden und zu
Heimzahlungen führen. Er kann ja auch zum endgültigen Bruch der
geistigen Nabelschnur führen, der zum Beispiel traumatisierte Kinder
mit ihren Prügeleltern verbindet. Das ist meines Erachtens sogar
gesünder als das Gefühl der Pflichtverletzung aufgrund einer nicht
erteilten Vergebung. Noch wichtiger als Haß oder Vergebung ist es
aber, eine oder mehrere Vertrauenspersonen zu haben, mit denen man
über die erlittenen mentalen und physischen Verletzungen offen
sprechen kann, weil meines Erachtens nur durch solche Gespräche die
gesundheitlich notwendige Ablösung aus pathologischen Familien
gelingt. Diese Ablösung ist notwendig, um sich psychisch zu
stabilisieren und um Verantwortung für das eigene Leben übernehmen zu
können. Solange diese Ablösung nicht gelingt, bleibt man labil. Man
ist dann sehr angreifbar und hat viel einzustecken. Nicht jeder
verkraftet das.

>Nein, nicht allein _mein_ Thema, s.o.

>Ich bin in diesen Thread eingestiegen, weil Holger und Du (in
>unterschiedlicher Weise) die These vertraten, daß es im Christentum
>einen wie auch immer gearteten Zwang zur Vegebung gäbe. Insofern ist
>Vergebung natürlich mein Thema, aber eben auch das Eure.

Ein Problem an Gott abgeben, nicht über seine Mitmenschen richten, zu


vergeben, damit einem vergeben werde, seine Feinde lieben: Das ist
originär christlich.

Ich erinnere mich an eine junge Frau, die sich in meiner ehemaligen
Nachbarschaft (ich bin inzwischen umgezogen) fremden Männern zum Sex
und als Kannibalenmahlzeit anbot. Die Frau wurde weder vergewaltigt
noch geschlachtet. Sie kam stattdessen in die Psychiatrie und lebt
heute noch. Ich sah sie vor einiger Zeit in einem Linienbus sitzen.
Von daher weiß ich das. Ihr Problem war nach ihren Erzählungen ein
fortgesetzter sexueller Mißbrauch durch einen Onkel. Ihre Eltern
duldeten das.

Ab dem Alter von 9 Jahren wurde sie regelmäßig sexuell attackiert. Als

Erwachsene versuchte sie sich von ihren Eltern zu lösen. Der Vater


quittierte das mit ihrer Todesanzeige in der Tageszeitung. Grausam.
Wenn diese Frau jemals mit ihrem Trauma fertig wird und aus der
"Umnebelung" erwacht - wird sie es jemals verzeihen können, was man
ihr antat und was sie im Begriff war, sich selbst anzutun? Ich weiß es
ehrlich nicht.

Aber ich fände es schreiend ungerecht, wenn ein liebender Gott diesen
völlig verstörten und psychisch beinahe vernichteten Menschen abweist
und in die Wüste schickt, weil es ihr nicht möglich sein wird, ehrlich
zu vergeben und sich zu versöhnen. Vor dem Hintergrund solcher
Lebensgeschichten bewerte ich den religiösen Teil der Medaille und
sage inzwischen, daß die Religion mit ihren Normsetzungen die Opfer
ein zweites Mal schändet - ich wünsche dieser Frau einen gesunden Haß
auf ihre Peiniger und den festen Entschluß, den Kontakt zu ihrer
Familie hinter sich zu lassen, damit sie endlich leben kann.

>seinem Trauma losgekommen und seiner Opferrolle entwachsen ist, kann


>unter bestimmten Umständen etwas *für sich* tun.

Das mit der Opferrolle stört mich. Du bleibst immer Opfer, denn du

Christian Günther

unread,
Mar 12, 2001, 6:56:26 PM3/12/01
to
Hallo Holger,

>>Holger hat das Wort "Haß" in dem Posting, auf das ich reagierte, genau
>>*einmal* verwendet im Sinne von Selbsthaß, der durch verordnete
>>Feindesliebe entstünde. Ich habe darauf geantwortet, daß dies eine
>>andere Baustelle sei.
>
>Nein. Im Bezug auf die Feindesliebe erwähnte ich das Paradoxon, daß
>jemand, der seine Feinde liebt, sich selbst haßt und sie gerade
>deswegen nicht lieben kann. Da ging es um die innere Logik
>christlicher Wertvorstellungen, die ich nicht für gegeben halte.

Ich halte die innere Logik schon für gegeben. Aber so wie's da steht,
sind diese Wertvorstellungen halt ein Anforderungsprofil für solche
Leute, die aus eigener Kraft vollkommen sein wollen.
Das Ziel ist nicht, daß die Menschen um der Vollkommenheit willen sich
selbst hassen und ihre Feinde lieben, sondern ihre eigene
Unvollkommenheit und die anderer wahr- und annehmen.

>Ansonsten ist es schon so, daß man als Opfer seine Peiniger haßt, wenn
>man der Beklemmung der Traumatisierung entweicht und klar sieht, was
>wie und warum geschah. Ich halte diesen Haß für eine gesunde Reaktion.

ACK.

>Er muß ja nicht in einen Vernichtungswillen einmünden und zu
>Heimzahlungen führen. Er kann ja auch zum endgültigen Bruch der
>geistigen Nabelschnur führen, der zum Beispiel traumatisierte Kinder
>mit ihren Prügeleltern verbindet.

ACK.

>Das ist meines Erachtens sogar
>gesünder als das Gefühl der Pflichtverletzung aufgrund einer nicht
>erteilten Vergebung.

In dem von Dir beschriebenen Stadium der Traumatisierung/Ablösung
sollte man besser erst gar nicht über Vergebung nachzudenken anfangen.
Das ist einfach nicht drin.

>Noch wichtiger als Haß oder Vergebung ist es
>aber, eine oder mehrere Vertrauenspersonen zu haben, mit denen man
>über die erlittenen mentalen und physischen Verletzungen offen
>sprechen kann, weil meines Erachtens nur durch solche Gespräche die
>gesundheitlich notwendige Ablösung aus pathologischen Familien
>gelingt. Diese Ablösung ist notwendig, um sich psychisch zu
>stabilisieren und um Verantwortung für das eigene Leben übernehmen zu
>können. Solange diese Ablösung nicht gelingt, bleibt man labil. Man
>ist dann sehr angreifbar und hat viel einzustecken. Nicht jeder
>verkraftet das.

ACK.

>>Nein, nicht allein _mein_ Thema, s.o.
>>Ich bin in diesen Thread eingestiegen, weil Holger und Du (in
>>unterschiedlicher Weise) die These vertraten, daß es im Christentum
>>einen wie auch immer gearteten Zwang zur Vegebung gäbe. Insofern ist
>>Vergebung natürlich mein Thema, aber eben auch das Eure.
>
>Ein Problem an Gott abgeben, nicht über seine Mitmenschen richten, zu
>vergeben, damit einem vergeben werde

Nein: Zu vergeben, um 'gegenzuzeichnen', daß einem schon vergeben ist
(dies richtet sich an die, die das können - nicht an alle!)

>, seine Feinde lieben:

s.o.

>Das ist
>originär christlich.
>
>Ich erinnere mich an eine junge Frau, die sich in meiner ehemaligen
>Nachbarschaft (ich bin inzwischen umgezogen) fremden Männern zum Sex
>und als Kannibalenmahlzeit anbot. Die Frau wurde weder vergewaltigt
>noch geschlachtet. Sie kam stattdessen in die Psychiatrie und lebt
>heute noch. Ich sah sie vor einiger Zeit in einem Linienbus sitzen.
>Von daher weiß ich das. Ihr Problem war nach ihren Erzählungen ein
>fortgesetzter sexueller Mißbrauch durch einen Onkel. Ihre Eltern
>duldeten das.
>
>Ab dem Alter von 9 Jahren wurde sie regelmäßig sexuell attackiert. Als
>Erwachsene versuchte sie sich von ihren Eltern zu lösen. Der Vater
>quittierte das mit ihrer Todesanzeige in der Tageszeitung. Grausam.
>Wenn diese Frau jemals mit ihrem Trauma fertig wird und aus der
>"Umnebelung" erwacht - wird sie es jemals verzeihen können, was man
>ihr antat und was sie im Begriff war, sich selbst anzutun? Ich weiß es
>ehrlich nicht.
>
>Aber ich fände es schreiend ungerecht, wenn ein liebender Gott diesen
>völlig verstörten und psychisch beinahe vernichteten Menschen abweist
>und in die Wüste schickt, weil es ihr nicht möglich sein wird, ehrlich
>zu vergeben und sich zu versöhnen.

Laut Bergpredigt verheißt Gott ihr Seligkeit, unabhängig davon, was
sie tut. Selig sind die Armen / die Verfolgten / die Weinenden - ohne
Auflage.
Einem Lahmen kann man nicht zum Gehen verdonnern, und so verdonnert
Gott laut Jesus die Lahmgelegten nicht zu irgendwelchen Leistungen.
Das genau unterscheidet Jesus zB von den Essenern, die künftiges Heil
immer mit den Handlungen verknüpften.

>Vor dem Hintergrund solcher
>Lebensgeschichten bewerte ich den religiösen Teil der Medaille und
>sage inzwischen, daß die Religion mit ihren Normsetzungen die Opfer
>ein zweites Mal schändet

- tut sie nicht -

>- ich wünsche dieser Frau einen gesunden Haß
>auf ihre Peiniger und den festen Entschluß, den Kontakt zu ihrer
>Familie hinter sich zu lassen, damit sie endlich leben kann.
>
>>seinem Trauma losgekommen und seiner Opferrolle entwachsen ist, kann
>>unter bestimmten Umständen etwas *für sich* tun.
>
>Das mit der Opferrolle stört mich. Du bleibst immer Opfer, denn du
>wirst nicht im Nachhinein die Vergangenheit ändern. Du bist als
>Traumatisierter das Opfer von Verbrechern, die sich an dir vergriffen
>haben, und gegen die durch dich nicht zur Wehr setzen konntest. Es
>kommt also nicht darauf an, die "Opferrolle" zu entsorgen, es kommt
>vielmehr auf eine psychische und lebenspraktische Bewältigung der
>eigenen Situation an - und das ist sehr viel komplizierter als die
>sich selbst auferlegte Leugnung der wahren Sachverhalte.

Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem eine früher mißbrauchte Frau
ihren Vater - den Täter - mehr oder weniger am Sterbebett wiedersah.
Mir schien - auch vom Verhalten der Beteiligten her - , daß da die
Karten neu gemischt waren. Klar, Geschehenes läßt sich nicht
ungeschehen machen. Aber auf einmal stand sie aufrecht und er war am
Boden.

Gruß
Christian

Holger Bruns

unread,
Mar 13, 2001, 6:11:02 AM3/13/01
to
On Mon, 12 Mar 2001 23:28:51 +0100, "Rolf Karstaedt"
<Gospe...@t-online.de> wrote:

>Ich zum beispiel habe mich mit meinem leibl Vater nie versöhnt, habe mich
>aber durch die vergebung des mißbrauchs befreit und kann nun darüber reden
>und es belastet mich und meine beziehung längst nicht mehr.

Das ist sicher schön für dich, daß es so ausgegangen ist. Allerdings
nehme ich dir nicht ab, daß du wirklich vergeben hast. Ich vermute, du
hast für das Verhalten deines Vaters eine Erklärung gefunden, die es
dir erleichtert, deine damalige Situation besser zu verstehen. Jetzt
fühlst du dich besser. Das ist jedoch keine Vergebung.

Außerdem muß man immer fragen, wieso einem Opfer der Täter überhaupt
wichtig zu sein hat? Außerhalb des Vergebungszwanges der christlichen
Religion gibt es dafür keinen Grund, noch nicht mal einen
ideologischen. Meines Erachtens muß ein Verbrechensopfer die Chance
erhalten, von der Tat unbelastet die eigene Zukunft gestalten zu
können. Das geht auch ohne Vergebung und Täterkontakt.

Holger

Regina Sickel

unread,
Mar 13, 2001, 11:55:07 AM3/13/01
to
On Mon, 12 Mar 2001 21:17:57 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

Hallo Christian,
>


>>>Ich bin auf Dein Statement eingegangen, sonst nichts:
>>
>>Ganz im Gegenteil. Ich sehe zwischen der von mir auf deinen Wunsch hin
>>ausführlich begründeten weiteren Möglichkeit ...
>>
>>-------------------------------------------------------------------
>>RS: Wie gesagt, es geht um eine weitere *Möglichkeit*, wie man sich
>>aus seiner Rolle als Opfer befreien *kann*, ohne sich deshalb
>>versöhnen oder zwingend Haßgefühle haben *zu müssen*.
>>[Ärgerbewältigungsstil/Ursachenzuschreibung]
>>-------------------------------------------------------------------
>>
>>und deiner Reaktion ...
>>
>>-------------------------------------------------------------------
>>
>>CG: BTW: Ich halte es für ausgeschlossen, sich aus einer Opferrolle
>>heraus (ob mit oder ohne Zwang) zur Versöhnung zu befreien. [...]
>>-------------------------------------------------------------------
>>
>>nicht, daß du auch nur ansatzweise auf meine Ausführungen Bezug
>>nimmst. Denn während ich eine Möglichkeit ausführte, in der Versöhnung
>>überhaupt keine Rolle spielt,
>
>O doch:
>Du hast von einer *weiteren Möglichkeit* der *Befreiung* aus der
>Opferrolle geschrieben, ohne sich *versöhnen* oder hassen zu *müssen*
>(die Du danach ausgeführt hast).

Christian, BITTE, welche Bedeutung hat in unserer hoffentlich
gemeinsamen Sprache das Wort "ohne"?!

>Also bestehe diese Möglichkeit - so habe ich geschlossen - *neben* der
>Möglichkeit, hassen zu müssen, und neben der Möglichkeit, sich

>versöhnen zu müssen. Kann ja sein, daß ich Dich mißverstanden habe.

Ja, ich denke, das hast du. Bitte sieh dir _deine eigene_, gleich zu
Beginn eingebrachte _Möglichkeit_ noch mal auf diesen Wortlaut hin an.
Ich habe nämlich schon einmal für dich im Nachhinein dargelegt, daß
ich deine Ausführungen als eine Möglichkeit betrachte und durch das
Danebenstellen der von mir erörteren weiteren Möglichkeit deine damit
nicht abwerte, wenn deine für dich so ok ist, und möchte mich
diesbzgl. wirklich nicht noch einmal wiederholen müssen. Für mich ist
das eine Frage der Toleranz, die ich allerdings nicht als Schwäche
verstanden haben möchte in der Form, daß du deinerseits keine anderen
Möglichkeiten neben deiner duldest. In dem Punkt habe ich hoffentlich
dich mißverstanden.

>>du verwürfelst plötzlich Versöhnung mit Vergebung.
>
>Sorry, das gehört für mich zusammen. Wenn für Dich Versöhnung ohne
>Vergebung möglich ist, würde ich gerne wissen, wie Du Dir das
>vorstellst.

Ich denke, daß kann Rolf am besten erklären bzw. hat er das für mich
schon, und ich respektiere das genauso wie deine Lösung oder Holgers.
Letztlich berücksichtige ich dabei auch, daß eine Bewältigung
dauerhafter Traumatisierungen ganz "normal" verschiedene Phasen
durchläuft, wiewohl im Sinne von Gesundheit und Lebensqualität am Ende
trotzdem keinesfalls Versöhnung stehen muß. Inneres "Abschiednehmen"
und "Weglegen" der Ereignisse in eine Art Schublade der Vergangenheit
im Sinne von _Integration_ (nicht Verleugnung) kann dagegen für Opfer
von Straftaten zum geeigneten Zeitpunkt sogar sehr bedeutsam sein.

>Du erfüllst mich mit tiefer Ratlosigkeit.

Geht mir ähnlich. Dieses Auseinandersetzung hier ist das absolute
topic von allem, was ich an Ungereimtheiten bisher in meiner
langjährigen Online-Zeit erlebt habe. Ich betrachte den Versuch der
Klärung hier deshalb als letzten Versuch der Erhellung. Und falls es
nicht gelingt, ja mei, wir haben's immerhin versucht und sollten
deshalb keinen Krieg entfachen.

>Holger hat das Wort "Haß" in dem Posting, auf das ich reagierte, genau
>*einmal* verwendet im Sinne von Selbsthaß, der durch verordnete
>Feindesliebe entstünde.

Nein, darum ging es ihm grundlegend bereits in seiner Eröffnungsfrage,
die ich ebenfalls schon einmal für dich repostet habe, um beim "roten
Faden" zu bleiben.

>>Also bitte:
>>Wozu soll der Verursacher eines Traumas (und nochmal: wir reden hier
>>von Straftätern) zukunftsgerichtet wichtig sein?
>
>Nun, er ist sozusagen integrativer Bestandteil des Traumas.

Keineswegs zwangsläufig. Recherchiere bitte nach "Amnesien" und der
Bedeutung von "Flashbacks".

>Ich habe noch niemanden erlebt, der/die die auslösende Person oder das
>auslösende Ereignis von dieser Erfahrung hätte lösen können. Im
>Gegenteil: Vieles, was auch nur entfernt an sie erinnerte, löste bei
>den Betroffenen Ängste und heftige Abwehrreaktionen aus.
>Reicht Dir das als Beleg?

Nein. Aber _wenn_ du das nur so kennst, verstehe ich noch weniger,
warum "Versöhnung" für dich aus gesundheitlicher Sicht überhaupt ein
Thema ist.

>>Was könnte er für den
>>Geschädigten, für seinen Gesundheitszustand und seine Lebensqualität
>>in Gänze tun?
>
>Der kann gar nichts tun als sich fernhalten.
>Nur - jemand (und genau das war es, was ich eigentlich sagen wollte,
>doch Du hast den Sinn meiner Worte in ihr Gegenteil verkehrt), der von
>seinem Trauma losgekommen und seiner Opferrolle entwachsen ist, kann
>unter bestimmten Umständen etwas *für sich* tun.

Zeige mir bitte eine einzige seriöse Quelle, die vorgibt, die Folgen
eines dauerhaft menschengemachten Traumas, das ihren Ursprung in der
Kindheit hatte, sei _vollständig heilbar_.

Gruss
resi

Regina Sickel

unread,
Mar 13, 2001, 1:22:58 PM3/13/01
to
On Mon, 12 Mar 2001 23:56:26 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

>Das Ziel ist nicht, daß die Menschen um der Vollkommenheit willen sich
>selbst hassen und ihre Feinde lieben, sondern ihre eigene
>Unvollkommenheit und die anderer wahr- und annehmen.

Was verstehst du genau unter "annehmen"?

R.S.

Christian Günther

unread,
Mar 13, 2001, 1:48:20 PM3/13/01
to
Hallo Regina,


>>Das Ziel ist nicht, daß die Menschen um der Vollkommenheit willen sich
>>selbst hassen und ihre Feinde lieben, sondern ihre eigene
>>Unvollkommenheit und die anderer wahr- und annehmen.
>
>Was verstehst du genau unter "annehmen"?

In Bezug auf mich selber: Daß ich mein Ungenügen akzeptieren kann und
damit umgehen lerne, ohne mich deswegen durch Schuldgefühle
kaputtmachen zu lassen oder mich ständig unter Druck gesetzt zu
fühlen.
Daß andere auch nicht ob ihres Ungenügens verurteile und die
Betreffenden fertigmache, sondern sie mit ihren Schwächen akzeptiere
(auch wenn es mich manchmal wütend macht).

Gruß
Christian

Regina Sickel

unread,
Mar 13, 2001, 1:50:05 PM3/13/01
to
On Mon, 12 Mar 2001 17:32:46 GMT,Liebeler-...@t-online.de
(Ingrid Liebeler) wrote:

Hallo Ingrid,

>Regina Sickel <sic...@attglobal.net> wrote:
>>Zwischen Vergebung und Versöhnung unterscheide ich allerdings
>>deutlich. Denn für eine aktive Versöhnung bedarf es der entsprechenden
>>Haltung zweier Parteien und ich halte es für eine gesellschaftlich
>>inakzeptable täterzentrierte Sicht, dem Geschädigten einseitig
>>anzulasten, für eine Versöhnung müsse nur er "sich befreit und leben
>>gelernt" haben.
>
>Hmmm ... Ehrlich gesagt habe ich es mit derart krassen Faellen noch
>nicht zu tun gehabt.

[...]

>>Was müßten deiner Meinung nach die Schädiger gelernt haben, damit von
>>ihrer Seite die Vorraussetzungen für eine Versöhnung gegeben sind und
>>vor allem: wessen Aufgabe sollte es sein, diesen Lernprozess - wenn
>>psychisch möglich - anzustoßen bei Straftätern?
>
>Also ich habe davon gehoert, dass in den letzten Jahren Wert auf
>eine Taeter-Opfer-Zusammenfuehrung gelegt wird ...

Wenn wir uns vermutlich darüber einig sind, daß man Straftaten an
seinen Kindern nicht aus psychischer Gesundheit heraus begeht, was
ändert eine Täter-Opfer-Zusammenführung dann am Gesundheitszustand
des/der Täter?

>Bei der Verhandlung (vor Gericht) ist das ja ohnehin der Fall ...

In der überwältigenden Mehrzahl der Fälle gibt es keine Verhandlung
vor Gericht. Daneben ist es noch nicht so sehr lange her, daß es
Kindern überlassen wurde, ob Straftaten verfolgt wurden oder nicht,
selbst wenn die Beweislage Gerichte veranlaßte, Eltern das Sorgerecht
wegen Mißbrauch/Mißhandlung zu entziehen.

>Nun ... Der Taeter muesste Scham zeigen koennen und aufrichtige
>(aufrechte) Reue ... An sich muesste ER das Opfer um Verzeihung bitten

Ich hoffe, ich verstehe dich miß. Du meinst nicht wirklich, daß allein
erklärte Reue und eine Entschuldigung zu psychischer Gesundheit _beim
Straftäter_ führt, oder?

>Dir noch einen angenehmen Abend wuensche

Danke, ebenfalls
R.S.

Christian Günther

unread,
Mar 13, 2001, 4:42:54 PM3/13/01
to
Hallo Regina,

>>>>Ich bin auf Dein Statement eingegangen, sonst nichts:
>>>
>>>Ganz im Gegenteil. Ich sehe zwischen der von mir auf deinen Wunsch hin
>>>ausführlich begründeten weiteren Möglichkeit ...
>>>
>>>-------------------------------------------------------------------
>>>RS: Wie gesagt, es geht um eine weitere *Möglichkeit*, wie man sich
>>>aus seiner Rolle als Opfer befreien *kann*, ohne sich deshalb
>>>versöhnen oder zwingend Haßgefühle haben *zu müssen*.
>>>[Ärgerbewältigungsstil/Ursachenzuschreibung]
>>>-------------------------------------------------------------------
>>>
>>>und deiner Reaktion ...
>>>
>>>-------------------------------------------------------------------
>>>
>>>CG: BTW: Ich halte es für ausgeschlossen, sich aus einer Opferrolle
>>>heraus (ob mit oder ohne Zwang) zur Versöhnung zu befreien. [...]
>>>-------------------------------------------------------------------
>>>
>>>nicht, daß du auch nur ansatzweise auf meine Ausführungen Bezug
>>>nimmst. Denn während ich eine Möglichkeit ausführte, in der Versöhnung
>>>überhaupt keine Rolle spielt,
>>
>>O doch:
>>Du hast von einer *weiteren Möglichkeit* der *Befreiung* aus der
>>Opferrolle geschrieben, ohne sich *versöhnen* oder hassen zu *müssen*
>>(die Du danach ausgeführt hast).
>
>Christian, BITTE, welche Bedeutung hat in unserer hoffentlich
>gemeinsamen Sprache das Wort "ohne"?!

Die einer ausschließenden Verknüpfung, so nahm ich an. Oder vielleicht
auch die einer formallogischen, einschließenden Verknüpfung? ;-)
(Mir erschien ja schon die *bloße Verknüpfung* - egal wie herum - als
zu weit 'in Richtung Toleranz' gegangen.)

>>Also bestehe diese Möglichkeit - so habe ich geschlossen - *neben* der
>>Möglichkeit, hassen zu müssen, und neben der Möglichkeit, sich
>>versöhnen zu müssen. Kann ja sein, daß ich Dich mißverstanden habe.
>
>Ja, ich denke, das hast du. Bitte sieh dir _deine eigene_, gleich zu
>Beginn eingebrachte _Möglichkeit_ noch mal auf diesen Wortlaut hin an.
>Ich habe nämlich schon einmal für dich im Nachhinein dargelegt, daß
>ich deine Ausführungen als eine Möglichkeit betrachte und durch das
>Danebenstellen der von mir erörteren weiteren Möglichkeit deine damit
>nicht abwerte, wenn deine für dich so ok ist, und möchte mich
>diesbzgl. wirklich nicht noch einmal wiederholen müssen.

Das mag sehr nett von Dir sein, aber es ist IMHO zuviel Ehre für
"meinen" Standpunkt (der ja gar nicht meiner ist). Ich habe
im Verlauf der Diskussion vieles über (post)traumatische Syndrome
gelernt, ua dies, daß Versöhnung - oder deren Voraussetzung Vergebung
- im Verlauf einer Traumabewältigung noch nicht möglich ist.
Darum, das war der schlichte Sinn meines Einwurfs, ist es trotz aller
Toleranz unangebracht, Versöhnung *als Alternative* zur
Ärger-Verarbeitung zu betrachten.

MaW: Wärst Du nicht so entgegenkommend gewesen, dann hätte ich auch
nichts zu beanstanden gehabt.

>Für mich ist
>das eine Frage der Toleranz, die ich allerdings nicht als Schwäche
>verstanden haben möchte in der Form, daß du deinerseits keine anderen
>Möglichkeiten neben deiner duldest. In dem Punkt habe ich hoffentlich
>dich mißverstanden.

Das hoffe ich auch.

>>>du verwürfelst plötzlich Versöhnung mit Vergebung.
>>
>>Sorry, das gehört für mich zusammen. Wenn für Dich Versöhnung ohne
>>Vergebung möglich ist, würde ich gerne wissen, wie Du Dir das
>>vorstellst.
>
>Ich denke, daß kann Rolf am besten erklären bzw. hat er das für mich
>schon, und ich respektiere das genauso wie deine Lösung oder Holgers.
>Letztlich berücksichtige ich dabei auch, daß eine Bewältigung
>dauerhafter Traumatisierungen ganz "normal" verschiedene Phasen
>durchläuft, wiewohl im Sinne von Gesundheit und Lebensqualität am Ende
>trotzdem keinesfalls Versöhnung stehen muß.

Das ist eine schwierige Frage.
Was zB bedeutet 'Gesundheit', wenn Du unten die These aufstellst (die
ich jetzt mal gar nicht bestreiten will), daß ein dauerhaft
menschengemachtes Trauma, das seinen Ursprung in der Kindheit hat, gar
nicht vollständig heilbar ist?
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, daß man nach einer
Traumabewältigung überhaupt von einem gesunden Patienten sprechen
kann?

>Geht mir ähnlich. Dieses Auseinandersetzung hier ist das absolute
>topic von allem, was ich an Ungereimtheiten bisher in meiner
>langjährigen Online-Zeit erlebt habe.

Ein Hauptproblem scheint mir darin zu bestehen, daß jede/r von uns
sein Vorverständnis erst mal gegen den Strich bürsten muß, um den/die
andere zu verstehen.

>Ich betrachte den Versuch der
>Klärung hier deshalb als letzten Versuch der Erhellung. Und falls es
>nicht gelingt, ja mei, wir haben's immerhin versucht und sollten
>deshalb keinen Krieg entfachen.

:-)

>>Ich habe noch niemanden erlebt, der/die die auslösende Person oder das
>>auslösende Ereignis von dieser Erfahrung hätte lösen können. Im
>>Gegenteil: Vieles, was auch nur entfernt an sie erinnerte, löste bei
>>den Betroffenen Ängste und heftige Abwehrreaktionen aus.
>>Reicht Dir das als Beleg?
>
>Nein. Aber _wenn_ du das nur so kennst, verstehe ich noch weniger,
>warum "Versöhnung" für dich aus gesundheitlicher Sicht überhaupt ein
>Thema ist.

Ich betrachte Versöhnung *gar nicht* als therapeutisches Mittel im
Sinn von Wiederherstellung von einer halbwegs erträglichen
Lebensqualität. Mir ging es um den Vorwurf, daß christlicherseits
anstelle therapeutischer Aktivitäten sowas wie ein Zwang zur
Vergebung/Versöhnung verordnet würde.

>>>Was könnte er für den
>>>Geschädigten, für seinen Gesundheitszustand und seine Lebensqualität
>>>in Gänze tun?
>>
>>Der kann gar nichts tun als sich fernhalten.
>>Nur - jemand (und genau das war es, was ich eigentlich sagen wollte,
>>doch Du hast den Sinn meiner Worte in ihr Gegenteil verkehrt), der von
>>seinem Trauma losgekommen und seiner Opferrolle entwachsen ist, kann
>>unter bestimmten Umständen etwas *für sich* tun.
>
>Zeige mir bitte eine einzige seriöse Quelle, die vorgibt, die Folgen
>eines dauerhaft menschengemachten Traumas, das ihren Ursprung in der
>Kindheit hatte, sei _vollständig heilbar_.

Ich bin sicher nicht der geeignete Kandidat, um Dir beim Herumkramen
in der psychologischen Bücherkiste zu helfen.
Ich kann Dir nur Beispiele aus meiner Erfahrung beisteuern, zB aus
meiner nicht besonders langen Zeit am Krankenhaus. Dort gab es eine
Gruppe von Suizidgefährdeten. Bei einigen von ihnen bestand das
Problem des 'unreinen Herzens' - sie hatten schwere Konflikte mit
ihren Eltern gehabt (ob Mißbrauchsfälle darunter waren, weiß ich nicht
mehr) und litten unter massiven Schuldgefühlen. Sie hätten sich nun
gerne mit ihren Eltern versöhnt oder einfach einige Dinge
klargestellt, doch die waren verstorben.

Ich schreibe das, weil ich sowas ähnliches danach auch bei einem
Mädchen erlebt habe, das zwar nicht sexuell mißbraucht, aber von
seinem Vater ua aus dem schnellfahrenden Auto geworfen und später noch
jahrelang bedroht worden war. Es hatte diese Erfahrung(en) dann - so
scheint mir - bewältigen und sich eine eigene Existenz aufbauen
können. Schließlich fühlte sie sich durch das ungeklärte Verhältnis zu
ihrem 'reuigen' Vater (ein waschechter Verbrecher, wenn Du mich
fragst) mehr und mehr belastet, und sie wollte sich unbedingt mit ihm
aussöhnen.

Ich schreibe dies, um Dir zu verdeutlichen, was ich unter 'etwas für
sich tun' verstehe.

Gruß
Christian

Holger Bruns

unread,
Mar 13, 2001, 10:25:00 PM3/13/01
to
On Tue, 13 Mar 2001 21:42:54 GMT, gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

>Ich schreibe das, weil ich sowas ähnliches danach auch bei einem
>Mädchen erlebt habe, das zwar nicht sexuell mißbraucht, aber von
>seinem Vater ua aus dem schnellfahrenden Auto geworfen und später noch
>jahrelang bedroht worden war. Es hatte diese Erfahrung(en) dann - so
>scheint mir - bewältigen und sich eine eigene Existenz aufbauen
>können. Schließlich fühlte sie sich durch das ungeklärte Verhältnis zu
>ihrem 'reuigen' Vater (ein waschechter Verbrecher, wenn Du mich
>fragst) mehr und mehr belastet, und sie wollte sich unbedingt mit ihm
>aussöhnen.

Nein, nicht aussöhnen. Zur Rede stellen. Fragen, was er sich dabei
dachte. Fragen, wie er heute dazu steht. Das ist was anderes als eine
Aussöhnung, auch wenn sich das auf den ersten Blick hin wie eine
Aussöhnung anfühlt.

Reue ist immer relativ. Wenn es diesem Vater nichts kostet, zum
Beispiel das Geld für den Lebensunterhalt seiner mental behinderten
Tochter (die ja erst durch seine Tat mental behindert wurde), ist ein
genuscheltes "Schulligung" billig. Das kann es doch nicht sein.

Der Punkt ist ein anderer: Aufgrund des biblischen Versöhnungs- und
Vergebungsgebotes forderst du als Theologe offenbar immer noch von den
Opfern ein, sie mögen sich mit den Tätern in Verbindung setzen und
ihnen "Vergebung" aufdrängen, damit sie sich dann "besser fühlen" und
womöglich auch noch unbelastet durch die Tat ins Gottesreich kommen.

Das ist eine Umkehr der Verhältnisse. Der Täter ist für das Opfer
jedoch nicht wichtig, sondern die Bewältigung der Folgen der Tat. Das
geht in der Regel ohne Vergebung und ohne Täterkontakt. Ich finde an
deiner Argumentation schlimm, daß du den Täterkontakt forderst - von
dir aus erst nach der Traumabewältigung, obwohl die mit Täterkontakt
oder mit der Aussicht auf eine erneute, höchst unangenehme Begegnung
noch weniger klappen würde als ohnehin schon. Das ist wie eine erneute
Schändung der Opfer, die durch deine Argumentation auf die Gnade des
Täters angewiesen sind, er möge doch bittebitte um Entschuldigung
bitten, damit ihm vergeben werden könne, damit dem Opfer dann Gott
vergeben kann, damit das Opfer dann endlich den g*ttlichen
Seelenfrieden findet. Der Täter, dem das alles wurscht sein dürfte,
kann sein Opfer im Zuge der Traumabewältigung nach deiner Art also
weiterquälen. Er sagt einfach: "Nein. Du kannst was vor die Schnauze
haben, aber ich werde dich nicht auch noch um Entschuldigung bitten.
Das ist ja wohl das Letzte!" Und sollte er dann hören, daß man ihm
sicherheitshalber vergibt, obwohl er diese Vergebung nicht will, wird
er sich über die Unterwerfung seines Opfers auch noch amüsieren.
Demütigungen, nichts als Demütigungen hast du hier anzubieten. Das ist
grausam. Offenbar gehört zur Traumabewältigung auch die Überwindung
der christlichen Religion.

Du zeigst mir, daß in den 2000 Jahren nach Christus viel dazugelernt
wurde - zwar nicht unter Christen, aber ansonsten schon. Ich finde es
einfach ignorant, die vielen neuen Erkenntnisse aus 2000 Jahren
Menschheitsgeschichte wegzuwerfen, weil Jesus mal was sagte, was
nachgewiesenermaßen nicht funktioniert - zum Beispiel die
Feindesliebe. Das ist blinder Dogmatismus, den ich nicht billige.

Ich gebe offen zu, daß mir Kruzifix und kirchliche Sakramente sehr
egal sind. Zumindest sind sie nicht heilig. Das einzige Heiligtum, was
ich kenne und schätze, ist das menschliche Leben selbst - und damit
auch die Gesundheit von Menschen, denen Unrecht angetan wurde. Die
Bewältigung der Folgen dieses Unrechts ist wichtig. Alles andere ist
Asche, egal, was Jesus sagte (Feindesliebe) und was er uns verschwieg
(was er damit im theologischen Sinne meinte). So ist mein Standpunkt.

Holger

Sabine Baer

unread,
Mar 14, 2001, 1:17:28 AM3/14/01
to
On Wed, 14 Mar 2001 03:25:00 GMT, Holger Bruns <hbr...@gmx.de> wrote:

[...]

>Ich gebe offen zu, daß mir Kruzifix und kirchliche Sakramente sehr
>egal sind. Zumindest sind sie nicht heilig. Das einzige Heiligtum, was
>ich kenne und schätze, ist das menschliche Leben selbst - und damit
>auch die Gesundheit von Menschen, denen Unrecht angetan wurde. Die
>Bewältigung der Folgen dieses Unrechts ist wichtig. Alles andere ist
>Asche, egal, was Jesus sagte (Feindesliebe) und was er uns verschwieg
>(was er damit im theologischen Sinne meinte). So ist mein Standpunkt.

Ich moechte nicht in Eure Diskussion einsteigen, aber ich denke, das
Christentum ist eine Religion, die sich nur fuer Menschen mit einem
unerschuetterten und unerschuetterlichen Selbst- oder Weltbild eignet.
Ich erinnere mich dunkel, dass ich mich selten so verachtet,
beschimpft, weggestossen gefuehlt habe wie bei der Lektuere des NT.

Sabine

--
"Vielleicht", sagte Pu. "Manchmal ist es eins, und manchmal ist es
keins. Bei Fusspuren kann man nie wissen."
(A. A. Milne, Pu der Bär)

Christian Günther

unread,
Mar 14, 2001, 4:34:51 AM3/14/01
to
Hallo Holger,

>>Ich schreibe das, weil ich sowas ähnliches danach auch bei einem
>>Mädchen erlebt habe, das zwar nicht sexuell mißbraucht, aber von
>>seinem Vater ua aus dem schnellfahrenden Auto geworfen und später noch
>>jahrelang bedroht worden war. Es hatte diese Erfahrung(en) dann - so
>>scheint mir - bewältigen und sich eine eigene Existenz aufbauen
>>können. Schließlich fühlte sie sich durch das ungeklärte Verhältnis zu
>>ihrem 'reuigen' Vater (ein waschechter Verbrecher, wenn Du mich
>>fragst) mehr und mehr belastet, und sie wollte sich unbedingt mit ihm
>>aussöhnen.
>
>Nein, nicht aussöhnen. Zur Rede stellen. Fragen, was er sich dabei
>dachte. Fragen, wie er heute dazu steht. Das ist was anderes als eine
>Aussöhnung, auch wenn sich das auf den ersten Blick hin wie eine
>Aussöhnung anfühlt.

Holger, ich habe Verständnis dafür, daß Dir das nicht gefällt. Mir
selber standen auch die Haare zu Berge, als ich davon erfuhr. Aber ich
berichte halt von Geschehenem, nicht von meiner Privatmeinung! Dafür,
daß Du das nicht nachvollziehen kannst, kann wiederum ich nichts.

>Reue ist immer relativ. Wenn es diesem Vater nichts kostet, zum
>Beispiel das Geld für den Lebensunterhalt seiner mental behinderten
>Tochter (die ja erst durch seine Tat mental behindert wurde), ist ein
>genuscheltes "Schulligung" billig. Das kann es doch nicht sein.
>
>Der Punkt ist ein anderer: Aufgrund des biblischen Versöhnungs- und
>Vergebungsgebotes forderst du als Theologe offenbar immer noch von den
>Opfern ein, sie mögen sich mit den Tätern in Verbindung setzen und
>ihnen "Vergebung" aufdrängen, damit sie sich dann "besser fühlen" und
>womöglich auch noch unbelastet durch die Tat ins Gottesreich kommen.

Lassen wir mal das Gottesreich beiseite. Damit wirst Du, AIC, nichts
anfangen können. Nur: Wenn jemand wirklich in der Lage ist zu vergeben
und sich schlecht dabei fühlt, daß er/sie sich nicht mit den um
Entschuldigung bittenden Tätern ausgesöhnt hat, sollte ich ihm/ihr
dann nicht raten, den Kontakt aufzunehmen? Soll ich dann vielleicht so
lange abraten, bis ich sie/ihn zerschmettert am Fuß einer
Autobahnbrücke finde?

>Das ist eine Umkehr der Verhältnisse. Der Täter ist für das Opfer
>jedoch nicht wichtig, sondern die Bewältigung der Folgen der Tat. Das
>geht in der Regel ohne Vergebung und ohne Täterkontakt.

ACK.

>Ich finde an
>deiner Argumentation schlimm, daß du den Täterkontakt forderst - von
>dir aus erst nach der Traumabewältigung, obwohl die mit Täterkontakt
>oder mit der Aussicht auf eine erneute, höchst unangenehme Begegnung
>noch weniger klappen würde als ohnehin schon.

Unter diesen Umständen würde ich von einem Täterkontakt abraten. Das
habe ich auch schon mehrmals geschrieben! Ich bitte Dich, mir nicht
laufend irgendwelche Sachen zu unterstellen!

>Das ist wie eine erneute
>Schändung der Opfer, die durch deine Argumentation auf die Gnade des
>Täters angewiesen sind, er möge doch bittebitte um Entschuldigung
>bitten, damit ihm vergeben werden könne, damit dem Opfer dann Gott
>vergeben kann, damit das Opfer dann endlich den g*ttlichen
>Seelenfrieden findet. Der Täter, dem das alles wurscht sein dürfte,
>kann sein Opfer im Zuge der Traumabewältigung nach deiner Art also
>weiterquälen. Er sagt einfach: "Nein. Du kannst was vor die Schnauze
>haben, aber ich werde dich nicht auch noch um Entschuldigung bitten.
>Das ist ja wohl das Letzte!"

Ich schreibe mir hier die Finger wund, daß unter solchen Umständen
keine Vergebung möglich ist, und Du unterstellst es mir immer wieder!
:-(

Also, _zum letzten Mal_: Nur dann, wenn der Täter
a) keine Gefahr mehr für das Opfer darstellt,
b) zu seiner Tat in vollem Umfang steht,
c) sie bereut und dafür um Entschuldigung bittet,
ist eine Vergebung überhaupt *möglich*.
Vergebung ist ja nicht das Problem des Vergebenden, sondern das des
Schuldigen. Der Vergebende kann nur die Schuld vergeben, die ihm vom
Schuldigen zur Ent-Schuldigung angetragen wird.
Bei einem nicht oder nur scheinbar reuigen Täter gibt es einfach
nichts zu ent-schuldigen! Klaro?

>Und sollte er dann hören, daß man ihm
>sicherheitshalber vergibt, obwohl er diese Vergebung nicht will, wird
>er sich über die Unterwerfung seines Opfers auch noch amüsieren.
>Demütigungen, nichts als Demütigungen hast du hier anzubieten. Das ist
>grausam. Offenbar gehört zur Traumabewältigung auch die Überwindung
>der christlichen Religion.
>
>Du zeigst mir, daß in den 2000 Jahren nach Christus viel dazugelernt
>wurde - zwar nicht unter Christen, aber ansonsten schon. Ich finde es
>einfach ignorant, die vielen neuen Erkenntnisse aus 2000 Jahren
>Menschheitsgeschichte wegzuwerfen, weil Jesus mal was sagte, was
>nachgewiesenermaßen nicht funktioniert - zum Beispiel die
>Feindesliebe. Das ist blinder Dogmatismus, den ich nicht billige.

Wenn Du mir laufend Sachen vorwirfst, die ich nun schon mehrfach von
mir gewiesen habe, dann kann ich von Deiner Meinung nur sagen: 'Das
ist blinder Dogmatismus, den ich nicht billige.'

Gruß
Christian

Christian Günther

unread,
Mar 14, 2001, 4:51:26 AM3/14/01
to
Hallo K.Peter,

>>Offenbar gehört zur Traumabewältigung auch die Überwindung
>>der christlichen Religion.
>

>Nur die Überwindung des NT. ("...linke Wange, rechte Wange...")

Umgekehrt! "...rechte Wange, ... andere Wange"

>Das AT war noch lebensnah. ("Aug um Aug, Zahn um Zahn")

Jepp! ("H-Bombe um H-Bombe!")


Regina Sickel

unread,
Mar 14, 2001, 8:10:59 AM3/14/01
to
On Tue, 13 Mar 2001 21:42:54 GMT,gund...@t-online.de (Christian
Günther) wrote:

Hallo Unbekannter!

Ach so. Das war gar nicht dein Standpunkt und dieser ominöse "ich"
bist gar nicht du. Halleluja! Da reposte ich doch glatt noch mal für
die Analen, was gar nicht dein Standpunkt war, damit alle gequälten
Mitleser von dem Wunder erfahren, daß ausgerechnet ich <oh Gloria!>
die Auserwählte bin, die das merkwürzige Vernügen hatte, Postings
direkt vom heiligen Geist zu empfangen.

------------------------------------------------------------------
RS:
Warum sollte man denn an seiner Vergebungsbereitschaft arbeiten?

CG:
Um seiner selbst willen.
Solche Verstrickungen setzen sich ja manchmal über Generationen hinweg
fort. Wenn ich jemandem anderen wirklich vergeben kann, dann entbinde
ich mich selber meiner bisherigen Opferrolle. Das kann mich befreien.
<3a9e8a1a...@news.btx.dtag.de>
-------------------------------------------------------------------

>MaW: Wärst Du nicht so entgegenkommend gewesen, dann hätte ich auch
>nichts zu beanstanden gehabt.

FYI: Toleranz hat nix mit Nettigkeit oder Ehre zu tun. Toleranz leitet
sich aus dem Lateinischen "Tolerare" ab und bedeutet m.W. "Ertragen,
Aushalten". An "Stimmen" aus dem Off hatte ich dabei allerdings nicht
gedacht. Nun ja, ich schrieb ja bereits, das hier topt alles bisher
Dagewesene. Halleluja!

R.S.

PS: Bitte antworten Sie nicht, ich rufe zurück!

Regina Sickel

unread,
Mar 14, 2001, 8:11:00 AM3/14/01
to
On Wed, 14 Mar 2001 10:30:28 +0100,K.Peter Meyer <kpm...@gmx.net>
wrote:

>On Wed, 14 Mar 2001 03:25:00 GMT, hbr...@gmx.de (Holger Bruns) wrote:
>>Offenbar gehört zur Traumabewältigung auch die Überwindung
>>der christlichen Religion.
>

>Nur die Überwindung des NT. ("...linke Wange, rechte Wange...")
>

>Das AT war noch lebensnah. ("Aug um Aug, Zahn um Zahn")

Und nach uns die Sündflut

resi

Regina Sickel

unread,
Mar 14, 2001, 9:42:54 AM3/14/01
to
On Wed, 14 Mar 2001 03:25:00 GMT,hbr...@gmx.de (Holger Bruns) wrote:

Hallo Holger,

>On Tue, 13 Mar 2001 21:42:54 GMT, gund...@t-online.de (Christian
>Günther) wrote:
>>Ich schreibe das, weil ich sowas ähnliches danach auch bei einem
>>Mädchen erlebt habe, das zwar nicht sexuell mißbraucht, aber von
>>seinem Vater ua aus dem schnellfahrenden Auto geworfen und später noch
>>jahrelang bedroht worden war. Es hatte diese Erfahrung(en) dann - so
>>scheint mir - bewältigen und sich eine eigene Existenz aufbauen
>>können. Schließlich fühlte sie sich durch das ungeklärte Verhältnis zu
>>ihrem 'reuigen' Vater (ein waschechter Verbrecher, wenn Du mich
>>fragst) mehr und mehr belastet, und sie wollte sich unbedingt mit ihm
>>aussöhnen.
>
>Nein, nicht aussöhnen. Zur Rede stellen. Fragen, was er sich dabei
>dachte. Fragen, wie er heute dazu steht. Das ist was anderes als eine
>Aussöhnung, auch wenn sich das auf den ersten Blick hin wie eine
>Aussöhnung anfühlt.

Das ist prinzipiell gut möglich. Zu den *möglichen* Symptomen und
Symptomkonstellationen der komplexen posttraumatischen
Belastungsstörung (Hermann 1992) zählen aber leider auch
'Interpersonelle Störungen' i.S. einer gestörten Wahrnehmung des
Täters/Angreifers bis hin zu dessen Idealisierung und die sog.
'Reviktimisierungsneigung' mit exzessivem Risikoverhalten, das häufig
Gefährdungssituationen mit der gleichen Traumatisierungsgefahr erzeugt
(z.B. wieder vergewaltigt zu werden; wieder Gewaltopfer zu werden).

Insbesondere Opfer sexuellen Kindesmißbrauchs scheinen eine erhöhte
Wahrscheinlichkeit der Reviktimisierung im Erwachsenenalter zu haben,
da sie als Erwachsene häufiger geschlagen wurden als Kontrollpersonen
(Briere & Runtz, 1988). Erklären läßt sich das u.a. mit Lerndefiziten
bezüglich der Wahrnehmung und Interpretation von Gefahrensignalen, da
Selbstbestimmung und das Setzen eigener Grenzen nicht gefördert
wurden.

Ein Opfer von Kindesmißbrauch/-mißhandlung sollte von Seiten eines
Seelsorgers also eher im Setzen von Grenzen _unterstützt_ werden, als
zu Täterkontakten ermutigt zu werden, u.a. da a) die Rate von
Selbstmorden bzw. Selbstmordversuchen bei PTB-Klienten ohnehin erhöht
ist und b) weil nach dem Erlebnis nach Traumen posttraumatische
Belastungsstörungen praktisch in jedem Lebensalter auftreten können,
sowohl in der Kindheit als auch im hohen Lebensalter (Maercker,
Schützwohl & Solomon, 1997).

>Der Täter ist für das Opfer
>jedoch nicht wichtig, sondern die Bewältigung der Folgen der Tat. Das
>geht in der Regel ohne Vergebung und ohne Täterkontakt.

Volle Zustimmung!

>Der Täter, dem das alles wurscht sein dürfte,
>kann sein Opfer im Zuge der Traumabewältigung nach deiner Art also
>weiterquälen.

Dazu auch folgendes:

Interviews mit wegen sexuellem Mißbrauch mit Kindern rechtskräftig
verurteilten Straftätern offenbarten eine "bemerkenswert robuste
Abwehrstruktur", die es Ihnen erlaubte, auch nach der gerichtlichen
Tatsachenfeststellung subjektiv unschuldig zu bleiben (Wierbowsky &
Holzer 1991).

Gruss
R.S.

Holger Bruns

unread,
Mar 14, 2001, 11:53:59 AM3/14/01
to
On Wed, 14 Mar 2001 15:42:54 +0100, Regina Sickel
<sic...@attglobal.net> wrote:

Hallo Regina,

was ich dir schon immer mal sagen wollte: Mir gefällt dein sachlicher
Diskussionsstil und deine Fachkunde. Ich glaube, anhand deiner
Postings kann man einiges lernen.

>Zu den *möglichen* Symptomen und
>Symptomkonstellationen der komplexen posttraumatischen
>Belastungsstörung (Hermann 1992) zählen aber leider auch
>'Interpersonelle Störungen' i.S. einer gestörten Wahrnehmung des
>Täters/Angreifers bis hin zu dessen Idealisierung und die sog.
>'Reviktimisierungsneigung' mit exzessivem Risikoverhalten, das häufig
>Gefährdungssituationen mit der gleichen Traumatisierungsgefahr erzeugt
>(z.B. wieder vergewaltigt zu werden; wieder Gewaltopfer zu werden).

Diesen Extremfall hatte ich ja schon einmal in einem anderen Posting
erwähnt: Da war die junge Frau, die in einem heruntergekommenen Bremer
Stadtteil an den Wohnungen klingelte, um jemanden zu finden, der sie
vergewaltigt und abschlachtet.

Ich gehe allerdings davon aus, daß jedes Opfer im Zweifelsfall
unbewußt diese Neigung zur Reviktimisierung in sich trägt, solange das
Trauma wenigstens an dieser Stelle nicht aufgearbeitet wurde.

>Erklären läßt sich das u.a. mit Lerndefiziten
>bezüglich der Wahrnehmung und Interpretation von Gefahrensignalen, da
>Selbstbestimmung und das Setzen eigener Grenzen nicht gefördert
>wurden.

Lerndefizite dieser Art haben ihren Grund: Das Opfer muß seine ganze
Aufmerksamkeit auf den Selbstschutz ausrichten, insbesondere das
kindliche Opfer rabiater Eltern. Die Selbstschutzmechanismen werden
jedoch zur Behinderung, wenn der Täterkontakt wegfällt. Dann muß man
als junger Erwachsener erstmal lernen, was man normalerweise als Kind
hätte lernen sollen, wobei einem das Trauma aber immer wieder einholt.
Stichwort Flashback.

>Ein Opfer von Kindesmißbrauch/-mißhandlung sollte von Seiten eines
>Seelsorgers also eher im Setzen von Grenzen _unterstützt_ werden, als
>zu Täterkontakten ermutigt zu werden, u.a. da a) die Rate von
>Selbstmorden bzw. Selbstmordversuchen bei PTB-Klienten ohnehin erhöht

Seelsorger haben andere Probleme: Den Abgleich dysfunktionaler
Jesusworte mit der rauhen Wirklichkeit. Das ist im Kern auch das
Problem, das Christian hat. Er hat zwei bis drei Jesuszitate aus der
Feder von Menschen, denen die innere Logik ihrer Schreibe recht egal
war und du hast hunderttausende von Buchseiten aus den Federn
ausgewiesener Fachleute, die sich ihren Kopf machten. Zwischen Jesus
und deinen Fachleuten liegen 2000 Jahre Menschheitsgeschichte, die ein
gläubiger Christ aber unter den Teppich kehren muß. Meines Erachtens
ist Jesus jedoch nicht universalgültig, sondern auf den kulturellen
Kontext seiner Zeit zu beschränken.

>ist und b) weil nach dem Erlebnis nach Traumen posttraumatische
>Belastungsstörungen praktisch in jedem Lebensalter auftreten können,
>sowohl in der Kindheit als auch im hohen Lebensalter (Maercker,
>Schützwohl & Solomon, 1997).

Ein schlechtes Essen, das dir quer im Magen liegt, reicht für einen
Flashback. Du hast als Opfer dann Alpträume, und die handeln von den
erlittenen Mißhandlungen. Selbst wenn du wolltest: Vergessen kannst du
nie und die seelischen Schmerzen nach dem Erwachen sind die gleichen
wie zum Zeitpunkt der Mißhandlung. Das unterstreicht die Unfähigkeit,
wirklich vergeben zu können. Ich kann einem Seelsorger nur raten, die
"Feindesliebe" und die Vergebung niemals anzusprechen, wenn er es
wirklich mit einem Opfer zu tun hat, das von seinen Eltern als Kind
mißhandelt wurde.

>Interviews mit wegen sexuellem Mißbrauch mit Kindern rechtskräftig
>verurteilten Straftätern offenbarten eine "bemerkenswert robuste
>Abwehrstruktur", die es Ihnen erlaubte, auch nach der gerichtlichen
>Tatsachenfeststellung subjektiv unschuldig zu bleiben (Wierbowsky &
>Holzer 1991).

Wobei es bei "normalen" körperlichen Mißhandlungen ohne Penetration
des Opfers zu genau den gleichen traumatischen Reaktionen beim Opfer
kommt und die Täterhaltung dieselbe ist, die du hier beschreibst.
Eltern, die ihre Kinder mißhandelt haben, werden nie einsehen, daß sie
schweres Unrecht begingen, und wenn sie im Alter von all ihren Kindern
für immer verlassen wurden und vom Rest ihrer Verwandtschaft
geschnitten werden.

Holger

Rolf Karstaedt

unread,
Mar 14, 2001, 12:30:52 PM3/14/01
to

Holger Bruns schrieb im Newsbeitrag

> Seelsorger haben andere Probleme: Den Abgleich dysfunktionaler
> Jesusworte mit der rauhen Wirklichkeit. Das ist im Kern auch das
> Problem, das Christian hat. Er hat zwei bis drei Jesuszitate aus der
> Feder von Menschen, denen die innere Logik ihrer Schreibe recht egal
> war und du hast hunderttausende von Buchseiten aus den Federn
> ausgewiesener Fachleute, die sich ihren Kopf machten. Zwischen Jesus
> und deinen Fachleuten liegen 2000 Jahre Menschheitsgeschichte, die ein
> gläubiger Christ aber unter den Teppich kehren muß. Meines Erachtens
> ist Jesus jedoch nicht universalgültig, sondern auf den kulturellen
> Kontext seiner Zeit zu beschränken.

Hallo Holger,
ich weiß nicht ob du mit christentum nun Theologie, glaube oder schlicht nur
die bibel meinst. letzlich ist Glaube und die Bibel weder weltfremd noch
inaktuell. die Sozialen und auch psychischen belange sind die selben wie vor
2000 Jahren.
Ein guter und verantwortlicher seelsorger hat keine schwierigkeiten die
jesusworte in Verbindung mit der realität zu bringen. Letzlich ist Glaube
ein Hoffnungsträger. Und auch verletzte Psychen brauchen Hoffnung. Und ein
gläubiger christ muß die menschheitsgeschichte nicht unter den Tisch kehren,
im gegenteil er muß sie in sein handeln mit einbeziehen.
genauso, wie die psychotherapie nicht jedem wirklich hilft, hilft auch der
Glaube sicher nicht jedem. Aber nachgewiesener weise giobt es viele
menschen, denen er in ihrem leben stabilität und freude bringt, ja sogar oft
genug hilfe in verschiedenen Lebenslagen. Letzlich bist du im christentum
des 20Ten jahrhundert aufgewachsen und unsere kultur ist davon nicht frei.
In der Seelsorge wird (verantwortlichkeit einmal vorrausgesetzt) nicht an
geschichte und entwicklung der menschheit und der wissenschaft
vorbeigegeangen. Schließlich sind Seelsorger ebenso wie Ärzte und andere
beratende gruppen schon fast verpflichtet sich fortzubilden. und dazu gehört
meiner meinung nach auch der Blick über den disziplinären gartenzaun.

Gruß Rolf

Im übrigen Dein kompliment an Frauke stimmt.


Ingrid Liebeler

unread,
Mar 14, 2001, 1:56:47 PM3/14/01
to
Lieber Holger,

(ich nehme mir heraus, Dich so anzureden)

FREI wird man nur, wenn man vergeben und vergessen kann und
jemandem nicht ewig nachtraegt, was er getan hat. Damit, wenn man
das tut - nicht verzeihen kann - , bindet man sich an den Taeter,
und man kommt nicht zur Ruhe. Man gruebelt dann ewig darueber,
ueber die Frage, WARUM (d)er das getan hat ... Und wenn man hasst,
bindet man sich an denjenigen, den man hasst, den man so sehr ver-
achtet und ihm am liebsten die Pest oder sonst was an den Hals
wuenscht.

Und wenn man jemanden mit Verachtung straft, dann befreit man sich
auch nicht vom Taeter und von der Tat.
FREI wird man erst, wenn man verzeihen, vergeben und vergessen
kann und das aber auch dem Betreffenden sagt oder anderswie zu
verstehen gibt, nonverbal durch eine verzeihende Geste (Hand an
die Schulter, ein Nicken oder sonstwas),

Ingrid

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