Am 24.04.2017 um 16:36 schrieb Michael Zink:
>> Das ist ein typisches Phänomen hier in Mitteleuropa: Solange Du helle
>> Hautfarbe hast und auch alle Deine Begleiter helle Hautfarbe habe, wird
>> Dir erst mal generell vertraut, man lässt Dir auch viele Dinge einfach
>> durchgehen und behelligt Dich bei vielen Fragen gar nicht.
>
> Wobei im genannten Fall ja auch "Elternteil" und "Kinder" nicht
> "zusammengepaßt" haben. Das kann natürlich erst Recht ein Grund zum
> nachfragen sein.
Erinnert sich noch jemand an der Fall der kleinen Maria von 2013, der
europaweit durch die Presse ging? Es ging da um ein Mädchen in einer
Roma-Siedlung in Griechenland, die vermeintlich nicht roma-typisch aussah.
In Griechenland bestand bis in die 1970er-Jahre eine Militärdiktatur, in
der Roma systematisch diskrimiert wurden, z.B. bekamen sie keine
amtlichen Ausweisdokumente und waren von Besuch der Regelschulen
ausgeschlossen. Infolge dessen leben viele Roma in Griechenland auch
heute noch in ärmlichen Siedlungen. In diesen führt die Polizei immer
wieder anlasslose Razzien durch.
In Rahmen einer solchen Razzia im Jahr 2013 wurde bei einem Mädchen mit
dem Namen Maria aufgrund ihrer hellen Hautfarbe vermutet, daß sie kein
Kind einer Roma-Familie sein könnte. Das Mädchen wurde in ein Jugendheim
gegeben, die betreffende Familie kamen in Untersuchungshaft wegen des
Vorwurfs der Kindesentführung - und das alles nur wegen der Hautfarbe.
In den Presseberichten gab es auch auch die zu den Vorwürfen passende
Wortwahl: Das Kind war "bei einer Roma-Familie gefunden" worden, es war
"scheu und verängtigt".
Es stellt sich dann heraus, daß Maria doch Roma-Kind war, eine helle
Hautfarbe also gar nichts damit zu tun hat, ob jemand von Roma abstammt
oder nicht. Der ganze Fall war also durch Vermutungen ins Rollen
gekommen, die sich als falsch erwiesen.
Nun stellte sich bei den Untersuchungen aber auch heraus, daß Maria
nicht von der Roma-Familie abstammte, bei der sie lebte. Ihre
tatsächlichen Eltern waren auch Roma und stammten aus einer armen
Familie in Bulgarien, die nach Griechenland umgezogen war. Diese Familie
war aufgrund ihrer prekären finanziellen Situation nach Bulgarien
zurückgekehrt, und hatte Maria einer anderen Roma-Familie in
Griechenland als Pflegekind anvertraut - eben jener Familie, die jetzt
von den Behörden der Kindesentführung beschuldigt wurde.
Dieser Sachverhalt wurde nicht geglaubt. Statt dessen wurden die
Anschuldigungen verschärft, es wurde nun angenommen, die Familien wurden
regelrecht Handel mit Kindern treiben. In der Presse wurde darüber
spekuliert, daß Roma-Familien Kinder untereinander verkaufen würden, um
sie erst zum Betteln und später auf den Straßenstrich zu schicken. Es
wurde der organisierten Kriminalität zugerechnet.
Letztlich haben sich alle diese Vorwürfe als völlig haltlos
herausgestellt. Die Situation war tatsächlich so, wie die Eltern sie
angegeben hatten.
Zurück blieben somit ein Kind, das gewaltsam von seinen Pflegeeltern
getrennt wurde, Pflegeeltern, die wegen Nichts für Monate im Gefängnis
saßen und eine internationale Öffentlichkeit, die ihre schlimmsten
Vorurteile gegenüber Roma und Sinti in den Presseberichten bestätigt sah.
Und das alles nur, weil das Kind eine helle Hautfarbe hat als die Eltern
- weil vermeintlich etwas nicht "zusammengepasst" hat.
Daniel Rehbein
www.daniel-rehbein.de