Von Alexander Wallasch
Mi, 1. Januar 2020
Interview
Rebecca Sommer: „Frauen und Mädchen geht es als erstes an den Kragen“
Rebecca Sommer ist in der Flüchtlingshilfe engagiert.
Sie kritisiert 'die Migrationspolitik und lasche
Haltung der Bundesregierung gegenen Islam.
Ein Gespräch über Mädchen als Opfer, verlorene
'Freundschaften und die Menschen als Herdentiere.
Sie gehört seit Jahren zu den engagiertesten Frauen wenn es darum
geht in Deutschland vor dem Einfluss eines agressiven Islam zu
warnen. Die Menschen- und Völkerrechtlerin Rebecca Sommer
unterscheidet nicht zwischen Islam und politischen Islam.
Damit eckt sie bei vielen an, die erschrecken, wenn eine Frau
ausspricht, was lieber unausgesprochen bleiben soll. Die Anwürfe
werden heftiger, der Umgang mit so gewichtigen Stimmen wird
aggressiver. Wir sprechen über ihre Erlebnisse seit 2015
und darüber, was ihr Engagement für Land und Leute
heute auch für private Kontakte bedeutet.
Alexander Wallasch (AW): Was war nach 2015 das Initial für
Ihre politische Arbeit?
Rebecca Sommer (RS): Köln, ganz klar die Silvesternacht von
Köln, die Massenbelästigungen und Vergewaltigungen auf der
Domplatte durch hunderte Nordafrikaner. Das war für mich
der Weckruf, weil ich da einfach gemerkt habe, dass ich von
Menschenrecht und Völkerecht auch auf das Recht von uns Mädchen
und Frauen zurückgehen muss, auf etwas übrigens, das ich mir nie
hätte träumen lassen, dass ich dafür jemals in Deutschland oder
Europa kämpfen müsste.
[...]
Damals dachte ich: Klar, es geht uns Frauen und Mädchen als
allererstes an den Kragen. Und ich kann mir dieses erweiterte
Menschen- und Völkerecht, für das ich mich bis dahin weltweit
eingesetzt habe, ab sofort nicht mehr leisten, weil es uns
tatsächlich, hier in Deutschland, an den Kragen geht.
Der Grund, warum Köln das Initial war: Ich musste mir einfach
eingestehen, auch in Anbetracht meiner Suche nach Wahrheit
und meine Arbeit mit dem, was ich für mein Gerechtigkeits-
gefühl halte, ich musste mir eingestehen, dass ich viele
Geflüchtete und Migranten auch im Rahmen meiner Arbeit mit
diesen Menschen kenne, von denen ich leider annehmen musste,
dass die genau das in Köln gemacht haben beziehungsweise machen
würden.
AW: Ist das nicht zunächst eine sehr feministische Betrachtung?
Denn die aktuellen Nachrichten – beispielsweise der
todgeprügelte Feuerwehrmann – berichten doch auch davon,
dass deutsche Männer ebenso Opfer von Migrantenkriminalität werden.
RS: Frauen sind die ersten, die dran sind. Sie sind sexuelle Opfer,
wenn diese Typen, die da übergriffig werden, aus Ländern kommen,
die eine ganz andere Meinung davon haben, was die Stellung der
Frau ist. Diese Männer waren in ihren Herkunftsländern die
großen Prinzen. Und viele von denen haben tatsächlich das
Gefühl, dass Europäerinnen nichts anderes sind, als zwei
Beine mit etwas dazwischen. Ich klammere Männer da auch
nicht aus, auch in den Reihen der europäischen Männer gibt
es viele Verluste.
[...]
Was wir ebenfalls erwähnen müssen: Die wenigen Frauen, die aus
diesen Ländern hierher kommen, dürfen auf keinen Fall mit
einem Nichtmuslim zusammenkommen. Die deutschen Männer sind
hier zunächst tabu für diese Frauen. Das heißt, die Auswahl
für Männer hier in Deutschland wird also hochgradig rassistisch
oder diskriminatorisch bestimmt, wenn es da für eine bestimmte
Gruppe Frauen heißt: Die darfst Du nicht haben, die sind für
Muslime abgestellt. Während aber die muslimischen Männer,
die afrikanischen, orientalischen beziehungsweise arabischen
Männer Frauen aus westlichen Kulturen quasi als Spielwiese
benutzen.
Ich bleibe also dabei, Frauen sind hier ganz deutlich die
allerersten Opfer – übrigens auch deshalb, weil sie so
großgezogen werden, von der Politik, den Medien und diesem
„Multikulti“ mit seinem „Alle-Menschen-sind-gleich“-Mantra.
Diesen Mädchen und jungen Frauen wird komplett verschwiegen,
dass wir eben nicht alle gleich sind, wir sind unterschiedlich.
Und diese Unterschiede sind hochbrandgefährlich für Frauen und
junge Mädchen. Die aber werden dahin getrieben über Werbung über
die Uni, Schule, über die Lehrer, über die Medien – ihnen wird
sogar suggeriert, dass es chic und toll ist, sich mit
solchen Typen umzugehen und/oder sich einzulassen.
AW: Aber werden Frauen von Ihnen da nicht auch zu dummen Objekten
gemacht, wen Sie ihnen unterstellen dass sie es selbst nicht
begreifen? Kann am Ende nicht jede Frau selbst entscheiden,
auf was sie sich einlässt?
RS: Täuschen Sie sich mal nicht. Wenn dir tagein, tagaus ein-
getrichtert wird, dass eine Differenzierung und gewisse
Vorsicht mit Männern aus einem konträren Kultur-
Religionskreis etwas falsches, etwas ultraschlechtes
und menschenfeindliches ist, dir suggeriert wird, indem
du in der Werbung, Medien, Schule etcetera quasi damit
bombardiert wirst, dass wir „alle gleich“ sind, dir permanent
eingetrichtert wird, dass Migranten aus anderen Kontinenten und
Kulturen so wir wir sind, dann wird dir dein gesunder Instinkt
und Selbstschutz, deine gesunde Vorsicht aberzogen. Genau das
passiert gerade mit uns Deutschen und Europäern. Das wird uns
gerade ganz bewusst gesteuert angetan und das hat auch wieder
seine Ursprünge in der UN.
AW: Jedenfalls kann Frau es doch bei uns selbst entscheiden,
dafür leben wir ja in einem Rechtsstaat. Ich finde es
gefährlicher - Sie sprachen es an – wenn der Staat
wie in Köln versagt, wenn die Polizei dazu genötigt
wird, Gefahrenlagen zu verschweigen über Tage hinweg.
RS: Nein, wir leben nicht mehr im selben Rechtsstaat, wie wir
ihn von früher kennen.
AW: Erzählen Sie unseren Lesern bitte, wie es Ihnen persönlich
in den Jahren seit 2015 ergangen ist, was diese politische
Arbeit, die Sie eben kurz angerissen haben mit Ihnen und
Ihren Umfeld macht. Sie kommen ja ursprünglich eher aus
einer feministischen Ecke und …
RS: Nein, überhaupt nicht. Das habe ich ja schon ausgeführt,
ich habe mich vor Köln kaum auf Frauenthemen konzentriert,
im Gegenteil. Ich habe immer gedacht, wir sind alle nur
Menschen. Es ging mir also um Menschen- und Völkerrechte.
Und ich habe erst ab Köln gemerkt, dass ich mich wieder mehr
den Frauenrechten widmen muss. Nie hätte ich gedacht, dass ich
so etwas als westliche Frau in einem gleichberechtigten Europa
werde wieder machen müssen: Zuallererst für die Rechte der
Frauen kämpfen.
Ich wiederhole es, weil man es nicht oft genug wiederholen kann:
Frauen und Mädchen sind die ersten Opfer einer Massenmigration,
die uns aufgezwungen wird, wo es aber das Narrativ gibt, diese
Männer seien alle integrierbar, wir seien alle gleich und
so weiter. Angesichts der Ereignisse in Köln wurde mir auf
erschreckende Weise klar, dass ich eben die vielen Flüchtlinge
und Migranten, die ich schon begleitet habe seit 2011/2012,
dass ich viel zu viele kenne hier in Berlin, die ganz
genau in diese Ecke der tausend Männer von Köln passen,
die da die Frauen angetatscht und teilweise sogar
vergewaltigt haben sollen.
AW: Nun wurden dort zumindest gerichtlich keine Vergewaltigungen
festgestellt beziehungsweise ein Fall, der als solche identi-
fiziert wurde, wenn ich richtig informiert bin. Mich würde
aber viel mehr interessieren, was diese 180-Gradwende mit
Ihrer politischen Arbeit aber auch die Zusammenarbeit mit
bisherigen politischen Weggefährten mit Ihnen gemacht hat.
Was ist passiert seit dem, mit dem Sie vielleicht so gar
nicht gerechnet hatten? Aber auch wichtig, was gab es für
positive Erfahrungen?
RS: Vorab etwas, was mir ganz wichtig ist: Zum Einen, ich
arbeite nicht politisch, wie Sie die ganze Zeit behaupten,
sondern engagiere mich für das Menschen- und Völkerrecht.
Zum Zweiten, ich habe keine Vorurteile gegen Ausländer
oder gegen eine bestimmte Gruppe von Ausländern. Das wäre
ja angesichts meiner Vita auch kaum möglich. Nein, ich habe
mir ein Urteil gebildet. Vorurteil versus Urteil: Das ist ein
großer Unterschied. Ich hatte eben keine Vorurteile, aber habe
mir ein Urteil gebildet aufgrund meiner Beobachtungen und
Erfahrungen. Schlussendlich begleitete ich 2015 schon
vier Jahre, inzwischen sind es sogar schon acht Jahre –
genau die Leute, über die wir hier reden, die, die hier Asyl
beantragen. Das ist der konkrete Unterschied.
Viele Leute sind einfach nicht bereit, weil sie eben auch
Men
schenfreunde sind und in der Sache alles positiv sehen wollen,
sind nicht bereit, anhand von Fakten und Erfahrungen ein
neues Urteil zu fällen. Wer das aber verweigert, wer seine
Verantwortung nicht mehr bereit ist anzunehmen, der
gefährdet im Ernstfall eben viele andere Menschen.
AW: Aber kann man nicht auch positive Erfahrungen machen
mit muslimischen Migranten und daraus etwas ableiten?
RS: Ich mache ganz oft positive Erfahrungen mit Migranten.
Viele sind alte Freunde – manche übrigens kenne ich seit
der Schulzeit, ach was, sogar seit dem Kindergarten – ,
die muslimischer, kurdischer, türkischer Herkunft sind.
Die waren es übrigens auch, die mich immer gewarnt haben,
wie viele von den ethnisch-tribal-patriachalisch
sozialisierten Migranten so ticken, die ich schon
damals in der täglichen Arbeit betreut habe. Ich habe
diese Warnungen zunächst fast blauäugig und auch ein
bisschen verwundert als Vorurteile gegen die eigenen Leute
abgetan. Diese Menschen also waren für mich eine positive
Erfahrung, weil sie versucht haben, mich zu warnen, auch
wenn sie bei mir zunächst auf taube Ohren gestoßen sind.
AW: Was für Warnungen waren das denn konkret?
RS: Zunächst einmal eine Warnung vor dem Islam, dass das
eben keine friedliche Religion ist und was das für uns
Europäer und Deutsche bedeuten kann, dass das für uns
und unsere Zivilisation, für unsere Gesellschaft, für
unsere Lebensgemeinschaft gefährlich werden kann. Und
konkrete Warnungen vor Menschen, die islamisch sozialisiert
worden sind, dass das überhaupt nicht zu uns und unserer
Lebensweise passt. Diese Freunde sprechen teilweise die
Sprache der Neuangekommenen. Und sie haben hingehört,
was da so erzählt wurde und mit welchen Vorstellungen
diese Menschen nach Deutschland gekommen sind. Ich würde
das viel zu friedlich sehen, war der Hauptvorwurf gegen mich,
dass ich das alles zu naiv betrachten würde.
AW: Unterscheiden Sie zwischen islamisch und islamistisch?
RS: Nein, absolut nicht. Und ich verwehre mich auch der
Bezeichnung „politischer Islam“. Das klinkt doch fast so,
als wäre der Islam eventuell eine spirituelle schöne
Geschichte. Der Islam an sich ist politisch und
zieht sich in jeden Winkel deines Lebens als Muslim.
Das fängt ja schon damit an, dass hier wirklich alles
vorgeschrieben wird bis dahin, mit welchem Fuß man die
Toilette zuerst betritt. Und bis hin, wie man etwas isst,
sogar, wie man Sex hat.
AW: Aber war beziehungsweise ist das im Christentum nicht
ganz ähnlich?
RS: Schon, aber wir haben die Aufklärung gehabt, wir sind
hier weitestgehend säkularisiert. Wir haben doch eine
völlig andere Entwicklung genommen. Ich bin der Meinung,
auch wenn man das nicht sagen darf, dass Menschen aus dem
afrikanisch-orientalischem Raum, wenn man die westlich
Orientierten, wenn man die Gebildeten unter ihnen mal
beiseite lässt, großteils eben über keine Bildung oder
ein westliches Werteverständnis verfügen. Da kommen
orthodox und traditionell geprägte, so lebende und
denkende Menschen. Und diese Klientel bringt eins zu
eins mit, was sie aus ihren Herkunftsländern kennen und
auch für richtig empfinden und deshalb hier implementieren
und uns aufdrücken wollen.
AW: Nun sagen aber Umfragen, dass nicht die Ärmsten kommen,
sondern schon die, die es sich leisten können, zu reisen,
Schlepper zu bezahlen und so weiter, weil sie in ihren
Heimaten über eine gewisse höhere Stellung in der
Gemeinschaft verfügt haben.
RS: Da sehe ich den Widerspruch nicht. Der größte Teil – so
meine Erfahrung mit Hunderten von Menschen, die ich schon
begleitet habe, und aus Gesprächen – ist orthodox-traditionell
unterwegs. Das merkt man irgendwann einfach: Auch wenn die Leute
moderat wirken, beispielsweise keine Bärte tragen, sogar Alkohol
trinken und im Berufsleben stehen, bestellen sie sich trotzdem
ihre Frau zum Heiraten und denken in Halal und Haram
beziehungsweise stufen die Welt in Halal und Haram ein.
AW: Das führt mich zu der Frage, wie diese Gesprächspartner
reagieren, wenn sie von Ihrer doch sehr kritischen Haltung
zum Islam erfahren. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?
RS: Tatsächlich haben das die Allermeisten auf dem Schirm, die
ich jemals in der Flüchtlingshilfe begleitet habe und zum
Teil immer noch begleite. Aber ich bilde mir ein, die
spüren, dass ich ganz wahrhaftig bin mit dem, was ich zu
sagen habe. Ich frage diese Männer und Frauen beispielsweise
auch ganz direkt: Möchtest Du eine Frau in Deinem Land und mit
Deiner kulturellen Sozialisation, die im knappen engen Minirock
und mit heraushängenden Brüsten zum Beispiel in der Schule
Deine Kinder erzieht? Nein, wollen die nicht, lautet die
klare Antwort. Ja, antworte ich dann: Und genauso wenig
will ich hier eine Lehrerin mit Kopftuch, die unserer
Jugend im Grunde genommen sagt, in meiner Kultur hat
sich die Frau dem Mann zu unterwerfen. Die dann eine
Religiösität ausstrahlt, die überhaupt nicht unsere ist,
die nicht zu uns passt. Und natürlich verstehen die Leute
das, die kennen mich genau, da gibt es kaum Missverständnisse,
die wissen, was ich geholfen habe, die wissen, was ich für sie
alles schon gemacht habe. Natürlich ärgert es sie, aber sie
wissen, dass ich Recht habe. Die verstehen nämlich sehr viel
genauer als manche Deutsche selbst, was gemeint ist, wenn man
sagt, dass das hier mein Land ist und meine Kultur und das man
sagt: Ich möchte das so nicht.
AW: Wollen wir kurz noch die positiven Begegnungen zu Wort kommen
lassen?
RS: Ok, zum Beispiel: Ich bin ja absolut gegen das Kopftuch.
Und ich habe Freunde mit Kopftuch, denen ich über die
langen Jahre geholfen habe als Flüchtlingsbegleiterin
mit Familienzusammenführung und so weiter. Genau diese
Debatte, die ich auch öffentlich führe, führe ich auch mit
diesen Menschen. Und die verstehen ganz genau, wo ich stehe.
Das empfinde ich als positive Begegnung.
AW: Und deutsche Landsleute? Wie steht es da mit den positiven
Begegnungen? Wie sieht da das Fazit beispielsweise für 2019
aus? Was ist mit dem Graben, der durch die Gesellschaft geht?
RS: Klar, einige alte Freunde finden es richtiggehend beschissen,
was ich denke und sage. Aber sie wissen warum, wissen, was ich
alles schon für Flüchtlinge geleistet habe. Und ich kann mit
ihnen trotz allem – auch wenn sie genervt erscheinen –
noch diskutieren. Und das, obwohl einige nach der
heutigen Begrifflichkeit ganz dolle links sind.
Wir können dennoch weiter befreundet sein.
AW: Aber warum wollen Sie überhaupt noch mit denen befreundet
sein? Hier ist ja zunächst nur die Frage geklärt, warum die
eventuell noch mit Ihnen befreundet sein wollen.
RS: Weil wir uns schon seit so vielen Jahren kennen. Manchmal
geht dann auch das eigentlich Unmögliche. Natürlich gibt es
auch für mich Grenzen, beispielsweise wenn Leute angegriffen
werden – keine Frage! Es ist doch trotz allem positiv, es zu
schaffen, noch im Gespräch zu bleiben und an der Stelle das
Gespräch dann doch zu beenden, wo der Streit ein Übermaß
erreicht hat und eventuell Freundschaft gefährdet.
AW: Jetzt haben Sie in den letzten Jahren Leute kennengelernt,
die so gar nicht Ihrem bisherigen politischen Spektrum
entsprechen: Sie sind beispielsweise zusammengetroffen
mit führenden Köpfen der Werte Union innerhalb der CDU,
Sie sind zusammengetroffen mit verschiedenen Autoren, die
eher den alternativen Medien zugehören, Sie haben Gesprächs-
partner gefunden, die nie im Leben eine Berührung mit einem
linken Milieu hatten, Sie haben da neue Bekanntschaften und
vielleicht auch Freundschaften gefunden, sind in den Dialog
eingetreten. Was hat Sie da eigentlich am meisten überrascht,
als Sie dieses quasi Neuland betreten haben?
RS: Hm, ich weiß gar nicht, ob ich da so große Freundschaften
geschlossen habe. Da sind schon große Unterschiede spürbar.
AW: Also es gibt da eine Art polit-kulturellen Unterschied,
der klare Hürden setzt?
RS: Ich bin nicht wirklich jemand, der so politische Begriffe
benutzt, weil die für mich alle kaum noch Sinn machen. Mir
sind Leute in Anzug, Schlips und Kragen eher fremd. Das
ist einfach nicht so meins. Ich bin eher so die Flipflop-
Tante, die selbst in der UN aussieht wie Lumpi, was eher
dem linken Spektrum zugeordnet wird. Mein Gefühl sagt mir
gerade, ich bin nirgendwo zu Hause, wenn es um ein Links-
rechtsspektrum gehen soll. Ich muss da einfach selber meinen
Weg bestimmen, wo es mir vor allem darum geht, Gleich-
berechtigung zwischen Mann und Frau zu erreichen.
Ich möchte auch das uns zustehende Völkerrecht für uns hier.
Ich habe nur den deutschen Pass. Das ist mein Land. Ich
muss mir also auch meine eigene Heimat erhalten können.
Ich möchte keine Heimat haben, wo ich auf der Straße
gehe und mir irgendwelche Prinzen entgegenkommen und
mir nicht ein stückweit aus dem Weg gehen und wo, wenn
ich dann auch nicht weiche, ich riskiere, gleich aufs Maul
zu bekommen. Das gehört nicht zu unserer Kultur und das wäre
dann nicht mehr meine Heimat.
Im Moment trennt sich doch Folgendes: Da sind auf der einen
Seite die, die Multikulti wollen, die quasi so etwas à la
Amerika wollen. Aber die Bevölkerungsentwicklung in
Amerika hat eine lange Geschichte und begann mit
Besetzung, weil die Indigenen zuerst die Neuankömmlinge
oftmals gastfreundlich empfingen und ihnen halfen, und
einer darauf folgenden Zwangsbesiedelung. Wenn man uns
in Deutschland nun Leute in wahrhaft unsäglichen Massen
von der anderen Seite der Welt aufzwingt, die aber groß-
teils überhaupt nicht zu uns passen, die sich auch überhaupt
nicht anpassen wollen und mich und meine Leute obendrein noch
bedrohen und meist nicht einmal grundsätzlich freundschaftlich
uns gegenüber eingestellt sind, dann ist das so nicht zu
akzeptieren und empörend.
Ich wiederhole aber noch einmal, um es unmissverständlich
zu machen: Die Mehrheit der Leute, die hierher kommen, die
ich über so viele Jahre von dreizehn Flüchtlingsheimen her
und in endloser Begleitung kennengelernt habe, sind uns
gegenüber nicht freundlich gesinnt. Sie schauen herr-
schaftlich hochnäsig und unsagbar selbstgefällig auf
uns herab, auf die Männer als Waschlappen und die Frauen
als Huren. Das ist einfach ein Fakt.
AW: Nun ist das noch kein Fakt im eigentlichen Sinne, sondern
zunächst Ihre persönliche Erfahrung. Allerdings zeigt das
Wahlverhalten der Türken in Deutschland, dass Ihre
Einschätzung auch allgemeingültig sein könnte, wenn
zwei Drittel dieser Klientel Erdogan ihre Stimme gegeben
haben, dessen Politik schwer mit unseren Werten vereinbar
ist oder jedenfalls eine Wahl ist, die kulturell befremdlich
erscheint.
RS: Meine Migrantenfreunde sagen es mir regelmäßig klipp und
klar: Jeder Muslim, er kann noch so moderat sein, wird als
erstes einen Bruder wählen. Das heißt: Erdogan ist ein
Bruder der Muslime. Und jeder, der Muslim ist, selbst
wenn er noch so moderat wirkt, wird einen Muslim wählen,
wenn einer zur Wahl steht.
AW: Na ja, bei der Wahl in der Türkei standen ja fast aus-
schließlich Muslime zur Wahl. Was Sie sagen, bezieht sich
wohl eher prognostisch auf zukünftiges Wahlverhalten in
Europa. Aber das führt vielleicht zu weit, ich würde viel
lieber einmal zu den persönlichen Enttäuschungen in 2019
kommen, zur Frage, welche Erfahrungen Sie gemacht haben
in Ihrer politischen Arbeit, die Sie so negativ nicht
'erwartet hätten. Mich würde beispielsweise interessieren,
ob Sie, als Köln für Sie zum Initial wurde, als Sie eine
180-Grad-Wende vorgenommen haben, schon befürchteten,
dass bestehende Freundschaften von da an gefährdet
sei könnten.
RS: Also zunächst einmal verwehre ich mich gegen den Begriff
„180-Grad-Wende“, was ja immer wieder einmal über mich
gesagt wird. Allerdings stimmt das gar nicht, denn
ich bin noch dieselbe, ich bin immer noch Flüchtlings-
begleiterin, ich begleitete viele Islamopfer, sowohl
Männer als auch Frauen. Ich begleitete tatsächlich
Menschen, die aus ihren Ländern flüchten mussten,
eben weil diese Länder so islamisch geprägt sind.
Menschen, die dort keine Chance haben in einer guten
und fairen Art und Weise zu leben. Da sind Menschen darunter,
die ich betreue, die Atheisten sind, deren Asylantrag hier
abgelehnt wurde, da sind Frauen darunter, die genital-
verstümmelt wurden und nicht einmal normal pinkeln '
können, zwangsverheiratet wurden, die von ihren
Ehemännern hierher mitgebracht wurden, sich getrennt
haben, die akut von so genannten Ehrenmorden bedroht sind,
deren Kinder entführt wurden – ich mache ja weiter mit
meiner rein ehrenamtlichen nichtinstitutionalisierten
Arbeit. Ich habe keine 180-Grad-Wende vollführt.
Ich habe einfach nur die Summe meiner Erfahrungen nicht
nur von mir, sondern auch die meiner Ehrenamtsgruppe die
ich ja nach wie vor leite, zusammengefasst. Es sind also
nicht nur meine Erfahrungen, sondern es sind die Erfahrungen
von ganz vielen Ehrenamtlichen, die mich natürlich anrufen,
wenn sie, wie tatsächlich einer Helferin passiert, an den
Haaren ins Klo gezerrt und fast vergewaltigt wurde.
AW: Aber ganz gleich ob nun 180, 90 oder nur 30 Grad, Sie
nehmen heute eine Haltung ein, die der entgegengesetzt ist,
der Sie sich ja selbst zuvor zugeordnet haben. Was ist da passiert?
RS: Ich versuche natürlich auf Basis der gesammelten Erfahrungen
aufzuklären. Und das mache ich auch im Freundeskreis bis heute.
Am Anfang hätte ich im Leben nicht gedacht, das meine echten
Erlebnisse und Beobachtungen dazu führen könnten, dass Leute
einfach nur, weil es ihnen nicht passt, was ich da berichte,
mich dann als Person ablehnen. Über die Zeit ist es einigen
meiner Freunde zu viel geworden, dass ich in den Medien, in
Seminaren und Diskussionen, dass ich mit meiner Haltung Präsenz
zeige. Warum? Weil sie a) Angst bekommen, durch den Kontakt mit
mir gesellschaftliche Nachteile zu bekommen nach dem Motto:
Haftung für den, den Du kennst. Und b) habe ich tatsächlich
auch die schmerzhafte Erfahrung machen müssen, dass langjährige
Freunde, die mich wirklich gut kennen, die auch meine Ehren-
amtsarbeit gut kennen, die auch mitbekommen haben, mit wie
vielen Migranten ich zu tun habe, mit denen ich teilweise
befreundet bin, die somit also auch bei mir zu Hause
verkehren, dass langjährige Freunde es trotzdem nicht
ertragen können, dass ich differenziere. Der Unterscheid
ist doch, dass ich nicht pauschalisiere, ich nehme für mich
in Anspruch, dass ich differenziere. Das soll aber wohl nicht
sein. Man möchte im Gegenteil pauschal, dass Migration ein
Gewinn ist. Unterschiedslos.
AW: Diese linksalternative Haltung, die Sie hier skizzieren,
war ja früher eine Outsiderhaltung und ist über die letzten
Jahrzehnte beispielsweise über die Etablierung der Grünen
im Mainstream angekommen. Wenn nun Leute wie Sie davon
wieder abrücken und damit diesen neuen etablierten
Wohlfühlkosmos im Etablierten in Frage stellen, kann das
Ängste auslösen. Sie lösen damit ja fast eine Verlustangst
aus von etwas, von dem man möglicherweise lange nicht gedacht
hätte, dass man es überhaupt erreichen kann: Die Etablierung
im Mainstream oder bildhafter: Habeck als Kanzlerkandidat.
RS: Genau so ist es. Allerdings sagen mir diese ganzen
politischen Begriffe dennoch wenig. Das ist nicht meine
Welt. So sind Grüne für mich nicht grün, die sind gar
nicht für die Umwelt, aber das wäre schon das nächste
Thema. Ich finde auch die Linken überhaupt nicht links.
Links ist doch etwas anderes als das, was heute dafür
durchgeht. Und da, wo die Leute sagen, das ist rechts,
sehe ich oft nichts Rechtes. Jedenfalls kann ich mit
solchen Begriffen nichts anfangen. Ich verweigere mich
diesen Sortierungen sogar, weil das nicht meine Sprache ist.
Meine Sprache kommt aus meiner Erfahrungswelt, und was ich
mitbekomme, prägt meine Sprache. Ich würde von mir behaupten,
dass ich ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden habe und
finde es schlimm und hochgradig ungerecht, was im Moment
passiert, was mir passiert, was anderen passiert, was
uns als Volk angetan wird, sogar als Staat.
AW: Was würden Sie denjenigen erwidern, die Ihnen unterstellen,
Sie wollten mit Ihrer Haltung missionieren?
RS: Ich wiederhole es noch einmal: Ich habe keine Haltung,
ich habe Erfahrungen. Und gleichzeitig habe ich auch Ahnung
vom Menschen- und Völkerrecht. Es muss in der Waage sein.
Bei uns ist es inzwischen total gekippt.
AW: Aber es gibt doch Leute, die sich genauso auf ihre
Erfahrungen berufen, die aber ganz andere gemacht haben als Sie.
RS: Es geht um faktisch belegbare Erfahrungen. Und wer andere
Erfahrungen ins Feld führt, der soll sagen, wo er diese gemacht
hat, und den lade ich gerne ein, mich bei meiner Flüchtlingsarbeit
zu begleiten, der soll mir dann einmal sagen, dass, was er sieht
und dort erlebt, nicht real ist. Wenn Du mich mit einem Ehren-
amtlichen zusammensetzt und der sagt: Och, ich habe ganz
andere Erfahrungen gemacht. Dann werde ich diese Person
gerne befragen, wo und unter welchen Bedingungen sie hilft.
Und ich wette, dann relativiert sich einiges. Ich brauche
dafür lediglich fünf Minuten mit diesen Leuten sprechen,
dann weiß ich, was da eventuell los ist.
Oder kürzer: Ich weiß, dass meine Erfahrungen die Regel und
nicht die Ausnahme sind. Deshalb übrigens meiden mich viele
und wollen nicht mit mir debattieren. Wir hatten beispiels-
weise in Schwetzingen eine Veranstaltung, wo sich ein Pfarrer
furchtbar aufgeregt hatte, wo unsere Veranstaltung sogar
gestört wurde, wo der Pfarrer von ganz anderen Erfahrungen
berichtete, er wäre auch Flüchtlingshelfer, da haben wir
ihm angeboten, gerne mal eine Diskussion zusammen zu machen,
um über positive und negative Erfahrungen zu sprechen. Aber
solche Leute setzen sich nicht mit uns zusammen, weil sie
wissen, dass wir wiederum wissen, worüber wir sprechen.
AW: Lassen Sie uns jetzt zum Jahresende bitte noch einmal von
Ihrer Arbeit zurück ins Private kommen. Wir waren ja noch bei
der Frage nach den persönlichen, nach den enttäuschenden
Erfahrungen. Enttäuschen kann ja nur, was man nicht
erwartet. Waren Sie zu blauäugig?
RS: Eine große Enttäuschung war, dass sich, als ich das
erste Interview gegeben habe, dass sich meine beste
syrische Freundin, die privat ja genau das selbe sagt,
und einige meiner wirklich langjährigen Freude einfach
abgewendet und auch auf Nachfrage meinerseits nicht
zurückgemeldet haben. Anrufe, Emails, nichts. Und das,
obwohl diese Freunde längst um meine Erfahrungen wussten –
der Knackpunkt war, dass ich damit öffentlich geworden bin.
Da haben die richtiggehend Schiss bekommen, mit mir in
Zusammenhang gebracht zu werden, und sind dann mir
gegenüber abgetaucht.
AW: Weil Sie plötzlich die Haltung der AfD vertreten haben?
RS: Nein, nicht wegen einer Haltung, ich verbitte mir sogar
das Wort Haltung. Ich versuche darüber aufzuklären, was ich
in der Summe von vielen Erlebnissen und Beobachtungen berichten kann.
AW: Aber was ist für Sie der Unterschied zwischen dem Resultat
von Erfahrungen und einer Haltung? Eine Erfahrung muss doch
automatisch zu einer Haltung führen, sonst macht die
Erfahrung für sich doch gar keinen Sinn.
RS: Für mich bedeutet Haltung, sich etwas zu wünschen und es
sich dann zurechtzubiegen. Heißt, du hast im Grunde
genommen ein Vorurteil über eine Situation. Und die
bewirkt, dass du eine Haltung dazu einnimmst ohne diese
direkt belegen zu können oder mindestens eine Ahnung zu haben.
AW: OK, fragen wir noch mal anders: Sie haben sich positioniert
nach Auswertung von Erfahrungen. Waren Sie zu blauäugig, was
die Reaktion Ihrer Freunde angeht? Haben Sie mittlerweile
eine Leidensfähigkeit aufgebaut?
RS: Ich glaube, ich habe einfach an die Kraft der Freundschaft
und der Liebe zueinander geglaubt, anstatt das so einzu-
schätzen, dass das eventuell überhaupt gar keine Freund-
schaften waren, wenn alles nur dann gut und dufte ist, wenn
man miteinander einer Meinung sein kann. Enttäuschend war,
dass mit der konträren Meinung der ganze Mensch quasi weg-
gedrückt wurde. Damit habe ich nicht gerechnet, weil meine
Loyalität zu Freunden immer eine starke ist.
AW: Das ist doch interessant. Denn wenn es vorher keine Probleme
gab mit unterschiedlichen Meinungen – deckungsgleich sind
Meinungen ja selten – warum jetzt diese Entzweiungen?
Warum sind unterschiedliche Meinungen auf einmal nicht
mehr egal an diesem Punkt, wo es um Zuwanderung geht, um
die Erfahrungen mit einem eingewanderten Islam und so weiter?
RS: Weil diese Bekannten und Freunde eine Mauer setzen zwischen
„Wer ist gut?“ und „wer ist böse?“ Und man ist böse, wenn
man Dinge sagt, die man angeblich nicht sagen, denken oder
äußern darf. Und das Interessante ist, dass sich die Freunde,
die sich selbstverständlich als „gut“ empfinden, allesamt
nicht in der Flüchtlingshilfe tätig sind, sondern sich
darüber lediglich etwas vorstellen, während ich aber
weiterhin als Flüchtlingsbegleiterin tätig bin, also je
eigentlich zu den Guten gehörten sollte. Nur ich
differenziere und sehe Migration ultrakritisch beispielsweise
auf Basis meines Wissens um die UN-Ziele und die dazugehörenden
Dokumente der UN. Und gleichzeitig kommt meine Erfahrung dazu,
dass man sehr wohl differenzieren muss, wer da kommt – so
eine Differenzierung ist aber nicht gewünscht.
AW: Noch einmal: Das sagt ja erst einmal nur, dass man einen
unterschiedlichen Standpunkt hat. Warum ist Ihrer Erfahrung
nach genau dieser Standpunkt so erheblich, dass es darüber
zu Brüchen von Freundschaften, zu Kontaktverweigerungen
und schlussendlich sogar zu übler Nachrede kommen kann?
Also zu etwas für Sie überraschendem? Warum entstehen seit
Jahren diese Gräben und vertiefen sich noch? Und warum genau jetzt?
RS: Weil die Leute es nicht ertragen können, sich das anzuschauen.
Sie können es nicht ertragen.
AW: Was „anzuschauen“?
RS: Das, was ich erzähle und berichte über Migranten, die aus
religiös-patriachalisch-ethnisch-tribalen Strukturen
beziehungsweise Kulturen kommen, und sogenannte
Flüchtlinge, die keine sind.
AW: Aber warum ertragen sie es nicht? Dieses Thema wird doch
auch medial viel gespielt. So kann man sich doch auch der
negativen Erfahrungen mit Flüchtlingen kaum erwehren auch
dann, wenn man selber noch gar keine gemacht hat. Kurz
gesagt: Es verschwindet ja nicht komplett und tritt
ausschließlich in den geäußerten und veröffentlichten
Erfahrungen von Rebecca Sommer zu Tage.
RS: Wir haben doch in Deutschland eine klare Richtlinie, dass
alles, was gegen Migration ist, Rassismus ist, Nazis ist, Rechts
ist, böse und verdammenswert ist. Tatsächlich sind die meisten
Leute Herdentiere, wenige haben wirklich Rückgrat. Die meisten
Leute wollen sich einfach nur wohlfühlen und sind harmonie-
bedürftig. Auch müssten sie sich ja wirklich Sorgen machen,
würden sie sich wirklich auf die Hiobsbotschaften einlassen.
Die Wohlfühlblase darf also nicht platzen.
AW: Aber das ist dann neu, denn der Linke an sich war ja
lange Zeit oder bisher kein Herdentier. Er war viel mehr
Separatist. Alles was wir gemeinhin als links, als grün,
als internationalistisch und so weiter bezeichnen, das
war ja lange Zeit gepflegtes Outsiderleben. Die anderen
waren ja immer der Mainstream.
RS: Ich war noch nie eine Internationalistin. Ich war immer
schon für das Völkerrecht. Und für mich war der Mainstream
schon immer links, ganz gleich, wo ich gearbeitet habe,
ob in Deutschland, in Amerika, England oder sogar in
Südamerika war das so, aber das kommt wohl auch
durch meinen Beruf und mein Menschenrechtsengagement.
AW: In Deutschland ist das aber noch nicht so lange her.
Man kann es sogar genau benennen mit der Zeit, als die
Grünen Anfang der 1980er Jahre in den Bundestag einzogen.
Und selbst da wurden sie ja noch hart bekämpft. Ich würde
sagen bis 1985, 1990 war linksgrün nicht Mainstream, oder doch?
RS: Also in meinem Umfeld war es nie anders.
AW: Die Mehrheit war doch immer die konservative, die konser-
vativ-liberale Familie. Heute würde man vielleicht sagen,
nicht mehr das Hirschbild über dem Sofa, aber doch brav
und einheitlich das Wohnzimmer von Ikea ausgestattet.
Oder ist Ikea auch schon linkes Habitat? Also generell
ist doch das Linke, das hier aus der 68er-Bewegung
stammt, nicht Mainstream gewesen.
RS: Ich kann mit diesen Begriffen nichts anfangen, ich habe
da eine ganz andere Erfahrungswelt. In meinem Umfeld sind
ganz viele Leute, die haben Familien, oder wo die Frauen
von drei verschiedenen Vätern Kinder haben, und die Väter
wiederum drei verschiedene Kinder, und alle friedlich zusam-
mensitzen und sich wie eine erweiterte Großfamilie unterstützen …
AW: Das ist interessant. Weil Sie hier Ihre eigenen Erfahrungen
an erste Stelle stellen, so individuell diese auch sein mögen.
In der Realität ist es doch ganz anders. Die Mehrheit der
Deutschen lebt nicht in Patchworkfamilien. Hier nun aus
Ihrer persönlichen Erfahrung Fakten zu setzen, wäre
möglicherweise falsch. Nehmen wir einmal vegane und
vegetarische Lebensweisen – die sind doch dermaßen
überpräsent, dass man es für Mainstream halten könnte,
dabei betrifft es keine zehn Prozent der Bevölkerung.
Diese Überpräsenz war ja schon bei den 68ern so,
die eine unglaubliche Wirkmacht hatten, aber die
doch nur wenige waren.
RS: Ich sehe da keinen Widerspruch. Wieso kann man nicht
links sein, wenn man Familie hat?
AW: Erzählen Sie bitte einmal, was diese Belastungen bis
tief hinein in den Freundeskreis mit einem machen, wie
fühlt sich das an? Wie geht man damit um?
RS: Keine Ahnung. Ich glaube, man muss sich weiter auf
sich selber konzentrieren und weniger auf Leute verlassen.
AW: Neue Freundschaften mit neuen Leuten?
RS: Eher nicht. Ich glaube, wir sind im Moment in einer dermaßen
vergifteten Zusammensetzung. Ich beobachte beispielsweise auch,
dass Leuten aus dem Kreis der Islamkritik und der Kritik gegen
die Migrationsschwemme erklärt wird: wir sind ein Einwander-
ungsland und Punkt und friss oder stirb. Also selbst in
diesen Kreisen von Leuten, die eigentlich derselben
Meinung sind wie ich beziehungsweise vergleichbare
Beobachtungen gemacht haben oder dieselbe Expertise haben
und dementsprechend agieren, nämlich versuchen aufzuklären,
ist kaum Freundschaft möglich. Warum? Weil die Leute sich
gegenseitig an die Gurgel gehen. Also auch Freundschaften,
die logisch wären, sind auch fast nicht möglich. Wir sind
ja innerhalb der islamkritischen Szene auch untereinander
total verstritten, leider. Die einen nennen es beispielsweise
politischen Islam anstatt Islam, wohlwissend, dass sie uns
allen damit keinen Gefallen tun, weil sie im Grunde genommen
die Bevölkerung beruhigen, anstatt aufzuklären.
AW: Aber woran liegt das? Ist der Druck von außen zu groß,
dass man innerlich so zu kochen beginnt?
RS: Tatsächlich ist der Druck von außen unheimlich groß. Auf
jeden Fall. Aber ich glaube, es sind einfach auch viele
Menschen dabei, die daraus wieder so ein Businessmodell
machen: Bücher schreiben, Projekte machen und so weiter.
Jeder versucht irgendwie, noch einmal so einen Fitzel von
den Brotkrumen, die abfallen, zu erhaschen. Und je kritischer
du bist, umso weniger ist da aus den öffentlichen Töpfen.
Meine Arbeit ist ja komplett unbezahlt, ich mache das
ehrenamtlich und aus Überzeugung. Ich möchte aufklären.
AW: Noch einmal zusammengefasst: Worum konkret geht es Ihnen?
Kann man sagen, es geht Ihnen um Deutschland?
RS: Es geht mir um Menschenrecht in der Waage mit Völkerrecht.
Indigene Völker haben mir etwas beigebracht: Landrecht ist
heilig. Viele Völker haben nicht einmal einen Staat.
Sie haben nicht die Möglichkeit sich selbst zu
bestimmen, wie sie in die Zukunft gehen wollen.
AW: Nun wissen sie selbst, dass die Idee Volk bezogen auf
Deutsche auf eine Weise kontaminiert ist, die einzigartig
auch in ihrem Grauen ist.
RS: Das stimmt natürlich. Das sehe ich auch so. Aber wir
sind trotzdem ein Volk, das sich über viele, viele
Generationen gebildet und entwickelt hat, das kannst
du uns trotzdem nicht aberkennen.
AW: Was ist für Dich das typisch Deutsche? Was macht den
Deutschen aus?
RS: Für mich ist typisch deutsch, dass ich als junges Mädchen
nackend im Garten herumlaufen konnte und das sich darüber
niemand beschwert hat oder mich niemand komisch angebaggert
hat deswegen. Für mich ist deutsch, als ich aus New York
zurückkam und ich alte Ehepaare im Park und in den Wäldern
Hand in Hand spazieren gehen sah. Das ist sehr deutsch.
Ich finde auch, dass die Deutschen unheimlich erduldend
und gutmütig sind. Wir waren nie gut in Revolutionen.
Was ich auch typisch deutsch finde, das wir unglaublich
neugierig und freundlich anderen Kulturen gegenüber sind.
Zu freundlich vielleicht.
Rebecca Sommer koordiniert die von ihr gegründete „Initiative
an der Basis.“ Hier wird denen ein Forum geboten , die sich
ehrenamtlich oder beruflich in der Integrationsarbeit
engagieren, aber nicht um den Preis, die auftretenden,
teils massiven Probleme nicht mehr benennen zu dürfen.
Die Aktivistin war Zivilbevölkerungsvertreterin mit Fokus
auf „Völkerrecht und Indigene Völker“ im beratenden Status
zu den Vereinten Nationen, sie leitet seit 2012 die
ehrenamtliche Unterstützungsgruppe für Flüchtlinge
Arbeitsgruppe Flucht + Menschenrechte (AG F+M).
Sommer ist Künstlerin, Fotografin und Filmemacherin
Quelle:
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/interview-rebecca-sommer-frauen-und-maedchen-geht-es-als-allererstes-an-den-kragen/
FYI