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Offtopic: Was ist Grossdeutschland?

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Hans Bolte

unread,
Sep 18, 1999, 3:00:00 AM9/18/99
to
Edwin Guenthner wrote:
> Hans Bolte wrote:

Das fuehrt leider vom Thema weg, aber ich will es nicht so stehen
lassen:

> > deshalb haben sie Haiders FPÖ gewaehlt. Die Kaerntener sind eben klueger
> > als die uebrigen Deutschen, die ob der Auslaenderproblematik weinen und

> Aehem, Du weisst schon, dass Kaernten zu Oesterreich gehoert?

Aehem, und ich nehme an dass Du weisst, dass Oestereich nicht weniger
deutsch als die BRD ist? Aber da Du das wirklich nicht zu wissen
scheinst, klaere ich Dich noch eben schnell auf: Es gibt Britain (UK
ohne Nordirland) und Great Britain (UK mit Nordirland). Aehnlich ist es
mit Deutschland und Oestereich, die man zusammen auch (oder nur) als
Grossdeutschland bezeichnet.

Dass Oestereich und der Rest Deutschlands (bis auf sieben Jahre) nie
einen gemeinsamen Staat gebildet haben, lag immer an den Umstaenden,
entweder daran, dass die uebrigen Weltmaechte dies verhindern konnten,
oder dass Hohenzollern und/oder Habsburger nicht ihre Pfruende
aufzugeben bereit waren. Nur weil es (fast) nie mit einem alldeutschen
Staat geklappt hat, sind Oestereicher aber selbstverstaendlich nicht
weniger Deutsch als beipsielsweise Hessen oder Schaumburg-Lippianer.

Falls sich jemand besser damit auszukennt, kann er mich ja berichtigen,
aber im Prinzip sollte ich richtig liegen.

F'up nach dsg.

Hans

Katharina Bleuer

unread,
Sep 18, 1999, 3:00:00 AM9/18/99
to

Hej Hans,

Was ist mit der Deutschsprachigen Schweiz? Die ist ja auch germanopfon
und war lange Zeit oesterreichisch-habsburgische Kolonie..

Katharina

Juergen Grosse

unread,
Sep 18, 1999, 3:00:00 AM9/18/99
to
Katharina Bleuer schrieb:

Hallo Katharina,

...


> Was ist mit der Deutschsprachigen Schweiz? Die ist ja auch germanopfon
> und war lange Zeit oesterreichisch-habsburgische Kolonie..

...


die Anerkennung der Schweizer Eigenstaatlichkeit durch den
Westfaelischen Frieden ist aber ausreichend lange her, um die
Deutschschweiz nicht mehr ohne weiteres als Teil Deutschlands
betrachten zu lassen. Wer die Ergebnisse von 1648 nicht anerkennt, der
muesste dann auch die Existenz einer niederlaendischen Nation
bezweifeln.

Luxemburg, die Tschechische Republik und Belgien (ganz Belgien, nicht
nur die nach dem Ersten Weltkrieg abgetretenen Teile) waren erheblich
laenger Teil des Heiligen Roemischen Reiches bzw. noch des Deutschen
Bundes als die Schweiz (ausser natuerlich der Kanton Neuenburg, der
bis 1857 preussisch war).

Sind nun Oesterreicher, Deutschschweizer, deutschsprachige Suedtiroler
etc. unabhaengig vom voelkerrechtlichen Status des Gebietes, in dem
sie leben, nicht doch "Deutsche"? Das haengt IMHO lediglich von der
Definition des Begriffes "deutsch" oder "Deutscher" ab. Und da sind ja
durchaus unterschiedliche Definitionen denkbar.

"Deutscher-1" koennte heissen "jemand mit Pass der BRD", dann waeren
natuerlich Oesterreicher und Deutschschweizer keine Deutschen, soweit
sie nicht zufaellig _auch_ einen deutschen Pass haben.

"Deutscher-2" definiert als "jemand, der das Deutsche als
Muttersprache oder Heimsprache spricht", schloesse natuerlich
Deutschschweizer und 99 % der Oesterreicher ein, schloesse hingegen
diejenigen Sorben, daenischsprachigen Suedschleswiger, Nordfriesen,
Saterlaender und Sinti aus, die ihr Idiom noch pflegen. Diese
Definition wuerde auch manche Einwanderer der 2. oder 3. Generation
umfassen, die in ihrer Familie nur noch deutsch sprechen und die
Sprache ihrer Eltern nicht mehr oder kaum noch beherrschen.

"Deutscher-3" waere "jemand, dessen Vorfahren allesamt, mehrheitlich
oder teilweise Deutsche waren", man muesste also eigentlich von
"Deutschen-3a, -3b und -3c" sprechen. Diese Definition wuerde z. B.
diejenigen Bewohner Polens, Russlands oder Kasachstans umfassen, die
selber kein deutsch mehr sprechen, deren Eltern oder Grosseltern dies
aber noch taten. Diese Definition bedarf noch einer zusaetzlichen
Einigung darueber, wie wir nun das "Deutsch-Sein" der Eltern
definieren.

"Deutscher-4" waere "jemand, der sich selbst als 'Deutscher'
bezeichnet". Auch hier haben wir das Problem, dass ein Mensch sich ja
durchaus z. B. als "Deutscher-1", nicht aber als "Deutscher-3"
bezeichnen koennte, nahezu jede denkbare Kombination der verschiedenen
Definitionen ist denkbar. Die uebergrosse Mehrheit der BRD-Buerger
sind wohl auf jeden Fall "Deutsche-4", aber auch nicht wenige
Oesterreicher. In der Deutschschweiz sieht es sicher anders aus.

"Deutscher-5" waere "jemand, der seinen Aufenthaltsort in der BRD
hat". Auch diese Definition ist keinesfalls abwegig, wenn wir z. B.
sagen "der durchschnittliche Deutsche raucht so und so viele
Zigaretten im Jahr", dann sprechen wir natuerlich von der
Wohnbevoelkerung der BRD.

Es sind noch weit mehr Definitionen denkbar, aber die genannten
scheinen mir die gebraeuchlichsten zu sein. Ein Streit darueber "fuer
mich sind die XY aber keine Deutschen, denn sie ..." ist voellig
sinnlos, da jede Bestimmung des Begriffes durchaus Sinn haben kann.

Ist es nun so (und darum scheint es mir letzlich zu gehen), dass der
Begriff "Deutscher-2" (Definition ueber die Muttersprache) voellig
sinnlos waere, weil er problemlos durch den Begriff "Deutschsprachige"
oder "Germanophone" ersetzt werden koennte? IMHO ist er dies nicht,
wir sprechen auch von "Raetoromanen", "Katalanen" oder "Sorben"
anstatt von "Raetoromanischsprachigen" etc.

Es gibt durchaus Gruppen von Menschen ohne BRD-Pass, die sich selbst
als "Deutsche" bezeichnen und auch von ihrer Umgebung so bezeichnet
werden. Die allermeisten deutschsprachigen Suedtiroler verstehen sich
als "Deutsche", fuer ihre italienischsprachigen Landsleute sind sie
"tedeschi". Wenn mich ein Italiener fragt, wo ich herkomme, und ich
ihm antworte, ich sei "tedesco", dann kann es passieren, dass er mich
fragt, ob ich aus Alto Adige oder aus Germania sei. Nun kann man die
Frage stellen, welchen Sinn es macht, einen Hamburger, einen Muenchner
und einen Bozener "Deutscher" bzw. "tedesco" zu nennen, einen
Innsbrucker oder Wiener aber nicht so zu bezeichnen.

Sollte man nun eine der genannten Definitionen den anderen vorziehen?
Das muss jeder fuer sich selbst entscheiden. "Deutscher-1" ist fuer
mich natuerlich wichtig, wenn ich einen Menschen in meinem Betrieb
einstelle, denn bei jemandem, der kein "Deutscher-1" ist, benoetige
ich u. U. eine Arbeitserlaubnis. Auch wenn ich mit einem Menschen
gemeinsam in ein anderes Land reisen will, ist es natuerlich wichtig
zu wissen, ob er ein Visum etc. benoetigt, auch hier ist die erste
genannte Definition die wichtigste.

Fuer die meisten anderen Faelle ist aber wohl die zweite Definition
(ueber die Sprache) von groesserer Bedeutung. Kann ich mich mit einem
Menschen problemlos muendlich und schriftlich verstaendigen? Versteht
er auch Wortspiele und Anspielungen? Auf welche sprachlichen
Interferenzen muss ich achten? Ist es sinnvoller, in _seiner_ Sprache
zu kommunizieren, oder sollte ich zumindest fuer den Fall von
Schwierigkeiten ein Woerterbuch zur Hand haben?


Tschues, Juergen

Horst Grylka

unread,
Sep 18, 1999, 3:00:00 AM9/18/99
to
Gestatten Sie, daß ich mich als Österreicher in diese Diskussion einmische.
Vorneweg: wir sollten uns zunächst darauf einigen, daß die Geschichte in
diesem Jahrhundert mehrmals umgeschrieben wurde. Wer mag, kann sich seine
Wahrheit aussuchen. Ich jedenfalls halte mich an jene Fakten, die weder aus
ideologischen noch aus parteipolitisch Gründen umwandelt wurden. Bis zum
Jahre 1806 waren sowohl Böhmen und Mähren als auch vorrangig das
deutschsprachige Österreich (über Jahrhunderte hinweg!) Bestandteil des
"Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation". Innerhalb des "Deutschen
Bundes" (1815 - 1866) waren die Habsburger (Kaisertum Österreich) stets in
führender Position. Erst nach dem erbärmlichen "Bruderkrieg" (s.Königgrätz)
entsteht (für viele deutschsprachige Mitbürger der
österreichischen-ungarischen Monarchie) eine intolerable Entfremdung. (Der
"kleine" Mann wurde ja nie gefragt!). Die künstlich herbeigeführte
"Abkühlung" wird während des 1.Weltkrieges kurz unterbrochen. Die im Jahre
1918 aufgrund alliierter Forderungen entstandene Republik fügt Hitler
(verfassungswidrig, jedoch gedeckt durch mehrheitliche Willensäußerung der
österreichischen Bevölkerung) 1938 in das "Deutsche Reich" ein. Diese
Intermezzo endete im April 1945.
Mit der Eingliederung der (1.) Republik Österreich ins "Reich" wird der
Begriff "Großdeutschland" zum Faktum. Allerdings, und das sollte
abschließend überdacht werden, einschließlich aller an Polen abgetretenen
Ostgebiete samt Ostpreußen.

Hans Bolte <042827...@t-online.de> schrieb in im Newsbeitrag:
37E352...@t-online.de...

Florian Eichhorn

unread,
Sep 19, 1999, 3:00:00 AM9/19/99
to
(1) Vor 1866 bzw. 1871 gab es die Frage nach der kleindeutschen
(ohne Deutschösterreich) und der großdeutschen (mit allen) Lösung
eines geeinten Deutschland.

(2) "Großdeutschland" als terminus technikus stammt aus dem 3.
Reich, genauer gesagt, er wurde 1944 eingeführt (zB
Briefmarkeninschrift, "Telephonbuch von Großdeutschland") usw. Dazu
gehörten auch 1A deutsche Gebiete wie das Generalgouvernement
(Tschechien ex-Sudeten).

(3) Der Begriff "Deutscher": da geht es wohl wieder mal um die Frage
der "Nation". Drei Zugehörigkeitskriterien, nach denen
man m. E. Annäherung finden KANN: a. Kultur, b. Sprache und c.
Staatsangehörigkeit.
In der Gegenwart ist c. rechtlich unmittelbar von Bedeutung, a. und
b. werden heute herangezogen, wenn man jemand zB bevorzugt
einbürgern möchte. Das "Deutschtum" von jemandem mit deutschen
Vorfahren aus Ostpreußen oder sonstwo (1945 verloren) steht außer
Zweifel. Aber auch die deutschen Vorfahren von Donauschwaben und
anderen Siedlern des 15.-19. Jahrhunderts werden als aussagefähig herangezogen.

Bevor ich als Beutepiefke (wir Nassauer waren 1866 Verbündete) etwas
zu felix Austria sagen möchte, erst mal
eine Abschweifung zum Begriff Nation.

(3) In den alten Zeiten mit ihren ständisch geprägten,
übernationalen Regierungsformen bezog sich dieser Begriff nur auf
die Sprache oder sogar Städte (Herkunft). Etwa in Orten mit
Bevölkerungsanteilen verschiedenener Herkünfte, wie großen
Handelshäfen/Messeorten mit ausländischen Herbergen, Hotels oder
sogar ständigen Fremdensiedlungen. Das war dann eben das Viertel der
russischen oder bremischen Nation (zB in Bergen/Norwegen, den
Hansestädten usw). Die Begriffe "xy-Hof" findet man noch heute, auch
wenn sie ihre Bedeutung verloren haben.

Die Prägung des modernen Begriffs Nation begann im 18. Jhdt und
wurde im 19. Jhdt. eine wirklich Plage, insbesondere durch einige
deutsche selbsternannte Rasse&Nation "Wissensshaftler".

Es finden sich vor allem zwei Begriffe:
a. Der konstitutionelle (sog. Verfassungsnation). Wer eine
Verfassung und ihre Gesetze anerkennt, ist Bürger der Nation. ZB
USA, Frankreich. Es gibt viele Sprachen, Religionen usw. in diesen
Staaten. Es spielt aber keine Rolle (zumindest nicht nach dem
Gesetztestext), so lange Gesetz, Verfassung und die Pflicht zum
Steuerzahlen befolgt werden. Das wollen wir mal den "rationalen
Begriff" nennen. Ein Kind des Zeitalters der Aufklärung.

b. Der sprachlich-kulturelle (sog. Kulturnation). Wer unsere Sprache
spricht/unsere Religion/Hautfarbe hat... Grob gesagt, der "ein Blut" Begriff.
Wer-nicht-unsere-Sprache-spricht-oder-unserer-Religion-angehört kann
*niemals* ein guter Bürger von xy sein....
Wann und warum kam b. auf? Er wurde während der 1830/60er
Auseinandersetzungen der deutschen und italienischen
Antimonarchisten geschaffen und alsbald als die einzige
zutreffende Definition von "Nation" beansprucht.
Obwohl das keineswegs der Fall ist.

Diese "Unionisten" setzten erfolgreich die Begriffe
"Sprache-Kultur-Rasse" ein, um die multinationalen mehrsprachigen
Monarchien der Vergangenheit (KuK, Osmanisches Reich) zu bekämpfen,
insbesondere deren überstaatliches Konzept einer ständischen, nicht
sprachgebundenen Führungsschicht aus dem Adel. Vgl. auch Zarenreich.
In der Folge wurden die alten multilingualen/multireligiösen
Vielvölkserstaaten, die von einer vordemokratischen, adeligen
Führungsschicht getragen wurden, zerstört.
Besonder krass wurde der Nationalismus im kleinstaatigen Deutschland
(Basis in den antinapoleonsichen Kriegen,185/48 usw. antifeudal,
bald aber rassistisch umgedeutet) und auf dem Balkan.

Während der Besatzungszeit durch eine überlegene fremde Macht
blieben Sprache/Religion/Kultur die Eckpfeiler der Identifikation
und Hoffnung einer späteren Wiedererlangung der Unabhängigkeit. Man
denke an die Klöster, die die Sprachen von Bulgarien, Griechenland
und Serbien lebendig hielte, und die Erinnerung an eine "große"
Vergangenheit, der meist kurzlebigen lokalen Reiche des 12. bis 14. Jhdts.
Unter starkem Einfluß einiger obskurer deutscher "Wissenschaftler"
mutierte diese sprachlich-kulturelle Definition von "Nation" rasch
zu Rassismus und Völkermord. Siehe Balkan 1912/13, Hitler, Japan
1936-45, Milosevic.

(4) Wann hörten nun "Deutsche" (Sprache, Kultur, Religion) auf, sich
einem deutschen Staat zugehörig zu fühlen?
— Wenn Sie sich als Angehöriger einer anderen Nation begriffen. Das
schließt Sprach-, Traditions- und Religionspflege nicht aus (zB
Balkan, Zarenreich, Australien/USA vor 1917).
— Wenn ihre Lebensbereiche eine dezidierte Eigenstaatlichkeit von
Deutschland entwickelten (Schweiz, Niederlande)

Wann geschah das nun aber im heutigen Österreich? Der 1866er Krieg
mit seiner "kleindeutschen" Lösung ist auch eindeutig als Sieg der preußisch-ständischen
Seite gegen die großdeutsche Wünsche der "Volksstaatler" zu sehen.
Wenn es schon einen geeinten Staat geben sollte, dann nach 1866
jedenfalls mit den
Hohenzollern in der Führungsrolle, ohne die Habsburger. Befürworter
einer gesamtdeutschsprachigen Lösung gab es auch nach 1866und
besonders 1871, gerade im rassistisch-antisemitisch und
anti-was-weiß-ich gesättigten Wien. Zielrichtung der Angriffe waren
natürlich die multinationalen Habsburger.

Lesetip: Hamann, Hitlers Wien (Piper).

Nach dem Zusammenbruch der KuK Monarchie im Herbst 1918 wurde die
Frage dann akut. Ein paar gefledderte Daten:
30. Oktober 1918: die deutsch-österreichische provisorische
Nationalversammlung erklärt gegenüber US-Präsident Wilson aufgrund
des Selbstbestimmungsrechts die Gründung "Deutsch-Österreichs".
12. 11. 18 nach dem Rücktritt von Kaiser Karl am Vortag nimmt die
Verslg. einstimmig das Gesetz über die Staatsform an, Festsetzung
"Deutsch-Österreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik".
13.11. 18 Die Deutschen in Böhmen und Mähren erklären ihren Anschluß
an den Vertrag.
22. 11. 18 Gesetz über den Umfang des Staatsgebietes von
Deutsch-Österreich "geschlossenes Siedlungsgebiet der Deutschen
innehralb der bisher im Reichsrat vertretenen Königreiche und
Länder", d.h. Alpenländer, Österreich und dt.besiedelte Gebiete in
Böhmen, Mähren, Schlesien (= Jägerndorf).
16.2.19. Wahl zum konstituierenden Parlament
14.3.19 Parlament nimmt Verfassung an und erklärt Deutsch-Österreich
als Bestandteil des Deutschen Reiches.
2.6.19 Alliierte überreichen Bedingungen für Friedensvertrag mit
Deutsch-Österreich (St. Germain).
2.9.19 Geänderter Wortlaut überreicht: In Kärnten jetzt
Volksabstimmung., gleichzeitig Ultimatum zur Unterzeichnung.
In beiden Versionen fordern die Alliierten eine Änderung von §61
der deutschen Reichsverfassung, der den Anschluß Deutsch-Österreichs
an das Deutsche Reich vorsieht.
6.9.19 Österreichs Nationalversammlung genehmigte unter dem Druck
des Ultimatums der Aliierten den Vertrag.
10.9.19 Vertrag von Staatskanzler Renner unterzeichnet. Nach
16.7.20 Nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunden trat er in Kraft.

Der Vertrag von St. Germain hielt sich nicht an den vom neuen Staat
selbstgewählten Namen Deutschösterreich, sondern ersetzte ihn im
internationalen Verkehr durch „Österreich“, wohl auch in der
Absicht, eine echte Rechtsnachfolge (wie bei Ungarn =
"Kriegsanstifter", im Ggs. zu CSR, Jugoslawien und Siebenbürgen)
daraus abzuleiten - jedenfalls wurde dem Namen des neuen Staates die
Vorsilbe „Deutsch“ völkerrechtlich aberkannt. Ebenfalls wurde der
durch die Wiener Nationalversammlung beschlossene Anschluß an das
Deutsche Reich untersagt. Ferner wurden die deutsch besiedelten
Gebiete in Böhmen, Mähren und Ö.- Schlesien ohne Abstimmung der CSR angeschlossen.

*Zwischenbemerkung*: in der kuk Monarchie waren Böhmen und Mähren
das industrielle und wirtschaftliche Zentrum des Reiches.
Deutsch-Österreich lebte vor allem vom Landwirtschaft und
Fremdenverkehr (die betuchteren Teile inkl. der Führungsschichte
machten dort Urlaub, es war quasi die Sommerfrische des Reiches). Im
Prinzip war es eine wirtschaftlich
unbedeutende Agrarprovinz mit dem Verwaltungswasserkopf Wien, mit nur
relativ geringem Anteil an Industrie und allein nicht lebensfähig.
Mit der Unabhängigkeit der CSR wurden die gewachsenen
wirtschaftlichen Verbindungslinien zerschlagen. Unter
wirtschaftlich-infrastrukturellen Gesichtspunkten wäre eine
österreichisch-tschechische Konföderation (eindeutig mit Österreich
als Juniorpartner) die sinnvollere Lösung gewesen, da hätte man sich
viel erspart.
Diesem Kleinstaat wurden auch noch die Kriegschulden auferlegt.

Österreich mußte mehrfach durch hohe Auslandskredite (vor allem USA,
Völkerbund, Frankreich) gestützt werden, zB Genfer Protokolle 4.10.1922.
April/Mai 1921 Abstimmungen in Tirol und Salzburg mit 98.8% bzw.
99.3%für Anschluß an Deutschland. Weitere Abstimmungen wurden durch
die Alliierten verboten.
In der Folgezeit wiederholt drohender Staatsbankrott und weitere
Kredite, zB 15.7.32 im Protokoll von Lausanne, kombiniert mit der
Vepflichtung, bis 1952 keine wirtschaftliche oder politische Union
mit Deutschland einzugehen. Große Widerstände in Österreich
("nationale Erregung") dagegen.
Der Anschluß an Deutschland blieb das große Thema bis zum "Anschluß"
1938, den in Österreich die überwältigende Mehrheit als Erlösung aus
wirtschaftlicher Depression begrüßte.

Erst nach dem 2. Weltkrieg entsteht dann eine nun auch im Inneren
unbestrittene Eigenstaatlichkeit - nicht zuletzt aus dem Bestreben
heraus, Österreich zum "ersten Opfer" Hitlers (die erst jüngst
bekanntgewordenen Bemühungen Otto v. Habsburgs in den USA,
seine Heimat u. a. mit genau diesem Argument vor dem Schlimmsten zu
bewahren, in allen Ehren) zu machen und
sich aus der begeisterten Beteiligung am 3. Reich davonzustehlen.
Die überproportional starke Beteiligung von "Ostmärkern" in den
NS-Organisationen. Lagern usw. ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert.
Nach 1945 fand Vergangenheitsbewältigung in Österreich kaum statt, ebensowenig
eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Rassismus. Man denke
da nur Renner und die launigen Bemerkungen selbst der Gegenwart.

Das Anschlußverbot 1918/19 war aus der Angst der Franzosen vor einer potentiellen
"Stärkung" des DR geboren, in der Zwischenkriegszeit hing der
unbeliebte Reststaat stets am Tropf der Kredite, nach 1945 fand er
seine Identität.

Florian (Ehrentiroler)
erwartet demütig allfällige Abwatschung aus Wean

Juergen Grosse wrote:

(schnipp)


>
> Sind nun Oesterreicher, Deutschschweizer, deutschsprachige Suedtiroler
> etc. unabhaengig vom voelkerrechtlichen Status des Gebietes, in dem
> sie leben, nicht doch "Deutsche"? Das haengt IMHO lediglich von der
> Definition des Begriffes "deutsch" oder "Deutscher" ab. Und da sind ja
> durchaus unterschiedliche Definitionen denkbar.

Als Kulturnation (Sprache) im weiteren Sinne natürlich - man sehe
sich nur die Bedeutung des Buch- und Pressemarktes an. Autoren und
Presse werden ganz selbstverständlich in allen drei Staaten
rezipiert. Die Eigenstaatlichkeit der Schweiz steht außer Zweifel.
Die Südtiroler sind Tiroler, dann Österreicher, rechtlich Deutsche
waren sie nur 1944-45, nach langem Gezerre Italiener (das Gefühl
steht wohl immer noch bei Österreich). Nach der endlich gefundenen
Autonomieregelung dort ist das ganze aktuell aber kein Thema mehr.

> Es gibt durchaus Gruppen von Menschen ohne BRD-Pass, die sich selbst
> als "Deutsche" bezeichnen und auch von ihrer Umgebung so bezeichnet
> werden. Die allermeisten deutschsprachigen Suedtiroler verstehen sich
> als "Deutsche", fuer ihre italienischsprachigen Landsleute sind sie
> "tedeschi". Wenn mich ein Italiener fragt, wo ich herkomme, und ich
> ihm antworte, ich sei "tedesco", dann kann es passieren, dass er mich
> fragt, ob ich aus Alto Adige oder aus Germania sei. Nun kann man die
> Frage stellen, welchen Sinn es macht, einen Hamburger, einen Muenchner
> und einen Bozener "Deutscher" bzw. "tedesco" zu nennen, einen
> Innsbrucker oder Wiener aber nicht so zu bezeichnen.

Stimmt, das ist seitens der Italiener aber wieder der Sprachbegriff,
aber siehe oben zur österreichischen Eigenstaatlichkeit nach 1945.

Ansonsten kann man sich fragen, welchen Sinn es macht, einen
Innsbrucker oder Wiener unbedingt als Deutschen zu bezeichnen wollen
zu müssen.
Da begiebt man sich heute auf ein Minenfeld. Die
Animositäten der Österreicher auf die "Piefkes" sind angeblich kaum geringer
als die der Tiroler gegenüber den Wienern... Lassen wir das doch ruhen.

Gruß
Florian

--
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Hans Bolte

unread,
Sep 19, 1999, 3:00:00 AM9/19/99
to
Juergen Grosse wrote:
> Katharina Bleuer schrieb:

> > Was ist mit der Deutschsprachigen Schweiz? Die ist ja auch germanopfon
> > und war lange Zeit oesterreichisch-habsburgische Kolonie..

> die Anerkennung der Schweizer Eigenstaatlichkeit durch den


> Westfaelischen Frieden ist aber ausreichend lange her, um die
> Deutschschweiz nicht mehr ohne weiteres als Teil Deutschlands
> betrachten zu lassen. Wer die Ergebnisse von 1648 nicht anerkennt, der
> muesste dann auch die Existenz einer niederlaendischen Nation
> bezweifeln.
> Luxemburg, die Tschechische Republik und Belgien (ganz Belgien, nicht
> nur die nach dem Ersten Weltkrieg abgetretenen Teile) waren erheblich
> laenger Teil des Heiligen Roemischen Reiches bzw. noch des Deutschen
> Bundes als die Schweiz (ausser natuerlich der Kanton Neuenburg, der
> bis 1857 preussisch war).
> Sind nun Oesterreicher, Deutschschweizer, deutschsprachige Suedtiroler
> etc. unabhaengig vom voelkerrechtlichen Status des Gebietes, in dem
> sie leben, nicht doch "Deutsche"? Das haengt IMHO lediglich von der
> Definition des Begriffes "deutsch" oder "Deutscher" ab. Und da sind ja
> durchaus unterschiedliche Definitionen denkbar.

Auch wenn es schwierig und in Einzelfaellen ungerecht sein wird, sollte
man IMHO doch versuchen einen Begriff, der so haeufig gebraucht wird
moeglichst eindeutig zu definieren. An sich existiert die Definition ja
schon im Empfinden der Menschen. Das Problem ist 'nur' noch, diese schon
feststehende Definition so weit es geht zu erkennen und zu
systematisieren. Ich nehme an Du kannst es ab, wenn ich bei dem Versuch
da hinzukommen, versuche Deinen Ansatz zu ueberarbeiten (stark auf
Kosten der Exaktheit, aber das Empfinden der Menschen ist nun mal nicht
exakt):

Zunaechst die 'Wurzel' der Definition:

"Deutscher ist, wer von der Mehrzahl der uebrigen Deutschen als
Deutscher angesehen wird."



> "Deutscher-1" koennte heissen "jemand mit Pass der BRD", dann waeren
> natuerlich Oesterreicher und Deutschschweizer keine Deutschen, soweit
> sie nicht zufaellig _auch_ einen deutschen Pass haben.

"Deutscher-1" ist ueberfluessig, denn dafuer gibt es zu Hauf treffendere
Bezeichnungen, wie z.B. "Bundesbuerger", etc.. "Volk" steht ausserdem
selbstverstaendlich weit ueber "Staat", wie man erst kuerzlich wieder in
der DDR gesehen hat.



> "Deutscher-2" definiert als "jemand, der das Deutsche als
> Muttersprache oder Heimsprache spricht", schloesse natuerlich
> Deutschschweizer und 99 % der Oesterreicher ein, schloesse hingegen
> diejenigen Sorben, daenischsprachigen Suedschleswiger, Nordfriesen,
> Saterlaender und Sinti aus, die ihr Idiom noch pflegen. Diese
> Definition wuerde auch manche Einwanderer der 2. oder 3. Generation
> umfassen, die in ihrer Familie nur noch deutsch sprechen und die
> Sprache ihrer Eltern nicht mehr oder kaum noch beherrschen.

Ja, "Deutscher-2" muss IMHO hundertprozentig einfliessen und zwar so:
"Deutscher kann nur sein, wer Deutsch als Muttersprache spricht.", denn
ich kann nicht sehen dass jemand dessen Muttersprache nicht Deutsch ist,
jemals von den meisten Deutschen als Deutscher anerkannt werden wird.

Liesse sich die Sprache der Nordfriesen nicht einfach als ein deutscher
Dialekt wie Niederdeutsch (das sprechen ja schliesslich auch die
Ost-friesen) interpretieren? Weit sind die germanischen Sprachen doch
alle nicht voneinander entfernt?
Was sind "Saterlaender"?

> "Deutscher-3" waere "jemand, dessen Vorfahren allesamt, mehrheitlich
> oder teilweise Deutsche waren", man muesste also eigentlich von
> "Deutschen-3a, -3b und -3c" sprechen. Diese Definition wuerde z. B.
> diejenigen Bewohner Polens, Russlands oder Kasachstans umfassen, die
> selber kein deutsch mehr sprechen, deren Eltern oder Grosseltern dies
> aber noch taten. Diese Definition bedarf noch einer zusaetzlichen
> Einigung darueber, wie wir nun das "Deutsch-Sein" der Eltern
> definieren.

Hier wuerde ich uebernehmen: "Deutscher kann nur sein, dessen Vorfahren
mehrheitlich Deutsche waren." Das Deutschsein der Eltern ergibt sich
dann aus der fertigen Gesamtdefinition.



> "Deutscher-4" waere "jemand, der sich selbst als 'Deutscher'
> bezeichnet". Auch hier haben wir das Problem, dass ein Mensch sich ja
> durchaus z. B. als "Deutscher-1", nicht aber als "Deutscher-3"
> bezeichnen koennte, nahezu jede denkbare Kombination der verschiedenen
> Definitionen ist denkbar. Die uebergrosse Mehrheit der BRD-Buerger
> sind wohl auf jeden Fall "Deutsche-4", aber auch nicht wenige
> Oesterreicher. In der Deutschschweiz sieht es sicher anders aus.

Das ist der schwierigste Teil. Ich bin mir sicher, dass die Mehrheit der
Deutschen die Deutschschweizer als Deutsche anerkennen, andererseits
wuerde ich persoenlich den Schweizern niemals Vorschriften machen
wollen, wie "Ihr seid Deutsche ob euch das passt oder nicht."
Letztendlich sind sie aber Deutsche, ob ihnen das passt oder nicht. Die
meisten Deutschen sehen es wohl nicht so, dass man sich seine
Volkszugehoerigkeit aussuchen koennte, deshalb lasse ich "Deutscher-4"
aus der Gesamtdefinition heraus. Fuer sich alleine macht "Deutscher-4"
ueberhaupt keinen Sinn.



> "Deutscher-5" waere "jemand, der seinen Aufenthaltsort in der BRD
> hat". Auch diese Definition ist keinesfalls abwegig, wenn wir z. B.
> sagen "der durchschnittliche Deutsche raucht so und so viele
> Zigaretten im Jahr", dann sprechen wir natuerlich von der
> Wohnbevoelkerung der BRD.

Genau, sprechen wir in dem Fall von "Wohnbevoelkerung der BRD". Mit "den
Deutschen" hat der Begriff nichts zu tun, weil es auch ausserhalb der
BRD Deutsche gibt und mit dem Begriff "Bundesrepublikaner" korreliert er
momentan nur zu 9/10, weil sich in der BRD z.Z. 1/10
Nicht-Bundesrepublikaner aufhalten. Ich gebe aber zu, dass man fuer ihn
im Alltagsgebrauch aus Gruenden der Kuerze meist zweifach schlampig "Die
Deutschen" verwendet. Ich finde allerdings nicht, dass man diese
Schlampigkeit systematisieren sollte. ;-)



> Es sind noch weit mehr Definitionen denkbar, aber die genannten
> scheinen mir die gebraeuchlichsten zu sein. Ein Streit darueber "fuer
> mich sind die XY aber keine Deutschen, denn sie ..." ist voellig
> sinnlos, da jede Bestimmung des Begriffes durchaus Sinn haben kann.

Nein, nicht wenn es schon andere Begriffe fuer den jeweiligen Zustand
gibt. "Deutscher" sollte nur eine Bedeutung haben, auch wenn eine
Beschreibung des Empfindens einer Menschengruppe schwierig ist, und man
da dann im Alltagsgebrauch sowieso wieder schlampig mit umgehen wird.

Ich fasse die Einschraenkungen des Begriffes "Deutscher", die ich zu
sehen glaube, in einem Satz zusammen:

"Deutscher ist, wer Deutsch als Muttersprache spricht und dessen
Vorfahren mehrheitlich Deutsche waren. Die ersten Deutschen waren die
Germanen."

("Die Germanen" muesste doch wohl eindeutig genug sein, um den
Ringschluss zu durchbrechen?)

Hans

Godot

unread,
Sep 19, 1999, 3:00:00 AM9/19/99
to
Hans Bolte schrieb als Antwort auf Juergen Grosse unter anderem:

>Hier wuerde ich uebernehmen: "Deutscher kann nur sein, dessen Vorfahren
>mehrheitlich Deutsche waren." Das Deutschsein der Eltern ergibt sich
>dann aus der fertigen Gesamtdefinition.

Letztere laute:

>"Deutscher ist, wer Deutsch als Muttersprache spricht und dessen
>Vorfahren mehrheitlich Deutsche waren. Die ersten Deutschen waren die
>Germanen."

>("Die Germanen" muesste doch wohl eindeutig genug sein, um den
>Ringschluss zu durchbrechen?)

Und wer waren die Germanen? Ist das mindestens genauso eindeutig wie
"die Deutschen". Oder?

Nietzsche jedenfalls haette seine helle Freude an Deinen
Definitionsversuchen.

Beste Gruesse,
Dirk Peters.

P.S. Wenn wir schon bei Nietzsche sind - wie wär's hiermit:
"Deutsche/r ist, wen die Frage umtreibt 'wer ist Deutsche/r?'".


Hans Bolte

unread,
Sep 19, 1999, 3:00:00 AM9/19/99
to
Ein anonymer Freund, der nicht mit seinem Namen zu dem steht was er
schreibt, schrieb:
> Hans Bolte schrieb:


> >"Deutscher ist, wer Deutsch als Muttersprache spricht und dessen
> >Vorfahren mehrheitlich Deutsche waren. Die ersten Deutschen waren die
> >Germanen."

> Und wer waren die Germanen? Ist das mindestens genauso eindeutig wie
> "die Deutschen". Oder?

Das ist belanglos, denn es geht nicht darum zu definieren, wer im
einzelnen Germane war oder ist, sonden wer im einzelnen Deutscher ist.

Der Satz: "Deutscher ist, wer Deutsch als Muttersprache spricht und
dessen
Vorfahren mehrheitlich Deutsche waren." alleine beschreibt nun mal eine
unendliche Kette, die danach schreit an einem Ende an irgendetwas
festgemacht zu werden. Deshalb der Zusatz. Vielleicht gibt es ja auch
noch eine bessere Loesung, mir ist sie nur noch nicht eingefallen.



> Nietzsche jedenfalls haette seine helle Freude an Deinen
> Definitionsversuchen.

Na und?

Hans


PS: Schaff Dir einen richtigen Namen an.

Peter Lösch

unread,
Sep 19, 1999, 3:00:00 AM9/19/99
to Horst Grylka
Der Mann hat Recht, der Staat Österreich ist dem "Reinen Zufall" (oder
besser Moltke dem Älteren) zuzuschreiben. Wäre Königgrätz anders
verlaufen (was die militärische Fachwelt damals auch erwartete) dann
hätte es genausogut ein vom Reich losgelöstes Brandenburg-Preussen geben
können. Nur war es eben nicht so. Der Begriff Grossdeutschland wird
heute (und damit ist er nur eines von vielen ebenso betroffenen
Konzepten) aufgrund seiner intensiven propagandistischen Nutzung durch
das NS-Regime mit faschistischer Ideologie in Verbindung gebracht. Er
hat seine Wurzeln aber im liberalen Deutschen Vormärz als die
"kleindeutsche" oder "grossdeutsche" Lösung unter dem Aspekt des
deutschen Nationalstaates diskutiert wurden (von den Wegbereitern
unserer Demokratie wenn man so will - nicht von dem "böhmischen
Gefreiten").

Rein persönlich habe ich als Deutscher längere Zeit im Ausland gelebt,
darunter zwei Jahre in Österreich. Mir fiel dabei auf wie intensiv sich
in Österreichischen die Medien im Gegensatz zu anderen Europäischen
Ländern mit Bundesdeutscher Innen- und Aussenpolitik beschäftigen und
wie eigene Vorhaben (in Bereichen wie Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik,
Schulpolitik etc. ) am Vergleich mit der Bundesrepublik gemessen wurden.
Ich hatte immer das Gefühl einer besonderen emotionalen Bindung
Österreichs an die BRD. So sehr ich mich für "Sadowa" als
Hobbymilitärhistoriker begeistern kann, wünsche ich mir doch in diesem
Falle ganz besonders, dass es nie stattgefunden hätte.

Peter Lösch

Horst Grylka schrieb:

Gerrit Bigalski

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
On Sat, 18 Sep 1999 10:50:26 +0200 Hans Bolte
<042827...@t-online.de> wrote:

>Edwin Guenthner wrote:
>> Hans Bolte wrote:
>
>Das fuehrt leider vom Thema weg, aber ich will es nicht so stehen
>lassen:
>
>> > deshalb haben sie Haiders FPÖ gewaehlt. Die Kaerntener sind eben klueger
>> > als die uebrigen Deutschen, die ob der Auslaenderproblematik weinen und
>
>> Aehem, Du weisst schon, dass Kaernten zu Oesterreich gehoert?
>
>Aehem, und ich nehme an dass Du weisst, dass Oestereich nicht weniger
>deutsch als die BRD ist? Aber da Du das wirklich nicht zu wissen
>scheinst, klaere ich Dich noch eben schnell auf: Es gibt Britain (UK
>ohne Nordirland) und Great Britain (UK mit Nordirland).

Schön wär's, wenn's so schön wär; leider umfaßt Great Britain aber
*nicht* Nordirland (daher der offizielle Titel United Kingdom of Great
Britain and Northern Ireland), d. h. im Grunde dasselbe wie Britain.

>Aehnlich ist es
>mit Deutschland und Oestereich, die man zusammen auch (oder nur) als
>Grossdeutschland bezeichnet.

Klingt ja in der Theorie ganz nett, aber "Großdeutschland" ist wohl
doch etwas zu nahe am "Großdeutschen Reich" als daß man es problemlos
verwenden könnte.

[...]

Gerrit

Gerrit Bigalski

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
On Sun, 19 Sep 1999 10:36:48 +0200 Florian Eichhorn
<florian....@main-rheiner.de> wrote:

>(1) Vor 1866 bzw. 1871 gab es die Frage nach der kleindeutschen
>(ohne Deutschösterreich) und der großdeutschen (mit allen) Lösung
>eines geeinten Deutschland.

Wenn ich mich recht erinnere wollten die "Kleindeutschen" durchaus
*Deutsch*-Österreich dabei haben, verlangten von den Habsburgern aber
praktische die Aufgabe 'Slawisch-Österreichs' bzw. Abtretung an eine
Nebenlinie; nicht sehr realistisch.

>(2) "Großdeutschland" als terminus technikus stammt aus dem 3.
>Reich, genauer gesagt, er wurde 1944 eingeführt (zB
>Briefmarkeninschrift, "Telephonbuch von Großdeutschland") usw. Dazu
>gehörten auch 1A deutsche Gebiete wie das Generalgouvernement
>(Tschechien ex-Sudeten).
>
>(3) Der Begriff "Deutscher": da geht es wohl wieder mal um die Frage
>der "Nation". Drei Zugehörigkeitskriterien, nach denen
>man m. E. Annäherung finden KANN: a. Kultur, b. Sprache und c.
>Staatsangehörigkeit.

Wobei die Staatsangehörigkeit wiederum auf Abstammungs- und / oder
Territorialprinzip beruhen kann, d. h. von der Staatsangehörigkeit der
Eltern und / oder dem Ort der Geburt abhängt. Deutschland hat ein
gewisses Problem mit der Ausdehnung des Abstammungsprinzips auch weit
über die Eltern hinaus, die USA mit einer manchmal geradezu lächerlich
extremen Anwendung des Territorialprinzips (z. B. Geburt im
amerikanischen Luftraum).

[...]

Gerrit

Gerrit Bigalski

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
[Achtung: Crossposting]

On Sun, 19 Sep 1999 18:37:30 +0200 Hans Bolte
<042827...@t-online.de> wrote:

>Ein anonymer Freund, der nicht mit seinem Namen zu dem steht was er
>schreibt, schrieb:
>> Hans Bolte schrieb:
>

>> >"Deutscher ist, wer Deutsch als Muttersprache spricht und dessen
>> >Vorfahren mehrheitlich Deutsche waren. Die ersten Deutschen waren die
>> >Germanen."
>

>> Und wer waren die Germanen? Ist das mindestens genauso eindeutig wie
>> "die Deutschen". Oder?
>
>Das ist belanglos, denn es geht nicht darum zu definieren, wer im
>einzelnen Germane war oder ist, sonden wer im einzelnen Deutscher ist.

>Der Satz: "Deutscher ist, wer Deutsch als Muttersprache spricht und
>dessen


>Vorfahren mehrheitlich Deutsche waren." alleine beschreibt nun mal eine
>unendliche Kette, die danach schreit an einem Ende an irgendetwas
>festgemacht zu werden. Deshalb der Zusatz. Vielleicht gibt es ja auch
>noch eine bessere Loesung, mir ist sie nur noch nicht eingefallen.

Naja, den offensichtlichen 'unendlichen Regreß' hast Du mit dem
Verweis auf die Germanen als Anfangspunkt durchbrochen, aber im
Prinzip hast Du ihm damit nur einen anderen davorgehängt, denn
natürlich zieht die Definition die Frage "Wer war Germane?" direkt
nach sich.

Es gibt da aber auch ein paar praktische Probleme: Wer kann schon
alle Linien (wenn überhaupt eine) seiner Vorfahren bis zu den Germanen
zurückverfolgen? Und was ist mit jemandem, dessen Vorfahren zwar alle
in den letzten sagen wir 5 Generationen deutsche Staatsbürger waren,
davor aber alle aus Polen, Spanien, Italien und von sonstwoher
eingewandert sind und sich dort dann noch je 5 Generationen
zurückverfolgen lassen?

Abgesehen davon: Jetztige Einbürgerung eines nicht von Deutschen
abstammenden nicht-Muttersprachlers willst Du nicht gelten lassen?
(Aber was ist die "Muttersprache" von z. B. einem Kind türkischer
Eltern das in Deutschland zweisprachig aufgewachsen ist?)

[...]

Gerrit

Alex Jahnke

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
On Sun, 19 Sep 1999 11:56:34 +0200, Hans Bolte
<042827...@t-online.de> wrote:

>"Deutscher ist, wer Deutsch als Muttersprache spricht und dessen
>Vorfahren mehrheitlich Deutsche waren. Die ersten Deutschen waren die
>Germanen."
>
>("Die Germanen" muesste doch wohl eindeutig genug sein, um den
>Ringschluss zu durchbrechen?)

Das funktioniert fachlich ueberhaupt nicht, da es _die_ Germanen nie
gab. Mit Germanen wird eine sehr grosse Anzahl verschiedener Staemme
und Gruppierungen zusammengefasst, die dergleichen Sprachfamilie
angehoerten. Diese Staemme konnte man in ganz Europa finden und sie
wanderten munter umher. Am besten ist dies mit den amerikanischen
Ureinwohnern zu vergleichen, da ist es genau so falsch _die_ Indianer
zu sagen. Die germanischen Staemme kannten kein Nationalgefuehl, ihnen
war die Sippe wichtig und diese bestand aus ihren Familien und
Menschen die man gebrauchen konnte. Von genetischer
Zusammengehoerigkeit also keine Spur. "Die Germanen" sind damit also
keine Deutschen, sondern bestenfalls Europaer. Aber man haette ihnen
diesen Begriff nicht einmal erklaeren koennen.

CU
Alex

Katharina Bleuer

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
Nun Juergen, guten Morgen,

> > Was ist mit der Deutschsprachigen Schweiz? Die ist ja auch
germanopfon
> > und war lange Zeit oesterreichisch-habsburgische Kolonie..
> ...

> Luxemburg, die Tschechische Republik und Belgien (ganz Belgien,


nicht
> nur die nach dem Ersten Weltkrieg abgetretenen Teile) waren
erheblich
> laenger Teil des Heiligen Roemischen Reiches bzw. noch des Deutschen
> Bundes als die Schweiz (ausser natuerlich der Kanton Neuenburg, der
> bis 1857 preussisch war).

Die NeuenburgerInnen sprechen von 1848 - damals fand die "Revolution"
statt und im letzten Jahr feierten wir hier 150 Jahre Révolution
Neuchāteloise. Was hat es also mit 1857 auf sich? (vielleicht neues
Topic?)

> Sind nun Oesterreicher, Deutschschweizer, deutschsprachige
Suedtiroler
> etc. unabhaengig vom voelkerrechtlichen Status des Gebietes, in dem
> sie leben, nicht doch "Deutsche"? Das haengt IMHO lediglich von der
> Definition des Begriffes "deutsch" oder "Deutscher" ab.

Nun, die meisten SchweizerInnen waeren nicht damit einverstanden, wenn
man sie als "Deutsche" bezeichnet... Vor allem weil die meisten
Deutschen unsere Sprache schon gar nicht erst verstehen!

> Und da sind ja
> durchaus unterschiedliche Definitionen denkbar.
>
> "Deutscher-1" koennte heissen "jemand mit Pass der BRD", dann waeren
> natuerlich Oesterreicher und Deutschschweizer keine Deutschen,
soweit
> sie nicht zufaellig _auch_ einen deutschen Pass haben.

Das ist - imho - die Definition, welche von den meisten Menschen
angewandt wird.

> "Deutscher-2" definiert als "jemand, der das Deutsche als
> Muttersprache oder Heimsprache spricht", schloesse natuerlich
> Deutschschweizer und 99 % der Oesterreicher ein, schloesse hingegen
> diejenigen Sorben, daenischsprachigen Suedschleswiger, Nordfriesen,
> Saterlaender und Sinti aus, die ihr Idiom noch pflegen. Diese
> Definition wuerde auch manche Einwanderer der 2. oder 3. Generation
> umfassen, die in ihrer Familie nur noch deutsch sprechen und die
> Sprache ihrer Eltern nicht mehr oder kaum noch beherrschen.

Diese Def. wiederum beruht auf dem Konzept der Identifikation.
Identifiziere ich mich selber als Deutsche oder nicht? Fuer mich
selber muesste ich das ablehnen, obwohl ich germanophon bin (aber
meine Sprache wie gesagt nicht viel mit Neu-Hochdeutsch zu tun hat,
sondern eher mit Mittelhochdeutsch).

> "Deutscher-3" waere "jemand, dessen Vorfahren allesamt, mehrheitlich
> oder teilweise Deutsche waren", man muesste also eigentlich von
> "Deutschen-3a, -3b und -3c" sprechen. Diese Definition wuerde z. B.
> diejenigen Bewohner Polens, Russlands oder Kasachstans umfassen, die
> selber kein deutsch mehr sprechen, deren Eltern oder Grosseltern
dies
> aber noch taten. Diese Definition bedarf noch einer zusaetzlichen
> Einigung darueber, wie wir nun das "Deutsch-Sein" der Eltern
> definieren.

Auch diese Definition ist nicht allgemein anwendbar, sondern betrifft
einzig und allein die Selbstidentifikation der betroffenen Personen.

[...]

> Es sind noch weit mehr Definitionen denkbar, aber die genannten
> scheinen mir die gebraeuchlichsten zu sein. Ein Streit darueber
"fuer
> mich sind die XY aber keine Deutschen, denn sie ..." ist voellig
> sinnlos, da jede Bestimmung des Begriffes durchaus Sinn haben kann.

Es gibt wissenschaftliche Definitionen, die einen mehr oder weniger
allgemein gueltigen Wert haben (fuer die WissenschafterInnen, nicht
fuer die Individuen). So haengt die Nationalitaetendefinition ueber
die Sprache nicht nur von der Sprache ab, sondern auch vom kulturellen
Umfeld und vom Mehrheiten-/Minderheitenstatus einer Gruppe.
Es waere zu lang, hier alles in der Newsgroup zu posten, so bitte ich
Euch, unter http://www.dplanet.ch/users/kbleuer/Memliz/Einleitung.htm
nachzulesen. Es gibt dort ein langes Kapitel ueber Sprache,
Nationalitaet und Territorium.

> Ist es nun so (und darum scheint es mir letzlich zu gehen), dass der
> Begriff "Deutscher-2" (Definition ueber die Muttersprache) voellig
> sinnlos waere, weil er problemlos durch den Begriff
"Deutschsprachige"
> oder "Germanophone" ersetzt werden koennte? IMHO ist er dies nicht,
> wir sprechen auch von "Raetoromanen", "Katalanen" oder "Sorben"
> anstatt von "Raetoromanischsprachigen" etc.

Da muss ich Dir widersprechen: "Deutsch" bezeichnet nicht nur eine
Sprache, sondern auch eine Nationalitaet. Und es gibt eben
Germanophone, die nicht deustcher Nationalitaet sind. Bei den
Raetoromanen widerum handelt es sich um eine Minderheit ohne eigene
Nationalitaet, die sich u.A. ueber ihre Sprache identifizieren, d.h.
von der Mehrheit der Nation, in der sie leben, abgrenzen.

[wo ich damit einverstanden bin habe ich einfach rausgeschnitten,
tztztztz...]

> Fuer die meisten anderen Faelle ist aber wohl die zweite Definition
> (ueber die Sprache) von groesserer Bedeutung. Kann ich mich mit
einem
> Menschen problemlos muendlich und schriftlich verstaendigen?
Versteht
> er auch Wortspiele und Anspielungen? Auf welche sprachlichen
> Interferenzen muss ich achten? Ist es sinnvoller, in _seiner_
Sprache
> zu kommunizieren, oder sollte ich zumindest fuer den Fall von
> Schwierigkeiten ein Woerterbuch zur Hand haben?

Nun, geh mal in die Schweiz -> obwohl es sich nach einer deiner
Definitionen bei ca 60% der Schweizerinnen und Schweizer um "Deutsche"
handelt, wirst Du auch mit Woerterbuch Deine Muehe haben, etwas zu
verstehen, von dem was gesagt wird (es sei denn, Du sprichst fliessend
Mittelhochdeutsch, d.h. das Deutsch, das im Mittelalter gesprochen
wurde).

Andere Frage: ist nun das Schweizerdeutsch eine eigene Sprache (die
aber nicht geschrieben wird) oder nur ein Dialekt? (aber achtung: es
gibt etwa 50 verschiedene schweizer Dialekte wenn nicht mehr - die
sich aber gegenseitig verstehen).

Nachdenkliche Gruesse

Katharina

Michael Pronay

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
Juergen Grosse schrieb

>
>"Deutscher-4" waere "jemand, der sich selbst als 'Deutscher'
>bezeichnet". ... Die uebergrosse Mehrheit der BRD-Buerger

>sind wohl auf jeden Fall "Deutsche-4", aber auch nicht wenige
>Oesterreicher. In der Deutschschweiz sieht es sicher anders aus.

Ich bezweifle entschieden, daß es in Österreich anders
aussieht als in der deutschen Schweiz: 99% der Österreicher
sehen sich als Österreicher, nicht als Deutsche.

>Wenn mich ein Italiener fragt, wo ich herkomme, und ich
>ihm antworte, ich sei "tedesco", dann kann es passieren,
>dass er mich fragt, ob ich aus Alto Adige oder aus Germania
>sei.

Wirklich? Das wäre mir neu.

>Nun kann man die Frage stellen, welchen Sinn es macht,
>einen Hamburger, einen Muenchner und einen Bozener "Deutscher"
>bzw. "tedesco" zu nennen, einen Innsbrucker oder Wiener aber
>nicht so zu bezeichnen.

Ganz einfach: Ein Innbsrucker oder Wiener ist ein austriaco,
und weder Italiener noch Innsbrucker noch Wiener haben auch
nur das geringste Problem damit. Im Gegenteil: Sie würden
allesamt nicht einmal begreifen, wo Dein Problem liegt.

Michael


Katharina Bleuer

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
Lieber Hans,

[rausschneid]

> Ich fasse die Einschraenkungen des Begriffes "Deutscher", die ich zu
> sehen glaube, in einem Satz zusammen:
>
> "Deutscher ist, wer Deutsch als Muttersprache spricht und dessen
> Vorfahren mehrheitlich Deutsche waren.

Eeeehm... raeusper... Wir kommen wahrscheinlich doch nicht aus dem
Ringschluss raus (die Selbstidentifikation ist wahrscheinlich doch
wichtiger als jede aeussere, wisschenschaftliche Definition).

Meine Grosseltern muetterlicherseits sind in Deutschland geboren und
haben als Deutsche geheiratet. Somit ist meine Mutter Deutsche, oder?
Sie ist aber in der Schweiz aufgewachsen, hat einen Schweizer
geheiratet und ihre Kinder sprechen so gut oder schlecht Hochdeutsch,
wie andere Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer. Bin ich, mit
50% "deutschem Blut", Schweizerin oder Deutsche? Doch definitiv
Schweizerin, weil ich a) hier aufgewachsen bin, b) einen schweizer
Pass habe aber keinen Deutsche und c) Schweizerdeutsch spreche und d)
ueberhaupt gar nicht als Deutsche bezeichnet werden moechte!

> Die ersten Deutschen waren die
> Germanen."
> ("Die Germanen" muesste doch wohl eindeutig genug sein, um den
> Ringschluss zu durchbrechen?)

Sind sie nicht, da auf Schweizer Territorium sich die Alemannen mit
den Kelten mischten. Wir stammen eher von den Helvetiern ab, welche
ein keltischer Stamm waren. Tja...

Es ist gar nicht so einfach, oder?

Katharina

Florian Eichhorn

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
Hallo,
anschnallen, ready for schwytzerdütch bashing 8-)

Katharina Bleuer wrote:
>
> Nun Juergen, guten Morgen,
>
> > > Was ist mit der Deutschsprachigen Schweiz? Die ist ja auch

> germanophon


> > > und war lange Zeit oesterreichisch-habsburgische Kolonie..

(das ist sachlich falsch, es war teils Besitz/Stammland der
Habsburger, die Habsburg selbst ist ja dort, und ging bereits im 14.
Jh. verloren)

> Die NeuenburgerInnen sprechen von 1848 - damals fand die "Revolution"
> statt und im letzten Jahr feierten wir hier 150 Jahre Révolution

> Neuchâteloise. Was hat es also mit 1857 auf sich? (vielleicht neues
> Topic?)

1) Mai-Nov. 1847 war doch wohl der Sonderbundskrieg, der Sept. 1848
in einer neuen, modernen Verfassung resultierte. 1848 war
allgemeines Revolutionsjahr in Europa, vielleicht gab es da noch
etwas in Neuenburg.


Allgemeine Literatur zur Geschichte der Schweiz, empfehle zB

ImHof, Ulrich: Geschichte der Schweiz 155 S., 5 Ktn
DM 26.00 ISBN: 3-17-014583-5
Kohlhammer Stgt 6. Aufl. 1997
Urban-Taschenbücher 188

2) 1857 endeten nach einem Vertrag mit Preußen die preußischen
Sonderrechte im ehemaligen Fsm. Neuenburg.

Literatur:
Stribrny, Wolfgang Die Könige von Preussen als Fürsten von
Neuenburg-Neuchâtel (1707-1848) Geschichte einer Personalunion
306 S. ISBN: 3-428-09405-0 Duncker & Humblot 1998. Reihe: Quellen
und Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen Geschichte 14

> Nun, die meisten SchweizerInnen waeren nicht damit einverstanden, wenn
> man sie als "Deutsche" bezeichnet... Vor allem weil die meisten
> Deutschen unsere Sprache schon gar nicht erst verstehen!

Wie kommst Du denn darauf, daß "wir" das "nicht verstehen"? Jede
deutsche dialektale Färbung hat für Leute aus anderen Gegenden so
ihre Probleme, zB für mich alles, was nicht südhessisch oder
oberbayrisch ist (Eltern).

Daß Nohrdlichter Probleme mit bayerisch oder schwäbisch haben, kein
Thema. Mit der schweizer Färbung ist das nicht anders.

Aber das ist nur die *regionale*, sprachliche Färbung mit insgesamt
hochdeutschem Vokabular, eine Reihe typischer regionaler Begriffe
beibehalten (für Gebrauchsgegenstände, Lebensmittel,
Verwandschaftsbezeichnungen, zB Schwager statt Tochtermann, Semmel
statt Rundstück usw).

Geht man auf die Dörfer, wird das viel härter. Alle Vokale werden
verdreht. Ich verstehe zB vielleicht 30% der Dorfsprache des Dorfs
meines Vaters (bei Limburg/Hessen). Und auch nur, wenn man für den
fremden Dormel (= Trottel) freundlicherweise langsam spricht.

Aber selbst das ist noch keine eigene *Sprache* - wenn auch schwer
verständlich. DAS nennt man Dialekt.

Schwyzerdütsch ist keine Sprache, auch kein Dialekt, sondern ein
künstlich geschaffene dialektale Färbung, die sich als Sprache
geriert. S. u.

Die Regionaldialekte in der Schweiz, sofern alemannischer Herkunft,
haben den gleichen Charakter wie die im Elsaß, Südbaden, Vorarlberg.
Und ihre (Un-) Verständlichkeit für Leute aus anderen
deutschsprachigen Gebieten sagt rein gar nix über
deutsch/nichtdeutsch aus.

Tip: Mach Dich doch erst mal schlau über "Sprache", "Dialekte",
"dialektale Färbung" usw.

Etwa im dtV-Atlas der deutschen Sprache (ein sehr lohnendes Taschenbuch)

Dürfte die meisten Deiner Fragen und Gedankenspiele beantworten.
Und ist übrigens toller Stoff, wenn Du zB Spaß an Namen hast. Was zB
"Wackernagel" oder "Schäuble" bedeutet B-)

(Riesensnipp)

> Nun, geh mal in die Schweiz -> obwohl es sich nach einer deiner
> Definitionen bei ca 60% der Schweizerinnen und Schweizer um "Deutsche"
> handelt, wirst Du auch mit Woerterbuch Deine Muehe haben, etwas zu
> verstehen, von dem was gesagt wird (es sei denn, Du sprichst fliessend
> Mittelhochdeutsch, d.h. das Deutsch, das im Mittelalter gesprochen
> wurde).

Autsch, wo hast Du das her? Also, Mittelhochdeutsch wird schon lange
B-) *nirgendwo* mehr gesprochen. Es wurde im 16. Jhdt. vom
Frühneuhochdeutschen abgelöst (Lautverschiebung usw.). Hallo
Germanisten, ihr könnt mich gerne berichtigen.
Es gibt nur Dialekte, in denen wenige davon
beeinflußteKonstruktionen und Worte fortleben (zB auch im
Jiddischen). In ganz abgelegenen Gegenden gibt es noch relativ hohen
Anteil von bis zu 30% dieses Vokabulars (nicht mehr der originalen
Worte, davon direkt abgeleiteter Worte). Aber die haben vielleicht
noch 300 native speakers.

Eine Latte von Mißverständnissen.Hochdeutsch ist auch nicht
"Deutsch". Allenfalls das akzeptierte Schriftdeutsch.

Wie gesagt, Basisinformation findest Du im dtV Atlas der deutschen Sprache

> Andere Frage: ist nun das Schweizerdeutsch eine eigene Sprache (die
> aber nicht geschrieben wird) oder nur ein Dialekt? (aber achtung: es
> gibt etwa 50 verschiedene schweizer Dialekte wenn nicht mehr - die
> sich aber gegenseitig verstehen).

Aber nur, wenn sie auf ihren Ortsdialekt verzichten, und
Schwyzerdütsch reden -das, was man anstatt Hochdeutsch auf der
Schule lernen muß, jedenfalls in der Deutschschweiz - ja, das
Unwort, sagen wir lieber Schweizschweiz B-))

> Nachdenkliche Gruesse
>
> Katharina

Das "Schweizerdeutsch" ist eine Kreation unseres Jahrhunderts, und
geht auf die Privatinitiative einiger Leute (den Verein gibt es
immer noch) zurück, die Angst vor Einfluß/Anschluß an das Deutsche
Reich hatten. Zunehmend in den 30er Jahren und während des 2.
Weltkrieges und besonders danach wurde die Sache dann offiziell propagiert.
Dazu gab es 98 oder 99 einen Aufsatz in der Süddeutschen Zeitung,
suchen + finden über www.sueddeutsche.de (stimmt, ich hab dazu jetzt
keine Lust!)

Literatur: (ernst) Lötscher, Andreas: Schweizerdeutsch :
Geschichte, Dialekte, Gebrauch. - Frauenfeld u.a : Huber, 1983.
(humorvoll) Wörterbuch schweizerdeutsch - deutsch : Anleitung zur
Überwindung von Kommunikationspannen / mit einem Vorw. des Josef
Estermann und einem Nachw. von Fritz Senn. [Zsgest. von den Raben im
Steinfels unter Federführung von Anja Nützi]. - Zürich :Haffmanns,
1998.

Es ist ein Kunstprodukt und imho eine ziemlich lächerliche Sache.
Als wollte man nohrddeutsche, hessischä oder boarische
Dialektfärbung amtlich vorschreiben.
Das kann man sich im Freistaat ja noch vorschreiben (schon mal
gemerkt, daß Kaiser Firlefranz und Stoiber wie Abziehbilder von
einander reden?)
Die Gründe waren und sind aber ganz ernst: Identitätserschaffung
(vgl. "Wiederbelebung" des hebräischen in Israel, das nie eine
Umgangssprache war) und Ausgrenzung: man kann damit nicht nur die
annektionsgierigen (hrmpfffh) Tütschen erkennen, sondern auch sofort
die Jurassiens und Tessiner (Welschschweizer), die an der Schule
hochdeutsch gelernt haben, und sie so gleich mal ausgrenzen B-((
Diese armen Leute müssen dann diese Kunst (aus-) sprachchchche
nachlernen, damit sie bei der Jobsuche in der Deutschschweiz eine
Chance haben. Sonst unterstellt man ihnen "Verachtung" von - na
ja,irgendwelchen patriotischen Prinzipien.

Die (deutschschweizerische) Provinz als Prinzip.

Gruß
Florian (Hesse, kennt eine Latte Schweizer)

Caspar Heuss

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
>> Andere Frage: ist nun das Schweizerdeutsch eine eigene Sprache (die
>> aber nicht geschrieben wird) oder nur ein Dialekt? (aber achtung: es
>> gibt etwa 50 verschiedene schweizer Dialekte wenn nicht mehr - die
>> sich aber gegenseitig verstehen).

>Aber nur, wenn sie auf ihren Ortsdialekt verzichten, und
>Schwyzerdütsch reden -das, was man anstatt Hochdeutsch auf der
>Schule lernen muß, jedenfalls in der Deutschschweiz - ja, das
>Unwort, sagen wir lieber Schweizschweiz B-))

einheitschweizerdeutsch in der schule? *hehe* sehr schön... auf die idee ist
noch keiner gekommen... ;-)

factum ist, dass wir einander verstehen, auch wenn jeder seinen ureigenen
dialekt spricht. die erklärung ist relativ simpel; die abgrenzung zwischen
schweizer und deutschem dialekt liegt nicht in der phonetik sondern in der
grammatik. das schweizerdeutsche hat eine eigene grammatik entwickelt (bsp.
exisitiert im schweizerdeutschen kein imperfekt).

noch eine frage, florian: hast du schonmal jemand schweizerdeutsch sprechen
gehört? diese frage mag komisch klingen, aber ich habe die lustige erfahrung
gemacht, dass deutsche, mit denen ich in kontakt kam, mein _hochdeutsch_ mit
schweizer akzent für astreines und seit generationen überliefertes
schweizerdeutsch hielten. als ich dann mal auf richtiges hardcore
schweizerdeutsch umstellte, haben sie kein wort mehr verstanden und mich für
einen ost-bengalischen austausch-studenten gehalten...


gruss

caspar

Florian Eichhorn

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to

Caspar Heuss wrote:
>
> >> Andere Frage: ist nun das Schweizerdeutsch eine eigene Sprache (die
> >> aber nicht geschrieben wird) oder nur ein Dialekt? (aber achtung: es
> >> gibt etwa 50 verschiedene schweizer Dialekte wenn nicht mehr - die
> >> sich aber gegenseitig verstehen).
>
> >Aber nur, wenn sie auf ihren Ortsdialekt verzichten, und
> >Schwyzerdütsch reden -das, was man anstatt Hochdeutsch auf der
> >Schule lernen muß, jedenfalls in der Deutschschweiz - ja, das
> >Unwort, sagen wir lieber Schweizschweiz B-))
>

> einheitschweizerdeutsch in der schule? *hehe* sehr schön... auf die idee ist
> noch keiner gekommen... ;-)

Du kannst mir nicht einreden, daß zwei CH-Bergbauern aus ganz
verschiedenen Gegenden (zB Wallis und Appenzell) einander verstehen,
wenn sie nur ihren jeweiligenhardcore Ortsdialekt reden.

> factum ist, dass wir einander verstehen, auch wenn jeder seinen ureigenen
> dialekt spricht. die erklärung ist relativ simpel; die abgrenzung zwischen
> schweizer und deutschem dialekt liegt nicht in der phonetik sondern in der
> grammatik. das schweizerdeutsche hat eine eigene grammatik entwickelt (bsp.
> exisitiert im schweizerdeutschen kein imperfekt).

Mach Sachen B-). War das nötig?
Also ist es halt eine Einheits*grammatik*.



> noch eine frage, florian: hast du schonmal jemand schweizerdeutsch sprechen
> gehört?

Sowohl dialektale Färbung (was manche für Hochdeutsch halten) wie
knallharte Provinz/Ortsdialekte. War in den 980er Jahren jedes Jahr
längere Zeit in Olpen, Basel, Winterthur, Zürich, St. Gallen, Zug,
Wil und Dörfern der Umgebung. Na, soweit ich mich überhaupt dafür
interessiert habe, woher die Bekannten und ihre Kumpels eigentlich herstammten.
Da hatte/habe ich genauso Probleme wie mit Leuten aus
Maximiliansau/Südbaden, Noorderhalligkoog oder St. Öd/Obb, wenn die
ihre linguistischen Schätze auspacken.

>diese frage mag komisch klingen, aber ich habe die lustige erfahrung
> gemacht, dass deutsche, mit denen ich in kontakt kam, mein _hochdeutsch_ mit
> schweizer akzent für astreines und seit generationen überliefertes
> schweizerdeutsch hielten.

Na, ich bestimmt nicht! Und seit Generationen überliefert B-)
Aber ist doch schön, daß dieser Privatverein und nachfolgendes
amtliches Bemühen den Teutonen Respekt vor der CH- "Tradition"
eingeflößt haben.

Während sie doch vorher immer darüber gespöttelt haben, also im
Grunde denken die "Schwaben" an nichts anderes B-)) als über die
Verunglimpfung des Schweizervolks nach.

Mal im Ernst, die Färbung bekommt man schwer weg, selbst bei
advanced hochdeutsch speakers kann man nach einigem Hören die
hamburgsche , wienerische oder eben schwyzerdeutsche (als Ausländer
kann ich das nicht auf eine Stadt/Gegend eingrenzen) Melodie hören.

> als ich dann mal auf richtiges hardcore
> schweizerdeutsch umstellte, haben sie kein wort mehr verstanden und mich für
> einen ost-bengalischen austausch-studenten gehalten...

Japanische Freude bewundern mich, weil ich auch "schweizerisch"
spreche (glauben die) B-)
Schon lustig.

gruß
Florian

Katharina Bleuer

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
He Florian,

Danke fuer die Bibliographien! Ich werde mich gleich mal damit
befassen...

> Hallo,
> anschnallen, ready for schwytzerdütch bashing 8-)

> Nun Juergen, guten Morgen,


> > > Was ist mit der Deutschsprachigen Schweiz? Die ist ja auch
> germanophon
> > > und war lange Zeit oesterreichisch-habsburgische Kolonie..
>(das ist sachlich falsch, es war teils Besitz/Stammland der
>Habsburger, die Habsburg selbst ist ja dort, und ging bereits im 14.
>Jh. verloren)

Gut gesehen! Aber viele unserer "Ur-Schweizer" denken so... (diese
Idee hat sich irgendwo in den Hirnen der Kaese-Schoggi-Kuehe-Fraktion
eingeschlichen und kann auch mit sachlichen Argumenten nicht
abgestellt werden).

>> Die NeuenburgerInnen sprechen von 1848 - damals fand die
"Revolution"
>> statt und im letzten Jahr feierten wir hier 150 Jahre Révolution
>> Neuchâteloise. Was hat es also mit 1857 auf sich? (vielleicht neues
>> Topic?)

>1) Mai-Nov. 1847 war doch wohl der Sonderbundskrieg, der Sept. 1848
>in einer neuen, modernen Verfassung resultierte. 1848 war
>allgemeines Revolutionsjahr in Europa, vielleicht gab es da noch
>etwas in Neuenburg.

Also, ich habe nachgeschaut: am 1. Maerz 1848 marschierten die
Revolutionaere von La Chaux-de-Fonds nach Valangin (Sitz der
Preussen), stahlen dort die Kanonen und besetzten damit das Schloss in
Neuchatel. Die Republik wurde ausgerufen und es gab keine Toten. Dies
wird heute noch gefeiert mit einem Feiertag am 1. Maerz, einem
Gedenkmarsch von Chx-Fods ueber die Vue des Alpes nach Valangin und
jede Menge Schokolade-Kanonen (die besten bei Confiserie Weber in
Valangin).

[Literaturtip]

>> Nun, die meisten SchweizerInnen waeren nicht damit einverstanden,
wenn
>> man sie als "Deutsche" bezeichnet... Vor allem weil die meisten
>> Deutschen unsere Sprache schon gar nicht erst verstehen!
>Wie kommst Du denn darauf, daß "wir" das "nicht verstehen"? Jede
>deutsche dialektale Färbung hat für Leute aus anderen Gegenden so
>ihre Probleme, zB für mich alles, was nicht südhessisch oder
>oberbayrisch ist (Eltern).

Die meisten meiner Deutschen Verwandten und Bekannten (aus ganz
Deutschland, auch Schwaben und Bayern) verstehen kein Wort von dem,
was wir sagen (die Schwaben noch eher, als die "Nordlichter", das
stimmt schon). Vielleicht liegts am Berndeutsch, das dem Hochdeutschen
ferner liegt, als z.B. die Dialekte von Zuerich oder St. Gallen.

Daß Nohrdlichter Probleme mit bayerisch oder schwäbisch haben, kein
Thema. Mit der schweizer Färbung ist das nicht anders.

>Aber das ist nur die *regionale*, sprachliche Färbung mit insgesamt
>hochdeutschem Vokabular, eine Reihe typischer regionaler Begriffe
>beibehalten (für Gebrauchsgegenstände, Lebensmittel,
>Verwandschaftsbezeichnungen, zB Schwager statt Tochtermann, Semmel
>statt Rundstück usw).

Ich meinte nicht die regionalen Ausdruecke... da haben wir
SchweizerInnen sogar untereinander Muehe, vor allem bei Namen fuer
Insekten, Pflanzen, usw.

[...]


>Aber selbst das ist noch keine eigene *Sprache* - wenn auch schwer
>verständlich. DAS nennt man Dialekt.

Die Grenzen sind manchmal fliessend!

>Schwyzerdütsch ist keine Sprache, auch kein Dialekt, sondern ein
>künstlich geschaffene dialektale Färbung, die sich als Sprache
>geriert. S. u.

Sorry, aber DAS Schwyzerduetsch gibt es nicht! Es gibt Buecher, die in
Mundart geschrieben wurden, aber sogar in denen kann man anhand der
"Grammatik" und der "Rechtschreibung" herausfinden, wo die Autorin,
der Autor, aufgewachsen ist!

>Die Regionaldialekte in der Schweiz, sofern alemannischer Herkunft,
>haben den gleichen Charakter wie die im Elsaß, Südbaden, Vorarlberg.

Kann ich schlichtweg nicht beurteilen... Sagt man dort auch "die, wo",
"der, wo", etc., anstatt korrekte Relativsaetze zu bilden? Existiert
dort auch kein Genitiv?

>Und ihre (Un-) Verständlichkeit für Leute aus anderen
>deutschsprachigen Gebieten sagt rein gar nix über
>deutsch/nichtdeutsch aus.

Habe ich das so behauptet? Dann tut es mir leid fuer das
Missverstaendnis.


>Tip: Mach Dich doch erst mal schlau über "Sprache", "Dialekte",
>"dialektale Färbung" usw.
>Etwa im dtV-Atlas der deutschen Sprache (ein sehr lohnendes
Taschenbuch)

Danke fuer den Tip. Einer zurueck:
http://www.dplanet.ch/users/kbleuer/Memliz/Teil2.htm#II12

Ich bin zwar keine Linguistin, habe mich aber als Soziologin mit
Schwerpunkt Polemologie des Laengeren mit der Sprachproblematik in der
Schweiz befasst.

> > Nun, geh mal in die Schweiz -> obwohl es sich nach einer deiner
> > Definitionen bei ca 60% der Schweizerinnen und Schweizer um
"Deutsche"
> > handelt, wirst Du auch mit Woerterbuch Deine Muehe haben, etwas zu
> > verstehen, von dem was gesagt wird (es sei denn, Du sprichst
fliessend
> > Mittelhochdeutsch, d.h. das Deutsch, das im Mittelalter gesprochen
> > wurde).
>Autsch, wo hast Du das her? Also, Mittelhochdeutsch wird schon lange
>B-) *nirgendwo* mehr gesprochen. Es wurde im 16. Jhdt. vom
>Frühneuhochdeutschen abgelöst (Lautverschiebung usw.).

Viele Schweizer Dialekte (vor allem die Bergdialekte) liegen -
scheints - etymologisch naeher beim Mittel- oder Fruehhochdeutsch, als
beim modernen Hochdeutsch. Germanistinnen und Linguistinnen sollen
mich bitte korrigierne, wenn ich einem Irrtum erlegen sein sollte!

[...]

>Eine Latte von Mißverständnissen.Hochdeutsch ist auch nicht
>"Deutsch". Allenfalls das akzeptierte Schriftdeutsch.

Dann befinden sich auch viele Deutsche in einem Zustand der
sogenannten Diglossie, dh. sprechen eine "andere Sprache", als sie
schreiben. In der Schweiz gaben 1990 64.4% der DeutschschweizerInnen
an, dass sie kein Hochdeutsch sprechen (Quelle: Bundesamt fuer
Statistik, Volkszaehlung 1990). Wieviele sind es in Deutschland? (ich
frage aus Neugierde).

>Wie gesagt, Basisinformation findest Du im dtV Atlas der deutschen
Sprache

Habs mir notiert!

>> Andere Frage: ist nun das Schweizerdeutsch eine eigene Sprache (die
>> aber nicht geschrieben wird) oder nur ein Dialekt? (aber achtung:
es
>> gibt etwa 50 verschiedene schweizer Dialekte wenn nicht mehr - die
>> sich aber gegenseitig verstehen).

>Aber nur, wenn sie auf ihren Ortsdialekt verzichten, und
>Schwyzerdütsch reden -das, was man anstatt Hochdeutsch auf der
>Schule lernen muß, jedenfalls in der Deutschschweiz - ja, das
>Unwort, sagen wir lieber Schweizschweiz B-))

???????????
Da bist jetzt aber DU einer Fehlinformation aufgesessen! Im
Deutschunterricht lernen wir Hochdeutsch! In den anderen Faechern wird
entweder in Hochdeutsch (oder was eben die Schweizerinnen unter
Hochdeutsch verstehen) unterrichtet, oder in Mundart. Und diese kann
sich zwischen den verschiedenen Regionen und sogar Ortschaften stark
veraendern (die Unterschiede scheinen auf den ersten Blick vor allem
in der Aussprache zu liegen). Im Radio und Fernsehen spricht jede
Moderatorin, jeder Moderatur ihren/seinen eigenen Dialekt - und alle
anderen verstehen es. Ganz spezielle, regionale Ausdruecke werden
durch den eingeschweizerten Ausdruck der Hochsprache ersetzt (naja,
nur Appenzeller wissen, dass ein Täghüffeli eine Hagebutte ist... also
sagt der Appenzeller schon mal Hagebutte).

>Das "Schweizerdeutsch" ist eine Kreation unseres Jahrhunderts, und
>geht auf die Privatinitiative einiger Leute (den Verein gibt es
>immer noch) zurück, die Angst vor Einfluß/Anschluß an das Deutsche
>Reich hatten. Zunehmend in den 30er Jahren und während des 2.
>Weltkrieges und besonders danach wurde die Sache dann offiziell
propagiert.
>Dazu gab es 98 oder 99 einen Aufsatz in der Süddeutschen Zeitung,
>suchen + finden über www.sueddeutsche.de (stimmt, ich hab dazu jetzt
>keine Lust!)

Ich zitiere (mich selber):
"Seit der Mitte des letzten Jahrhunderts haben sich verschiedene
Bewegungen entwickelt, die sich zum Ziel gemacht haben, das
Schwyzerdütsch salonfähig zu machen, d.h. es als Schriftsprache zu
normalisieren. Diese Versuche, sich von der deutschen Kultur durch die
Entwicklung einer eigenständigen " vollwertigen " Sprache zu
emanzipieren und zu differenzieren, wurde durch den Anti-Nazismus in
diesem Jahrhundert zusätzlich verstärkt."

Diese Bewegung ist irgendwann im Laufe dieses Jahrhunderts im Sande
verlaufen. Vielleicht gibt es sie sogar noch, wenn dann nur in
marginaler Form und nicht weiter relevant da bei der breiteren
Bevoelkerung schlichtweg unbekannt.

[Literaturtipps]

Kenne ich bereits, danke, aber die Buecher sind wirklich
empfehlenswert fuer jemand, der sich dafuer interessiert.

>Es ist ein Kunstprodukt und imho eine ziemlich lächerliche Sache.

Vor allem, da Schweizerdeutsch in diesem Sinne NICHT existiert! Die
Schwyzerduetsch-Bewegung hat es, wie bereits erwaehnt, nicht
geschafft, die mehr als Hundert Dialekte unter einen Hut zu bringen!

>Die Gründe waren und sind aber ganz ernst: Identitätserschaffung
>(vgl. "Wiederbelebung" des hebräischen in Israel, das nie eine
>Umgangssprache war) und Ausgrenzung: man kann damit nicht nur die
>annektionsgierigen (hrmpfffh) Tütschen erkennen,

Jawoll! Darum ging es der Schwyzerduetsch-Bewegung in den 30-ger
Jahren. Und da es DEN annektionsgierigen Deutschen nicht mehr gibt,
hat diese Bewegung wahrscheinlich ihre Existenzberechtigung verloren
und deshalb gibt es sie nicht mehr.

>sondern auch sofort
>die Jurassiens und Tessiner (Welschschweizer),

Uiiiiii ! Jurassiens gehoeren zu den Welschschweizer, Tessiner aber
nicht. Zur allgemeinen Information: Tessiner sprechen Italienisch,
gehoeren also mit den Romands = Frankophone ("Welsche" ist politisch
nicht ganz korrekt) zur Lateinischen Schweiz. Jurassiens nennen sich
die Bewohner des Kantons Jura. Daneben gehoeren auch Neuchatelois,
Fribourgeois, Genevois, Valaisans und Vaudois zur franzoesischen
Schweiz (und natuerlich die BewohnerInnen des Jura Bernois)

>die an der Schule
>hochdeutsch gelernt haben, und sie so gleich mal ausgrenzen B-((
>Diese armen Leute müssen dann diese Kunst (aus-) sprachchchche
>nachlernen, damit sie bei der Jobsuche in der Deutschschweiz eine
>Chance haben.

Nein, sie muessen den jeweiligen Dialekt lernen, weil sich die meisten
D-Schweizer (die erwaehnten 64.4%) weigern, das in der Schule erlernte
Hochdeutsch zu sprechen. Und das ist tatsaechlich ein Problem.

>Sonst unterstellt man ihnen "Verachtung" von - na
>ja,irgendwelchen patriotischen Prinzipien.

Nun, ich Aermste musste auch erst franzoesisch lernen, als ich von
Bern in den Kanton Neuchatel zog und hier studierte. Das haengt aber
nicht mit irgendwelchen patriotischen Prinzipien zusammen, sondern
damit, dass man sich anpasst, wenn man sich in einen anderen
Landesteil begibt.

Ich musste eben grinsen, als ich Deinen Satz "diese
Kunst-Sprachchchche" gelesen habe! Mir geht ein Licht auf! Was du fuer
die Kunstsprache "Schwyzerduetsch" haelst, ist dasselbe, was die
meisten Schweizer fuer Hochdeutsch halten! Schau Dir mal eine Sendung
am Schweizer Fernsehen an: das, was Du verstehst, ist das, was wir
hier fuer Hochdeutsch halten. Alles andere ist "richtiges"
Schweizerdeutsch, d.h. einer von ueber hundert Dialekten.

>Florian (Hesse, kennt eine Latte Schweizer)

Häb e hiube Hinech!

Katharina (Schweizerin, kenne auch eine Latte Schweizer)

P.S. Wenn Du mehr ueber die Problematik zwischen Deutscher und
Franzoesischer Schweiz lernen willst, empfehle ich Dir nochmals mein
Staatsexamen: zu finden unter
http://www.dplanet.ch/users/kbleuer/Memliz/Einleitung.htm
und vor allem den zweiten Teil der Arbeit:
http://www.dplanet.ch/users/kbleuer/Memliz/Teil2.htm


Oliver Schlick

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
Hallo!

Florian Eichhorn <florian....@main-rheiner.de> wrote:

> Das "Schweizerdeutsch" ist eine Kreation unseres Jahrhunderts, und
> geht auf die Privatinitiative einiger Leute (den Verein gibt es
> immer noch) zurück, die Angst vor Einfluß/Anschluß an das Deutsche
> Reich hatten. Zunehmend in den 30er Jahren und während des 2.
> Weltkrieges und besonders danach wurde die Sache dann offiziell propagiert.
> Dazu gab es 98 oder 99 einen Aufsatz in der Süddeutschen Zeitung,
> suchen + finden über www.sueddeutsche.de (stimmt, ich hab dazu jetzt
> keine Lust!)

Das ist nun herzlich lustig und entbehrt jeder Grundlage. Woher hast Du
denn das??
Vermutlich hast Du mal irgendwo was aufgeschnappt ueber den Versuch,
eine einheitliche Schriftsprache fuer alle deutschschweizerischen
Dialekte zu konstruieren. Den hat es gegeben (ich hab hier eine
Broschuere vorliegen von Eugen Dieth: Schwyzertuetschi Dialaektschrift.
Leitfaden einer einheitlichen Schreibweise fuer alle Dialekte. Zuerich
1944), ist - grob gesagt - als Ausdruck der 'geistigen
Landesverteidigung' zu betrachten, indem speziell in den 30er u. 40er
Jahren das Dialektale noch mehr gefoerdert wurde als Abwehrhaltung gegen
die nazi- bzw. hochdeutsche Bedrohungslage. Es gab (ob's ihn noch gibt,
weiss ich nicht) auch einen Verein/Verband, der das systhematisch
betreiben wollte. Der Versuch landete aber in der Schublade, wo er auch
hingehoert.
Es gibt kein allgemein verbindliches Schweizerdeutsch weder muendlich
noch schriftlich als dialektale ueberregionale Sprache. Allerdings
gibt's diverse grammatischen und orthographischen Besonderheiten, die
fuer das hierzulande gesprochene wie geschriebene Hochdeutsch bzw.
Schriftdeutsch gelten (-> Duden).

> Es ist ein Kunstprodukt und imho eine ziemlich lächerliche Sache.

> [...]


>Sonst unterstellt man ihnen "Verachtung" von - na
> ja,irgendwelchen patriotischen Prinzipien.

Iss ja zu koestlich!

Was Du hier moeglicherweise haettest ansprechen koennen, ist ein ganz
anderes Problem: wann wird wo Dialekt gesprochen und wann wird wo auf
das Hochdeutsche umgestellt. In den letzten Jahren hat es da eine
Zunahme des Dialektalen gegeben, die tatsaechlich fuer die
Andersprachigen problematisch ist, und die grossenteils allerdings ein
Ausdruck provinzieller Igelstellung ist.
Einerseits gibt es allerlei Selbstwertprobleme
schlecht-hochdeutschsprechender DeutschschweizerInnen, was wiederum
durch Nicht-Hochdeutschsprechen "behandelt" wird, was wiederum, wenn
dann tatsaechlich mal hochdeutsch gesprochen werden muss, reichlich oft
in sprachliche Desaster muendet, die wiederum die psychische Situation
verschlechtern. (Es ist oft eine wahre Qual, sich beispielsweise das
Hochdeutsche, das wo gelegentlich in den Medien gesprochen wird,
anhoeren zu muessen.)

>kennt eine Latte Schweizer

Das mag ja sein.

Gruss

Oliver


--
Versandantiquariat Oliver Schlick
Mutschellenstr. 27
CH-8002 Zuerich
Online-Listen -> http://www.schlick.ch

Godot

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
Hans Bolte <042827...@t-online.de> schrieb ein wenig ärgerlich:

>Ein anonymer Freund, der nicht mit seinem Namen zu dem steht was er
>schreibt, schrieb:

Und:

>PS: Schaff Dir einen richtigen Namen an.

Lieber Hans Bolte. Hättest Du meine Mail ganz gelesen, dann hättest Du
auch meinen Namen gesehen. Tut mir leid, wenn das Scrollen etwas
mühevoll ist.

Zu dem regressus vor dem regressus siehe Gerrits Posting. Rein logisch
helfen Dir die Germanen leider nicht weiter.

Und zu meiner Bemerkung:

>> Nietzsche jedenfalls haette seine helle Freude an Deinen
>> Definitionsversuchen.

>Na und?

Das war mein Punkt.

Beste Grüße,
Dirk Peters.


Florian Eichhorn

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
Hallo Katharina,

Katharina Bleuer wrote:
>
> He Florian,
>
> Danke fuer die Bibliographien! Ich werde mich gleich mal damit
> befassen...

Yo!

(schnippschnapp)

> >> Nun, die meisten SchweizerInnen waeren nicht damit einverstanden,
>> wenn man sie als "Deutsche" bezeichnet... Vor allem weil die meisten
> >> Deutschen unsere Sprache schon gar nicht erst verstehen!

> >Wie kommst Du denn darauf, daß "wir" das "nicht verstehen"? Jede
> >deutsche dialektale Färbung hat für Leute aus anderen Gegenden so
> >ihre Probleme, zB für mich alles, was nicht südhessisch oder
> >oberbayrisch ist (Eltern).
>
> Die meisten meiner Deutschen Verwandten und Bekannten (aus ganz
> Deutschland, auch Schwaben und Bayern) verstehen kein Wort von dem,
> was wir sagen (die Schwaben noch eher, als die "Nordlichter", das
> stimmt schon). Vielleicht liegts am Berndeutsch, das dem Hochdeutschen
> ferner liegt, als z.B. die Dialekte von Zuerich oder St. Gallen.

Na, *dann* sprecht ihr ja volle Kanne Ortsdialekt, nicht mehr
Hochdeutsch mit Färbung. Klar, daß da kaum ein Auswärtiger mitkommt.



> Daß Nohrdlichter Probleme mit bayerisch oder schwäbisch haben, kein
> Thema. Mit der schweizer Färbung ist das nicht anders.
>
> >Aber das ist nur die *regionale*, sprachliche Färbung mit insgesamt
> >hochdeutschem Vokabular, eine Reihe typischer regionaler Begriffe
> >beibehalten (für Gebrauchsgegenstände, Lebensmittel,
> >Verwandschaftsbezeichnungen, zB Schwager statt Tochtermann, Semmel
> >statt Rundstück usw).
>
> Ich meinte nicht die regionalen Ausdruecke... da haben wir
> SchweizerInnen sogar untereinander Muehe, vor allem bei Namen fuer
> Insekten, Pflanzen, usw.

Also in meinem Beispiel waren nur ein Paar ausgewählte regionale
Ausdrücke gemeint (siehe dtV Atlas, das sind dort "Leitbegriffe",
weil sie sehr gut Sprachgruppen abgrenzen helfen), und die nur lokal
gebräuchlichen Begriffen vermeidet man zwecks Verständlichkeit ganz.

Besonders schön sind die lokalen Schimpfwörter!

> [...]
> >Aber selbst das ist noch keine eigene *Sprache* - wenn auch schwer
> >verständlich. DAS nennt man Dialekt.
>
> Die Grenzen sind manchmal fliessend!
>
> >Schwyzerdütsch ist keine Sprache, auch kein Dialekt, sondern ein
> >künstlich geschaffene dialektale Färbung, die sich als Sprache
> >geriert. S. u.

OK, Mißverständnis.



> Sorry, aber DAS Schwyzerduetsch gibt es nicht! Es gibt Buecher, die in
> Mundart geschrieben wurden, aber sogar in denen kann man anhand der
> "Grammatik" und der "Rechtschreibung" herausfinden, wo die Autorin,
> der Autor, aufgewachsen ist!

Ja, wovon reden denn dann die ganzen CH-Patrioten? Das es eine
schöne Idee sei, eine Einheitssprache zu konzipieren, daß es aber
leider nicht geht? Aber die anderen müssen es drauf haben..

> >Die Regionaldialekte in der Schweiz, sofern alemannischer Herkunft,
> >haben den gleichen Charakter wie die im Elsaß, Südbaden, Vorarlberg.
>
> Kann ich schlichtweg nicht beurteilen... Sagt man dort auch "die, wo",
> "der, wo", etc., anstatt korrekte Relativsaetze zu bilden? Existiert
> dort auch kein Genitiv?

Soll heißen: die alemannische Sprachgruppe endet nicht am
EG-Schlagbaum, nur weil die Dialektgruppe "Schyzerdütsch" postuliert
wird.
Unis untersuchen doch sicher den lebenden alemannischen Sprachraum
und seine Dialekte, vielleicht Basel oder Freiburg/Breisgau?

(schnipp)

> >Tip: Mach Dich doch erst mal schlau über "Sprache", "Dialekte",
> >"dialektale Färbung" usw.
> >Etwa im dtV-Atlas der deutschen Sprache (ein sehr lohnendes
> Taschenbuch)
>
> Danke fuer den Tip. Einer zurueck:
> http://www.dplanet.ch/users/kbleuer/Memliz/Teil2.htm#II12
>
> Ich bin zwar keine Linguistin, habe mich aber als Soziologin mit
> Schwerpunkt Polemologie des Laengeren mit der Sprachproblematik in der
> Schweiz befasst.

Hoffe, daß stieß nicht zuu sauer auf, das kam wg. Mittelhochdeutsch
- das ist so weit weg wie die Kreuzzüge. Auch für die Schweiz.



> > > Nun, geh mal in die Schweiz -> obwohl es sich nach einer deiner
> > > Definitionen bei ca 60% der Schweizerinnen und Schweizer um
> "Deutsche"
> > > handelt, wirst Du auch mit Woerterbuch Deine Muehe haben, etwas zu
> > > verstehen, von dem was gesagt wird (es sei denn, Du sprichst
> fliessend
> > > Mittelhochdeutsch, d.h. das Deutsch, das im Mittelalter gesprochen
> > > wurde).
> >Autsch, wo hast Du das her? Also, Mittelhochdeutsch wird schon lange
> >B-) *nirgendwo* mehr gesprochen. Es wurde im 16. Jhdt. vom
> >Frühneuhochdeutschen abgelöst (Lautverschiebung usw.).
>
> Viele Schweizer Dialekte (vor allem die Bergdialekte) liegen -
> scheints - etymologisch naeher beim Mittel-
>oder Fruehhochdeutsch,

Mittelhochdeutsch siehe mein post, Frühneuhochdeutsch unbestritten,
Dialekte bewahren Archaismen.
Je weniger isoliert (Städte), desto mehr von der allgemeinen
Entwicklung beeinflußt.

> als
> beim modernen Hochdeutsch. Germanistinnen und Linguistinnen sollen
> mich bitte korrigierne, wenn ich einem Irrtum erlegen sein sollte!

Gilt für alle Dialekte, nicht nur in der Schweiz.
Auch frühneuhochdeutsch gibts schon lange nicht mehr.

> [...]
>
> >Eine Latte von Mißverständnissen.Hochdeutsch ist auch nicht
> >"Deutsch". Allenfalls das akzeptierte Schriftdeutsch.
>
> Dann befinden sich auch viele Deutsche in einem Zustand der
> sogenannten Diglossie, dh. sprechen eine "andere Sprache", als sie
> schreiben. In der Schweiz gaben 1990 64.4% der DeutschschweizerInnen
> an, dass sie kein Hochdeutsch sprechen (Quelle: Bundesamt fuer
> Statistik, Volkszaehlung 1990). Wieviele sind es in Deutschland? (ich
> frage aus Neugierde).

Ich habe keine Zahlen parat. Sehen wir mal von den vielen Städtern
ab, die keinen Dialekt mehr sprichen: dann spricht (ex
dünnbesiedelten, ländlichen Gegenden, zB schwäbische Alb) so
ziemlich jeder hochdeutsch (mit oder ohne Färbung), wenn man unter
sich ist, hochdeutsch mit dialektaler Färbung und Regionalbegriffen
(das versteht die Öffentlichkeit heute unter "Dialekt").
Am echten Land, behaupte ich mal, hat man mit 1 Mühe (ausgenommen
höhere Schulbildung oder "zugereiste"), spricht 2 mit auswärtigen -
und unter sich, na ja, volle Kalotte Dialekt.
Dialektprosa und Lyrik sind mittlerweile wieder recht beliebt,
während es früher als Zeichen der Rückständigkeit zu vermeiden galt.
Wirklich reinrassing können es im Einzugsbereich von Städten nur
noch die Älteren. Nützlich sind die vom Ort stammenden Lehrer, die
Alltagsgeschichten im Dialekt (soweit sie das noch können) von dort niederschreiben.
Man ist vielerorts dabei, von den letzten native speakers
Wörterbücher der Dorfsprache zusammenzustellen, die ja auch viele
ausgestorbene Berufe/Werkzeuge usw. enthält. Da geht es dann um dan
ganz harten dörflichen Dialekt. Der ist, grob gesagt, schon dann
relativ einzigartig, wenn das Nachbardorf mehr als drei Stunden zu
Fuß weg ist. Für mich klingt das alles ziemlich ähnlich, "aber
soundso sagt man nur dort, nicht bei uns" - erklärt man dann.

> >> Andere Frage: ist nun das Schweizerdeutsch eine eigene Sprache (die
> >> aber nicht geschrieben wird) oder nur ein Dialekt? (aber achtung:
> es
> >> gibt etwa 50 verschiedene schweizer Dialekte wenn nicht mehr - die
> >> sich aber gegenseitig verstehen).
>
> >Aber nur, wenn sie auf ihren Ortsdialekt verzichten, und
> >Schwyzerdütsch reden -das, was man anstatt Hochdeutsch auf der
> >Schule lernen muß, jedenfalls in der Deutschschweiz - ja, das
> >Unwort, sagen wir lieber Schweizschweiz B-))
>
> ???????????
> Da bist jetzt aber DU einer Fehlinformation aufgesessen!

Oioi, Caspar hat mich schon geprügelt, aber was war mit dem
fehlenden Imperfekt?

>Im Deutschunterricht lernen wir Hochdeutsch! In den anderen
Faechern wird
> entweder in Hochdeutsch (oder was eben die Schweizerinnen unter
> Hochdeutsch verstehen)

Ja, das war gemeint - B-)

>unterrichtet, oder in Mundart. Und diese kann
> sich zwischen den verschiedenen Regionen und sogar Ortschaften stark
> veraendern (die Unterschiede scheinen auf den ersten Blick vor allem
> in der Aussprache zu liegen). Im Radio und Fernsehen spricht jede
> Moderatorin, jeder Moderatur ihren/seinen eigenen Dialekt - und alle
> anderen verstehen es.

Weil durch die landesweite Ausstrahlung bedingt sich der Sprecher
gewisse Zügel anlegen muß:

>Ganz spezielle, regionale Ausdruecke werden
> durch den eingeschweizerten Ausdruck der Hochsprache ersetzt (naja,
> nur Appenzeller wissen, dass ein Täghüffeli eine Hagebutte ist... also
> sagt der Appenzeller schon mal Hagebutte).
>

(geschnippt)

> >Die Gründe waren und sind aber ganz ernst: Identitätserschaffung
> >(vgl. "Wiederbelebung" des hebräischen in Israel, das nie eine
> >Umgangssprache war) und Ausgrenzung: man kann damit nicht nur die
> >annektionsgierigen (hrmpfffh) Tütschen erkennen,
>
> Jawoll! Darum ging es der Schwyzerduetsch-Bewegung in den 30-ger
> Jahren. Und da es DEN annektionsgierigen Deutschen nicht mehr gibt,
> hat diese Bewegung wahrscheinlich ihre Existenzberechtigung verloren
> und deshalb gibt es sie nicht mehr.

Ja? Aber warum geben sich die Deutschschweizer dann nicht damit
zufrieden, daß die anderen Auchschweizer ein eingeschweizertes
Hochdeutsch, wie Du es oben nennst, sprechen?

> >sondern auch sofort
> >die Jurassiens und Tessiner (Welschschweizer),
>
> Uiiiiii ! Jurassiens gehoeren zu den Welschschweizer, Tessiner aber
> nicht.

Aha. Also für euch sind nur die Italiener (bzw. italienisch
Sprechenden) die "Walschen".
Na, für uns waren alle Franzmänner und Italiener die "Walschen" .
Im 18/19. Jhdt. gab es viele Wanderarbeiter aus Italien
(Spezialisten im Bauhandwerk), Wallonen (Textilverarbeitung,
Hüttenspezialisten u.a.), Franzosen aus allen möglichen Gegenden.
Walsche war einfach ein Sammelbegriff für die romanischen Sprachen sprechenden.

(schnipp)

> >die an der Schule
> >hochdeutsch gelernt haben, und sie so gleich mal ausgrenzen B-((
> >Diese armen Leute müssen dann diese Kunst (aus-) sprachchchche
> >nachlernen, damit sie bei der Jobsuche in der Deutschschweiz eine
> >Chance haben.
>
> Nein, sie muessen den jeweiligen Dialekt lernen, weil sich die meisten
> D-Schweizer (die erwaehnten 64.4%) weigern, das in der Schule erlernte
> Hochdeutsch zu sprechen. Und das ist tatsaechlich ein Problem.

Schon kurios.



> >Sonst unterstellt man ihnen "Verachtung" von - na
> >ja,irgendwelchen patriotischen Prinzipien.

Das bezog sich darauf, warum man auch die anderen zwingt, einen
Dialekt zu lernen.



> Nun, ich Aermste musste auch erst franzoesisch lernen, als ich von
> Bern in den Kanton Neuchatel zog und hier studierte. Das haengt aber
> nicht mit irgendwelchen patriotischen Prinzipien zusammen, sondern
> damit, dass man sich anpasst, wenn man sich in einen anderen
> Landesteil begibt.

Ist doch ein Unterschied, ob ich eine übliche *Hochsprache* lernen
muß, oder einen Dialekt, dessen Hochsprache ich doch bereits an der
Schule gelernt habe, und der zB in der Verwaltung doch ausreichen sollte?
Nur mal zum Vergleich: zwingt man zB in Neuchatel einen zugezogenen
Holländer aus Toulouse, den Jurassien Dialekt von Neuchatel zu
lernen? Oder reicht auch sein Schulfranzösisch? Und einen Franzosen
aus mW Toulouse wird man doch auch nicht zum Jurassien Dialekt zwingen.
Das ist es, was so manchem aufstößt. - Regionalstolz in allen Ehren.



> Ich musste eben grinsen, als ich Deinen Satz "diese
> Kunst-Sprachchchche" gelesen habe! Mir geht ein Licht auf! Was du fuer
> die Kunstsprache "Schwyzerduetsch" haelst, ist dasselbe, was die
> meisten Schweizer fuer Hochdeutsch halten!

Na, ich weiß ja nicht, welche Färbung das Deutsche hat, daß die
Deutschlehrer im Jura drauf habe und an die Jurassiens vermitteln.
Aber wie ich öfter gelesen/gehört habe, soll es jedenfalls ziemlich
von der - flott gesagt - deutschschweizer Färbung frei sein -
deshalb fallen diese Leute ja dann auf.

(schnipp)


>
> Katharina (Schweizerin, kenne auch eine Latte Schweizer)

Logo. Mein --> () war doch nur wegen der Frage, ob ich jemals ...
reden gehört hätte.



> P.S. Wenn Du mehr ueber die Problematik zwischen Deutscher und
> Franzoesischer Schweiz lernen willst, empfehle ich Dir nochmals mein
> Staatsexamen: zu finden unter
> http://www.dplanet.ch/users/kbleuer/Memliz/Einleitung.htm
> und vor allem den zweiten Teil der Arbeit:
> http://www.dplanet.ch/users/kbleuer/Memliz/Teil2.htm

Ja, gelesen, und heruntergeladen, Danke.
Hatte einen mittlerweile verstorbenen Bekannten
(ISchokoladenmaschinenbau Ing., *sehr* CH-mäßig), dessen Frau eine
Jurassien war. Die haben mir so manches über die Konflikte am
Röstigraben erzählt.

Florian

Florian Eichhorn

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to

Oliver Schlick wrote:
>
> Hallo!
>
> Florian Eichhorn <florian....@main-rheiner.de> wrote:
>

> > Das "Schweizerdeutsch" ist eine Kreation unseres Jahrhunderts, und
> > geht auf die Privatinitiative einiger Leute (den Verein gibt es
> > immer noch) zurück, die Angst vor Einfluß/Anschluß an das Deutsche
> > Reich hatten. Zunehmend in den 30er Jahren und während des 2.
> > Weltkrieges und besonders danach wurde die Sache dann offiziell propagiert.
> > Dazu gab es 98 oder 99 einen Aufsatz in der Süddeutschen Zeitung,
> > suchen + finden über www.sueddeutsche.de (stimmt, ich hab dazu jetzt
> > keine Lust!)
>

> Das ist nun herzlich lustig und entbehrt jeder Grundlage. Woher hast Du
> denn das??
> Vermutlich hast Du mal irgendwo was aufgeschnappt ueber den Versuch,
> eine einheitliche Schriftsprache fuer alle deutschschweizerischen
> Dialekte zu konstruieren. Den hat es gegeben (ich hab hier eine
> Broschuere vorliegen von Eugen Dieth: Schwyzertuetschi Dialaektschrift.
> Leitfaden einer einheitlichen Schreibweise fuer alle Dialekte. Zuerich
> 1944), ist - grob gesagt - als Ausdruck der 'geistigen
> Landesverteidigung' zu betrachten, indem speziell in den 30er u. 40er
> Jahren das Dialektale noch mehr gefoerdert wurde als Abwehrhaltung gegen
> die nazi- bzw. hochdeutsche Bedrohungslage. Es gab (ob's ihn noch gibt,
> weiss ich nicht) auch einen Verein/Verband, der das systhematisch
> betreiben wollte. Der Versuch landete aber in der Schublade, wo er auch
> hingehoert.

Den Verein gibt es noch, und was ich las - es landete auch
keineswegs nach Kriegsende in der Schublade. Danach soll es nämlich
erst richtig losgegangen sein, jetzt mit offizieller Förderung. Habe
nur versucht, meine Erinnerung wiederzugeben. Bei euch werden die
Quellen doch reichlicher fließen.

> Es gibt kein allgemein verbindliches Schweizerdeutsch weder muendlich
> noch schriftlich als dialektale ueberregionale Sprache. Allerdings
> gibt's diverse grammatischen und orthographischen Besonderheiten, die
> fuer das hierzulande gesprochene wie geschriebene Hochdeutsch bzw.
> Schriftdeutsch gelten (-> Duden).

Na, den Begriff Schweizerdeutsch habe ich doch nicht erfunden B-).
Es ist also nur ein unschuldiger Sammelbegriff für Dialekte der
Deutschschweiz.
Und was müssen dann die armen Jurassien und Tessiner auf ihr
Schuldhochdeutsch draufladen?
Katharina schrieb, den jeweiligen lokalen Dialekt. Dafür scheint es
also doch Lehrpläne zu geben, wie sollen die Leute es sonst lernen.
Das ist für einen lokalen Dialekt m. E. ziemlich ungewöhnlich. Kann
mir schwer verstellen, daß das Kultus- oder Unterrichtsministerium
(oder wie das in der Schweiz heißt) da keine Richtlinien vorgibt.
Wie sieht es damit aus?

> >Sonst unterstellt man ihnen "Verachtung" von - na
> > ja,irgendwelchen patriotischen Prinzipien.
>

> Iss ja zu koestlich!

Mahlzeit B-)
Schön, daß man auf seinen Dialekt so stolz ist. Warum zwingt man
dann aber die Jurassiens usw. Nichtdeutschschweizer, die bereits an
der Schule Hochdeutsch gelernt haben, sich in harten Sprachkursen
noch einen örtlichen Dialekt zuzulegen? Den umgekehrten Fall habe
ich noch nicht gehört. Oder muß ein zugereister Züricher in Fribourg
noch einen Jurassien-Spezialkurs machen?

Sind das zwingende sachliche Gründe, oder patriotische Prinzipien
bzw. Provinzdünkel?)

- Besonders lustig, wenn diese polyglotten Nichtdeutschschweizer
dann ins Ausland gehen, und erstmal für (tschuldigung) Landeier
gehalten werden, die es trotz guter Ausbildung nicht einmal für
nötig gehalten haben, ihren Dialekt etwas zu polieren.

> Was Du hier moeglicherweise haettest ansprechen koennen, ist ein ganz
> anderes Problem: wann wird wo Dialekt gesprochen und wann wird wo auf
> das Hochdeutsche umgestellt. In den letzten Jahren hat es da eine
> Zunahme des Dialektalen gegeben, die tatsaechlich fuer die
> Andersprachigen problematisch ist, und die grossenteils allerdings ein
> Ausdruck provinzieller Igelstellung ist.

Genau. Wenn man unter sich ist, kein Problem. Aber warum will man
die Verwaltung/nationale Presse/Universitäten sonst dazu zwingen, wo
es auf Verständlichkeit ankommt?
Auf diese Idee käme nördlich des Bodensees niemand.
Na, vielleicht genau deshalb B-)

> Einerseits gibt es allerlei Selbstwertprobleme
> schlecht-hochdeutschsprechender DeutschschweizerInnen, was wiederum
> durch Nicht-Hochdeutschsprechen "behandelt" wird, was wiederum, wenn
> dann tatsaechlich mal hochdeutsch gesprochen werden muss, reichlich oft
> in sprachliche Desaster muendet, die wiederum die psychische Situation
> verschlechtern. (Es ist oft eine wahre Qual, sich beispielsweise das
> Hochdeutsche, das wo gelegentlich in den Medien gesprochen wird,
> anhoeren zu muessen.)

Dafür gibts dann einen Dialektorden: hat es trotz Schulbildung und
Bemühen nicht geschafft B-), --> echter ?Patriot.
Klingt ja lustig. Soweit ich das hier mitbekomme, gibts damit im
Restreich kaum Probleme. Dialekt (besser, was man darunter versteht:
dialektal gefärbte Regionalsprache) ist OK. Natürlich ist der
provinzielle Eindruck immer da.
Aber auch im als Nivellisten geschmähten TV (im Regionalprogramm,
sind in D die 3.) wird oft munter (unterschiedlich nach Bundesland)
mit dialektaler Färbung gesprochen. So krass wie in CH ist das aber
weißgott nicht. "Dänk dra lüt ah" oder andere Dialekt-Werbeslogans
haben schon was sehr... landestypisches.

F.
sorry für Schnellschüsse

Hans Bolte

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
Gerrit Bigalski wrote:
> Hans Bolte wrote:

> >Es gibt Britain (UK
> >ohne Nordirland) und Great Britain (UK mit Nordirland).

> Schön wär's, wenn's so schön wär; leider umfaßt Great Britain aber
> *nicht* Nordirland (daher der offizielle Titel United Kingdom of Great
> Britain and Northern Ireland), d. h. im Grunde dasselbe wie Britain.

"Britain" ist das selbe wie "Great Britain"? Ich gebe zu, dass ich mir
in der Angelegenheit hoechst unsicher bin, aber so hat mir mein
Englischlehrer das damals ganz sicher nicht erklaert und Sinn macht es
auch nicht. Aber belassen wir es dabei, es kann uns egal sein wie die
Queen ihre Reiche bezeichnet.



> >Aehnlich ist es
> >mit Deutschland und Oestereich, die man zusammen auch (oder nur) als
> >Grossdeutschland bezeichnet.

> Klingt ja in der Theorie ganz nett, aber "Großdeutschland" ist wohl
> doch etwas zu nahe am "Großdeutschen Reich" als daß man es problemlos
> verwenden könnte.

Wieso?

Hans

Hans Bolte

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
Katharina Bleuer wrote:

> Lieber Hans,

Hallo liebe Katharina, ;-)

ich weiss es ist ein Fehler sich mit einem Soziologen zu unterhalten,
aber Du sprichst als einzige alle die Punkte an, zu denen ich noch was
loswerden will.

> > Ich fasse die Einschraenkungen des Begriffes "Deutscher", die ich zu
> > sehen glaube, in einem Satz zusammen:
> > "Deutscher ist, wer Deutsch als Muttersprache spricht und dessen
> > Vorfahren mehrheitlich Deutsche waren.

> Eeeehm... raeusper... Wir kommen wahrscheinlich doch nicht aus dem
> Ringschluss raus

Ja, aber das Problem ist lediglich theoretischer Natur. Es waere schoen,
wenn man den Ringschluss loswerden koennte, in der Praxis wuerde es aber
bei etwas Grosszuegigkeit bei den Grenzfaellen auch so gehen. Die
Definition soll ja nicht wissenschaftlich exakt sein, sondern ich
versuche zu systematisieren, wen die Deutschen wohl allgemein als
Deutschen betrachten wuerden. (Hier gehoert ganz klar eine empirische
Untersuchung hin, aber dafuer fehlen mir Zeit und Tatendurst, deshalb
schaetze ich alles ab, bilde mir dabei aber ein, dass ich mit meinem
Ergebnis nicht ganz weit von der Realitaet entfernt liegen duerfte.)

> (die Selbstidentifikation ist wahrscheinlich doch
> wichtiger als jede aeussere, wisschenschaftliche Definition).

Du meist also, wenn ich morgen frueh beschliessen sollte kein Deutscher
mehr zu sein, dann waere ich auch keiner mehr. :-) Entschuldige, aber
das ist Quatsch.

"Wissenschaftlich" habe ich in dem Posting auf das Du Dich beziehst
uebrigens bewusst nicht in den Mund genommen.

[...]

> > Die ersten Deutschen waren die Germanen."

> Sind sie nicht, da auf Schweizer Territorium sich die Alemannen mit
> den Kelten mischten. Wir stammen eher von den Helvetiern ab, welche
> ein keltischer Stamm waren. Tja...

Naja, das trifft ja wohl ganz aehnlich auf die Schwaben und Badener zu,
die zweifellos Deutsche sind. Die heutigen Deutschen saemtlich als
'reinrassige Germanen' zu betrachten, weare wohl etwas weltfremd. Die
Wurzeln der Deutschen sind sind jedenfalls germanisch und der
germanische Einfluss ueberwiegt saemtliche anderen regionalen (, es gibt
ja auch noch romanische und slawische) Einfluesse, das wird wohl niemand
bestreiten.


> Es ist gar nicht so einfach, oder?

Das Thema ist Glatteis und Anfeindungen sind einem sicher, aber ich
finde nun mal, dass ein Wort, das man so haeufig benutzt auch moeglichst
eindeutig definiert sein sollte. Dass das schwierig ist, ist keine
Ausrede.

Uebrigens darfst Du Dich von mir aus ruhig als Nichtdeutsche betrachten
(brauchst Dich nicht zu bedanken). ;-)

Hans

Michael Pronay

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
Hans Bolte schrieb
>
>... Aehnlich ist es mit Deutschland und Oestereich, die

>man zusammen auch (oder nur) als Grossdeutschland bezeichnet.

Offenbar hat diesem Schwachsinn bisher noch niemand energisch
genug widersprochen. Sei so freundlich und lass Dir gesagt
sein, daß diesen Standpunkt außer ein paar ewigbraunen
Tiefgestrigen tatsächlich kein Mensch mehr ernsthaft vertritt.

Michael


Hans Bolte

unread,
Sep 20, 1999, 3:00:00 AM9/20/99
to
Michael Pronay wrote:
> Hans Bolte schrieb

> >... Aehnlich ist es mit Deutschland und Oestereich, die
> >man zusammen auch (oder nur) als Grossdeutschland bezeichnet.

> Offenbar hat diesem Schwachsinn bisher noch niemand energisch
> genug widersprochen. Sei so freundlich und lass Dir gesagt

"Schwachsinn" ist bei Dir wohl ein Synonym von "politisch inkorrekt im
Pronayschen Sinne".

> sein, daß diesen Standpunkt außer ein paar ewigbraunen
> Tiefgestrigen tatsächlich kein Mensch mehr ernsthaft vertritt.

Es gibt den Begriff, egal ob ihn jemand vertritt.

Hans

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Alex Jahnke

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
On Mon, 20 Sep 1999 21:58:53 +0200, Hans Bolte
<042827...@t-online.de> wrote:

>Naja, das trifft ja wohl ganz aehnlich auf die Schwaben und Badener zu,
>die zweifellos Deutsche sind. Die heutigen Deutschen saemtlich als
>'reinrassige Germanen' zu betrachten, weare wohl etwas weltfremd. Die
>Wurzeln der Deutschen sind sind jedenfalls germanisch und der
>germanische Einfluss ueberwiegt saemtliche anderen regionalen (, es gibt
>ja auch noch romanische und slawische) Einfluesse, das wird wohl niemand
>bestreiten.

Eigentlich mag ich ja keine Crosspostings, aber da es ansonsten wohl
keiner liest... nochmals der Beitrag aus de.sci.geschichte ... Die
Wurzeln aller Europaer sind nach dieser Definition germanisch. Die
Germanen sind eine "Sprachgruppe" keine genetische Gruppe!
Nationaldenken war diesen Staemmen vollkommen fremd, was zaehlte war
die Sippe und die bestand aus der Familie und Menschen die nuetzlich
fuer die Sippe waren. Am ehesten mit den nordamerikanischen
Ureinwohnern zu vergleichen. Eine solche "geschichtliche" Defintion
wer Deutsch ist kann also nur falsch sein, da es keine Grundlagen
dafuer gibt.

CU
Alex


Katharina Bleuer

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Hier ein interessanter Artikel ueber das Verhaeltnis der
Schweizerinnen und Schweizer zum _Grossen Bruder_ Deutschland:


Denk ich an Deutschland ...
Wir Schweizer haben ein neurotisches Verhältnis zu den Deutschen.
Statt über Deutschland nachzudenken, wenden wir die klassische
Verdrängungsstrategie an.

Autor: von Fred Müller

FACTS: Hassen Sie die Schweiz, Frau Roselt?
EVA ROSELT: Nein, ich liebe sie.
FACTS: Warum haben Sie die Schweiz vor einem Jahr dennoch im Zorn
verlassen?
ROSELT: Weil sie eine hochnäsige Geliebte ist, die eine Ohrfeige
verdient hat.

Nach sechs Jahren war Schluss. Die deutsche Filmemacherin Eva Roselt,
durch Heirat Schweizerin geworden, hielt es in ihrem Bündner Dorf
nicht mehr aus und kehrte mit ihrer Familie in ihre Heimatstadt Bremen
zurück. Zum Abschied schlug sie ihrer «hochnäsigen Geliebten» in der
«Weltwoche» eine bitterböse Polemik um die Ohren, die manchen
Schweizern sauer aufstiess: Unglaublicher «Rassismus» sei ihr
begegnet, die Schweizer seien «mittelmässig», «unemanzipiert» und
«emotional gehemmt»: «Das Lebendigste in der Schweiz sind die Bäche,
die sich selbstmörderisch die Berge hinunterstürzen.»

Selten reden Deutsche so offen über ihr Leiden an der Schweiz. Haben
sie sich erst einmal hier zu Lande niedergelassen, schlucken sie ihre
Enttäuschung meistens hinunter - oder passen sich an und belegen Kurse
in «Schwyzertüütsch». Die Deutschen lassen sich von ihrer Liebe für
die Schweiz nicht abbringen, in deutschen Sympathieumfragen landet die
Schweiz stets an erster Stelle, während sich Deutschland in der
Schweiz immer mit dem letzten Platz begnügen muss.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Ipso im Auftrag von
FACTS zeigt, wie zwiespältig das Verhältnis der Schweizer zu den
Deutschen ist. Ihr Herz schlägt für Italien und Frankreich, dennoch
sind fünfzig Prozent davon überzeugt, dass die Bundestagswahlen vom
kommenden Sonntag auch für die Schweiz wichtig sind. Ebenso paradox
ist auch das Fazit einer Umfrage des Reisemagazins «Geo» aus dem Jahre
1996. Befragt nach den sympathischsten Nachbarländern entschieden sich
nur 8 Prozent der Schweizer für Deutschland, gleichzeitig bekundeten
aber 33 Prozent, dass die deutsche Mentalität noch vor der
österreichischen der schweizerischen am nächsten sei.

Geht es um Deutschland, driften Kopf und Bauch der Schweizer
auseinander. Mit keinem andern Land ist die Schweiz seit Jahrhunderten
so eng verbunden wie mit Deutschland, und gegenüber keinem andern Land
hat sie ein derart gestörtes emotionales Verhältnis. Zu den
irrationalen Höhepunkten der Störung gehört die Häme, mit der die
Schweizer jeweils verlorene WM-Fussballspiele der deutschen
Nationalmannschaft kommentieren.

Deutschland und Deutsche sind in der Schweiz omnipräsent. Der deutsche
Anteil an der ausländischen Bevölkerung beträgt zwar nur sieben
Prozent, doch häufiger als Angehörige anderer Nationen arbeiten
Deutsche in ähnlichen Berufen wie die Schweizer. Ein Viertel aller
ausländischen Studenten kommt aus Deutschland, 300 deutsche
Professoren lehren an Schweizer Universitäten - zusammen mit dem
oberen Mittelbau stellen die Deutschen rund drei Viertel des
ausländischen Forschungskaders.

Deutschland ist für die Schweiz der mit Abstand wichtigste
Wirtschaftspartner, an den sie fast einen Viertel ihres Exportes
verkauft. Der Tourismus ist existenziell auf deutsche Gäste
angewiesen: Sie machen einen Viertel aller Touristen aus, und sie
bezahlen sogar vierzig Prozent aller ausländischen Logiernächte.

Ohne Deutschland wäre die Schweiz ein kulturelles Entwicklungsland.
Schweizer Filmemacher brauchen deutsche Geldgeber, Schauspieler sind
auf Engagements an deutschen Theatern angewiesen, Schriftsteller auf
deutsche Verleger und Leser. In den neunziger Jahren hat sich das
Verlagsland Schweiz aus dem deutschsprachigen Raum abgemeldet. Ausser
Diogenes und einigen Kleinverlagen sind alle bekannten Schweizer
Unternehmen wie Walter, Benziger oder Scherz von der deutschen
Konkurrenz aufgekauft worden.

Aber auch in der Alltagskultur ist die Germanisierung der deutschen
Schweiz weit fortgeschritten. Die Schweizer sehen mehr deutsches als
einheimisches Fernsehen, mit deutschen Serienhelden und deutschen
Entertainern sind sie ebenso vertraut wie die Deutschen. Stets prägen
neue deutsche Trends auch die kulturelle und gesellschaftliche
Entwicklung in der Schweiz. Jüngstes Beispiel ist die Techno-Welle,
die in Berlin vor bald zehn Jahren mit der Love Parade begann und in
Zürich mit der Street Parade ihre grösste Nachahmerin im Ausland fand.

Die Deutschschweizer saugen deutsche Einflüsse dankbar auf,
gleichzeitig wehren sie sich instinktiv gegen die deutsche
Omnipräsenz. Im Umgang mit den 100 000 Deutschen, die in der Schweiz
leben, verhalten sie sich freundlich, aber es schwingt dennoch oft ein
subtiler Rassismus mit: Die Deutschen sollen spüren, dass sie nicht
verwandt, sondern fremd sind, eher erduldet als erwünscht.

Wirksamstes und beliebtestes Abgrenzungsmittel der Schweizer ist die
Sprache, mit der sich Deutsche in der Schweiz ein Leben lang quälen.
Reden sie Hochdeutsch, dann sind sie zu wenig angepasst, versuchen sie
es mit Schweizerdeutsch, dann biedern sie sich an. «Wie sie es auch
machen, sie machen es falsch», bilanziert der Schweizer Linguist
Werner Koller, der hundert Deutsche über ihre sprachlichen
Schwierigkeiten befragt hatte. Deutsche reagieren auf dieses Dilemma
mit Tendenzen der Überanpassung, in Kollers Untersuchung gab die
Hälfte der Befragten an, sich eher als Schweizer denn als Deutsche zu
fühlen.

Solche Probleme haben die 60 000 Schweizer in Deutschland nicht. In
der deutschen Ausländerstatistik kommen sie mit einem Anteil von 0,8
Prozent nur unter ferner liefen vor, und ob sie mit oder ohne Akzent
Hochdeutsch reden, spielt keine Rolle - stets schlägt ihnen eine Welle
der Sympathie entgegen. Es geht ihnen ähnlich wie der Filmemacherin
Eva Roselt, die nach ihrer Flucht aus der Schweiz in Bremen mit ihrem
Schweizer Autokennzeichen auffiel und damit «überwältigende
Reaktionen» auslöste: «Wohlwollen und Schwärmereien von Zürcher
Bonbonläden, Seufzer bei sehnsuchtsvollen Erinnerungen an Davos, das
leider unbezahlbar geworden sei».

Schweizer sind in Deutschland nicht nur willkommen, sie werden sogar
«positiv diskriminiert», wie die Berliner «Tageszeitung» spöttisch
feststellte. Gemeint ist damit der Bonus, von dem Schweizer in
Deutschland profitieren. Leichter als andere Nicht-EU-Bürger bekommen
sie ihre Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen, und bei der
Wohnungssuche erhalten sie mit dem Hinweis auf ihre Nationalität sogar
oft eher den Zuschlag als deutsche Mitbewerber. Zu den grössten
Nutzniessern der «positiven Diskriminierung» gehören Schweizer
Kulturschaffende, die von den deutschen Medien oft mehr beachtet und
wohlwollender registriert werden als vergleichbare Auftritte und Werke
Einheimischer.

Dieser Sympathie hat die Komplizenschaft der Schweizer Banken mit
Nazi-Deutschland wenig Abbruch getan. Die Auseinandersetzung mit den
USA fand zwar in den Medien grosse Beachtung, doch ausser einem vagen
Gefühl «klammheimlicher Freude» («Tageszeitung») blieben hämische
Reaktionen aus. «Für die meisten Deutschen bleibt die Schweiz eben ein
Paradies», sagt Konrad Mrusek, der Schweizer Korrespondent der
«Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

Nach der Beobachtung Paul Widmers, dem Chef der Berliner Aussenstelle
der Schweizer Botschaft, hat das heile Schweiz-Bild der Deutschen zwar
ein paar Kratzer abbekommen, doch grundsätzlich habe sich dadurch an
der Sympathie der Deutschen nichts geändert. Auch politisch profitiere
die Schweiz in Deutschland nach wie vor vom «préavis favorable», der
ihr eine einzigartige Sonderstellung sichere: «Die Schweiz hat in
Deutschland politisch mehr Gewicht als ihr nach ihrem Status als
Kleinstaat eigentlich zukommt.»

Die Schweizer und die Schweiz profitieren von dieser Sonderstellung,
vor der sie sich aber gleichzeitig auch mit gutem Grund fürchten. Denn
in Deutschland gelten die Schweizer nur als halbe Ausländer, sie
werden tendenziell als kleine Brüder und Schwestern behandelt, die
durch eine Laune der Geschichte in einem eigenen Staat gelandet sind.
Und genau darin liegt der Kern des Problems, das sich als roter Faden
durch die verwickelte Geschichte der beiden Länder zieht. Um als
Nation im gleichen Sprach- und Kulturraum bestehen zu können, musste
sich die Schweiz stets gegen die mal freundliche, mal unfreundliche
Vereinnahmung durch Deutschland wehren. «Die Deutschen versuchen uns
dadurch hauptsächlich zum Schweigen zu bringen», kommentierte der
Schriftsteller Gottfried Keller die grossdeutschen Sehnsüchte des eben
entstehenden Deutschen Reiches , «dass sie behaupten, das
schweizerische Volk gehöre seiner Abstammung nach gar nicht zusammen,
sondern die deutsche Schweiz gehöre eigentlich zu Deutschland.»

Tatsächlich löste sich die Eidgenossenschaft erst mit dem
Schwabenkrieg von 1499 vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.
Seither haben sich «Sauschwabe» und «Kuhschweizer» im beidseitigen
Sprachschatz etabliert und die alemannisch sprechende Bevölkerung
beidseits des Rheins voneinander getrennt. Mit dem Sieg über die
Schwaben war die Schweiz die Deutschen los, aber bis heute nicht die
Probleme mit ihnen.

Das monarchistische Deutschland ärgerte sich 1848 über den jungen
Bundesstaat Schweiz, der mit seiner demokratisch-republikanischen
Struktur die deutschen Monarchien in Frage stellte. Deutschland erwog
ernsthaft ein militärisches Eingreifen, zumal aufrührerische Deutsche
in der damals liberalen Schweiz Unterschlupf fanden. Als Neuenburg
sich 1856 endgültig zur Schweiz schlagen wollte, drohte Preussen sogar
mit Krieg. Das war heilsam: Die Schweiz fand unter dem Druck der
äusseren Gefahr zur innern Geschlossenheit, die tiefen Wunden
vernarbten, die der Zwist zwischen katholischen und protestantischen
Kantonen im Sonderbundskrieg hinterlassen hatte.

Das Goliath-David-Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz
wurde mit dem Sieg der Deutschen über Frankreich 1870/71 endgültig.
Die alten deutschen Fürstentümer wurden in das Kaiserreich
preussischer Prägung zusammengefasst. «Im September 1912 kam der
deutsche Kaiser in die Schweiz, um sich die Manöver des dritten
Armeekorps anzusehen, für ihn ein unverfängliches Vorhaben, für die
bescheidene Republik aber, die er in den zwei Jahrzehnten seiner
Regierung einer solchen Beachtung nie gewürdigt hatte, eine
Sensation», notierte der Schriftsteller Meinrad Inglin.

In der Schweiz wurde Kaiser Wilhelm II. mit Begeisterung empfangen,
die Bewunderung der Deutschschweizer für die wirtschaftlichen,
wissenschaftlichen und kulturellen Leistungen der Deutschen war schier
grenzenlos, wer etwas auf sich hielt, sprach nicht mehr Französisch,
sondern Hochdeutsch.

Hatten deutsche Drohungen im Neuenburgerhandel 1856 die Schweizer noch
geeint, sorgte der Riese im Norden mit dem Ersten Weltkrieg für eine
der grössten Zerreissproben der Schweiz. Im «Schweizerspiegel»
schreibt Inglin: «Der Graben zwischen welschen und deutschen
Eidgenossen gewann manchmal den Anschein einer Verlängerung des
ungeheuren Grabensystems zwischen Deutschland und Frankreich.»
Deutschschweizer Offiziere sympathisierten mit Deutschland, das
Welschland war frankophil.

Dreissig Jahre später verbreitete Deutschland in der Schweiz Angst und
damit wieder Einigkeit: Das kriminelle Nazi-Regime hatte die Schweiz
eingekreist, die Wehrmacht hatte ein Exposé über «Die Befestigungen an
den schweizerischen Grenzen und im Innern des Landes» ausgearbeitet,
im Juni 1940 standen drei deutsche Armeen an der Grenze zur Schweiz,
die «Bereinigung» des Falls Schweiz war vorbereitet. Hitler, der die
Schweizer verächtlich als degenerierte Hotelconcièrges bezeichnete,
liess dann doch nicht marschieren und meinte mit Blick auf die Zukunft
der Schweiz: «Das macht mir dann der Dietrich* mit meiner
Leibstandarte».

Deutschland als hässlicher Nachbar machte den Schweizern die
Identitätsfindung durch Abgrenzung einfach. Diese Methode funktioniert
schon lange nicht mehr. Die Schweiz hat es seit Jahrzehnten mit dem
besten Deutschland zu tun, das es je gab, mit einem Land, das fünfzig
Jahre lang bewiesen hat, dass es seine Lektion aus der Geschichte
gelernt hat. Das ist verwirrend - und es kompliziert die
Auseinandersetzung mit Deutschland, der die Deutschschweizer deshalb
am liebsten aus dem Weg gehen. Sie begnügen sich mit der beruhigenden
Feststellung, dass von Deutschland keine Gefahr mehr ausgeht, dass sie
aber die Deutschen irgendwie trotzdem nicht besonders mögen.

Das ist ein Selbstbetrug, vor dem der Basler Theologe Karl Barth
unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches warnte. «Wir
können gar nicht Schweizer sein», schrieb er 1945 seinen
deutschsprachigen Landsleuten ins Stammbuch, «ohne uns schlecht oder
recht gerade mit den Deutschen auseinander zu setzen.»

Diese Auseinandersetzung findet nicht statt - weder recht noch
schlecht. Psychologisch gesehen handelt es sich um einen Fall von
Verdrängung, die das neurotische Verhältnis der Deutschschweizer
gegenüber Deutschland erklärt.

In dieses Erklärungsmuster passt die Angst der Schweizer vor einer
direkten Konfrontation mit Deutschland und den Deutschen, der sie sich
nicht gewachsen fühlen. Während Schweizer Universitäten bei deutschen
Studenten hoch im Kurs stehen, lassen Schweizer Studenten Deutschland
lieber links liegen. Ähnliche Erfahrungen machen auch Schweizer
Unternehmen, die mitunter Mühe haben, Interessenten für ihre
Kaderstellen in Deutschland zu finden.

Das sind typisch schweizerische Konfliktvermeidungsstrategien, die
sich die Willensnation Schweiz in ihrem eigenen Interesse nicht mehr
leisten kann. Denn unabhängig vom Ausgang der Wahlen steht Deutschland
vor einem Paradigmenwechsel, der spätestens in einem Jahr mit dem
Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin beginnen wird.

Mit dem Anfang der Berliner Republik verabschiedet sich das vereinte
Deutschland endgültig von der idyllischen westdeutschen
Nachkriegsgeschichte, die fünfzig Jahre lang das Deutschland-Bild der
Schweizer prägte. In Berlin beginnt ein neues Kapitel deutscher
Geschichte, dessen Verlauf niemand vorhersagen kann, das aber die
Schweiz mit Sicherheit dazu zwingen wird, sich mit der Entwicklung des
neuen Deutschlands ernsthaft auseinander zu setzen.

In Berlin hat die Schweiz die besten Voraussetzungen für eine
intensive Beobachtung des neuen Deutschlands: Die Schweizer Diplomaten
ziehen in die alte Schweizer Botschaft in Berlin ein, die als einzige
ausländische Vertretung im Zentrum des neuen deutschen
Regierungsviertels liegt.


Quelle: FACTS Archiv
http://www.facts.ch


Katharina Bleuer

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Autor: Mitarbeit: Catharina Fingerhuth, Jost auf der Maur, Gaby
Schweizer, thomas Widmer, Urs Zurlinden ++

Geht es um Deutschland, driften Kopf und Bauch der Schweizer
auseinander.

Schweizer sind in Deutschland nicht nur willkommen, sie werden sogar
«positiv diskriminiert.»
Die Schweizer in Deutschland haben eine einzigartige Sonderstellung.
«Sauschwabe» und «Kuhschweizer» haben sich im beidseitigen
Sprachschatz etabliert. Hitler bezeichnete die Schweizer verächtlich
als degenerierte Hotelconcièrges

Wie sympathisch sind Ihnen die Deutschen?
61,6 Prozent aller Deutschschweizer halten in einer Studie des
Institutes Ipso im Auftrag von FACTS die Deutschen für sehr oder
ziemlich sympathisch.

63,8 Prozent der Romands finden die Deutschen sehr oder ziemlich
sympathisch. Die Begeisterung für die Deutschen ist ennet des
Röstigrabens also noch grösser.

Wie Sympathisch sind Ihnen die Nachbarländer?
Die Franzosen sind den Deutschschweizern sympathischer als die
Deutschen: 83,6 finden sie sympathisch.

Den romands sind ihre sprachlich verwandten Nachbarn zu 83,4 Prozent
sehr oder ziemlich sympathisch.

Die Italiener führen die Sympathie-Rangliste an: Deutschschweizer
finden sie zu 90 Prozent sympathisch.

Auch Im welschland stehen die Italiener hoch im Kurs: 85 Prozent
halten sie für sehr oder ziemlich sympathisch.

Würden Sie gerne in Deutschland leben?
Deutschland kann nicht als Traumdestination für Schweizer Auswanderer
bezeichnet werden. Die USA und Frankreich stehen höher im Kurs.

Was denken Sie über die Wiedervereinigung?
von den deutschschweizern sieht nur ein Siebtel das Problem, dass
Deutschland nach der Wiedervereinigung zu stark geworden ist.

von Den romands ist es für mehr als ein Fünftel problematisch, dass
die Wiedervereinigung Deutschland zu stark gemacht haben könnte.

Wie wichtig sind die deutschen Wahlen?
35,4 Prozent der Deutschschweizer halten die Wahlen am Wochenende für
völlig oder eher unwichtig. Nur 14,1 Prozent haben keine Meinung dazu.

32,5 Prozent der Romands halten die Wahlen am Wochende für völlig oder
eher unwichtig. Immerhin fast ein Drittel hat dazu keine Meinung.


Zurück nach bremen, Deutschland: Die Deutsche Eva Roselt hat die
Schweiz wieder verlassen, «weil sie eine hochnäsige Geliebte ist, die
eine Ohrfeige verdient hat!»

im herzen Deutschlands Gäste in der Schweizer Botschaft in Berlin
feiern den Nationalfeiertag der Eidgenossenschaft. Unter ihnen wird
das neue Deutschland gebaut.

chuchi-chäschtli «Wie die Deutschen es auch machen, sie machen es
falsch», sagt der Schweizer Linguist Werner Koller über Deutsche, die
Schweizerdeutsch lernen wollen.

Auf dem (Fussball-) Feld In kollektiven Deutschlandhass verfallen die
Schweizer nur, wenn die Deutschen Fussball spielen. Im WM-Spiel 1938
in Paris schafft die Schweiz einen 4:2-Erfolg gegen Grossdeutschland.

Auf höchster Ebene Ob 1912 der Deutsche Kaiser Wilhelm II. vom
Bundespräsidenten Ludwig Forrer empfangen wurde, oder ob Bundesrat
Flavio Cotti mit Klaus Kinkel 1994 an der Ostsee in Badehosen
herumspaziert: Der Tenor ist freundlich.

Schweizer, die in Deutschland bekannt wurden

Josef Ackermann, 50, Banker

Mit einem Schlag wurde er vor zwei Jahren als Banker mit sozialer
Verantwortung wahrgenommen: Josef «Joe» Ackermann schmiss im Sommer
1996 seinen Job als Chef der Kreditanstalt hin. Er wollte den Umbau
der SKA zur Credit Suisse und damit den Abbau von 5000 Arbeitsplätzen
nicht mittragen. Kurz darauf wechselte der promovierte Ökonom in den
Vorstand der Deutschen Bank. Im Januar wurde er mit der Leitung des
kriselnden Investmentbanking betraut und stieg damit praktisch zur
Nummer zwei der Bank in Frankfurt auf.

Stéphane Chapuisat, 29, Fussballer

Er räumte in Deutschland mit verwirrenden Dribblings und zahlreichen
Toren das Vorurteil weg, Schweizer seien nicht tauglich für die
Bundesliga. In seiner ersten Spielzeit für Borussia Dortmund gelangen
Chapuisat 20 Treffer. Die Bundesligatrainer wählten ihn zum «Spieler
des Saison». Dank dem schüchternen Romand wurden Schweizer Fussballer
in Deutschland begehrte Transferobjekte. Seit dieser Saison muss
Chapuisat in Dortmund erstmals hart um einen Stammplatz kämpfen. Sein
Vertrag läuft noch bis ins Jahr 2000. Ein frühzeitiger Wegzug aus
Dortmund ist aber wahrscheinlich.

Schweizer in Deutschland bestimmen den Kurs

Roger de Weck, 45, Chefredaktor

Mit einem Eclat schmiss der ehemalige Chefredaktor des
«Tages-Anzeigers» im April 1997 den Bettel in Zürich hin und übernahm
die Chefredaktion der renommierten Hamburger Wochenzeitung «Die Zeit».
Dort ist Roger de Weck kein Unbekannter. Bis zu seinem Wechsel nach
Zürich leitete der adlige Bankierssohn das Wirtschaftsressort und galt
als Ziehsohn des «Zeit»-Mitherausgebers und ehemaligen
SPD-Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Wie beim «Tagi» hat de Weck auch
die «Zeit»-Journalisten das Fürchten gelehrt: Mit einer Rosskur will
er das Blatt aus den roten Zahlen bringen, weshalb altgediente
Mitarbeiter über die Klinge springen mussten.

Werner G. Seifert, 49, Börsenchef Frankfurt

Der kleinwüchsige Mann hat sogar unter seinen Mitarbeitern ein
Rambo-Image, obwohl er sie duzt und sich selbst gerne als Teamleader
sieht. Werner G. Seifert, 1949 in Winterthur geboren, schüttelte die
deutsche Börse in den letzten fünf Jahren ohne Rücksicht auf
Traditionen gehörig durch. Der Erfolg gibt dem langjährigen
McKinseyaner und Direktionsmitglied der Schweizer Rück Recht: Diesen
Sommer ging die mächtige Londoner Börse mit der deutschen Börse eine
strategische Partnerschaft ein.

Schweizer in Deutschland sind innovativ und kreativ

Hans KÜNG, 70, Theologe

Der schärfste und prominenteste Kritiker des Vatikans geniesst in
Deutschland hohes Ansehen, CDU-Bundespräsident Roman Herzog empfängt
ihn regelmässig zu theologisch-philosophischen Gesprächen. Die
Karriere des berühmten Schweizers begann 1960 an der Universität
Tübingen, wo er bis vor zwei Jahren ökumenische Theologie lehrte.
Küngs Dauerkonflikt mit Rom begann in den siebziger Jahren, als er das
katholische Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes in Frage stellte. Sein
schärfster Gegner ist bis heute Papst Johannes Paul II., den Küng 1995
als «geistlichen Diktator» qualifizierte, der Stück um Stück die
Reformen des II. Vatikanischen Konzils verrate.

Jean-Rémy von Matt, 45, Werber

Schon mit 19 war es dem ehemaligen Einsiedler Klosterschüler in Zürich
zu eng geworden: Jean-Rémy von Matt zog nach Frankfurt, wo er als
Werbetexter anheuerte. Heute gilt er als Deutschlands kreativster
Werber. Er war Geschäftsführer bei Springer & Jacoby, bevor er vor
sieben Jahren zusammen mit dem Berater Holger Jung in Hamburg Jung v.
Matt gründete. Die Werbeagentur ist inzwischen international
renommiert und beschäftigt 150 Mitarbeiter. Zu den wichtigsten Kunden
gehören Audi, Sixt, «Bild»-Zeitung und Deutsche Bahn.

Schweizer in Deutschland prägen das kulturelle Leben

Pascal Mercier, 54, Schriftsteller

Mit dem Roman «Perlmanns Schweigen» trat vor drei Jahren ein gewisser
Pascal Mercier erstmals als Literat an die Öffentlichkeit. Fragen nach
dem spannenden neuen Autor brachten an den Tag, dass es sich bei
diesem Namen um ein Pseudonym handelt. Erst als dieses Jahr der ebenso
hoch gelobte Zweitling «Der Klavierstimmer» erschien, wurde bekannt,
wer sich dahinter verbirgt: Peter Bieri, 54, aus Bern stammend, ist im
Hauptberuf Professor für Analytische Philosophie und Sprachphilosophie
an der Freien Universität Berlin.

Christoph Marthaler, 47, Regisseur

Mit langsamen, humvorvollen Theaterabenden wie «Murks den Europäer!»
(Berliner Volksbühne, 1993) und «Stunde Null oder die Kunst des
Servierens» (Schauspielhaus Hamburg, 1995) erreichte der Schweizer in
Deutschland Kultstatus. Bevor er in den Achtzigern seine Karriere als
Regisseur begann, arbeitete er als Komponist für Bühnenmusik. Seit
Anfang der neunziger Jahre inszenierte er an führenden Bühnen
Deutschlands und Österreichs. Im Jahr 2000 wird Marthaler als Direktor
des Zürcher Schauspielhauses in die Schweiz zurückkehren.

wirtschaftsbeziehungen
Das Mark der Schweiz ist die Mark
Deutschland entscheidet über das Wohlergehen der Schweiz: Jeder vierte
Export-Franken stammt von jenseits des Rheins.

Über das Schicksal der Schweizer Wirtschaft wird jenseits des Rheins
entschieden. Ihr Erfolg hängt massgeblich vom deutschen Markt ab.
Deutschland ist mit grossem Abstand der wichtigste Beschaffungs- und
Absatzmarkt.

So nimmt die Schweizer Exportindustrie fast jeden vierten Franken
(22,9 Prozent aller Ausfuhren) im nördlichen Nachbarland ein.
Umgekehrt kommt knapp ein Drittel aller Importe (31,9 Prozent) aus
Deutschland - mehr als die Einfuhren der nächstgrösseren
Handelspartner Frankreich, Italien und USA zusammen. Über die Hälfte
des Handelsvolumens umfasst die drei Warengruppen Maschinen, Metalle
und Chemie. Die Schweiz liefert zudem Uhren und Präzisionsinstrumente
und kauft von Deutschland Fahrzeuge.

Während die hiesige Exportindustrie ohne Deutschland kaum lebensfähig
wäre, ist die Schweiz für die deutsche Wirtschaft viel weniger
wichtig. Sie belegte 1997 nur den achten Platz als Bestimmungsland
deutscher Güter und bloss den neunten Platz als Lieferantin. Der
Anteil der deutschen Exporte nimmt seit Jahren ab.

Die deutsche Wirtschaft richtet sich immer stärker auf Osteuropa aus,
wo eine neue Generation von Handelspartnern herangewachsen ist. So
exportieren deutsche Unternehmen fast so viel nach Polen und
Tschechien zusammen wie in die Schweiz. Gleichzeitig haben sich seit
der Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes 1993 die Beziehungen
unter den EU-Staaten intensiviert. Die Schweiz steht abseits.

Ein Schwergewicht ist die schweizerische Wirtschaft dafür bei den
Direktinvestitionen: 28,22 Milliarden Mark hat sie bis Ende 1995 in
Deutschland investiert und ist damit nach den USA und Holland der
drittgrösste Investor. Vor allem im Osten Deutschlands sind Schweizer
Unternehmen aktiv. Sie kauften so viele ehemalige volkseigene Betriebe
auf wie kein anderes Land, insgesamt 139 an der Zahl.

++ Deutsche auf Einkaufstour

Auch die spektakulärste Firmenübernahme der letzten Zeit geht aufs
Konto der Schweizer. Roche kaufte 1997 Boehringer Mannheim - für rund
15 Milliarden Franken. Ein Deal gegen den Trend: In den letzten fünf
Jahren waren eher deutsche Unternehmen auf Einkaufstour: 1996 ging der
Industriebereich der Elektrowatt an Siemens und der Wärmetechniker
Elco Looser an Preussag. Hero wurde 1995 von Schwartau übernommen. Und
die Elvia Versicherungs-Gruppe wurde 1994 an den Allianz-Konzern
verkauft.

Katharina Bleuer

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to

Autor: daniel Ammann ++
Nicht nur Bierschwemme

Die Schweiz hat Deutschland angezapft: Ein Drittel aller Importe kommt
aus Deutschland.

wichtigster handelspartner

Schweizer kauften 1997 für 30,2 Milliarden Franken Güter in
Deutschland und setzten dort Waren im Wert von 22,4 Milliarden Franken
ab.

Deutsch und schweizerdeutsch
Niemals Marmelade aufs Brot
Ob es «Kunfi» oder «Gonfi» heisst, lernen Deutsche in der Schweiz in
speziellen Kursen.

Die Tonbandstimme des Migros- «Schwyzertüütsch»-Kurses stellt sich
vor: «Grüezi, min Namen isch Rosmarie Chäller.» Kein Problem. Dann
wirds schwieriger. Wenn sie arbeitet, «schafft» sie dann «uf ere bank»
oder «bin ere bank»? Die Kursteilnehmer hirnen, und wenn Rosmarie
Chäller erzählt, «S Seefäld isch e glatts Quartier», liegt es für die
Kursteilnehmer nahe, dass hier von vereisten Strassen die Rede ist.

Schwyzertüütsch ist für Deutsche eine Fremdsprache. «Ich verstehe
manchmal gar nix», sagt Barbara Gähler-Seufert, 30, seit gut einem
Jahr in der Schweiz mit einem Schweizer verheiratet. Dann übersetzt
sie in Mundart: «Ich verstah nöd», und schon liegt sie daneben und
korrigiert: «Ich verstah nüt», deshalb ist sie ja hier und lernt, dass
«hier» bei uns «da» heisst und «dort» «dete», dass «de Ueli» auch «der
Ueli» sein kann, dass «ich ässä nöd» nicht dasselbe bedeutet wie «ich
ässä nüt», dass «noime» nicht «nirgend», sondern «irgendwo» heisst,
dass «nur en Nagel» korrekt, «numen en Nagel» aber besser klingt.

++ Hoi und heu

Mit der Zeit kriegt man es hin, auch mit den vielen ü, die es zu üben
gilt. Das Feuer wird zum «Füür», das Steuer zu «Stüür» und «in diesem
Jahr» leicht nostalgisch zu «hüür». Getrocknetes Gras heisst aber auch
bei uns «Heu» und bedeutet dasselbe wie «sali».

Die Lehrerin nimmt die Plastikuhr «füre», wobei sie diese nicht in
Flammen stecken, sondern nur die beiden Zeiger richten will. Und die
Schüler repetieren: Es ist «vieri», «füfi» oder «zäh ab sächsi». Ganz
anders als zur Mittagszeit, wo sich jeder merken muss: «Wenn s eis und
drü isch gsi, ghört am Schluss keis i me hi». So winzig und so wichtig
sind die Differenzen. Das berühmte «ch» bei «ich chume» kann noch so
perfekt sein, wenn nachher folgt «um achti», hat ein einziger Vokal
den Deutschen entlarvt.

In der Schweiz kocht man keinen «Reis», denn es heisst wohl «Riis».
Warum der aber «zuebereitet» und nicht «beriitet» wird, ist den
Kursteilnehmern unklar, bei «weit», «klein», «fein» und «dein» soll ja
auch kein «e» mehr sein, genau wie bei der «Zeitung», die in Mundart
das gleiche heisst wie pünktlich. Sie wird bei uns gelesen nicht zum
«Früestück» sondern zum «Zmorge», dazu gibts «Kunfi» oder «Gonfi» - je
nach kantonaler Lage - aber ganz bestimmt keine Marmelade.

Die Lehrerin schiebt ein Video ein. Anhand praktischer Szenen aus dem
Alltag lässt sich unsere Sprache besser lernen. «Das isch min Maa»,
stellt am Bildschirm die Frau den Gatten vor, denn «min Gatte» ist uns
fremd, und «Gatter» kommt auch nicht in Frage. Sagt die Frau vom Video
«gäll», spult die Lehrerin den Film nicht «rückwärz», sondern
«hinderzi» und sagt, dass mit «gällezi» wir Schweizer noch eine
Sie-Form von «gell» besitzen. Dann ist die Zeit des Kurses um. Es
folgt der letzte «schwyzertüütsche» Satz: «Tschau Schpatz.»


Autor: SABINE WINDLIN ++
«Tschau Schpatz»

Die Deutsche Barbara Gähler-Seufert lernt in einem Kurs, dass es
«hinderzi» heisst - wie es im Lehrbuch steht.

«Die Schlümpfe Europas»
Der Schweizer in Deutschland und der Deutsche in der Schweiz: Ein
ausgesprochener Kulturschock.

Katharina Bleuer

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to

Autor: Interview: Catharina Fingerhuth und Thomas Widmer
Facts: Herr Schindhelm, wir Schweizer sind verklemmte, spiessige,
konfliktunfähige Langweiler. Wie halten Sie das bloss aus mit uns?

Michael Schindhelm: Typisch schweizerisch, diese narzisstische Frage.
Sie wollen doch nur hören, dass das alles gar nicht zutrifft.

Facts: Trifft es denn zu?

Schindhelm: Ich erlebe die Schweiz als ein angenehmes Land und lebe
hier mit einer sarkastischen Sentimentalität.

Facts: Was macht Sie sentimental?

Schindhelm: In der Schweiz hat mich meine Vergangenheit eingeholt.
Viele Dinge erinnern mich an die geschlossene Gesellschaft der DDR.

Facts: Ah, ja? Was denn?

Schindhelm: Meine Töchter brachten in Basel aus der Schule Episteln
nach Hause, die mich im Tonfall an meine Schulzeit in der DDR
erinnerten. Oder gehen Sie einmal in einen Polizeiposten - allein das
Interieur! Parallel zu unseren Stasi-Affären hatte die Schweiz sogar
ihre Fichen-Affäre.

Facts: Herr Huonder, sehen Sie die Parallele Schweiz-DDR auch?

Silvio Huonder: Mit den Deutschen der DDR verbindet mich eine
eigenartige Intimität im Umgang, die ich gegenüber Westdeutschen nicht
so stark empfinde.

Facts: Die Westdeutschen gelten den Schweizern als schnodderige,
oberflächliche, prahlsüchtige Machtmenschen. Wie halten Sie das bloss
aus in Berlin?

Huonder: Als Jugendlicher hatte ich das klassische Klischee im Kopf:
Die «Schwaben» waren schuld am Krieg und fuhren wenige Jahre später
mit ihren dicken Wagen über unsere Bergstrassen. Ich empfand Neid,
Respekt, Ehrfurcht, sogar Antipathie denen gegenüber, die sich so
lauthals und locker der Hochsprache bedienten. Seit ich in Deutschland
lebe, hat sich das aber völlig verloren.

Facts: Herr Schindhelm, müssen Sie als Deutscher in Basel leiden?

Schindhelm: Ich habe nach 1989 erlebt, wie die Westdeutschen in den
Osten «einfielen» und den Ostdeutschen zeigten, wos langgeht. Auf
dieselbe Art bin ich in Basel eingefallen: Ich habe das klassische
Ballett abgeschafft, ziemlich viele Leute rausgeschmissen und mich mit
den Zuschauern angelegt. Und plötzlich erkannte ich mein Feindbild von
den Westdeutschen in mir wieder.

Facts: Wie begegnet man Ihnen hier?

Schindhelm: Wenn ich etwas über den Basler «Daig» sage, regt das die
Leute noch immer auf. Kritik hören sie ungern von jemandem von aussen.
Als Theaterdirektor bin ich auch eine Art Grüssmaschine. Ich werde
erkannt, wo immer ich mich bewege. Mit der Zeit habe ich
Tarnmechanismen entwickelt. In Berlin dagegen ist totale Anonymität
möglich. Selbst für Leute wie Thomas Gottschalk.

Huonder: Das ist der wichtigste Grund, warum ich in Berlin lebe. Wenn
ich mir vorstelle, ich müsste in der Kleinstadt Chur, in der meine
Bücher spielen und wo ich auf der Strasse jeden Zweiten kenne,
einkaufen gehen - unangenehm.

Facts: Nimmt man Sie in Berlin als Schweizer wahr?

Huonder: Für meine deutschen Bekannten ist das kein Thema. Und wenn
ich einmal als Vorzeige-Schweizer eingeladen bin, etwa zum Dîner im
Gästehaus des Berliner Senats, dann stört es mich nur, falls von mir
die Rolle des skurrilen und netten Schweizers erwartet wird.

Facts: Wie reagieren Sie auf diese Erwartungshaltung?

Huonder: Indem ich nicht so höflich grinse wie viele Schweizer,
sondern versuche, besonders unfreundlich zu sein.

Facts: Herr Schindhelm, könnten Sie sich vorstellen, immer in Basel zu
leben?

Schindhelm: Diese Kleinstadt ist schön, aber ich bleibe hier nicht für
immer. Ich habe seit meinem siebzehnten Lebensjahr in grösseren
Städten gelebt. Das prägt.

Huonder: Ich empfinde den Unterschied zwischen Kleinstadt- und
Grossstadtkultur viel stärker als den zwischen der Schweiz und
Deutschland. Berlin ist ein ganz spezieller Fall, weil es dort so
viele brachliegende Gegenden gibt, wo sich Nischen entwickeln. Die
findet man in der Schweiz nirgendwo mehr.

Schindhelm: Solche Nischen existieren doch in der Schweiz auch. Im
Bereich Theater gibts Leute, die fummeln Jahrzehnte vor sich hin, dann
geht plötzlich der Vorhang auf - und ein Christoph Marthaler steht da
als ein europäisches Phänomen. In Deutschland wird man aus der
Offszene sofort an die Öffentlichkeit gezerrt und landet zwei Jahre
später wieder bei den Ladenhütern. Auch in Basel gibt es Nischen: die
Mischung aus Uringestank, Marronigeruch und Akkordeonklängen -
beginnender Balkan in der Bahnhofsunterführung. Auf deutschen
Bahnhöfen finden Sie das längst nicht mehr. Höchstens noch in Berlin.

Huonder: Wenn man einen x-beliebigen Bahnhof in Deutschland neben
Basel stellt, ist hier doch alles viel sauberer.

Schindhelm: Ich gehe gern einmal mit Ihnen an den Basler Bahnhof!

Facts: Die Beamten dort können aber ziemlich penibel sein.

Schindhelm: Der Schweizer Beamte wirkt kurios. Selbst seine
Bösartigkeit, die Dürrenmatt beschrieb, hat etwas Defensives. In
Deutschland dagegen ist die Kontrolliertheit aggressiv. Hinter dem
deutschen Beamten scheint immer noch das Dritte Reich, mindestens aber
das Preussentum durch.

Facts: Welche Erfahrungen haben Sie mit «preussischen» Beamten
gemacht?

Huonder: Zur Wende war es für Ausländer, die um Aufenthaltsbewilligung
ansuchten, extrem schwierig. Ich bin einmal morgens um vier
aufgestanden, damit ich an diesem Tag an die Reihe käme, bin bis
mittags angestanden, um dann vor einem Beamten zu stehen, der nur
schnodderig gesagt hat: Sie sind hier völlig falsch.

Schindhelm: Sie leben aber auch in der arrogantesten und aggressivsten
Stadt Deutschlands. Das spiegelt sich schon in der Sprache. Das
Berlinerische hat eine besondere Mischung aus Beweglichkeit,
Schnelligkeit und Aggressivität. Jeder, der es nicht spricht, ist
sowieso draussen.

Facts: Herr Huonder, mögen die Berliner nun die Schweizer oder nicht?

Huonder: Die Schweizer sind die Schlümpfe Europas: niedlich, aber
nicht ganz ernst zu nehmen. Wenn ich in Berlin mit meinen Kindern
U-Bahn fahre und wir natürlich auch dort Schweizerdeutsch reden,
fallen wir sofort als Fremde auf. Der Berliner ahnt, dass es auch
Deutsch ist, was wir hier sprechen, kann aber kaum ein Wort verstehen.


Facts: Herr Schindhelm, wie kommen Sie in Basel mit der Sprache
zurecht?

Schindhelm: Schweizerdeutsch ist für mich eine Fremdsprache. Lernen
würde ich es nicht, weil ich es für phonetisch ungesund halte, mir und
anderen das zuzumuten. Meine zehnjährige Tochter dagegen hat es
innerhalb kürzester Zeit gelernt. Nach zwei Monaten konnte sie die
Bremer Stadtmusikanten bereits in bestem Baseldeutsch vortragen. Ich
mag Schweizerdeutsch. Ich finde diese Sprache nicht nur skurril,
sondern zum Teil auch erfrischend böse.

Facts: Und wie klappt es mit der Verständigung?

Schindhelm: Die Schweizer fragen mich immer, ob sie Hochdeutsch mit
mir sprechen sollen. Ich sage jeweils Nein. Dann sprechen sie zwei
Sätze Schweizerdeutsch, und im dritten Satz stellen sie wieder um auf
Hochdeutsch. Nur die Beinharten halten das Schweizerdeutsche durch.
Der Hausmeister des Theaters hat mit mir noch keinen einzigen Satz
Hochdeutsch gesprochen. Das bewundere ich.

Facts: Was ist für Sie Heimat?

Huonder: Einen Ersatz für das, was ich der Schweiz gegenüber empfinde,
habe ich in Deutschland nicht gefunden, dafür einen Zustand, der das
nicht mehr nötig macht. Heimat ist der Ort, der einem ein
sinnerfülltes Leben ermöglicht.

Facts: Und wo ist Ihre Heimat?

Schindhelm: Meine Heimat gibt es zwar rein geografisch noch, aber sie
ist untergegangen. Ich kann also gar nicht mehr dorthin zurück. Und
nach Deutschland zieht es mich im Augenblick nicht.

Facts: Versprechen Sie sich nichts von den bevorstehenden deutschen
Wahlen?

Schindhelm: Ich glaube nicht daran, dass der absehbare Wechsel von
Kohl woanders hin wirklich eine längerfristige Veränderung bringen
wird.

Facts: Herr Huonder, was treibt Sie mehr um? Die Nazigold-Affäre in
der Schweiz oder die Bundestagswahl?

Huonder: Beides beschäftigt mich auf verschiedene Weise. Die
politischen Vorgänge in Deutschland betreffen meine Arbeit, etwa wenn
im kulturellen Bereich gespart wird und Theater geschlossen werden.
Das ist aber weniger emotional befrachtet. Bei Schweizer Themen fühle
ich mich mehr involviert. Da will ich dann plötzlich die Schweiz
verteidigen.

Facts: Wie sehen Sie die Zukunft der Schweiz?

Huonder: Deutschland hat seit 1989 eine grosse Wende hinter sich. Der
Schweiz steht so etwas noch bevor. Sie muss sich als Staat in Europa
neu definieren.

Facts: Sie würden also Ja zu einem EU-Beitritt sagen?

Huonder: Ja.

Schindhelm: Aus einem Instinkt heraus würde ich zunächst einmal davon
abraten. Diejenigen, die die EU gebastelt haben, sind nicht unbedingt
diejenigen, denen ich politisch sehr weit traue. Europa ist im
Übergang, wohl zu einer eigenen Isolation. Dieser Zustand ist
instabil, für die EU wie für die Schweiz.

Der Schriftsteller Silvio Huonder und der Theaterdirektor

Michael Schindhelm haben die geografischen Seiten gewechselt.

«Lernen würde ich Schweizerdeutsch nicht, weil ich

es für phonetisch ungesund halte.» Michael Schindhelm

«Die Schweiz muss sich als Staat in Europa

neu definieren.» Silvio Huonder

der schweizer Silvio Huonder
++ In Berlin

Silvio Huonder, 44, Schweizer Autor, lebt mit seiner Familie in
Berlin. In Graz absolvierte der gebürtige Churer ein Studium als
Bühnenbildner, lebte danach im Ruhrgebiet und in Hamburg. In Berlin
besuchte er Schreibkurse bei Heiner Müller und Tankred Dorst. Huonder
arbeitet als Theater- und Hörspielautor. Mit seinem Romandebüt
«Adalina» machte er 1997 Furore. Sein zweiter Roman «Übungsheft der
Liebe» ist im August bei S. Fischer erschienen.

der deutsche michael Schindhelm
++ In Basel

Michael Schindhelm, 37, künstlerischer Direktor des Theater Basel,
lebt seit 1996 mit seiner Familie in der Schweiz und in Italien.

Schindhelm wuchs in der DDR auf und ging als 18-Jähriger nach
Russland, wo er Quantenchemie studierte. Zurück in der DDR, arbeitete
Schindhelm an der Akademie der Wissenschaften, später als Übersetzer,
Autor und Theatermacher in Ostberlin. Von 1992 bis 1996 war er
Theaterdirektor in Gera.

Katharina Bleuer

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Hi Florian,
Weisst Du was schoen ist? Dass man sich unter Wissenschaftlern auch
mal
"streiten" kann, ohne dass es gleich in Flames ausartet.

[wo ich mit dir einverstanden bin, habe ich rausgeschnitten]

> Besonders schön sind die lokalen Schimpfwörter!

Au ja! Wenn Du sie finden kannst, luge Dir mal die alten
Gotthelf-Filme in Originalfassung an. Dort benutzen sie
Schimpfwoerter, die es gar nicht mehr gibt...

[...]

> > Sorry, aber DAS Schwyzerduetsch gibt es nicht! Es gibt Buecher,
die in
> > Mundart geschrieben wurden, aber sogar in denen kann man anhand
der
> > "Grammatik" und der "Rechtschreibung" herausfinden, wo die
Autorin,
> > der Autor, aufgewachsen ist!
> Ja, wovon reden denn dann die ganzen CH-Patrioten? Das es eine
> schöne Idee sei, eine Einheitssprache zu konzipieren, daß es aber
> leider nicht geht? Aber die anderen müssen es drauf haben..

Was hat denn eine Muttersprache mit Patr-idiotie zu tun?

> Soll heißen: die alemannische Sprachgruppe endet nicht am
> EG-Schlagbaum, nur weil die Dialektgruppe "Schyzerdütsch" postuliert
> wird.
> Unis untersuchen doch sicher den lebenden alemannischen Sprachraum
> und seine Dialekte, vielleicht Basel oder Freiburg/Breisgau?

Die Dialektgruppe "Schwyzerduetsch" hat natuerlich einen fliessenden
Uebergang zu den erwaehnten Sueddeutschen Dialekten. Aber auch ohne
proklamierte Hochsprache haben die schweizer Dialekte offensichtlich
einige Gemeinsamkeiten, welche sie im Allgemeinen von anderen
deutschen Dialekten unterscheidet (in der Syntax, "Grammatik",... die
ja auch ohne geschriebene Hochsprache auskommen).

Wann ist eine Sprache eine Sprache? Wenn sie geschrieben wird?

> Hoffe, daß stieß nicht zuu sauer auf, das kam wg. Mittelhochdeutsch
> - das ist so weit weg wie die Kreuzzüge. Auch für die Schweiz.

Hier ein Vergleich zwischen
Spaetmittelhochdeutsch/Fruehneuhochdeutsch, Zueriduetsch und
Hochdeutsch
http://www.iwaynet.net/~watts/deutsch/mhdtoch.htm

[...]

> > In der Schweiz gaben 1990 64.4% der DeutschschweizerInnen
> > an, dass sie kein Hochdeutsch sprechen (Quelle: Bundesamt fuer
> > Statistik, Volkszaehlung 1990). Wieviele sind es in Deutschland?
(ich
> > frage aus Neugierde).
>
> Ich habe keine Zahlen parat. Sehen wir mal von den vielen Städtern
> ab, die keinen Dialekt mehr sprichen: dann spricht (ex
> dünnbesiedelten, ländlichen Gegenden, zB schwäbische Alb) so
> ziemlich jeder hochdeutsch (mit oder ohne Färbung), wenn man unter
> sich ist, hochdeutsch mit dialektaler Färbung und Regionalbegriffen
> (das versteht die Öffentlichkeit heute unter "Dialekt").

Schweizerdeutsch ist aber nicht _hochdeutsch mit dialektaler Faerbung
und Regionalbegriffen_, da es ueber eine sich vom Hochdeutschen
unterscheidende Syntax und grammatische Eigenheiten verfuegt (gerade
gewisse grammatikalische Eigenheiten koennen sich aber regional wieder
unterscheiden... so z.B. das Berndeutsche "Euch" fuer die zweite
Person plural)

[schnipp]

> Ja? Aber warum geben sich die Deutschschweizer dann nicht damit
> zufrieden, daß die anderen Auchschweizer ein eingeschweizertes
> Hochdeutsch, wie Du es oben nennst, sprechen?

Es hindert sie niemand daran! Schwierig wird es erst im sozialen
Leben, wenn also z.B. ein Romand in der D-Schweiz lebt und am Abend in
die Beiz (Restaurant) geht. Die Leute dort reden natuerlich so, wie
ihnen der Schnabel gewachsen ist. Da Hochdeutsch fuer viele eine
Fremdsprache ist, fallen sie frueher oder spaeter wieder in ihre
Muttersprache zurueck, nachdem sie am Anfang den Effort gemacht haben
und _richtiges_ Deutsch gesprochen haben.

[Diskurs ueber Verstaendigungsprobleme zwischen den vier Schweizer
Landessprachen]

> > >Sonst unterstellt man ihnen "Verachtung" von - na
> > >ja,irgendwelchen patriotischen Prinzipien.
> Das bezog sich darauf, warum man auch die anderen zwingt, einen
> Dialekt zu lernen.

Es wird niemand gezwungen! Da aber die Kinder untereinander Mundart
sprechen, lernen die Kinder von Romands in der D-Schweiz automatisch
auch Mundart. Hochdeutsch wird erst ab der ersten Klasse unterrichtet.

> Ist doch ein Unterschied, ob ich eine übliche *Hochsprache* lernen
> muß, oder einen Dialekt, dessen Hochsprache ich doch bereits an der
> Schule gelernt habe, und der zB in der Verwaltung doch ausreichen
sollte?

In der Verwaltung (Bund) werden 3 Sprachen offiziell gesprochen. Jede
Person, die in dort arbeitet, kann sich in ihrer eigenen Muttersprache
ausdruecken. Wer in der Verwaltung (Bund) eine Stelle bekommen
moechte, muss mindestens 2 Landessprachen beherrschen (also seine
eigene + eine Zuesaetzliche). Gesetzestexte werden jeweils in 3
Landessprachen uebersetzt (D, F, I).

Bei den Kantonen ist es anders: im Prinzip sind Kantone einsprachig.
Ich kann also im Kanton Neuchatel keine deutschen Formulare verlangen.
Dabei gibt es drei Ausnahmen: Bern, Fribourg und Wallis. In diesen
drei offiziell zweisprachigen Kantonen koennen die Buergerinnen
Formulare usw. in einer der beiden offiziellen Sprachen verlangen
(also D oder F) und sie koennen mit der Verwaltung in einer der beiden
Sprachen kommunizieren.

Du kannst Dir die Schweiz wie ein Mini-Europa vorstellen (nur ohne
Grenzen): ein Franzose, der nach Muenchen zieht, wird am Anfang auch
Muehe haben, die Leute dort zu verstehen, sogar wenn er Deutsch
gelernt hat. Und der Deutsche, der nach Marseille zieht, wird sein
blaues Wunder erleben, denn sein Schulfranzoesisch wird ihm dort nicht
viel helfen (auch dann, wenn die Leute dort ruecksichtsvollerweise auf
_Argot_ verzichten und Franzoesisch sprechen).

> Nur mal zum Vergleich: zwingt man zB in Neuchatel einen zugezogenen
> Holländer aus Toulouse, den Jurassien Dialekt von Neuchatel zu
> lernen? Oder reicht auch sein Schulfranzösisch?

Der Unterschied zwischen dem schweizereischen Franzoesisch und
richtigem Franzoesisch ist wesentlich kleiner, da die Menschen hier
Hochfranzoesisch mit regionaler Faerbung sprechen. Die Patois (= alte
franzoesische Dialekte) sind praktisch ausgestorben. Die paar
typischen Helvetismen (z.b. huitante anstatt quatre-vingt und nonante
anstatt quatre-vingt-dix) sind schnell gelernt und fuer einen
Deutschen sowieso logischer, als die korrekten franzoesischen
Bezeichnungen.

> Und einen Franzosen
> aus mW Toulouse wird man doch auch nicht zum Jurassien Dialekt
zwingen.

Nein, sicher nicht, da 1. der Patois Jurassien praktisch ausgestorben
ist und 2. die Muttersprache der Menschen nicht allzu weit von seiner
Muttersprache entfernt ist! Du meine Guete, Schweizerdeutsch ist von
Hochdeutsch weiter entfernt, als Daenisch von Norwegisch - und doch
kaeme es niemandem in den Sinn, die beiden als ein- und dieselbe
Sprache zu bezeichnen, oder?

[...]


> Na, ich weiß ja nicht, welche Färbung das Deutsche hat, daß die
> Deutschlehrer im Jura drauf habe und an die Jurassiens vermitteln.

Das kommt darauf an, wo sie ihren Sprachaufenthalt gemacht haben. Wenn
dies in der D-Schweiz war, besteht eine gewisse Chance, dass sie
Hochdeutsch mit Schweizer Akzent sprechen.

Hier noch ein Link zur Problematik:
http://gewi.kfunigraz.ac.at/~muhr/oedt/schwyzrd.html


Ein d-schweizer Saenger mit wunderbaren Texten, die in Hochdeutsch all
ihren Reiz verlieren wuerden:
Mani Matter
http://www.geocities.com/SunsetStrip/Club/6166/mm/mm.html

Und hier etwas zum Vokabular (lustig):
http://www.datacomm.ch/heeb/dialect/index.html

Liebe Gruesse aus der Minderheitskomplexgeladenen Schweiz
(schliesslich ist die Sprache das Einzige, was uns von den _boesen_
Deutschen unterscheidet, so lasst uns doch die Freude)

Katharina

Michael Pronay

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Hans Bolte schrieb

>
>Michael Pronay wrote:
>
>> Hans Bolte schrieb
>
>> >... Aehnlich ist es mit Deutschland und Oestereich, die
>> >man zusammen auch (oder nur) als Grossdeutschland bezeichnet.
>
>> Offenbar hat diesem Schwachsinn bisher noch niemand energisch
>> genug widersprochen. Sei so freundlich und lass Dir gesagt
>
>"Schwachsinn" ist bei Dir wohl ein Synonym von "politisch
>inkorrekt im Pronayschen Sinne".

Nein. Schwachsinn ist Schwachsinn.

>> sein, daß diesen Standpunkt außer ein paar ewigbraunen
>> Tiefgestrigen tatsächlich kein Mensch mehr ernsthaft
>> vertritt.
>
>Es gibt den Begriff, egal ob ihn jemand vertritt.

Stringenz der Argumentation ist Deine Stärke nicht. Oben
behauptest Du, dass "man Österreich und Deutschland als
Großdeutschland bezeichnet". Darauf hingewiesen, dass dies
lediglich tiefbraune Rülpser zu tun pflegen, wird er
plötzlich Großdeutschland zu einem offenbar rein
theoretischen Begriff, unabhängig von der tatsächlichen
Verwendung. Oh nein mein bester, freilich gibt's den
Begriff - aber eben nur in einschlägigen Caca-dauphin-
Kreisen.

Aber auch Dein versuchter Rückzieher wird zu einem klassischen
Selbstfaller: "Großdeutschland" ist nämlich auch für das
gedankliche Konstrukt des 19. Jahrhunderts nicht gebräuchlich
- das hieß nämlich "großdeutsche Lösung" (im Gegensatz zur
"kleindeutschen Lösung"). Mit "Großdeutschland" ist
ausschließlich das Deutschland der Zeit 1938/39 bis 1945
gemeint.

Im übrigen: Österreich war in seiner gesamten Geschichte
ganze sieben Jahre deutsch. Der Kanton (vormals Grafschaft)
Neuenburg etwa 650 Jahre.

Such Dir doch passendere Gebiete für Deine Phantastereien.

M-.


Gerrit Bigalski

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
On Mon, 20 Sep 1999 21:01:16 +0200 Hans Bolte
<042827...@t-online.de> wrote:

>Gerrit Bigalski wrote:
>> Hans Bolte wrote:
>
>> >Es gibt Britain (UK
>> >ohne Nordirland) und Great Britain (UK mit Nordirland).
>
>> Schön wär's, wenn's so schön wär; leider umfaßt Great Britain aber
>> *nicht* Nordirland (daher der offizielle Titel United Kingdom of Great
>> Britain and Northern Ireland), d. h. im Grunde dasselbe wie Britain.
>
>"Britain" ist das selbe wie "Great Britain"?

Im heutigen Sprachgebrauch (s. u.): ja.

>Ich gebe zu, dass ich mir
>in der Angelegenheit hoechst unsicher bin, aber so hat mir mein
>Englischlehrer das damals ganz sicher nicht erklaert

Ähm - wie soll ich sagen - nicht alles was Englischlehrer erklären
ist auch so ... ;-)

>und Sinn macht es
>auch nicht.

Wenn man den richtigen Hintergrund kennt, schon: Bis in die frühe
Neuzeit hinein wurde im Englischen sprachlich nicht unterschieden
zwischen Britannien und Bretagne, d. h. für beide wurden die gleichen
oder sehr ähnlich geschriebene Namen verwendet. Wenn man unterscheiden
wollte, sagte man zu der Insel Great Britain (bzw. die jeweilige
damalige Sprachvariante) im Unterschied zu Britain / Little Britain /
Britain the less.

Als der allgemein unbescheidene Jakob VI. König von Schottland 1603
auch König von England wurde, ließ er sich 1604 zum "King of Great
Britain, France and Ireland" proklamieren; bei der Union 1707 wurde
dann Great Britain der offizielle Name der vereinigten Königreiche
England und Schottland. Für "England" und "Schottland" wurde dann
offiziell auch "South Britain" und "North Britain" verwendet.

1801 wurde dann auch die Union mit Irland vollzogen, allerdings hieß
der neue Staat dann "United Kingdom of Great Britain and Ireland",
Irland wurde also nicht in den Begriff "Great Britain" mit einbezogen.
1921 wurde das dann aus gegebenem Anlaß zu "... Great Britain and
Northern Ireland" geändert.

Die Bretagne wird heute im Englischen "Brittany" oder "Bretagne"
genannt; das präzisierende "Great" für "Great Britain" ist also heute
eigentlich überflüssig, wird aber aus Tradition beibehalten - und
klingt ja auch gut, wenn man sich gleich als "great" bezeichnet. ;-)

Es gab auch noch den inoffiziellen Begriff "Greater Britain" für das
UK einschließlich Kolonialreich etc., populär wohl durch Dilkes
Buchtitel "Greater Britain: Travels 1866-67" (1868). Ob der noch 'im
Umlauf' ist, weiß ich nicht.

>Aber belassen wir es dabei, es kann uns egal sein wie die
>Queen ihre Reiche bezeichnet.
>

>> >Aehnlich ist es
>> >mit Deutschland und Oestereich, die man zusammen auch (oder nur) als
>> >Grossdeutschland bezeichnet.
>

>> Klingt ja in der Theorie ganz nett, aber "Großdeutschland" ist wohl
>> doch etwas zu nahe am "Großdeutschen Reich" als daß man es problemlos
>> verwenden könnte.
>
>Wieso?

Findest Du nicht, daß sich die beiden Namen sehr ähneln und für
Synonyme gehalten werden könnten? Und "Großdeutsches Reich" ist als
offizielle (Neben-?) Bezeichnung des nationalsozialistisch
beherrschten deutschen Staates 1938-1945 ein Begriff, der die
'Erblast' der 'übleren' Hälfte dieses Regimes (mit verschärfter
Judenverfolgung / -vernichtung, diversen anderen Völkermorden,
Euthanasie, Krieg etc.) mit sich herumschleppt.

Und wozu braucht man überhaupt einen Begriff für "Deutschland und
Österreich"? Ein Begriff für den gesamten 'deutschen Sprachraum' in
Europa (also inkl. Deutsch-Schweiz, Süd-Tirol u. Eupen-Malmedy) wäre
ja vielleicht aus technischen Gründen noch ganz praktisch, etwas wenn
man Service für mehrere Sprachen anbietet und etwa ein Sprach-
'Default' nach Adresse vorgeben will. Aber dafür "Großdeutschland"?
Und "Großfrankreich" für Frankreich, Westschweiz und Wallonien? Und
"Großitalien" für ...

Nein, ich glaub' nicht.

Gerrit

Gerrit Bigalski

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
On Mon, 20 Sep 1999 16:13:48 +0200 Florian Eichhorn
<florian....@main-rheiner.de> wrote:

[...]

>Katharina Bleuer wrote:

[...]

>> Die NeuenburgerInnen sprechen von 1848 - damals fand die "Revolution"
>> statt und im letzten Jahr feierten wir hier 150 Jahre Révolution
>> Neuchâteloise. Was hat es also mit 1857 auf sich? (vielleicht neues
>> Topic?)
>
>1) Mai-Nov. 1847 war doch wohl der Sonderbundskrieg, der Sept. 1848
>in einer neuen, modernen Verfassung resultierte. 1848 war
>allgemeines Revolutionsjahr in Europa, vielleicht gab es da noch
>etwas in Neuenburg.

Gab es: Die Neuenburger beendeten faktisch die preußische Herrschaft
in ihrem Land. Preußen erkannte das nicht an, konnte den alten Zustand
aber auch nicht wieder herstellen, mußte sich 1852 im 2. Londoner
Protokoll sogar dazu verpflichten, seine Herrschaft nicht gewaltsam
wieder herzustellen.

[...]

>2) 1857 endeten nach einem Vertrag mit Preußen die preußischen
>Sonderrechte im ehemaligen Fsm. Neuenburg.

Als Ergebnis des Neuenburger Konflikts: 1856 gab es einen
royalistischen Putsch-Versuch in Neuenburg, der völlig scheiterte;
zahlreiche Royalisten wurden verhaftet. Preußen verlangte ihre
Freilassung, brach schließlich die politischen Beziehungen zur Schweiz
ab und beide Seiten machten mobil. Die Großmächte erzwangen allerdings
eine friedliche Beilegung: Die Royalisten wurden freigelassen, Preußen
mußte endgültig auf seine Rechte in Neuenburg verzichten.

[...]

Gerrit

Gerrit Bigalski

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
On Tue, 21 Sep 1999 11:14:20 +0200 "Katharina Bleuer"
<kbl...@dplanet.ch> wrote:

[...]

>Du meine Guete, Schweizerdeutsch ist von
>Hochdeutsch weiter entfernt, als Daenisch von Norwegisch - und doch
>kaeme es niemandem in den Sinn, die beiden als ein- und dieselbe
>Sprache zu bezeichnen, oder?

Dänisch und Norwegisch als dieselbe Sprache? Oh, doch, bokmål schon,
deshalb wird seit der Trennung von Dänemark ja landmål / nynorsk so
gepuscht - man will nicht mehr "dänisch" sprechen in Norwegen.

Dänisch und bokmål sind sich aber in der Schrift ähnlicher als in der
Aussprache; man sagt auch, bokmål sei Dänisch mit schwedischer
Aussprache. Die dänische Aussprache läßt die übrigen Skandinavier
übrigens gerne spotten, Dänisch sei keine Sprache sondern eine
Halskrankheit. ;-)

[...]

Gerrit

Juergen Grosse

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Katharina Bleuer schrieb:


Hallo Katharina,

...
> > Bundes als die Schweiz (ausser natuerlich der Kanton Neuenburg, der
> > bis 1857 preussisch war).


>
> Die NeuenburgerInnen sprechen von 1848 - damals fand die "Revolution"
> statt und im letzten Jahr feierten wir hier 150 Jahre Révolution

> Neuchāteloise. Was hat es also mit 1857 auf sich? (vielleicht neues
> Topic?)

die Erwaehnung von Neuchātel/Neuenburg war mehr oder weniger nur eine
Provokation meinerseits gewesen. Natuerlich weiss ich, dass der Kanton
mehrheitlich frankophon ist, insofern hat er mit unserem Topic in der
Tat wenig zu tun.

Am 26. Mai 1857 wurde nach Vermittlung Napoleons III. der Vertrag von
Paris unterzeichnet, in dem die Geschichte voelkerrechtlich endgueltig
geklaert wurde. AFAIR ging es um die Freilassung der royalistischen
Gefangenen (Putschisten vom September 1856), Ausgleichszahlungen, die
dann nicht gezahlt wurden und den endgueltigen Verzicht auf Neuenburg.

Aber bedenke: Eure Kantonshymne "Aux monts indépendants ..." wird
immer noch nach der Melodie von "Heil Dir im Siegerkranz ..."
gesungen. ;-)

> > Sind nun Oesterreicher, Deutschschweizer, deutschsprachige
> Suedtiroler
> > etc. unabhaengig vom voelkerrechtlichen Status des Gebietes, in dem
> > sie leben, nicht doch "Deutsche"? Das haengt IMHO lediglich von der
> > Definition des Begriffes "deutsch" oder "Deutscher" ab.


>
> Nun, die meisten SchweizerInnen waeren nicht damit einverstanden, wenn
> man sie als "Deutsche" bezeichnet...

Dies verschwieg ich ja nicht, siehe meine Ausfuehrungen zu
"Deutsche-4".

> Vor allem weil die meisten
> Deutschen unsere Sprache schon gar nicht erst verstehen!

Die _meisten_ Menscher deutscher Muttersprache, gleich welcher
Staatsangehoerigkeit, verstehen auch das Niederdeutsche nicht. Ich
behaupte einmal, dass die Sprecher alemannischer Mundarten, gleich ob
sie einen deutschen (in Baden-Wuerttemberg), liechtensteinischen,
franzoesischen (im Elsass) oder oesterreichischen (in Vorarlberg) Pass
haben, mit dem Schweizerdeutschen weniger Probleme haben duerften als
mit dem Niederdeutschen.

> > "Deutscher-1" koennte heissen "jemand mit Pass der BRD", dann waeren
> > natuerlich Oesterreicher und Deutschschweizer keine Deutschen,
> soweit
> > sie nicht zufaellig _auch_ einen deutschen Pass haben.
>
> Das ist - imho - die Definition, welche von den meisten Menschen
> angewandt wird.

Zumindest hier im Usenet duerfte es so sein. Deshalb nannte ich sie ja
auch als Erste.

> > "Deutscher-2" definiert als "jemand, der das Deutsche als
> > Muttersprache oder Heimsprache spricht", schloesse natuerlich
> > Deutschschweizer und 99 % der Oesterreicher ein, schloesse hingegen
> > diejenigen Sorben, daenischsprachigen Suedschleswiger, Nordfriesen,
> > Saterlaender und Sinti aus, die ihr Idiom noch pflegen. Diese
> > Definition wuerde auch manche Einwanderer der 2. oder 3. Generation
> > umfassen, die in ihrer Familie nur noch deutsch sprechen und die
> > Sprache ihrer Eltern nicht mehr oder kaum noch beherrschen.
>
> Diese Def. wiederum beruht auf dem Konzept der Identifikation.

Keinesfalls. Auf der Identifikation beruht meine Definition fuer
"Deutscher-4". Die Definition ueber die gesprochene Sprache hat den
Vorteil einer gewissen Zeitlosigkeit. Sie kann auch auf die Zeiten vor
dem Entstehen der Nationalstaaten angewandt werden, ebenso wird man
sie auch dann noch verwenden koennen, wenn es vielleicht irgendwann
einmal keinen Staat mehr geben sollte, ein Zustand, den ich durchaus
fuer erstrebenswert halte.

> Identifiziere ich mich selber als Deutsche oder nicht? Fuer mich
> selber muesste ich das ablehnen, obwohl ich germanophon bin (aber
> meine Sprache wie gesagt nicht viel mit Neu-Hochdeutsch zu tun hat,
> sondern eher mit Mittelhochdeutsch).

_Meine_ Sprache, wenn ich das Niederdeutsche einmal so nennen darf,
hat noch nicht einmal mit dem MHD etwas zu tun, sie beruht auf dem
Mittelniederdeutschen, dieses auf dem Altsaechsischen.

_Alle_ neuhochdeutschen Dialekte (i. w. S., also die mittel- und
oberdeutschen Mundarten) beruhen auf entsprechenden
mittelhochdeutschen Dialekten. Dass der eine Dialekt diese, der andere
jene, und einige vielleicht besonders viele Archaismen aufweisen, ist
kein besonderes Kennzeichen der in der Schweiz gesprochenen Dialekte,
sieht man vielleicht von den Hoechstalemannischen ab, in denen keine
Vokalreduktion in den unbetonten Endsilben stattfand, wofuer wir aber
schon auf das Althochdeutsche zurueckgehen muessten.

Von Dir genannte grammatische Neuerungen (Verlust des Genitivs, des
Imperfekts, Relativsaetze mit "wo") sind keinesfalls typisch
schweizerisch. Von der letzten abgesehen (auch die gibt es durchaus in
binnendeutschen Dialekten), koennte man sie sogar fast als
gemeindeutsch bezeichnen.

> > "Deutscher-3" waere "jemand, dessen Vorfahren allesamt, mehrheitlich
> > oder teilweise Deutsche waren", man muesste also eigentlich von
> > "Deutschen-3a, -3b und -3c" sprechen. Diese Definition wuerde z. B.
> > diejenigen Bewohner Polens, Russlands oder Kasachstans umfassen, die
> > selber kein deutsch mehr sprechen, deren Eltern oder Grosseltern
> dies
> > aber noch taten. Diese Definition bedarf noch einer zusaetzlichen
> > Einigung darueber, wie wir nun das "Deutsch-Sein" der Eltern
> > definieren.
>
> Auch diese Definition ist nicht allgemein anwendbar, sondern betrifft
> einzig und allein die Selbstidentifikation der betroffenen Personen.

Nicht nur. Bevor man die Bedingungen fuer die Aufnahme
"Russlanddeutscher" (Warum eigentlich "Russland_deutscher_"? Sicher
sind auch unter ihnen welche, die aus der heutigen Schweiz, dem
heutigen Oesterreich oder gar den Niederlanden stammen.) verschaerfte
und von diesen auch gewisse Sprachkenntnisse verlangte, war dies kein
ganz unwesentliches Kriterium fuer deren Einbuergerung.

...
> > Es sind noch weit mehr Definitionen denkbar, aber die genannten
> > scheinen mir die gebraeuchlichsten zu sein. Ein Streit darueber
> "fuer
> > mich sind die XY aber keine Deutschen, denn sie ..." ist voellig
> > sinnlos, da jede Bestimmung des Begriffes durchaus Sinn haben kann.
>
> Es gibt wissenschaftliche Definitionen, die einen mehr oder weniger
> allgemein gueltigen Wert haben (fuer die WissenschafterInnen, nicht
> fuer die Individuen).

"WissenschafterInnen" war der erste Helvetismus Deiner Schriftsprache,
der mir aufgefallen ist. (Nicht des Binnen-I wegen, das ist m. W. am
staerksten durch die "taz" verbreitet worden, wenn es auch momentan in
CH wohl etwas verbreiteter sein
duerfte als in D.)

...
> > Ist es nun so (und darum scheint es mir letzlich zu gehen), dass der
> > Begriff "Deutscher-2" (Definition ueber die Muttersprache) voellig
> > sinnlos waere, weil er problemlos durch den Begriff
> "Deutschsprachige"
> > oder "Germanophone" ersetzt werden koennte? IMHO ist er dies nicht,
> > wir sprechen auch von "Raetoromanen", "Katalanen" oder "Sorben"
> > anstatt von "Raetoromanischsprachigen" etc.
>
> Da muss ich Dir widersprechen: "Deutsch" bezeichnet nicht nur eine
> Sprache, sondern auch eine Nationalitaet. Und es gibt eben
> Germanophone, die nicht deustcher Nationalitaet sind.

Dafuer muesste man den Begriff "Nationalitaet" definieren, wobei man
wohl auch wieder u. a. auf Staatsbuergerschaft, Sprache, Abstammung
und Region zurueckgreifen muesste. Eindeutigkeit wird sich kaum
erzielen lassen, selbst auf kleinen Nordseeinseln kann es sein, dass
die Bewohner sich zum Teil als "friesischer Nationalitaet" und zum
Teil als "deutscher Nationalitaet" bezeichnen wuerden. Ein IMHO
unsinniger Widerspruch, da er von der jeweiligen Definition anhaengt.

> Bei den
> Raetoromanen widerum handelt es sich um eine Minderheit ohne eigene
> Nationalitaet, die sich u.A. ueber ihre Sprache identifizieren, d.h.
> von der Mehrheit der Nation, in der sie leben, abgrenzen.

Vielleicht verstehen sie sich nicht so, ich kenne keine, aber wuerden
nicht die meisten gaengigen Definitionen fuer "Nationalitaet", nach
denen wir etwa Sorben oder Ladiner (die in Suedtirol, ich weiss, dass
auch ein raetoromanischer Dialekt in CH als "ladinisch" bezeichnet
wird) "Nationalitaeten" nennen, auch auf die Raetoromanen zutreffen?

...
> > Fuer die meisten anderen Faelle ist aber wohl die zweite Definition
> > (ueber die Sprache) von groesserer Bedeutung. Kann ich mich mit
> einem
> > Menschen problemlos muendlich und schriftlich verstaendigen?
> Versteht
> > er auch Wortspiele und Anspielungen? Auf welche sprachlichen
> > Interferenzen muss ich achten? Ist es sinnvoller, in _seiner_
> Sprache
> > zu kommunizieren, oder sollte ich zumindest fuer den Fall von
> > Schwierigkeiten ein Woerterbuch zur Hand haben?


>
> Nun, geh mal in die Schweiz -> obwohl es sich nach einer deiner
> Definitionen bei ca 60% der Schweizerinnen und Schweizer um "Deutsche"
> handelt, wirst Du auch mit Woerterbuch Deine Muehe haben, etwas zu
> verstehen, von dem was gesagt wird (es sei denn, Du sprichst fliessend
> Mittelhochdeutsch, d.h. das Deutsch, das im Mittelalter gesprochen
> wurde).

Diese Schwierigkeiten habe ich in suedlicheren Regionen der BRD auch.
(Mittelhochdeutsch ist mir nicht ganz und gar fremd, aber darum geht
es hier nicht.) Natuerlich sehe ich den Unterschied, dass in CH die
Dialekte bzw. auf diesen basierende und vom Schriftdeutschen stark
abweichende Ausgleichsformen der Dialekte die Alltagskommunikation in
den allermeisten Situationen beherrschen. Wollte ich nicht als
Auslaender auffallen, so muesste ich versuchen, franzoesisch zu
sprechen, wollte ich mir nicht die Muehe machen, einen Dialekt zu
erlernen.

Was die soziale Akzeptanz des Dialekts betrifft, haben wir im
deutschen Sprachraum ein deutliches Nord-Sued-Gefaelle, d. h. in
Sprechsituationen, in denen ein Hamburger niemals Niederdeutsch
spraeche (so er es denn ueberhaupt noch beherrscht), wuerde der
Dialekt in Koeln schon halbwegs akzeptabel sein und in Stuttgart
vielleicht schon die Regel. Die Schweizer Sprachsituation ist zum Teil
auch einfach durch dieses Gefaelle zu erklaeren.

Natuerlich sehe ich, dass aus dem Sprachgefuehl der Deutschschweizer
heraus es sich bei dem jeweils gesprochenen Dialekt und dem
Schriftdeutschen schon um zwei Sprachen handelt, wenn diese auch
objektiv sich nicht staerker unterscheiden als Hochsprache und Dialekt
in anderen deutschsprachigen Regionen. Ein wichtiger Unterschied zur
Sprachsituation etwa in den Niederlanden liegt fuer mich darin, dass
Dialekt und Hochdeutsch einander in CH nach wie vor merklich
beeinflussen.

Korrigiere mich, wenn ich es falsch sehe: Es gibt in CH verschieden
stark dialektal eingefaerbte Versionen des Schriftdeutschen. Das
Buehnendeutsch unterscheidet sich nicht merklich vom Buehnendeutsch
oesterreichischer oder bundesdeutscher Buehnen, bei den
Nachrichtensprechern bemerkt man die Herkunft aus der Schweiz in der
Regel schon, der BRD-Buerger, der sich auf der Strasse mit Schweizern
unterhaelt, haelt deren Schriftdeutsch irrtuemlich schon fuer
Schweizerdeutsch, die dialektnaechste Form des Schriftdeutschen nenne
ich einmal "Emil-Deutsch", das Deutsch, das BRD-Buerger noch
verstehen, das aber schon ganz besonders schweizerisch klingen soll.

Auf der anderen Seite finden wir auch verschieden stark vom
Schriftdeutschen und vom Zwang zu einer gewissen ueberregionalen
Verstaendlichkeit gepraegte Formen des Schweizerdeutschen vor. Die
laendlichen Dialekte abgelegener Regionen sind dem Baseler oder
Zuericher kaum verstaendlich, die verschiedenen staedtischen
Umgangssprachen sind aber je nach Bildungsstand des Sprechers
unterschiedlich stark durch das Schriftdeutsche beeinflusst.

Ich habe - zugegebenermassen war ich bis auf ein paar Stunden, die ich
in Genf verbrachte, noch nie in der Schweiz, und dort sprach ich
franzoesisch - beim Zappen ueber 3sat, wo ja auch Schweizer Sendungen
ausgestrahlt werden, gelegentlich den Eindruck, manche der -
normalerweise hochdeutsch synchronisierten - auf schweizerdeutsch
interviewten Schweizerdeutsch-Sprecher _daechten_ schriftdeutsch. Da,
wo die Saetze eine gewisse Kompexitaet aufweisen, wo es um etwas
wissenschaftlichere Themen geht, ist die Sprache zwar von der Phonetik
her eindeutig schweizerdeutsch, Syntax und Wortbildung klingen aber
sehr schriftdeutsch, die Sprache klingt fast genau so, als laese man
Schriftdeutsch Wort fuer Wort ab, spareche es aber schweizerdeutsch
aus, inklusive korrekter schweizerdeutscher Endungen und Vorsilben
(der Unterschied zum von mir so bezeichneten "Emil-Deutschen" liegt
darin, dass dieses auch von der Phonetik her keinesfalls reines
Schweizerdeutsch ist).

Diese Sprachform, die - formal eindeutig schweizerdeutsch - deutlich
durch Neologismen und syntaktische Strukturen der Schriftsprache
gepraegte Alltagssprache gebildeter Schichten, laesst mich daran
zweifeln, ob wir es mit einer tatsaechlich sich verfestigenden
Diglossiesituation zu tun haben. Von einem sprachlichen Kontinuum, wie
wir es zwischen regional gepraegtem Hochdeutsch und Dialekt in den
mittel- und oberdeutschen Regionen der BRD und Osterreichs haben,
trennt uns sicher auch noch einiges, die Diskontinuitaeten sind aber
gewiss nicht staerker als im niederdeutschen Sprachgebiet (wobei ich
zugebe, dass dies hier linguistische, bei Euch aber soziologische
Gruende hat).

> Andere Frage: ist nun das Schweizerdeutsch eine eigene Sprache (die
> aber nicht geschrieben wird) oder nur ein Dialekt? (aber achtung: es
> gibt etwa 50 verschiedene schweizer Dialekte wenn nicht mehr - die
> sich aber gegenseitig verstehen).

"Sprache" oder "Dialekt": eine Frage der Definition, wie auch
"deutsch", "Nation", "Nationalitaet" etc. Linguistisch betrachtet,
waere weit eher das Niederdeutsche als eigene Sprache zu sehen, die
Haupttrennlinie der kontinentalwestgermanischen Dialekte (um das Wort
"deutsch i. w. S." einmal zu vermeiden) ist die Benrather Linie.
Sprachsoziologisch gesehen ist die "Eigensprachlichkeit" bei
Niederlaendisch, Afrikaans und Jiddisch sicher zu bejahen, eventuell
mit vielen Einschraenkungen sogar beim Lėtzebuergischen, beim
Schweizerdeutschen aber wohl aus den aufgefuehrten Gruenden eher
nicht; da waere IMHO das Niederdeutsche mit einer langen Tradition als
Schrift- und Amtssprache, einer relativ deutlichen Diskontinuitaet zum
Hochdeutschen und einer immer noch nicht ganz unbedeutenden
Dialektliteratur vermutlich eher als eigene Sprache einzustufen.

Tschues, Juergen

Juergen Grosse

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Michael Pronay schrieb:


Hallo Michael,

...
> >"Deutscher-4" waere "jemand, der sich selbst als 'Deutscher'
> >bezeichnet". ... Die uebergrosse Mehrheit der BRD-Buerger
> >sind wohl auf jeden Fall "Deutsche-4", aber auch nicht wenige
> >Oesterreicher. In der Deutschschweiz sieht es sicher anders aus.
>
> Ich bezweifle entschieden, daß es in Österreich anders
> aussieht als in der deutschen Schweiz: 99% der Österreicher
> sehen sich als Österreicher, nicht als Deutsche.

Umfrageergebnissen (Gibt es da welche, auf die sich Deine Aussage
stuetzt?) _dieser_ Eindeutigkeit wuerde ich zunaechst einmal
misstrauen, mit gleicher Eindeutigkeit sollen die Ergebnisse frueher
ja auch einmal anders gewesen sein. Gewiss gibt es kaum einen
Oesterreicher, der sich im Ausland als "Deutscher" bezeichnen wuerde,
ich kenne zumindest keinen, als die Waldheim-Affaere international die
Schlagzeilen beherrschte, mag es sogar welche gegeben haben, die ganz
froh waren, wenn man sie einmal mit Australiern verwechselte.

Grundlage der Selbstbezeichnung als "Oesterreicher" ist aber doch wohl
zuallererst die Staatsbuergerschaft. Es mag sein, dass meine
Formulierung "nicht wenige" etwas uebertrieb (aber zumindest einem
Teil der FPOe-Anhaenger werden doch gewisse deutschnationale
Ambitionen nachgesagt), der Anteil deutschsprachiger Oesterreicher,
der sich auf eine gewisse Weise _auch_ als "deutsch" versteht duerfte
aber doch vermutlich hoeher sein als der Anteil deutschsprachiger
Schweizer.

Auch oesterreichische Staatsbuerger ungarischer, slowenischer oder
kroatischer Muttersprache oder Herkunft sind ganz ohne Zweifel
"Oesterreicher". Dennoch koennen sie sich ja zumindest zu einem
gewissen Teil eben auch als Ungarn, Slowenen oder Kroaten bezeichnen,
zumindest von den "Slowenen" in Kärnten ist mir dies bekannt.

Es erscheint mir nun nicht uebermaessig folgerichtig, wenn wir von
Bewohnern Kaerntens einerseits als "Slowenen" und andererseits als
"Oesterreichern" sprechen, "Oesterreicher" sind doch alle. Wir koennen
natuerlich exakt von "deutschsprachigen" und von
"slowenischsprachigen" Kaerntnern reden, vielleicht waere dies ja
vorzuziehen. eine - wohl auch nicht unuebliche - Bezeichnung als
"Deutschsprachige" einerseits und "Slowenen" andererseits laesst fuer
mich einige Fragen offen.

> >Wenn mich ein Italiener fragt, wo ich herkomme, und ich
> >ihm antworte, ich sei "tedesco", dann kann es passieren,
> >dass er mich fragt, ob ich aus Alto Adige oder aus Germania
> >sei.
>
> Wirklich? Das wäre mir neu.

So ist es mir einmal passiert. Vielleicht wollte die Frau nur meine
Aussprache loben, vielleicht wollte sie auch etwas von mir, ich weiss
es nicht. Ich begriff zunaechst gar nicht, was sie wollte, da ich mit
"Sono tedesco." gemeint hatte, auszudruecken, ich sei "Deutscher-1"
(also BRD-Buerger).

> >Nun kann man die Frage stellen, welchen Sinn es macht,
> >einen Hamburger, einen Muenchner und einen Bozener "Deutscher"
> >bzw. "tedesco" zu nennen, einen Innsbrucker oder Wiener aber
> >nicht so zu bezeichnen.
>
> Ganz einfach: Ein Innbsrucker oder Wiener ist ein austriaco,
> und weder Italiener noch Innsbrucker noch Wiener haben auch
> nur das geringste Problem damit. Im Gegenteil: Sie würden
> allesamt nicht einmal begreifen, wo Dein Problem liegt.

Im Grunde habe ich keines. Ich empfinde es nur als bemerkenswert, dass
wir deutschsprachige Minderheiten in Italien, dem frueheren
Jugoslawien, Ungarn oder Rumaenien nicht selten als "Deutsche" oder
als Ungarn etc. "deutscher" Nationalitaet bezeichnen
(zugegebenermassen existiert auch der Terminus "Altoesterreicher
deutscher Zunge"), obwohl ihr Siedlungsgebiet naeher an Oesterreich
als an der BRD liegt. (Dass ihre Vorfahren, manchmal erkennbar an den
gesprochenen Dialekten, tatsaechlich gelegentlich aus Gebieten
stammen, die in der heutigen BRD liegen, spielt hier keine Rolle, denn
dies duerfte einerseits auch fuer viele Oesterreicher gelten,
andererseits stellte sich z. B. bei den Siebenbuerger Sachsen, deren
Dialekt AFAIR Anklaenge an das Moselfraenkische aufweist, die Frage,
ob sie nicht eigentlich z. T. Luxemburger seien.)

Wir haben also ein Suedosteuropa, dessen deutschsprachigen
Minderheiten zumindest nicht selten eine "deutsche" Nationalitaet
zugesprochen wird, daneben die BRD, deren Bevoelkerungsmehrheit
ebenfalls eine "deutsche" Nationalitaet nicht abgesprochen werden
kann. Nur fuer die deutschsprachigen Bewohner Oesterreichs soll dies
nicht gelten?

Ein Problem, das in der Tat keines ist. In meinem vorangegangen
Posting glaube ich, deutlich gemacht zu haben, dass die Frage "Bist Du
Deutscher?" natuerlich die Gegenfrage hervorrufen muss "Was verstehst
Du unter 'Deutscher'?"

Und auf diese Gegenfrage gibt es verschiedene Antworten. Definitionen
sind per definitionem nicht falsch, sie koennen nur zweckmaessig oder
weniger zweckmaessig, eindeutig oder weniger eindeutig sein.


Tschues, Juergen

Katharina Bleuer

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
> >Du meine Guete, Schweizerdeutsch ist von
> >Hochdeutsch weiter entfernt, als Daenisch von Norwegisch - und doch
> >kaeme es niemandem in den Sinn, die beiden als ein- und dieselbe
> >Sprache zu bezeichnen, oder?
>
> Dänisch und Norwegisch als dieselbe Sprache? Oh, doch, bokmål
schon,
> deshalb wird seit der Trennung von Dänemark ja landmål / nynorsk so
> gepuscht - man will nicht mehr "dänisch" sprechen in Norwegen.
>
> Dänisch und bokmål sind sich aber in der Schrift ähnlicher als in
der
> Aussprache; man sagt auch, bokmål sei Dänisch mit schwedischer
> Aussprache. Die dänische Aussprache läßt die übrigen Skandinavier
> übrigens gerne spotten, Dänisch sei keine Sprache sondern eine
> Halskrankheit. ;-)

*Das* hoeren wir SchweizerInnen staendig! Und trotzdem kaeme niemand
auf die Idee die Daenen als Norweger zu bezeichnen, oder umgekehrt,
isn't it?

Kat

Katharina Bleuer

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Hallo Juergen,

Uff, das habe ich nun davon...

[Neuchatel rausgeschnitten, das hatten wir schon]

> Die _meisten_ Menscher deutscher Muttersprache, gleich welcher
> Staatsangehoerigkeit, verstehen auch das Niederdeutsche nicht. Ich
> behaupte einmal, dass die Sprecher alemannischer Mundarten, gleich
ob
> sie einen deutschen (in Baden-Wuerttemberg), liechtensteinischen,
> franzoesischen (im Elsass) oder oesterreichischen (in Vorarlberg)
Pass
> haben, mit dem Schweizerdeutschen weniger Probleme haben duerften
als
> mit dem Niederdeutschen.

Ist das Niederdeutsch das, was allgemein als "Plattdeutsch" bezeichnet
wird? Das ist zugegebenermassen eine schlimmere Halskrankheit als
unser Berndeutsch! Da funktioniert mein eingebauter "Dialektadapter"
im Kopf auch nicht mehr... Bei Badischen, Schwaebischen oder
Elsaessischen habe ich weniger Muehe. Das Elsaessische ist ja, wie das
Bernerisch, mit franzoesischen Ausdruecken durchzogen (die
langjaehrige Besetzung der Schweiz durch Napoleon, d.h. Frankreich und
deren Einfluss auf die Schweizer Dialekte wurde ja noch nicht
angesprochen) und somit ein
wenig einfacher als die anderen.

[...]

> Von Dir genannte grammatische Neuerungen (Verlust des Genitivs, des
> Imperfekts, Relativsaetze mit "wo") sind keinesfalls typisch
> schweizerisch. Von der letzten abgesehen (auch die gibt es durchaus
in
> binnendeutschen Dialekten), koennte man sie sogar fast als
> gemeindeutsch bezeichnen.

Das kann ich keineswegs beurteilen, da das Hochdeutsch, das wir hier
zu hoeren bekommen, 1. die Sprache der Literatur ist (was man halt so
in der Schule zu lesen gezwungen wird) und 2. die Sprache von RTL und
SAT1...

[...]

> "WissenschafterInnen" war der erste Helvetismus Deiner
Schriftsprache,
> der mir aufgefallen ist. (Nicht des Binnen-I wegen, das ist m. W. am
> staerksten durch die "taz" verbreitet worden, wenn es auch momentan
in
> CH wohl etwas verbreiteter sein
> duerfte als in D.)

Wieso ist Wissenschafterin ein Helvetismus? Ich gebrauche uebrigens
das Binnen-i aus Faulheit... weil ich nicht immer Wissenschafterin und
Wissenschafter schreiben moechte und gleichzeitig nicht die Frauen
explizit ausschliessen (schlisslich bin in kein Wissenschafter sondern
eine Wissenschafterin, oder?)

[...]

> > Da muss ich Dir widersprechen: "Deutsch" bezeichnet nicht nur eine
> > Sprache, sondern auch eine Nationalitaet. Und es gibt eben
> > Germanophone, die nicht deustcher Nationalitaet sind.
>
> Dafuer muesste man den Begriff "Nationalitaet" definieren, wobei man
> wohl auch wieder u. a. auf Staatsbuergerschaft, Sprache, Abstammung
> und Region zurueckgreifen muesste. Eindeutigkeit wird sich kaum
> erzielen lassen, selbst auf kleinen Nordseeinseln kann es sein, dass
> die Bewohner sich zum Teil als "friesischer Nationalitaet" und zum
> Teil als "deutscher Nationalitaet" bezeichnen wuerden. Ein IMHO
> unsinniger Widerspruch, da er von der jeweiligen Definition
anhaengt.

Irgendwo habe ich die Definitionen der Begriffe "Volk", "Nation",
"Nationalitaet", "Ethnie", usw. aufgeschrieben. Das wuerde den Rahmen
hier sprengen, also bitte nachschauen unter
http://www.dplanet.ch/users/kbleuer/Memliz/Teil2.htm

> > Bei den
> > Raetoromanen widerum handelt es sich um eine Minderheit ohne
eigene
> > Nationalitaet, die sich u.A. ueber ihre Sprache identifizieren,
d.h.
> > von der Mehrheit der Nation, in der sie leben, abgrenzen.
> Vielleicht verstehen sie sich nicht so, ich kenne keine, aber
wuerden
> nicht die meisten gaengigen Definitionen fuer "Nationalitaet", nach
> denen wir etwa Sorben oder Ladiner (die in Suedtirol, ich weiss,
dass
> auch ein raetoromanischer Dialekt in CH als "ladinisch" bezeichnet
> wird) "Nationalitaeten" nennen, auch auf die Raetoromanen zutreffen?

Ethnie = ja, Nationalitaet = eher nicht (da letztere nun doch mit dem
Begriff Nation zusammenhaengt; eine Ethnie kann also nur Nationalitaet
sein, wenn irgendwo diese Ethnie ueber einen Staat verfuegt, in dem
sie die Bevoelkerungsmehrheit stellt).


[...]


> Diese Schwierigkeiten habe ich in suedlicheren Regionen der BRD
auch.
> (Mittelhochdeutsch ist mir nicht ganz und gar fremd, aber darum geht
> es hier nicht.)

Mir ist schon aufgefallen, dass im D-Fernsehen Leute mit gewissen
Dialekten untertitelt werden. Wir lachen uns dabei des oeftern
Traenen, weil wir relativ gut verstehen, was da gesprochen wird...

> Natuerlich sehe ich den Unterschied, dass in CH die
> Dialekte bzw. auf diesen basierende und vom Schriftdeutschen stark
> abweichende Ausgleichsformen der Dialekte die Alltagskommunikation
in
> den allermeisten Situationen beherrschen. Wollte ich nicht als
> Auslaender auffallen, so muesste ich versuchen, franzoesisch zu
> sprechen, wollte ich mir nicht die Muehe machen, einen Dialekt zu
> erlernen.

Was ja auch ziemlich schwierig waere (siehe nach unter "Halskrankeit")

> Was die soziale Akzeptanz des Dialekts betrifft, haben wir im
> deutschen Sprachraum ein deutliches Nord-Sued-Gefaelle, d. h. in
> Sprechsituationen, in denen ein Hamburger niemals Niederdeutsch
> spraeche (so er es denn ueberhaupt noch beherrscht), wuerde der
> Dialekt in Koeln schon halbwegs akzeptabel sein und in Stuttgart
> vielleicht schon die Regel. Die Schweizer Sprachsituation ist zum
Teil
> auch einfach durch dieses Gefaelle zu erklaeren.

Teilweise vielleicht. Aber der Hauptteil der Erklaerung liegt
wahrscheinlich schon bei der Abgrenzung gegenueber dem "Big brother
Germany" - vor allem weil ansonsten die kulturellen Unterschiede
relativ klein sind (es gibt sogar Kuckucksuhren in Deutschland).

[...]

> Korrigiere mich, wenn ich es falsch sehe: Es gibt in CH verschieden
> stark dialektal eingefaerbte Versionen des Schriftdeutschen.

Richtig: je nachdem wo die sprechende Person herkommt, toent auch ihr
Hochdeutsch anders.

> Das
> Buehnendeutsch unterscheidet sich nicht merklich vom Buehnendeutsch
> oesterreichischer oder bundesdeutscher Buehnen, bei den
> Nachrichtensprechern bemerkt man die Herkunft aus der Schweiz in der
> Regel schon, der BRD-Buerger, der sich auf der Strasse mit
Schweizern
> unterhaelt, haelt deren Schriftdeutsch irrtuemlich schon fuer
> Schweizerdeutsch, die dialektnaechste Form des Schriftdeutschen
nenne
> ich einmal "Emil-Deutsch", das Deutsch, das BRD-Buerger noch
> verstehen, das aber schon ganz besonders schweizerisch klingen soll.

Der Hauptunterschied zwischen dem gesprochenen Deutschem Hochdeutsch
und Schweizerischem Hochdeutsch liegt wahrscheinlich in der Betonung
der Woerter (und vor allem der Fremdwoerter). An dem erkennt ihr dann
sofort den Schweizer, auch wenn er ansonsten perfektes Hochdeutsch
spricht (Schweizer betonen auf einer der ersten Silben, Deutsche in
der Regel auf der letzten Silbe).

> Auf der anderen Seite finden wir auch verschieden stark vom
> Schriftdeutschen und vom Zwang zu einer gewissen ueberregionalen
> Verstaendlichkeit gepraegte Formen des Schweizerdeutschen vor. Die
> laendlichen Dialekte abgelegener Regionen sind dem Baseler oder
> Zuericher kaum verstaendlich, die verschiedenen staedtischen
> Umgangssprachen sind aber je nach Bildungsstand des Sprechers
> unterschiedlich stark durch das Schriftdeutsche beeinflusst.

Jein. 1. Hoer mal unseren Politkern zu, wenn sie Hauchdeutsch reden...
;-)) und 2. heisst es, dass im Moment z.B. das Englische die schweizer
Umgangssprache wesentlich staerker beeinflusst, als das Hochdeutsche.
Euch geht es wahrscheinlich nicht anders.

> Ich habe - zugegebenermassen war ich bis auf ein paar Stunden, die
ich
> in Genf verbrachte, noch nie in der Schweiz, und dort sprach ich
> franzoesisch - beim Zappen ueber 3sat, wo ja auch Schweizer
Sendungen
> ausgestrahlt werden, gelegentlich den Eindruck, manche der -
> normalerweise hochdeutsch synchronisierten - auf schweizerdeutsch
> interviewten Schweizerdeutsch-Sprecher _daechten_ schriftdeutsch.
Da,
> wo die Saetze eine gewisse Kompexitaet aufweisen, wo es um etwas
> wissenschaftlichere Themen geht, ist die Sprache zwar von der
Phonetik
> her eindeutig schweizerdeutsch, Syntax und Wortbildung klingen aber

> sehr schriftdeutsch, die Sprache klingt fast genau so, als laese man
> Schriftdeutsch Wort fuer Wort ab, spareche es aber schweizerdeutsch
> aus, inklusive korrekter schweizerdeutscher Endungen und Vorsilben

Gut beobachtet! Diese Leute *denken* nicht in Hochdeutsch - sie lesen
irgendwo einen Text ab und simultanuebersetzen ihn dann, indem sie
Wort fuer Wort in den jeweiligen Dialekt uebersetzen. Das toent
schrecklich, ist weder Fisch noch Vogel. Ich bin der Meinung, diese
Leute sollten - wenn sie denn schon ablesen muessen - Schriftdeutsch
sprechen.

[Emildeutsch ist gut - das ist genau das, was Deutsche oft fuer
Schweizerdeutsch halten, waehrend Schweizer es fuer Hochdeutsch
halten. Diese kehligen Laute, die so archaisch toenen, kommen
uebrigens auch im Francais fédéral vor, also dem Franzoesisch, das
Deutschweizer sprechen ;-) Vielen d-Schweizern faellt es tatsaechlich
schwer, auf diese speziellen Laute zu verzichten...]

> Diese Sprachform, die - formal eindeutig schweizerdeutsch - deutlich
> durch Neologismen und syntaktische Strukturen der Schriftsprache
> gepraegte Alltagssprache gebildeter Schichten, laesst mich daran
> zweifeln, ob wir es mit einer tatsaechlich sich verfestigenden
> Diglossiesituation zu tun haben. Von einem sprachlichen Kontinuum,
wie
> wir es zwischen regional gepraegtem Hochdeutsch und Dialekt in den
> mittel- und oberdeutschen Regionen der BRD und Osterreichs haben,
> trennt uns sicher auch noch einiges, die Diskontinuitaeten sind aber
> gewiss nicht staerker als im niederdeutschen Sprachgebiet (wobei ich
> zugebe, dass dies hier linguistische, bei Euch aber soziologische
> Gruende hat).

Ich denke, man kann die heutige Sprachentwicklung nicht mehr
vergleichen mit der Sprachentwicklung des Mittelalters. Heute gibt es
Einfluesse, die damals nicht stattgefunden haben: Massenmedien,
Globalisierung, "Veramerikasierung",... Da muss ja das Kontinuum
verlorengehen.

> > Andere Frage: ist nun das Schweizerdeutsch eine eigene Sprache
(die
> > aber nicht geschrieben wird) oder nur ein Dialekt? (aber achtung:
es
> > gibt etwa 50 verschiedene schweizer Dialekte wenn nicht mehr - die
> > sich aber gegenseitig verstehen).
>
> "Sprache" oder "Dialekt": eine Frage der Definition, wie auch
> "deutsch", "Nation", "Nationalitaet" etc. Linguistisch betrachtet,
> waere weit eher das Niederdeutsche als eigene Sprache zu sehen, die
> Haupttrennlinie der kontinentalwestgermanischen Dialekte (um das
Wort
> "deutsch i. w. S." einmal zu vermeiden) ist die Benrather Linie.
> Sprachsoziologisch gesehen ist die "Eigensprachlichkeit" bei
> Niederlaendisch, Afrikaans und Jiddisch sicher zu bejahen, eventuell

> mit vielen Einschraenkungen sogar beim Lëtzebuergischen, beim


> Schweizerdeutschen aber wohl aus den aufgefuehrten Gruenden eher
> nicht; da waere IMHO das Niederdeutsche mit einer langen Tradition
als
> Schrift- und Amtssprache, einer relativ deutlichen Diskontinuitaet
zum
> Hochdeutschen und einer immer noch nicht ganz unbedeutenden
> Dialektliteratur vermutlich eher als eigene Sprache einzustufen.

Uff, geschafft!
Nur noch eine Ungereimtheit, die mir nicht aus dem Sinn geht: wieso
verstehen BernerInnen geschriebenes Niederlaendisch, Daenisch und
Norwegisch? (nur das Geschriebene)? Gibt es da auch Verwandtschaften?
ZuercherInnen oder Sankt-GallerInnen tun dies uebrigens weniger -
wahrscheinlich weil deren Dialekt naeher beim "richtigen" Deutschen
liegt?

Fragen ueber Fragen.... aber es ist spannend
Katharina

Florian Eichhorn

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Nur kurz aus einem vorangegangen post: das nordfriesische ist
kleiner Zweig des Friesischen.
Das Friesische ist eine eigene *Sprache*, kein niederdeutscher
Ortsdialekt. Es ist auch kein kurioses Provinzlerbeharren, wenn die
Leute dort dabei bleiben wollen (vgl. Westfriesen in den Niederlanden).

Das die Luxemburger ihren moselfränkischen Dialekt zu etwas ganz
Eigenem deklarieren wollen, kann man nach WK-II Erfahrungen verstehen.
Nicht nur für mich reden die Leute aber den gleichen Zungenschlag
wie in Trier, Prüm oder Bitburg.


Juergen Grosse wrote:

Katharina wrote


>
> > Vor allem weil die meisten
> > Deutschen unsere Sprache schon gar nicht erst verstehen!
>
> Die _meisten_ Menscher deutscher Muttersprache, gleich welcher
> Staatsangehoerigkeit, verstehen auch das Niederdeutsche nicht. Ich
> behaupte einmal, dass die Sprecher alemannischer Mundarten, gleich ob
> sie einen deutschen (in Baden-Wuerttemberg), liechtensteinischen,

> franzoesischen (im Elsass) oder oesterreichischen (in Vorarlberg) Paß


> haben, mit dem Schweizerdeutschen weniger Probleme haben duerften als
> mit dem Niederdeutschen.

Exakt.

(schnipp-p)



> Diese Schwierigkeiten habe ich in suedlicheren Regionen der BRD auch.
> (Mittelhochdeutsch ist mir nicht ganz und gar fremd, aber darum geht
> es hier nicht.) Natuerlich sehe ich den Unterschied, dass in CH die
> Dialekte bzw. auf diesen basierende und vom Schriftdeutschen stark
> abweichende Ausgleichsformen der Dialekte die Alltagskommunikation in
> den allermeisten Situationen beherrschen. Wollte ich nicht als
> Auslaender auffallen, so muesste ich versuchen, franzoesisch zu
> sprechen, wollte ich mir nicht die Muehe machen, einen Dialekt zu
> erlernen.
>
> Was die soziale Akzeptanz des Dialekts betrifft, haben wir im
> deutschen Sprachraum ein deutliches Nord-Sued-Gefaelle, d. h. in
> Sprechsituationen, in denen ein Hamburger niemals Niederdeutsch
> spraeche (so er es denn ueberhaupt noch beherrscht), wuerde der
> Dialekt in Koeln schon halbwegs akzeptabel sein und in Stuttgart
> vielleicht schon die Regel.

Ganz genau.

>Die Schweizer Sprachsituation ist zum Teil
> auch einfach durch dieses Gefaelle zu erklaeren.

Guter Ansatz.

Florian.

Florian Eichhorn

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to

Katharina Bleuer wrote:
>
> > >Du meine Guete, Schweizerdeutsch ist von
> > >Hochdeutsch weiter entfernt, als Daenisch von Norwegisch - und doch
> > >kaeme es niemandem in den Sinn, die beiden als ein- und dieselbe
> > >Sprache zu bezeichnen, oder?
> >

> > Dänisch und Norwegisch als dieselbe Sprache? Oh, doch, bokmål
> schon,
> > deshalb wird seit der Trennung von Dänemark ja landmål / nynorsk so
> > gepuscht - man will nicht mehr "dänisch" sprechen in Norwegen.
> >
> > Dänisch und bokmål sind sich aber in der Schrift ähnlicher als in
> der
> > Aussprache; man sagt auch, bokmål sei Dänisch mit schwedischer
> > Aussprache. Die dänische Aussprache läßt die übrigen Skandinavier
> > übrigens gerne spotten, Dänisch sei keine Sprache sondern eine
> > Halskrankheit. ;-)
>
> *Das* hoeren wir SchweizerInnen staendig! Und trotzdem kaeme niemand
> auf die Idee die Daenen als Norweger zu bezeichnen, oder umgekehrt,
> isn't it?
>
> Kat

Ochdoch. Dat sind doch alles Wikinger (vikingas komischä hütä,
Hågar), oder? Und waren in wechselnden Konstellationen seit dem 10.
Jhdt. für lange Zeiträume beieinander.
Und sind es heute bei durchlässigen Staatsgrenzen ja wieder.

Die größten Unterschiede liegen doch wohl in den wechselnd rigiden Alkoholgesetzen.

B-) Florian

Florian Eichhorn

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Hallo Katharina,
na das hat ja einige interessante Artikel gezeitigt. Danke!
Dabei wollte ich nur mein Bedauern äußern über
Nichtdeutschschweizer, die deutsche Dialekte lernen müssen (nicht
offiziell, aaber, s. u.).

Zu den den geposteten Artikeln:
Ganz lustig fand ích den wenig westerfahrenenen ex-DDR Schindhelm,
der trotzdem alles bewertet, und neben der verwandten provinziellen
Heimeligkeit/Beamtenjungs auch gleich noch Solidarität zur Schweiz
entdeckte. Rettet die CH vor der nivellierten Großindustrie
(ausgerechnet die Schweiz) EU B-)
Also schweizerisch-reservierter war, als der weitgereistere, jetzt
in Berlin lebende aechte Schweizer.

Klasse auch der Dialektkurs - 1A Provinz. Und deutscher
Anpassungswille. Da fällt mir der Film "die Schweizerrmacher" ein.

Bischen was summarisches (He Balina, Anklagen über Pauschalisierung
könnt ihr euch schenken, das sind nur gebündelte Einzelbobachtungen
ohne jede Signifikanz, ihr seid echt die Jrößten):
1) Berlin ist nicht der Nabel Deutschland, und schon mal gar keine
Metropole. Größe und Versteckenkönnen B-) reicht nicht. Da zehrt man
noch vom Ruf von vorgestern. Lästerzungen unken ganz gerne von 3.5
Millionen Provinzlern; Hausmeistern, den berüchtigten Taxifahrern,
den neongrün/pinkfarbene Trainingsanzüge tragende hundeausführende
Morgenspaziergängern. Der "Berliner Humor" ist ehm, ja,
sprichwörtlich berüchtigt. Man hält sich für sehr gewitzt, für den
Prototypus des "Städters". Und den Grad der
Höflichkeit/Hilfsbereitschaft/Geduld hat man dort mit, tja, den
Israelis von heute gemeinsam. Freundlichkeit ist was für
Weicheier/Warmduscher, allet klar?! Die Logik sagt mir, daß es
anteilmäßig genausoviel nette Berliner geben muß wie anderswo, aber
Berliner Großmäuler haben schon ein ganz besonderes Kaliber. Hauptstadtformat.
2) Es gibt im "Reich" viele provinzielle Gegenden, der Gedanke, daß
D mehrheitlich aus benzfahrenden arroganten Hochdeutschlern besteht,
ist ein künstlicher Popanz, der mit Ängsten und Vorurteilen spielt.
Wer so etwas glaubt, macht sich offenbar keine Gedanken, welche
Bevölkerungsschicht sich (überwiegend) die Schweiz als
Urlaubsland/Wohnsitz finanziell leisten kann.

3) Reine D-Abschweifung:
Es sind auch nicht "die Westler", die 90 in den Osten kamen, sondern
Leute, die ein Geschäft witterten, genug Gauner dabei, die in einer
relativ rechtsfreien Zone Unerfahrene abgaunern wollten. Über dieses
Pack denken "die Westler" genauso wie "die Ostler". Schnauff!
Zur Idee, es gäbe vorwiegend nur "im Westen" Vorurteile über die
ex-DDR, und nicht umgekehrt genauso B-).
Wer in der Provinz lebt und bleibt und die Welt nur qua Glotze zu
kennen meinen glaubt...
Kurzwitz aus der ex-DDR: jetzt haben fast alle Auto, TV und
Kühlschrank - jetzt könnte der Erich (Honecker) ja zurückkommen.
Es ist eher so, einer Menge Leute aus dem Westen sind die neuen
Bundesländer einfach egal, ihnen fällt dazu gar nichts ein, nicht
mal Vorurteile. Aber das ist wahrscheinlich schon wieder soo gemeiin
von diesen arroganten xyz...
Das ganze fällt aber der biologischen Lösung anheim. Sehr erholsam
sind Berichte, in denen man 16-21jährigen "Ost"schülern erklären
muß, was eigentlich Mauer und Betriebskampfgruppen, LPG usw. waren.
Das ist für die exotisch. Genauso lustig diese Altersgruppe oder
auch Studierende, die die gleichen musikalischen und sonstwie
Interessen haben (wie soll es auch anders sein) wie die "Westler",
und sich über Ostalgie Rockrevivals nur verwundern können. Klasse!!

4) Die Zuneigung zur alpinen Idylle à la ländliche Urlaubsparadies
kriegen Oberbayern und Österreich ja auch reichlich ab. Dazu kommen
aber noch die Sicherheits- und Sauberkeitsphantasien - die
Verwandschaft ist schon eng B-), "dort ist die Welt noch in
Ordnung/überschaubar" (kleinbürgerlich-positive Bewertung des
Provinzbegriffs) . Die Betuchteren, die ständige Neid&Enteignung
wittern, fahren noch auf Bankgeheimnis, Diskretion u. dergl. ab.
Leider gilt die amtliche Schweizer Linie, Einbürgerungen äußerst
restriktiv zu behandeln, für diese Gruppe nicht so sehr.

5) Die Österreicher fahren genauso auf D-Niederlagen/Einbrüche ab,
der provinzielle Zusammenhang, Neid/Angst/ständiger heimlicher
Vergleich ist gleichfalls gegeben.

Hier mal ein Satz (megapauschal): schon der Aufenthalt in der
D-Provinz ist oft eine Zeitreise (trotz mancher Plattsanierung und
dicken Kisten entwickelt sich vieles langsamer), aber erst in der
Schweiz... Ansonsten erfreuen wir uns an den eigenen Provinzlern
genauso (wir haben ja auch mehr und vielfältiger), wenn die auch
nicht diesen alpinen Touch haben, ständig auf den Hinterbeinen
stehen und Vergleiche ziehen.. Hey, das war doch jetzt hoffentlich
1A überheblich? Recht so? B-)

Artikelzitat:

>In Berlin hat die Schweiz die besten Voraussetzungen für eine
>intensive Beobachtung des neuen Deutschlands: Die Schweizer Diplomaten
>ziehen in die alte Schweizer Botschaft in Berlin ein, die als einzige
>ausländische Vertretung im Zentrum des neuen deutschen
>Regierungsviertels liegt.

In einem TV-Architektur-Essay war neulich zu sehen, daß die alte
Schweizerbotschaft als einzige aller Botschaften den 2. Weltkrieg
unzerstört (inkl. belle epoque Interieur) überstanden hat. Ein
kleines Wunder, denn sonst ist in der Gegend tabula rasa.

>Die Italiener führen die Sympathie-Rangliste an: Deutschschweizer
>finden sie zu 90 Prozent sympathisch.

Soso. Aber nur, wenn sie zuhause bleiben, und nicht als Saison- oder
gar Schwarzarbeiter kommen?

***

Katharina Bleuer wrote:
>
(schnapp)


>
> > Soll heißen: die alemannische Sprachgruppe endet nicht am
> > EG-Schlagbaum, nur weil die Dialektgruppe "Schyzerdütsch" postuliert
> > wird.
> > Unis untersuchen doch sicher den lebenden alemannischen Sprachraum
> > und seine Dialekte, vielleicht Basel oder Freiburg/Breisgau?
>
> Die Dialektgruppe "Schwyzerduetsch" hat natuerlich einen fliessenden
> Uebergang zu den erwaehnten Sueddeutschen Dialekten. Aber auch ohne
> proklamierte Hochsprache haben die schweizer Dialekte offensichtlich
> einige Gemeinsamkeiten, welche sie im Allgemeinen von anderen

*anderen* (nichtalemannischen): kein Thema, unstrittig

(schnipp)



> > Hoffe, daß stieß nicht zuu sauer auf, das kam wg. Mittelhochdeutsch
> > - das ist so weit weg wie die Kreuzzüge. Auch für die Schweiz.
>
> Hier ein Vergleich zwischen
> Spaetmittelhochdeutsch/Fruehneuhochdeutsch, Zueriduetsch und
> Hochdeutsch
> http://www.iwaynet.net/~watts/deutsch/mhdtoch.htm
>

Danke

(schnupp)

> Schweizerdeutsch ist aber nicht _hochdeutsch mit dialektaler Faerbung
> und Regionalbegriffen_, da es ueber eine sich vom Hochdeutschen
> unterscheidende Syntax und grammatische Eigenheiten verfuegt

Das ist aber erst mal das, was D-ler so hören und daher damit bennennen.
Na fein, wenn Schweizerdeutsch also der Sammelbegriff für die ganzen
unverständlichen (darauf wird Wert gelegt, also, zugestanden)
Dialekte ist, wie soll man dann dieses hochdeutsch mit
CH-dialektaler Färbung nennen?
NB. die Auswärtigen nennen auch bairisch oder hessisch, was nur
Hochdeutsch mit dialektaler Färbung ist.

> [schnipp]
>
> > Ja? Aber warum geben sich die Deutschschweizer dann nicht damit
> > zufrieden, daß die anderen Auchschweizer ein eingeschweizertes
> > Hochdeutsch, wie Du es oben nennst, sprechen?
>
> Es hindert sie niemand daran! Schwierig wird es erst im sozialen
> Leben, wenn also z.B. ein Romand in der D-Schweiz lebt und am Abend in
> die Beiz (Restaurant) geht. Die Leute dort reden natuerlich so, wie
> ihnen der Schnabel gewachsen ist. Da Hochdeutsch fuer viele eine
> Fremdsprache ist, fallen sie frueher oder spaeter wieder in ihre
> Muttersprache zurueck, nachdem sie am Anfang den Effort gemacht haben
> und _richtiges_ Deutsch gesprochen haben.

Also ich beziehe mich da ganz konkret auf wiederholte Presseberichte
über jobsuchende Jurassiens ex-Fribourg usw. in der Deutschschweiz,
denen prospektive Arbeitgeber dringend nahelegen, Dialektkurse zu
absolvieren, weil sonst die Einstellung leider... Und das sind nicht
Provinzläden, sondern Banken, Großindustrie usw

> > > >Sonst unterstellt man ihnen "Verachtung" von - na
> > > >ja,irgendwelchen patriotischen Prinzipien.
> > Das bezog sich darauf, warum man auch die anderen zwingt, einen
> > Dialekt zu lernen.
>
> Es wird niemand gezwungen!

Wie soll man das denn nennen, s. o. "Es gibt auch Willigere, die den
Job nehmen".
"Freiwillige" Unterwerfung unter sozialen Druck?

Wenn ich nach D-Hintertupfingen ziehe, unterstellt mir auch kein
Einheimischer soziale Kälte und Arroganz, nur weil ich keinen
Lokaldialektsprachkurs besuche. Man *gehört sowieso nicht dazu*, das
kann man sich abschminken. Und wenn man 30 Jahre da lebt und jeden
duzt, *du als (Ortsname)*, grins...

> Da aber die Kinder untereinander Mundart
> sprechen, lernen die Kinder von Romands in der D-Schweiz automatisch
> auch Mundart. Hochdeutsch wird erst ab der ersten Klasse unterrichtet.

Klar. Darauf zielte ich aber nicht ab.

> > Ist doch ein Unterschied, ob ich eine übliche *Hochsprache* lernen
> > muß, oder einen Dialekt, dessen Hochsprache ich doch bereits an der
> > Schule gelernt habe, und der zB in der Verwaltung doch ausreichen
> sollte?

Bezieht sich auf den Anpassungsdruck, s. o.

(Erläuterung zur amtlichen Praxis gesnippt)

> Du kannst Dir die Schweiz wie ein Mini-Europa vorstellen (nur ohne
> Grenzen): ein Franzose, der nach Muenchen zieht, wird am Anfang auch
> Muehe haben, die Leute dort zu verstehen, sogar wenn er Deutsch
> gelernt hat.

Soo hart ist der Stadtdialekt nicht, die Höflichkeit zum Ausländer
läßt die Sprachebene wechseln (Hochsprache+Färbung) und zum Glück
ist bairisch tendenziell, ehm, von eher bedächtiger Geschwindigkeit.

>Und der Deutsche, der nach Marseille zieht, wird sein
> blaues Wunder erleben, denn sein Schulfranzoesisch wird ihm dort nicht
> viel helfen (auch dann, wenn die Leute dort ruecksichtsvollerweise auf
> _Argot_ verzichten und Franzoesisch sprechen).

Och, veng und peng, nicht soo schwer, und lustig, daß jemand aus dem
Ausland immer noch besser sei als "so ein arroganter Nordfranzose..."
Insbesondere natürlich ein Pariser Riesengroßmaul.
Und Argot und Dialektbegriffe sind in jeder Sprache für Auswärtige,
erst recht solche mit anderer Hochsprache, prohibitiv. Ist oft auch
ihr Zweck.

> > Nur mal zum Vergleich: zwingt man zB in Neuchatel einen zugezogenen
> > Holländer aus Toulouse, den Jurassien Dialekt von Neuchatel zu
> > lernen? Oder reicht auch sein Schulfranzösisch?
>
> Der Unterschied zwischen dem schweizereischen Franzoesisch und
> richtigem Franzoesisch ist wesentlich kleiner, da die Menschen hier
> Hochfranzoesisch mit regionaler Faerbung sprechen.

Ah ja. Die Frankoschweizer sind da also "moderner" in ihrer Adaption.
Obwohl sie ebenso an der Peripherie der Hochsprache zu F, wie die
(tschuldigung) DtSchweizer zu D angesiedelt sind.
Da darf man Vermutungen über inhaerente konservative Haltungen anstellen.

(snip)

> > Und einen Franzosen
> > aus mW Toulouse wird man doch auch nicht zum Jurassien Dialekt
> zwingen.

Bezog sich wieder auf das Drangsalieren mit dem ch-dt.-Dialekt, weil
Hochsprache "nicht genügt".

> Nein, sicher nicht, da 1. der Patois Jurassien praktisch ausgestorben
> ist und 2. die Muttersprache der Menschen nicht allzu weit von seiner
> Muttersprache entfernt ist! Du meine Guete, Schweizerdeutsch ist von
> Hochdeutsch weiter entfernt, als Daenisch von Norwegisch - und doch
> kaeme es niemandem in den Sinn, die beiden als ein- und dieselbe
> Sprache zu bezeichnen, oder?

1. Ja. 2. Nein, schon weil Norwegisch nur eine lokale dänische
Variante mit schwedischen Einschlägen ist, die erst mit der
Unabhängigheit ?1905 nebst eigenem Königtum forciert/konserviert,
durch Erstellung von Lehrbüchern/ausgraben von ländlichen Archaismen
wiederbelebt wurde.
Und die Unterschiede zwischen Schwedisch und Dänisch sind selbst
ziemlich gering, man versteht sich *ohne Sprachkurs*. Gerade die aus
Südschweden und besonders dem lange dänischen Schonen (die jedes WoE
erneut Kopenhagen auszutrinken versuchen... ).

> [...]
> > Na, ich weiß ja nicht, welche Färbung das Deutsche hat, daß die
> > Deutschlehrer im Jura drauf habe und an die Jurassiens vermitteln.
>
> Das kommt darauf an, wo sie ihren Sprachaufenthalt gemacht haben. Wenn
> dies in der D-Schweiz war, besteht eine gewisse Chance, dass sie
> Hochdeutsch mit Schweizer Akzent sprechen.

Das war gemeint B-)

> Hier noch ein Link zur Problematik:
> http://gewi.kfunigraz.ac.at/~muhr/oedt/schwyzrd.html
>
> Ein d-schweizer Saenger mit wunderbaren Texten, die in Hochdeutsch all
> ihren Reiz verlieren wuerden:
> Mani Matter
> http://www.geocities.com/SunsetStrip/Club/6166/mm/mm.html

Dialektsänger kommen auch in D gut (ich sage nur Badesalz, Rodgaus,
Söllner!!, Fesl, Mittermaier), und in Hochdeutsch geht
selbstverständlich der dialektale Reiz verloren.



> Liebe Gruesse aus der Minderheitskomplexgeladenen Schweiz
> (schliesslich ist die Sprache das Einzige, was uns von den _boesen_
> Deutschen unterscheidet, so lasst uns doch die Freude)
> Katharina

Das sagen auch die Engländer über Amerikaner, Österreicher über das
"Reich", andere Österreicher über Wien, usw.

Es sind auch andere, spezifisch südlich-alpine Dinge (d hats ne
Menge Berge, haa?) . Für Balina + dergleichen sind alle provinzielle
Südlichter (Schwobn, Badenser, Bergsträßer+Pfälzer, Schweizer als
Sammelbegriff) allet die egal gleichen voll kuriosen Nega, wat?

D braucht *unbedingt* die Nörgeleien und Abneigung von CH-AU. Da
würde was fehlen. Es gäbe viel weniger zu lachen (Edi Finger - Gott
hab ihn selig - Kottan!!), wenn das nur weitere Südprovinzen wie
BaWü oder Bayern wären.

NB noch ein interessanter Gedanke, wie werden Schweizer und Deutsche
in nichteuropäischen Ländern eingeschätzt, die keine
Verwechslungssprobleme haben, zB in Japan, wo es genug
Geschäftsleute aus beiden Staaten gab/gibt. Das ist ziemlich
einhellig, wie mir dort lange (60er bis 80er Jahre) lebende
Schweizer berichteten: der Deutsche gilt als aufgeräumtes Haus,
feiert/schluckt/singt gerne einen, gilt mehr oder weniger als
offen/großzügig/gemütlich; der Schweizer ist ebenso fleißig, aber
ein humorloser Knicker, penibel, für keinen Spaß zu haben und kaum
für Gelage, und geizig. Tja?
Solche Stereotypen sind manchmal rechtaufschlußreich.

Mit zentralistischem Reichsgruß B-)
und arg neidig auf die sekundengenauen Schweizer Bahnen
Florian
auch ein Provinzler

--

Florian Eichhorn

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to

Artikelzitat:

***

Katharina Bleuer wrote:
>
(schnapp)
>

> > Soll heißen: die alemannische Sprachgruppe endet nicht am
> > EG-Schlagbaum, nur weil die Dialektgruppe "Schyzerdütsch" postuliert
> > wird.
> > Unis untersuchen doch sicher den lebenden alemannischen Sprachraum
> > und seine Dialekte, vielleicht Basel oder Freiburg/Breisgau?
>
> Die Dialektgruppe "Schwyzerduetsch" hat natuerlich einen fliessenden
> Uebergang zu den erwaehnten Sueddeutschen Dialekten. Aber auch ohne
> proklamierte Hochsprache haben die schweizer Dialekte offensichtlich
> einige Gemeinsamkeiten, welche sie im Allgemeinen von anderen

*anderen* (nichtalemannischen): kein Thema, unstrittig

(schnipp)


> > Hoffe, daß stieß nicht zuu sauer auf, das kam wg. Mittelhochdeutsch
> > - das ist so weit weg wie die Kreuzzüge. Auch für die Schweiz.
>
> Hier ein Vergleich zwischen
> Spaetmittelhochdeutsch/Fruehneuhochdeutsch, Zueriduetsch und
> Hochdeutsch
> http://www.iwaynet.net/~watts/deutsch/mhdtoch.htm
>

Danke

(schnupp)

> Schweizerdeutsch ist aber nicht _hochdeutsch mit dialektaler Faerbung
> und Regionalbegriffen_, da es ueber eine sich vom Hochdeutschen
> unterscheidende Syntax und grammatische Eigenheiten verfuegt

Das ist aber erst mal das, was D-ler so hören und daher damit bennennen.


Na fein, wenn Schweizerdeutsch also der Sammelbegriff für die ganzen
unverständlichen (darauf wird Wert gelegt, also, zugestanden)
Dialekte ist, wie soll man dann dieses hochdeutsch mit
CH-dialektaler Färbung nennen?
NB. die Auswärtigen nennen auch bairisch oder hessisch, was nur
Hochdeutsch mit dialektaler Färbung ist.

> [schnipp]


>
> > Ja? Aber warum geben sich die Deutschschweizer dann nicht damit
> > zufrieden, daß die anderen Auchschweizer ein eingeschweizertes
> > Hochdeutsch, wie Du es oben nennst, sprechen?
>
> Es hindert sie niemand daran! Schwierig wird es erst im sozialen
> Leben, wenn also z.B. ein Romand in der D-Schweiz lebt und am Abend in
> die Beiz (Restaurant) geht. Die Leute dort reden natuerlich so, wie
> ihnen der Schnabel gewachsen ist. Da Hochdeutsch fuer viele eine
> Fremdsprache ist, fallen sie frueher oder spaeter wieder in ihre
> Muttersprache zurueck, nachdem sie am Anfang den Effort gemacht haben
> und _richtiges_ Deutsch gesprochen haben.

Also ich beziehe mich da ganz konkret auf wiederholte Presseberichte


über jobsuchende Jurassiens ex-Fribourg usw. in der Deutschschweiz,
denen prospektive Arbeitgeber dringend nahelegen, Dialektkurse zu
absolvieren, weil sonst die Einstellung leider... Und das sind nicht
Provinzläden, sondern Banken, Großindustrie usw

> > > >Sonst unterstellt man ihnen "Verachtung" von - na


> > > >ja,irgendwelchen patriotischen Prinzipien.
> > Das bezog sich darauf, warum man auch die anderen zwingt, einen
> > Dialekt zu lernen.
>
> Es wird niemand gezwungen!

Wie soll man das denn nennen, s. o. "Es gibt auch Willigere, die den


Job nehmen".
"Freiwillige" Unterwerfung unter sozialen Druck?

Wenn ich nach D-Hintertupfingen ziehe, unterstellt mir auch kein
Einheimischer soziale Kälte und Arroganz, nur weil ich keinen
Lokaldialektsprachkurs besuche. Man *gehört sowieso nicht dazu*, das
kann man sich abschminken. Und wenn man 30 Jahre da lebt und jeden
duzt, *du als (Ortsname)*, grins...

> Da aber die Kinder untereinander Mundart


> sprechen, lernen die Kinder von Romands in der D-Schweiz automatisch
> auch Mundart. Hochdeutsch wird erst ab der ersten Klasse unterrichtet.

Klar. Darauf zielte ich aber nicht ab.

> > Ist doch ein Unterschied, ob ich eine übliche *Hochsprache* lernen


> > muß, oder einen Dialekt, dessen Hochsprache ich doch bereits an der
> > Schule gelernt habe, und der zB in der Verwaltung doch ausreichen
> sollte?

Bezieht sich auf den Anpassungsdruck, s. o.

(Erläuterung zur amtlichen Praxis gesnippt)

> Du kannst Dir die Schweiz wie ein Mini-Europa vorstellen (nur ohne


> Grenzen): ein Franzose, der nach Muenchen zieht, wird am Anfang auch
> Muehe haben, die Leute dort zu verstehen, sogar wenn er Deutsch
> gelernt hat.

Soo hart ist der Stadtdialekt nicht, die Höflichkeit zum Ausländer


läßt die Sprachebene wechseln (Hochsprache+Färbung) und zum Glück
ist bairisch tendenziell, ehm, von eher bedächtiger Geschwindigkeit.

>Und der Deutsche, der nach Marseille zieht, wird sein


> blaues Wunder erleben, denn sein Schulfranzoesisch wird ihm dort nicht
> viel helfen (auch dann, wenn die Leute dort ruecksichtsvollerweise auf
> _Argot_ verzichten und Franzoesisch sprechen).

Och, veng und peng, nicht soo schwer, und lustig, daß jemand aus dem


Ausland immer noch besser sei als "so ein arroganter Nordfranzose..."
Insbesondere natürlich ein Pariser Riesengroßmaul.
Und Argot und Dialektbegriffe sind in jeder Sprache für Auswärtige,
erst recht solche mit anderer Hochsprache, prohibitiv. Ist oft auch
ihr Zweck.

> > Nur mal zum Vergleich: zwingt man zB in Neuchatel einen zugezogenen


> > Holländer aus Toulouse, den Jurassien Dialekt von Neuchatel zu
> > lernen? Oder reicht auch sein Schulfranzösisch?
>
> Der Unterschied zwischen dem schweizereischen Franzoesisch und
> richtigem Franzoesisch ist wesentlich kleiner, da die Menschen hier
> Hochfranzoesisch mit regionaler Faerbung sprechen.

Ah ja. Die Frankoschweizer sind da also "moderner" in ihrer Adaption.


Obwohl sie ebenso an der Peripherie der Hochsprache zu F, wie die
(tschuldigung) DtSchweizer zu D angesiedelt sind.
Da darf man Vermutungen über inhaerente konservative Haltungen anstellen.

(snip)

> > Und einen Franzosen


> > aus mW Toulouse wird man doch auch nicht zum Jurassien Dialekt
> zwingen.

Bezog sich wieder auf das Drangsalieren mit dem ch-dt.-Dialekt, weil
Hochsprache "nicht genügt".

> Nein, sicher nicht, da 1. der Patois Jurassien praktisch ausgestorben


> ist und 2. die Muttersprache der Menschen nicht allzu weit von seiner
> Muttersprache entfernt ist! Du meine Guete, Schweizerdeutsch ist von
> Hochdeutsch weiter entfernt, als Daenisch von Norwegisch - und doch
> kaeme es niemandem in den Sinn, die beiden als ein- und dieselbe
> Sprache zu bezeichnen, oder?

1. Ja. 2. Nein, schon weil Norwegisch nur eine lokale dänische


Variante mit schwedischen Einschlägen ist, die erst mit der
Unabhängigheit ?1905 nebst eigenem Königtum forciert/konserviert,
durch Erstellung von Lehrbüchern/ausgraben von ländlichen Archaismen
wiederbelebt wurde.
Und die Unterschiede zwischen Schwedisch und Dänisch sind selbst
ziemlich gering, man versteht sich *ohne Sprachkurs*. Gerade die aus
Südschweden und besonders dem lange dänischen Schonen (die jedes WoE
erneut Kopenhagen auszutrinken versuchen... ).

> [...]


> > Na, ich weiß ja nicht, welche Färbung das Deutsche hat, daß die
> > Deutschlehrer im Jura drauf habe und an die Jurassiens vermitteln.
>
> Das kommt darauf an, wo sie ihren Sprachaufenthalt gemacht haben. Wenn
> dies in der D-Schweiz war, besteht eine gewisse Chance, dass sie
> Hochdeutsch mit Schweizer Akzent sprechen.

Das war gemeint B-)

> Hier noch ein Link zur Problematik:
> http://gewi.kfunigraz.ac.at/~muhr/oedt/schwyzrd.html
>
> Ein d-schweizer Saenger mit wunderbaren Texten, die in Hochdeutsch all
> ihren Reiz verlieren wuerden:
> Mani Matter
> http://www.geocities.com/SunsetStrip/Club/6166/mm/mm.html

Dialektsänger kommen auch in D gut (ich sage nur Badesalz, Rodgaus,


Söllner!!, Fesl, Mittermaier), und in Hochdeutsch geht
selbstverständlich der dialektale Reiz verloren.

> Liebe Gruesse aus der Minderheitskomplexgeladenen Schweiz
> (schliesslich ist die Sprache das Einzige, was uns von den _boesen_
> Deutschen unterscheidet, so lasst uns doch die Freude)
> Katharina

Das sagen auch die Engländer über Amerikaner, Österreicher über das

Florian Eichhorn

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to

Katharina Bleuer wrote:
>
> Hallo Juergen,
>
> Uff, das habe ich nun davon...
>

>

> > "WissenschafterInnen" war der erste Helvetismus Deiner
> Schriftsprache,
> > der mir aufgefallen ist. (Nicht des Binnen-I wegen, das ist m. W. am
> > staerksten durch die "taz" verbreitet worden, wenn es auch momentan
> in
> > CH wohl etwas verbreiteter sein
> > duerfte als in D.)
>
> Wieso ist Wissenschafterin ein Helvetismus? Ich gebrauche uebrigens
> das Binnen-i aus Faulheit... weil ich nicht immer Wissenschafterin und
> Wissenschafter schreiben moechte und gleichzeitig nicht die Frauen
> explizit ausschliessen (schlisslich bin in kein Wissenschafter sondern
> eine Wissenschafterin, oder?)

Weil manfrau Wissenschaft*l*erIn sagt. Jedenfalls in D.

(vgl. übrigens das schöne Wort "Gschaftlhuber" im bairischen)

(schnipp)

> [Emildeutsch ist gut - das ist genau das, was Deutsche oft fuer
> Schweizerdeutsch halten, waehrend Schweizer es fuer Hochdeutsch
> halten. Diese kehligen Laute, die so archaisch toenen, kommen
> uebrigens auch im Francais fédéral vor, also dem Franzoesisch, das
> Deutschweizer sprechen ;-) Vielen d-Schweizern faellt es tatsaechlich
> schwer, auf diese speziellen Laute zu verzichten...]

Francais fédéral - einfach Klasse, was es alles bei euch gibt.

> Nur noch eine Ungereimtheit, die mir nicht aus dem Sinn geht: wieso
> verstehen BernerInnen geschriebenes Niederlaendisch, Daenisch und
> Norwegisch? (nur das Geschriebene)? Gibt es da auch Verwandtschaften?

Wenn mans langsam und laut liest, können das wohl eine ganze Reihe
von Deutschen, Niederdeutsche wohl ganz besonders.
Wörterbuch trotzdem empfohlen. Das NL-kleur Farbe bedeutet (von
couleur?), darauf muß man erst mal kommen.

Witz am Rande: ein Ostfriese aus xy-sil erkundigt sich in Groningen,
in seinem Dialekt, nach dem Weg. Der Angesprochene gibt Auskunft und
sagt dann: "Das ihr Landeier aber auch einfach kein anständiges
Niederländisch lernen wollt!" Soviel zur Super-Eigenständigkeit.

> ZuercherInnen oder Sankt-GallerInnen tun dies uebrigens weniger -
> wahrscheinlich weil deren Dialekt naeher beim "richtigen" Deutschen
> liegt?
>
> Fragen ueber Fragen.... aber es ist spannend
> Katharina

Florian

Rudolf Ladwig

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Katharina Bleuer (kbl...@dplanet.ch) wrote in <7s7i1e$n2o$1...@pacifica.access.ch>:
>Datum : Di 21.09.99, 11:14 (erhalten: 21.09.99)

>Wann ist eine Sprache eine Sprache? Wenn sie geschrieben wird?

Warum setzt ihr kein Followup to /de/etc/sprache/deutsch?

RL

Christoph Götz

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to

Gerrit Bigalski <big...@uni-muenster.de> schrieb in im Newsbeitrag:
37f274cb...@news.uni-muenster.de...


> Wenn ich mich recht erinnere wollten die "Kleindeutschen" durchaus
> *Deutsch*-Österreich dabei haben, verlangten von den Habsburgern aber
> praktische die Aufgabe 'Slawisch-Österreichs' bzw. Abtretung an eine
> Nebenlinie; nicht sehr realistisch.

Herrschaft, Gerrit, daß ich schon wieder an Dich geraten muß - ist keine
Absicht! ;-)
Die Kleindeutschen wollten das, was 71 tatsächlich herausgekommen ist.
Die großdeutsche Lösung hätte zwei Varianten beinhaltet, wovon
allerdings die ganz große für einen Nationalstaat untauglich gewesen
wäre und die andere notwendigerweise das Ende des Habsburgischen Reiches
bedeutet hätte.

Christoph

Hans Bolte

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Michael Pronay hat wohl zuerst Blut getrunken und schrieb dann:


> Stringenz der Argumentation ist Deine Stärke nicht.

???

> Oben
> behauptest Du, dass "man Österreich und Deutschland als
> Großdeutschland bezeichnet".

Ja und weiter unten sinngemaess: "Wenn jemand meint dass ich falsch
liege, kann er mich ja verbessern.". Das tat aber nicht noetig, sondern
ich bin im Gegenteil ein paar mal wohlbegruendet bestaetigt worden(, von
Deinem "Beitrag" einmal abgesehen).

> Darauf hingewiesen, dass dies
> lediglich tiefbraune Rülpser zu tun pflegen,

War 1848 die Farbe auch schon braun, ich dachte immer Scharz-Rot-Gold?

[wueste Entgleisungen...]

> "Großdeutschland" ist nämlich auch für das
> gedankliche Konstrukt des 19. Jahrhunderts nicht gebräuchlich
> - das hieß nämlich "großdeutsche Lösung"

Und jetzt auch noch Wortklaubereien...

[...]



> Im übrigen: Österreich war in seiner gesamten Geschichte
> ganze sieben Jahre deutsch. Der Kanton (vormals Grafschaft)
> Neuenburg etwa 650 Jahre.

Und ich dachte immer der Kaiser des Heiligen Roemischen Reiches
Deutscher Nation haette jahrhundertelang sogar dort seinen Sitz gehabt,
aber
dieser Teil der Geschichte ist heute wohl nicht mehr politisch korrekt
genug ('politisch korrekt im pronayschen Sinne' natuerlich). ;-)

Hans

Hans Bolte

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
norbert chlaupek wrote:

> schwelge ruhig weiterhin in deinen groß-deutschen phantastereien,

Du meinst also es wuerde heute schon wieder Sinn machen, sich ueber die
Idee Grossdeutschland (oder damit Michael Pronay nicht gleich wieder
ausflippt: grossdeutsche Loesung) Gedanken zu machen? Hmh, darum ging es
mir
zwar nicht, aber Dein Standpunkt ist interessant. Wenn die Mehrzahl der
Bundesrepublikaner und die Mehrzahl der Oestereicher dafuer waeren:
Warum nicht? Vertragen wuerde man sich und es wuerde sicher Vorteile
bringen.

Sag ruhig mal wieder Bescheid, wenn Du eine gute Idee zu haben glaubst.
;-)

Hans

Hans Bolte

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Gerrit Bigalski wrote:
> Hans Bolte wrote:

[Geschichte des Begriffes "Great Britain". So hat das mein Englishlehrer
garantiert nicht erklaert.]

> Ähm - wie soll ich sagen - nicht alles was Englischlehrer erklären
> ist auch so ... ;-)

Eimverstanden. ;-)

> >> Klingt ja in der Theorie ganz nett, aber "Großdeutschland" ist wohl
> >> doch etwas zu nahe am "Großdeutschen Reich" als daß man es problemlos
> >> verwenden könnte.

> >Wieso?

> Findest Du nicht, daß sich die beiden Namen sehr ähneln und für
> Synonyme gehalten werden könnten? Und "Großdeutsches Reich" ist als
> offizielle (Neben-?) Bezeichnung des nationalsozialistisch
> beherrschten deutschen Staates 1938-1945 ein Begriff, der die
> 'Erblast' der 'übleren' Hälfte dieses Regimes (mit verschärfter
> Judenverfolgung / -vernichtung, diversen anderen Völkermorden,
> Euthanasie, Krieg etc.) mit sich herumschleppt.

Na ja, mit dem Dritten Reich assoziert man wohl am ehesten den Begriff
"Drittes Reich". ;-) Selbst wenn es anders waere, kann ich nicht sehen,
warum man einen alten Begriff nicht benutzen soll, nur weil die Nazis
einen so aehnlichen auch benutzt haben. Wenn man das konsequent zuende
denkt, dann muesste man so einige Begriffe abschaffen (Was ist z.B. mit
"Deutschland"?).



> Und wozu braucht man überhaupt einen Begriff für "Deutschland und
> Österreich"?

Ich habe den Begriff nicht erfunden und wollte mit ihm lediglich
unterstreichen, dass Oestereich genauso deutsch ist wie die BRD.

> Ein Begriff für den gesamten 'deutschen Sprachraum' in
> Europa (also inkl. Deutsch-Schweiz, Süd-Tirol u. Eupen-Malmedy) wäre
> ja vielleicht aus technischen Gründen noch ganz praktisch, etwas wenn
> man Service für mehrere Sprachen anbietet und etwa ein Sprach-
> 'Default' nach Adresse vorgeben will. Aber dafür "Großdeutschland"?
> Und "Großfrankreich" für Frankreich, Westschweiz und Wallonien? Und
> "Großitalien" für ...
> Nein, ich glaub' nicht.

Wie Du willst, ich wollte wie gesagt auf etwas anderes hinaus. ;-)

Hans

Hans Bolte

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Florian Eichhorn wrote:

> Witz am Rande: ein Ostfriese aus xy-sil erkundigt sich in Groningen,
> in seinem Dialekt, nach dem Weg. Der Angesprochene gibt Auskunft und
> sagt dann: "Das ihr Landeier aber auch einfach kein anständiges
> Niederländisch lernen wollt!" Soviel zur Super-Eigenständigkeit.

Ah, da will ich meinen aber auch loswerden:

Was tun Ostfriesen bei Ebbe?

(Aufloesung weiter unten.)

Sie verkaufen Grundstuecke an Oestereicher.

Hans

Tilmann Chladek

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
Florian Eichhorn <florian....@main-rheiner.de> wrote:

[...]


> In einem TV-Architektur-Essay war neulich zu sehen, daß die alte
> Schweizerbotschaft als einzige aller Botschaften den 2. Weltkrieg
> unzerstört (inkl. belle epoque Interieur) überstanden hat. Ein
> kleines Wunder, denn sonst ist in der Gegend tabula rasa.

[...]
Kleine Korrektur: Die jugoslawische Gesandtschaft (Königreich
Jugoslawien - die hatten nur einen Gesandten [Ivo Andric !], keinen
Botschafter in Berlin) am Tiergarten ist auch unzerstört. Da war
jahrzehntelang das Rückerstattungsgericht drin, jetzt ist die DGAP dort
eingezogen <www.dgap.org>. Ob die noch schräg gegenüber liegende
Außenstelle der norwegischen Botschaft auch in einem alten
Botschaftsgebäude ist, weiß ich nicht (das Gebäude selbst ist alt).
Von der ehemaligen spanischen Botschaft, auch am Tiergarten, steht
allerdings nur noch die Fassade, jetzt wird dahinter für viel Geld eine
neue Botschaft gebaut.

--
Tilmann Chladek
300 Jahre Mittelalter bloss erfunden?
Infos dazu ueber <http://www.snafu.de/~tilmann.chladek>

Pit

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
On Tue, 21 Sep 1999 17:29:17 +0200, Florian Eichhorn
<florian....@main-rheiner.de> wrote:

>> Wieso ist Wissenschafterin ein Helvetismus? Ich gebrauche uebrigens
>> das Binnen-i aus Faulheit... weil ich nicht immer Wissenschafterin und
>> Wissenschafter schreiben moechte und gleichzeitig nicht die Frauen
>> explizit ausschliessen (schlisslich bin in kein Wissenschafter sondern
>> eine Wissenschafterin, oder?)
>

>Weil manfrau Wissenschaft*l*erIn sagt. Jedenfalls in D.

Auch in Oesterreich wird diese schleissige Variante verwendet..
... was aber i.A. jedem *Wissenschafter* sauer aufstoesst.

m.blum...@cl-hh.comlink.de

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
DER ECHTE DEUTSCHE. EIN VERSUCH.

Der _Echte Deutsche_ und die Gastfreundschaft?
Der Echte Deutsche ist sehr gastfreundlich. Wenn der Echte Deutsche einen
Auslaender sieht - gleich kocht er.

Der _Echte Deutsche_ und die Freundschaft?
Des Echten Deutschen bester Freund ist nach wie vor der Echte Deutsche
Schaeferhund. Er hat so was Menschliches.

Der _Echte Deutsche_ und der Urlaub?
Das Ausland ist bekanntlich von Kellnern, netten Fischern und Taschendieben
bewohnt und dient dem Echten Deutschen daher zum Urlaub. Wenn der Echte
Deutsche aus dem Urlaub nach Hause kommt, erzaehlt er gern, wie dreckig es
dort war. Daraus kann man schliessen, dass der Echte Deutsche seinen Urlaub
am liebsten im Dreck verbringt.

Der _Echte Deutsche_ und das Essen?
Im Ausland gibt es natuerlich nur auslaendischen Frass. Zu Hause essen die
meisten Echten Deutschen dahingegen nur Echte Deutsche Sachen wie etwa
Pizza, Giros, Doener, Hamburger, Schaschlik, Pommes und Spaghetti. Zum Nach-
tisch schimpfen sie gemeinsam auf die Schbageddifresser.

Der _Echte Deutsche_ und die Staerke?
Wenn der Echte Deutsche sich stark fuehlt, fuehrte er frueher Kriege. Heute
hat er dafuer Laenderspiele. Jeder Echte Deutsche ist darum ein Fussballwelt-
meister. Ist der Echte Deutsche ausnahmsweise mal nicht Fussballweltmeister,
sind daran die Auslaender schuld. Oder der Schiedsrichter, die Sau, der be-
zeichnenderweise auch Auslaender ist. Nicht mal Oesterreicher.

Der _Echte Deutsche_ und die Guete?
Der Echte Deutsche ist sehr gutmuetig. Wenn der Echte Deutsche mal in ein Land
einmarschiert, verzeiht er das diesem Land schon nach einigen Jahren. Er sagt
dann gern, er sei jetzt wieder mehr und wer, und es muesse nach so vielen Jah-
ren endlich Gras ueber ihn wachsen. Nur ueber die Echten Deutschen Ostgebiete
darf kein Gras wachsen. Darum nennt der Echte Deutsche einen Teil seiner Neu-
geborenen amtlich auch: Vertriebene.
Dietrich Kittner


mfg Martin Blumentritt

Homepage: <http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt>

"Der Nationalismus ist eine sehr schwere Gefahr. Er ist seit Jahren
die Ursache von allem Leiden Indiens."(Rabindranath Taggore, Indien)
___
_Kein Volk * Kein Fuehrer * Kein Vaterland * Logout Fascism_

m.blum...@cl-hh.comlink.de

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
_Nationales und Eigentuemliches: groesser und duemmer und deutscher_

Der Superlativ gehoert zur Grundausstattung wie das bald schon
permanente Ptolemaeer-Festival auf den bundesdeutschen Autobahnen und
Flughaefen. Wo der Stau-Buerger zulangt, bleibt wirklich alles stehen.

Der Komparativ, Tendenz zum Superlativ, ist das teutonische
Markenzeichen schlechthin, seit der Kanzler "historische Tage"am
laufenden Band, die SPD allein deshalb historischere Tage" und
die allemal unuebertreffliche FAZ "historischste" Tage erfindet. Mit
diesem Superlativ werden die Herren so unsterblich und unausrottbar
wie jene Pennaeler-Witze, die seit Kaiser Wilhelms Zeiten um die
"Toetesten" und die "Schwangersten" herum gebastelt werden. Frage:
"Wie heisst der Komparativ von peinlich?" Antwort: "Frankfurter
Allgemeine Zeitung. Zeitung fuer Deutschland."

Groesser und duemmer und deutscher soll die Republik werden - und wir in
ihr mit ihr; dieses groessere und duemmere und deutschere Deutschland
(GDD statt BRD) wirft zwar allenthalben Schatten voraus(Rentnerarmut,
Bauernsterben, Bodenspekulation, Massenarbeitslosigkeit), aber das
hindert den von der Staatserhaltung auf die Staatserweiterung
umgeschwenkten Chor der Fast-Allparteien-Koalition in Bonn nicht
daran, das Feuer zu schueren, mit dem der rohe Stoff aus
opportunistischen, indifferenten und abweichenden Interessen,
Geschichten und Erwartungen zur ebenso alters-starrsinnigen wie
marktschluepfrigen Zombie-Fusion ("Zusammenwachsen") amalgamiert
werden soll, bevor der maessig kritische Demos sein Votum abgeben darf.
Allparteien-Motto: Demokratie ist, wenn Stiere Nasenringe appliziert
bekommen, solange sie pennen. Nur ein richtiges "Wahlrecht" ergibt
"richtige" Wahlresultate. Die "Falschen" werden im Vorfeld juristisch
erledigt: Bismarck hat, bevor er zur Keule des Sozialistengesetzes
griff, die sozialdemokratisches Opposition mit ausgetuefftelter
Wahlkreisgeometrie niedergehalten. In SPD-Wahlkreisen brauchte man
fuer einen Sitz im Reichstag ein Mehrfaches an Stimmen im Vergleich zu
buergerlichen oder gar konservative-ostelbischen Wahlkreisen. Die
Erinnerung daran ist bei der Jet-Set-SPD verloren gegangen. Keine
groessere Oppositionspartei hat in den letzten 50 Jahren eine so
erbaermliche Rolle gespielt wie die SPD in den letzten Monaten.

Neben diesem Sommertheater geht es um Handfestes - also Eigentum.
Der Vertreter der "Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzerverbaende
e.V." in der FAZ-Redaktion - der Berufs-Dresdner F.K.Fromme - blaest
die Melodie vor: die Enteignung des agraischen Grossgrundbesitzes nach
1945 in der SBZ, also die einzige demokratische Bodenreform auf
deutschem Boden, soll revidiert werden. Um das zu begruenden, muss die
Geschichte des deutschen Grossagrariertums umgeschrieben werden.
Dieses Junkertum, das spaetestens seit der Zoll- und Agrarpolitik
Bismarcks in den 70er Jahren zur parasitaeren Kaste wurde und sich
buchstaeblich an den ueberhoehten Lebensmitteln krankfrass, kriegt nun
eine zivilisatorische Rolle zugeschrieben (Rittergueter als
"kulturelles Zentrum in ihrem Umkreis"). Wie diese Kultur ausgesehen
hat, kann man nachlesen: "Reitpferde, ein paar Gespanne Wagenpferde,
ein Dutzend Kutschen, ein gefuellter Weinkeller, eine gepflegte Jagd,
gute Jagddiners, die Soehne Corpsstudenten oder Kavallerieoffiziere -
das galt als "selbstverstaendlich". Getraute sich ein in "peinlicher
Abhaengigkeit" gehaltener Hauslehrer den reitenden, jagenden,
fischenden und saufenden Jung-Junkern ueber den engen Horizont der
Alt-Junker hinausgehende Aufklaerung zu vermitteln, waren seine Tage
gezaehlt. Hellmut von Gerlach ("Erinnerungen eines Junkers", Berlin
o.J.) hat das kulturelle Niveau dieser Kaste dargestellt als "Schule
zielbewusster Alkoholgewoehung". Sehr viele Rittergutsbesitzer waren
nicht einmal ordentliche Landwirte mit entsprechendem Wissen, sondern
ausgemusterte Offiziere, die die Landwirtschaft ihren Verwaltern
ueberliessen und mit Guetern schamlos spekulierten ohne jede Ruecksicht
auf "Ihre Leute". An Kultur nichts nennenswertes, und Frommes
Bildchen vom Rittergut als Bibliothek findet man nicht einmal in den
reichlich sentimentalen Publikationen der interessierten
Agrarierpresse im Kaiserreich. Junker wie der vortreffliche
Oldenburg-Januschau haben offener gesagt, worum es diesen
Herrenreitern ging - z.B. im Verhaeltnis zu den polnischen
Landarbeitern: "Mir genuegte es, wenn die Angehoerigen des polnischen
Volkstums ihre Pflichten als preussische Staatsbuerger ehrlich
nachkamen. Ich war nicht der Meinung, dass es galt, diese Menschen
auszurotten. Sie lieferten fuer unsere Armee brauchbares
Menschenmaterial." Ueblicher Junkerton, zu dessen kulturellem Standard
passt, dass die preussischen Konservativen - die parlamentarische
Vertretung der Gross-Agrarier - 1900 das Jahrhundertwerk des
"Buergerlichen Gesetzbuches" scheitern lassen wollten, weil es ihre
Land und Leute verwuesteten Jagdrechte etwas einschraenkte. Die Flinte,
die Hunde- und die Reitpeitsche sind die wesentlichen
zivilisatorischen Instrumente, mit denen die Junker vertraut waren.
Dass es unter ihnen auch ein paar Ausnahmen gab - die unter ihren
bornierten Klassengenossen entsprechend zu leiden hatten wie der
Glumbowitzer Graf Pourtalčs - ist so unbestritten wie die Tatsache,
dass nicht gerade allem wenn auch ganz erhebliche Teile der Kaste
kraeftig mitwirkten bei der Installierung des Nationalsozialismus. Als
Reaktionaere von altem Schrot und Korn, hatten zwar viele von ihnen
Muehe mit den plebejischen Umgangsformen der Nazis, machten jedoch mit
diesen bald ihren Frieden wie ihrer aller Vorbild, der
Generalfeldmarschall Hindenburg mit dem Anstreicher und Gefreiten
Hitler. Die Formierung des Widerstands der Adligen belegt keineswegs
die Regel, die hiess Kollaboration, Opportunismus und Duldung, sondern
die Ausnahme. -Die Enteignung und Vertreibung nach 1945, bei der die
meisten Junker mit dem Leben davon kamen und im Westen die Haende
oeffneten fuer Lastenausgleichs- und andere Zahlungen, nennt Fromme
heute "barbarisch"(FAZ 23.7.90) -groesser und duemmer und deutscher soll
die Welt werden.

Aber wir sollen noch viel duemmer werden, um eingereiht werden zu
koennen im groesseren Deutschland. Das neu lackierte Geschichtsbild war
nur der Aufgallopp im nationalen Concours. Am gleichen Tag empfahl
einer Nationalismus pur als "Medizin" (G.P.Hefty FAZ 23.7.90). Auch
der kriegt eine glitzernde Verpackung und soll unter der Firma
"zeitgemaesser" bzw. "aufgeklaerter Nationalismus" als "die Idee von der
Verwirklichung des nationalen Interesses" den Lesern das Bewusstsein
vernebeln. Kein Fusel ist mittlerweile zu ordinaer und zu billig, um
nicht auf der ersten Seite der FAZ wahlweise als Heil- oder
Genussmittel aufzutauchen.

Die kosmetische Aufbereitung des Nationalismus vermag allerdings den
verbrecherischer Wahnsinn, der in dessen Namen angezettelt worden ist
und angezettelt wird, nicht restlose abzudecken. Der Autor behilft
sich deshalb mit einem Trick: sowenig der Sozialismus mit dem
Leninismus-Stalinismus zusammenfalle, sowenig seien Nationalismus und
Nationalsozialismus identisch. Jenes ist richtig, und dieses hat
ausser der RAF und einigen versprengten Oberlehrer-Leninisten gar
niemand behauptet. Zu unterscheiden waere in historischer Sicht
allenfalls zwischen nationaler Befreiung und Nationalismus, und dabei
zeigt sich bald, dass bisher noch jede nationale Befreiung staendig in
und mit der Gefahr lebte, in den nationalistischen Fahnen- und
Blutssumpf abzugleiten. Und die Authentizitaet nationaler Befreiung
waere allemal daran zu messen, inwiefern es ihr gelungen ist, solcher
Versumpfung und Verbiesterung mit geschichtlich angemessenen Mitteln
zu wehren. Dagegen duerfte es ziemlich schwer sein zu belegen, dass das
nationalistische Beiwerk emanzipatorischer Bewegungen Produktives
hervorgebracht hat. Im Gegenteil. Seit der Geburtstunde des
Nationalismus in der Franzoesischen Revolution wurde noch jede
nationalistische Verpuppung nationaler, politischer und sozialer
Befreiung erst zur Verraeterin, dann zur Totengraeberin der
intendierten Befreiung.

Keine Schimaere scheint dauerhafter zu sein als jene, wonach der
Nationalstaat die gleichsam natuerliche Lebensform der europaeischen
Voelker sei. Erstens waren schon im Jahrhundert der sog.
Nationalstaaten die wenigstens Staaten tatsaechlich Nationalstaaten,
und zweitens impliziert diese Nationalstaatsideologie einige geradezu
gemeingefaehrliche Identifizierung von Staat und Nation, so als ob in
Europa - von wenigen isolierten Landstrichen abgesehen - nicht seit
Jahrhunderten Menschen verschiedener Nationalitaet, Abstammung und
Herkunft in Staaten oder staatsaehnlichen Gebilden zusammenlebten.

Die historische Bilanz des "Rechts" auf nationale Selbstbestimmung
muss endgueltig erst noch gezogen werden. Jede Diskussion ist
hinfaellig, wenn man begrifflich nicht unterscheidet zwischen dem
Selbstbestimmungsrecht, das man seit Rousseau und Kant
vernuenftigerweise auf Individuuen bezieht, Volkssouveraenitaet und der
fictio juris unter der Firma "nationales Selbstbestimmungsrecht".

Der Begriff "Volk" im Wort "Volkssouveraenitaet" meint kein voelkisches,
rassisches oder durch Herkunft definiertes Substrat, sondern ein
politisches: das Volk im politischen Sinne bilden die autonomen,
rechtsfaehigen Buerger, die ihre Sache selbst in die Hand nehmen und
ueber sich selbst bestimmen. Nun gibt es natuerlich in der realen
Geschichte kein politisches Subjekt namens "Volk", das nicht zugleich
"voelkische Qualitaeten" im Sinne von bestimmter Sprache, Tradition und
Herkunft besaesse. Fuer den politischen Begriff der "Volkssouveraenitaet"
sind die trivialen empirischen Bestaende, dass jemand deutsch spricht,
deutsch sprechende Vorfahren besitzt und vielleicht ueber die einen
oder anderen kulturellen Traditionsbestaende verfuegt, jedoch
untergeordnete Momente. "Volkssouveraenitaet" meint eben nicht, wie ein
langlebiges, keineswegs exklusiv deutsches Vorurteil meint,
"voelkische Souveraenitaet". Die vulgaere Lesart des politischen
Programms der Aufklaerung ist hierzulande nur aus durchsichtigen
Gruenden sehr langlebig und populaer. Politische Autonomie, so die
Rechtsstaatstheorie der Aufklaerung, sollte gerade nicht mehr laenger
gekoppelt werden mit wichtigen, aber politisch unerheblichen Momenten
wie Geburt, Sprache, Tradition und Herkommen, sondern allen Subjekten
gleichermassen zustehen. Am Ursprung der Volkssouveraenitaet - also in
der amerikanischen Revolution des 18. Jahrhunderts - standen Subjekte
unterschiedlicher Sprache, Abstammung, Tradition und Herkunft, die
aber bei der Proklamation des modernen Rechtsstaates keine Rolle
spielten. Dass man gleichzeitig versklavten Schwarzen und die
eingeborenen indianischen Voelker (und allen Frauen) aus der
Selbstbestimmung der autonomen Buerger hinausdefiniert, beruht primaer
nicht auf einem voelkisch-nationalistischen Verstaendnis von
Volkssouveraenitaet, sondern auf einem eurozentrisch-patriarachalischen
Ueberlegenheitsgehabe, das sich als alleinigen und kompetenten
Verwalter des zivilisatorischen Fortschritts aufspielte.

Die zentrale Frage lautet, ob die Nation als unscharf definiertes
Gebilde gemeinsamer Herkunft, Sprache und Kultur ueberhaupt dazu
taugt, politisch vertraegliche, kollektive Identitaeten auszubilden und
zu tragen. Ich bezweifele das; geschichtlich sind so mehr Monstren
beschworen, Verbrechen begangen und Phantasmagorien errichtet worden
als mit allen Kruecken der Identitaetsbildung zusammen. So viel zum
imfamen Versuch Heftys, die wirklich unzaehligen Opfer
nationalistischer Politik auf der ganzen Welt, aber besonders die
Opfer von deutschen Regierungen entfesselten Weltkriegen, gegen "Die
Vernichtungsfeldzuege des Internationalismus" buchhalterisch
aufzurechnen, um den neudeutschen Nationalismus salonfaehig zu machen.
Ganz abgesehen von den trostlosen Erfahrungen mit der Geschichte
national begruendeter Wahngebilde ist die Frage nach der Nation und
ihrer angeblich herstellbaren Einheit heute schlicht anachronistisch
und provinziell. Der Nationalismus, vor den Karren der Bruesseler
Euro-Buerokraten-Kalkuele gespannt, ist weiter nichts als ein
ideologisches Beruhigungsmittel fuer jene, die dereinst merken werden,
dass ihnen ausser Fahnenschwenken und der Folklore nur die Funktion als
Warenloch fuer den Exportweltmeister uebrig geblieben sein wird im
Europa der 90er Jahre. Und im Inneren der deutschen Staaten gibt die
nationalistische Ideologie den Mist und die Jauche ab, mit denen man
das "Zusammenwachsen" foerdert.

Ludi Ludovico in: Links 9/90

mfg Martin Blumentritt

Homepage: <http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt>

"Die finstere Dummheit dieses Teutonengeschmeisses. Ich moechte
keine Deutschen mehr sehen"(Karin Feddersen, Supermodell der 70er)

m.blum...@cl-hh.comlink.de

unread,
Sep 21, 1999, 3:00:00 AM9/21/99
to
*Zur Frage was ist ein Deutscher*

"Wir sind Deutsche - was seid ihr?"
Ueber das Recht auf nationale Selbstbestimmung
und die Pflicht zur totalen Herrschaft

Der Nationalwahn, der eine Zeitlang nur am Rockzipfel von Abendland
und NATO ganz hinten in der Tuerkei sich austoben konnte, die
Leidenschaftlichkeit der Volksstaemme, die sich bislang in bestenfalls
folkloristisch relevante Reservate von Armenien uebers Amselfeld bis
Irland und vom Baskenland ueber Tirol und Schlesien bis nach Litauen
abgeschoben fuehlte - Wahn und Volk haben ihr organisches Zentrum,
ihre leibliche Mitte wiedergefunden: die Wuestenei um das Brandenburger
Tor und den Reichstag, eine Gegend, die immer noch so oede und so leer
aussieht, wie sie, aller Wahrscheinlichkeit nach, schon bald wieder
sein wird.

Die schlichtweg umwerfende und hinreissend niederschmetternde
Einheitsfront, die darauf gegruendet ist, dass sich alle gegeneinander
auf den gleichen Rechtstitel berufen, bereitet den Untergang vor: Ob
einer, wie im rechtsradikalen Schmierenblaettchen _Europa vorn_, die
"Selbstbestimmung fuer Tirol" fordert oder einer lieber die Basken mit
dem mao-stalinistischen Slogan "Voelker wollen Befreiung" charmiert,
bleibt die unerhebliche Geschmacksfrage, ueber die sich unbedingt
streiten muss. Was dem Staatsbuerger als blossen Konsumenten im System
des Pluralismus polizeilich untersagt ist; den Nachbarn mit seiner
Vorliebe fuers Deodorant der Marke XY um Schlaf und Verstand zu
bringen, genau das wird ihm als Kleinaktionaer der je nationalen
"Solidargemeinschaft" (Helmut Kohl) mit allen Nachdruck gestattet.
Wer der Werbung fuer ein Produkt der _absoluten_ Spitzenklasse bis zur
Bereitschaft auf den Leim geht, etwaigen Kostveraechtern seiner
Lieblingsware den Krieg zu erklaeren, der kommt in die Klappsmuehle;
wer aber der Nationalreklame sich verweigert und das Volk XY, das
aber das seine zu sein hat, als Ware minderer Guete verschmaeht, der
wird als _Relativist_ gescholten und exkommuniziert. So nimmt die
Masse der nur zeitweilig mit produktiven Aufgaben betrauten
Staatsbuerger, die einstmalige Klasse der mittlerweile "abhaengig
Beschaeftigten", im Bewusstsein ihrer je individuellen gesellschaftlich
organisierten Ueberfluessigkeit dankend das Angebot an, sich nuetzlich
zu machen und zur Belohnung sich einmal selbst "unabkoemmlich" melden
zu duerfen. Der Nationalwahn, die Ideologie der atomisierten Masse,
mehr in Schwung als die allseits sorgsam kaschierte und gleichwohl
alle maechtig nervende Wahrheit, dass man gegen die geballte Macht von
Kapital und Staat als Mensch ein Nichts, als Staatsbuerger meist wenig
mehr als Niemand, als Volksgenosse jedoch ein immer gern gesehener
Mitmacher ist. Das "Volk ohne Angst", das der _Spiegel_ im Osten
entdeckte, bezieht seine Energie und durchschlagende Wucht aus der
namenlosen Angst der Einzelnen, die ihn zur Vorwaertsverteidigung
mobilisiert. Der selber pathologische Charakter des Versuchs, die
buergerliche Krankheit der sozialen Nullitaet mit einer gehoerigen Dosis
"nationaler Identitaet" zu kurieren, besteht im Gesundbeten der
Krankheit, im Wunderglauben der abgeklaerten
Kommunikationsgesellschaft, eine Luege werde dadurch wahr, dass alle
sie unter Eid als Wahrheit bezeugen. Nur ist es damit unter Umstaenden
noch nicht getan. Denn was _der originaere Nationalismus_, wie er
unter Demokraten gang und gebe ist, in der Reklame fuers _Modell
Deutschland_ hoeflich verschweigt, das muss dem Individuum im
Ausnahmefall, der die Krise ist, die gesteigerte und selbstbewusste
Form dieses Nationalismus, _der Nationalsozialismus_, auf den Kopf
zusagen, auch wenn es das Individuum vermutlich eben diesen kosten
wird: _Du bist nichts, Dein Volk ist alles!_

Weil aber die autonome Verfuegung uebers unverwechselbar eigene Wesen,
die das Recht auf nationale Selbstbestimmung_ ausmachen soll. schon
daran scheitern muss, dass keiner weiss, _was das eigentlich sein soll:
deutsch_, darum gesellt sich zur Verblendung die Enttaeuschung, und
dem individuell erzwungenen Wahn folgt die kollektiv gewollte Wut.
Das _deutsche Wesen_, das doch so ungeheuer positiv sein soll, kann
nirgends anders sich zur Geltung bringen als in der Verfolgung, kann
unmoeglich anders sich darstellen als ex negativo in der Fahndung nach
dem "Undeutschen". Der Wille zur Identitaet erzwingt als seine
Rechtfertigung und sein gutes Gewissen die Vorstellung, man muesse die
"Minderwertigen" verfolgen und die "Ueberwertigen" vernichten, damit
das eigene Wesen freie Bahn bekommt. Der Nationalist ist daher die
"verfolgende Unschuld"(Karl Kraus) in Person. _Er_ ist es, der sich
umzingelt und verfolgt waehnt; _er_ setzt sich daher, wie es das
Parteiprogramm der _Republikaner_ will, "fuer das Lebensrecht und die
Menschenrechte aller Deutschen ein" - so energisch, als organisierten
die Juden und die Tuerken _schon wieder_ den Teutozid; _er_ fordert
die Wiedervereinigung "auf Grund des - _auch_ fuer das deutsche Volk
geltenden - freien Selbstbestimmungsrechts", als wuerde es
_ausgerechnet ihm_ verweigert. Wie zum Hohn aber demomstriert ihn
gerade sein heiligster Ort das absehbare Ergebnis seines neuerlichen
Drangs nach nationaler Selbstverwirklichung: die Ruinenstaette ueber
dem Fuehrerbunker, die die letzte Volksgemeinschaft hinterliess, ist
die Architektur der deutschen Utopie. Und so ist dem Stakkato der
"Wir sind Deutsche! Wir sind Deutsche!" - Sprechchoere aus Leipzig,
der neuen Hauptstadt der Bewegung, schon die verzweifelte Wut
abzulauschen, dass dieses Mal wieder nichts daraus wird - nichts ausser
Mord, Totschlag und Vernichtung.

Wer nicht weiss, dass etwas _gar nicht ist_, der muss, deutscher Logik
zufolge, wollen, dass es _unbedingt sein soll_. So wird aus Herkunft
Zukunft, und aus Dummheit Philosophie. Wie der metaphysische Durst
der Deutschen auf ihr wahres Wesen in einem zuenftigen Besaeufnis zu
stillen sei, das hat der Nationalpraeses Richard Weizsaecker in seiner
volksgemeinschaftskundebuchreifen Rede gegen den 8.Mai 1945 schlagend
demonstriert. "Die Deutschen und ihre Identitaet - zwei Fragen damit
zusammengefasst. Die eine heisst: Ich gehoere zu einem Volk, dem
deutschen Volk. Welche Merkmale haben _wir Deutsche als Volk?_ sodann
aber und _das ist die zweite Frage, bin ich ein Mensch". Dass nach der
zweiten das Fragezeichen fehlt, liegt nicht an des Praeses mangelnder
Grammatik, sondern dass das "deutsch fuehlen" und Deutsch koennen
einander notwendig ausschliessen: Die Ideologie des Nationalwahns
spricht sich gerade gegen die aus, macht genau die Deutschtumslehrer
zu Verbalidioten, die sich auf Sprache und Kultur, auf Goethe und
Turnvater Jahn maechtig viel einbilden. Aus Weizsaeckers
fragezeichenloser Schoenhuberei folgt klipp und klar, dass die Leute
blosse Exemplare der Gattung "Deutsche" sind, sich dementsprechend
aufzufuehren haben und sich, als bloede Attrappen und Erscheinungen des
deutschen Wesens, nicht etwa als Gesellschaft, sondern _als ein und
einiges Volk_ zu benehmen haben. Dieser Regel fuer voelkischen Benimm
ist der Mensch als Deutscher ein sprechender Affe, der dazu ermuntert
wird, ausser Almosen, Bananen und Wuestenrot vom Leben nichts mehr zu
erwarten und aus Dankbarkeit dafuer wie besessen am Leierkasten der
Nationalhymne zu kurbeln.

Auf die Frage: was ist deutsch_? kann weder so noch so, nicht im
Schluss vom Schein aufs Wesen noch in der Folgerung vom Wesen auf den
Schein eine Antwort gegeben werden. Dass ein glattes Nichts keine
Fragen stellen und keine Antworten geben kann - das kommt den Dealern
der legalen Droge "Volk" und ihrem Boss mehr als nur gelegen. Denn das
"deutsche" Wesen wuerde nichts taugen, es waere abartig und
minderwertig, koennte es so penibel definieren wie es das
Strafgesetzbuch mit Mord und Totschlag tut. Was der Justiz recht und
billig ist: alles fein saeuberlich ins passende Kaestchen, das ist dem
Nationalstaat, der Reklame machen muss, viel zu rationalistisch: Im
System des Nationalwahns gilt nur der Satz "Undeutsch ist und weg
muss, wer..." als schluessiger Beweis, und darum hat man 1945 ff. die
Moerder laufen lassen muessen, weil man fuer ihre undeutsche Haltung
partout kein einziges gerichtsverwertbares Indiz und Zeugen nur vom
Hoerensagen finden konnte. Deutsche Wesensschau und arische Esoterik
verabscheuen das Greifbare und Konkrete, weil man handfest werden
will. Richard Weizsaecker hat, wie alle postmodernen Patrioten, seine
Lektion aus der politischen Pleite von Hitlers Lehrmeister, Goetz Lanz
von Liebenfels, gelernt: Der ging politisch bankrott und ein anderer
hat der Fuehrer werden muessen, weil Lanz, befangen darin, "deutsch" zu
definieren, sein Zentralorgan _Ostara_ eine Zeitschrift _fuer Blonde_
nannte. Wer es allzu genau wissen will, der verdirbt sich den Markt.
Die Zeitung hat eine _Allgemeine_ zu sein, denn Glatzkoepfe sollen
auch mitmachen, und das Wesen der Deutschen hat in der Schwebe zu
bleiben, weil die deutschen Grenzen erst noch definitiv nach den
Vorgaben von mindestens 1937 festgelegt werden muessen. Aus Herkunft
und Abstammung sollen Zukunft und Vernichtung werden. Also sagt
Weizsaecker, es sei einzig "unsere Sache, dem Begriff 'deutsch' einen
Inhalt zu geben. Mein Deutschsein ist kein unentrinnbares Schicksal,
es ist eine Aufgabe". Erst wenn die Undeutschen ihrem Schicksal nicht
mehr entkommen koennen, ist die Hausaufgabe: Beantwortung der
deutschen Frage, fuers Wesen befriedigend geloest.

Vorerst begnuegt sich der demokratische Nationalismus damit, die
ideologischen Fetzen fuer die Schnitzeljagd auf's voelkische
Losungswort:: Rasse allerorts auszustreuen. Es mag immerhin sein, dass
der Praeses nicht weiss, was er sagt, und dass ihm die Ideologie im
Unbewussten sitzt, so tief, dass die dialektische Theorie der
Charaktermaske stimmen wuerde, und dass er tatsaechlich, einmal als
Mensch betrachtet, besser und vernuenftiger waere, als dies seine
"Rolle" als deutscher Politiker glauben macht. Aber _die objektive
Logik_ geht ueber derlei Kleinkram und inneren Vorbehalt hinweg. Der
Teufel ist ein Eichhoernchen, und die Nationalexorzisten vom Schlag
Schoenhuber und schlimmer sind die faktischen und legitimen Kinder des
Praeses. Vor dem 9.November 1989, allerdings _der_ "Tag der
Deutschen", ging es darum, Staat und Volk auf die Fahndung nach der
verlorenen "nationalen Identitaet" zu schicken; jetzt mitten im
kleinlauten Zusammenbruch des Staatskapitalismus im Osten, steht die
Erkenntnis an, dass kaum etwas verloren ging und in Zukunft
unentrinnbaren Aufgaben en masse zu bewaeltigen sind. Medium und Motor
dessen ist die allgemein um sich greifende Sucht, seinen Senf zur
Definition des deutschen Wesens zu geben, ein Nationalgebrabbel, das
zum irrsinnigen Getoese anschwillt. Die Sinngebung des gar nicht
vorhandenen schreitet voran; der Wunsch, zu wissen, _was das
eigentlich ist_ und _was das bedeuten mag_ deutsch, Volk, Nation,
wird zum Trieb, zur Sucht. Wo dunkler Rauch aufsteigt, da muss
einfach ein Feuer lodern, sonst war alles umsonst. So zuendet man es
an und heizt ein. Gerade wer sich zu kurz gekommen fuehlt, will sich
hervortun und eine neue - seine Definition von Nation durchsetzen: So
wird, im Kampf um Geschmacksfragen und nichts als Meinungen, _das eine
und einzigartige Volk_ tatsaechlich produziert - als
Volksgemeinschaft, so, wie es seinem Begriff praktisch entspricht,
als blinder und gewalttaetiger Naturzusammenhang. Ameisenstaaten sind
schlagkraeftiger, als humane Gesellschaften es waeren, die Einheit,
Disziplin, zentrales Kommando und Volkssouveraenitaet als Inbegriff von
Hierarchie noch nicht einmal dem Namen nach kennen wuerden. Die im
Abseits sich Waehnenden brueten menschenfreundliche Begriffsfuellungen
aus. So der Sozialdemokrat Eppler am "Tag der Deutschen Einheit"
1989 vor versammelten Parlament: "Zu einer Nation gehoert, wer sich
dazu bekennt". Das klingt nett: Ein Herz fuer Auslaender. Aber es kommt
der nationalen Ideologie auf diesen oder irgendeinen anderen Inhalt
gar nicht an - Hauptsache, die Frage, _wer gehoert vielleicht dazu_,
wann, warum und wieso, inwiefern und inwieweit, _und wer garantiert
nicht_, wird mit Interesse erwogen, akademisch bedacht und am
Brandenburger Tor heiss diskutiert: Der Rest - die politische
Entscheidung - wird sich finden, wenn es dem Kapital not - und dem
Profit guttut. Es geht um die Frage als solcher, und um gar keine
Antwort. In ihr steckt schon der Terror, die Selektion. Das "Raetsel
der Nation", ueber das der Geopolitiker Rudolf Kjellen in den
zwanziger Jahren gerne mit Rudolf Hess spekulierte, kennt nur eine
formale Loesung, die eben als formale schon genug ist: "Die Nation im
Verhaeltnis zu _ihren_ Mitgliedern ist die Person, die _alle_ ihnen
gemeinsamen Eigenschaften besitzt und _nur diese_" Solche allgemeine
Qualitaet kann nichts sein, was _im Leben_ eines wirklichen
Individuums statthaette - nicht die Sprache, denn wer beherrscht die
schon? Weizsaecker? Nicht die Kultur, denn welcher Deutsche versteht
schon Kant, Hegel, Marx? Habermas? Und nicht das Blondhaar. Und so
weiter und so fort: Einheit ist nicht in Sicht. Es kann sich nur um
eine dem konkreten Individuum voellig fremde, ganz und gar abstrakte,
unvorstellbare Allgemeinheit handeln, vor der aller gleicher sind als
gleich, _nicht als Gleichgedachte, sondern als Gleichzumachende_:
ihre Sterblichkeit, genauer, weil ja die Nation nur irdisches
Seelentrost bereithaelt, ihre _Umbringbarkeit_.

Mord liegt in der theoretischen Perspektive der ideologischen Form
selbst; Totschlag wartet am Ende der schieden Bahn, auf der Nation,
ihrem Begriff getreu, immer schon steht, laengst bevor irgendeiner
daran gedacht hat, den Meinungstausch uebernationale Fragen ins Rollen
zu bringen. Nicht jeder Ideologe zieht auch persoenlich die praktische
Konsequenz des Gedankens, aber jeder hilft, sie vorzubereiten. Wer
aber, wie der Vorwaerts-Leitartikler Peter Brandt, der Ansicht ist,
"das Nationale existiert an und fuer sich nicht"(1/1990, 8), der hat
in einem recht und zugleich sein Teil am Wahn: Es existiert
tatsaechlich nicht - gerade darum muss es der Staat durchsetzen. Der
Staat ist "das Nationale an und fuer sich" - _die Produktion des
Homogenen Staatsvolkes_ im Prozess der Gleichmacherei. Scheinbar human
will er die Gleichheit aller als Staatsbuerger vor dem Recht, und
wesentlich toedlich zielt er auf die Gleichheit aller als
Volksgenossen vor der "Rasse". Im Nationalismus feiert sich der Staat
als Subjekt, als heroische Persoenlichkeit und souveraener Uebermensch;
unbegreiflich aber bleibt ihm und seinem Volk, warum unumschraenkte
Souveraenitaet und entfesselte Ausbeutung ueberhaupt funktionieren. Das
"Raetsel der Nation" kann - in letzter Instanz - nur im Maerchen vom
Blut dargestellt werden, als Erzaehlung, der man lauscht, nicht als
Erklaerung, die man versteht. Die Theorie vom Staat als des
Repraesentanten des souveraenen Volkes, das sich durch ihn als sein
Mittel und Instrument rechtmaessig selbstbestimmt, muendet so in eine
"Philosophie des Blutes", die ueber diese "rational unfassbare Macht,
die die Einheit der Menschen gleichen Wesens erzwingt", spekuliert.

Weil niemand weiss, wie da Ganze, das bekanntlich die Unwahrheit ist,
in Wirklichkeit gleichwohl zu funktionieren vermag, muss der Wahn
definitorisch zwangsrationalisiert werden - eine Mythenproduktion hebt
an, an der systematisch teilhat, wer, wie Peter Brand, wie
entmaoisierte Gruene oder wie immer noch stalinisierte Linke, der
guten Hoffnung ist, irgendwo im Nationalwahn verberge sich "der
subversive, demokratische Rest der nationalen Empfindung der
Volksmassen" (Dorothee Soelle). Die Suche danach ist schon die ganze
Entdeckung, oder, weil Sozialdemokraten das vielleicht verstehen, das
Ziel ist das Nichts, der Weg ist alles. Die "Subversion" liegt aber
an anderer Stelle, liegt in den Gruenden der Popularitaet des Praeses
begraben. Als nationaler Ideologe Mittelmass, steht Richard von
Weizsaecker fuer eine einsame Rasse, ist er das Guete- und Frischesiegel
deutscher Genealogie. So edel deutsch wie er denkt jeder, so
nachweisbar deutschtuemlichen Adels ist kaum einer. In der
Anerkennung, de dem Praeses auch seitens einer sonst auf demokratische
Egalitaet so ueberaus bedachten Linken entgegengebracht wird, west _die
falsche, die barbarische Subversion der bloss formalen Gleichheit_.
Der Begeisterung fuer sein Talent, "hueben" alles und jeden zu
repraesentieren, entspricht "drueben" der Hass auf die Genossen, den die
sich zwar redlich verdient haben, und der ihnen doch aus ganz falschen
Gruenden zuteil wird: Sie werden dafuer bestraft, dass sie keine
Volksgenossen sind.

"Deutschland umarmt sich"(Bild, 11.11.89), kommt zu sich und um den
Verstand. Die Parole "Wir sind Deutsche - was seid ihr", von der
Badischen Zeitung(3.1.90) berichtet, sie stamme von Leipziger
Skinheads, roehrt aus den tiefsten Empfindungen der niemals geteilten
Volksseele. Hier spricht man "deutsch" und meint: "Wir sind alle von
Weizsaeckerschem Adel - was seid ihr? Proleten" Was ist das deutsche
Volk? _Alles_! Was stellt es heute dar? _Ein schaebiges Etwas!_ Was
begehrt es zu sein? Nichts!"

aus: Joachim Bruhn, Was deutsch ist. Zur kritischen Theorie der
Nation. ISBN 3-924627-38-X


mfg Martin Blumentritt

Homepage: <http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt>

"Jude sein heisst, sich staendig der 'Endloesung als einer Wirklichkeit
von gestern und einer Moeglichkeit von morgen bewusst zu sein."(Jean
Améry)

Erdmann R. Roehl

unread,
Sep 22, 1999, 3:00:00 AM9/22/99
to
On Tue, 21 Sep 1999 23:47:42 +0200, tilmann...@snafu.de (Tilmann
Chladek) wrote:

>eingezogen <www.dgap.org>. Ob die noch schräg gegenüber liegende
>Außenstelle der norwegischen Botschaft auch in einem alten
>Botschaftsgebäude ist, weiß ich nicht (das Gebäude selbst ist alt).

Der norwegische Botschafter hat bereits den Neubau in der Rauchstraße
bezogen, und die Außenstelle ist somit aufgelöst worden.

Alle skandinavischen Länder (Dänemark, Finnland, Island, Norwegen,
Schweden) haben gemeinsam auf einem großen Grundstück Ihre
Botschaftsgebäude errichtet, die mit einem Kupferband verbunden sind.

Gruss
Erdmann

Florian Eichhorn

unread,
Sep 22, 1999, 3:00:00 AM9/22/99
to
Die Info bezog sich auf das alte Botschafts*viertel*. Gehörte
Tiergarten (ick bin keen Balina) dazu?
Was ist mit Inneneinrichtung (Plünderung 45, bei CH nicht der Fall),
Besitzerwechsel?
An demolierten Botschaften gab es zB noch die Bauten des "neuen
Berlin" für Japan und Italien, die renoviert wurden/werden,
Denkmäler dessen, was uns mit dem projektierten Germania erspart
geblieben ist.

Florian

Tilmann Chladek wrote:
>
> Florian Eichhorn <florian....@main-rheiner.de> wrote:
>
> [...]

> > In einem TV-Architektur-Essay war neulich zu sehen, daß die alte
> > Schweizerbotschaft als einzige aller Botschaften den 2. Weltkrieg
> > unzerstört (inkl. belle epoque Interieur) überstanden hat. Ein
> > kleines Wunder, denn sonst ist in der Gegend tabula rasa.

> [...]
> Kleine Korrektur: Die jugoslawische Gesandtschaft (Königreich
> Jugoslawien - die hatten nur einen Gesandten [Ivo Andric !], keinen
> Botschafter in Berlin) am Tiergarten ist auch unzerstört. Da war
> jahrzehntelang das Rückerstattungsgericht drin, jetzt ist die DGAP dort

> eingezogen <www.dgap.org>. Ob die noch schräg gegenüber liegende
> Außenstelle der norwegischen Botschaft auch in einem alten
> Botschaftsgebäude ist, weiß ich nicht (das Gebäude selbst ist alt).

> Von der ehemaligen spanischen Botschaft, auch am Tiergarten, steht
> allerdings nur noch die Fassade, jetzt wird dahinter für viel Geld eine
> neue Botschaft gebaut.
>
> --
> Tilmann Chladek
> 300 Jahre Mittelalter bloss erfunden?
> Infos dazu ueber <http://www.snafu.de/~tilmann.chladek>

--

Guenter Lelarge

unread,
Sep 22, 1999, 3:00:00 AM9/22/99
to
<m.blum...@cl-hh.comlink.de> wrote:

> Nur ueber die Echten Deutschen Ostgebiete darf kein Gras wachsen. Darum nennt

> der Echte Deutsche einen Teil seiner Neugeborenen amtlich auch: Vertriebene.
> Dietrich Kittner

Über mehr als 2 Millionen Opfer der Vertreibung macht man keine blöden
Witze!

[Umerziehung] "... Wollte man wirklich für alle Zeiten eine
Wiederbelebung des aggressiven deutschen Volkscharakters verhindern,
mußte man mehr erzeugen als ein massenhaftes Gefühl der Kollektivschuld
an den Kriegsverbrechen Hitlers. Man mußte die Kollektivschuld sogar für
die Kinder und Kindeskinder bejahen.

Es genügte auch nicht, jede Frage nach etwaigen Kriegs'verbrechen der
Alliierten, zum Beispiel die Zerstörung Dresdens und nahezu aller
deutschen Großstädte, die Frage nach den Millionen von Opfern bei der
Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei und Polen -
jahrzehntelang zu verbieten und zu einem gesellschaftlichen Tabuthema zu
erklären. Wenn man die deutsche Gefahr ein für allemal aus der Welt
verbannen wollte, mußten die Deutschen selbst daran mitwirken, ihre
geschichtliche Identität zu zerstören und damit ihr
Zusammengehörigkeitsgefühl und ihre Selbstachtung zu verlieren.

Nicht die Fähigkeit zu trauern war gefragt, sondern die Unfähigkeit zu
lieben: weder sich selbst, noch seine Sprache, seine Kultur, seine
Sitten oder gar seine Geschichte. Ja, die Geschichte selbst mußte
gewissermaßen aus dem Bewußtsein getrieben werden. Es durfte eigentlich
nie ein deutsches Volk gegeben haben und nie eine deutsche Nation, nie
eine deutsche Sprach- und Kulturgemeinschaft und infolgedessen auch
keine gemeinsame Geschichte, erst recht kein deutsches Reich, es sei
denn das von Preußen mit Blut und Eisen zusammengeschmiedete Reich
Bismarcks, das man unschwer als Vorstufe zu Hitlers Drittem Reich
interpretieren könnte."

(Klaus Rainer Röhl in "Riesen und Wurzelzwerge. Das Dilemma der
deutschen Linken, München 1999)

--
http://www.lelarge.de/

Knut Hoppe

unread,
Sep 22, 1999, 3:00:00 AM9/22/99
to

>
> > Und wozu braucht man überhaupt einen Begriff für "Deutschland und
> > Österreich"?
>
> Ich habe den Begriff nicht erfunden und wollte mit ihm lediglich
> unterstreichen, dass Oestereich genauso deutsch ist wie die BRD.
>

Österreich ist aber nicht "genauso deutsch" wie die BRD. Sonst hätte es
keine Bundesländer, sondern wäre eines!
`Geschichte´ scheint einige Menschen, nebenbei gesagt, immer wieder
anzuregen, alte und überholte Zustände wiederherstellen zu wollen.
So fand ich einige Teile der bisherigen Diskussion sehr interessant
(z.B. die Sprachforschungslinie), andererseits immer wieder diese
Vermischung zwischen Vergangenem und Heutigem! Dazu ein Zitat:
"Freiheit für Deutschland - der Kaukasus bleibt unser! Verein
vertriebener Westgoten" <Dieter Hildebrandt auf einen ähnlich
lautenden Ausspruch von herrn Hupka bzgl. Schlesiens>
Bitte unterscheidet doch in der weiteren Diskussion, was "ein(e)
Deutsche(r)" WAR und was jetzt der/die jetzt IST.
Dazu noch ein Vorschlag: Für den Sprachbereich gibt es schon einen
Ausdruck: "Deuschsprachige(r)". Also braucht es den Ausdruck
"Großdeutsche(r)" dafür nicht, zumal auch alle deutschsrachigen
AmerikanerInnen (!) und VenezulanerInnen (!) damit getroffen sind,
ebenso wie Banater Schwaben undundund!
Für den staatlichen Bereich wurde schon die einzig noch gültige
Definition des Grundgesetzes erwähnt.
Und für die "Seele" gilt: Wer/Welche sich deutsch fühlt und sagt "Ich
bin deutsch", soll es auch sein! Schön, daß uns nach all den unschönen
Großdeutschen Ereignissen ;-) noch jemand mag. Herzlich willkommen bei
uns Deutschen!
Knut (Schwedischer Name, westfälische, französische, pommersche,
Berliner und schwäbische Vorfahren und -


- EUROPÄER!

Martin Heening

unread,
Sep 22, 1999, 3:00:00 AM9/22/99
to
Michael Pronay <pro...@teleweb.at> schrieb in im Newsbeitrag:
IiIF3.17859$BG6....@news.chello.at...
> Hans Bolte schrieb
> >> >... Aehnlich ist es mit Deutschland und Oestereich, die
> >> >man zusammen auch (oder nur) als Grossdeutschland bezeichnet.

> Aber auch Dein versuchter Rückzieher wird zu einem klassischen
> Selbstfaller: "Großdeutschland" ist nämlich auch für das


> gedankliche Konstrukt des 19. Jahrhunderts nicht gebräuchlich

> - das hieß nämlich "großdeutsche Lösung" (im Gegensatz zur
> "kleindeutschen Lösung"). Mit "Großdeutschland" ist
> ausschließlich das Deutschland der Zeit 1938/39 bis 1945
> gemeint.

Ich wüßte auch nicht, daß Großdeutschland eine wissenschaftlich oder
politisch aktuell noch verwendete Bezeichnung der beiden Staaten ist.
Das Problem des Begriffes "großdeutsch" ist sein Bedeutungswandel: Im
Umfeld der Probleme der deutschen Nationalstaatsbildung im 19.
Jahrhundert ist "großdeutsche" lediglich der Terminus technicus für eine
nationalstaatliche Lösung der deutschen Frage unter Einschluß zumindest
Deutsch-Österreichs (wie es damals zur Abgrenzung gegenüber den nicht
von Deutschen bewohnten Gebieten der Habsburgermonarchie gennant wurde -
man dürfte sich hierbei etwa das Territorium des heutigen Österreich
sowie mgw. umstrittene Gebiete Böhmens vorstellen). Die Alternative, die
Lösung ohne die überwiegend von Deutschen bewohnten Gebiete des
Habsburgerreiches unter Führung Preußens, wie sie sich dann kurzfristig
1849 andeutete und seit 1866 endgültig realisierte, wurde als
"kleindeutsch" bezeichnet.

Hierbei steht es völlig außer Frage, daß sich die damalige
deutschsprachige Bevölkerung im Habsburgerstaat als Deutsche ansah - war
man ja eigentlich in gewissem Sinne sogar "Kernland" als Gebiet, in dem
die Habsburger als Dauer-Regierungsdynastie des "Heiligen Römischen
Reiches deutscher Nation" in Wien über Jahrhunderte ihre Schaltzentrale
eingerichtet hatte.
Dieses Fühlen als Deutsche manifestiert sich dann wieder nach dem
Auseinanderbrechen des Habsburgerreiches nach dem 1. Weltkrieg, als die
Deutsch-Österreichischen Gebiete ihren Anschluß an das Deutsche Reich
proklamieren (da die nichtdeutschen Gebiete der Monarchie ja auch ihre
eigenen neuen Nationalstaaten bildeten), was von den Siegermächten des
1. WK allerdings nicht gestattet wird. Hinter diesem Verbot, das sogar
vertraglich verankert wurde, steckte die Absicht, das deutsche Reich
nicht noch nachträglich durch territorialen Gewinn zu einem "Sieger" des
Krieges zu machen. Dennoch bleibt in der politischen Diskussion
Deutschlands und des neugebildeten Staatswesens "Österreich" diese
Diskussion offen; so gab es Ende der 20er Jahre auch die Idee einer
Zollunion zwischen beiden Staaten. Die Idee einer "großdeutschen Lösung"
der deutschen Frage wurde also durchaus als angemessen und realisierbar
angesehen.

Dies erklärt auch, warum der alte Begriff "großdeutsch" dann schließlich
in die Propaganda der Nazis einfließt. Im Fall des Anschlusses von
Österreich muß man festhalten, daß ein Beitritt der österreichischen
Gebiete zu einem deutschen Nationalstaat sicherlich für die damalige
Bevölkerung in ihrer Mehrheit nicht als widernatürlich angesehen wurde.
Das Problem war lediglich, daß es sich nach 1933 beim Deutschen Reich
nicht mehr um die Republik handelte, sondern daß ein Beitritt nun eine
Eingliederung in die NS-Diktatur bedeuten würde. Dem versuchten
zahlreiche Politiker Österreichs nun gegenzusteuern durch Betonung eines
autoritären national-österreichischen Kurses (Stichwort:
Austro-Faschismus). Als 1938 der Einmarsch deutscher Truppen nach
Österreich erfolgte, war die staatsrechtliche Angliederung an das
Deutsche Reich, die nun propagandistisch unter Verwendung des
gewachsenen und bekannten Begriffs "großdeutsch" erfolgte, dennoch auch
für die Popularität der Nazis ein großer Erfolg, da man ja für sich
verbuchen konnte, die rund 100 Jahre existierende Frage "Kann und soll
Österreich in den deutschen Nationalstaat eingebaut werden?" endlich
gelöst zu haben.

Der Begriff "Großdeutsches Reich" hatte dabei noch den Vorteil, daß er,
abgesehen vom rein historischen Begriffsinhalt, eben den Begriff der
Größe des Reiches suggerierte und als Anspruch formulierte - hier also
einen klaren Begriffswandel nahm.
Dies führte auch dazu, daß nach dem 2. Weltkrieg der Begriff keine
ernsthafte Renaissance fand. Österreich war froh, aus der
Hitler-Vergangenheit herauszukommen, indem man sich - mit mehr oder
weniger Erfolg - als "erstes Opfer der Nazis" hinzustellen suchte.
Gleichzeitig ermöglichte der Staatsvertrag 1955, das Gebiet Österreichs
als Einheit zu erhalten. Diese beiden Faktoren führten wohl erst zu
einer österreichischen "nationalen Identität" - die Idee, sich als
kulturell und politisch als "deutsch" zu fühlen, hatte sich aufgrund der
historischen Entwicklung für Österreich endgültig diskreditiert.
In Deutschland stellte der Faktor Österreich nach dem Krieg ebenfalls
keine reale Größe mehr hinsichtlich eines deutschen Staatswesens dar;
entscheidende Fragen hinsichtlich des Umfanges und Aussehens einer
nationalstaatlichen Lösung für Deutschlands sind vielmehr die Fragen der
Grenzziehung auf Grundlage der Grenzen von Januar 38 oder der (zunächst
provisorischen) des Sommers 45.
Eine gewisse Sonderrolle unter den Historikern nimmt in der Frage
Österreichs K.D. Erdmann ein, der Österreich immer noch als Bestandteil
der deutschen Nation mitführt.

> Im übrigen: Österreich war in seiner gesamten Geschichte
> ganze sieben Jahre deutsch

In der Tat, zu einem deutschen Nationalstaat hat Österreich nur 7 Jahre
lang gehört. "Deutsch" hingegen war Österreich eigentlich bereits seit
seiner Gründung, was sich nicht nur in seiner Sprachlichkeit und
ethnologischen Zusammensetzung (AFAIK bajuwarische Sprach- und
Volksgruppe) äußert, sondern auch natürlich (in abgeschwächter Form)
politisch in seiner integralen Zugehörigkeit zum Heiligen Römischen
Reich deutscher Nation, was zumindest nach 1648 mit gewissen Ausnahmen
bezüglich Böhmens einen Indikator darstellt.

Für den entscheidenden Bruch in dieser Traditionslinie haben
paradoxerweise ausgerechnet die 7 Jahre geführt, in denen Österreich
tatsächlich zu einem deutschen Nationalstaat gehörte - denn diesen
Erfolg haben die Nazis tatsächlich gehabt: daß Österreich eine eigene
politische und nationale Identität entwickeln konnte - in Abgrenzung zu
ihnen.

Da es ja hier üblich zu werden scheint, frühere Lehrer zu zitieren, will
ich hier nicht zurückstehen und meinen früheren Deutsch- und
Geschichtslehrer zitieren:
"Mozart war kein Österreicher, Mozart war Deutscher! Hitler war
Österreicher..." Zumindest staatsrechtlich nicht ganz von der Hand zu
weisen...

Gruß
Martin
--
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Visit my Guestbook: http://www.myweb.de/guest?D=Ricarda-11904

Juergen Grosse

unread,
Sep 22, 1999, 3:00:00 AM9/22/99
to
Katharina Bleuer schrieb:

Hallo Katharina,

...


> Ist das Niederdeutsch das, was allgemein als "Plattdeutsch" bezeichnet
> wird?

Ja.

> Das ist zugegebenermassen eine schlimmere Halskrankheit als
> unser Berndeutsch!

Definiere "Halskrankheit" ;-) ! Ich wuerde es so umschreiben: "Eine
Sprache oder ein Dialekt kann dann als 'Halskrankheit' bezeichnet
werde, wenn gutturale, uvulare und pharyngale Frikative oder
Affrikaten in ihm haeufiger auftreten als in der Alltagssprache
dessen, der die Klassifikation als 'Halskrankheit' vornimmt."
Ist das eine Definition auf die wir uns einigen koennen?

Nun gibt es im Niederdeutschen aber nur _zwei_ Moeglichkeiten fuer
einen gutturalen Frikativ, denen bei stammverwandten
schweizerdeutschen Worten solch ein Laut _nicht_ entspricht. Es
handelt sich um Worte, bei denen hochdeutschem "g" ein dunkler Vokal
vorangeht, wobei in intervokalischer Position die frikative Aussprache
(wie neugriechische "ghamma") durchaus nicht bei allen Niederdeutschen
vorherrscht.

Hochdeutsch _und_ schweizerdeutsch einen gutturalen Reibelaut spricht
man - im Gegensatz zum Niederdeutschen - da, wo germanisches "k" zu
"ch" lautverschoben wurde, wie in "mache(n)", im niederdeutschen steht
hier ein "k".

Einen gutturalen Frikativ spricht man im schweizerdeutschen (im
Gegensatz zum Hochdeutschen und zum Niederdeutschen) 1. am Wortanfang,
wo das "k" im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Dialekten
lautverschoben wurde, und 2. im Wortinneren und am Wortende, wo das
Hochdeutsche (und nur bei germanisch urspruenglichem "h"/"ch" auch das
Niederdeutsche) wegen des vorangehenden Konsonanten oder hellen Vokals
ein palatales "ch" hat.

Niederdeutsch ist also nie und nimmer eine Halskrankheit! ;-)

(Fuer das Niederlaendische sieht dies natuerlich etwas anders aus,
hier wird jedes "g" und "ch" als gutturaler Reibelaut gesprochen.)

> Da funktioniert mein eingebauter "Dialektadapter"
> im Kopf auch nicht mehr... Bei Badischen, Schwaebischen oder
> Elsaessischen habe ich weniger Muehe. Das Elsaessische ist ja, wie das
> Bernerisch, mit franzoesischen Ausdruecken durchzogen (die
> langjaehrige Besetzung der Schweiz durch Napoleon, d.h. Frankreich und
> deren Einfluss auf die Schweizer Dialekte wurde ja noch nicht
> angesprochen) und somit ein wenig einfacher als die anderen.

Die Verstaendlichkeit hat aber sicher mehr damit zu tun, dass die
Dialekte von vornherein naeher miteinander verwandt sind.
Franzoesischen Einfluss gibt es auch im Niederdeutschen und staerker
in allen deutschen Dialekten, die an franzoesisches Sprachgebiet
grenzen.

...
> > Von Dir genannte grammatische Neuerungen (Verlust des Genitivs, des
> > Imperfekts, Relativsaetze mit "wo") sind keinesfalls typisch
> > schweizerisch. Von der letzten abgesehen (auch die gibt es durchaus
> > in binnendeutschen Dialekten), koennte man sie sogar fast als
> > gemeindeutsch bezeichnen.
>
> Das kann ich keineswegs beurteilen, da das Hochdeutsch, das wir hier
> zu hoeren bekommen, 1. die Sprache der Literatur ist (was man halt so
> in der Schule zu lesen gezwungen wird) und 2. die Sprache von RTL und
> SAT1...

Kaum jemand wuerde sagen: "Gestern maehte ich den Rasen meines
Nachbarn, welcher sich das Bein bebrochen hatte." Die allermeisten
sagen (natuerlich mehr oder weniger mundartlich eingefaerbt): "Gestern
hab' ich den Rasen von meinem Nachbarn gemaeht,..." gelegentlich
hoerst Du auch "meinem Nachbarn seinen Rasen" oder "(der), wo sich das
Bein ..." (Wenn ich selber relativ nachlaessig spreche, lautet es etwa
so: "Gestan happichn Rasn vommeim Nachbaan gemeht. Dea hatsichas Bein
gebrochn.") Imperfekt und Genitiv sind in den meisten deutschen
Umgangssprachen, nicht nur in den Dialekten, tot oder liegen zumindest
im Sterben.

...

> Wieso ist Wissenschafterin ein Helvetismus?

Das wurde hier schon genannt, des fehlenden "l" wegen. Die l-lose Form
ist absolut korrekte Schweizer hochdeutsche Schriftsprache, sie ist
nicht falscher als englisches oder amerikanisches "luggage" oder
"baggage", "lift" oder "elevator". Aber sie ist in D ungebraeuchlich,
wenn auch nicht falsch. in A sterbend. Zu den Unterschieden CH / BRD
in der hochdeutschen Schriftsprache finde ich das Duden-Taschenbuch
"Wie sagt man in der Schweiz?" ganz hilfreich. Einige Wendungen in
einem meiner Lieblingsbuecher "Weltgeist Superstar" von P.M. kann ein
Binnendeutscher ohne dieses Buch gar nicht problemlos verstehen.

[Binnen-I]
Ein Thema fuer sich. Ich habe selber viele Jahre so geschrieben, weil
ein Verein, in dessen Vorstand ich bis vor kurzem war, dies so
beschlossen hatte. Vielleicht laesst sich das Topic in
de.etc.sprache.deutsch einmal gruendlicher diskutieren.

...


> Irgendwo habe ich die Definitionen der Begriffe "Volk", "Nation",
> "Nationalitaet", "Ethnie", usw. aufgeschrieben. Das wuerde den Rahmen
> hier sprengen, also bitte nachschauen unter
> http://www.dplanet.ch/users/kbleuer/Memliz/Teil2.htm

Im Augenblick habe ich nicht soviel Zeit dafuer, aber zum Wochenende
werde ich mir das einmal anschauen.

...


> > auch ein raetoromanischer Dialekt in CH als "ladinisch" bezeichnet
> > wird) "Nationalitaeten" nennen, auch auf die Raetoromanen zutreffen?
>
> Ethnie = ja, Nationalitaet = eher nicht (da letztere nun doch mit dem
> Begriff Nation zusammenhaengt; eine Ethnie kann also nur Nationalitaet
> sein, wenn irgendwo diese Ethnie ueber einen Staat verfuegt, in dem
> sie die Bevoelkerungsmehrheit stellt).

Diese Begriffe werden wohl ueberall unterschiedlich benutzt. Im alten
Jugoslawien gab es "Nationen" (ohne eigenen Staat ausserhalb, aber mit
eigener Republik innerhalb von YU), "Nationalitaeten" (die etwas
groesseren Gruppen, die anderswo einen Nationalstaat hatten, Ungarn
und Albaner) und "ethnische Gruppen" (kleinere Gruppen, auch hierunter
waren solche, denen ein Nationalstaat entsprach, etwa die Tuerken). In
der Sowjetunion waren alle Gruppen "Nationalitaeten", unabhaengig von
der Kopfzahl und der Existenz von Nationalstaaten ausserhalb der SU.

Viele "ethnische" oder wie immer wir es nennen moegen Gruppen, die
ueber keinen Nationalstaat oder auch ueberhaupt keine Form politischer
oder kultureller Autonomie verfuegen, legen sehr viel Wert darauf, als
"Nation" oder "Nationalitaet" angesehen zu werden. Natuerlich ist die
Selbstbeschreibung innerhalb dieser Gruppen haeufig nicht so recht
einheitlich, es gibt Katalanen, Kurden, Friesen etc., die sehr viel
Wert auf die Feststellung legen, sie seien eigentlich _keine_ Spanier,
Tuerken / Iraker oder Niederlaender / Deutsche, es gibt andererseits
auch Angehoerige dieser Ethnien, die sich in erster Linie ueber ihre
Pass-Identitaet definieren wuerden.

Letztlich laeuft es wieder auf eine Definitionsfrage hinaus, "Was ist
eine Nation(alitaet)?". Die Beantwortung dieser Frage haengt oft (aber
nicht zwingend) mit der - nun allerdings keine Definitionsfrage mehr
darstellenden - Frage "Wollen wir Unabhaengigkeit, Autonomie oder was
auch immer?" zusammen.

...


> Mir ist schon aufgefallen, dass im D-Fernsehen Leute mit gewissen
> Dialekten untertitelt werden. Wir lachen uns dabei des oeftern
> Traenen, weil wir relativ gut verstehen, was da gesprochen wird...

Das ist mir bislang eher selten aufgefallen, es liegt vielleicht
daran, dass ich beim Fernsehen oft nur hinhoere und dabei lese.

...


> > den allermeisten Situationen beherrschen. Wollte ich nicht als
> > Auslaender auffallen, so muesste ich versuchen, franzoesisch zu
> > sprechen, wollte ich mir nicht die Muehe machen, einen Dialekt zu
> > erlernen.
>
> Was ja auch ziemlich schwierig waere (siehe nach unter "Halskrankeit")

Mit der Phonetik haette ich persoenlich wahrscheinlich weniger
Probleme, wenn man mir eine gute phonetische Beschreibung (narrow
transcription und so) gaebe. Der Wortschatz, der ja auch ganz
erhebliche Abweichungen zeigt, wuerde mich mehr abschrecken.

...


> > vielleicht schon die Regel. Die Schweizer Sprachsituation ist zum
> > Teil auch einfach durch dieses Gefaelle zu erklaeren.
>
> Teilweise vielleicht. Aber der Hauptteil der Erklaerung liegt
> wahrscheinlich schon bei der Abgrenzung gegenueber dem "Big brother
> Germany" - vor allem weil ansonsten die kulturellen Unterschiede
> relativ klein sind (es gibt sogar Kuckucksuhren in Deutschland).

Ich haette geschworen, die kommen aus dem Schwarzwald. ;-) (Ehrlich!)

> > Korrigiere mich, wenn ich es falsch sehe: Es gibt in CH verschieden
> > stark dialektal eingefaerbte Versionen des Schriftdeutschen.
>
> Richtig: je nachdem wo die sprechende Person herkommt, toent auch ihr
> Hochdeutsch anders.

...


> Der Hauptunterschied zwischen dem gesprochenen Deutschem Hochdeutsch
> und Schweizerischem Hochdeutsch liegt wahrscheinlich in der Betonung
> der Woerter (und vor allem der Fremdwoerter). An dem erkennt ihr dann
> sofort den Schweizer, auch wenn er ansonsten perfektes Hochdeutsch
> spricht (Schweizer betonen auf einer der ersten Silben, Deutsche in
> der Regel auf der letzten Silbe).

Das ist nicht ganz das, was ich meinte. Ich wollte nicht auf die
unterschiedliche _regionale_ Einfaerbung des Schweizer Hochdeutschen
abheben, vielmehr darauf, dass das Hochdeutsch _unterschiedlich stark_
schweizerisch eingefaerbt ist, mit dem einen Extrem Buehnendeutsch
(man hoert _nicht_, dass der Sprecher Schweizer ist) und dem anderen
Extrem "Emil-Deutsch" (extrem starke Einfaerbung, die der unkundige
Binnendeutsche fuer Schweizerdeutsch haelt).

...


> > aus, inklusive korrekter schweizerdeutscher Endungen und Vorsilben
>
> Gut beobachtet! Diese Leute *denken* nicht in Hochdeutsch - sie lesen
> irgendwo einen Text ab und simultanuebersetzen ihn dann, indem sie
> Wort fuer Wort in den jeweiligen Dialekt uebersetzen. Das toent
> schrecklich, ist weder Fisch noch Vogel. Ich bin der Meinung, diese
> Leute sollten - wenn sie denn schon ablesen muessen - Schriftdeutsch
> sprechen.

Ich glaube nicht, das alles, was fuer mich so klingt, abgelesen ist.
Eben gerade (na ja, eigentlich gestern, ich werde erst morgen abend
dazu kommen, dies fertig zu schreiben) sah und hoerte ich auf 3sat ein
Interview mit einem Swissair-Sprecher, das offenbar spontan gefuehrt
wurde. Dennoch haette man sich die Synchronisation fast sparen
koennen. Die Worte waren Schweizerdeutsch, Wortbildung und Satzbau
waren aber so, dass man die Worte auch Schriftdeutsch haette
niederschreiben koennen.

Gerade komme ich aus Berlin, wo ich an einem Hearing teilgenommen
habe. Neben mir sass ein Schweizer (Geschaeftsfuehrer der deutschen
Niederlassung eines Schweizer Pharmakonzerns), der schriftdeutsch mit
_sehr_ starkem Schweizer Akzent sprach. Zwischen diesem stark durch
Schweizer Phonetik gepraegten Schriftdeutsch und dem stark durch
schriftdeutsche Syntax gepraegten Schweizerdeutsch des
Swissair-Sprechers liegen nicht mehr unbedingt Welten, aber ich denke,
es gibt derzeit auch keinen fliessenden Uebergang, wie es in anderen
deutschsprachigen Regionen der Fall waere.

...


> uebrigens auch im Francais fédéral vor, also dem Franzoesisch, das
> Deutschweizer sprechen ;-) Vielen d-Schweizern faellt es tatsaechlich
> schwer, auf diese speziellen Laute zu verzichten...]

Wie sieht es mit englischen Fremdwoertern aus? Call-girl, coming out,
car sharing etc., wird da auch "ch" oder "kch" gesprochen? (In der
Toscana ist es z. T. so, die "gorgia toscana" vergreift sich auch an
Fremdwoertern, manche sagen "Hoha Hola" oder "Chocha Chola".)

...


> > trennt uns sicher auch noch einiges, die Diskontinuitaeten sind aber
> > gewiss nicht staerker als im niederdeutschen Sprachgebiet (wobei ich
> > zugebe, dass dies hier linguistische, bei Euch aber soziologische
> > Gruende hat).
>
> Ich denke, man kann die heutige Sprachentwicklung nicht mehr
> vergleichen mit der Sprachentwicklung des Mittelalters. Heute gibt es
> Einfluesse, die damals nicht stattgefunden haben: Massenmedien,
> Globalisierung, "Veramerikasierung",... Da muss ja das Kontinuum
> verlorengehen.

Ich meinte nicht das "horizontale" Kontinuum von Flensburg bis Bozen,
ich meinte das "vertikale" Kontinuum zwischen reinem Dialekt und
Hochdeutsch. So ein Kontinuum existiert in den meisten Regionen der
BRD. Je nach Alter und Bildungsstand des Sprechers, Sprechsituation
etc. wird anders gesprochen, ohne dass Du sagen koenntest, hier hoert
der Dialekt auf, und hier beginnt die Schriftsprache. Der Uebergang
ist fliessend. Durch Massenmedien etc. verliert der Dialekt natuerlich
an Boden, aber es entstehen keine Diskontinuitaeten. In CH hast Du
IMHO eine Diskontinuitaet, meine Frage ist die, ob diese stabil ist.
Der Faktor, der sie stabilisiert, ist aus meiner Sicht der _Wille_,
sie beizubehalten.

Aber kann das Schweizerdeutsch durch schriftdeutsche Einfluesse soweit
"kontaminiert" werden, dass eine Form entsteht (nicht vorherrscht),
von der man nicht mehr sagen kann, dass sie eindeutig schriftdeutsch
oder eindeutig schweizerdeutsch waere? Oder gibt es puristische
Tendenzen, die dem entgegenwirken wuerden?

...


> Nur noch eine Ungereimtheit, die mir nicht aus dem Sinn geht: wieso
> verstehen BernerInnen geschriebenes Niederlaendisch, Daenisch und
> Norwegisch? (nur das Geschriebene)? Gibt es da auch Verwandtschaften?
> ZuercherInnen oder Sankt-GallerInnen tun dies uebrigens weniger -
> wahrscheinlich weil deren Dialekt naeher beim "richtigen" Deutschen
> liegt?

Keine Ahnung. Ich wuerde das zunaechst einmal als "urban legend"
einstufen. Deutsch, Schweizerdeutsch (unabhaengig davon, ob wir es nun
als Sprache oder als Dialekt einstufen), Niederlaendisch, Afrikaans
und Jiddisch sind ja doch so eng miteinander verwandt, dass eine
Kenntnis der einen dem Verstaendnis der anderen Sprache zumindest
hilfreich ist. Da wir beim Lesen mehr Zeit haben, koennen Sprecher
dieser Sprachen auch viele Worte der anderen Sprache lesen, zumal,
wenn ihnen ein paar Lautgesetze bekannt sind (bei Jiddisch setzt dies
natuerlich Kenntnis des hebraeischen Alphabets voraus). Von
"verstehen" (ausser zwischen Niederlaendisch und Afrikaans) wuerde ich
zwar nicht unbedingt sprechen, "Verstaendnis erleichtern" trifft es
eher.

Daenisch, (beide) Norwegisch und Schwedisch _erscheinen_
Deutschsprachigen gelegentlich relativ eng verwandt, jedenfalls enger
als Islaendisch und Faeringisch. Dies liegt nicht in erster Linie
daran, dass es germanische Sprachen sind (_dann_ muessten auch
Islaendisch und Faeringisch vertrauter erscheinen), es liegt daran,
dass die festlandsskandinavischen Sprachen sehr viele Lehnwoerter aus
dem Niederdeutschen (und einige aus dem Hochdeutschen) enthalten, die
zum groessten Teil zu Zeiten der Hanse entlehnt wurden.

Aber weshalb nun gerade BernerInnen da einen Vorteil haben sollen?
Gibt es da Literatur? Interessieren wuerde es mich, aber zur
Beurteilung fehlen mir die Grundlagen, ich komme fruehestens in einer
Woche in eine Bibliothek, in der das "Schweizerische Idiotikon" steht,
vielleicht kann man dann weiter sehen.

Tschues, Juergen

Peter Lösch

unread,
Sep 22, 1999, 3:00:00 AM9/22/99
to Guenter Lelarge
was offensichtlich auch gelungen ist


PL

Guenter Lelarge schrieb:

Florian Eichhorn

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
Will nur noch eine Anekdote beisteuern.

Juergen Grosse wrote:
>
> Katharina Bleuer schrieb:
>
> Hallo Katharina,
>
> ...
> > Ist das Niederdeutsch das, was allgemein als "Plattdeutsch" bezeichnet
> > wird?
>

(snip)


>
> Niederdeutsch ist also nie und nimmer eine Halskrankheit! ;-)

Genau.

> (Fuer das Niederlaendische sieht dies natuerlich etwas anders aus,
> hier wird jedes "g" und "ch" als gutturaler Reibelaut gesprochen.)

Chenau.

(snip)

> [Binnen-I]
> Ein Thema fuer sich. Ich habe selber viele Jahre so geschrieben, weil
> ein Verein, in dessen Vorstand ich bis vor kurzem war, dies so
> beschlossen hatte. Vielleicht laesst sich das Topic in
> de.etc.sprache.deutsch einmal gruendlicher diskutieren.

Mal davon abgesehen, daß rechtliche und wirtschaftliche
Gleichstellung entscheidend sind, und nicht Sprachregelungen.

Berlin, 80er Jahre. Eine besonders strikte Frau der AL bestand auf
der Sprachregelung Mensch/In.
Kommentierte ein männlicher AL-Kollege: "Sie ist sicher keine dumme
Nuss. Aber vielleicht eine dumme Nüssin?"

Florian
--
********************************************
:-D This is a 100% Apple Macintosh™ processed message.
Escape the dark side (Psycho NT - Gill Bates Motel). Instead,
visit "www.jonimitchell.com" - and have a good time. Natch!

Katharina Bleuer

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
Liebe Juergen,

[snip]

> Definiere "Halskrankheit" ;-) ! Ich wuerde es so umschreiben: "Eine
> Sprache oder ein Dialekt kann dann als 'Halskrankheit' bezeichnet
> werde, wenn gutturale, uvulare und pharyngale Frikative oder
> Affrikaten in ihm haeufiger auftreten als in der Alltagssprache
> dessen, der die Klassifikation als 'Halskrankheit' vornimmt."
> Ist das eine Definition auf die wir uns einigen koennen?

Ach du meine Guete, da ich nur jedes zweite Wort der Definition
verstehe, muss ich wohl zustimmen, oder?

[da ich auch in meinem Duden keine genauere Erklaerung fuer
glutturales Frikativ gefunden habe, kann ich Dir kaum widersprechen]

> Niederdeutsch ist also nie und nimmer eine Halskrankheit! ;-)

Sollte es sich bei dem glutturalen Frikativ - so vermute ich - um ein
hinten im Hals artikuliertes "chchchchch" handeln, so koennte das
Niederdeutsch doch Halskrankheiten und -entzuendungen hervorrufen bei
Leuten, die aufgrund ihrer zivilisierten Sprache keine Hornhaut in
dieser Halsgegend bilden konnten.

> (Fuer das Niederlaendische sieht dies natuerlich etwas anders aus,
> hier wird jedes "g" und "ch" als gutturaler Reibelaut gesprochen.)

Also doch "chchchch"

[franzoesische Einfluesse = logisch, die Sprachgrenzen sind ja nicht
mit dem Lineal gezogen - das gilt uebrigens auch umgekehrt, weil da wo
ich wohne sagen sie schon mal "le katz de mon vattre a bouffé le
speck"]

[...][


> Kaum jemand wuerde sagen: "Gestern maehte ich den Rasen meines
> Nachbarn, welcher sich das Bein bebrochen hatte." Die allermeisten
> sagen (natuerlich mehr oder weniger mundartlich eingefaerbt):
"Gestern
> hab' ich den Rasen von meinem Nachbarn gemaeht,..." gelegentlich
> hoerst Du auch "meinem Nachbarn seinen Rasen" oder "(der), wo sich
das
> Bein ..." (Wenn ich selber relativ nachlaessig spreche, lautet es
etwa
> so: "Gestan happichn Rasn vommeim Nachbaan gemeht. Dea hatsichas
Bein
> gebrochn.")

Wie waers mit "geschter hani am naachbuur wo sech ds bei proche het si
raase gmäit" ? Obwohl auch das kuenstlich toent (kuerzere Saetze
werden vorgezogen und Nebensaetze vermieden). Eher wahrscheinlich:
"geschter hani am naachbuur si raase gmäit - dä wosech ds bei proche
het" (Schweizerdeutsch - und vor allem das als langsam verleumdete
Berndeutsch - ist sehr minimalistisch angelegt!)

> Imperfekt und Genitiv sind in den meisten deutschen
> Umgangssprachen, nicht nur in den Dialekten, tot oder liegen
zumindest
> im Sterben.

So gruenden wir denn einen Verein zur Foerderung vom aussterbenden
Genitiv!

> > Wieso ist Wissenschafterin ein Helvetismus?
>
> Das wurde hier schon genannt, des fehlenden "l" wegen. Die l-lose
Form
> ist absolut korrekte Schweizer hochdeutsche Schriftsprache,

Frueher habe ich "WissenschaftLLLLLerin" gesagt, das wurde mir aber in
der Schule immer rot angestrichen...

> sie ist
> nicht falscher als englisches oder amerikanisches "luggage" oder
> "baggage", "lift" oder "elevator". Aber sie ist in D
ungebraeuchlich,
> wenn auch nicht falsch. in A sterbend. Zu den Unterschieden CH / BRD
> in der hochdeutschen Schriftsprache finde ich das Duden-Taschenbuch
> "Wie sagt man in der Schweiz?" ganz hilfreich.

Dann muss ich mir das Buch dringend besorgen - schliesslich wirbt
meine Firma mit dem Slogan "im Gegensatz zu allen anderen schreiben
wir RICHTIGES Deutsch"

[Einschub ueber Nation/Nationalitaet/Ethnie rausgesnippt und in neues
Posting verfrachtet]

> ...
> > Mir ist schon aufgefallen, dass im D-Fernsehen Leute mit gewissen
> > Dialekten untertitelt werden. Wir lachen uns dabei des oeftern
> > Traenen, weil wir relativ gut verstehen, was da gesprochen wird...
>
> Das ist mir bislang eher selten aufgefallen, es liegt vielleicht
> daran, dass ich beim Fernsehen oft nur hinhoere und dabei lese.

z.B. bei diesen reisserischen Abendsendungen auf RTL (die ich
seeeelbstverstaendlich nieeeee anschaue) - wobei es mich dort nicht
wundern wuerde, wenn wegen des intellektuellen Niveaus der
durschnittlichen Zuschauers mit Comic-bildchen untertitelt wuerde... ;
-)

> ...
> > > den allermeisten Situationen beherrschen. Wollte ich nicht als
> > > Auslaender auffallen, so muesste ich versuchen, franzoesisch zu
> > > sprechen, wollte ich mir nicht die Muehe machen, einen Dialekt
zu
> > > erlernen.
> >
> > Was ja auch ziemlich schwierig waere (siehe nach unter
"Halskrankeit")
>
> Mit der Phonetik haette ich persoenlich wahrscheinlich weniger
> Probleme, wenn man mir eine gute phonetische Beschreibung (narrow
> transcription und so) gaebe. Der Wortschatz, der ja auch ganz
> erhebliche Abweichungen zeigt, wuerde mich mehr abschrecken.

Der Wortschatz ist nicht unbedingt das Problem - Du musst nur Woerter
aus dem Hochdeutschen ein wenig glutturaler aussprechen, ein paar
glutturale Frikativers einfliessen lassen und auf der ersten Silbe
betonen anstatt auf der letzten. Das kriegst Du doch hin?
(schliesslich ist Schweizerdeutsch doch Deutsch, odrrrrr? - bei
letztem Wort: das "o" hinten im Hals aussprechen, und leicht singend
die Stimmlage nach unten angleichen... und alles ganz
gluttural-frikativisch)

[...]


> > der Hauptteil der Erklaerung liegt
> > wahrscheinlich schon bei der Abgrenzung gegenueber dem "Big
brother
> > Germany" - vor allem weil ansonsten die kulturellen Unterschiede
> > relativ klein sind (es gibt sogar Kuckucksuhren in Deutschland).
>
> Ich haette geschworen, die kommen aus dem Schwarzwald. ;-)
(Ehrlich!)

Natuerlich NICHT! Im Ernst, klar kommen die aus dem Schwarzwald... Die
Uhren wurden hier in der Schweiz erst zur Spezialitaet, als die
Mennoniten in S-Deutschland vertrieben wurden und sich im Schweizer
Jura eine neue Heimat fanden... Musst aber nicht versuchen, das einem
Schweizer Uhrmacher zu erklaeren! (dabei geht es nicht mehr um
Wahrheitsfindung, Geschichte, Tatsachen oder so, denn bei einer
solchen Diskussion triffst du den Nationalstolz direkt ins Herz)

[...]


> > Diese Leute *denken* nicht in Hochdeutsch - sie lesen
> > irgendwo einen Text ab und simultanuebersetzen ihn dann, indem sie
> > Wort fuer Wort in den jeweiligen Dialekt uebersetzen. Das toent
> > schrecklich, ist weder Fisch noch Vogel. Ich bin der Meinung,
diese
> > Leute sollten - wenn sie denn schon ablesen muessen -
Schriftdeutsch
> > sprechen.
>
> Ich glaube nicht, das alles, was fuer mich so klingt, abgelesen ist.
> Eben gerade (na ja, eigentlich gestern, ich werde erst morgen abend
> dazu kommen, dies fertig zu schreiben) sah und hoerte ich auf 3sat
ein
> Interview mit einem Swissair-Sprecher, das offenbar spontan gefuehrt
> wurde. Dennoch haette man sich die Synchronisation fast sparen
> koennen. Die Worte waren Schweizerdeutsch, Wortbildung und Satzbau
> waren aber so, dass man die Worte auch Schriftdeutsch haette
> niederschreiben koennen.

Ich glaube, zu verstehen, was du meinst (bittebittebitte nicht meine
Kommasetzung korrigieren - dort haben meine LehrerInnen schmaehlich
versagt). In der Bodenseeregion z.B. ist der Uebergang der Dialekte ja
schon fliessend. Der Bodenseedialekt toent dann schon irgendwie
Schweizerisch, aber dann auch wieder irgendwie Hochdeutsch... und zwar
auf beiden Seiten vom See. Aber auch schon "Zuerideutsch" ist von der
Syntax her wesentlich naeher beim Hochdeutschen, als Berndeutsch oder
die Bergdialekte. Und Baseldeutsch ist doch sehr nahe bei der
Deutschen Grenze und dem Elsass.

> Gerade komme ich aus Berlin, wo ich an einem Hearing teilgenommen
> habe. Neben mir sass ein Schweizer (Geschaeftsfuehrer der deutschen
> Niederlassung eines Schweizer Pharmakonzerns), der schriftdeutsch
mit
> _sehr_ starkem Schweizer Akzent sprach.

So redet auch unsere Politische Elite! Schaem! Wenigstens die sollten
doch eigentlich korrekt sprechen koennen - tun es aber oft nicht, um
Volksnaehe auszudruecken.

> Zwischen diesem stark durch
> Schweizer Phonetik gepraegten Schriftdeutsch und dem stark durch
> schriftdeutsche Syntax gepraegten Schweizerdeutsch des
> Swissair-Sprechers

Die Pressesprecherin der S-Air ist uebrigens eine Frau... (raeusper)

[...]


> Wie sieht es mit englischen Fremdwoertern aus? Call-girl, coming
out,
> car sharing etc., wird da auch "ch" oder "kch" gesprochen? (In der
> Toscana ist es z. T. so, die "gorgia toscana" vergreift sich auch an
> Fremdwoertern, manche sagen "Hoha Hola" oder "Chocha Chola".)

Ich sage dazu nur: glutturales Frikativ! (langsam mag ich das Wort!)
also: KKKChchchchooool-Görrrrrrl und KKKCHCHoming out (o-ut, nicht
"aut" und das "o" immer schoen weit hinten im Hals). Natuerlich gibt
es viele SchweizerInnen, die absolut faehig sind, ein englisches Wort
auch englisch auszusprechen. Und Coca Cola heisst bei uns Ggoggi! Oder
auch Gogga Ggoola. (der "g" ist dabei wie ein abgehacktes "k" zu
artikulieren, aber ein ganz feines abgehacktes "k")

[Raum-Zeit-Kontinuum schamlos durchbrochen und rausgesnippt ]

> Ich meinte nicht das "horizontale" Kontinuum von Flensburg bis
Bozen,
> ich meinte das "vertikale" Kontinuum zwischen reinem Dialekt und
> Hochdeutsch. So ein Kontinuum existiert in den meisten Regionen der
> BRD. Je nach Alter und Bildungsstand des Sprechers, Sprechsituation
> etc. wird anders gesprochen, ohne dass Du sagen koenntest, hier
hoert
> der Dialekt auf, und hier beginnt die Schriftsprache. Der Uebergang
> ist fliessend. Durch Massenmedien etc. verliert der Dialekt
natuerlich
> an Boden, aber es entstehen keine Diskontinuitaeten. In CH hast Du
> IMHO eine Diskontinuitaet, meine Frage ist die, ob diese stabil ist.
> Der Faktor, der sie stabilisiert, ist aus meiner Sicht der _Wille_,
> sie beizubehalten.

Dieses vertikale "Kontinuum" existiert bei uns absolut und haengt u.A.
mit dem Bildungsstand zusammen, aber auch der Selbstidentifikation
(ich weiss nicht inwieweit das Feeling fuer Sprachen mitspielt, da
meine Schwester nicht imstande ist, korrektes Hochdeutsch zu sprechen,
ich aber schon, wir beide aber von Klein auf richtiges hochdeutsches
Hochdeutsch gelernt haben - unsere Grosseltern muetterlicherseits
waren D). Wie bereits gesagt, sprechen viele Politiker in der
Oeffentlichkeit ein "Emil-Deutsch" (trotz sehr hohem Bildungsstand),
um Volksnaehe zu manifestieren und ehrlich gesagt glaube ich nicht,
dass sie das mit ihren Deutschen Geschaeftspartnern eben so tun...

> Aber kann das Schweizerdeutsch durch schriftdeutsche Einfluesse
soweit
> "kontaminiert" werden, dass eine Form entsteht (nicht vorherrscht),
> von der man nicht mehr sagen kann, dass sie eindeutig schriftdeutsch
> oder eindeutig schweizerdeutsch waere? Oder gibt es puristische
> Tendenzen, die dem entgegenwirken wuerden?

Jein. Da waeren z.B. die Unverzagten mit dem Idiotikon... ;-)) Aber
dort geht es mehr darum, spezielle Ausdruecke und Woerter zu erhalten.
Persoenlich finde ich das auch gut, denn die Dialekte werden
tatsaechlich (wegen den Medien) immer mehr verwaessert und vermischt.
Auch die erhoehte Mobilitaet tut ihren Teil dazu (mein Lebenspartner
kommt aus der Ostschweiz, spricht also einen ganz anderen Dialekt,
aber wir haben beide angefangen zu mischen... obwohl wir uns Muehe
geben). Das ist wahrscheinlich einfach der natuerliche Lauf der
Dinge - Sprachen entwickeln sich weiter, schliesslich lebt die
Sprache.

Schade um die schoenen alten Schimpfwoerter - "shit" toent einfach
niemals so schoen wie "schissdraeckchchch".

[nordische Sprachen rausgesnippt]

> Aber weshalb nun gerade BernerInnen da einen Vorteil haben sollen?
> Gibt es da Literatur?

Nein, das beruht auf empirischer Erfahrung meinerseits. Vielleicht
liegts aber wirklich nur daran, dass ich relativ sprachbegabt bin ?
Wenn man immer wieder "gezwungen" ist, eine neue Fremdsprache zu
lernen, entwickelt man mit der Zeit ein Gefuehl dafuer, was gemeint
sein koennte.

> Interessieren wuerde es mich, aber zur
> Beurteilung fehlen mir die Grundlagen,

Mir ehrlich gesagt auch...

> ich komme fruehestens in einer
> Woche in eine Bibliothek, in der das "Schweizerische Idiotikon"
steht,
> vielleicht kann man dann weiter sehen.

Das Idiotikon ist sozusagen der letzte Ueberrest der
"Schwyzerduetsch-Bewegung", welche hier bereits angesprochen wurde.
Eine interessante Lektuere ist es auf jeden Fall. Schau doch bitte mal
fuer mich nach, was unter "doldeschyssige ziberligränni" steht, ja?

Katharina

----------

"Wenn wir uns alle selber ein Stueck weniger ernst nehmen wuerden,
gaebe es weniger Unglueck auf dieser Welt" (Sneaky Pie Brown)

Katharina Bleuer

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
Lieber Juergen,

Ich habe das Posting mal auseinandergenommen, weil der Inhalt ja
verschiedene Themen anschneidet...

[snip]


> > Ethnie = ja, Nationalitaet = eher nicht (da letztere nun doch mit
dem
> > Begriff Nation zusammenhaengt; eine Ethnie kann also nur
Nationalitaet
> > sein, wenn irgendwo diese Ethnie ueber einen Staat verfuegt, in
dem
> > sie die Bevoelkerungsmehrheit stellt).
> Diese Begriffe werden wohl ueberall unterschiedlich benutzt. Im
alten
> Jugoslawien gab es "Nationen" (ohne eigenen Staat ausserhalb, aber
mit
> eigener Republik innerhalb von YU), "Nationalitaeten" (die etwas
> groesseren Gruppen, die anderswo einen Nationalstaat hatten, Ungarn
> und Albaner) und "ethnische Gruppen" (kleinere Gruppen, auch
hierunter
> waren solche, denen ein Nationalstaat entsprach, etwa die Tuerken).
In
> der Sowjetunion waren alle Gruppen "Nationalitaeten", unabhaengig
von
> der Kopfzahl und der Existenz von Nationalstaaten ausserhalb der SU.

Diese Leute haetten eben Soziologinnen und Politologen beiziehen
sollen, als sie sich selber definierten.... sonst wird das nie was!
;-)))

> Viele "ethnische" oder wie immer wir es nennen moegen Gruppen, die
> ueber keinen Nationalstaat oder auch ueberhaupt keine Form
politischer
> oder kultureller Autonomie verfuegen, legen sehr viel Wert darauf,
als
> "Nation" oder "Nationalitaet" angesehen zu werden.

Dabei handelt es sich wohl meist um Gruppen (oder radikale
Gruppierungen innerhalb einer Ethnie), die eine Autonomie oder einen
eigenen Staat anstreben.

> Natuerlich ist die
> Selbstbeschreibung innerhalb dieser Gruppen haeufig nicht so recht
> einheitlich, es gibt Katalanen, Kurden, Friesen etc., die sehr viel
> Wert auf die Feststellung legen, sie seien eigentlich _keine_
Spanier,
> Tuerken / Iraker oder Niederlaender / Deutsche, es gibt andererseits
> auch Angehoerige dieser Ethnien, die sich in erster Linie ueber ihre
> Pass-Identitaet definieren wuerden.

Das haengt u.A. mit dem Radikalisierungsgrad der betroffenen Personen
zusammen, dieser widerum mit den spezifischen Biographien, dem
Mehrheiten-/Minderheitenstatus, der Bildung, der Ursprungsklasse
(sorry, "soziale Klassen" gibt es ja nicht mehr, das heisst jetzt
"soziale Schicht"), usw.

Zum besseren Verstaendnis empfehle ich Dir Peter Waldmann, "Ethnischer
Radikalismus", Westdeutscher Verlag Opladen, ISBN 3-531-12082-4

> Letztlich laeuft es wieder auf eine Definitionsfrage hinaus, "Was
ist
> eine Nation(alitaet)?". Die Beantwortung dieser Frage haengt oft
(aber
> nicht zwingend) mit der - nun allerdings keine Definitionsfrage mehr
> darstellenden - Frage "Wollen wir Unabhaengigkeit, Autonomie oder
was
> auch immer?" zusammen.

Eben!

Es ist gar nicht so einfach...

Katharina

Katharina Bleuer

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
Liebe Gemeinde,

[alles rausgesnipt, da ich mich sonst darueber aufrege]

Es bringt nun wirklich nichts, wenn jeder Tote, jedes getoetete Kind
und jede vergewaltigte Frau mit einem anderen aufgerechnet und
hochgerechnet wird. Schliesslich geht es allein darum, dass so etwas
nie mehr vorkommt! Die Aussage "ich bin nicht schuld, die anderen
haben schliesslich auch..." brauchen kleine Kinder wenn sie sich
verteidigen, aber sicher nicht Erwachsene, die versuchen ein Problem
zu loesen!

Du meine Guete, schliesslich geht es darum, aus der Geschichte zu
lernen und die gleichen Fehler in Zukunft nicht mehr zu machen - auf
dass es nicht noch mehr Tote gibt! Und ihr amuesiert euch hier mit
zaehlen, wer wen umgebracht hat!

Katharina

Guenter Lelarge

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
Katharina Bleuer <kbl...@dplanet.ch> wrote:

> Liebe Gemeinde,
>
> [alles rausgesnipt, da ich mich sonst darueber aufrege]

Diese Aufregung ist gewollt - und das erwünschte Ergebnis der im
Gesnipten beschriebenen Umerziehung:

[Umerziehung] "... Man mußte die Kollektivschuld sogar für


die Kinder und Kindeskinder bejahen.

Es genügte auch nicht, jede Frage nach etwaigen Kriegsverbrechen der


Alliierten, zum Beispiel die Zerstörung Dresdens und nahezu aller
deutschen Großstädte, die Frage nach den Millionen von Opfern bei der
Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei und Polen -
jahrzehntelang zu verbieten und zu einem gesellschaftlichen Tabuthema zu
erklären. Wenn man die deutsche Gefahr ein für allemal aus der Welt
verbannen wollte, mußten die Deutschen selbst daran mitwirken, ihre
geschichtliche Identität zu zerstören und damit ihr

Zusammengehörigkeitsgefühl und ihre Selbstachtung zu verlieren. ..."

> Es bringt nun wirklich nichts, wenn jeder Tote, jedes getoetete Kind
> und jede vergewaltigte Frau mit einem anderen aufgerechnet und
> hochgerechnet wird.

Tut das der, der Millionen bislang verschwiegener Opfer ins Bewusstsein
ruft? Merkst Du nicht, dass du phrasenhaft im Kirchtagsdeutsch aufsagst,
was mit dem hier Geposteten _nichts_ zu tun hat?

> Schliesslich geht es allein darum, dass so etwas nie mehr vorkommt!

Muß da nicht, wie bei uns, vorher mal das Verbrechen wenigsten beim
Namen genannt (Wenn schon nicht betrauert!) werden? Wie soll "so etwas"
nicht mehr vorkommen, wenn es _nie_ öffentlich thematisiert, sondern
verschwiegen und unter den Tisch gekehrt wurde?
Werden diese Millionen Opfer unter den 12 Millionen Vertriebenen
(ETHNISCHE SÄUBERUNG!) in Schulbüchern warnend genannt und die
Hungerlager der Amerikaner?

> Die Aussage "ich bin nicht schuld, die anderen
> haben schliesslich auch..." brauchen kleine Kinder wenn sie sich
> verteidigen, aber sicher nicht Erwachsene, die versuchen ein Problem
> zu loesen!

Da hast Du vollkommen Recht!!

Tat das denn hier jemand???? Sagte hier jeamnd, er sei nicht Schuld,
weil die anderen auch Mörder sind? Du verkennst auch vollkommen, dass
hier ausschließlich Unbeteiligte diskutieren: Es gibt m.W. hier unter
den Diskutanten weder Täter noch Opfer dieser Verbechen, vor allem KEINE
SCHULDIGE, die sich herausreden udn verteidigen müssten, wie Du
unverschämterweise unterstellst!!

> Du meine Guete, schliesslich geht es darum, aus der Geschichte zu
> lernen und die gleichen Fehler in Zukunft nicht mehr zu machen - auf
> dass es nicht noch mehr Tote gibt!

Wie sollen denn Tschechen, Polen, Amerikaner und Russen "aus der
Gescichte lernen", wenn ihnen niemand sagt, dass sie Millionen Tote NACH
dem Krieg auf dem Gewissen haben?

> Und ihr amuesiert euch hier mit zaehlen, wer wen umgebracht hat!

Das ist eine unverschämte Unterstellung, dass sich hier jemand
"amüsiert".

Ich sehen nur, wie hier Tote beleidigt werden, weil sie totgeschwiegen
und ihre Mörder nicht genannt werden dürfen/sollen.

Günter
--
http://www.lelarge.de/

Juergen Langowski

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
On Thu, 23 Sep 1999 11:23:30 +0200,
gue...@lelarge.de (Guenter Lelarge)
wrote in <1dyl069.ip...@port36.ahrweiler.ivm.de>:

>Es genügte auch nicht, jede Frage nach etwaigen Kriegsverbrechen der
>Alliierten, zum Beispiel die Zerstörung Dresdens und nahezu aller
>deutschen Großstädte, die Frage nach den Millionen von Opfern bei der
>Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei und Polen -
>jahrzehntelang zu verbieten und zu einem gesellschaftlichen Tabuthema zu
>erklären.

(...)

Nehmen wir die Zerstörung Dresdens. Ich finde ohne große Mühe:

- Götz Bergander, Dresden im Luftkrieg, 1977
- David Irving, Der Untergang Dresdens, 1963

Die Behauptung, die Fragen nach der Zerstörung Dresdens wären
"jahrzehntelang" verboten und tabuisiert worden, entspricht nicht der
Wahrheit.

Dieser Mist stammt von Klaus Rainer Röhl? Du solltest dir wirklich
angewöhnen, seriöse Autoren zu lesen.

Dieser hier ist für meinen Geschmack ein bißchen zu "revisionistisch".


--
Der Dresden-Hoax ist aufgeflogen:
http://www.h-ref.de/as/dresden/hoax.htm


Guenter Lelarge

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
Juergen Langowski <jlang...@gmx.de> wrote:

> Nehmen wir die Zerstörung Dresdens. Ich finde ohne große Mühe:
>
> - Götz Bergander, Dresden im Luftkrieg, 1977
> - David Irving, Der Untergang Dresdens, 1963
>
> Die Behauptung, die Fragen nach der Zerstörung Dresdens wären
> "jahrzehntelang" verboten und tabuisiert worden, entspricht nicht der
> Wahrheit.
>
> Dieser Mist stammt von Klaus Rainer Röhl? Du solltest dir wirklich
> angewöhnen, seriöse Autoren zu lesen.

Wohlan:

Nenne die ***Schulbücher***, die die 2 Millionen Vertriebenen aufzählen,
die ebenso NACH dem Krieg umkamen wie die durch Polen und Russen in
KZs(!) ermordeten, gefolterten und vergewaltigten Deutschen oder die in
amerikanischen Hungerlagern umgebrachten Kriegsgefangenen!

Ich bin gespannt, in welchen Schulbüchern DIESE Untaten benannt werden.
Wieviele Wanderausstellungen, populärwissenschaftliche Bücher und
Fernsehsendungen gab es zu diesem Thema - und seit wann?

Günter
--
http://www.lelarge.de/

Dave Blair

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
Ich habe mich ausnahmsweise über Martins Posting so amüsiert, dann sowas...

Guenter Lelarge <gue...@lelarge.de> schrieb in im Newsbeitrag:
1dyja9i.99x...@port55.ahrweiler.ivm.de...


> <m.blum...@cl-hh.comlink.de> wrote:
>
> > Nur ueber die Echten Deutschen Ostgebiete darf kein Gras wachsen. Darum
> > nennt der Echte Deutsche einen Teil seiner Neugeborenen amtlich auch:
> > Vertriebene.
> > Dietrich Kittner
>
> Über mehr als 2 Millionen Opfer der Vertreibung macht man keine blöden
> Witze!
>

> [Umerziehung] "... Wollte man wirklich für alle Zeiten eine...

<Armes-Deutschland-Geheule geschnippt>

Mir kommen gleich die Tränen :>

Dave

--
Dave Blair <Dave...@bigfoot.com>
Halle/Saale, Germany

Florian Eichhorn

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
Erst mal sollte man den thread doch ändern, weil das mit der
ursprünglichen Frage nichts mehr zu tun hat.

Guenter Lelarge wrote:
>
(snip)



> Es genügte auch nicht, jede Frage nach etwaigen Kriegsverbrechen der
> Alliierten, zum Beispiel die Zerstörung Dresdens und nahezu aller
> deutschen Großstädte, die Frage nach den Millionen von Opfern bei der
> Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei und Polen -
> jahrzehntelang zu verbieten und zu einem gesellschaftlichen Tabuthema zu

> erklären. Wenn man die deutsche Gefahr ein für allemal aus der Welt
> verbannen wollte, mußten die Deutschen selbst daran mitwirken, ihre
> geschichtliche Identität zu zerstören und damit ihr
> Zusammengehörigkeitsgefühl und ihre Selbstachtung zu verlieren. ..."

Die Luftangriffe auf Zivilziele waren nie ein "Tabuthema", in der
BRD allenfalls in den 50er Jahren. Dresden wurde in der DDR als
Beispiel für *westalliierten* Terror alljährlich öffentlich begangen.
In England hat man schon bald nach dem Kriege im Zuge der
militärischen Aufarbeitung (Kosten-Nutzenanalyse) die Frage
gestellt, ob das Flächenbombardement der Städte (d. h. im Ggs. zum
Punktangriff auf ausgesuchte Ziele
militärischer/kriegswirtschaftlicher Relevanz = Kasernen,
Versorgung, Infrastruktur, Industrieanlagen,) sinnvoll war. Dies
dann auch offener, nachdem die Kriegsgenerationseit Ende der 50er
Jahre vermehrt außer Dienst gegangen war. Das Resultat war
eindeutig: nein.
Die hauptsächliche Begründung zur Erweiterung auf
Flächenbombardement war "Untergrabung der Moral". Diese Theorie
stammt noch aus der Steinzeit der Luftkriegstheorien ab den 1890er
Jahren und wurde in WW-I weiterphantasiert. Das hatte aber
genausowenig funktioniert, wie 1940 in Großbritannien, und
Minderheitsvoten überstimmter RAFler sind aktenkundig.
Mit zunehmendem Abstand kam dann die Frage nach den Verlusten der
RAF Bomberflotte. Die waren materialmäßig und vor allem personell
enorm, und sachlich (Kosten-Nutzen) nicht vertretbar. Das waren
zuvor noch " Opfer im Interesse der Sache" - so leicht ließen sich
die Angehörigen dann nicht mehr abspeisen. Mit Verebben der
Revanchegelüste wurden die Kosten der deutschen Zivilbevölkerung
benannt. Das Ganze war militärisch eine Pleite, und gehört rechtlich
in die Grauzone der Kriegsverbrechen (eindeutig bei inszenierten
Feuerstürmen wie Hamburg oder Tokyo), und die meisten britischen
Historiker sind sich trotz Pariotismus darüber einig.
"Bomber-Harris" hat also hüben und drüben schlechte Karten.

Die Oper von Vertreibungen, die Rachelager, Ausschreitungen zB in
CSR werden in den letzten Jahren zunehmend diskutiert. Sowohl in der
Presse wie in der Forschung Polens, teils auch der CSR.
Das hat einfache Ursachen: nach dem Ende der kommunistischen
Regierungen verschwanden Redeverbote, wurden Archive zugänglich. Mit
dem Abtritt der kommunistischen Regierungen, zu deren
Beründungs/Befreiungsmythos die Vertreibungen und "ausgelichgende
Gerechtigkeit" gehörten, und mit zunehmender "biologischer Lösung"
(die Kriegsgeneration stirbt weg) kommen jüngere Historiker, die
sich nicht mehr rechtfertigen müssen, und Menschenrechte universell sehen.

Andersherum wird aber auch ein Schuh daraus: ein junger Historiker
aus dem Westen, der solche Dinge einfach erforscht/anspricht, wirkt
wesentlich glaubwürdiger als Personen der älteren Generation, denen
man andere Motive unterstellen kann und oft auch muß. Stichworte
Rechtfertigung, Aufrechnung, Vetereanengruppen à la HIAG,
Wiederherstellung der nationalen Ehre (Auschwitzlüge, die anderen
waren auch nicht besser u. dergl.).

Das richtige, von der falschen Person gesagt... macht es leicht, den
Fakt abzubügeln.

Die "Hungerlager" im Rheinland sind zu den Kriegsverbrechen zu
zählen, das ist in der historischen (auch amerikanischen) Forschung unstrittig.

(snip)

> Ich sehen nur, wie hier Tote beleidigt werden, weil sie totgeschwiegen
> und ihre Mörder nicht genannt werden dürfen/sollen.

Trifft für die Forschung beiderseits der Oder nicht mehr zu.

Florian.

Horst Enzensberger

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to Katharina Bleuer
Katharina Bleuer schrieb:
>
> Liebe Juergen,
>
> [snip]
> [ Halskrankheiten geschnitten ]

>
> [franzoesische Einfluesse = logisch, die Sprachgrenzen sind ja nicht
> mit dem Lineal gezogen - das gilt uebrigens auch umgekehrt, weil da wo
> ich wohne sagen sie schon mal "le katz de mon vattre a bouffé le
> speck"]

Vergleichbares finden wir schon im späteren Mittelalter, z.B.
Geschenktem gaulo non debes inspicere maulo , oder
Gans male servatur, ubi fux et wolff dominatur.
(aus Hans Walther, Sprichwörter und Sentenzen )

>
> [...]
> [ Beinbrüche versorgt ]


(Schweizerdeutsch - und vor allem das als langsam verleumdete
> Berndeutsch - ist sehr minimalistisch angelegt!)
>

Bern läßt sich auch als Beispiel für die Problematik historischer
Quellenüberlieferung im Hinblick auf statistische Auswertung benutzen ( Arnold
Escch in HZ 240, 1985, 529 - 570):
S.561: hinsichtlich der Berechnung von Bevölkerungszahlen anhand des
Vorhandenseins bestimmter Berufsgruppen: " Nun, Rom hat heute 1 Friseur auf
1200 Einwohner, Bern hat heute 297 Friseure, also müßte Bern 350 000 Einwohner
haben (die es nicht hat)."
Und eine Seite danach zu Deutung und Wertung quantitativer Befunde: "Freilich
müssen auch diese Ergebnisse dann erst noch interpretiert werden, die Zahlen
nicht nur gezählt, sondern auch gewogen werden - denn andernfalls käme man zu
Einsichten, die so wenig hilfreich wären wie die Erkenntnis: Bern hat 18
Kinos, aber nur 1 Universität."
Hier dürften sich die Zahlen wohl verändert haben, wenigstens bei den Kinos.

> >[ aus Gründen der Speichersparsamkeit der höchst interessante Rest auch geschnitten, obwohl ich als Altbayer mit Jahrzehnten "Exil" in Frankfurt am Main und Bamberg und einer italienischen Familie auch etwas beisteuern könnte ]
--
Mit freundlichen Gruessen
Prof. Dr. Horst Enzensberger
Historische Hilfswissenschaften
Otto - Friedrich- Universitaet Bamberg

Juergen Grosse

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
Katharina Bleuer schrieb:


Hallo Katharina,

...


> [da ich auch in meinem Duden keine genauere Erklaerung fuer
> glutturales Frikativ gefunden habe, kann ich Dir kaum widersprechen]

ohne "l" steht beides im Duden. Gutturale sind Laute, die am _weichen_
Gaumen artikuliert werden, im Gegensatz zu Palatalen, wo die Zunge den
_harten_ Gaumen beruehrt. Das "ch" der meisten Norddeutschen wird nach
e, i, ö und ü palatal gesprochen, nur nach a, o und u sprechen wir es
guttural, Ihr hingegen artikuliert jedes ch guttural (oder sogar
"uvular", also am Zaepfchen, nach einigen phonetischen Analysen des
Deutschen gilt das auch fuer binnendeutsches ch nach o und u).

Frikative sind Reibelaute (z. B. f, w, s, ss, sch, ch), Affrikaten
sind Laute wie pf, z, tsch und kch.



> > Niederdeutsch ist also nie und nimmer eine Halskrankheit! ;-)
>
> Sollte es sich bei dem glutturalen Frikativ - so vermute ich - um ein
> hinten im Hals artikuliertes "chchchchch" handeln, so koennte das
> Niederdeutsch doch Halskrankheiten und -entzuendungen hervorrufen bei
> Leuten, die aufgrund ihrer zivilisierten Sprache keine Hornhaut in
> dieser Halsgegend bilden konnten.
>
> > (Fuer das Niederlaendische sieht dies natuerlich etwas anders aus,
> > hier wird jedes "g" und "ch" als gutturaler Reibelaut gesprochen.)
>
> Also doch "chchchch"

Ja, aber im Nieder_laendischen_. Nieder_deutsch_, wie es in
Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg,
Bremen und angrenzenden Gebieten anderer Bundeslaender gesprochen
wird, hat diese _vielen_ Gutturale nicht.

...


> Wie waers mit "geschter hani am naachbuur wo sech ds bei proche het si
> raase gmäit" ? Obwohl auch das kuenstlich toent (kuerzere Saetze
> werden vorgezogen und Nebensaetze vermieden). Eher wahrscheinlich:
> "geschter hani am naachbuur si raase gmäit - dä wosech ds bei proche
> het" (Schweizerdeutsch - und vor allem das als langsam verleumdete
> Berndeutsch - ist sehr minimalistisch angelegt!)

Was andere Dialekte auch sind, nur gelten sie eben, je weiter
noerdlich Du Dich aufhaeltst als Zeichen von Unbildung, waehrend sie
in CH sozial absolut akzeptiert sind (die Probleme bei der
Kommunikation mit Welschschweizern und Tessinern einmal ausgenommen,
ich muss mir Deine Examensarbeit wirklich einmal durchlesen).

...


> > Mit der Phonetik haette ich persoenlich wahrscheinlich weniger
> > Probleme, wenn man mir eine gute phonetische Beschreibung (narrow
> > transcription und so) gaebe. Der Wortschatz, der ja auch ganz
> > erhebliche Abweichungen zeigt, wuerde mich mehr abschrecken.
>
> Der Wortschatz ist nicht unbedingt das Problem - Du musst nur Woerter
> aus dem Hochdeutschen ein wenig glutturaler aussprechen, ein paar
> glutturale Frikativers einfliessen lassen und auf der ersten Silbe
> betonen anstatt auf der letzten. Das kriegst Du doch hin?
> (schliesslich ist Schweizerdeutsch doch Deutsch, odrrrrr? - bei
> letztem Wort: das "o" hinten im Hals aussprechen, und leicht singend
> die Stimmlage nach unten angleichen... und alles ganz
> gluttural-frikativisch)

Na ja, im Schweizerdeutschen sind auch Wortschatz und Syntax ein
Problem, in stark schweizerisch gefaerbten Hochdeutsch weniger. Wenn
ich mir richtiges Schweizerdeutsch wirklich aneignen wollte, wuerde
ich vielleicht sogar eine englisch oder franzoesisch verfasste
Grammatik vorziehen, weil hier die sprachliche Interferenz weniger
Probleme boete. Eine Beschreibung, die auf das Gemeinsame nicht
eingeht, weil sie es voraussetzt, laeuft Gefahr, den Leser ueber den
Umfang des Gemeinsamen im Unklaren zu lassen, die Beschreibung in
einer ganz fremden Sprache laesst den Leser Gemeinsames und Trennendes
selbst erkennen.

...


> Natuerlich NICHT! Im Ernst, klar kommen die aus dem Schwarzwald... Die
> Uhren wurden hier in der Schweiz erst zur Spezialitaet, als die
> Mennoniten in S-Deutschland vertrieben wurden und sich im Schweizer
> Jura eine neue Heimat fanden... Musst aber nicht versuchen, das einem
> Schweizer Uhrmacher zu erklaeren! (dabei geht es nicht mehr um
> Wahrheitsfindung, Geschichte, Tatsachen oder so, denn bei einer
> solchen Diskussion triffst du den Nationalstolz direkt ins Herz)

Damit habe ich keine Probleme, ich lasse Euch gerne die Kuckucksuhren.
_Meine_ Kultur ist gepraegt durch Buddelschiffe, Fischernetze an der
Decke, Shantys, Labskaus, Pharisaeer, Seemannsgarn etc. ;-)

...


> > Gerade komme ich aus Berlin, wo ich an einem Hearing teilgenommen

5> > habe. Neben mir sass ein Schweizer (Geschaeftsfuehrer der


deutschen
> > Niederlassung eines Schweizer Pharmakonzerns), der schriftdeutsch
> > mit _sehr_ starkem Schweizer Akzent sprach.
>
> So redet auch unsere Politische Elite! Schaem! Wenigstens die sollten
> doch eigentlich korrekt sprechen koennen - tun es aber oft nicht, um
> Volksnaehe auszudruecken.

Was aber hier nicht der Fall gewesen sein kann, er arbeitet ja in D
und wollte deutschen Abgeordneten des Gesundheitsausschusses des
Bundestags erklaeren, weshalb die Pharma-Industrie mit dieser und
jener Regelung einer geplanten Gesundheitsreform unmoeglich leben
kann.

...


> > schriftdeutsche Syntax gepraegten Schweizerdeutsch des
> > Swissair-Sprechers
>
> Die Pressesprecherin der S-Air ist uebrigens eine Frau... (raeusper)

Das waere mir schon aufgefallen. ;-) Es kann sein, dass es ein
Mitglied des Vorstands war, ich bin nur hineingezappt und habe es
nicht von Anfang an gesehen. (Es ging darum, dass die oesterreichische
Fluglinie, AUA oder so, nicht mehr mit S-Air sondern mit der Star
Alliance (Lufthansa etc.) kooperieren will.)

...


> Ich sage dazu nur: glutturales Frikativ! (langsam mag ich das Wort!)
> also: KKKChchchchooool-Görrrrrrl und KKKCHCHoming out (o-ut, nicht
> "aut" und das "o" immer schoen weit hinten im Hals). Natuerlich gibt
> es viele SchweizerInnen, die absolut faehig sind, ein englisches Wort
> auch englisch auszusprechen. Und Coca Cola heisst bei uns Ggoggi! Oder
> auch Gogga Ggoola. (der "g" ist dabei wie ein abgehacktes "k" zu
> artikulieren, aber ein ganz feines abgehacktes "k")

Dafuer unterscheidet Ihr aber english "man" und "men", weil bei Euch
auch kurzes e und ä unterschieden werden. Den meisten Deutschen faellt
diese Unterscheidung schwer. Darauf weist u. a. diese Homepage hin,
auf die ich beim (erfolglosen) Suchen nach Belegen fuer die
berndeutsch / daenisch-norwegische Aehnlichkeit stiess:
http://www.taboo-breaker.org/language

Der Mann vertritt knallharte Ansichten ;-) . Eine gewisse
Germanophobie ist nicht zu verkennen, einiges ist ganz interessant,
anderes aber auch IMHO ziemlich abwegig.

...


> waren D). Wie bereits gesagt, sprechen viele Politiker in der
> Oeffentlichkeit ein "Emil-Deutsch" (trotz sehr hohem Bildungsstand),
> um Volksnaehe zu manifestieren und ehrlich gesagt glaube ich nicht,
> dass sie das mit ihren Deutschen Geschaeftspartnern eben so tun...

Der Mann, den ich gestern kennenlernte, tut es offenbar. Es ging bei
der Anhoerung um Entscheidungen, deren Auswirkungen schon in die 'zig
Millionen gehen (Regulierungen bei der Abgabe von Arzneimitteln zu
Lasten der Krankenkassen, er sprach sich gegen die geplante
gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe billiger Re-Importe aus). Aber
das wirkt auch in D ausgesprochen sympathisch, ob uns die Schweizer
nun besonders moegen oder nicht, wir lieben sie nun einmal. Das
Verhaeltnis D - A ist viel eher eine _gegenseitige_ Hassliebe. Noch
extremer ist die Ungleichheit gegenseitiger Sympathie (obwohl sich
dies langsam aendert) eigentlich nur im Verhaeltnis D - NL.

...


> > Aber weshalb nun gerade BernerInnen da einen Vorteil haben sollen?
> > Gibt es da Literatur?
>
> Nein, das beruht auf empirischer Erfahrung meinerseits. Vielleicht
> liegts aber wirklich nur daran, dass ich relativ sprachbegabt bin ?
> Wenn man immer wieder "gezwungen" ist, eine neue Fremdsprache zu
> lernen, entwickelt man mit der Zeit ein Gefuehl dafuer, was gemeint
> sein koennte.

Eine Gemeinsamkeit von Berndeutsch und Niederlaendisch, die mir gerade
einfaellt, ist das Schicksal des "l". Sowohl im Berndeutschen als auch
im niederlaendischen wurde dies in aehnlichen Positionen zu "u".
Vielleicht kommt noch (allerdings nur die Schreibung betreffend) das
"y" hinzu. Euer "y" spricht sich ja als langes "i", dem im
Hochdeutschen meist "ei" entspricht. Im Niederlaendischen steht
hierfuer "ij", frueher auch "y" (wie heute noch im Afrikaans), es wird
zwar als Diphthong gesprochen, mag aber graphisch an Euer "y"
erinnern.

Fuer Daenisch-Norwegisch ist dies aber keine Erklaerung. Allenfalls
die auch hier fehlende Diphthongisierung des "i"/"y" und die Tatsache,
dass eben einiges so aehnlich aber nicht ganz so wie schriftdeutsch
aussieht, fiele mir noch ein.

> Das Idiotikon ist sozusagen der letzte Ueberrest der
> "Schwyzerduetsch-Bewegung", welche hier bereits angesprochen wurde.
> Eine interessante Lektuere ist es auf jeden Fall. Schau doch bitte mal
> fuer mich nach, was unter "doldeschyssige ziberligränni" steht, ja?

Wird gemacht.

Tschues, Juergen

Katharina Bleuer

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
[snip-snip-snip]

> [franzoesische Einfluesse = logisch, die Sprachgrenzen sind ja nicht
> mit dem Lineal gezogen - das gilt uebrigens auch umgekehrt, weil da
wo
> ich wohne sagen sie schon mal "le katz de mon vattre a bouffé le
> speck"]

>Vergleichbares finden wir schon im späteren Mittelalter, z.B.


>Geschenktem gaulo non debes inspicere maulo , oder
>Gans male servatur, ubi fux et wolff dominatur.
>(aus Hans Walther, Sprichwörter und Sentenzen )

Das ist wirklich schoen! Ich mag den geschenkten Gaulo (den Satz muss
ich gleich auswendig lernen). *ggg*

[Bern - die schoenste Stadt der Welt! MINDESTENS des Planeten Erde]


>andernfalls käme man zu
>Einsichten, die so wenig hilfreich wären wie die Erkenntnis: Bern hat
18
>Kinos, aber nur 1 Universität."
>Hier dürften sich die Zahlen wohl verändert haben, wenigstens bei den
Kinos.

Keine Ahnung, ich habe nicht mitgezaehlt. Aber mal ehrlich, ueber
sowas wird ein Buch geschrieben? Und der Autor fand sogar einen
Verlag, der das veroeffentlichte? DAS finde ich erstaunlich!

> >[ aus Gründen der Speichersparsamkeit der höchst interessante Rest
auch geschnitten, obwohl ich als Altbayer mit Jahrzehnten "Exil" in
Frankfurt am Main und Bamberg und einer italienischen Familie auch
etwas beisteuern könnte ]

>Mit freundlichen Gruessen

Genau so freundlich Gruesse zurueck

Persoenliche Frage (mailto:kbl...@dplanet.ch): Was sind Historische
Hilfswissenschaften? (naja, bin halt keine Historikerin)

Katharina

Juergen Langowski

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
On Thu, 23 Sep 1999 13:42:02 +0200,
gue...@lelarge.de (Guenter Lelarge)
wrote in <1dyl72f.1nx...@port13.ahrweiler.ivm.de>:


>Juergen Langowski <jlang...@gmx.de> wrote:

Hier hat Herr Lelarge das Zitat von Röhl entfernt, auf das ich mich
bezogen hatte:

Es genügte auch nicht, jede Frage nach etwaigen
Kriegsverbrechen der Alliierten, zum Beispiel die
Zerstörung Dresdens und nahezu aller deutschen
Großstädte, die Frage nach den Millionen von Opfern
bei der Vertreibung der Deutschen aus der
Tschechoslowakei und Polen - jahrzehntelang zu
verbieten und zu einem gesellschaftlichen
Tabuthema zu erklären.

<1dyl069.ip...@port36.ahrweiler.ivm.de>

Wahrscheinlich hat Herr Lelarge das entfernt, damit es nicht ganz so
sehr auffällt, wie hastig er jetzt das Thema wechseln will.


>> Nehmen wir die Zerstörung Dresdens. Ich finde ohne große Mühe:
>>
>> - Götz Bergander, Dresden im Luftkrieg, 1977
>> - David Irving, Der Untergang Dresdens, 1963
>>
>> Die Behauptung, die Fragen nach der Zerstörung Dresdens wären
>> "jahrzehntelang" verboten und tabuisiert worden, entspricht nicht der
>> Wahrheit.
>>
>> Dieser Mist stammt von Klaus Rainer Röhl? Du solltest dir wirklich
>> angewöhnen, seriöse Autoren zu lesen.
>
>Wohlan:
>
>Nenne die ***Schulbücher***, die die 2 Millionen Vertriebenen aufzählen,

(...)

Nein, das werde ich nicht tun. Wir bleiben noch ein bißchen bei
Dresden, denn darauf hatte ich mich bezogen.

Ich habe dich & Herrn Röhl zitiert. Ihr zwei seid der Meinung, die
Bombardierung Dresdens wäre tabuisiert worden, und es wäre
"jahrzehntelang" verboten gewesen, darüber zu reden.

Ich habe beispielhaft zwei von zahlreichen Büchern zum Thema genannt.

Das Thema war offensichtlich nicht tabuisiert, und es war nicht
verboten, darüber zu schreiben.

Herr Röhl & du, ihr habt also in diesem Punkt nicht die Wahrheit
gesagt.


--
Die konservative Schweigsamkeit:
http://www.h-ref.de/ar/kgh/kritik.htm


Joschi

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
On Thu, 23 Sep 1999, gue...@lelarge.de (Guenter Lelarge) wrote:

>Wie sollen denn Tschechen, Polen, Amerikaner und Russen "aus der
>Gescichte lernen", wenn ihnen niemand sagt, dass sie Millionen Tote NACH
>dem Krieg auf dem Gewissen haben?

In Russland wird seit Glasnost - anderst als im "freiesten Staat im
Universum", Deutschland - sehr offen ueber die Vergangenheit
debattiert und diskutiert. Zu den teils ueberraschenden Ergebnissen
des oeffentlichen Disputs hat wesentlich das oeffnen der
Staats-Archive beigetragen.

Im "freiesten Staat im Universum", Deutschland wird dieser Disput
totgeschwiegen. So mancher linker russische Forscher wuerde in
D glatt als "Neonazi" und/oder "Fascho u. Revisonist" bezeichnet
werden.

Beispielsweise ist in D kaum bekannt das zahlreiche Urteile (ueber
10.000) gegen angebliche deutsche Kriegsverbrecher revidiert wurden.


joschi

http://home.t-online.de/home/juergen.jost/index.htm

Guenter Lelarge

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
Florian Eichhorn <florian....@main-rheiner.de> wrote:

> Die Oper von Vertreibungen, die Rachelager, Ausschreitungen zB in
> CSR werden in den letzten Jahren zunehmend diskutiert. Sowohl in der
> Presse wie in der Forschung Polens, teils auch der CSR.

Dann kann es nicht mehr lange dauern, bis Wanderausstellungen, Film,
Funk und Fernsehen uns damit so dauerberieseln, wie wir es von unseren
eignen Verbrechen kennen?
Vielleicht steht es ja sogar irgendwann mal in einem Schulbuch? Wer
weiß?

Wenn die "Archive" des Ostblocks nicht geöffnet worden wären, hätte man
weiter, wie 50 Jahre lang, davon nichts wissen und schreiben dürfen?

Günter
--
http://www.lelarge.de/

Peter Lösch

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to florian....@main-rheiner.de
"Bomber Harris" wurde in London erst vor wenigen Jahren ein Denkmal
gesetzt (initiiert vom gleichen RAF Traditionsverein, der heute das
Kuppelkreuz der Frauenkirche in Dresden stiftet).

Soviel zur "Vergangenheitsbewältigung" allgemein und zur Notwendigkeit
alle Kriegsverbrechen aber auch wirklich alle Kriegsverbrechen der
breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu bringen.

Peter

...... Das Ganze war militärisch eine Pleite, und gehört rechtlich

Florian Eichhorn

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
Hallo Peter,

Peter Lösch wrote:
>
> "Bomber Harris" wurde in London erst vor wenigen Jahren ein Denkmal
> gesetzt (initiiert vom gleichen RAF Traditionsverein, der heute das
> Kuppelkreuz der Frauenkirche in Dresden stiftet).

Korrekt. Schauen wir uns das ganze doch einmal näher an: Es gab szt.
* in UK* einigen Pressewirbel, weil sich der Traditionsverband
nämlich *keineswegs* einig über diese Aufstellung war, historische
Persönlichkeit hin oder her. Sei Harris ein "Held", der es den Nazis
ordentlich besorgt habe , oder ein Kommisskopp, der für seine
verfehlte Moralunterhöhlungsthese bedenkenlose gute Männer/Material
geopfert habe? Eine knappe Mehrheit fand sich schließlich, weil mit
ihm auch das RAF Bomberkorps samt seiner Gefallenen geehrt würde.
Wie das bereits mit anderen RAF-Denkmälern für WK-II Luftmarschälle
der Fall war.

Es ist also nicht alles so einfach, wie es die sog. "gerechte
Empörung" suggeriert.

> Soviel zur "Vergangenheitsbewältigung" allgemein und zur Notwendigkeit
> alle Kriegsverbrechen aber auch wirklich alle Kriegsverbrechen der
> breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu bringen.

Was soll denn das heißen - RAF Indianer sprechen mit gespaltener Zunge?
Es wäre naiv zu glauben, daß die Briten, insbesondere die Veteranen,
jetzt katzbuckeln und sagen, schlimm dieser Harris, Battle of
Britain, Coventry usw. nichts gewesen - Schwamm drüber.

(snip)

Florian

Hans Bolte

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
Florian Eichhorn wrote:

[Bomber-Harris-Denkmal]

> Es ist also nicht alles so einfach, wie es die sog. "gerechte
> Empörung" suggeriert.

Doch es ist so einfach: In England wurde einem Massenmoerder ein Denkmal
gesetzt. Sein Verdienst ist der Massenmord an deutschen Zivilisten.

Wenn in Deutschland Wehrmachtsgeneraelen Denkmaeler gesetzt wuerden,
weil sie Europa vor dem Kommunismus schuetzen wollten, waere das
politisch korrekter.

Hans

Peter Lösch

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to florian....@main-rheiner.de
Erstmal danke, dass Du Coventry und London und nicht wie normalerweise
üblich Rotterdam (Zeugt von Sachverstand) als Beispiel angeführt hast.
Es ist vollkommen klar die Luftwaffe hat mit unzulänglichen Mitteln dass
versucht was Harris dann im grossen Stil vorexerzierte: Demobilisierung
der Zivilbevölkerung und Provokation von Kriegsmüdigkeit. Hat auch im
grossen Stil nicht geklappt.

Du gibst Das Stichwort selbst, die ganze Aktion ("1000 Bomber Raids")
war wenig wirkungsvoll, hat eine Menge Verluste gekostet und war bei
näherer Betrachtung grösstenteils wirklich ein Terrorakt gegen die
Zivilbevölkerung (Ausnahmen wie Schweinfurt bestätigen die Regel).

Würden Deutsche ein ähnliches Denkmal errichten? Wie fühlt sich Deine
Grossmutter dabei, die vielleicht Bruder oder Schwester in einer
Bombennacht verloren hat? Meiner Ansicht nach wird hier mit gespaltener
Zunge gesprochen. Die RAF ehrt Ihre Toten, die bei dem Versuch ums leben
kamen Deutschland in die Knie zu zwingen indem sie hunderttausende von
Frauen und Kindern töteten (faktum und sonst nichts). Der Zweck heiligt
die Mittel !? Oder lag es vielleicht daran dass die Väter dieser Armen
Würstchen für "NAZI-Deutschland kämpften ? Dann ist es ja O.K. (kommt
übrigens aus der Englischen Militärluftfahrt und heisst Zero=O
kasualties, damit sind natürlich nur die eigenen gemeint). Genug
Zynismus.

Ich empöre mich darüber nicht. Für mich ist dies ein allzu
verständlicher Zwiespalt. Die Piloten glaubten dass richtige zu tun und
riskierten dabei ihr Leben für die Gemeinschaft (subjektiv). Das
Kuppelkreuz für Dresden eempfinde ich als eine anerkennenswerte Geste
des aufrichtigen Bedauerns und der Trauer, das Denkmal hätte ich mit
Rücksicht auf die Hinterbliebenen lieber nicht gesehen. Hier den
Kompromiss zu finden ist schwer. Was heißt jetzt Verarbeitung der
Vergangenheit? Im Zwiespalt mit den eigenen sich widersprechenden
Moralvostellungen zu leben oder (echt Bundesdeutsch) die Sache klar in
Schwarz und Weiss abzugrenzen. Unsere Väter die bösen Angriffskrieger
die nicht desertierten sondern sich einer verbrecherischen Ideologie zur
Verfügung stellten - dort die "Befreier". Hier die organisierten
Massenmorde die nie vergessen werden dürfen (stimme ich voll zu) - dort
die "nur allzu verständlichen Racheakte der Zivilbevölkerung". Mir hängt
diese Inkonsistenz langsam zum Halse raus. Dem Toten Säugling war dieser
ganze Quatsch mit nahezu hundert prozentiger Sicherheit egal! Und, auch
wenn ich dabei die Verachtung aller "Modernen", "Intellektuellen" und
"Individualisten" etc. auf mich ziehe: Dem 16 Jährigen der im
Trümmerfeld hinter der 8.8 oder einer Bofors stand, dem Luftschutzwart
der sein Leben bei irgendwelchen Bergungsarbeiten riskierte (und vielen
anderen mehr die sich im guten Glauben für andere einsetzten - auch
wenn es die Falsche Sache war) zolle ich meinen Respekt, gleichgültig
ob in Coventry oder in Dresden. Genauso wünsche ich jedem Opfer ob in
Kurland oder in Ausschwitzt dass es nicht in Vergessenheit gerät und
nicht unter dem Deckmantel des "auf jeden Fall zu vermeidenden Anschein
des Revanchismus" totgeschwiegen wird.


mfG

Peter


Florian Eichhorn schrieb:


>
> Hallo Peter,
>
> Peter Lösch wrote:
> >
> > "Bomber Harris" wurde in London erst vor wenigen Jahren ein Denkmal
> > gesetzt (initiiert vom gleichen RAF Traditionsverein, der heute das
> > Kuppelkreuz der Frauenkirche in Dresden stiftet).
>
> Korrekt. Schauen wir uns das ganze doch einmal näher an: Es gab szt.
> * in UK* einigen Pressewirbel, weil sich der Traditionsverband
> nämlich *keineswegs* einig über diese Aufstellung war, historische
> Persönlichkeit hin oder her. Sei Harris ein "Held", der es den Nazis
> ordentlich besorgt habe , oder ein Kommisskopp, der für seine
> verfehlte Moralunterhöhlungsthese bedenkenlose gute Männer/Material
> geopfert habe? Eine knappe Mehrheit fand sich schließlich, weil mit
> ihm auch das RAF Bomberkorps samt seiner Gefallenen geehrt würde.
> Wie das bereits mit anderen RAF-Denkmälern für WK-II Luftmarschälle
> der Fall war.
>

> Es ist also nicht alles so einfach, wie es die sog. "gerechte
> Empörung" suggeriert.
>

Peter Lösch

unread,
Sep 23, 1999, 3:00:00 AM9/23/99
to
gab es alles ,man hat in Deutschland schon dem einen oder anderen
Wehrmachtsgeneral ein Denkmal gesetzt auch wenn er uns vor den
Angelsachsen Schützen wollte.

Zerstörer der Marine Lutjens, Zerstörer der Marine Mölders, Rommel Tafel
in Goslar etc. Viele
sind es jedoch nicht (qualifiziert sind auch nur Tote, möglichst in der
Frühphase des Krieges, mit politisch neutralem Image oder dem Widerstand
nahestehende Personen).


mfG

Peter


Hans Bolte schrieb:
>
> Florian Eichhorn wrote:
>
> [Bomber-Harris-Denkmal]


>
> > Es ist also nicht alles so einfach, wie es die sog. "gerechte
> > Empörung" suggeriert.
>

Burkhard Schroeder

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to
Berlin-Kreuzberg, 24.09.99
If...@gmx.de schrieb am 23.09.99:

Horst Kleinsorg. Soso. Der braune Schoss ist also fruchtbar noch, aus dem
dem diese Mail kroch.

Burks
--
http://www.burks.de/ * bu...@burks.de * PGP-Key available!


Florian Eichhorn

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to

Horst Kleinsorg wrote:
>
Hans Bolte schrieb:

> >Wenn in Deutschland Wehrmachtsgeneraelen Denkmaeler gesetzt wuerden,
> >weil sie Europa vor dem Kommunismus schuetzen wollten, waere das
> >politisch korrekter.

Da scheinen mir Mißverständnisse über die Ziele des 3. Reiches
gegenüber Rußland zu bestehen.
Und was man da getrieben hat, Stichwort Einsatzgruppen.
*Sehr* vorsichtig augedrückt.

Und die Wehrmachtsgeneräle in Rußland, wenn man v. Manteuffel und
einige wenige einmal beiseiteläßt...
Das sorgfältige Lesen von *nach* 1960 publizierten -->
wissenschaftlichen <-- Biographien ist empfohlen.
In den 70er und 80er Jahren sind eineReihe an Einzelstudien über
Wehrmachtsführungsoffiziere erschienen, oft aus Abschlußarbeiten an
US- oder britischen Militärakademien hrvorgegangen. Dort werden
Herkunft, Werdegang, Qualifikation und Personenführung auf breiter
Quellengrundlage abgewogen dargestellt.
Zu finden zB ueber die Jahrgangsbaende http://www.uscmh.org/biblio/general.htm

> Nicht nur das, Hans. Wenn eine Kaserne der Bw nach 1956 nach
> einem ehrenhaften General der Wehrmacht benannt wurde, dann
> musste sie spaeter 'umgetauft' werden weil man
> politisch-korrekt sein wollte. Denke nur an die
> Gebirgsjaeger-Kaserne in Mittenwald (General Dietl).
> Ich weiss, jetzt kommen unsere Linken wieder und sagen,
> dass Dietl mal dem Fuehrer die Hand geschuettelt hat.

Hier komme nur ich, und allein, und mal etwas Faktenfaktenfakten:

Dietl hat dem Fuehrer nicht "mal die Hand geschuettelt", er war ein
guter alter Duzfreund. x-mal in Berchtesgaden.
Dietl war nämlich alter Kaempfer = schon 1923 an der Feldherrnhalle
dabei. Er startete seine Laufbahnbahn als Freikorpsführer, etwa 1919
in München.
Er kam als Ur-PG die Wehrmachtsleiter herauf, nicht dank Können.

An der Nordfront hat dieser "ehrenhafte" Mann dann seine Leute in
operational nicht zu leistenden Einsätzen verheizt bzw. den
überlebenden "Versagern" Kriegsgerichtsverfahren auferlegt. Ziel war
die Bewunderung Hitlers, der Ruf des "harten Hundes". Er war ein
Menschschinder, kein Kamerad.
Als Militär wie als Fuehrer der ihm Anvertrauten war er eine Null.
Daß er die Wochenschauen als Narvik-Held zierte (personifizierte den
exotischen Schauplatz), sich "volkstuemtlich" gab, verschaffte ihm
Breitenwirkung. Er war einer der Ikonen der Propaganda des 3.
Reiches. Braune aus dem Volke und Berufsmilitaers Seit an Seit...
Von diesem Schlaechter trennen tapfere Leute wie Mölders oder
unpolitische Koenner wie Rommel - Welten.

Nein, er war kein "Mann von Ehre".

Eine Kaserne sollte nach im Hinblick auf die militärische
Vorbildfunktion des Namensträgers benannt werden.
Bei Dietl ist die Sachlage eindeutig. Jeder anständige Soldat kann
so einen nur verachten.

Florian Eichhorn

Guenter Lelarge

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to
Burkhard Schroeder <bu...@BURKS.de> wrote:

> Berlin-Kreuzberg, 24.09.99
> If...@gmx.de schrieb am 23.09.99:
>
> Horst Kleinsorg. Soso. Der braune Schoss ist also fruchtbar noch, aus dem
> dem diese Mail kroch.
>

> Murks

War das die korrekte Widerlegung von

"Nicht nur das, Hans. Wenn eine Kaserne der Bw nach 1956 nach
einem ehrenhaften General der Wehrmacht benannt wurde, dann
musste sie spaeter 'umgetauft' werden weil man
politisch-korrekt sein wollte. Denke nur an die
Gebirgsjaeger-Kaserne in Mittenwald (General Dietl).
Ich weiss, jetzt kommen unsere Linken wieder und sagen,

dass Dietl mal dem Fuehrer die Hand geschuettelt hat." ?

Günter
--
http://www.lelarge.de/

m.blum...@cl-hh.comlink.de

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to
peter.loesch (peter....@bluewin.ch) schrieb
am 23.09.99 um 19:27 in /DE/SCI/GESCHICHTE
zum Thema "Re: Aufrechung? [war: Re: Wer ist Deutscher?]":

> "Bomber Harris" wurde in London erst vor wenigen Jahren ein Denkmal
> gesetzt (initiiert vom gleichen RAF Traditionsverein, der heute das
> Kuppelkreuz der Frauenkirche in Dresden stiftet).

Sir Arthur Harris verdient auch alle Ehre, den Nazidreck mit allen
Mitteln in einem fuer die Briten durchaus verlustreichen Krieg
vertrieb zu haben. Seine Verdienste gegen Massenmord und
Kriegsverbrechen koennen gar nicht genug geehrt werden.

mfg Martin Blumentritt <http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt>
"Die Hitler-Jugend ist sexuell autonom bis zur Kriminalitaet; die
Statistik der sexuellen Verbrechen und Vergehen Jugendlicher, das sei
hier am Rande vermerkt, verschafft Deutschland den unbestrittenen
Rekord vor allen anderen Voelkern der Erde."(Karl Olten 1942)

Guenter Lelarge

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to
<m.blum...@cl-hh.comlink.de> wrote:

> Sir Arthur Harris verdient auch alle Ehre, den Nazidreck mit allen
> Mitteln in einem fuer die Briten durchaus verlustreichen Krieg
> vertrieb zu haben.

Was Du von Menschenleben im Allgemeinen hälst, sollte man sich merken!

600.000 verbrannte Kinder und Frauen anlässlich des Flächenbombardements
deutscher Städte = Nazidreck?

Bei Dir haben wir es mit einem Paradebeispiel eines Masochisten zu tun,
von denen Röhl beschrieb, wie sie gemacht wurden. Dass Du jetzt Dein
bisschen Lebensinhalt darin siehst, ungefragt kiloweise Asche über
andere Leute Häupter zu streuen, macht Dich nicht sympathischer.

Die Krokodilstränen angesichts angesichts des Judenleids von vor über 50
Jahren sind zumindest sehr verräterisch, wenn Dich nicht schert, wenn
Millionen deutscher Zivilisten bis z.T. vor weniger als 50 Jahren
gefoltert und massakriert wurden:

Eine Augenzeugin berichtet aus dem Lager Kikinda:

"Am 3. November (1944) war ich Augenzeuge der ersten Abschlachtung einer
größeren Gruppe (Deutscher) ... Zunächst wurden die Männer nackt
ausgezogen, mußten sich hinlegen, und es wurden ihnen die Hände auf den
Rücken gebunden. Dann wurden alle mit Ochsenriemen entsetzlich geprügelt
und man schnitt ihnen nach dieser Tortur bei lebendigem Leibe Streifen
Fleisch aus dem Rücken, anderen wurden die Nasen, Zungen, Ohren oder
Geschlechtsteile abgeschnitten... Die Gefangenen schrieen und wanden
sich in Krämpfen. Dies dauerte etwa eine Stunde, dann wurde das Schreien
leiser, bis es verstummte. Noch am nächsten Tag, wenn wir über den Hof
gingen, lagen überall Zungen, Augen, Ohren und dergl. menschliche
Körperteile herum, außerdem war der ganze Hof mit gestocktem Blut
bedeckt ...

Freitag, Samstag und Sonntag wurden immer eine Menge Leute
abgeschlachtet.... Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag wurden dazu
benutzt, um das Lager wieder neu aufzufüllen, Leute aus der Umgebung
wurden hereingetrieben. Am Freitag ging dann die Schlächterei von neuem
los. Später konnte ich nicht mehr zusehen, aber wir hörten alles. Die
Opfer, wie sie schrieen, und die Partisanen, wie sie sich lustig
machten."

Nawratil, Heinz: Schwarzbuch der Vertreibung 1945 bis 1948. Das letzte
kapitel unbewältigter Vergangenheit, München 1999 (Zitat aus Wilfried
Ahrens: Verbrechen an Deutschen, Dokumente der Vertreibung, Arget 1983,
S. 304 ff)

Günter
--
http://www.lelarge.de/

Tilmann Chladek

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to
Peter Lösch <peter....@bluewin.ch> wrote:

[...]


> Du gibst Das Stichwort selbst, die ganze Aktion ("1000 Bomber Raids")
> war wenig wirkungsvoll, hat eine Menge Verluste gekostet und war bei
> näherer Betrachtung grösstenteils wirklich ein Terrorakt gegen die
> Zivilbevölkerung (Ausnahmen wie Schweinfurt bestätigen die Regel).
>

Nein, Schweinfurt war keine Ausnahme. Man muß hier unterscheiden: es gab
viele, viele Flächenbombardements (soweit ich weiß, vor allem von der
britischen Luftwaffe) und viele, viele Angriffe auf Punktziele
(Rohstoff- und produzierende Industrie - soweit ich weiß, vor allem von
der amerikanischen Luftwaffe). Wenn es diesen zweiten Teil _nicht_
gegeben hätte, wäre der Krieg in Europa wahrscheinlich noch nicht im Mai
1945 zu Ende gewesen. Z.B. wäre die Ardennen-Offensive, die ja trotz
erstaunlichen Anfangserfolgen letztlich scheiterte, wahrscheinlich nicht
so schnell steckengeblieben, wenn die deutschen Truppen mehr Treibstoff
gehabt hätten. Die Produktionszahlen der deutschen Waffenindustrie
erreichten 1944 den Gipfel, doch konnte davon vieles nicht, nicht
ausreichend oder nicht schnell genug eingesetzt werden, weil die
Raffinerien (zeitweise) zerbombt und die Treibstofftransportwege
(zeitweise) unterbrochen waren. (Übrigens bin ich der Überzeugung, daß
Deutschland auch bei weniger Bombardierungen schließlich verloren hätte,
der Gröfaz hatte einfach zuvielen Ländern den Krieg erklärt. Das Leiden
hätte nur noch länger gedauert.)

> Würden Deutsche ein ähnliches Denkmal errichten? Wie fühlt sich Deine
> Grossmutter dabei, die vielleicht Bruder oder Schwester in einer
> Bombennacht verloren hat? Meiner Ansicht nach wird hier mit gespaltener
> Zunge gesprochen. Die RAF ehrt Ihre Toten, die bei dem Versuch ums leben
> kamen Deutschland in die Knie zu zwingen indem sie hunderttausende von
> Frauen und Kindern töteten (faktum und sonst nichts). Der Zweck heiligt
> die Mittel !? Oder lag es vielleicht daran dass die Väter dieser Armen
> Würstchen für "NAZI-Deutschland kämpften ? Dann ist es ja O.K. (kommt
> übrigens aus der Englischen Militärluftfahrt und heisst Zero=O
> kasualties, damit sind natürlich nur die eigenen gemeint). Genug
> Zynismus.

Oberflächlich betrachtet könnte man natürlich dieser Meinung sein. Die
toten Frauen und Kinder hatten nicht den Krieg begonnen, die Kinder
hatten keinesfalls etwas zur Kriegsanstrengung beigetragen.
Nur leider gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen den
Kriegszielen, zumindest bei den Westalliierten und Deutschland: Das
Hitler-Regime (also die deutsche Regierung) hatte 1939 in Europa einen
Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg begonnen, die anderen
reagierten darauf. Das entschuldigt nicht alles; es bleibt aber ein
fundamentaler Unterschied.


--
Tilmann Chladek
Redaktion Internationale Politik (DGAP e.V.), Berlin
http://www.dgap.org

Tilmann Chladek

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to
Joschi <juerge...@t-online.de> wrote:

[...]


> Beispielsweise ist in D kaum bekannt das zahlreiche Urteile (ueber
> 10.000) gegen angebliche deutsche Kriegsverbrecher revidiert wurden.

[...]

Natürlich ist das bekannt. Es gibt Bücher drüber, z.B.:
Die Tragödie der Gefangenschaft in Deutschland und der Sowjetunion
1941-1956
Hrsg. v. Müller, Klaus D;Nikischkin, Konstantin;Wagenlehner, Günther
478 S. - 24 x 17 cm Gebunden Preis: DM 88.00 / SFr 80.00 / ÖS 642.00
ISBN: 3-412-04298-6
Erscheinungdatum: 1998
Reihe: Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung
5

Günther Wagenlehner hat auch an anderen Stellen darüber geschrieben.

Guenter Lelarge

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to
Tilmann Chladek <TChl...@dgap.org> wrote:

> Natürlich ist das bekannt. Es gibt Bücher drüber, z.B.:

[...]


> Reihe: Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung
> 5

Und Fernsehreihen? Wanderausstellungen? Steht das in SCHULbüchern?

Günter

--
http://www.lelarge.de/

Katharina Bleuer

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to
Hi Wolfgang,

> >Wann ist eine Sprache eine Sprache? Wenn sie geschrieben wird?
>
> Das ist keine sprachliche Frage, sondern eine soziale. Entscheidend
> ist die Selbstidentifikation der Sprachgemeinschaft.

Genau *das* sage ich doch die ganze Zeit - habe schon Blasen an den
Fingern davon... ;-)

> Zumindest bisher hat es den Anschein, dass sich die Schweizer als
> deutschsprachig betrachten.

Deutschsprachig = Ja, da habe ich auch nie widersprochen! Aber nicht
*Deutsche*. Uebrigens bezeichnen nur 63.6% der Schweizer Buerger
(Buerger, also mit CH Pass) ihre "Hauptsprache" als Deutsch (neben
19.2% Franzoesisch, 7.6% Italienisch, 0.6% Raetoromanisch, 1.7%
Spanisch, 1.6% Suedslavisch, 1.4% Portugiesisch, 0.9% Tuerkisch, 0.9%
Englisch, und 0.5% Albanisch). Dabei ist Deutsch leicht ruecklaeufig
im Vergleich zu den anderen Sprachen.

> Indizien: Die Schweiz hat offizielle Vertreter
> zur deutschen Rechtschreibreform entsandt, in der Schweiz gedruckte
> Buecher und Zeitungen erscheinen auf Hochdeutsch, die Usenet
mitlesenden
> Schweizer tun dasselbe

Schliesslich lernen Deutsch-Schweizer Hochdeutsch als Erst-Sprache in
der Schule. Nur ohne das bloede Ess-zett!!!

> - bei Dir faellt mir gerade auf, dass Du
> sogar deutsche Modetrends wie das Binnen-I mitmachst usw.

Modetrends? Ich brauche das Binnen-I aus Ueberzeugung, und um nicht
mich selber gleich mit-auszuschliessen, wenn ich etwas schreibe...
(Aber das gehoert definitiv in de.etc.sprache.deutsch)

> Aus all dem
> kann man schliessen, dass sich die Schweizer als Teil der deutschen
> Sprachgemeinschaft betrachten.

2/3 der Schweizer Bevoelkerung...

> Und die meisten Schweizer antworten vermutlich auch auf die
> Frage nach ihrer Muttersprache "deutsch", nehme ich zumindest an.

2/3 der Schweizer Bevoelkerung...

Nochmal zum Mitschreiben: die Schweiz ist nicht nur Deutsch! Das Land
ist offiziell viersprachig, mit drei Amtssprachen. Eine Tatsache, die
fuer viele Schweizer (und auch Schweizerinnen) sehr wichtig ist. Und
ich denke, dass die Schweiz das Problem der Viel-Sprachigkeit bis
anhin nicht schlecht geloest hat: 150 Jahre kein Buergerkrieg und kein
radikaler Terrorismus, wie er in anderen Mehrsprachigen Laendern
aufgetreten ist.

Vielleicht koennte Europa ja doch noch was lernen? Vor allem was die
Behandlung von regionalistischen Bewegungen angeht und so?

[rest weggeschnippelt]

Liebe Gruesse

Katharina

Florian Eichhorn

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to

Tilmann Chladek wrote:
>
> Peter Lösch <peter....@bluewin.ch> wrote:
>
> [...]

> > Du gibst Das Stichwort selbst, die ganze Aktion ("1000 Bomber Raids")
> > war wenig wirkungsvoll, hat eine Menge Verluste gekostet und war bei
> > näherer Betrachtung grösstenteils wirklich ein Terrorakt gegen die
> > Zivilbevölkerung (Ausnahmen wie Schweinfurt bestätigen die Regel).
> >
>

> Nein, Schweinfurt war keine Ausnahme. Man muß hier unterscheiden: es gab
> viele, viele Flächenbombardements (soweit ich weiß, vor allem von der
> britischen Luftwaffe) und viele, viele Angriffe auf Punktziele
> (Rohstoff- und produzierende Industrie - soweit ich weiß, vor allem von
> der amerikanischen Luftwaffe).

Arbeitsteilung Tagangriffe USAF (stärker gepanzert u. Jagdschutz
wg. zahlenmäßig größerer deutscher Tagjagd) mit Punktzielen.
Nachtangriffe RAF (geringerer Jagdschutz, Flächen = Harris). Diese
Trennung nach Zielen war nicht immer Strikt.

> Wenn es diesen zweiten Teil _nicht_
> gegeben hätte, wäre der Krieg in Europa wahrscheinlich noch nicht im Mai
> 1945 zu Ende gewesen. Z.B. wäre die Ardennen-Offensive, die ja trotz
> erstaunlichen Anfangserfolgen letztlich scheiterte, wahrscheinlich nicht
> so schnell steckengeblieben, wenn die deutschen Truppen mehr Treibstoff
> gehabt hätten.

M. W. war es mit der Ardennenoffensive vor allem deshalb vorbei,
als der Himmel aufklarte und die völlige alliierte Luftüberlegenheit
Versorgung und Angriffsspitzen lahmlegte. Das war der andere Faktor.


Die Produktionszahlen der deutschen Waffenindustrie
> erreichten 1944 den Gipfel, doch konnte davon vieles nicht, nicht
> ausreichend oder nicht schnell genug eingesetzt werden, weil die
> Raffinerien (zeitweise) zerbombt und die Treibstofftransportwege
> (zeitweise) unterbrochen waren. (Übrigens bin ich der Überzeugung, daß
> Deutschland auch bei weniger Bombardierungen schließlich verloren hätte,
> der Gröfaz hatte einfach zuvielen Ländern den Krieg erklärt. Das Leiden
> hätte nur noch länger gedauert.)
>

> > Würden Deutsche ein ähnliches Denkmal errichten? Wie fühlt sich Deine
> > Grossmutter dabei, die vielleicht Bruder oder Schwester in einer
> > Bombennacht verloren hat? Meiner Ansicht nach wird hier mit gespaltener
> > Zunge gesprochen. Die RAF ehrt Ihre Toten, die bei dem Versuch ums leben
> > kamen Deutschland in die Knie zu zwingen indem sie hunderttausende von
> > Frauen und Kindern töteten (faktum und sonst nichts).

Ja mei, mit dem gleichen "Argument" könnten Ausländer deutsche
Ehrenmäler für unsere Gefallenen verdammen (zB
U-Bootfahrerehrenmal), die haben schließlich auch Zivilisten
beschossen + bebombt. Das führt doch zu nichts.

(schnipp)


>
> Nur leider gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen den
> Kriegszielen, zumindest bei den Westalliierten und Deutschland: Das
> Hitler-Regime (also die deutsche Regierung) hatte 1939 in Europa einen
> Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg begonnen, die anderen
> reagierten darauf. Das entschuldigt nicht alles; es bleibt aber ein
> fundamentaler Unterschied.

So ist es.

Florian Eichhorn

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to
Hallo,

Katharina Bleuer wrote:
>
(snip)


> Schliesslich lernen Deutsch-Schweizer Hochdeutsch als Erst-Sprache in
> der Schule. Nur ohne das bloede Ess-zett!!!

Na, jetzz hörtz aber auf! Und als nächstes werden wohl the umlauts
gekillt, und dann kommen unsere unregelmäßigen Verben dran?
Steht zusammen - Wehret den Anfängen!



> > - bei Dir faellt mir gerade auf, dass Du
> > sogar deutsche Modetrends wie das Binnen-I mitmachst usw.
>
> Modetrends? Ich brauche das Binnen-I aus Ueberzeugung, und um nicht
> mich selber gleich mit-auszuschliessen, wenn ich etwas schreibe...
> (Aber das gehoert definitiv in de.etc.sprache.deutsch)

Ja, wirklich schwerwiegend: Frau Minister oder Frau Ministerin?
Nuß oder Nüssin B-)



> > Aus all dem
> > kann man schliessen, dass sich die Schweizer als Teil der deutschen
> > Sprachgemeinschaft betrachten.
>
> 2/3 der Schweizer Bevoelkerung...
>
> > Und die meisten Schweizer antworten vermutlich auch auf die
> > Frage nach ihrer Muttersprache "deutsch", nehme ich zumindest an.
>
> 2/3 der Schweizer Bevoelkerung...
>
> Nochmal zum Mitschreiben: die Schweiz ist nicht nur Deutsch! Das Land
> ist offiziell viersprachig, mit drei Amtssprachen. Eine Tatsache, die
> fuer viele Schweizer (und auch Schweizerinnen) sehr wichtig ist. Und
> ich denke, dass die Schweiz das Problem der Viel-Sprachigkeit bis
> anhin nicht schlecht geloest hat: 150 Jahre kein Buergerkrieg und kein
> radikaler Terrorismus, wie er in anderen Mehrsprachigen Laendern
> aufgetreten ist.

Na, nigs for unguhd, gell, abber das's umm den Begriff der
*Deutschsch*weizer" geht, das wurde doch deutlich B-)
Na OK, paar von uns Reichsdeutschen haben uns schoon über diese
komischen Dialekte in Geneve oder Chiasso gewundert B-))

> Vielleicht koennte Europa ja doch noch was lernen? Vor allem was die
> Behandlung von regionalistischen Bewegungen angeht und so?

zB La Trance, die gezielt marokkanisch-algerische banlieus nach
Straß(!)burg verpflanzt hat, um der Kolonie ne Harke zu zeigen.
Bretagne, OC... heiliger St. Centralisme.

Gruß

Katharina Bleuer

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to
Auch hallo!

(snip)
>> Schliesslich lernen Deutsch-Schweizer Hochdeutsch als Erst-Sprache
in
>> der Schule. Nur ohne das bloede Ess-zett!!!

> Na, jetzz hörtz aber auf! Und als nächstes werden wohl the umlauts
> gekillt, und dann kommen unsere unregelmäßigen Verben dran?
> Steht zusammen - Wehret den Anfängen!

Deutsch ist auch ohne Ess-Zett schwer genug. Denk mal an all die
Faelle... Und Umläuter sind sowieso nicht ästhetisch (vor allem nicht
ein durch ein Schweizer ausgesprochenes "ä").

>> > - bei Dir faellt mir gerade auf, dass Du
>> > sogar deutsche Modetrends wie das Binnen-I mitmachst usw.
>>
>> Modetrends? Ich brauche das Binnen-I aus Ueberzeugung, und um nicht
>> mich selber gleich mit-auszuschliessen, wenn ich etwas schreibe...
>> (Aber das gehoert definitiv in de.etc.sprache.deutsch)

>Ja, wirklich schwerwiegend: Frau Minister oder Frau Ministerin?
>Nuß oder Nüssin B-)

Nun, du hasts gewollt. Hier meine Antwort (mit den Worten einer
anderen):

"Sehr geehrte Herren, Staatsmänner, Landsmänner, Ratsherren,
Amtmänner, aber auch Generäle und Soldaten, mit dem Erbe eurer
Vorväter belastet und vom Glauben eurer Väter inspiriert, produziert
weiterhin eure Meisterwerke, eure Bomben und eure Kriege im
Mannschaftsgeist, in männlicher Eintracht, im Gleichschritt, eure
Einmannstücke im männlichen Alleingang mit dem Segen von Gottvater,
Sohn und Co. in alle Ewigkeit Amen: Sprachverrat"

Senta Trömel-Plötz, Postkarten-Serie A: Zeitgenössische Zitate,
Suffragettenpresse Vertrieb
B. Dorothea Krüger, Postfach 201 538, 2000 Hamburg

[snip]


>> Nochmal zum Mitschreiben: die Schweiz ist nicht nur Deutsch! Das
Land
>> ist offiziell viersprachig, mit drei Amtssprachen. Eine Tatsache,
die
>> fuer viele Schweizer (und auch Schweizerinnen) sehr wichtig ist.
Und
>> ich denke, dass die Schweiz das Problem der Viel-Sprachigkeit bis
>> anhin nicht schlecht geloest hat: 150 Jahre kein Buergerkrieg und
kein
>> radikaler Terrorismus, wie er in anderen Mehrsprachigen Laendern
>> aufgetreten ist.

>Na, nigs for unguhd, gell, abber das's umm den Begriff der
>*Deutschsch*weizer" geht, das wurde doch deutlich B-)
>Na OK, paar von uns Reichsdeutschen haben uns schoon über diese
>komischen Dialekte in Geneve oder Chiasso gewundert B-))

Nun, da immer von "die Schweizer" geschrieben wurde, dachte ich halt,
ihr meint alle Schweizer damit... und die uebrigen seien automatisch
mitgemeint. Manchmal ist es schwierig herauszufinden, WER denn nun
mitgemeint ist, und wer nicht... ;-b

>> Vielleicht koennte Europa ja doch noch was lernen? Vor allem was
die
>> Behandlung von regionalistischen Bewegungen angeht und so?

>zB La Trance, die gezielt marokkanisch-algerische banlieus nach
>Straß(!)burg verpflanzt hat, um der Kolonie ne Harke zu zeigen.
>Bretagne, OC... heiliger St. Centralisme.

Es haben praktisch alle europäischen Staaten Mühe, mit ihren
Minderheiten umzugehen... :-((( (die Schweiz auch mehr und mehr -
leider)

Wie waers, wenn Europa der Schweiz beitreten wuerde, anstatt
umgekehrt?

Katharina

P.S. Letzteres war nur eine rhetorische Frage!

Tilmann Chladek

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to
Guenter Lelarge <gue...@lelarge.de> wrote:

> Tilmann Chladek <TChl...@dgap.org> wrote:
>
> > Natürlich ist das bekannt. Es gibt Bücher drüber, z.B.:
> [...]
> > Reihe: Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung
> > 5
>
> Und Fernsehreihen? Wanderausstellungen? Steht das in SCHULbüchern?
>

Unser guter GL hat mal wieder die Behauptung meines Vorredners, auf die
ich meine Erwiderung geschrieben habe, weggeschnitten. Mit geschicktem
Schneiden läßt sich einfacher argumentieren ...

Die Behauptung von Joschi <juerge...@t-online.de> lautete:


"Beispielsweise ist in D kaum bekannt das zahlreiche Urteile (ueber
10.000) gegen angebliche deutsche Kriegsverbrecher revidiert wurden."

Als _Beispiel_ dafür, daß dies durchaus bekannt ist, habe ich das Buch
Wagenlehners et al. angeführt. Wagenlehner selbst hat dazu noch einige
Aufsätze zu dem selben Thema in Zeitungen und Zeitschriften
veröffentlichen können. Und die Zeitungen haben natürlich gemeldet, daß
viele dieser Urteile aufgehoben worden sind.

Fernsehen habe ich keines, kann ich also nichts dazu sagen. Was die
Schulbücher angeht, so ist hier generell anzumerken, daß die Schulbücher
oft Schwierigkeiten haben, auf der Höhe der Zeit zu bleiben, d.h., sie
sind nicht so schnell, wie es zu wünschen wäre (Beispiel:
Geographiebücher nach dem Untergang der DDR ...).
Wenn also in den 90er Jahren viele der in der Sowjetunion gefällten
Urteile gegen deutsche Kriegsgefangene aufgehoben werden, ist es nicht
notwendigerweise böser Wille, wenn diese Tatsache nicht sofort in
Schulbüchern erscheint.

Und Wanderausstellungen? Wie wär's, GL, mal eine zu organisieren? Die
(in manchem durchaus fragwürdige) Wehrmachtsausstellung war eine private
Initiative, und niemanden hindert GL oder Gleichgesinnte, eine
Privatinitiative zum Thema Vertreibung zu entwickeln.

Kruge

unread,
Sep 24, 1999, 3:00:00 AM9/24/99
to
Schweinchen Braun <If...@gmx.de> schrieb in im Newsbeitrag:
i2HqN0hMdzH7kD...@4ax.com...

> Und im "freiesten Staat auf deutschem Boden" bekommt der
> Buerger und Forscher nicht einmal Zugang ohne besondere
> Begruendung. Historikern wie David Irving wird Zugang
> verweigert. Nur politisch-korrekte 'Historiker' werden rein
> gelassen.

Neeeneeenee. David Irvin ist kein Historiker, sondern ein "Historiker".
Du hast die Anführungszeichen falsch gesetzt, du Versager.


--
<<Bible? Yes, it's right over there next to Grimm's Fairy Tales.>>
Michael Briel, Projekt N.O.R.B.E.R.T.: Negation of Reality by excessive
Radiation of Trash.
MAIL: kr...@gmx.de / MUSIC: www.mp3.com/briel / ICQ: 15785108


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