On Sat, 09 Sep 2017 01:31:56 +0200, Martin Gerdes wrote:
> Markus Luft <
01-...@news.marquee-moon.de> schrieb:
>
> Er zitierte erstmal auskömmtlichst, bevor er schrieb.
> Ich kürze das mal zusammen.
>
Er kürzte auskömmlichst, so daß der Kontext verloren ging.
Zudem schrieb ich das auch nicht allein.
>>> [Zitat]
>>> Ich weiß nicht, was Herr Heydenbluth gegen Varel und gesunden
>>> Menschenverstand hat.
>
>>> Ich erlaube mir, das auf Deutsch zu übersetzen und einige fehlende
>>> Passagen hinzuzufügen, die beim Schreiben des Originals wohl verloren
>>> gingen:
>
>>> Ja, wir wissen, daß unsere Radwege verlottert und beschissen sind,
>>> auch daß das die Verantwortlichen nicht die Bohne schert. Aber wir
>>> danken unseren Dorfschulzen dennoch für diese Radwege, da "die Straße"
>>> noch viel gefährlicher ist. Einen Nachweis dafür liefere ich nicht,
>
> Wozu auch, wenn doch "der gesunde Menschenverstand" dafür reicht?
>
Der nicht so gesund sein kann, denn das beweist die Unfallforschung,
die dann mit dem selben "gesunden Menscherverstand" ignoriert wird.
Damit ist dieser "gesunde Menschenverstand" eben nicht ausreichend,
sondern mangelhaft.
>>> auch auf die vorgebrachten Sachargumente gehe ich vorsichtshalber
>>> nicht ein, denn dann müßte ich mein Weltbild revidieren, und das kann
>>> ich leider nicht.
>
> Das dürfte nicht der springende Punkt sein, sondern: "Mein Weltbild
> ändern _will_ ich nicht."
>
Kann derjenige nicht. Denn was tritt an dessen Stelle?
>>Das ist das, was Prof. Rainer Mausfeld in seinen Vorträgen
>>Tiefen-Indoktrination nennt. Die Betroffenen sind dann rationalen
>>Argumenten, die ihrer eingepflanzten Weltsicht nicht entsprechen,
>>nicht mehr zugänglich.
>
> Das dürfte mehr oder weniger für uns alle gelten. Wer von sich behaupten
> kann, daß er von diesem Effekt gänzlich frei ist, der werfe den ersten
> Stein.
>
Wir werden alle indoktriniert, aber die Generation vor mir kannte es noch
anders und konnte mir auch noch ein anderes Weltbild vermitteln, als jenes
welches heute ausschließlich vermittelt wird.
Auch in der Ökonomie kenne ich noch andere Weltbilder. Deshalb muß auch
auch lachen wenn jemand der Wagenknecht Verschwörungstheorie unterstellt,
nur weil sie damals gängige Instrumente der Wirtschaftspolitik fordert,
die auch von der ehemaligen Arbeiterpartei und von der CDU 25 Jahre
erfolgreich eingesetzt wurden.
>>... meine Erzieher kannten da noch ein anderes Narrativum, welches durch
>>die Vorkriegs- und Nachkriegsgeschichte geprägt ist.
>
> Welches denn?
>
>>Radwege dienten da "noch" Autofahrern.
>
> Ist das jetzt denn anders?
>
Diese beiden Fragen sind überflüssig.
Geändert hat sich nur die Erzählgeschichte und ich hatte auch erklärt
warum sie das tat, aber das hast Du natürlich nicht zitiert.
>>Was bedeutet das aber für uns?
>>Es gibt (noch) ein Recht auf die Fahrbahn. Das kann man durchsetzen und
>>sich damit zufrieden geben.
>
>>Will man jedoch eine Mehrheit für sich gewinnen, was sinnvoll ist (Wer
>>will schon immer gleich klagen müssen um an sein Recht zu gelangen?),
>>der hat es schwer, denn der "Gegner" läßt sich eben nicht über die Ratio
>>überzeugen.
>
> Ich habe es aufgegeben, gegen "gesunden Menschenverstand" argumentieren
> zu wollen.
>
Vernünftig, denn es handelt sich auch gar nicht um Verstand. Es sind
ausschließlich Emotionen.
Deshalb schlage ich ja vor ebenfalls emotional zu agitieren.
> Der Staat tut nicht viel für mich (als Radfahrer), warum sollte ich
> etwas für den Staat tun?
>
Das stand auch gar nicht zur Debatte.
Wenn es bei dem Prozess darum gegangen wäre sich unrechtmäßig erhobene
Abgaben von der Kommune zurückzuholen, würden auch alle "Hurra!" schreien
und ebenfalls auf ihr Recht pochen. Und in unserem Fall ist es sogar
noch bekloppter, denn wer, warum auch immer, weiterhin mehr bezahlen
möchte als er müßte, kann das auch weiterhin tun. Michael sorgte mur
dafür, daß ich und andere in Varel nicht auch abgezockt werden.
>>Zum Glück hat der Mensch aber ein angeborenes Gefühl für Fairness.
>
> Echt?
> Wie unterschiedlich Deine und meine Wahrnehmung doch sind!
>
Das hat nichts mit Wahrnehmung zu tun, sondern etwas mit Erkenntnisgewinn,
aus den einschlägigen Wissenschaften. Besonders die jüngsten Exemplare
unter uns haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.
Der wird uns nur abtrainiert, aber er ist immer noch da.
Wir lernen eben, daß die Welt ungerecht sein müßte, damit wir in unserer
Gesellschaft nicht allzusehr aufbegehren, so wie das kleine Kinder noch
tun.
>>Der gemeine Fahrgastkäfigbewohner, der am stärksten subventioniert wird
>>und bei dem die Nachteile seines Mobilitätskonzepts weitgehend
>>externalisiert wurden, hat kein Recht auf exklusive Nutzung des
>>Gemeinguts Fahrbahn.
>
> Bedauerlicherweise doch.
>
Ach ja? Und deshalb sagt sogar ein Richter die Schilder müssen weg?
Die Schilder müssen weg eben weil KFZ-Führer dieses Recht nicht haben.
>>Das ist zutiefst unfair.
>
> Daß die Fahrbahn exklusiv Dosentreibern zur Verfügung steht, empfinde
> ich in der Tat als unfair.
>
Die Fahrbahn steht denen nicht exklusiv zu und damit die das auch merken,
mache ich denen ihr imaginiertes Recht auch streitig. Und viele werden
dabei auch merken, daß es auch nicht wehtut.
>>Und wer sich mit den üblichen minderwertigen Wegelchen zufrieden gibt
>>und hofft, er bekäme vielleicht doch irgendwann in ferner Zukunft etwas
>>Besseres oder gar Gleichwertiges, ist dämlich. Aber sowas von.
>
> Das kann ich bestätigen. Die für mich persönlich wichtigere Frage ist:
> Wo bleibe ich im Verkehr?
>
Wenn man auf Radwegelchen fährt, unter "ferner liefen".
Radfahrer bleiben dort buchstäblich eine Randerscheinung.
>>Auch eine Helmpflicht ist unfair.
>
> In Germanistan gibt es sie noch nicht. Mal schauen, ob die Gutmenschen
> das noch schaffen.
>
Die sind auf dem besten Wege dahin.
Viele Menschen sind schon so tiefenindoktriert, daß die gar nicht mehr
raffen, daß so eine Helmplicht rechtsstaatliche Prinzipien auf den Kopf
stellt.
> Heute hatte ich frei und bin auf an sich gewohnten Wegen in die Stadt
> gefahren: Was habe ich die Augen aufgemacht! Die Hauptverkehrsstraßen
> (die mit den Radwegen dran) waren mit Autos gefüllt, häufig konnten sie
> eine Kreuzung bei Grün nicht überqueren, weil der Rückstau das nicht
> zuließ. Auch wenn die Mitfahrer dieser Gruppe mich deswegen jetzt
> steinigen möchten: In einer solchen Situation empfinde ich mich mit
> meinem Baumwurzelerlebnispfad nicht schlecht bedient, auf ich an all
> diesen Wichtigstaus problemlos vorbeiziehen kann.
Sowas ist auf meinen Strecken selten. Es geht eigentlich da häufiger mal
nur langsamer voran als ich fahren könnte und wenn ich doch mal in so
einen Rückstau gerate, fahre ich bewußt nicht auf den Radweg.
Da bin ich schon konsequent.
Ich halte auch immer brav an roten Ampeln und tue nichts, was gängige
Vorurteile bestätigen würde.
> Zugegeben: Das
> Überqueren von Straßen wird bei einer solchen Verkehrssituation
> schwierig: Meine Erfahrungswelt ist, daß Autos in Pulks kommen,
> ausgespuckt in Gruppen von der letzten Ampel. Das gibt mir Freiraum, die
> Fahrbahn an fast jeder Stelle relativ ungefährdet zu überqueren. Heute
> aber klappte das erheblich schlechter. Zwischen den Stoßstangen war
> deutlich weniger Platz, wenngleich heute noch nicht einmal ein
> Frustfahrer darunter war, der seinem Ärger auf die Vogelfreiheit des
> Fahrradfahrers (die bei allen Nachteilen ja auch Vorteile hat) nicht
> durch Dichtfahren des Abstandes zum Vordermann Luft machte. Und doch:
> Hatte ich die Durchfahrtsstraße erstmal überquert, war ich wieder in
> "meinen" Wohnstraßen, in denen man das Chaos der Durchfahrtsstraßen
> nicht spürt (Auf meinen Wegen gibts keine Schleichwege).
Ich fahre auf der Fahrbahn, da muß ich auch nix queren, einfach weil ich
mich auf der Fahrbahn entsprechend einordne. Das klappt hierzuorts sehr
gut und auch die Autofahrer verhalten sich kooperativ, das bedeutet die
gehen vom Gas oder bremsen sogar um mir bei hohen
Differenzgeschwindigkeiten den Fahrspurwechsel zu ermöglichen.