Google Groups no longer supports new Usenet posts or subscriptions. Historical content remains viewable.
Dismiss

Kant & Geometrie (war: Der Einfluss von Kant auf Einstein)

113 views
Skip to first unread message

Wolfgang G. G.

unread,
Apr 9, 2001, 2:47:00 PM4/9/01
to
Hendrik van Hees in 9akj1j$5mf4g$2...@fu-berlin.de :

>> Wenn ich mich recht erinnere, hat Kant nicht nur ein "Primat" der
>> euklidischen Geometrie "erteilt", sondern behauptet, dass der
>> euklidische dreidimensionale Raum _denknotwendig_ wäre (a priori).

Kant hat im Wesentlichen Recht, denn "Raumkrümmung setzt die
Vorstellung eines ungekrümmten Raums voraus" (siehe unten).

> Richtig ;-)). Wie gesagt, die mathematische Bildung des Herrn Kant
> ließ viel zu wünschen übrig. ...

Immanuel Kant lebte von 1724 bis 1804 und damit um Jahrzehnte
vor der Erfindung der sogenannten nicht-euklidschen Geometrien.
Für seine Zeit liess weder seine mathematische Allgemeinbildung
viel zu wünschen übrig, noch war sein Schreibstil so abwegig
wie er uns heute erscheint.

Die Kantische (anschauliche) Sicht der Geometrie war gegenüber
der axiomatisch-formalen ein Fortschritt, der von denen,
die später die gleichberechtigte Existenz nicht-euklidscher
Geometrien behaupteten, einfach nicht verdaut worden war.

Siehe auch "Kant & couterrevolution & Einstein":
http://groups.google.com/groups?q=author:wissenschaftskritik&seld=939466732&ic=1

Dass nichteuklidsche Geometrien nur axiomatisch-formale
Systeme, nicht aber echte Geometrien (d.h. widerspruchsfreie
Beschreibungen eines mehr-dimensionalen Kontinuums) sind, zeigt
sich vor allem am Fehlen konkreter quantitativer Aussagen.

Ein simples Beispiel: Wie verhält sich die Fläche des Kreises
mit Radius r in Abhängigkeit von r bei einer 2-dimensionalen
Geometrie mit konstanter "negativer Krümmung" von 1 Meter? (Beim
analogen "positiven" Fall nehmen wir ganz einfach die Vorstellung
der 2D-Oberfläche einer idealen 3D-Kugel mit 1 m Durchmesser zur
Hilfe.)


Hier ein paar Auszüge aus meinem Text "Physik und Erkenntnis-
theorie", http://members.lol.li/twostone/a5.html :

Geometrie ist die Wissenschaft des Raums. Im 20. Jahrhundert
hat sich der axiomatisch-formale Standpunkt durchgesetzt:

Eine Geometrie mit Parallelenaxiom ist nur ein Spezialfall
allgemeinerer Geometrien und nicht durch eine denknotwendige
Anschauungsform apriori gegeben, wie Kant meinte. Gekrümmte
Räume nichteuklidscher Geometrien sind fundamentaler als der
ungekrümmte Anschauungsraum, denn letzterer ist nur ein
Spezialfall der ersteren mit allgemeiner Krümmung Null.

Aber nach ähnlicher Logik ist ein Orchester fundamentaler als
ein Musiker, denn der Musiker kann als Spezialfall eines
Orchesters, nämlich des kleinstmöglichen, angesehen werden.

Raumkrümmung setzt die Vorstellung eines ungekrümmten Raums
voraus. Die Krümmung wird durch die Abweichung vom ungekrümmten
Raum ausgedrückt. Die Geometrie einer Kugeloberfläche gilt
als gleichberechtigte 2-dimensionale Geometrie mit konstanter
positiver Krümmung, wobei die Krümmung proportional zum
Verhältnis einer Längeneinheit zur Kugelgrösse ist. Aber so
wie sich Nicht-Rotation gegenüber Rotation dadurch auszeichnet,
dass sie nicht einer willkürlichen Rotationsachse bedarf, so
zeichnen sich die normalen n-dimensionalen Geometrien gegenüber
den nichteuklidschen mindestens dadurch aus, dass sie nicht
einer willkürlichen Längeneinheit bedürfen. Aber nur bei
Unabhängigkeit von einer Längeneinheit lassen sich im
n-dimensionalen Raum Figuren bei gleichbleibender Form beliebig
vergrössern und verkleinern.

Das Parallelenaxiom sagt etwas über Geraden aus. Aber auf einer
Kugeloberfläche gibt es keine Geraden. Die 2-dimensionale
Geometrie mit konstanter positiver Krümmung ist nicht mehr als
die Oberflächengeometrie eines 3-dimensionalen Körpers. Es
lassen sich aber beliebige Krümmungen postulieren und bei z.B.
konstanter negativer Krümmung kann es sich nicht um eine
Oberflächengeometrie eines Körpers einer endlich-dimensionalen
normalen Geometrie handeln. Daraus wurde geschlossen, dass die
nichteuklidschen Geometrien allgemeiner und fundamentaler seien
als die normalen. Aber postulieren kann man viel, z.B. Zahlen,
von denen jede grösser als alle anderen ist.

Dass das Verhältnis von Umfang zu Durchmesser eines Kreises
nicht exakt 22/7 beträgt, lässt sich empirisch zeigen. Dass
jedoch dieses Verhältnis bei allen idealen Kreisen exakt pi
beträgt oder dass sich die Seitenhalbierenden eines Dreiecks
in exakt einem Punkt schneiden, lässt sich empirisch nicht
zeigen. Nach dem axiomatisch-formalen Standpunkt sind solche
Aussagen weder richtig noch falsch unabhängig von Postulaten
einer Geometrie. Das erweckt den Eindruck, man könnte die
Postulate beliebig wählen, z.B. so, dass das Verhältnis von
Umfang zu Durchmesser eines Kreises exakt 3 ergibt.

...

Der 3-dimensionale Raum der normalen Geometrie ist nicht Folge
sondern Ursache der willkürlichen Definitionen, Axiome und
Postulate von Euklid oder späterer Mathematiker. Kant hielt
diesen Raum, wie auch die Zeit, für eine apriori gegebene
denknotwendige Anschauungsform. Denn eine Erkenntnis wie die,
dass sich die Seitenhalbierenden eines Dreiecks in exakt einem
Punkt schneiden, ist in unserer Anschauung bzw. Vorstellung
gegeben und ist unabhängig von einer ihr entsprechenden
sprachlichen Formulierung. Beim axiomatisch-formalen Standpunkt
geht es nur darum, so eine Formulierung aus anderen
Formulierungen (Definitionen, Axiomen, Postulaten) nach
formalen Regeln ohne Bezug zu einer subjektiven Anschauung
abzuleiten. ...

Da Kant die Anschauungsform des Raums mit dem physikalischen
Raum gleichsetzte und somit die Begrenzung auf drei Dimensionen
als apriori gegeben ansah, wurde sein Standpunkt durch die
Entwicklung von Mathematik und Physik widerlegt. Wie sich das
Volumen der 3-dimensionalen Oberfläche einer 4-dimensionalen
Kugel berechnet oder wieviele Ecken, Kanten, Quadrate und
Würfel einen 4-dimensionalen Würfel begrenzen, ist genauso
apriori gegeben wie bei den analogen Fragen der 3-dimensionalen
Geometrie. Die Antworten sind sogar elegante Beispiele dessen,
was Kant als 'synthetische Urteile apriori' bezeichnete.

...

Kant führte diese Unterscheidungen [in analytisch, synthetisch,
apriori, aposteriori] u.a. im Bestreben ein, die Anwendbarkeit
der geometrischen Methode auf metaphysische Probleme zu klären.
Er kam zu folgendem Schluss:

In der Geometrie kommt man deshalb durch Denken alleine
zu Erkenntnissen, die über die Analyse von Begriffen
hinausgehen, weil es neben den Begriffen auch die
Anschauungsform Raum gibt. Wenn so eine Anschauungsform
fehlt, führt die geometrische Methode nicht zu sinnvollen
Erkenntnissen.

In dieser Hinsicht müssen verschiedene mathematische Theorien
und die moderne theoretische Physik als Rückfall in unkritische
Metaphysik und willkürliche Spekulation bezeichnet werden.


Gruss,
Wolfgang Gottfried G.
Liechtenstein


Eine Satire zu nichteuklidschen Geometrien und ART:
http://members.lol.li/twostone/satire1.html


Walter Schmid

unread,
Apr 9, 2001, 3:17:26 PM4/9/01
to
"Wolfgang G. G." schrieb:

>
> Hendrik van Hees in 9akj1j$5mf4g$2...@fu-berlin.de :
>
> >> Wenn ich mich recht erinnere, hat Kant nicht nur ein "Primat" der
> >> euklidischen Geometrie "erteilt", sondern behauptet, dass der
> >> euklidische dreidimensionale Raum _denknotwendig_ wäre (a priori).
>
> Kant hat im Wesentlichen Recht, denn "Raumkrümmung setzt die
> Vorstellung eines ungekrümmten Raums voraus" (siehe unten).

(falls das Folgende Unsinn ist, bitte ich um Entschuldigung!)

ist das nicht äquivalent zu der Aussage "der gerade Raum setzt
die Vorstellung des gekrümmten Raumes voraus"?

Da Kant AFAIK vom gekrümmten Raum nichts wusste, konnte er auch
vom ungekrümmten Raum nichts wissen, sondern diesen nur
konstruieren. Ob er gerade oder gekrümmt sei, konnte er nicht
herausfinden, weil die Krümmung zu schwach ist. In der Nähe eines
schwarzen Loches erhielte ein Lineal beim Bewegen desselben je
nach Neigung zur Senkrechten eine andere Krümmung und der
Beobachter würde samt Lichtstrahl mitgekrümmt.

Oder habe ich physikalischer Laie alles falsch verstanden?

Oder verwechselst Du Krümmung der Dinge (oder Planetenbahnen)
_im_ Raum mit der Krümmung _des_ Raumes? Oder ich?


[snip]


> In der Geometrie kommt man deshalb durch Denken alleine
> zu Erkenntnissen, die über die Analyse von Begriffen
> hinausgehen, weil es neben den Begriffen auch die
> Anschauungsform Raum gibt. Wenn so eine Anschauungsform
> fehlt, führt die geometrische Methode nicht zu sinnvollen
> Erkenntnissen.
>
> In dieser Hinsicht müssen verschiedene mathematische Theorien
> und die moderne theoretische Physik als Rückfall in unkritische
> Metaphysik und willkürliche Spekulation bezeichnet werden.
>

könntest Du das kurz erläutern? Welche Theorien sind da gemeint?
Was hat Geometrie mit Metaphysik zu tun?

Gruss

Walter


dr...@incogni.to

unread,
Apr 9, 2001, 3:27:25 PM4/9/01
to
Wolfgang G. G. <z...@z.lol.li>:
: denn "Raumkruemmung setzt die
: Vorstellung eines ungekruemmten Raums voraus"

so ein Unsinn. Wuerden wir die Effekte der Raumkruemmung im Bereich von
Metern beobachten koennen, muessten wir uns keinen "ungekruemmten" Raum
vorstellen. Die Kruemmung erschiene uns ganz natuerlich. Es ist auch nicht
so, dass jeder gekruemmte Raum einen ungekruemmten "Traegerraum" braucht,
in den er gekruemmt ist. Die Kruemmung aeussert sich einfach in
sehr merkwuerdigen Dingen, die mit Winkeln und Entfernungen passieren.

: Immanuel Kant lebte von 1724 bis 1804 und damit um Jahrzehnte


: vor der Erfindung der sogenannten nicht-euklidschen Geometrien.

Das ist -- ausser im werksgeschichtlichen und biographischen Kontext --
irrelevant, die diskutierten Apriori sind Globalaussagen und
sie werden nicht irgendwie mit "aus meinem Matheunterricht weiss ich"
hergeleitet, sondern aus Kants Philosophie.

: Die Kantische (anschauliche) Sicht der Geometrie war gegenueber
: der axiomatisch-formalen ein Fortschritt,

Ja sicher doch! Weil's so schoen "anschaulich" war, haben Generationen von
Mathematikern versucht, das Parallelenaxiom zu beweisen. Ich bin
beeindruckt. SCNR

: http://members.lol.li/twostone/a5.html

lol.li/twostone, alles klar. Killfile updated.

Dieter Kiel

unread,
Apr 9, 2001, 3:42:14 PM4/9/01
to
On Mon, 09 Apr 2001 21:17:26 +0200, Walter Schmid
<schm...@datacomm.ch> wrote:
snip

Hinweis:
In alt.philosophy.kant wird in Englisch diskutiert. Die Diskussion
ist interessant, wird aber hier wegen der Sprache nicht verstanden.
Dieter

Hendrik van Hees

unread,
Apr 9, 2001, 4:55:14 PM4/9/01
to
Wolfgang G. G. wrote:


> Kant hat im Wesentlichen Recht, denn "Raumkrümmung setzt die
> Vorstellung eines ungekrümmten Raums voraus" (siehe unten).

Seit wann das denn? Die Differentialgeometrie kommt erst mal ganz
ohne jede Vorstellung aus, und da kommt der ungekrümmte Raum als
Tangentialraum in einem gegebenen Punkt vor, aber vorstellen muß ich
ihn mir nicht (das fällt mir schon bei 3 Dimensionen schwer genug).

> Die Kantische (anschauliche) Sicht der Geometrie war gegenüber
> der axiomatisch-formalen ein Fortschritt, der von denen,
> die später die gleichberechtigte Existenz nicht-euklidscher
> Geometrien behaupteten, einfach nicht verdaut worden war.

Ich habe immer die später entwickelte axiomatische Methode der
Mathematik für fortschrittlich gegenüber der anschaulichen Sicht
gehalten, denn Anschauung ist vielleicht zuweilen ein gutes Argument,
einen mathematischen Beweis zu finden, aber es ist deshalb noch kein
Beweis.


>
> Siehe auch "Kant & couterrevolution & Einstein":
>
http://groups.google.com/groups?q=author:wissenschaftskritik&seld=939466732&ic=1
>
> Dass nichteuklidsche Geometrien nur axiomatisch-formale
> Systeme, nicht aber echte Geometrien (d.h. widerspruchsfreie
> Beschreibungen eines mehr-dimensionalen Kontinuums) sind, zeigt
> sich vor allem am Fehlen konkreter quantitativer Aussagen.

Die Differentialgeometrie definiert sehr wohl quantitative Maße für
gekrümmte Räume (affine Zusammenhänge, Riemannsche Räume, Räume mit
Krümmung und Torsion und dgl. mehr, kommen alle in der Physik vor, in
der ART ist die Raumzeit ein pseudoriemannsches vierdim. Kontinuum,
da ist alles quantitativ).

[Werde den Link überfliegen]

> Geometrie ist die Wissenschaft des Raums. Im 20. Jahrhundert
> hat sich der axiomatisch-formale Standpunkt durchgesetzt:
>
> Eine Geometrie mit Parallelenaxiom ist nur ein Spezialfall
> allgemeinerer Geometrien und nicht durch eine denknotwendige
> Anschauungsform apriori gegeben, wie Kant meinte. Gekrümmte
> Räume nichteuklidscher Geometrien sind fundamentaler als der
> ungekrümmte Anschauungsraum, denn letzterer ist nur ein
> Spezialfall der ersteren mit allgemeiner Krümmung Null.

Der Anschauungsraum (wenn Du den Raum damit meinst, in dem wir
täglich umherwandern) ist nicht euklidisch, sondern gekrümmt (wenn
auch nur schwach ;-)). Die Folge der Krümmung (allerdings die der
vierdim. Raumzeit) ist die sehr reale Schwerkraft, die die Dinge in
die Richtung fallen läßt, die wir aufgrund dieses Phänomens als
"unten" zu bezeichnen pflegen.

> Raumkrümmung setzt die Vorstellung eines ungekrümmten Raums
> voraus. Die Krümmung wird durch die Abweichung vom ungekrümmten
> Raum ausgedrückt. Die Geometrie einer Kugeloberfläche gilt
> als gleichberechtigte 2-dimensionale Geometrie mit konstanter
> positiver Krümmung, wobei die Krümmung proportional zum
> Verhältnis einer Längeneinheit zur Kugelgrösse ist. Aber so
> wie sich Nicht-Rotation gegenüber Rotation dadurch auszeichnet,
> dass sie nicht einer willkürlichen Rotationsachse bedarf, so
> zeichnen sich die normalen n-dimensionalen Geometrien gegenüber
> den nichteuklidschen mindestens dadurch aus, dass sie nicht
> einer willkürlichen Längeneinheit bedürfen. Aber nur bei
> Unabhängigkeit von einer Längeneinheit lassen sich im
> n-dimensionalen Raum Figuren bei gleichbleibender Form beliebig
> vergrössern und verkleinern.
>

Ich weiß nicht, was Du uns damit sagen willst. Meinst Du damit, daß
das Universum, in dem wir leben denknotwendig Unsinn ist? Hm, das
würde einiges erklären. SCNR.

> Das Parallelenaxiom sagt etwas über Geraden aus. Aber auf einer
> Kugeloberfläche gibt es keine Geraden. Die 2-dimensionale

Das Parallelenaxiom ist das Unanschaulichste von allen Euklidischen
Axiomen, denn Du hast noch nie zwei Geraden realitier _gesehen_, denn
Dein Blick kann nur endliche Distanzen erfassen. Die
Lichtgeschwindigkeit ist endlich und, so leid mir das tut, Deine
Lebensdauer wird wie unser aller Lebensdauer mit großer
Wahrscheinlichkeit endlich sein. Daß sich zwei Geraden nirgends
schneiden, ist also ein kühne Extrapolation unseres prinzipiell
begrenzten Sichtvermögens ins Unendliche, wobei es fraglich ist, ob
das Universum überhaupt unendlich ist. Das ist eine Frage, die
empirisch zu klären ist.

> Geometrie mit konstanter positiver Krümmung ist nicht mehr als
> die Oberflächengeometrie eines 3-dimensionalen Körpers. Es
> lassen sich aber beliebige Krümmungen postulieren und bei z.B.
> konstanter negativer Krümmung kann es sich nicht um eine
> Oberflächengeometrie eines Körpers einer endlich-dimensionalen
> normalen Geometrie handeln. Daraus wurde geschlossen, dass die
> nichteuklidschen Geometrien allgemeiner und fundamentaler seien
> als die normalen. Aber postulieren kann man viel, z.B. Zahlen,
> von denen jede grösser als alle anderen ist.
>

Die moderne Physik hat zweifelsfrei gezeigt, daß die Raumzeit und mit
ihr der Raum eines beliebigen Beobachters nicht global flach ist.

Hm, das alles erinnert mich stark an Sokals schönen Text, wo er
meinte, die Kids in der Schule würden unterdrückt, weil man sie
zwingt zu lernen, pi sei konstant. SCNR.
--
Hendrik van Hees Home: http://theory.gsi.de/~vanhees/
c/o GSI-Darmstadt SB3 3.183 FAQ: http://theory.gsi.de/~vanhees/faq/
Planckstr. 1 mailto:h.va...@gsi.de
D-64291 Darmstadt

Karl Wagner

unread,
Apr 9, 2001, 3:49:46 PM4/9/01
to
Walter Schmid wrote:

> "Wolfgang G. G." schrieb:
>>
>> Hendrik van Hees in 9akj1j$5mf4g$2...@fu-berlin.de :
>>
>> >> Wenn ich mich recht erinnere, hat Kant nicht nur ein "Primat" der
>> >> euklidischen Geometrie "erteilt", sondern behauptet, dass der
>> >> euklidische dreidimensionale Raum _denknotwendig_ wäre (a priori).
>>
>> Kant hat im Wesentlichen Recht, denn "Raumkrümmung setzt die
>> Vorstellung eines ungekrümmten Raums voraus" (siehe unten).
>
> (falls das Folgende Unsinn ist, bitte ich um Entschuldigung!)
>
> ist das nicht äquivalent zu der Aussage "der gerade Raum setzt
> die Vorstellung des gekrümmten Raumes voraus"?
>
> Da Kant AFAIK vom gekrümmten Raum nichts wusste, konnte er auch
> vom ungekrümmten Raum nichts wissen, sondern diesen nur
> konstruieren. Ob er gerade oder gekrümmt sei, konnte er nicht
> herausfinden, weil die Krümmung zu schwach ist. In der Nähe eines
> schwarzen Loches erhielte ein Lineal beim Bewegen desselben je
> nach Neigung zur Senkrechten eine andere Krümmung und der
> Beobachter würde samt Lichtstrahl mitgekrümmt.
>
> Oder habe ich physikalischer Laie alles falsch verstanden?

Von einem gekrümmten Raum hat man zu Kants Zeiten noch nicht
gesprochen, wie heute.
Was aber Kant schon kannte, war der Krümmungsbegriff überhaupt. Ich
denke aber, dass dies für die Argumentation in der "Kritik der reinen
Vernunft" unwichtig ist. Um den Philosophen Kant zu beurteilen, muß man
seine Argumente betrachten. Die Argumente gehen auf den Erfahrungsraum.
Dieser Erfahrungsraum wird in seiner geometrischen Struktur nicht
präzis genug gefasst, um von Krümmung eines Raumes zu sprechen. Die
Krümmung des Raumes ist nämlich ein seltsamer Begriff, bei dem
Konzepte, die man aus der Flächen und Kurventheoie gewonnen hat auf den
Raum beziehungsweise allgemeine differenzierbare semi-riemansche
Mannigfaltigkeiten überträgt (dass das geht ist schon erstaunlich genug
und alles andere als sebstverständlich: Theorema Egregium!).
Die Raumkrümmung läßt sich messen, aber nicht durch eine Krümmung, denn
der intuitive Krümmungsbegriff setzt eine Einbettung in den
übergeordneten Raum voraus. Dies ist beim Erfahrungsraum selbst nicht
gegeben. Die Raumkrümmung läßt sich nur vermittelt, durch die
induzierte Geometrie des Raumes messen. Gekrümmte Räume haben eine
anderen Geometrie, wie ungekrümmte. Um von gekrümmten Raümen zu reden
muß man also zuerst diese Abstraktion von dem Krümmungsbegriff
mitmachen, und man braucht man einen sehr differenzierten Geometrie-
und Messbegriff.
Kant redet aber nicht von Abstandsbegriffen, Metriken oder Winkel,
sondern von Formen der Anschaung: Raum und Zeit und von Urteilsformen;
und wie sich diese Formen aufeinander apriori beziehen können:
Wie sind sythetische Urzeile a priori möglich? Ist seine zentrale
Frage.
Seine Arguemente sind also relativ gering von der Entwicklung der
moderen Mathematik betroffen. Man kann Kants philosophischen Argumente
falsch finden, aber ich glaube durch die Relativitätstheorie sind seine
Argumente nicht betroffen (aber seine Physikalischen Vorstellungen
schon).


>
> Oder verwechselst Du Krümmung der Dinge (oder Planetenbahnen)
> _im_ Raum mit der Krümmung _des_ Raumes? Oder ich?
>
>
> [snip]
>> In der Geometrie kommt man deshalb durch Denken alleine
>> zu Erkenntnissen, die über die Analyse von Begriffen
>> hinausgehen, weil es neben den Begriffen auch die
>> Anschauungsform Raum gibt. Wenn so eine Anschauungsform
>> fehlt, führt die geometrische Methode nicht zu sinnvollen
>> Erkenntnissen.
>>
>> In dieser Hinsicht müssen verschiedene mathematische Theorien
>> und die moderne theoretische Physik als Rückfall in unkritische
>> Metaphysik und willkürliche Spekulation bezeichnet werden.
>>
>
> könntest Du das kurz erläutern? Welche Theorien sind da gemeint?
> Was hat Geometrie mit Metaphysik zu tun?

Ich vermute, dass hier die nichteuklidischen Geometrien und die
axiomatisch-formale Weise, wie sie zu Beispiel David Hilbert
dargestellt hat gemeint ist. Wenn man diese einfach für die Welt
Behaupten würde: Die Welt ist nicht euklidisch sonder hyperbolisch,
etc. wäre das sicher Spekulativ. Aber so machts die Mathematik nicht.
Die Mathematik bestimmt sich anders!
Hier ist wieder mal so eine Stelle, wo "Theoretiker" der Wissenschaft
vorschreiben wollen, was und wie sie es zu sagen und zu machen haben
und sich wundern, dass die Wissenschaftler sich einen feuchten Sch...
drum kehren.
Die Mathematiker und Physiker bestimmen durch ihr tun, was Mathematik
oder Physik ist, nicht die "Wissenstheoretiker".

Es lebe Wittgenstein!

Gruß,
Karl.

Wolfgang Thumser

unread,
Apr 9, 2001, 5:44:12 PM4/9/01
to
Hallo Wolfgang,

Als Befuerworter des kategorischen Imperativs frage ich mich,
was Kant wohl von einem unangekuendigten crossposting in
vier Gruppen ohne gesetztes follow up to gehalten haette.

Xpost auf dsm gekuerzt und f'up2 poster wegen OT gesetzt

Gruss Wolfgang

Axel Schmitz-Tewes

unread,
Apr 10, 2001, 5:29:58 AM4/10/01
to
dr...@incogni.to wrote:

> Ja sicher doch! Weil's so schoen "anschaulich" war, haben Generationen von
> Mathematikern versucht, das Parallelenaxiom zu beweisen.

sorry, weil's so _unanschaulich_ war, haben Generationen von


Mathematikern versucht, das Parallelenaxiom zu beweisen.

Axel

dr...@incogni.to

unread,
Apr 10, 2001, 4:50:06 AM4/10/01
to
Axel Schmitz-Tewes <a...@in-telegence.net>:
:> Ja sicher doch! Weil's so schoen "anschaulich" war, haben Generationen von

:> Mathematikern versucht, das Parallelenaxiom zu beweisen.

: sorry, weil's so _unanschaulich_ war, haben Generationen von
: Mathematikern versucht, das Parallelenaxiom zu beweisen.

Nein, oder du verstehst mich falsch.
Jemand, der in der hier geschmaehten Axiomatik geschult ist, wuerde ganz
cool sagen: "Euch sorgt das Parallelenaxiom? Wohlan, lasset uns das
Gegenteil annehmen und sehen, was dabei herauskommt." Dieser Weg war
den "anschaulichen" Mathematikern eben durch die Anschauung verbaut.
Dass es mehr als eine Parallele gibt, haette der schlicht als "falsch"
klassifiziert. Die Axiome wurden nicht als Voraussetzungen betrachtet,
unter denen man die Theorie auf Objekte anwenden darf, sondern als
Elementaraussagen ueber Objekte.

(oder ich habe hier gerade einen riesigen Denkfehler - dann bitte
Laut geben)

Adolf Göbel

unread,
Apr 10, 2001, 6:01:51 AM4/10/01
to


Schon richtig:
Die Axiome wurden für _unbestreitbar_ wahr und für _unbeweisbar_ gehalten. Ihre
'Richtigkeit' sollte für _jeden_ offensichtlich sein. Genau das galt für das
Parallelenaxiom(gleichgültig in welcher Form, etwa Winkelsumme im Dreieck = 180°)
eben _nicht_.
Deshalb die Versuche, es zu beweisen.


Grüsse
Adi

--
_____________________________________________________________
NewsGroups Suchen, lesen, schreiben mit http://netnews.web.de

Wolfgang G. G.

unread,
Apr 10, 2001, 1:26:28 PM4/10/01
to
Entgegnungen zu Stellungnahmen zu meinem Beitrag
http://groups.google.com/groups?q=author:z...@z.lol.li&seld=904043418&ic=1


Dieter Kiel antwortete in nm34dtk9ntusu3huo...@4ax.com :

: In alt.philosophy.kant wird in Englisch diskutiert. Die Diskussion


: ist interessant, wird aber hier wegen der Sprache nicht verstanden.

Ich kann mich kaum erinnern, jemals eine so armselige Newsgroup
(mit sovielen off-topic Threads und Schrott) wie alt.philosophy.kant
gesehen zu haben. Also da kann ich deinen Newsgroup-Sprachpurismus
beim besten Willen nicht nachvollziehen, vor allem auch weil es
sich um eine internationale Newsgroup über einen deutschsprachigen
Philosophen handelt, und jeder ohne Zeitverlust einen Thread
ignorieren kann. Wenn sinnlose (dafür aber autochtone) "troll-
alert"-Threads, nicht aber sinnvolle (crossgepostete) Diskussionen
im Zusammenhang mit Kant erwünscht sind, dann sollte man meines
Erachtens den Namen Kant für so etwas nicht missbrauchen.


drno.incognito in 9at2et$4ok$1...@narses.hrz.tu-chemnitz.de :

>> denn "Raumkruemmung setzt die Vorstellung eines ungekruemmten
>> Raums voraus"
>

> So ein Unsinn.

Statt leichtfertiger Verunglimpfung würde es dir eher anstehen,
dich um ein minimales Verständnis des Problems zu bemühen.

> Wuerden wir die Effekte der Raumkruemmung im Bereich von
> Metern beobachten koennen, muessten wir uns keinen "ungekruemmten" Raum
> vorstellen. Die Kruemmung erschiene uns ganz natuerlich.

Aber trotzdem würden wir die Krümmung als Abweichung von der
idealen euklidischen Geometrie ausdrücken und die Zahl pi
hätte nach wie vor die Bedeutung des Verhältnisses von Umfang
zu Durchmesser eines idealen Kreises.

Auch könnten wir feststellen, ob der Raum positiv oder negativ
gekrümmt ist. Das ist aber nur möglich, weil sich die flache
Geometrie apriori gegenüber gekrümmten auszeichnet. Die flache
Geometrie ist auch immer als Grenzfall im Kleinen gültig,
etwa so wie die Verzerrungen bei Landkarten umso kleiner sind,
je kleiner die darauf gezeichneten Gebiete im Verhältnis zum
irdischen Krümmungsradius.

Das heisst: Ideale räumliche Anschauungsformen im Sinne Kant's
sind nicht nur das Fundament der flachen Geometrien, sondern
auch der gekrümmten (sofern sie mehr sind als inhaltslose
axiomatisch-formale Systeme).

Die Annahme, dass der Abstand zwischen Parallelen überall
konstant ist, ist die einzige nicht-willkürliche, und nur das
Nicht-Willkürliche kann als Fundament unseres Denkens dienen.

> Es ist auch
> nicht so, dass jeder gekruemmte Raum einen ungekruemmten "Traegerraum"

> braucht, in den er gekruemmt ist. ...

Das ist genau der entscheidende Punkt. Wenn flache Trägerräume
höher Dimensionen für gekrümmte Räume aufgegeben werden,
verlässt man die Vernunft und begibt sich auf das Gebiet
willkürlicher Spekulation.

> Killfile updated.

Ignorieren und Verdrängen was man nicht wissen will, waren
immer schon die einfachsten Methoden, den eigenen Glauben vor
Widerlegung zu schützen.


Wolfgang Thumser in 3AD22D2C...@mathematik.uni-bielefeld.de :

| Als Befuerworter des kategorischen Imperativs frage ich mich,
| was Kant wohl von einem unangekuendigten crossposting in
| vier Gruppen ohne gesetztes follow up to gehalten haette.

Also diese Hetze gegen Crossposten an und für sich ist doch
grotesk. Wer Newsgroups täglich mit haufenweise Monopostings
versorgt, verhält sich "korrekt", wer jedoch ab und zu ein
Crossposting verschickt, gilt als "asozial"! Wem würde es
viel bringen, wenn ich aus meinem Crossposting vier ähnliche
Monopostings mit Schwerpunkten für jede der vier Gruppen
gemacht hätte? Mein Grund für Crossposten besteht gerade
darin, überflüssige Redundanz möglichst zu vermeiden.

Und könntest du mir bitte erklären, inwiefern mein Beitrag
deinem Forum de.sci.mathematik schadet? Ist er off-topic?
Entspricht er irgendwie sonst nicht deinen ästhetischen
oder intellektuellen Anforderungen? An der hohen Anzahl meiner
Beiträge kann es wohl nicht liegen, da der von dir monierte
Beitrag mein erster an de.sci.mathematik überhaupt ist.

Auch halte ich es für eine Bevormundung, ein f'up zu setzen.
Du hast deine Antwort, die nichts mit Mathematik zu tun hat,
in de.sci.mathematik abgesetzt, was dein gutes Recht ist.
Du hättest sie mir aber auch als Email zukommen lassen und
zu Folgendem Stellung beziehen können:

Wie verhält sich die Fläche des Kreises mit Radius r in
Abhängigkeit von r bei einer 2-dimensionalen Geometrie mit
konstanter "negativer Krümmung" von 1 Meter? (Beim analogen
"positiven" Fall nehmen wir ganz einfach die Vorstellung
der 2D-Oberfläche einer idealen 3D-Kugel mit 1 m Durchmesser
zur Hilfe.)

Für eine oberflächliche technische Stellungnahme zu dieser
Frage wäre dann de.sci.mathematik wohl am ehesten angebracht.
Eine durchdachte Antwort zu dieser Frage sollte aber meines
Erachtens trotz der inszenierten Hetze gegen Crossposten
mindestens de.sci.physics nicht vorenthalten werden.

Siehe auch "Zensur und Crossposten":
http://groups.google.com/groups?q=author:z...@z.lol.li&seld=904719884&ic=1


Es grüsst,
Wolfgang


Das Fundament der Physik:
http://members.lol.li/twostone/index1.html


Roland Harnau

unread,
Apr 10, 2001, 1:52:35 PM4/10/01
to
On 10 Apr 2001 12:01:51 +0200, "Adolf Göbel" <adolf...@aol.com>
wrote:

[...]


>Schon richtig:
>Die Axiome wurden für _unbestreitbar_ wahr und für _unbeweisbar_ gehalten. Ihre
>'Richtigkeit' sollte für _jeden_ offensichtlich sein. Genau das galt für das
>Parallelenaxiom(gleichgültig in welcher Form, etwa Winkelsumme im Dreieck = 180°)
>eben _nicht_.
>Deshalb die Versuche, es zu beweisen.

Nein, nach Kant ist der folgende Satz eine synthetische Aussage a
priori: "Die Gerade ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei
Punkten."


roland

Walter Schmid

unread,
Apr 10, 2001, 2:28:35 PM4/10/01
to
"Wolfgang G. G." schrieb:
>

> Aber trotzdem würden wir die Krümmung als Abweichung von der
> idealen euklidischen Geometrie ausdrücken und die Zahl pi
> hätte nach wie vor die Bedeutung des Verhältnisses von Umfang
> zu Durchmesser eines idealen Kreises.

glaubst Du im Ernst, dass man in der Nähe des Ereignishorizontes
eines Schwarzen Loches wirklich die Euklidische Geometrie
gefunden hätte? und gar als Standard gesetzt hätte?, wo doch dort
ein Halbblinder sieht, dass die Winkelsumme im Dreieck je nach
Ausrichtung der Zeichentafel eine andere ist, und nur im Falle
der waagrechten Position zufällig = 180 Grad? Dort wäre wohl eher
ein Apriori des "nichts gilt überall, alles fliesst, sogar Zirkel
und Lineal" erfunden worden. Ob auf dieser Grundlage Wissenschaft
möglich wäre oder nicht, scheint mir eine sehr interessante Frage
(auch wenn Leben dort kaum denkbar ist).

Gruss

Walter


Hendrik van Hees

unread,
Apr 10, 2001, 3:19:19 PM4/10/01
to
Roland Harnau wrote:

>
> Nein, nach Kant ist der folgende Satz eine synthetische Aussage a
> priori: "Die Gerade ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei
> Punkten."

Die Geodäte ist die geradeste Verbindung zwischen zwei Punkten. In
einem ungekrümmten Raum ist das eine Gerade (ist ja auch logisch,
denn gerader geht's nicht).

SCNR

Der arme Kant. Eigentlich mag ich ihn viel lieber für seinen
berühmten Aufklärungssatz, den ich damals in der Schule auswendig
lernen mußte: "Aufklärung ist der Ausgang..."

In Sachen Geometrie ist er ja auch nur dadurch gescheitert, daß er
die _euklidische_ Geometrie für denknotwendig gehalten hat. Mit
Geometrie lag er ja ganz recht.

Interessanterweise sind die heutigen Grundlagen, von mir aus
synthetische "synthetische Urteile a priori", Symmetrien (genauer
Symmetriegruppen). Sie gestatten die Konstruktion der Geometrie der
Raumzeit erst.

Als mathematische Theorien sind natürlich alle sinnvoll formulierten
Geometrien gleichwertig, und keine hat eine Bevorzugung vor einer
anderen.

Vielleicht können mit dieser Auffassung auch die Philosophen leben?
Nochmal: ich hab' ja nix gegen Kant, aber es ist ein schönes Beispiel
dafür, daß ohne Empirie korrekte Schlüsse über die physikalische Welt
ziemlich unsicher, in der Regel sogar, falsch sind. Wo Kant
allerdings Recht hatte: Ohne Theorie kann ich auch nichts messen und
folglich auch keine Empirie treiben. Es ist also ein kompliziertes
einander Bedingen von Theorie und Empirie, die ein Weltbild entstehen
lassen, das immerhin von etwa 10^(-16)m bis zu den Ausmaßen des
sichtbaren Universums alles korrekt beschreibt.

Roland Harnau

unread,
Apr 10, 2001, 3:36:26 PM4/10/01
to
On Tue, 10 Apr 2001 21:19:19 +0200, Hendrik van Hees
<h.va...@gsi.de> wrote:

>Roland Harnau wrote:
>
>>
>> Nein, nach Kant ist der folgende Satz eine synthetische Aussage a
>> priori: "Die Gerade ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei
>> Punkten."
>
>Die Geodäte ist die geradeste Verbindung zwischen zwei Punkten. In
>einem ungekrümmten Raum ist das eine Gerade (ist ja auch logisch,
>denn gerader geht's nicht).
>
>SCNR

Göttchen, ist das süß! Hast du meine Ausführungen zu Kant auch nur
halbwegs verstanden? Meine Anwort an Adolf sollte begründen, dass Kant
das Parallelenaxiom tatsächlich als a priori auffasst. Und das ist,
soweit der Raum als apriorische Raumanschaung betrachtet wird, auch
*richtig*.(hier empfehle ich Cassirer)

Nehmen wir an, t0 sei die Gegenwart. Zu einer Zeit t1 > t0 hat sich
die *Bedeutung* des Terms "Birne" soweit verändert, dass es generell
Obst umfasst. Du bist nun wie jemand, der in t1 sagt: "Sind die Leute
zur Zeit t0 doch blöd, sie erkannten nicht, dass Äpfel auch Birnen
sind". Wenn du also mit *deinem* Raumbegriff Kants kritiserst, so ist
das wohl kaum ernstzunehmen. Den Satz mit dem Philosphen und dem
Schweigen spare ich mir jetzt, weil mir sonst Norbert an die Gurgel
geht.

roland

Hendrik van Hees

unread,
Apr 10, 2001, 5:57:08 PM4/10/01
to
Roland Harnau wrote:


> Göttchen, ist das süß! Hast du meine Ausführungen zu Kant auch nur
> halbwegs verstanden? Meine Anwort an Adolf sollte begründen, dass
> Kant das Parallelenaxiom tatsächlich als a priori auffasst. Und das
> ist, soweit der Raum als apriorische Raumanschaung betrachtet wird,
> auch *richtig*.(hier empfehle ich Cassirer)
>

Ich habe Kant wahrscheinlich anders verstanden als Du. Sicher ist
aber, daß die euklidische Geomtrie weder denknotwendig ist, noch zur
Beschreibung des Raumes geeignet ist, in dem wir herumwuseln ;-)).
Natürlich ist die euklidische Geometrie denkmöglich, denn sonst gäbe
es sie ja nicht. Trotzdem ist die Kantsche Begründung, der Raum müsse
euklidisch sein nun einmal physikalisch nicht korrekt, sondern nur
eine Näherung, für Bereiche, wo die Gravitation schwach ist, sprich
die Energie-Impulsdichte klein ist.

Egal, ob ich Kant verstehe oder nicht, das ist nun einmal die
Erkenntnis der Physik (sicher weiß man's seit 1919 durch die Messung
der Lichtablenkung an der Sonne).

> Nehmen wir an, t0 sei die Gegenwart. Zu einer Zeit t1 > t0 hat sich
> die *Bedeutung* des Terms "Birne" soweit verändert, dass es generell
> Obst umfasst. Du bist nun wie jemand, der in t1 sagt: "Sind die
> Leute zur Zeit t0 doch blöd, sie erkannten nicht, dass Äpfel auch
> Birnen sind". Wenn du also mit *deinem* Raumbegriff Kants
> kritiserst, so ist das wohl kaum ernstzunehmen. Den Satz mit dem
> Philosphen und dem Schweigen spare ich mir jetzt, weil mir sonst
> Norbert an die Gurgel geht.

Nun gut, ich bin halt ein ungebildeter Physiker. Ich lese Kant als
solcher. Wenn mir einer beweist, der physikalische Raum müsse
notwendig durch euklidische Geometrie beschrieben werden und ich weiß
(egal wann ;-)), dem ist nicht so, dann muß an dem "Beweis" etwas
falsch sein. Imho ist das sehr einfach zu begründen, denn Kant
argumentiert ja so, daß das, was übrig bleibt, wenn ich mir alle
Materie entfernt denke der euklidische Raum sei. Das ist ja sogar
richtig, denn die Lösung der Einsteingleichung für ein leeres
Universum ist der Minkowskiraum und der Raumschnitt bzgl. eines
Inertialsystems ist dann ein euklidischer R^3. Schön, da hat Kant
recht.

Nun setzt er aber voraus, daß mit aller Materie der Raum
_denknotwendig_ genauso aussieht, wie ein leerer Raum. Das ist aber
widerlegt. Der Raum ist nicht unabhängig vom dynamischen Geschehen in
ihm, ja er ist sogar auch noch abhängig vom Bezugssystem. Die
Raumzeit wird durch das dynamische Geschehen bestimmt und bestimmt
ihrerseits das dynamische Geschehen, ja es macht gar keinen Sinn
beides trennen zu wollen, die Raumzeit ist vielmehr selbst Teil des
dynamischen Geschehens.

Seltsam, daß Riemann das in seiner Habil-Vorlesung schon korrekt so
formuliert hat, und welche Geomtrie den physikalischen Raum (daß es
gar die ganze Raumzeit sein muß, hat er wohl nicht wissen können)
korrekt beschreibt sei _empirisch zu entscheiden_. Er war allerdings
später als Kant, so daß Kant das nicht hat wissen können.

Worauf ich nur hinweisen wollte, ist die Tatsache, daß Physik besser
vorurteilsfrei betrieben wird. Man sollte sich nicht durch
historische Philosophie am Denken hindern lassen, selbst wenn man
dann von den Philosophen für einen Narr gehalten wird ;-)).

Ein für die Physik tragisches Beispiel ist Einstein, der die letzten
30 Jahre seines Lebens nichts substantielles mehr zur Physik
beigetragen hat, weil er in einem philosophischen Vorurteil gefangen
war (könnte auch psychologisch gedeutet werden, aber das ist ein
weites Feld). Wer weiß, wo die Physik heute stünde, hätte er seine
ganze Schaffenskraft der Quantentheorie gewidmet, statt nach dem
Phantom einer allumfassenden klassischen Feldtheorie zu suchen ;-(.

Wolfgang Thumser

unread,
Apr 10, 2001, 6:20:02 PM4/10/01
to
Hallo Wolfgang,

um nicht wieder am Gruppenthema vorbei zu reden, zunaechst
eine Stellungnahme zu Deiner Frage:

> Wie verhält sich die Fläche des Kreises mit Radius r in
> Abhängigkeit von r bei einer 2-dimensionalen Geometrie mit
> konstanter "negativer Krümmung" von 1 Meter? (Beim analogen
> "positiven" Fall nehmen wir ganz einfach die Vorstellung
> der 2D-Oberfläche einer idealen 3D-Kugel mit 1 m Durchmesser
> zur Hilfe.)

Zunaechst ist zu klaeren, was in gekruemmten Raeumen unter "Kreisen"
zu verstehen ist. Naheliegend ist es, darunter all die Punkte des zwei-
dimensionalen Raumes zu verstehen, deren kuerzester (im geodaetischen
Sinne) Abstand r von einem vorgegebenen Punkt des Raumes konstant ist.

Mit dieser Definition haetten die "Kreise" in Raeumen konstanter negativer
Kruemmung - im Gegensatz zu positiv gekruemmten Raeumen - im einbet-
tenden euklidischen Raum keine Kreisform mehr, ihre Mittelpunkte waeren
im gekruemmten Raum teilweise verstarrt und liessen sich dort nicht frei
bewegen und haetten in Abhaengigkeit von ihrer Lage in diesem Raum bei
gleichem Radius unterschiedliche Form und unterschiedlichen Flaecheninhalt.
Potentielle Flaechenwesen kaemen durch Betrachtung dieser Objekte (selbst
im kleinen ist alles verstarrt und abhaengig vom jeweiligen Raumpunkt) niemals
auf eine vernuenftige Definition von Pi.

In diese Verlegenheit geraten sie ohne ihre Schuld:

Man kann sich diese Pseudosphaeren naemlich als zwei ins Unendliche
verlaengerte Trompetenrohre im R^3 vorstellen, die man an ihren kreis-
foermigen Enden zusammengeklebt hat. Durch ihre SO2 Symmetrie verlieren
sie gegenueber ihren positiv gekruemmten Kugelflaechen Pendants wesentlich
an Isotropie. Wenn ich mich recht erinnere, ist dies alles sehr schoen in dem
auch fuer Laien gut verstaendlichen Buch " Vom Punkt zur vierten Dimension"
von Egmont Colerus beschrieben.

Es steht zu bezweifeln, ob in solchen Raeumen der Begriff eines Kreises auch
nur den geringsten Sinn macht.

Eine letzte Bemerkung zum euklidischen Raum: Zwar laesst sich beweisen,
dass man einen "unanschaulichen" gekruemmten Raum lokal in einen nicht
gekruemmten euklidischen Raum einbetten kann. Allerdings ist dieser einbettende
Raum aufgrund seiner hohen Dimension nicht weniger unanschaulich.
Letztendlich tut man gut daran zu lernen, in gekruemmten Raeumen direkt
zu denken ohne den Umweg ueber den euklidischen Raum. Das ist alles eine
Frage der Gewoehnung.

Soviel zum Thema.

> Also diese Hetze gegen Crossposten an und für sich ist doch
> grotesk.

Mach' Dir nichts vor: Wenn Du crossposten willst, dann tu's einfach
und jammere nicht. Mir ging es nicht um's crossposten (Es ist sogar
sinnvoll, um fuer uebergreifende Aufmerksamkeit zu sorgen), sondern
darum, anschliessend die Diskussion in genau einer Gruppe fortzusetzen.
Und dafuer ist das f'up ja vorgesehen. Und darum, die Diskussions-
teilnehmer im Text auf ein Xpost und f'up aufmerksam zu machen.

Nicht jeder will naemlich seine Antwort auf Deinen Beitrag in 3 weiteren
Gruppen wiederfinden, die er ueberhaupt nicht liest. Wenn er sich an einer
Diskussion in einer anderen Gruppe beteiligen will, kann er dies durch
Gruppenwechsel jederzeit tun.

> Mein Grund für Crossposten besteht gerade
> darin, überflüssige Redundanz möglichst zu vermeiden.

Dann setz' doch zusammen mit Xpost in vier Gruppen ein f'up in eine.
Damit vermeidest Du doch die Redundanz, und ermoeglichst zudem jedem,
den es interessiert in die f'up2 Gruppe zu wechseln. Was ist daran so
verwerflich?

> Und könntest du mir bitte erklären, inwiefern mein Beitrag
> deinem Forum de.sci.mathematik schadet? Ist er off-topic?

Erstens ist es nicht mein Forum, zweitens schadet er ueberhaupt
nicht und drittens ist er on topic. Was veranlasst Dich zur Annahme,
ich sei in Erklaerungsnot?

> Entspricht er irgendwie sonst nicht deinen ästhetischen
> oder intellektuellen Anforderungen?

Kann es sein, dass Du ein wenig in den Gedanken verliebt bist,
er koenne ihnen nicht entsprechen?

> Auch halte ich es für eine Bevormundung, ein f'up zu setzen.

Und ich halte es fuer eine Bevormundung durch Unterlassung,
andere zu veranlassen, unbeabsichtigt in nichtbestellte Gruppen
zu posten oder es zumindest billigend in Kauf zu nehmen.

> Du hast deine Antwort, die nichts mit Mathematik zu tun hat,
> in de.sci.mathematik abgesetzt, was dein gutes Recht ist.

Es ist niemandes Recht, off topic zu posten, und ich bedauere im
Nachhinein, dass ich es getan habe.

> Du hättest sie mir aber auch als Email zukommen lassen und
> zu Folgendem Stellung beziehen können:

In Bezug auf die fachliche Stellungnahme gebe ich Dir recht.
In Bezug auf das Medium, wollte ich Leser dieses threads
auf den Umstand aufmerksam machen, dass sie u.U.
unbewusst in nichtbestellt Gruppen posten. Dabei habe ich mich
moeglicherweise in der Form etwas vergriffen.

> Eine durchdachte Antwort zu dieser Frage sollte aber meines
> Erachtens trotz der inszenierten Hetze gegen Crossposten
> mindestens de.sci.physics nicht vorenthalten werden.

Wie gesagt: Ich habe nichts gegen Crosspostings. Und moeglicher-
weise unterschaetzt Du die Physiker in ihrem Verstaendnis
gekruemmter Raeume: Das sind fuer die meisten alte Kamellen!
Und den anderen steht es frei, nach dsm zu wechseln.

Wenn Du an einer weiteren Diskussion an diesem Thema interessiert
bist, dann schick' mir 'ne mail.

Gruss Wolfgang

Adolf Göbel

unread,
Apr 11, 2001, 4:23:55 AM4/11/01
to
Roland Harnau <roland...@gmx.de> wrote:
>
>Nein, nach Kant ist der folgende Satz eine synthetische Aussage a
>priori: "Die Gerade ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei
>Punkten."
>
>
????
Was hat das mit Parallelen zu tun? Und was mit nichteuklidische Geometrie?


fragend

Boudewijn Moonen

unread,
Apr 11, 2001, 5:00:41 AM4/11/01
to
"Wolfgang G. G." wrote:

>
> drno.incognito in 9at2et$4ok$1...@narses.hrz.tu-chemnitz.de :
>
> >> denn "Raumkruemmung setzt die Vorstellung eines ungekruemmten
> >> Raums voraus"
> >
> > So ein Unsinn.
>
> Statt leichtfertiger Verunglimpfung würde es dir eher anstehen,
> dich um ein minimales Verständnis des Problems zu bemühen.
>

So eine Aussage faellt leider leicht auf den zurueck, der sie macht.
Die Aeusserung von "drno.incognito" ist zwar in der Form nicht nett,
und zudem beklagenswerterweise anonym, aber dem Inhalt nach zutreffend.
Es war ja gerade die tiefe Einsicht von Gauss und Riemann, dass
Kruemmung eine intrinsische Eigenschaft des Raumes sein kann.


MfG


--
Boudewijn Moonen
Institut fuer Photogrammetrie der Universitaet Bonn
Nussallee 15

D-53115 Bonn

GERMANY

e-mail: Boudewij...@ipb.uni-bonn.de
Tel.: GERMANY +49-228-732910
Fax.: GERMANY +49-228-732712

Axel Schmitz-Tewes

unread,
Apr 11, 2001, 4:09:28 AM4/11/01
to

was hat das mit dem Versuch das Parallelenaxiom zu beweisen zu tun?

Axel

Roland Harnau

unread,
Apr 11, 2001, 6:17:54 PM4/11/01
to
Hendrik van Hees <h.va...@gsi.de> schrieb...

>Roland Harnau wrote:
>
>
>> Göttchen, ist das süß! Hast du meine Ausführungen zu Kant auch nur
>> halbwegs verstanden? Meine Anwort an Adolf sollte begründen, dass
>> Kant das Parallelenaxiom tatsächlich als a priori auffasst. Und das
>> ist, soweit der Raum als apriorische Raumanschaung betrachtet wird,
>> auch *richtig*.(hier empfehle ich Cassirer)
>>
>Ich habe Kant wahrscheinlich anders verstanden als Du. Sicher ist
>aber, daß die euklidische Geomtrie weder denknotwendig ist, noch zur
>Beschreibung des Raumes geeignet ist, in dem wir herumwuseln ;-)).

"denknotwendig" im Kantschen Sinn ist nicht "logisch möglich". Die
Beantwortung der anderen Frage hängt davon ab, ob man physikalische
Theorien instrumentalistisch oder realistisch interpretiert. Im ersten
Sinn erheben sie keinen Anspruch auf Wahrheit, sondern sind allenfalls
empirisch adäquat. Speziell Poincares Überlegungen sind dazu recht
interessant: Er hat eine mögliche Situation untersucht, unter welchen
Bedingungen ein Satz wie

"Die Experimentalphysiker haben entdeckt, daß der uns umgebene Raum
kein euklidischer Raum ist."

wahr sein könnte. Wie könnte man so etwas feststellen? Etwa durch ein
"kosmisches Dreieck" zwischen Fixsternen oder Galaxien,und sich dabei
auch nach mehrmaliger Messung eine Winkelsumme von deutlich mehr oder
weniger als 180° ergibt. Poincare zeigt, dass die Falschheit der eukl.
Geometrie nicht die einzige Deutungsmöglichkeit ist: Den geometrischen
Grundbegriffen einer phys. Theorie müssen über Korrespondenzregeln
Klassen von realen Objekten zugordnet werden, z.B. durch
Messvorschriften. Eine solche Korrespondenzregel könnte gelautet
haben: "Das Licht bewegt sich auf geraden Linien", und eine
Alternative zur Aufgabe der eukl. Geometrie wäre die Aufgabe dieser
Korrespondenzregel. Er kommt letztlich zum Schluss, dass uns
Messregebnisse niemals zwingen könnten, die eukl. Geomtrie aufzugeben,
da immer die Möglichkeit besteht, andere Teile der Theorie zu ändern
oder sie umzuinterpretieren.

Wenn man es modelltheoretisch sieht, dann beziehen sich die Terme
physikalsicher Theorien in erster Linie auf *mathematische Objekte*,
etwa auf Funktionen, oder die Elemente eines Hilbertraums. Die
Beziehung des Modells zur Empirie ist dabei nur sehr indirekt über
empische Hypothesen gewährleistet, d.h. physikalsiche Theorien machen
letztlich keine Aussagen über die "wahre Struktur der Realität",
sondern sind allenfalls *nützlich* für allerlei Anwendungen.


>Natürlich ist die euklidische Geometrie denkmöglich, denn sonst gäbe
>es sie ja nicht. Trotzdem ist die Kantsche Begründung, der Raum müsse
>euklidisch sein nun einmal physikalisch nicht korrekt, sondern nur
>eine Näherung, für Bereiche, wo die Gravitation schwach ist, sprich
>die Energie-Impulsdichte klein ist.
>
>Egal, ob ich Kant verstehe oder nicht, das ist nun einmal die
>Erkenntnis der Physik (sicher weiß man's seit 1919 durch die Messung
>der Lichtablenkung an der Sonne).

Nö, das könnte man sicher durch Einführung bestimmter "Kräfte" o.ä.
ebenso gut erklären. Hat nicht Ilja eine entsprechende Theorie auf
Lager?

[...]


>Nun gut, ich bin halt ein ungebildeter Physiker. Ich lese Kant als
>solcher. Wenn mir einer beweist, der physikalische Raum müsse
>notwendig durch euklidische Geometrie beschrieben werden und ich weiß
>(egal wann ;-)), dem ist nicht so, dann muß an dem "Beweis" etwas
>falsch sein. Imho ist das sehr einfach zu begründen, denn Kant
>argumentiert ja so, daß das, was übrig bleibt, wenn ich mir alle
>Materie entfernt denke der euklidische Raum sei. Das ist ja sogar
>richtig, denn die Lösung der Einsteingleichung für ein leeres
>Universum ist der Minkowskiraum und der Raumschnitt bzgl. eines
>Inertialsystems ist dann ein euklidischer R^3. Schön, da hat Kant
>recht.

Kant argumentiert in den Prolegomena für die These, dass die gültigen
Sätze der reinen und der angewandten Geomtrie zusammenfallen müssen.
Er schließt dort von der prinzipiellen Nichtvorstellbarkeit
nicht-euklidischer Geometrien auf die grundsätzliche
Nichtbeobachtbarkeit nicht-euklidischer Sachverhalte. Wenn man das
Argument kippen möchte, sollte man wohl an dieser Stelle ansetzen.


>Nun setzt er aber voraus, daß mit aller Materie der Raum
>_denknotwendig_ genauso aussieht, wie ein leerer Raum. Das ist aber
>widerlegt.

Bei Kant "sieht" der Raum eigentlich überhaupt nicht "aus", es ist ja
eine reine *Form* der Anschauung.

[...]


>Worauf ich nur hinweisen wollte, ist die Tatsache, daß Physik besser
>vorurteilsfrei betrieben wird. Man sollte sich nicht durch
>historische Philosophie am Denken hindern lassen, selbst wenn man
>dann von den Philosophen für einen Narr gehalten wird ;-)).

Sagen wir's 'mal so: Wenn Bohr und Einstein ein phil. Training gehabt
hätten, wäre ihr Disput möglicherweise etwas "fruchtbarer" verlaufen.
Deine "Vorurteilsfreiheit" ist übrigens mit starken Vorurteilen
belastet, die du dank deiner Philosophiephobie aber nicht bemerkst,
speziell in der Realismusdiskussion mit Ilja, die ja gelegentlich (ich
lese de.sci.physik allerdings nur sporadisch) aufkeimt.

>Ein für die Physik tragisches Beispiel ist Einstein, der die letzten
>30 Jahre seines Lebens nichts substantielles mehr zur Physik
>beigetragen hat, weil er in einem philosophischen Vorurteil gefangen
>war (könnte auch psychologisch gedeutet werden, aber das ist ein
>weites Feld).

Wer weiß, wenn Einstein tatsächlich Erfolg gehabt hätte, hätte ihm
jeder zugejubelt. Die QT hat ja doch erhebliche Probleme, angefangen
vom Messproblem über die Schrödingerkatze zu der Frage des Realismus
oder der Kopenhagener Deutung. Nicht schlecht ist auch many worlds.


roland

Roland Harnau

unread,
Apr 11, 2001, 6:18:58 PM4/11/01
to
Axel Schmitz-Tewes <a...@in-telegence.net> schrieb...

Es geht um Kants Beziehung zur euklidischen Geometrie (im Sinne der
analyt. Geomtrie), deren Aussagen er als synthetische Aussagen a
priori aufgefasst hat. Die Geometrie ist für ihn eine synthetische
Wissenschaft, die die tatsächlichen Strukturen der Welt beschreibt,
und deren Sätze evidente Prinzipien sind, die damit wahr sind. Für
Kant sind die Beweisversuche des Parallelenaxioms deshalb (und aus
verschiedenen anderen Gründen) irrelevant, d.h. wenn schon zu seiner
Zeit eine nichteuklidische Geometrie bekannt gewesen wäre, hätte er
sie als Begriffsspielerei ablehnen müssen. Dass Gauß sicher nicht
Kants Ansicht gewesen ist, ist dabei eine andere Sache.


Obiger Satz sollte nur klarstelllen, dass der Raum als Anschauungsform
bei Kant tatsächlich eine euklidische Geometrie ist. Das Analogon zu
einer geraden Strecke in der eukl. Geometrie ist in der Riemannschen
Geometrie die Geodäte, für die aber i.A. nicht mehr gilt, dass sie die
kürzeste Verbindung zweier Punkte ist. Bei S^2 mit der Standardmetrik
etwa sind die Geodäten die Großkreise. Für Punkte x,y auf S^2, die
nicht antipodisch liegen, bestimmen x,y genau einen solchen Großkreis,
so dass es zwei *unterschiedlich* lange Wege entlang einer Geodäte von
x nach y gibt.

roland

Adolf Göbel

unread,
Apr 11, 2001, 6:43:18 PM4/11/01
to
Roland Harnau <roland...@gmx.de> wrote:
>Es geht um Kants Beziehung zur euklidischen Geometrie (im Sinne der
>analyt. Geomtrie), deren Aussagen er als synthetische Aussagen a
>priori aufgefasst hat. Die Geometrie ist für ihn eine synthetische
>Wissenschaft, die die tatsächlichen Strukturen der Welt beschreibt,
>und deren Sätze evidente Prinzipien sind, die damit wahr sind.


Für mich ist _die_ Geometrie so vielfältig, dass sie _offensichtlich_
(=evident?) nicht (=alle Geometrien gleichzeitig) wahr sein können. Hast Du schon
mal daran gedacht, dass Kant einfach _historisch überholt_ ist? (zumindest in
diesem Punkt?)


>Für Kant sind die Beweisversuche des Parallelenaxioms deshalb (und aus
>verschiedenen anderen Gründen) irrelevant,


...dann hat er das Problem nicht verstanden....


d.h. wenn schon zu seiner
>Zeit eine nichteuklidische Geometrie bekannt gewesen wäre, hätte er
>sie als Begriffsspielerei ablehnen müssen.


Das ist natürlich eine Lösung....


Dass Gauß sicher nicht
>Kants Ansicht gewesen ist, ist dabei eine andere Sache.
>
>
>Obiger Satz sollte nur klarstelllen, dass der Raum als Anschauungsform
>bei Kant tatsächlich eine euklidische Geometrie ist. Das Analogon zu
>einer geraden Strecke in der eukl. Geometrie ist in der Riemannschen
>Geometrie die Geodäte,


die


für die aber i.A. nicht mehr gilt, dass sie die
>kürzeste Verbindung zweier Punkte ist. Bei S^2 mit der Standardmetrik
>etwa sind die Geodäten die Großkreise. Für Punkte x,y auf S^2, die
>nicht antipodisch liegen, bestimmen x,y genau einen solchen Großkreis,
>so dass es zwei *unterschiedlich* lange Wege entlang einer Geodäte von
>x nach y gibt.
>
>
>
>roland

--

Adolf Göbel

unread,
Apr 11, 2001, 6:43:16 PM4/11/01
to
Roland Harnau <roland...@gmx.de> wrote:
>Es geht um Kants Beziehung zur euklidischen Geometrie (im Sinne der
>analyt. Geomtrie), deren Aussagen er als synthetische Aussagen a
>priori aufgefasst hat. Die Geometrie ist für ihn eine synthetische
>Wissenschaft, die die tatsächlichen Strukturen der Welt beschreibt,
>und deren Sätze evidente Prinzipien sind, die damit wahr sind.

Für mich ist _die_ Geometrie so vielfältig, dass sie _offensichtlich_
(=evident?) nicht (=alle Geometrien gleichzeitig) wahr sein können. Hast Du schon
mal daran gedacht, dass Kant einfach _historisch überholt_ ist? (zumindest in
diesem Punkt?)

>Für Kant sind die Beweisversuche des Parallelenaxioms deshalb (und aus
>verschiedenen anderen Gründen) irrelevant,

...dann hat er das Problem nicht verstanden....

d.h. wenn schon zu seiner
>Zeit eine nichteuklidische Geometrie bekannt gewesen wäre, hätte er
>sie als Begriffsspielerei ablehnen müssen.

Das ist natürlich eine Lösung....

Dass Gauß sicher nicht
>Kants Ansicht gewesen ist, ist dabei eine andere Sache.
>
>
>Obiger Satz sollte nur klarstelllen, dass der Raum als Anschauungsform
>bei Kant tatsächlich eine euklidische Geometrie ist. Das Analogon zu
>einer geraden Strecke in der eukl. Geometrie ist in der Riemannschen
>Geometrie die Geodäte,


die


für die aber i.A. nicht mehr gilt, dass sie die
>kürzeste Verbindung zweier Punkte ist. Bei S^2 mit der Standardmetrik
>etwa sind die Geodäten die Großkreise. Für Punkte x,y auf S^2, die
>nicht antipodisch liegen, bestimmen x,y genau einen solchen Großkreis,
>so dass es zwei *unterschiedlich* lange Wege entlang einer Geodäte von
>x nach y gibt.
>
>
>
>roland

--

Adolf Göbel

unread,
Apr 11, 2001, 6:48:05 PM4/11/01
to
Roland Harnau <roland...@gmx.de> wrote:
>Es geht um Kants Beziehung zur euklidischen Geometrie (im Sinne der
>analyt. Geomtrie), deren Aussagen er als synthetische Aussagen a
>priori aufgefasst hat. Die Geometrie ist für ihn eine synthetische
>Wissenschaft, die die tatsächlichen Strukturen der Welt beschreibt,
>und deren Sätze evidente Prinzipien sind, die damit wahr sind.

Für mich ist _die_ Geometrie so vielfältig, dass sie _offensichtlich_
(=evident?) nicht (=alle Geometrien gleichzeitig) wahr sein können. Hast Du schon
mal daran gedacht, dass Kant einfach _historisch überholt_ ist? (zumindest in
diesem Punkt?)

>Für Kant sind die Beweisversuche des Parallelenaxioms deshalb (und aus
>verschiedenen anderen Gründen) irrelevant,

...dann hat er das Problem nicht verstanden....

d.h. wenn schon zu seiner
>Zeit eine nichteuklidische Geometrie bekannt gewesen wäre, hätte er
>sie als Begriffsspielerei ablehnen müssen.

Das ist natürlich eine Lösung....

>Dass Gauß sicher nicht
>Kants Ansicht gewesen ist, ist dabei eine andere Sache.
>
>
>Obiger Satz sollte nur klarstelllen, dass der Raum als Anschauungsform


'Der Raum als Anschauungsform.... ist eine euklidische Geometrie' : Was isser
denn nu: Raum, Anschauungsform oder Geometrie?


>bei Kant tatsächlich eine euklidische Geometrie ist. Das Analogon zu
>einer geraden Strecke in der eukl. Geometrie ist in der Riemannschen
>Geometrie die Geodäte,


die Gerade ist ein Spezialfall der Geodäten. Da hast Du ein Problem.


für die aber i.A. nicht mehr gilt, dass sie die
>kürzeste Verbindung zweier Punkte ist. Bei S^2 mit der Standardmetrik
>etwa sind die Geodäten die Großkreise. Für Punkte x,y auf S^2, die
>nicht antipodisch liegen, bestimmen x,y genau einen solchen Großkreis,
>so dass es zwei *unterschiedlich* lange Wege entlang einer Geodäte von
>x nach y gibt.
>
>
>
>roland

--

Roland Harnau

unread,
Apr 11, 2001, 7:43:12 PM4/11/01
to
"Adolf Göbel" <adolf...@aol.com> schrieb...

[...]


>>Für Kant sind die Beweisversuche des Parallelenaxioms deshalb (und aus
>>verschiedenen anderen Gründen) irrelevant,
>
>
>...dann hat er das Problem nicht verstanden....

...oder du hast Kant nicht verstanden.

[...]


>>Obiger Satz sollte nur klarstelllen, dass der Raum als Anschauungsform
>
>
>'Der Raum als Anschauungsform.... ist eine euklidische Geometrie' : Was isser
>denn nu: Raum, Anschauungsform oder Geometrie?

Der Raum *ist* eine Anschauungsform, und ihm *gelten* bestimmte
Aussagen, die unter dem Namen "eukldische Geometrie" zusammengefasst
werden. Je nach dem, wie man den Term "Geometrie" definiert, *ist* er
auch eine Geometrie.

>
>>bei Kant tatsächlich eine euklidische Geometrie ist. Das Analogon zu
>>einer geraden Strecke in der eukl. Geometrie ist in der Riemannschen
>>Geometrie die Geodäte,
>
>
>die Gerade ist ein Spezialfall der Geodäten.

Genau genommen nicht: Eine Gerade ist ein 1-dim linearer Unterraum
eines affinen oder projektiven Raums, während eine Geodäte für ein
Zusammenhang D ein C^1-Weg s:[a,b]->M (M Mannigfaltigkeit) ist, so
dass s' parallel entlang s ist. Insofern ist "Analogon" besser als
"Spezialfall".


>Da hast Du ein Problem.

Wo genau liegt das Problem?

roland

Wolfgang Thumser

unread,
Apr 11, 2001, 8:28:14 PM4/11/01
to
Hallo Roland,

> Es geht um Kants Beziehung zur euklidischen Geometrie (im Sinne der
> analyt. Geomtrie), deren Aussagen er als synthetische Aussagen a
> priori aufgefasst hat. Die Geometrie ist für ihn eine synthetische
> Wissenschaft, die die tatsächlichen Strukturen der Welt beschreibt,
> und deren Sätze evidente Prinzipien sind, die damit wahr sind.

Moeglicherweise ist das Parallelenaxiom ein zu evidentes Beispiel. Ich frage
mich, was Kant von folgendem "rein geometrischen" Urteil gehalten haette:

Man kann jede Vollkugel in eine endliche Anzahl von Teile zerlegen und die-
se Teile neu zu zwei Vollkugeln gleicher Groesse wie die Ausgangskugel
zusammenfuegen.

Was meinst Du? Haette er diese Aussage fuer wahr oder fuer falsch erachtet?
Waere sie in seinem Sinne ein synthetisches Urteil a priori? Ist sie in seinem Sin-
ne evident oder paradox? Sagt diese Aussage etwas ueber ueber die tatsaechliche
Struktur der Welt?

> Für Kant sind die Beweisversuche des Parallelenaxioms deshalb (und aus
> verschiedenen anderen Gründen) irrelevant, d.h. wenn schon zu seiner
> Zeit eine nichteuklidische Geometrie bekannt gewesen wäre, hätte er
> sie als Begriffsspielerei ablehnen müssen.

Waeren auch hier Beweisversuche irrelevant oder gar Begriffsspielerei?

Tatsaechlich haengt im besagten Fall die Gueltigkeit obiger Aussage von
keinen "Anschauungsformen des Raumes" (was immer das sein mag!) ab,
sondern davon, ob man bereit ist, ein mengentheoretisch weder beweisbar
noch widerlegbares Auswahlprinzip zu akzeptieren oder nicht. An dessen
Akzeptanz scheiden sich aber die Geister.

Ohne Kant zu nahe treten zu wollen, haette er wahrscheinlich obige Aussage
als unrichtig verworfen (fuer Vollkreise ist sie es sogar), das so evidente
Auswahlprinzip akzeptiert und sich dabei in unaufloesbare Widersprueche
verstrickt.

Leider versaeumt es Kant in der "Kritik der reinen Vernunft", seine Methode
an geometrischen Problemfaellen unter Beweis zu stellen. Die von ihm ge-
gebenen Beispiele ueberzeugen mich nicht: Evident ist, was evident scheint.

Die Banach- Tarskische paradoxe Zerlegung einer Vollkugel ist geradezu ein
Paradebeispiel fuer die Unzulaenglichkeit transzendental aesthetischer
Anschauungsformen (was immer das sein mag!) bei der Beurteilung geometrischer
Sachverhalte.

Gruss Wolfgang

Wolfgang G. G.

unread,
Apr 11, 2001, 10:26:51 PM4/11/01
to
Boudewijn Moonen schrieb in 3AD41D39...@ipb.uni-bonn.de :

> Es war ja gerade die tiefe Einsicht von Gauss und Riemann, dass
> Kruemmung eine intrinsische Eigenschaft des Raumes sein kann.

Gauss, Riemann und/oder andere definierten ganz einfach
Krümmung als intrinsische Eigenschaft von Räumen, und zwar
immer noch in der axiomatisch-formalen Tradition Euklids,
obwohl diese inzwischen mindestens von Kant überwunden worden
war.

Die Erkenntnis, dass Raum nicht auf drei Dimensionen beschränkt
sein muss und dass gekrümmte dreidimensionale Oberflächenräume
denkbar sind, war nicht nur tief sondern auch revolutionär.
Der Glaube jedoch, beliebige Krümmungen seien als intrinsische
Eigenschaften von Räumen möglich, konnte sich nur deshalb
durchsetzen, weil der Kant'sche Fortschritt nicht verstanden
worden war.

Beliebige Krümmungen als rein intrinsische Eigenschaften führen
zu Widersprüchen, was schon daran zu erkennen ist, dass kaum
quantitativen Aussagen z.B. über Oberflächen, Volumen u.s.w.
gemacht werden (können), wie das von mir erwähnte Beispiel mit
konstanter negativer Krümmung klar zeigt.

Genauso, wie so oft in der allgemeinen Relativitätstheorie,
ist man dann gezwungen, simple Konzepte einfach zu verbieten
oder so zu verkomplizieren, dass die Widerspüche nicht mehr
erkannt werden können.

Ein schönes Beispiel, wie man sich bei der Verteidigung von
solchen logischen Undingern wie nicht-euklidschen Geometrien
in ein Netz von Widersprüchen verstrickt, wurde von Wolfgang
Thumser in 3AD38711...@mathematik.uni-bielefeld.de
geliefert. Er schreibt im Zusammenhang mit dem Kreisumfang
in einer konstant negativ gekrümmten Ebene:

' Zunaechst ist zu klaeren, was in gekruemmten Raeumen unter


' "Kreisen" zu verstehen ist. Naheliegend ist es, darunter

' all die Punkte des zwei-dimensionalen Raumes zu verstehen,


' deren kuerzester (im geodaetischen Sinne) Abstand r von
' einem vorgegebenen Punkt des Raumes konstant ist.
'
' Mit dieser Definition haetten die "Kreise" in Raeumen
' konstanter negativer Kruemmung - im Gegensatz zu positiv

' gekruemmten Raeumen - im einbettenden euklidischen Raum


' keine Kreisform mehr, ihre Mittelpunkte waeren im
' gekruemmten Raum teilweise verstarrt und liessen sich dort
' nicht frei bewegen und haetten in Abhaengigkeit von ihrer
' Lage in diesem Raum bei gleichem Radius unterschiedliche
' Form und unterschiedlichen Flaecheninhalt.
' Potentielle Flaechenwesen kaemen durch Betrachtung dieser
' Objekte (selbst im kleinen ist alles verstarrt und
' abhaengig vom jeweiligen Raumpunkt) niemals auf eine
' vernuenftige Definition von Pi.

Eine vernünftige Definition von Pi ist trotzdem möglich,
da das Verhältnis von Umfang zu Durchmesser immer gegen Pi
geht, wenn der Durchmesser gegen Null geht. Zudem haben z.B.
wir eine vernünftige Definition von Pi, obwohl die ART ein
negativ gekrümmtes Universum nicht ausschliesst.

Auch die Behauptung, Kreise (Kugeln) einer konstant negativ
gekrümmten Ebene (Raum) "liessen sich dort nicht frei bewegen
und hätten in Abhängigkeit von ihrer Lage in diesem Raum bei


gleichem Radius unterschiedliche Form und unterschiedlichen

Flächeninhalt" ist offensichtlich unhaltbar.

Im Gegensatz zur üblichen Veranschaulichung (in Form eines
Sattels) herrscht in konstant negativ gekrümmten (genauso
wie in konstant positiven und flachen) Geometrien Homogenität
und Isotropie. Wenn aber alle Punkte des Raums als äquivalent
definiert sind, müssen auch die Kreise um die entsprechenden
Punkte äquivalent sein, da man ansonsten die Punke anhand
ihrer Kreise unterscheiden könnte.


Gruss, Wolfgang


Malenor

unread,
Apr 11, 2001, 11:19:30 PM4/11/01
to

"Wolfgang G. G." <z...@z.lol.li> wrote in message
news:9avfnv$oqc$1...@newsreaderm1.core.theplanet.net...

> Entgegnungen zu Stellungnahmen zu meinem Beitrag
> http://groups.google.com/groups?q=author:z...@z.lol.li&seld=904043418&ic=1
>
>
> Dieter Kiel antwortete in nm34dtk9ntusu3huo...@4ax.com :
>
> : In alt.philosophy.kant wird in Englisch diskutiert. Die Diskussion
> : ist interessant, wird aber hier wegen der Sprache nicht verstanden.
>
> Ich kann mich kaum erinnern, jemals eine so armselige Newsgroup
> (mit sovielen off-topic Threads und Schrott) wie alt.philosophy.kant
> gesehen zu haben.

Translation:
'I can hardly remember having seen as poor a newsgroup (with as many
off topic threads and scrap iron) as alt.philosophy.kant.'

Apparently this individual has not checked into
Humanities.Philosophy.Objectivism.


Malenor

unread,
Apr 11, 2001, 11:41:21 PM4/11/01
to

"Malenor" <mal...@hotmail.com> wrote in message
news:699B6.198$Pj2....@newsread1.prod.itd.earthlink.net...

>
> "Wolfgang G. G." <z...@z.lol.li> wrote in message
> news:9avfnv$oqc$1...@newsreaderm1.core.theplanet.net...
> > Entgegnungen zu Stellungnahmen zu meinem Beitrag
> > http://groups.google.com/groups?q=author:z...@z.lol.li&seld=904043418&ic=1
> >
> >
> > Dieter Kiel antwortete in nm34dtk9ntusu3huo...@4ax.com :
> >
> > : In alt.philosophy.kant wird in Englisch diskutiert. Die Diskussion
> > : ist interessant, wird aber hier wegen der Sprache nicht verstanden.
> >
> > Ich kann mich kaum erinnern, jemals eine so armselige Newsgroup
> > (mit sovielen off-topic Threads und Schrott) wie alt.philosophy.kant
> > gesehen zu haben.
>
> Translation:
> 'I can hardly remember having seen as poor a newsgroup (with as many
> off topic threads and scrap iron) as alt.philosophy.kant.'
>
I guess it's whatever a person wants to believe. Not long ago someone
here commented that he had found more productive citations and sources
on APK than he had in a year at his university. But if you want to be a
grouch and crosspost in German with the excuse that it's not worth the
effort of translating for such a poor newsgroup, go ahead. It only leads
me to believe that the rest of your poor Germanic reasoning is nothing
more than a series of endless rationalizations going off into nowhere.


Florian Weimer

unread,
Apr 11, 2001, 7:51:03 PM4/11/01
to
"Wolfgang G. G." <z...@z.lol.li> writes:

> Dass nichteuklidsche Geometrien nur axiomatisch-formale
> Systeme, nicht aber echte Geometrien (d.h. widerspruchsfreie
> Beschreibungen eines mehr-dimensionalen Kontinuums) sind, zeigt
> sich vor allem am Fehlen konkreter quantitativer Aussagen.

Gibt es nicht hyperbolische Ebenen, die sich vernünftig metrisieren
lassen (d.h. nicht mit der diskreten Metrik)? Für algebraische Kurven
in der projektiven Ebene gibt es auch quantitative Sätze.

Auf jeden Fall ist die Anzahl der Punkte in einem projektiven Raum
über einem endlichen Körper eine hübsch quantitative Angelegenheit,
oder nicht?

Hendrik van Hees

unread,
Apr 12, 2001, 3:13:12 AM4/12/01
to
Wolfgang G. G. wrote:


> Gauss, Riemann und/oder andere definierten ganz einfach
> Krümmung als intrinsische Eigenschaft von Räumen, und zwar
> immer noch in der axiomatisch-formalen Tradition Euklids,
> obwohl diese inzwischen mindestens von Kant überwunden worden
> war.

Erkläre mir das näher. Die Definition der Krümmung einer analytischen
Mannigfaltigkeit setzt keine Metrik voraus, nur einen lokal-affinen
Zusammenhang, wo ist da bitte Euklid?

Wo hat Kant die "axiomatisch-formale Tradition Euklids" überwunden?
Er hält nur eine Geometrie für überhaupt denkbar, nämlich die
Euklidische. Weiter ist eine gekrümmte Mannigfaltigkeit eben gerade
_nicht_ denknotwendig Submannigfaltigkeit eines ungekrümmten Raumes,
allerdings ist immer eine solche "Einbettung" möglich (zumindest für
Riemannsche Kontinua).


> Beliebige Krümmungen als rein intrinsische Eigenschaften führen
> zu Widersprüchen, was schon daran zu erkennen ist, dass kaum
> quantitativen Aussagen z.B. über Oberflächen, Volumen u.s.w.
> gemacht werden (können), wie das von mir erwähnte Beispiel mit
> konstanter negativer Krümmung klar zeigt.
>

Bitte? Das mußt Du in einer Mathematiknewsgroup erst mal begründen.
Die Volumenformen in einem d-Dimensionalen Raum (also die
alternierenden Differentialformen d-ter Stufe) definieren ein
Volumenbegriffe von meßbaren Teilmengen der Mannigfaltigkeit.
Entsprechend kann man Oberflächenmaße für Hyperflächen belieber
Dimension d'<d definieren.

> Genauso, wie so oft in der allgemeinen Relativitätstheorie,
> ist man dann gezwungen, simple Konzepte einfach zu verbieten
> oder so zu verkomplizieren, dass die Widerspüche nicht mehr
> erkannt werden können.
>

In der allgemeinen Relativitätstheorie wird nichts verkompliziert,
sondern sogar erheblich vereinfacht, aber das ist wohl ein vom
Standpunkt des Betrachters abhängige Aussage. Jedenfalls löst die
Relativitätstheorie bis zu einem gewissen Grade das seit Newton
besthende Problem des absoluten Raumes und der absoluten Zeit, indem
es beide Begriffe als überflüssig abschafft. Das, was Du als
Verklomplizierung empfindest, hat die empirische Naturforschung
erzwungen. Da ging kein Weg mehr dran vorbei, wenn man die Phänomene
korrekt beschreiben will.

Hm, meine Definition von pi ist, daß pi/2 die kleinste positive
Nullstelle des Cosinus ist, wobei der Cosinus durch seine Potenzreihe
definiert ist. Where's the problem?

> Auch die Behauptung, Kreise (Kugeln) einer konstant negativ
> gekrümmten Ebene (Raum) "liessen sich dort nicht frei bewegen
> und hätten in Abhängigkeit von ihrer Lage in diesem Raum bei
> gleichem Radius unterschiedliche Form und unterschiedlichen
> Flächeninhalt" ist offensichtlich unhaltbar.
>
> Im Gegensatz zur üblichen Veranschaulichung (in Form eines
> Sattels) herrscht in konstant negativ gekrümmten (genauso
> wie in konstant positiven und flachen) Geometrien Homogenität
> und Isotropie. Wenn aber alle Punkte des Raums als äquivalent
> definiert sind, müssen auch die Kreise um die entsprechenden
> Punkte äquivalent sein, da man ansonsten die Punke anhand
> ihrer Kreise unterscheiden könnte.

Um es mit Platon zu sagen: "Es führt kein Königsweg zur Mathematik",
also guck' Dir erst mal ein einführendes Mathebuch über
Differentialgeometrie oder Vektoranalysis an. Ein sehr leicht
verdauliches und für die Diskussion auf fundiertem Niveau allemal
ausreichend ist

Jänich, Vektoranalysis, Springer-Verlag (Mannigfaltigkeiten)
Schottenloher, Geometrie und Symmetrie in der Physik, Vieweg (Bezug
zur Physik, enthält auch Faserbündel und dgl. mehr).
do Carmo (?), Differentialgeometrie und vom gleichen Autor Riemannian
Geometry.

Ansonsten gibt's zu Hauf sehr gute Bücher zu dem Thema.

Hendrik van Hees

unread,
Apr 12, 2001, 3:33:27 AM4/12/01
to
Eins vorweg: Meine Auffassung von Physik ist die, daß die Observablen
durch Meßvorschriften für reale Messungen definiert sind, was eine
Theorie voraussetzt. Die Theorie bestimmt, wie die Größen gemessen
werden, und es muß möglich sein, diese Größen operational (also mit
einem konkreten Meßapparat, der die Einheiten und deren Vielfachen
und Bruchteile mit hinreichender Genauigkeit zur Verfügung stellt) zu
verwenden.

Alle Physikalischen Theorien und auch die Definition der Meßgrößen
ist immer nur vorläufig und nie eine Wahrheit an sich. Sie können
jederzeit durch empirische Fakten oder die Entdeckung intrinsischer
Probleme umgestürzt werden, ohne daß notwendig gleich eine neue
Theorie vorhanden sein muß, eine Situation, in der sich die Physik
zur Zeit befindet ("dark matter" ist nur zu etwa 30% bekannten
Ursprungs, der Rest ist im wahrsten Sinne des Wortes dunkel, das
Standardmodell bricht spätestens bei der Planckskala zusammen, die
ART in der Nähe von Singularitäten, u.a. beim Urknall).

Die Quantentheorie hat da keine besonders großen Probleme, auch das
sog. Meßproblem existiert nicht, aber es zeigt, daß die
Quantentheorie unvollständig ist, weil sie nicht auf das Universum
als ganzes anwendbar ist. Das hängt eng damit zusammen, daß der
Raumzeitbegriff noch nicht adäquat in die Quantentheorie eingebaut
werden konnte.

Roland Harnau wrote:


> Kant argumentiert in den Prolegomena für die These, dass die
> gültigen Sätze der reinen und der angewandten Geomtrie
> zusammenfallen müssen. Er schließt dort von der prinzipiellen
> Nichtvorstellbarkeit nicht-euklidischer Geometrien auf die
> grundsätzliche Nichtbeobachtbarkeit nicht-euklidischer Sachverhalte.
> Wenn man das Argument kippen möchte, sollte man wohl an dieser
> Stelle ansetzen.

Ich verstehe nicht, was an einer nichteuklidischen Geometrie
prinzipiell nicht vorstellbar sein soll. Das mußt Du mir erklären,
bevor ich dazu etwas sagen kann.

Natürlich kann man alles immer auch ganz anders beschreiben, z.B. die
ART als Theorie einer Submannigfaltigkeit in einem hochdimensionalen
ungekrümmten Raum, aber man hat nix davon, es wird alles viel
komplizierter, wenngleich diese Beschreibung vollkommen mathematisch
und physikalisch äquivalent ist. Man wählt die einfachste der derzeit
bekannten Beschreibungen, da ist die Physik immer noch kompliziert
genug.

>
>
>>Nun setzt er aber voraus, daß mit aller Materie der Raum
>>_denknotwendig_ genauso aussieht, wie ein leerer Raum. Das ist aber
>>widerlegt.
>
> Bei Kant "sieht" der Raum eigentlich überhaupt nicht "aus", es ist
> ja eine reine *Form* der Anschauung.

Aha, und diese Form muß euklidisch sein? Ich kann mir eine
Kugelfläche besser vorstellen als eine unendlich ausgedehnte
euklidische Ebene. Existiert diese Kugelfläche also nach Kant nicht,
weil sie nicht der euklidischen Geometrie genügt, und das obwohl sie
ein Objekt ist, das im Rahmen der euklidischne Geometrie beschreibbar
ist? So dumm war der Kant ja nun nicht.

> Sagen wir's 'mal so: Wenn Bohr und Einstein ein phil. Training
> gehabt hätten, wäre ihr Disput möglicherweise etwas "fruchtbarer"
> verlaufen. Deine "Vorurteilsfreiheit" ist übrigens mit starken
> Vorurteilen belastet, die du dank deiner Philosophiephobie aber
> nicht bemerkst, speziell in der Realismusdiskussion mit Ilja, die ja
> gelegentlich (ich lese de.sci.physik allerdings nur sporadisch)
> aufkeimt.

Aha, na ja, wann hätten dann aber Bohr und Einstein ihre
bahnbrechenden Entdeckungen machen können, wenn sie sich auch noch
mit der Philosophie hätten herumschlagen müssen ;-)).

> Wer weiß, wenn Einstein tatsächlich Erfolg gehabt hätte, hätte ihm
> jeder zugejubelt. Die QT hat ja doch erhebliche Probleme, angefangen
> vom Messproblem über die Schrödingerkatze zu der Frage des Realismus
> oder der Kopenhagener Deutung. Nicht schlecht ist auch many worlds.

Wie gesagt, mit Decoherence und minimaler Interpretation kann man
eigentlich gut leben, und es gibt keine wirklichen physikalischen
Probleme, es sei denn man will die QT auf das gesamte Universum
anwenden, was nach meiner Auffassung derzeit noch nicht
widerspruchsfrei möglich ist. Die Idee, eine bestimmte Theorie sei
allumfassend gültig, hat sich immer als Hybris der Physiker erwiesen,
die das behauptet haben (in dem Fall vor allem Heisenberg, der
meinte, er müsse seine Theorie als vollständig und allein
seeligmachend erweisen). Irgendwann hat sich immer wieder
herausgestellt, daß wir noch lange nicht alles wissen, aber wie
Hilbert so schön gesagt hat: "Wir müssen wissen, wir werden wissen".

Hendrik van Hees

unread,
Apr 12, 2001, 3:35:55 AM4/12/01
to
Roland Harnau wrote:

>
> Der Raum *ist* eine Anschauungsform, und ihm *gelten* bestimmte
> Aussagen, die unter dem Namen "eukldische Geometrie" zusammengefasst
> werden. Je nach dem, wie man den Term "Geometrie" definiert, *ist*
> er auch eine Geometrie.

Nochmal: Warum soll nicht auch ein nichteuklidischer Raum eine
Anschauungsform sein können? Darum dreht sich doch der ganze Streit.
Die nichteuklidische Geometrie ist doch genauso wohlfundiert, wie die
euklidische.

Florian Weimer

unread,
Apr 12, 2001, 3:52:54 AM4/12/01
to
Wolfgang Thumser <thu...@mathematik.uni-bielefeld.de> writes:

> Moeglicherweise ist das Parallelenaxiom ein zu evidentes Beispiel. Ich frage
> mich, was Kant von folgendem "rein geometrischen" Urteil gehalten haette:
>
> Man kann jede Vollkugel in eine endliche Anzahl von Teile zerlegen und die-
> se Teile neu zu zwei Vollkugeln gleicher Groesse wie die Ausgangskugel
> zusammenfuegen.

Das ist Agitationsmaterial gegen das Auswahlaxiom, aber kein Satz der
synthetischen Euklidischen Geometrie. ;-)

> Ohne Kant zu nahe treten zu wollen, haette er wahrscheinlich obige Aussage
> als unrichtig verworfen (fuer Vollkreise ist sie es sogar), das so evidente
> Auswahlprinzip akzeptiert und sich dabei in unaufloesbare Widersprueche
> verstrickt.

Ich weiß nicht, Kant war ja nicht blöd. Er hätte das vielleicht zu
einem weiteren Widerstreit der transzendentalen Ideen verarbeitet.

Florian Weimer

unread,
Apr 12, 2001, 4:02:15 AM4/12/01
to
Roland Harnau <roland...@gmx.de> writes:

> Für Kant sind die Beweisversuche des Parallelenaxioms deshalb (und
> aus verschiedenen anderen Gründen) irrelevant, d.h. wenn schon zu
> seiner Zeit eine nichteuklidische Geometrie bekannt gewesen wäre,
> hätte er sie als Begriffsspielerei ablehnen müssen.

Ich glaube, daß Kant, zumindest wenn er noch ein bißchen Topologie
mitbekommen hätte, nicht sofort von der Existenz nicht-empirischen
Anschauung vom Raume auf dessen euklidische Struktur geschlossen
hätte.

Florian Weimer

unread,
Apr 12, 2001, 4:25:03 AM4/12/01
to
Roland Harnau <roland...@gmx.de> writes:

> "Die Experimentalphysiker haben entdeckt, daß der uns umgebene Raum
> kein euklidischer Raum ist."

> Eine solche Korrespondenzregel könnte gelautet


> haben: "Das Licht bewegt sich auf geraden Linien", und eine
> Alternative zur Aufgabe der eukl. Geometrie wäre die Aufgabe dieser
> Korrespondenzregel. Er kommt letztlich zum Schluss, dass uns
> Messregebnisse niemals zwingen könnten, die eukl. Geomtrie aufzugeben,
> da immer die Möglichkeit besteht, andere Teile der Theorie zu ändern
> oder sie umzuinterpretieren.

Das scheint mir ziemliche Wortklauberei zu sein. Die Ausbreitungsweise
des Lichtes beschreibt doch gerade die Struktur des Raumes. Wie man
das mathematisch abbildet, ist doch zweitrangig.

Mag sein, daß es gegenwärtig noch verfrüht ist, dem physikalischen
Raum eine nichteuklidische Struktur zuzuschreiben, obwohl sich diese
zur dessen Beschreibung zu eignen scheint. Das mag sich aber
irgendwann ändern.

Immerhin ist die Erde lokal auch eine Scheibe, so wie der Raum lokal
euklidisch ist, und trotzdem zieht man heutzutage nicht nur die
Veranschaulichung als Kugel vor, sondern man glaubt sogar zu wissen,
daß die Erde (in etwas idealisierter Form) eine Kugel ist.

Florian Weimer

unread,
Apr 12, 2001, 4:48:17 AM4/12/01
to
Roland Harnau <roland...@gmx.de> writes:

> Nehmen wir an, t0 sei die Gegenwart. Zu einer Zeit t1 > t0 hat sich
> die *Bedeutung* des Terms "Birne" soweit verändert, dass es generell
> Obst umfasst. Du bist nun wie jemand, der in t1 sagt: "Sind die Leute
> zur Zeit t0 doch blöd, sie erkannten nicht, dass Äpfel auch Birnen
> sind". Wenn du also mit *deinem* Raumbegriff Kants kritiserst, so ist
> das wohl kaum ernstzunehmen.

Die Entwicklung verlief aber in die andere Richtung, d.h. heutzutage
sieht man den Begriff/die Anschaung des Raum weitaus differenzierter
als zu Kants Zeiten.

Ich fürchte aber, daß Kants Ansichten zum Raume auch sonst nicht
besonders zwingend sind. Er schreibt z.B.:

| Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von äußeren Erfahrungen
| abgezogen worden. Denn damit gewiße Empfindungen auf etwas außer
| mich bezogen werden, (d.i. auf etwas in einem anderen Orte des
| Raumes, als darinnen ich mich befinde), imgleichen damit ich sie als
| außer- und nebeneinander, mithin nicht bloß verschieden, sondern als
| in verschiedenen Orten vorstellen könne, dazu muß die Vorstellung
| des Raumes schon zum Grunde liegen. Demnach kann die Vorstellung des
| Raumes nicht aus den Verhältnissen der äußeren Erscheinung durch
| Erfahrung erborgt sein, sondern diese äußere Erfahrung ist nur durch
| gedachte Vorstellung allererst möglich.

Darüber, daß der Begriff der äußeren Erfahrung das Konzept eines
(nicht notwendigerweise geometrischen) Raumes erfordert, brauchen wir
nicht zu diskutieren, das ist ziemlich banal. Genauso erfordert die
Interpretation einer äußeren Erfahrung als solche den Begriff des
Raumes, wie Kant richtig bemerkt.

Kann man daraus schließen, daß der Begriff des Raumes nicht aus
äußeren Erfahrungen entsteht? Ich denke nicht, denn äußere Erfahrungen
sind sehr wohl möglich, ohne daß sie als solche wahrgenommen werden;
in der Tat ist der Mensch in seiner Entwicklung tatsächlich äußeren
Erfahrungen ausgesetzt, ohne sie zunächst als solche wahrzunehmen.

Hatte Kant eigentlich Umgang mit kleinen Kindern?

Axel Schmitz-Tewes

unread,
Apr 12, 2001, 4:24:14 AM4/12/01
to
"Wolfgang G. G." wrote:
>
> Boudewijn Moonen schrieb in 3AD41D39...@ipb.uni-bonn.de :
>
> > Es war ja gerade die tiefe Einsicht von Gauss und Riemann, dass
> > Kruemmung eine intrinsische Eigenschaft des Raumes sein kann.
>
> Gauss, Riemann und/oder andere definierten ganz einfach
> Krümmung als intrinsische Eigenschaft von Räumen, und zwar
> immer noch in der axiomatisch-formalen Tradition Euklids,
> obwohl diese inzwischen mindestens von Kant überwunden worden
> war.
>

Gauss hat bewiesen, daß das was man anschaulich als Krümmung einer
Fläche im Raum definieren würde eine 'intrensische' Eigenschaft der
Metrik der Fäche ist. Es handelt sich hier um einen zentralen
mathematischen Satz und keine Definition. Angelehnt an diese Erkenntnis
war Riemann in der Lage seinen Begriff einer n-dimensionalen
Mannigfaltigkeit zu finden.

Axel

Andreas Slateff

unread,
Apr 12, 2001, 7:56:11 AM4/12/01
to
Wolfgang Thumser wrote:
>
> Hallo Roland,
>
> > Es geht um Kants Beziehung zur euklidischen Geometrie (im Sinne der
> > analyt. Geomtrie), deren Aussagen er als synthetische Aussagen a
> > priori aufgefasst hat. Die Geometrie ist für ihn eine synthetische
> > Wissenschaft, die die tatsächlichen Strukturen der Welt beschreibt,
> > und deren Sätze evidente Prinzipien sind, die damit wahr sind.
>
> Moeglicherweise ist das Parallelenaxiom ein zu evidentes Beispiel. Ich frage
> mich, was Kant von folgendem "rein geometrischen" Urteil gehalten haette:
>
> Man kann jede Vollkugel in eine endliche Anzahl von Teile zerlegen und die-
> se Teile neu zu zwei Vollkugeln gleicher Groesse wie die Ausgangskugel
> zusammenfuegen.
>
> Was meinst Du? Haette er diese Aussage fuer wahr oder fuer falsch erachtet?
> Waere sie in seinem Sinne ein synthetisches Urteil a priori? Ist sie in seinem Sin-
> ne evident oder paradox? Sagt diese Aussage etwas ueber ueber die tatsaechliche
> Struktur der Welt?

Bevor wir ueber Euklidische Geometrie diskutieren, koennte man ja auch
mal ueber "Anschaulichkeit" reeller Zahlen diskutieren.

Andreas, der noch keinem \pi auf der Strasse begegnet ist

Norbert Dragon

unread,
Apr 12, 2001, 8:52:22 AM4/12/01
to
* Wolfgang Unbekannt schreibt

> Beliebige Krümmungen als rein intrinsische Eigenschaften führen
> zu Widersprüchen, was schon daran zu erkennen ist, dass kaum
> quantitativen Aussagen z.B. über Oberflächen, Volumen u.s.w.
> gemacht werden (können), wie das von mir erwähnte Beispiel mit
> konstanter negativer Krümmung klar zeigt.

[x] Du verstehst von der Sache nichts.

--

Norbert Dragon
dra...@itp.uni-hannover.de
http://www.itp.uni-hannover.de/~dragon

Aberglaube bringt Unglück.

Wolfgang Thumser

unread,
Apr 12, 2001, 8:54:58 AM4/12/01
to
Hallo Wolfgang,

> Eine vernünftige Definition von Pi ist trotzdem möglich,
> da das Verhältnis von Umfang zu Durchmesser immer gegen Pi
> geht, wenn der Durchmesser gegen Null geht.

Das ist schlichtweg falsch. In o.a. Topologie existieren bspw.
nicht nullhomotope Kreise beliebig kleinen Umfangs, die sich
ueberhaupt nicht auf einen Punkt zusammenziehen lassen.
Der Radius solcher Kreise (i. S. eines konstanten Abstandes zu
einem vorgegebenen Punkt) geht gegen unendlich, wenn ihr Um-
fang (und damit sie selbst) gegen null geht. Die Betrachtung
dieser Kreise muesste die potentiellen Flaechenwesen folglich
zu dem Schluss veranlassen, Pi sei null.

> Zudem haben z.B.
> wir eine vernünftige Definition von Pi, obwohl die ART ein
> negativ gekrümmtes Universum nicht ausschliesst.

Das haben wir dem gluecklichen Umstand zu verdanken, dass die
Kruemmung, wenn existent, i.a. kaum messbar ist. Waere sie in
Groessenordnungen unseres Lebensbereiches feststellbar, wuerde
die geometrische Definition von Pi ueber den Kreis ihren Sinn ver-
lieren (Pi waere immer noch analytisch ueber eine Reihe definierbar,
aufgrund der fehlenden geometrischen Bedeutung ist es allerdings
fraglich, ob jemand das tun wuerde).

> Auch die Behauptung, Kreise (Kugeln) einer konstant negativ
> gekrümmten Ebene (Raum) "liessen sich dort nicht frei bewegen
> und hätten in Abhängigkeit von ihrer Lage in diesem Raum bei
> gleichem Radius unterschiedliche Form und unterschiedlichen
> Flächeninhalt" ist offensichtlich unhaltbar.

In topologischen Raeumen mit nichttrivialer Homotopiegruppe
lassen sich Kreise mit gleichem Radius, aber unterschiedlicher
Windungszahl nicht stetig ineinander deformieren. Da beisst die
Maus keinen Faden ab.

> Im Gegensatz zur üblichen Veranschaulichung (in Form eines
> Sattels) herrscht in konstant negativ gekrümmten (genauso
> wie in konstant positiven und flachen) Geometrien Homogenität
> und Isotropie.

Ein weiterer Schnellschuss: Es existieren sogar lokal flache Raeume,
die Du im kleinen nicht von einem euklidischen Raum unterscheiden
kannst und die endliches Volumen besitzen. Die Isometriegruppe dieser
Raeume (sog. Torusraeume) ist gegenueber der Bewegungsgruppe des
euklidischen Raumes auf reine Translationen eingeschraenkt. Sie sind
folglich anisotrop. Gleiches gilt fuer die Pseudosphaeren. Unter Einhaltung
aller Abstaende wirst Du einen Punkt der Pseudosphaere immer nur auf
einem Kreis um ihrer Seelenachse bewegen koennen.

> Wenn aber alle Punkte des Raums als äquivalent
> definiert sind,

Punkte sind aequivalent wenn sie sich im gleichen Orbit der auf dem
zugrundeliegenden Raum operierenden Symmetriegruppe befinden.
Sie werden nicht als "aequivalent" definiert, sonder koennen sich
in diesem Sinne als aequivalent erweisen. Leider tun sie das bei den
Pseudosphaeren nicht.

> müssen auch die Kreise um die entsprechenden
> Punkte äquivalent sein, da man ansonsten die Punke anhand
> ihrer Kreise unterscheiden könnte.

Ich kann Dir nur empfehlen, Dich einschlaegig zu informieren.

Xpost gekuerzt auf dsm

Gruss Wolfgang

Wolfgang Thumser

unread,
Apr 12, 2001, 9:21:13 AM4/12/01
to
Hallo Florian

> > Man kann jede Vollkugel in eine endliche Anzahl von Teile zerlegen und die-
> > se Teile neu zu zwei Vollkugeln gleicher Groesse wie die Ausgangskugel
> > zusammenfuegen.
>
> Das ist Agitationsmaterial gegen das Auswahlaxiom,

Das mag ich nicht beurteilen, tut hier aber auch nichts zur Sache.

> aber kein Satz der
> synthetischen Euklidischen Geometrie. ;-)

Und warum nicht? Welcher der vorkommenden Begriffe ist denn kein Begriff der
euklidischen Geometrie? "Teil" etwa? Nun, bei Euklid selbst heisst es:

"Ein Punkt ist, was kein Teil mehr hat."

Oder "Vollkugel"? Abgesehen von der Dimension sehe ich da keinen Unterschied
zum Kreis. Also begruende Deine Behauptung!

Man kann jedes Quadrat in zwei flaechengleiche rechtwinkelige Dreiecke zerlegen.

Ist das auch kein Satz der synthetischen Euklidischen Geometrie? Aber das
Parallelenaxiom ist einer, ja? Wer beurteilt Saetze nach dieser Zugehoerigkeit.
Oder ist dieses Vermoegen nur Kantianern gegeben? Mir kommt das eher so vor,
als wuerden problematische Saetze einfach ausgekraenzt.

> Ich weiß nicht, Kant war ja nicht blöd.

Natuerlich nicht! Nur seine mathematischen Qualitaeten sind imho
wenig ueberzeugend.

Gruss Wolfgang

Boudewijn Moonen

unread,
Apr 12, 2001, 9:33:51 AM4/12/01
to
"Wolfgang G. G." wrote:

>
> Gauss, Riemann und/oder andere definierten ganz einfach

> Krümmung als intrinsische Eigenschaft von Räumen, ...
>

Nun ist aber Schluss mit lustig. Wenn man so etwas liest, da kann
einem schon ganz schoen der mathematische Kamm schwellen.
Vor ganz kurzer Zeit schrieb hier ein Hellsichtiger, man solle
sich um ein minimales Verstaendnis des Problems bemuehen. Nun,
wer so etwas wie oben zitiert schreibt, hat ganz offensichtlich
Gauss und Riemann nicht gelesen und/oder sich sekundaer um
Verstaendnis bemueht, kurzum, hat, so leid es mir tut, das so zu
sagen, nicht die geringste Ahnung. Es ist keineswegs so, dass
Gauss die Kruemmung als intrinsische Eigenschaft definierte,
sondern so, dass er das zunaechst auf anschauliche-geometrischer
Weise motivierte extrinsisch definierte Kruemmungsmass fuer Flaechen
als intrinsisch, genauer nur als von der Flaechenmetrik
abhaengig, erkannte. Damit hat er, zusammen mit Riemann, kurz und
knapp gesagt, fuer die Mathematik, und ich denke auch fuer die
Physik, den kantschen Raumbegriff erledigt. Und weiterhin hat er
viele Jahre damit zugebracht, seine Theorie so aufzubauen, dass
auch die Metrik als grundlegender Primaerbegriff am Anfang
steht (die "erste Fundamentalform" eben). Seine entgueltige
Darstellung stand, und das sei allen ins Stammbuch geschrieben,
die meinen, Mathematik finde in einem rein geistigen, voellig
von der Realitaet abgekoppelten Orchideenkaefig statt, nachdem
er viele Jahre praktische und innovative Vermessungsarbeit
geleistet hatte (die auf einem solch hohen Niveau war, dass
die Geodaeten noch heute Gauss nich als Mathematiker sehen,
sondern als einen der ihren). Und voellig zurecht nannte er sein
herausragendes Resultat "Theorema egregium". Also von wegen
"ganz einfach definiert". Mein Gott. Gaussens Originalarbeit
mit englischer Uebersetzung und einem sehr eingehenden Kommentar
von Peter Dombrowski, den ich nur waemstens empfehlen kann,ist

50 years after Gauss' Disquisitiones generales circa
superficies curvas : with the original text of Gauss /
Peter Dombrowski

Paris : Société Mathématique de France, c1981

Es handelt sich da um eine ganze Ausgabe der Zeitschrift "Asterisque",
die genaue Nummer habe ich im Moment nicht parat.

Und zu Riemann. Auch hier ist voellig offensichtlich, dass Du
von seiner bahnbrechenden Habilitationsschrift "Ueber die
Hypothesen, welcher der Geometrie zugrunde liegen" nicht eine einzige
Zeile kennst. Kruemmung "ganz einfach definiert". Pah. Die
Entwiclung eines ganzen Wissenschaftszweig anfangend bei den
grundlegend innovativen Begriffen wie Mannigfaltigkeit und Metrik,
die Erkenntnis, dass Geometrie eine zusaetzliche Struktur ist,
die dem sozusagen amorphen Raum als "physikalisches Feld"
aufgepraegt werden kann (die spaeter von Einstein als dynamisch
erkannt wurde), und die Entdeckung des Kruemmungstensors vor
dem Entstehen des Tensorbegriffs ueberhaupt, gehoert
zu den grossartigsten mathematischen Entdeckungen, die es gibt.
Das auf die Ebene einer ganz einfachen Definition umzusiedeln und das
dann noch in einer Mathematikgruppe, mitsamt Querbefruchtung dreier
zusaetzlicher Newsgruppen, Mann, das nenne ich ein Outing.

Riemanns Habilitationsvortrag findet sich uebrigens auf dem Web:


http://www-math.sci.kun.nl/math/werkgroepen/gmfw/bronnen/riemann1.html

Eine englische Uebersetzung und einem sehr eingehenden Kommentar
von Michael Spivak, den ich nur waemstens empfehlen kann, findet
sich im zweiten Band von Spivaks sechsbaendigem
Differentialgeometriemonster.

>
> ... und zwar immer noch in der axiomatisch-formalen Tradition
> Euklids,....
>

Waere es nicht schon durch Deine obigen Aeusserungen klar geworden,
dass Du keine Zeile von dem kennen kannst, was Du so voller
Chuzpe interpretierst, so wuerde es spaetestens hier klar.
Ich habe die beiden grundlegenden Werke zitiert, da kann sich
jeder selbst ein Bild machen, was die mit der "axiomatisch-formalen
Tradition Euklids" zu tun haben. Nur am Rande: Riemanns Vortrag, der
fachuebergreifend verstaendlich sein wollte, hat gerade zwei (!)
Formeln, und die sind eher marginal. Nebenbei, die Tradition
Euklids ist axiomatisch, aber nicht formal. Die Entdeckung Euklids,
dass Teile (!) der Mathematik sich axiomatisch behandeln, war
revolutionaer und von der gleichen Grossartigkeit der Entdeckungen
von Gauss und Riemann. Dass diese von nichtverstehenden Epigonen
zum Allheilmittel und von anderen solchen herablassend zum
sinnentleerten formalen Scrabblespielchen erklaert wurden, dafuer
kann Euklid nicht...

>
> obwohl diese inzwischen mindestens von Kant überwunden
> worden war.
>

Dadurch, dass er den unendlichen euklidischen Raum mit den
unanschaulich unendlich langen Geraden als notwendige Form
der Anschauung postulierte? Und die newtonsche Zeit dazu, die
spaeter von Einstein erledigt wurde? Kant hat sich einfach geirrt,
das kann jedem passieren, das sollte man aber nicht durch die
Jahrhunderte verteidigen, auch wenn er ein grosser Mann war.

>
> Die Erkenntnis, dass Raum nicht auf drei Dimensionen beschränkt
> sein muss und dass gekrümmte dreidimensionale Oberflächenräume
>

Unsinn

>
> denkbar sind,
>

Es sind beliebig hochdimensionale Raeume - ohne Einbettung in
uebergreifende Raeume, also ohne Zusatz "Oberflaechen" - nicht
nur denkbar, sondern qualitativ und quantitativ in ihren
Eigenschaften beschreibbar.

>
> war nicht nur tief sondern auch revolutionär.
> Der Glaube jedoch, beliebige Krümmungen seien als intrinsische
> Eigenschaften von Räumen möglich,
>

Das ist kein Glaube, sondern eine mathematische Konstruktion

> konnte sich nur deshalb durchsetzen, weil der Kant'sche
> Fortschritt nicht verstanden worden war.
>

Unsinn, in jeder Form Unsinn, historisch wie philosophisch wie
mathematisch.

>
> Beliebige Krümmungen als rein intrinsische Eigenschaften führen
> zu Widersprüchen,
>

Unsinn, diesmal mathematisch

>
> was schon daran zu erkennen ist, dass kaum
> quantitativen Aussagen z.B. über Oberflächen, Volumen u.s.w.
> gemacht werden (können),
>

Unsinn, auch diesmal mathematisch

>
> wie das von mir erwähnte Beispiel mit konstanter negativer
> Krümmung klar zeigt.
>

Tut es nicht.

>
> Genauso, wie so oft in der allgemeinen Relativitätstheorie,
> ist man dann gezwungen, simple Konzepte einfach zu verbieten
> oder so zu verkomplizieren, dass die Widerspüche nicht mehr
> erkannt werden können.
>

Das ist eher Paranoia als eine sachliche Analyse der obwaltenden
Verhaeltnisse.

>
> Ein schönes Beispiel, wie man sich bei der Verteidigung von
> solchen logischen Undingern wie nicht-euklidschen Geometrien
> in ein Netz von Widersprüchen verstrickt,
>

Da nichteuklidische Geometrien keine logischen Undinge sind,
wie schon der grosse Gauss erkannte, verwickelt man sich
nicht in ein solches Netz.

Detailliert dazu Stellung zu nehmen, ueberlasse ich Wolfgang
Thumser, mir geht in der Auseinandersetzung mit diesem, wie
ich leider sagen muss, nullqualifiziertem maeanderndem
Begriffsbrei die Puste aus. Man muss eben wissen, sehen und
verstehen, dass es generische Riemannsche Mannigfaltigkeiten
mit lokal variierender Geometrie gibt und spezielle, auf
denen Isometrien transitiv operieren, das sind die homogenen
Raeume, die Geometrien im Sinne Felix Kleins. Und die ganze
Pi-Diskussion in diesem Zusammenhang ist eher das, was die
Englaender einen "red herring" oder "McGuffin" nennen.
Ich denke, Deine Schwierigkeiten liegen bei der Vorstellung
einer lokal variierenden Geometrie, da kann es tatsaechlich
passieren, dass das Verhaeltnis eines (geodaetischen) Kreises
zu seinen (geodaetischen) Durchmessers variiert, von
Ort zu Ort und auch mit seinem Radius, so what? Die
euklidische Geometrie ist eben ein ganz spezieller Entartungsfall,
und da bekommt Pi eine ganz spezielle Rolle, die es im
generischen Fall verliert.

Ich glaube, hier wird, wie an vielen Stellen, die Rolle der
Mathematik in Bezug auf die Empirie verwirrt. Mathematik
beschreibt nicht Aspekte der Realitaet, sondern stellt Modelle
fuer sie bereit, aus denen man moeglichst gut passende
zur Beschreibung auswaehlt. Darueber entscheidet dann das Experiment
und nicht philosophischer Dogmatismus. Den Punkt hat Riemann
in seinem Habilitationsvortrag ganz klar gesehen und
ausgesprochen (natuerlich war er viel milder gestimmt
als ich und hat sich die Bemerkung ueber philosophischen
Dogmatismus verkniffen).

Ich denke, wenn man als Fachfremder von aussen kommt und
sich dann zum Fach aeussert, sollte man das vorsichtig
tun. Wenn so deutlich zu erkennen ist, dass von dem
betreffenden Fach keinerlei Substanz zu erkennen ist,
tut man sich und seiner Position keinen grossen Gefallen.
Ich kann zur Kantschen Philosophie nichts Substantielles
sagen, daher meine obige Bemerkung, dass sich sein
Raum- und Zeitbegriff wohl fuer Mathematik und Physik
erledigt hat, werde mich aber hueten, ihre Rollen in
der Philosophiediskussion ueber Raum und Zeit zu bewerten.
Nur denke ich, dass bei einer zeitgemaessen Diskussion,
die auch naturwissenschaftliche Aspekte heranzieht
und nicht nur philosophische Dogmen aus der Asservatenkammer,
man z.B. mit Kanitscheider besser bedient ist als mit Kant
(wobei ich keineswegs damit behaupten will, dass diese in
derselben Liga spielen). Kant war sicher ein grandioser
Philosophie, aber so wie ich sehe, nicht ein Universalgenie
wie Leibniz, sodass ich mich angesichts seiner, und auch Deiner,
Versuche in den Naturwissenschaften, animiert fuehle auszurufen:
Schuster, bleib bei deinem Leisten.


MfG

> Gruss, Wolfgang

Thomas Haunhorst

unread,
Apr 12, 2001, 10:02:39 AM4/12/01
to
On Thu, 12 Apr 2001 02:28:14 +0200,
Wolfgang Thumser <thu...@mathematik.uni-bielefeld.de> wrote:
>Moeglicherweise ist das Parallelenaxiom ein zu evidentes Beispiel. Ich frage
>mich, was Kant von folgendem "rein geometrischen" Urteil gehalten haette:
>
>Man kann jede Vollkugel in eine endliche Anzahl von Teile zerlegen und die-
>se Teile neu zu zwei Vollkugeln gleicher Groesse wie die Ausgangskugel
>zusammenfuegen.
>Haette er diese Aussage fuer wahr oder fuer falsch erachtet?

Die Teile waeren dann nicht mehr L-messbar. Die Frage waere also, ob es evident
waere, dass es Koerper gaebe, denen man kein Volumen zuschreiben koenne.

>Waere sie in seinem Sinne ein synthetisches Urteil a priori? Ist sie in

>seinem Sinne evident oder paradox?

Nunja, wenn Kant der Ansicht war, dass jede geometrische Form auch eine Aus-
dehnung habe (bis auf die Punkte, oder die haben eben die Ausdehnung 0) und
man ihr ein Volumen zuschreiben koenne, also auch den Teilen einer Zerlegung
so einer Form, so ist das Banach-Tarski-"Paradox" ein falscher Satz, und es
wuerde die Negation des Auswahlprinzips zur Folge haben.

D.h. also, dass es fuer Kant moeglicherweise eine Selbstverstaendlichkeit
war, dass alle geometrische Formen ein Volumen haben.

>Sagt diese Aussage etwas ueber ueber die tatsaechliche
>Struktur der Welt?

Sie drueckt einen zutreffenden Sachverhalt in einer Struktur aus, in der
AC angenommen wird.



>Ohne Kant zu nahe treten zu wollen, haette er wahrscheinlich obige Aussage
>als unrichtig verworfen (fuer Vollkreise ist sie es sogar), das so evidente

>Auswahlprinzip akzeptiert und [...]

Schwer zu sagen. Waere interesant zu wissen wie er dazu gestanden haette.


Gruss

Thomas.
--

Florian Weimer

unread,
Apr 12, 2001, 10:34:59 AM4/12/01
to
Wolfgang Thumser <thu...@mathematik.uni-bielefeld.de> writes:

> > > Man kann jede Vollkugel in eine endliche Anzahl von Teile zerlegen und die-
> > > se Teile neu zu zwei Vollkugeln gleicher Groesse wie die Ausgangskugel
> > > zusammenfuegen.
> >
> > Das ist Agitationsmaterial gegen das Auswahlaxiom,
>
> Das mag ich nicht beurteilen, tut hier aber auch nichts zur Sache.
>
> > aber kein Satz der
> > synthetischen Euklidischen Geometrie. ;-)
>
> Und warum nicht? Welcher der vorkommenden Begriffe ist denn kein Begriff der
> euklidischen Geometrie?

Reelle Zahlen vermutlich. Oder funktioniert diese Konstruktion auch,
wenn man statt des |R^3 einen K^3 nimmt, wobei K der algebraische
Zahlkörper ist, in dem sich die synthetische euklidische Geometrie
abspielt?

Florian Weimer

unread,
Apr 12, 2001, 10:50:14 AM4/12/01
to
Thomas.H...@HEH.Uni-Oldenburg.DE (Thomas Haunhorst) writes:

> D.h. also, dass es fuer Kant moeglicherweise eine Selbstverstaendlichkeit
> war, dass alle geometrische Formen ein Volumen haben.

Ich glaube, Kant hätte (ohne eine angemessene Einführung) schon
Probleme mit der Vorstellung gehabt, daß eine dichte, unendlich
ausgedehnte Punktwolke das Volumen 0 hat.

Florian Weimer

unread,
Apr 12, 2001, 10:50:35 AM4/12/01
to
Thomas.H...@HEH.Uni-Oldenburg.DE (Thomas Haunhorst) writes:

> D.h. also, dass es fuer Kant moeglicherweise eine Selbstverstaendlichkeit
> war, dass alle geometrische Formen ein Volumen haben.

Ich glaube, Kant hätte (ohne eine angemessene Einführung) schon


Probleme mit der Vorstellung gehabt, daß eine dichte, unendlich

ausgedehnte Punktwolke das Volumen 0 haben kann.

Wolfgang Thumser

unread,
Apr 12, 2001, 12:39:57 PM4/12/01
to
Hallo Florian,

> > Und warum nicht? Welcher der vorkommenden Begriffe ist denn kein Begriff der
> > euklidischen Geometrie?
>
> Reelle Zahlen vermutlich.

Dann waere auch der Satz des Pythagoras kein Satz der euklidischen Geometrie,
immerhin kommen dort Flaechenbegriffe vor. Ob Kant das so gesehen haette,
wer weiss? Jedenfalls erscheinen mir seine diesbezueglichen Begriffsbildungen
(synthetische Urteile a priori, etc.) mehr als vage.

Gruss Wolfgang


Florian Weimer

unread,
Apr 12, 2001, 1:28:46 PM4/12/01
to
Wolfgang Thumser <thu...@mathematik.uni-bielefeld.de> writes:

> > > Und warum nicht? Welcher der vorkommenden Begriffe ist denn kein
> > > Begriff der euklidischen Geometrie?
> >
> > Reelle Zahlen vermutlich.
>
> Dann waere auch der Satz des Pythagoras kein Satz der euklidischen
> Geometrie, immerhin kommen dort Flaechenbegriffe vor.

Und das macht die Verwendung reeller Zahlen erforderlich? Doch wohl
eher nicht.

Wolfgang Thumser

unread,
Apr 12, 2001, 1:48:32 PM4/12/01
to
Hallo Florian

> > > > Und warum nicht? Welcher der vorkommenden Begriffe ist denn kein
> > > > Begriff der euklidischen Geometrie?
> > >
> > > Reelle Zahlen vermutlich.
> >
> > Dann waere auch der Satz des Pythagoras kein Satz der euklidischen
> > Geometrie, immerhin kommen dort Flaechenbegriffe vor.
>
> Und das macht die Verwendung reeller Zahlen erforderlich? Doch wohl
> eher nicht.

Dann verstehe ich Dein Argument nicht! Wenn ich mich recht erinnere, hieltest
Du mit der Bemerkung

> > > Reelle Zahlen vermutlich.

den Satz von Banach- Tarski fuer keinen Satz der Euklidischen Geometrie

Da Du die Verwendung reeller Zahlen bei Pythagoras mit Deiner Bemerkung

> Und das macht die Verwendung reeller Zahlen erforderlich? Doch wohl
> eher nicht.

fuer nicht erforderlich erachtest, beginne ich mich zu fragen:

Was haben Banach- Tarski, was Pythagoras nicht hat?

Gruss Wolfgang

Florian Weimer

unread,
Apr 12, 2001, 3:11:34 PM4/12/01
to
Wolfgang Thumser <thu...@mathematik.uni-bielefeld.de> writes:

> > > > > Und warum nicht? Welcher der vorkommenden Begriffe ist denn kein
> > > > > Begriff der euklidischen Geometrie?
> > > >
> > > > Reelle Zahlen vermutlich.
> > >
> > > Dann waere auch der Satz des Pythagoras kein Satz der euklidischen
> > > Geometrie, immerhin kommen dort Flaechenbegriffe vor.
> >
> > Und das macht die Verwendung reeller Zahlen erforderlich? Doch wohl
> > eher nicht.
>
> Dann verstehe ich Dein Argument nicht! Wenn ich mich recht erinnere, hieltest
> Du mit der Bemerkung
>
> > > > Reelle Zahlen vermutlich.
>
> den Satz von Banach- Tarski fuer keinen Satz der Euklidischen Geometrie

Genauer gesagt: der synthetischen Euklidischen Geometrie (d.h. die
*nicht* mit algebraischen oder gar analytischen Methoden in einem
reellen Vektorraum operiert, sondern hübsch von ein paar Axiomen
ausgeht).

> Da Du die Verwendung reeller Zahlen bei Pythagoras mit Deiner Bemerkung
>
> > Und das macht die Verwendung reeller Zahlen erforderlich? Doch wohl
> > eher nicht.
>
> fuer nicht erforderlich erachtest, beginne ich mich zu fragen:
>
> Was haben Banach- Tarski, was Pythagoras nicht hat?

Ich habe mir mal http://www.math.gatech.edu/~mullikin/masterspdf.pdf
überflogen, in Ermangelung besserer Quellen. (Die Darstellung ist
überraschend elementar, ich dachte, für so etwas müßte man weitaus
schwerere Geschütze auffahren.) Hier entsteht das vermeintliche
Paradoxon aus einer Handvoll Sätze über G-Mengen und ist damit
ausgesprochen geometrisch. (Ich dachte bisher, daß Paradoxon hätte
mehr mit Analysis und Maßtheorie zu tun.)

Der dargestellte Ansatz läßt sich trotzdem nicht direkt auf die
synthetische Euklidische Geometrie übertragen, da an zentraler Stelle
mit der Überabzählbarkeit der Drehgruppe und der Einheitssphäre im
Reellen argumentiert wird, was hier nicht gegeben ist.

Hendrik van Hees

unread,
Apr 12, 2001, 4:58:54 PM4/12/01
to
Florian Weimer wrote:

>
> Genauer gesagt: der synthetischen Euklidischen Geometrie (d.h. die
> *nicht* mit algebraischen oder gar analytischen Methoden in einem
> reellen Vektorraum operiert, sondern hübsch von ein paar Axiomen
> ausgeht).

Geht das überhaupt? Ich dachte, Hilbert hätte gezeigt, daß man ohne
Stetigkeitsaxiome nicht auskommt.

Florian Weimer

unread,
Apr 12, 2001, 5:55:37 PM4/12/01
to
Hendrik van Hees <h.va...@gsi.de> writes:

> Florian Weimer wrote:
>
> > Genauer gesagt: der synthetischen Euklidischen Geometrie (d.h. die
> > *nicht* mit algebraischen oder gar analytischen Methoden in einem
> > reellen Vektorraum operiert, sondern hübsch von ein paar Axiomen
> > ausgeht).
>
> Geht das überhaupt? Ich dachte, Hilbert hätte gezeigt, daß man ohne
> Stetigkeitsaxiome nicht auskommt.

Echt? Das würde wenigstens erklären, warum sich so wenige Leute noch
mit synthetischer Geometrie befassen. ;-)

Jutta Gut

unread,
Apr 13, 2001, 4:22:27 AM4/13/01
to
Hallo Hendrik!

Hendrik van Hees schrieb:

> Ich verstehe nicht, was an einer nichteuklidischen Geometrie
> prinzipiell nicht vorstellbar sein soll. Das mußt Du mir erklären,
> bevor ich dazu etwas sagen kann.
>

> (...)


>
> Aha, und diese Form muß euklidisch sein? Ich kann mir eine
> Kugelfläche besser vorstellen als eine unendlich ausgedehnte
> euklidische Ebene. Existiert diese Kugelfläche also nach Kant nicht,
> weil sie nicht der euklidischen Geometrie genügt, und das obwohl sie
> ein Objekt ist, das im Rahmen der euklidischne Geometrie beschreibbar
> ist? So dumm war der Kant ja nun nicht.
>

Also, ich kann mir eine nichteuklidische Geometrie nicht wirklich
"vorstellen"... Natürlich kann ich mir eine Kugelfläche vorstellen, aber
das ist ja nur ein Modell. Ich kann sagen, die Großkreise entsprechen den
Geraden, aber "in Wirklichkeit" sind sie keine Geraden, sondern Kreise im
euklidischen Raum.

Eine Geometrie, in der es Geraden (im üblichen Sinn), aber keine Parallelen
gibt, kann ich zwar axiomatisch festlegen, aber anschaulich vorstellen kann
ich mir das nicht.

Gruß
Jutta


Hendrik van Hees

unread,
Apr 13, 2001, 5:52:09 AM4/13/01
to
Jutta Gut wrote:


> Eine Geometrie, in der es Geraden (im üblichen Sinn), aber keine
> Parallelen gibt, kann ich zwar axiomatisch festlegen, aber
> anschaulich vorstellen kann ich mir das nicht.

Natürlich kann man sich gegen das Anschauenwollen wehren ;-). Die
Kugeloberfläche läßt sehr wohl eine Vorstellung über gekrümmte Räume
zu, z.B. die Wegabhängigkeit des Paralleltransports von
Tangentialvektoren (affiner Zusammenhang, Krümmung), daß es keine
sich nichtschneidenden Geodäten ("Parallelen") gibt usw.

Roland Harnau

unread,
Apr 13, 2001, 12:25:40 PM4/13/01
to
Hendrik van Hees <h.va...@gsi.de> schrieb...

>Jutta Gut wrote:
>
>
>> Eine Geometrie, in der es Geraden (im üblichen Sinn), aber keine
>> Parallelen gibt, kann ich zwar axiomatisch festlegen, aber
>> anschaulich vorstellen kann ich mir das nicht.
>
>Natürlich kann man sich gegen das Anschauenwollen wehren ;-). Die
>Kugeloberfläche läßt sehr wohl eine Vorstellung über gekrümmte Räume
>zu, z.B. die Wegabhängigkeit des Paralleltransports von
>Tangentialvektoren (affiner Zusammenhang, Krümmung), daß es keine
>sich nichtschneidenden Geodäten ("Parallelen") gibt usw.

Die Kugeloberfläche muss aber noch keine "Geometrie" sein, und ein
Raum (jedenfalls soweit man es auf Kant bezieht) ist 3-dimensional.
Nehmen wir eine Kurve s:[0,1]->R^3, wobei man einen
Bogenlängenparameter verwendet. Für diese läßt sich anschauulich die
Krümmung als Länge des Beschleunigungsvektors an einer bestimmten
Stelle definieren. Das ist aber eine extrinsische Definition, sie
hängt vom umgebenen euklidischen Raum R^3 ab, und es ist prima facie
nicht klar, wie die Kurve, aufgefasst als 1-dim. Mannigfaltigkeit ohne
euklidisches "Drumherum" eine Krümmung haben könnte. Das gleich gilt
für Flächen im Raum. Die begriffliche Innovation der Einführung der
Riemannschen Geometrie war erst da möglich, als klar wurde, dass
Krümmung /unabhängig/ von einer Relation zu einem umgebenen
euklidischen Raum aufgefasst werden kann. Deshalb hat Wolfgang G.G.
bei der Verteidugung seiner These "Raumkruemmung setzt die Vorstellung
eines ungekruemmten Raums voraus." auch keine Probleme mit extrinsisch
definierter Krümmung, wogegen er bestrebt sein muss, intrinsische
Krümmung als "inkohärent" nachzuweisen. Du schuldest Jutta und mir
jetzt ein Beispiel eines 3-dimensionalen anschauulich vorstellbaren
nicht-euklidischen Raums. ;-)




roland

Roland Harnau

unread,
Apr 13, 2001, 1:45:19 PM4/13/01
to
Hendrik van Hees <h.va...@gsi.de> schrieb...
[...]

>Die Quantentheorie hat da keine besonders großen Probleme, auch das
>sog. Meßproblem existiert nicht, aber es zeigt, daß die
>Quantentheorie unvollständig ist, weil sie nicht auf das Universum
>als ganzes anwendbar ist.

Letztlich halte ich diese Einschätzung für stark euphemistisch, da
decoherence kein Allheilmittel ist. Die möglichen Interpretationen,
also Everett mit many worlds, die mentalistische Kopenhagener
Interpretation oder gar die Bohmsche Mechanik sind allesamt nicht
unproblematisch.

[...]


>Natürlich kann man alles immer auch ganz anders beschreiben, z.B. die
>ART als Theorie einer Submannigfaltigkeit in einem hochdimensionalen
>ungekrümmten Raum, aber man hat nix davon, es wird alles viel
>komplizierter, wenngleich diese Beschreibung vollkommen mathematisch
>und physikalisch äquivalent ist. Man wählt die einfachste der derzeit
>bekannten Beschreibungen, da ist die Physik immer noch kompliziert
>genug.

Das ist aber gerade in der von Poincaré aufgeworfenen Frage, welche
Geometrie wir wählen sollen, unklar, da *zwei* verschiedene
Einfachheitsprinzipien miteinander konkurrieren. Die euklidische
Geomtrie ist, in einem gewissen Sinne, die *einfachste* Geometrie,
während andereseits die Verwendung von Lorentz-Mannigfaltigkeiten in
der ART _die Theorie_ wohl einfacher möglichen Konkurrenten gegenüber
macht. Anhand dieses Problems wollte ich auch nur deine Feststellung,
Kant liege notwendig falsch, ins Wanken bringen. Wenn nämlich die
Geometrie nicht durch Empirie festgelegt ist, steht es einem
Verteidiger Kants frei zu behaupten, die Entscheidung für eine
nicht-euklidische Geometrie sei lediglich eine pragmatische
Entscheidung der Physics Community.

[...]

>> Sagen wir's 'mal so: Wenn Bohr und Einstein ein phil. Training
>> gehabt hätten, wäre ihr Disput möglicherweise etwas "fruchtbarer"
>> verlaufen. Deine "Vorurteilsfreiheit" ist übrigens mit starken
>> Vorurteilen belastet, die du dank deiner Philosophiephobie aber
>> nicht bemerkst, speziell in der Realismusdiskussion mit Ilja, die ja
>> gelegentlich (ich lese de.sci.physik allerdings nur sporadisch)
>> aufkeimt.
>
>Aha, na ja, wann hätten dann aber Bohr und Einstein ihre
>bahnbrechenden Entdeckungen machen können, wenn sie sich auch noch
>mit der Philosophie hätten herumschlagen müssen ;-)).

hmm.. Logiker wie Gödel hat die Beschäftigung mit Philosophie in ihrem
Schaffensdrang nicht behindert. Und über Poincaré lese ich gerade, er
sei Mathematiker, Physiker und Philosoph gewesen, was ja für dich eine
Horrorvostellung sein muss. Nuja, zumindest hätte uns ein etwas
besseres phil. Training von Bohr und Einstein manche peinliche
Äußerung, vor allem von Bohr, erspart. ;-)

roland

Wolfgang Thumser

unread,
Apr 13, 2001, 2:19:08 PM4/13/01
to
Hallo Florian,

> Echt? Das würde wenigstens erklären, warum sich so wenige Leute noch
> mit synthetischer Geometrie befassen. ;-)

Hilbert hat die Axiome Euklids in den "Grundlagen der Geometrie" u.a mit
dem Ziel praezisiert, ihre Widerspruchsfreiheit zu zeigen. Die fragliche
Beziehung zu den reellen Zahlen bildet das sogenannte Kontinuitaetsaxiom:

siehe bspw.:

<http://www.britannica.com/eb/art?id=15969&type=I>

Im wesentlichen schlaegt seine bahnbrechende Arbeit die Bruecke zur
analytischen Geometrie.

Gruss Wolfgang

Hendrik van Hees

unread,
Apr 13, 2001, 2:51:51 PM4/13/01
to
Roland Harnau wrote:


> intrinsische Krümmung als "inkohärent" nachzuweisen. Du schuldest
> Jutta und mir jetzt ein Beispiel eines 3-dimensionalen anschauulich
> vorstellbaren nicht-euklidischen Raums. ;-)

Sieh' Dich doch um ;-)). Der Raum, in dem Du Dich gerade befindest,
ist ein dreidimensionaler nichteuklidischer Raum (gar Deine 4-dim.
Raumzeit ist ein vierdimensionaler nichteuklidischer Raum). So wie Du
die Beschleunigung eines Punktes oben als Anschauung für die Krümmung
einer Kurver im 3D-Raum. genannt hast, darf Dir die Gravitation als
Anschauung für die Krümmung der Raumzeit, die eine Krümmung Deiner
von Dir momentan als "Raum" bezeichneten dreidim.
Untermannigfaltigkeit impliziert.

Hendrik van Hees

unread,
Apr 13, 2001, 2:55:21 PM4/13/01
to
Roland Harnau wrote:


> hmm.. Logiker wie Gödel hat die Beschäftigung mit Philosophie in
> ihrem Schaffensdrang nicht behindert. Und über Poincaré lese ich
> gerade, er sei Mathematiker, Physiker und Philosoph gewesen, was ja
> für dich eine
> Horrorvostellung sein muss. Nuja, zumindest hätte uns ein etwas
> besseres phil. Training von Bohr und Einstein manche peinliche
> Äußerung, vor allem von Bohr, erspart. ;-)

Ich stimme Dir voll und ganz zu, was Bohr betrifft. Aber was war denn
an Poincare schon wieder philosophisch? Er war Mathematiker, ein
bißchen auch Physiker, aber Philosoph? War er mehr Philosoph als all
die Physiker (Bohr, Heisenberg, Einstein z.B.), die nebenbei
"philosophische Schriften" abgesondert haben?

Florian Weimer

unread,
Apr 13, 2001, 5:11:48 PM4/13/01
to
Roland Harnau <roland...@gmx.de> writes:

> >Natürlich kann man alles immer auch ganz anders beschreiben, z.B. die
> >ART als Theorie einer Submannigfaltigkeit in einem hochdimensionalen
> >ungekrümmten Raum, aber man hat nix davon, es wird alles viel
> >komplizierter, wenngleich diese Beschreibung vollkommen mathematisch
> >und physikalisch äquivalent ist. Man wählt die einfachste der derzeit
> >bekannten Beschreibungen, da ist die Physik immer noch kompliziert
> >genug.
>
> Das ist aber gerade in der von Poincaré aufgeworfenen Frage, welche
> Geometrie wir wählen sollen, unklar, da *zwei* verschiedene
> Einfachheitsprinzipien miteinander konkurrieren.

Wenn das nicht klar ist, werden mehrere Beschreibungen parallel
verwendet, das ist IIRC in der (beobachtenden) Astronomie üblich.

Das könnte man eigentlich ganz pragmatisch sehen, man müßte nicht wie
Galilei irgend eine Beschreibung als wahrer als eine andere ansehen.

Florian Weimer

unread,
Apr 13, 2001, 5:15:55 PM4/13/01
to
Wolfgang Thumser <thu...@mathematik.uni-bielefeld.de> writes:

> > Echt? Das würde wenigstens erklären, warum sich so wenige Leute noch
> > mit synthetischer Geometrie befassen. ;-)
>
> Hilbert hat die Axiome Euklids in den "Grundlagen der Geometrie" u.a mit
> dem Ziel praezisiert, ihre Widerspruchsfreiheit zu zeigen. Die fragliche
> Beziehung zu den reellen Zahlen bildet das sogenannte Kontinuitaetsaxiom:

Okay, werde ich mir irgendwann mal ansehen, danke. Ich bin schon
gespannt, was alles nicht entscheidbar wird, wenn man es wegläßt. ;-)

(Ich hoffe, daß man und sogar ich Hilbert heutzutage lesen kann.)

> Im wesentlichen schlaegt seine bahnbrechende Arbeit die Bruecke zur
> analytischen Geometrie.

Örks, das erinnert mich an meinen Lineare-Algebra-Professor, der sich
bei seiner Emeritierung nicht nehmen ließ, auf seine bahnbrechende
Arbeit hinzuweisen, die eine Brücke von der projektiven zu
euklidischen Geometrie schlug.

Wolfgang G. G.

unread,
Apr 13, 2001, 7:17:29 PM4/13/01
to
Boudewijn Moonen, sei gegrüsst!

Du glaubst, meine Aussagen seien Unsinn, nur weil sie nicht
mit dem übereinstimmen, was du gelernt und gelesen hast.
Die Möglichkeit, dass ich zu einem besseren Verständnis
der Grundlagen unseres Denkens gekommen bin als diejenigen,
die für dein Weltbild (d.h. für deine Begriffe und deren
assoziative Verknüpfungen) in dieser Sache verantwortlich
sind, solltest du nicht von vornherein ausschliessen.

Ein wesentlicher Ausgangspunkt für Kant war, dass die
Kepler'schen Gesetze SPEZIALFÄLLE der Newton'schen Theorie
darstellen. Diese Erkenntnis ist von empirischen Fakten
unabhängig und wird wie die klassischen Erkenntnisse der
Geometrie von Kant als ein synthetisches Urteil apriori
bezeichnet.

Da zum Verständnis dieser SPEZIALFALL-BEZIEHUNG neben
Geometrie auch Zeit, Geschwindigkeit, usw. benötigt werden,
kann diese offsichtlich allgemeingültige BEZIEHUNG eben
nicht mit den euklidschen Axiomen (alleine) erklärt werden.
Als Fundament jedoch verlangt SIE einen 3-dimensionalen
flachen Raum und eine 1-dimensionale Zeit. Durch Bildung
vernünftiger Begriffe (wie z.B. Ort und Beschleunigung)
werden dann allgemeingültige synthetische Erkenntnisse auf
diesem Fundament möglich.

Zur Zeit Kant's bezeichnete "Raum" nicht mehr als den
3-dimensionalen Raum mit dem oder in dem wir die Welt
wahrnehmen. Gekrümmte Ebenen wie Kugeloberflächen galten
offensichtlich nicht als Räume.

Gekrümmte zwei-dimensionale Geometrien widerlegen Kant
also nicht. Für Flächen können wir aber nicht beliebige
(intrinsische) Krümmungen postulieren, sondern nur die
Teilmenge von gekrümmten Flächen ist möglich, die sich im
3-dimensionalen Raum darstellen lassen.

Wenn wir die Beschränkung auf drei Dimensionen fallen lassen,
sind auch gekrümmte 3-dimensionale Räume denkbar. Trotzdem
können wir dann in der Tradition Kant's nicht beliebige
Krümmungen postulieren, da Krümmung eben nicht eine rein
intrinsische (d.h. von höher-dimensionalen Trägerräumen
unabhängige) Eigenschaft sein kann.

Dass sich auch auf einem inkonsistenten Fundament die
tollsten Konstruktionen mit haufenweise quantitativen
Theoremen errichten lassen, ist offensichtlich.

Ich halte es aber für eine schwache Argumentationsweise,
grundlegende Einwände gegen das Fundament mit dem Hinweis
auf die (scheinbare) Grandiosität des darauf Errichteten
abzublocken. (Noch schwächer ist, einfach das Wort "Unsinn"
zu jammern.)


> = Boudewijn Moonen schrieb in 3AD5AEBF...@ipb.uni-bonn.de
>> = Wolfgang G. in 9b33p8$ev1$1...@newsreaderm1.core.theplanet.net

>> Gauss, Riemann und/oder andere definierten ganz einfach
>> Krümmung als intrinsische Eigenschaft von Räumen,

Vielleicht etwas missverständlich: Ich meine, sie führten
einen Krümmungsbegriff ein, der nicht von höher-dimensionalen
(flachen) Trägerräumen abhängt.

> Es ist keineswegs so, dass
> Gauss die Kruemmung als intrinsische Eigenschaft definierte,
> sondern so, dass er das zunaechst auf anschauliche-geometrischer
> Weise motivierte extrinsisch definierte Kruemmungsmass fuer
> Flaechen als intrinsisch, genauer nur als von der Flaechenmetrik
> abhaengig, erkannte.

Was heisst hier erkannte? Die intrinsische Krümmung führt
notwendigerweise zu einem Informationsverlust gegenüber
der extrinsischen. Die Frage, ob das Verzichten auf die
zusätzliche Information, die in der extrinsischen Krümmung
liegt, nicht irgendwo zu Widersprüchen führt, ist alles
andere evident.

Auch könnte Gauss bei den nicht-euklidschen Geometrien
eine ähnliche Rolle gespielt haben, wie Hilbert bei der
allgemeinen Relativitätstheorie. Das "Faktum", dass Hilbert
un/abhängig von und schon vor Einstein die Gleichungen
der ART gefunden hat, wurde ja inzwischen von der
Wissenschaftsgeschichte widerlegt. Er hat seine Gleichungen
zwar vor Einstein eingereicht, bis zur Veröffentlichung
diese aber durch die schneller veröffentlichten Gleichungen
von Einstein ersetzt. (Hab ich vor ein paar Jahren in der
NZZ mit Referenz auf Nature oder Science gelesen.)

Die wechselseitige Bestätigung von Einstein und Hilbert
war ein sehr starkes Argument (vor allem auch für Einstein),
dass die Gleichungen (und damit die Prämissen der Theorie)
richtig sein dürften.

Wenn aber Hilbert nur ähnliche Gleichungen gefunden hat,
zeigt das, dass die Willkür beim Aufstellen solcher
Gleichungen nicht zu unterschätzen ist, was auch Einstein's
Version eher schwächt als stärkt.

> Damit hat er, zusammen mit Riemann, kurz und
> knapp gesagt, fuer die Mathematik, und ich denke auch fuer die
> Physik, den kantschen Raumbegriff erledigt.

Nicht den wesentlichsten Aspekt des Kant'schen Raumbegriffs,
der dazu führt, dass Krümmung immer einen ungekrümmten höher-
dimensionalen "Raum" als reine Anschauung voraussetzt, und
dass wir ohne räumliche Anschauungsformen eben nicht sinnvoll
Geometrie oder Physik betreiben können.

> Und zu Riemann. Auch hier ist voellig offensichtlich, dass Du
> von seiner bahnbrechenden Habilitationsschrift "Ueber die
> Hypothesen, welcher der Geometrie zugrunde liegen" nicht eine
> einzige Zeile kennst.

Ich habe diese "bahnbrechende Habilitationsschrift" schon vor
mehreren Jahren gelesen (zwar in italienischer Übersetzung).
Sie hat mich aber nicht sonderlich beeindruckt, und beim
Wiederlesen zeigt sich mir ganz klar, dass Riemann absolut
keine Ahnung vom Kant'schen Fortschritt in der Geometrie-
Problematik hatte. Als Beispiel hier der Anfang der Schrift:

"Bekanntlich setzt die Geometrie sowohl den Begriff des
Raumes, als die ersten Grundbegriffe für Konstruktionen im
Raume als etwas Gegebenes voraus. Sie gibt von ihnen nur
Nominaldefinitionen, während die wesentlichen Bestimmungen
in Form von Axiomen auftreten. Das Verhältnis dieser
Voraussetzungen bleibt dabei im Dunkeln; man sieht weder
ein, ob und inwieweit ihre Verbindung notwendig, noch a
priori, ob sie möglich ist.
Diese Dunkelheit wurde auch von Euklid bis auf Legendre, um
den berühmsteten neueren Bearbeiter der Geometrie zu nennen,
weder von den Mathematikern noch von den Philosophen,
welche sich damit beschäftigten, gehoben."
http://www-math.sci.kun.nl/math/werkgroepen/gmfw/bronnen/riemann1.html

Insofern man weitere Bestimmungen (Theoreme) aus den
"wesentlichen Bestimmungen in Form von Axiomen" ohne
Zuhilfenahme von räumlicher Anschauung ableitet, handelt
es sich um rein analytische Urteile. (Gemäss Einstein
hat Schlick 'Axiome' sehr treffend als 'implizite
Definitionen' bezeichnet).

Bei Euklid's Axiomatisierung der Geometrie ist es viel
offensichtlicher als bei Hilbert's, dass die Annahme
geradezu absurd ist, auf so eine axiomatisch-formale
Weise (d.h. ohne räumliche Vorstellung) käme man z.B. zur
Erkenntnis, wieviele Platonische Körper es gibt.

Kant erkannte, dass geometrische Urteile nicht auf solche
analytische Weise zustande kommen, sondern räumliche
Anschauung voraussetzen. Und da nur das Gerade und
Gleichmässige als Fundament dienen kann, kommen gekrümmte
Anschauungsformen als Fundament erst gar nicht in Frage.
Das Gekrümmte ist nur vor dem Hintergrund von etwas als
ungekrümmt Gedachtem krumm, und ein Massstab kann sich
nur vor dem Hintergrund konstant gedachter Grössen
ändern.

Gauss und Riemann benutzten wie Euklid eine (flache)
räumliche Anschauung, ohne sich dies klar einzugestehen,
und gelangten so zu einem ziemlich willkürlichen Gemisch
aus unbewusster apriorischer Anschauung und den darauf
konstruierten krummen Konzepten.

Ein Auszug aus Einstein's "Geometrie und Erfahrung"*:
(Mein Weltbild, Ullstein, 1988)

"... und man fühlt sich zu folgender allgemeinerer Fassung
hingedrängt, die Poincaré's Standpunkt charakterisiert:
Die Geometrie (G) sagt nichts über das Verhalten der
wirklichen Dinge aus, sondern nur die Geometrie zusammen
mit dem Inbegriff (P) der physikalischen Gesetze.
Symbolisch können wir sagen, dass nur die Summe (G)+(P)
der Kontrolle der Erfahrung unterliegt. Es kann also
(G) willkürlich gewählt werden, ebenso Teile von (P); all
diese Gesetze sind Konventionen. Es ist zur Vermeidung
von Widersprüchen nötig, den Rest von (P) so zu wählen,
dass (G) und das totale (P) zusammen den Erfahrungen
gerecht wird. Bei dieser Auffassung erscheinen die
axiomatische Geometrie der zu Konventionen erhobene Teil
der Naturgesetze als erkenntnistheoretisch gleichwertig.

Sub specie aeternitatis hat Poincaré mit dieser Auffassung
nach meiner Meinung recht."

Ein wesentliche Rechtfertigung, für (G) die n-dimensionale
euklidsche Geometrie zu wählen, habe ich in "Raum, Zeit und
schwarze Löcher" geliefert:

"Nur Überlegungen unter Zuhilfenahme unserer natürlichen
Raum- und Zeitvorstellung geben uns eine Möglichkeit,
physikalische Theorien zu beurteilen. Man kann schlecht
beweisen, dass Voraussagen wie die der schwarzen Löcher
falsch sind. Dazu müsste man einen Widerspruch finden,
der sich nicht durch Zusatzannahmen entkräften liesse.
Die Unsinnigkeit solcher Voraussagen oder Zusatzannahmen
lässt sich nur durch Einsicht erkennen, Einsicht aber
setzt im Gegensatz zu rein formalem Ableiten einen Bezug
zur Anschaulichkeit voraus."
http://members.lol.li/twostone/geometri.html

>> und zwar immer noch in der axiomatisch-formalen Tradition Euklids,

> Ich habe die beiden grundlegenden Werke zitiert, da kann sich


> jeder selbst ein Bild machen, was die mit der "axiomatisch-formalen
> Tradition Euklids" zu tun haben.

Mit "axiomatisch-formaler Tradition" meine ich den Glauben,
dass die geometrischen Erkenntnisse sich ohne Zuhilfenahme
räumlicher Anschauung aus einem Axiomensystem ableiten lassen.

Dieser Glaube hielt sich trotz Kant und führte z.B. zur
Schaffung eines "vollständigen" Axiomensystems für die
euklidsche Geometrie durch Hilbert, das im Wesentlichen
genauso deneben liegt, wie das Euklidsche.

> Die Entdeckung Euklids, dass Teile (!) der Mathematik sich
> axiomatisch behandeln, war revolutionaer und von der gleichen
> Grossartigkeit der Entdeckungen von Gauss und Riemann.

Man könnte es auch als einen gescheiterten Versuch ansehen,
in der Geometrie zu wiederholen, was in der Logik geschafft
wurde.

>> obwohl diese inzwischen mindestens von Kant überwunden worden
>> war.
>
> Dadurch, dass er den unendlichen euklidischen Raum mit den
> unanschaulich unendlich langen Geraden als notwendige Form
> der Anschauung postulierte?

Was ist die Alternative? Endliche Geraden? Wie lange? Und
wenn der Abstand zwischen Parallelen nicht gleichbleibt, soll
er sich vergrössern oder verkleinern?

Und was soll denn "unanschaulich" sein an Geraden ohne Ende?

> Und die newtonsche Zeit dazu, die spaeter von Einstein erledigt

> wurde? ...

Einstein konstruierte mit den kantischen Anschauungsformen
von Raum und Zeit eine physikalische Raum-Zeit, aber wie Kant
gelangte er noch zu keiner bewussten Unterscheidung ZWISCHEN
reinen Anschauungsformen Raum und Zeit als Voraussetzung für
vernünftiges Denken UND physikalischem Raum und Zeit. Das
Verhältnis von räumlicher Anschauungsform zu physikalischem
Raum ist so wie der Verhältnis von Massstab zu Gemessenem.

> Kant war sicher ein grandioser

> Philosoph, aber so wie ich sehe, nicht ein Universalgenie


> wie Leibniz, sodass ich mich angesichts seiner, und auch
> Deiner, Versuche in den Naturwissenschaften, animiert
> fuehle auszurufen: Schuster, bleib bei deinem Leisten.

Ich glaube du unterschätzst Kant und überschätzst Leibniz,
der viel aus anderen Quellen schöpfte (z.B. aus Texten der
beiden innovativsten Begründer moderner quantitativer
Wissenschaft, Nikolaus Kusanus und Johannes Kepler).

Die naive (oder ängstlich-defensive?) Arroganz vieler
Physiker und Mathematiker gegenüber der Philosophie ist
schon erstaunlich. Diese Arroganz gegenüber der Philosophie
gab es in der Vergangenheit schon einmal, und zwar von
Seiten der Theologie. Aber moderne Mathematik und die Physik
mit fiktiven Teilchenhierarchien (analog Engelshierarchien),
Urknall (Schöpfungsmythos) und schwarzen Löchern (Höllen)
haben in vieler Hinsicht die Nachfolge der theoretischen
Theologie (die ich keineswegs geringschätze) angetreten.


Wolfgang Gottfried G.

Mein bisherigen Beiträge zu dieser Diskussion:
http://members.lol.li/twostone/google1.html#kant


Robert ASF.

unread,
Apr 14, 2001, 12:43:50 AM4/14/01
to
On Sat, 14 Apr 2001 01:17:29 +0200, Wolfgang G. G. <z...@z.lol.li> wrote:

snip

Is there any particular reason why there is only one person
posting to APK only in German when the rest seem to be able to snip it
from their reply?

Just Thought I Should Mention It

Malenor

unread,
Apr 14, 2001, 1:25:05 AM4/14/01
to

"Robert ASF." <ra_f...@alcor.concordia.ca> wrote in message
news:9b8ki6$545$1...@newsflash.concordia.ca...
Wolfgang said it was because APK is the worst newsgroup he's ever seen in
his whole life.
> "Wolfgang G. G." <z...@z.lol.li> wrote in message
> news:9avfnv$oqc$1...@newsreaderm1.core.theplanet.net...

> > Ich kann mich kaum erinnern, jemals eine so armselige Newsgroup
> > (mit sovielen off-topic Threads und Schrott) wie alt.philosophy.kant
> > gesehen zu haben.
>
> Translation:
> 'I can hardly remember having seen as poor a newsgroup (with as many
> off topic threads and scrap iron) as alt.philosophy.kant.'

Therefore he thinks he can shit all over us.


Hendrik van Hees

unread,
Apr 14, 2001, 8:01:10 AM4/14/01
to
Wolfgang G. G. wrote:

[viele Zeilen Text]

[ ] Du hast die elementare Differentialgeometrie verstanden

Wolfgang Thumser

unread,
Apr 14, 2001, 2:21:16 PM4/14/01
to
Hallo Jutta,

> Eine Geometrie, in der es Geraden (im üblichen Sinn), aber keine Parallelen
> gibt, kann ich zwar axiomatisch festlegen, aber anschaulich vorstellen kann
> ich mir das nicht.

Deine Bemerkung schliesst immerhin die Moeglichkeit, sich eine solche Geo-
metrie "anschaulich vorzustellen" nicht aus. Vielleicht kennst Du die Erfahrung,
die man bei der Betrachtung zweidimensionaler Stereobilder hat: Bei ihrer Betrach-
tung unter geeignetem Schielwinkel stellt sich die raeumliche Tiefenempfindung
gewissermassen spontan ein.

Auf aehnliche Art kann man die Vorstellung fuer gekruemmte Raeume schulen:

Nimm eine vierdimensionale Hypersphaere und ordne auf ihrer dreidimensionalen
Oberflaeche vertraute geometrische Objekte wie Wuerfel, Tetraeder, usw. (als
Schnitte entsprechender Hyperebenen mit der dreidimensionalen Oberflaeche
dieser vierdimensionalen Sphaere) an. Anschliessend projiziere diese Objekte
durch Zentralprojektion entlang Geodaeten auf zweidimensionale Bilder und
zeige die Bildfolge einem Beobachter (waere 'mal ein huebsches Projekt, aber
vielleicht hat sich diese Muehe ja bereits jemand gemacht). Dadurch uebt man
die Vorstellung des Betrachters gegenueber solchen Raeumen und erwirkt
eine Raumempfindung fuer solche Raeume aehnlich der eines Kindes bei der
ersten Betrachtung unseres ungekruemmten Raumes.

Bei genuegender Uebung wird sich die anschauliche Vorstellung (und Vertrautheit
im Umgang mit Perspektiven) auch hier einstellen.

Aehnlich gibt es keinen zwingenden Grund anzunehmen, man koenne sich als
dreidimensionales Wesen keinen vierdimensionalen Raum vorstellen. Dass es
den wenigsten gelingt, ist eine andere Sache.

Gruss Wolfgang

Roland Harnau

unread,
Apr 14, 2001, 4:51:42 PM4/14/01
to
Florian Weimer <f...@deneb.enyo.de> schrieb...

>Roland Harnau <roland...@gmx.de> writes:
>
>> "Die Experimentalphysiker haben entdeckt, daß der uns umgebene Raum
>> kein euklidischer Raum ist."
>
>> Eine solche Korrespondenzregel könnte gelautet
>> haben: "Das Licht bewegt sich auf geraden Linien", und eine
>> Alternative zur Aufgabe der eukl. Geometrie wäre die Aufgabe dieser
>> Korrespondenzregel. Er kommt letztlich zum Schluss, dass uns
>> Messregebnisse niemals zwingen könnten, die eukl. Geomtrie aufzugeben,
>> da immer die Möglichkeit besteht, andere Teile der Theorie zu ändern
>> oder sie umzuinterpretieren.
>
>Das scheint mir ziemliche Wortklauberei zu sein. Die Ausbreitungsweise
>des Lichtes beschreibt doch gerade die Struktur des Raumes. Wie man
>das mathematisch abbildet, ist doch zweitrangig.

Die Frage, welche Teile des Modells einer Theorie "realistisch"
interpretiert werden sollen, halte ich durchaus für wichtig.


>Mag sein, daß es gegenwärtig noch verfrüht ist, dem physikalischen
>Raum eine nichteuklidische Struktur zuzuschreiben, obwohl sich diese
>zur dessen Beschreibung zu eignen scheint. Das mag sich aber
>irgendwann ändern.

Das ist ja gerade die Frage, der Poincaré nachgegangen ist. Wie sähe
ein Experiment aus, dass uns eine bestimmte Geometrie aufzwingt, ohne
dass wir die Wahl haben, durch Uminterpretation der
Korrespondenzregeln oder Verändern in der Theorie selbst eine
eukldische Geometrie beizubehalten. Der Raum in unserer dirketen
Umgebung scheint ja annähernd flach zu sein.

>Immerhin ist die Erde lokal auch eine Scheibe, so wie der Raum lokal
>euklidisch ist, und trotzdem zieht man heutzutage nicht nur die
>Veranschaulichung als Kugel vor, sondern man glaubt sogar zu wissen,
>daß die Erde (in etwas idealisierter Form) eine Kugel ist.

Ja. Allerdings betrifft die "Kugelform" der Erde nicht nur die
Theorie, sondern ebenso viele Bereiche unseres sontigen Lebens, was in
Bezug auf kosmologische Theorien nicht der Fall ist.

roland

Roland Harnau

unread,
Apr 14, 2001, 4:52:43 PM4/14/01
to
Wolfgang Thumser <thu...@mathematik.uni-bielefeld.de> schrieb...

[Banach-Tarski-Paradoxon]


>Man kann jede Vollkugel in eine endliche Anzahl von Teile zerlegen und die-
>se Teile neu zu zwei Vollkugeln gleicher Groesse wie die Ausgangskugel
>zusammenfuegen.
>

>Was meinst Du? Haette er diese Aussage fuer wahr oder fuer falsch erachtet?
>Waere sie in seinem Sinne ein synthetisches Urteil a priori? Ist sie in seinem Sin-
>ne evident oder paradox? Sagt diese Aussage etwas ueber ueber die tatsaechliche
>Struktur der Welt?

Kant hätte die Aussage wohl als falsch bewertet. Die Intention von
Banach und Tarksi war ja, die math community dazu zu bewegen, das AC
wegen den augenscheinlich absurden physikalsichen Konsequenzen
aufzugeben, was ja bekanntlich nicht geschehen ist ;-)

>> Für Kant sind die Beweisversuche des Parallelenaxioms deshalb (und aus
>> verschiedenen anderen Gründen) irrelevant, d.h. wenn schon zu seiner
>> Zeit eine nichteuklidische Geometrie bekannt gewesen wäre, hätte er
>> sie als Begriffsspielerei ablehnen müssen.
>
>Waeren auch hier Beweisversuche irrelevant oder gar Begriffsspielerei?
>
>Tatsaechlich haengt im besagten Fall die Gueltigkeit obiger Aussage von
>keinen "Anschauungsformen des Raumes" (was immer das sein mag!) ab,
>sondern davon, ob man bereit ist, ein mengentheoretisch weder beweisbar
>noch widerlegbares Auswahlprinzip zu akzeptieren oder nicht. An dessen
>Akzeptanz scheiden sich aber die Geister.

Kant hätte als "Konstruktivist" das AC niemals akzeptiert und hätte
auf diese Weise das Dilemma vermieden. Die
konstruktivistische/intuitionistische Kritik an der axiomatischen
Mathematik beruft ja gerade auf die Schwierigkeiten mit den
mengentheoretischen Paradoxien oder dem BTP, die, nach ihrer
Auffassung, deshalb passiert, weil anschauliche Begriffe unzulässig
formalistisch verallgemeinert werden. Und das AC ist hochgradig
nichtkontruktivistisch, es wird die Existenz einer Auswahlfunktion für
beliebige Familien von (nichtleeren) Mengen postuliert, ohne das auch
nur annähernd klar wäre, wie diese konstruiert werden könnten.

[...]
>Leider versaeumt es Kant in der "Kritik der reinen Vernunft", seine Methode
>an geometrischen Problemfaellen unter Beweis zu stellen. Die von ihm ge-
>gebenen Beispiele ueberzeugen mich nicht: Evident ist, was evident scheint.

Kants Argumente sind auch keine mathematischen, sondern
erkenntnistheoretische. In den Prolegomena ist Kant im Gegensatz zu
der Kritik auch etwas verständlicher und ausführlicher, er stellt
sich dort auch die Frage "Wie ist reine Mathematik möglich?"

>Die Banach- Tarskische paradoxe Zerlegung einer Vollkugel ist geradezu ein
>Paradebeispiel fuer die Unzulaenglichkeit transzendental aesthetischer
>Anschauungsformen (was immer das sein mag!) bei der Beurteilung geometrischer
>Sachverhalte.

Das sehen Konstruktivisten, die sich teilweise auf Kant berufen, genau
anders: Die Schwierigkeiten sind ein Paradebeispiel für die
formalistische, axiomatische Methode, bei der vollständig von der
"Machbarkeit", der Konstruierbarkeit, abgesehen wird.


roland

Wolfgang Thumser

unread,
Apr 14, 2001, 5:48:43 PM4/14/01
to
Hallo Roland,

> [Banach-Tarski-Paradoxon]


>
> Kant hätte die Aussage wohl als falsch bewertet.
>

> Kant hätte als "Konstruktivist" das AC niemals akzeptiert und hätte
> auf diese Weise das Dilemma vermieden.

da AC das BTP impliziert, haette er mit der Verwerfung von BTP mehr
tun muessen als AC nicht zu akzeptieren: Er haette es konsequenter-
weise ebenfalls verwerfen, und damit das Gegenteil von AC anerkennen
muessen. Das haette ihn als "Konstruktivist" in die missliche Lage ver-
setzt, eine Familie nichtleerer Mengen ohne Auswahlfunktion konstruktiv
angeben zu muessen, und es waere ihm nicht besser ergangen als seinen
Befuerwortern:

> Und das AC ist hochgradig
> nichtkontruktivistisch, es wird die Existenz einer Auswahlfunktion für
> beliebige Familien von (nichtleeren) Mengen postuliert, ohne das auch
> nur annähernd klar wäre, wie diese konstruiert werden könnten.

Mir ging es auch weniger um die Problematik im Zusammenhang mit BTP
als um die prinzipiellen Schwierigkeiten, die bei der Beurteilung von Kants
"synthetischen Urteilen a priori" entstehen. Diese Schwierigkeiten werden
bei Kant nicht ausgeraeumt und bestehen IMHO bei Parallelenaxiom und
BTP gleichermassen. Ich verstehe nicht, warum das Parallelenaxiom um so
viel evidenter sein soll als die Negation von BTP.

Gruss Wolfgang

Roland Harnau

unread,
Apr 14, 2001, 6:11:53 PM4/14/01
to
Wolfgang Thumser <thu...@mathematik.uni-bielefeld.de> schrieb...

>Hallo Roland,
>
>> [Banach-Tarski-Paradoxon]
>>
>> Kant hätte die Aussage wohl als falsch bewertet.
>>
>> Kant hätte als "Konstruktivist" das AC niemals akzeptiert und hätte
>> auf diese Weise das Dilemma vermieden.
>
>da AC das BTP impliziert, haette er mit der Verwerfung von BTP mehr
>tun muessen als AC nicht zu akzeptieren: Er haette es konsequenter-
>weise ebenfalls verwerfen, und damit das Gegenteil von AC anerkennen
>muessen.

Nein, du denkst zu sehr in klassischer Logik! Es war zur Zeit Kants
unmöglich, math. Sätze logisch herzuleiten, deshalb sein Ansatz, sie
als synthetische Apriori aufzufassen. Lassen wir jetzt 'mal die
Historie hinter uns und fassen wir Kant einfach als Konstruktivisten
auf. Ein Konstruktivist lehnt tertium non datur ab, aus der Falschheit
des BTP folgt in einem solchen System *nicht* die Wahrheit von ~BTP.
Kant könnte als Kontruktivist also das BTP für falsch halten, ohne
~BTP für wahr zu halten, er könnte beides verwerfen, da in beiden
Fällen die/das Objekt nicht konstruierbar sind/ist.

Interessante Links dazu sind

http://plato.stanford.edu/entries/logic-intuitionistic/
http://plato.stanford.edu/entries/mathematics-constructive/

[...]


>Mir ging es auch weniger um die Problematik im Zusammenhang mit BTP
>als um die prinzipiellen Schwierigkeiten, die bei der Beurteilung von Kants
>"synthetischen Urteilen a priori" entstehen. Diese Schwierigkeiten werden
>bei Kant nicht ausgeraeumt und bestehen IMHO bei Parallelenaxiom und
>BTP gleichermassen. Ich verstehe nicht, warum das Parallelenaxiom um so
>viel evidenter sein soll als die Negation von BTP.

Nö, das Parallelenaxiom ist eben im Gegensatz zum AC anschaulich, es
gibt keine anschauliche 3-dim nicht-eukldische Geometrie.

roland


Roland Harnau

unread,
Apr 14, 2001, 6:17:14 PM4/14/01
to
Roland Harnau <roland...@gmx.de> schrieb...

[...]


> Ein Konstruktivist lehnt tertium non datur ab, aus der Falschheit
>des BTP folgt in einem solchen System *nicht* die Wahrheit von ~BTP.
>Kant könnte als Kontruktivist also das BTP für falsch halten, ohne
>~BTP für wahr zu halten, er könnte beides verwerfen, da in beiden
>Fällen die/das Objekt nicht konstruierbar sind/ist.

gemeint war hier nicht das BTP, sondern das AC.

roland

Wolfgang Thumser

unread,
Apr 14, 2001, 7:12:39 PM4/14/01
to
Hallo Roland,

> Kant könnte als Kontruktivist also das BTP für falsch halten, ohne
> ~BTP für wahr zu halten, er könnte beides verwerfen, da in beiden
> Fällen die/das Objekt nicht konstruierbar sind/ist.

Aber gerade die Moeglichkeit, dies zu tun, macht doch BTP problematisch
(ebenso wie das Parallelenaxiom). Was Kant fuer falsch haelt, halte ich
fuer wahr und wieder ein anderer fuer unentscheidbar. Ich fuer meine Person
halte das Parallelenaxiom fuer ebenso anschaulich wie sein logisches Gegen-
teil. Will Kant mir vorschreiben, was ich fuer anschaulich zu halten habe?
Dann stellt sich in der Tat die transzendentale Frage:

Wie ist unter solchen Bedingungen Wissenschaft moeglich?

> Nö, das Parallelenaxiom ist eben im Gegensatz zum AC anschaulich,

Nur unter folgender Praemisse:

> es gibt keine anschauliche 3-dim nicht-eukldische Geometrie.

Ich verstehe nicht, was Du hier mit "anschaulich" meinst. Fuer mich sind
z.B. gekruemmte Raeume deswegen anschaulich, weil ich mir in ihnen sehr
gut zwei verschiedene von einem Punkt ausgehende, gerade Lichtstrahlen
vorstellen kann, die sich in einem anderen Punkt wieder treffen. Es ist doch
(relativ) leicht, sich durch entsprechende Projektionen, zweidimensionale
Aufnahmen geometrischer Objekte dieser Raeume zu verschaffen, und sich
anschliessend per Gedankenexperiment in sie hinein zuversetzen. Danach
kann man sich doch anschaulich die perspektivischen Verhaeltnisse vorstellen.
Ich sehe da ueberhaupt kein Problem.

Gruss Wolfgang

Hendrik van Hees

unread,
Apr 15, 2001, 2:53:36 AM4/15/01
to
Roland Harnau wrote:


> Das ist ja gerade die Frage, der Poincaré nachgegangen ist. Wie sähe
> ein Experiment aus, dass uns eine bestimmte Geometrie aufzwingt,
> ohne dass wir die Wahl haben, durch Uminterpretation der
> Korrespondenzregeln oder Verändern in der Theorie selbst eine
> eukldische Geometrie beizubehalten. Der Raum in unserer dirketen
> Umgebung scheint ja annähernd flach zu sein.
>

Er ist annähernd flach, weil die Gravitation so gering ist. Die
Schwarzschildradien der uns umbgebenden Objekte sind klein (im
cm-Bereich), und daher ist unsere Umgebung, das Sonnensystem
annähernd flach.

Andererseits muß man aber verstehen, daß die relativistische Physik
mit einer anderen als der Beschreibung, den die ART liefert, nämlich
daß die Raumzeit ein nichteuklidisches pseudoriemannsches Kontinuum
darstellt, nicht vereinbar ist. Man kann natürlich das vierdim.
riemannsche Kontinuum in einen höherdimensionalen Raum einbetten, nur
daß dann (noch?) ungeklärt ist, ob diese höheren Dimensionen eine
physikalische Rolle spielen oder nicht.

Die Gravitation als solche wird durch die ART stets korrekt
beschrieben, und die Periheldrehung des Merkur zeigt ganz klar die
Nichteuklidizität der Raumzeit, denn ohne sie ist sie nicht
erklärbar. Hierbei sind alle Bahnstörungen von anderen Himmelskörpern
übrigens berücksichtigt, und diese Unerklärlichkeit der
Periheldrehung des Merkur war schon lange Zeit empirisch bekannt,
bevor Einstein sie mit seiner ART erklären konnte.

Die Gravitationsablenkung des Lichtes an der Sonne gehört auch zu den
klassischen Nachweisen der Raumzeitkrümmung. Interessant in dem
Zusammenhang ist, daß Einstein erst nur den Raum als gekrümmt
beschreiben wollte, was einen um den Faktor 2 zu kleinen Wert für die
Lichtablenkung ergab. Zum Glück für ihn ist die Sonnenfinsternis 1914
nicht ausgenutzt worden, den Effekt nachzumessen, denn dann hätte man
wohl die Ablenkung gesehen, aber sein eTheorie wäre als falsch
entlarvt worden (vorausgesetzt, die erforderliche Meßgenauigkeit
wäre erreichbar gewesen). Der Nachweis der Lichtablenkung erfolgte
zur Sofi 1919 (Eddington et al).

> Ja. Allerdings betrifft die "Kugelform" der Erde nicht nur die
> Theorie, sondern ebenso viele Bereiche unseres sontigen Lebens, was
> in Bezug auf kosmologische Theorien nicht der Fall ist.

Hm, ich weiß ja nicht, was das für ein Argument ist. Nur weil eine
Theorie nicht viele Bereiche des täglichen Lebens zu berühren scheint
(gleichwohl wäre ich mir da bei der ART nicht so sicher, immerhin ist
die Gravitation die im Alltag vorherrschend spürbare Elementarkraft,
die Elektrizität bekommen wir wohl allenfalls in Form von Glühbirnen,
elmag. Wellen in allen möglichen Frequenzen (vom Licht bis runter zu
Mikrowellenstrahlen, wenn wir unser Lieblingsmenü aufwärmen), aber
als Kraft spüren wir sie seltener, weil die Materie um uns herum
elektrisch neutral ist).

Florian Weimer

unread,
Apr 16, 2001, 6:56:41 AM4/16/01
to
"Wolfgang G. G." <z...@z.lol.li> writes:

> Zur Zeit Kant's bezeichnete "Raum" nicht mehr als den
> 3-dimensionalen Raum mit dem oder in dem wir die Welt
> wahrnehmen.

Kant meinte mit 'Raum' offensichtlich auch noch ein vollkommen anderes
Phänomen, dessen Existenz wiederum die Existenz einer (unabhängigen)
Außenwelt zu sichern scheint.

> Die Frage, ob das Verzichten auf die zusätzliche Information, die in
> der extrinsischen Krümmung liegt, nicht irgendwo zu Widersprüchen
> führt, ist alles andere evident.

Wenn ich auf Voraussetzungen verzichte, dann kann es höchstens
passieren, daß gewisse Dinge nicht mehr entscheidbar sind, aber nicht,
daß Widersprüche auftreten.

> Nicht den wesentlichsten Aspekt des Kant'schen Raumbegriffs,
> der dazu führt, dass Krümmung immer einen ungekrümmten höher-
> dimensionalen "Raum" als reine Anschauung voraussetzt,

Warum?

> und dass wir ohne räumliche Anschauungsformen eben nicht sinnvoll
> Geometrie oder Physik betreiben können.

Man kann durchaus mit Räumen arbeiten, für die nur ziemlich klägliche
räumliche Veranschaulichungen existieren. Wenn man von einem solchen
Raum eine gewisse intuitive Vorstellung entwickelt hat, dann sieht
dieser für einen doch etwas anders aus als der dreidimensionale
euklidische sogenannte Anschauungsraum. Zusammen mit der Beobachtung,
daß die meisten Menschen ohne Training nicht einmal die Struktur des
dreidimensionale euklidischen Raumes verstehen, scheint es mir gewagt,
diesem Raum eine besondere Qualität zuzuschreiben, der ihn vor allen
anderen denkmöglichen Räumen auszeichnet.

> Kant erkannte, dass geometrische Urteile nicht auf solche
> analytische Weise zustande kommen, sondern räumliche
> Anschauung voraussetzen.

Das Urteil braucht sie vielleicht, aber der Satz und sein Beweis
kommen ohne räumliche Anschauung aus.

> Und da nur das Gerade und Gleichmässige als Fundament dienen kann,
> kommen gekrümmte Anschauungsformen als Fundament erst gar nicht in
> Frage.

Was ist das denn für ein Argument? Oder: Wo ist da ein Argument?

> Das Gekrümmte ist nur vor dem Hintergrund von etwas als
> ungekrümmt Gedachtem krumm,

Die Krümmung eines mathematischen Objektes ändert sich doch nicht
dadurch, was ich von ihm denke! Die Annahme des Gegenteils ist
sicherlich verlockend, aber ich glaube nicht, daß wir diese erlauchte
Position innehaben. Außerdem ergeben sich daraus extreme Probleme
für die mathematische Methode, da man dann offenbar geneigt ist,
weite Teile der Mathematik für nicht axiomatisierbar oder gar für die
mathematische Methode unzugänglich zu halten.

> Und was soll denn "unanschaulich" sein an Geraden ohne Ende?

Ich habe noch nie eine gesehen.

> Die naive (oder ängstlich-defensive?) Arroganz vieler
> Physiker und Mathematiker gegenüber der Philosophie ist
> schon erstaunlich.

Wenn die Philosophie Aussagen über die mathematische, physikalische
oder biologische Welt macht, muß sie sich mit den dortigen Maßstäben
messen lassen, und wenn diese Aussagen auch noch heute zutreffen
sollen, auch mit den heutigen Maßstäben.

(Leider hat bisher niemand auf meine Behauptung geantwortet, Kants
metaphysische Erörterung des Begriffs des Raumes sei sogar in sich
nicht schlüssig, siehe <874rvuq...@deneb.enyo.de>.)

Florian Weimer

unread,
Apr 16, 2001, 6:25:46 AM4/16/01
to
Roland Harnau <roland...@gmx.de> writes:

> >Das scheint mir ziemliche Wortklauberei zu sein. Die Ausbreitungsweise
> >des Lichtes beschreibt doch gerade die Struktur des Raumes. Wie man
> >das mathematisch abbildet, ist doch zweitrangig.
>
> Die Frage, welche Teile des Modells einer Theorie "realistisch"
> interpretiert werden sollen, halte ich durchaus für wichtig.

Das sind doch die Teile, die etwas über die Natur aussagen, d.h.
gewisse Phänomene verbieten. Die bloße Wahl eines Koordinatensystem
(um das mal etwas grob vereinfacht auszudrücken ;-) macht das nicht,
also kann man dieser Wahl

> >Mag sein, daß es gegenwärtig noch verfrüht ist, dem physikalischen
> >Raum eine nichteuklidische Struktur zuzuschreiben, obwohl sich diese
> >zur dessen Beschreibung zu eignen scheint. Das mag sich aber
> >irgendwann ändern.
>
> Das ist ja gerade die Frage, der Poincaré nachgegangen ist. Wie sähe
> ein Experiment aus, dass uns eine bestimmte Geometrie aufzwingt, ohne
> dass wir die Wahl haben, durch Uminterpretation der
> Korrespondenzregeln oder Verändern in der Theorie selbst eine
> eukldische Geometrie beizubehalten.

Im Prinzip liegt schon jede Menge Material in der Richtung
vor. Wenn die Raumzeit euklidisch ist, dann läßt sie sich nicht
vernünftig in einem vierdimensionalen Raum beschreiben. Man kann
den dreidimensionalen euklidischen Raum natürlich stets durch
Ad-Hoc-Hypothesen (sprich Uminterpretation der Korrespondenzregeln)
retten, aber die dadurch entstehende Theorie wird nicht unbedingt mehr
über die Welt aussagen, sondern weniger.

Es gibt allerdings Leute, die behaupten, daß man an der relativen
Dunkelheit des Nachthimmels die nichteuklidische Struktur des Raumes
im großen Raumes mit bloßem Auge sehen könnte.

> Der Raum in unserer dirketen Umgebung scheint ja annähernd flach zu
> sein.

Das muß ja nicht unbedingt immer so bleiben. :-/

> >Immerhin ist die Erde lokal auch eine Scheibe, so wie der Raum lokal
> >euklidisch ist, und trotzdem zieht man heutzutage nicht nur die
> >Veranschaulichung als Kugel vor, sondern man glaubt sogar zu wissen,
> >daß die Erde (in etwas idealisierter Form) eine Kugel ist.
>
> Ja. Allerdings betrifft die "Kugelform" der Erde nicht nur die
> Theorie, sondern ebenso viele Bereiche unseres sontigen Lebens, was in
> Bezug auf kosmologische Theorien nicht der Fall ist.

Für mich spielt die Kugelform der Erde kaum ein Rolle (außer
vielleicht, wenn ich mal mit Zeitzonen hantieren muß). Für die meisten
Menschen dürfte das ähnlich sein.

Roland Franzius

unread,
Apr 16, 2001, 6:54:44 AM4/16/01
to
Florian Weimer schrieb:

>
> Für mich spielt die Kugelform der Erde kaum ein Rolle (außer
> vielleicht, wenn ich mal mit Zeitzonen hantieren muß). Für die meisten
> Menschen dürfte das ähnlich sein.

Doch, sie ist aus vielen Gründen wichtig für deine Existenz. Auf der
Kugel treffen alle zufälligen Pfade irgendwann wieder jede Umgebung des
Ausgangpunkts. Darum trifft man auf der Kugel öfter Leute wieder, die
man schon kennt. In einer ebenen unbeschränkten Geometrie wäre die
Menschheit vermutlich eine sich ewig ausdehnende Jäger- und
Sammlerspezies geblieben;-)

--
Roland Franzius

+++ exactly <<n>> lines of this message have value <<FALSE>> +++

Florian Weimer

unread,
Apr 16, 2001, 7:48:52 AM4/16/01
to
Roland Franzius <Roland....@uos.de> writes:

> > Für mich spielt die Kugelform der Erde kaum ein Rolle (außer
> > vielleicht, wenn ich mal mit Zeitzonen hantieren muß). Für die meisten
> > Menschen dürfte das ähnlich sein.
>
> Doch, sie ist aus vielen Gründen wichtig für deine Existenz. Auf der
> Kugel treffen alle zufälligen Pfade irgendwann wieder jede Umgebung des
> Ausgangpunkts.

Das hilft aber nicht viel, da nicht alle Wege eine Länge haben. ;-)

Roland Franzius

unread,
Apr 16, 2001, 7:59:19 AM4/16/01
to
Florian Weimer schrieb:

Im Gegenteil, das Mass der Wege mit Länge ist Null, trotzdem sind es
sind die Brownschen Pfade, die eine (lokal euklidische) Geometrie lokal
wie global charakterisieren. Wenn man irgendwo angekommen ist, wer fragt
da noch nach der Weglänge;-)

Hendrik van Hees

unread,
Apr 16, 2001, 1:07:12 PM4/16/01
to
Florian Weimer wrote:

>> Die naive (oder ängstlich-defensive?) Arroganz vieler
>> Physiker und Mathematiker gegenüber der Philosophie ist
>> schon erstaunlich.
>
> Wenn die Philosophie Aussagen über die mathematische, physikalische
> oder biologische Welt macht, muß sie sich mit den dortigen Maßstäben
> messen lassen, und wenn diese Aussagen auch noch heute zutreffen
> sollen, auch mit den heutigen Maßstäben.
>
Eben, und es ist weder naiv, noch ängstlich-defensiv, für die Physik
irrelevante Denkweisen aus dem physikalischen Denken auszuklammern.
Damit habe ich nicht gesagt, die Philosophie sei überhaupt
irrelevant, sondern daß sie für die Physik irrelevant sei. Nur damit
nicht wieder jemand meint, das sei arrogant.

> (Leider hat bisher niemand auf meine Behauptung geantwortet, Kants
> metaphysische Erörterung des Begriffs des Raumes sei sogar in sich
> nicht schlüssig, siehe <874rvuq...@deneb.enyo.de>.)
>

So weit würde ich noch nicht einmal gehen. Wenn man in einer Zeit
lebt, in der nur eine Art Geometrie bekannt war, eben die
euklidische, liegt das alles doch sehr nahe. Wir wissen eben heute
mehr über die Beschaffenheit der Raumzeit, und daher ist es einfach,
zu sagen, daß Kants Raumbegriff überholt ist, aber das gilt für die
Newtonsche Physik genauso wie für den Kantschen Raumbegriff. Kein
Physiker wird da auch in dieses Wehgeschrei ausbrechen, wie die
Philosophen, wenn man ihren Helden Kant kritisiert.

Florian Weimer

unread,
Apr 16, 2001, 2:02:12 PM4/16/01
to
Hendrik van Hees <h.va...@gsi.de> writes:

> >> Die naive (oder ängstlich-defensive?) Arroganz vieler
> >> Physiker und Mathematiker gegenüber der Philosophie ist
> >> schon erstaunlich.
> >
> > Wenn die Philosophie Aussagen über die mathematische, physikalische
> > oder biologische Welt macht, muß sie sich mit den dortigen Maßstäben
> > messen lassen, und wenn diese Aussagen auch noch heute zutreffen
> > sollen, auch mit den heutigen Maßstäben.
> >
> Eben, und es ist weder naiv, noch ängstlich-defensiv, für die Physik
> irrelevante Denkweisen aus dem physikalischen Denken auszuklammern.

Die Frage, was für die Physik relevantes Denken oder nicht ist, gehört
nicht gerade zur Physik, sondern eher zur Philosophie.

> Damit habe ich nicht gesagt, die Philosophie sei überhaupt
> irrelevant, sondern daß sie für die Physik irrelevant sei.

Erkenntnistheorie ist relevant für die Physik, fürchte ich. Man
muß dazu nur die ausgesprochen populären Diskussionen um rein
metaphysische, empirisch ununterscheidbare Interpretationen
physikalischer Theorien betrachten, um sich mehr Physiker zu wünschen,
die sich ein wenig Erkenntnistheorie befaßt haben. Selbst die ganz
Großen glaubten ziemlich lange, daß man Gewißheit in der Letzten
Theorie finden könne; mittlerweile haben sich die Ansichten aber etwas
gemäßigt, so wird zwar noch an die Letzte Theorie geglaubt, aber
verbunden mit dem Zusatz, daß man niemals gewiß sein könne, daß diese
Theorie tatsächlich alles Physikalische beschreibt.

Umgekehrt kann auch die Philosophie kaum daran gesunden, indem sie die
rapiden Änderungen der wissenschaftlichen Methode und ihrer (sogar
philosophischen) Interpretation ignoriert, ganz im Gegenteil. Der
Kantianer wird nie akzeptieren, daß die für Kant grundlegende Frage --
Wie ist sichere Erkenntnis möglich? -- längst in radikal anderer Weise
beantwortet wurde, und zudem noch wesentlich plausibler. :-/

Roland Harnau

unread,
Apr 16, 2001, 2:56:50 PM4/16/01
to
Hendrik van Hees <h.va...@gsi.de> schrieb...

>Florian Weimer wrote:


>
>>> Die naive (oder ängstlich-defensive?) Arroganz vieler
>>> Physiker und Mathematiker gegenüber der Philosophie ist
>>> schon erstaunlich.
>>
>> Wenn die Philosophie Aussagen über die mathematische, physikalische
>> oder biologische Welt macht, muß sie sich mit den dortigen Maßstäben
>> messen lassen, und wenn diese Aussagen auch noch heute zutreffen
>> sollen, auch mit den heutigen Maßstäben.
>>
>Eben, und es ist weder naiv, noch ängstlich-defensiv, für die Physik
>irrelevante Denkweisen aus dem physikalischen Denken auszuklammern.
>Damit habe ich nicht gesagt, die Philosophie sei überhaupt
>irrelevant, sondern daß sie für die Physik irrelevant sei. Nur damit
>nicht wieder jemand meint, das sei arrogant.

Das ist nur leider selbst eine *wissenschaftstheoretische* Aussage,
die zu *begründen* ist ;-) Nach dem, was du hier zur Philosophie
geäußert hast, glaube auch ich nicht, dass du das tatsächlich
beurteilen kannst.


roland

Roland Harnau

unread,
Apr 16, 2001, 3:11:43 PM4/16/01
to
Hendrik van Hees <h.va...@gsi.de> schrieb...

>Roland Harnau wrote:


>
>
>> Das ist ja gerade die Frage, der Poincaré nachgegangen ist. Wie sähe
>> ein Experiment aus, dass uns eine bestimmte Geometrie aufzwingt,
>> ohne dass wir die Wahl haben, durch Uminterpretation der
>> Korrespondenzregeln oder Verändern in der Theorie selbst eine
>> eukldische Geometrie beizubehalten. Der Raum in unserer dirketen
>> Umgebung scheint ja annähernd flach zu sein.
>>
>Er ist annähernd flach, weil die Gravitation so gering ist. Die
>Schwarzschildradien der uns umbgebenden Objekte sind klein (im
>cm-Bereich), und daher ist unsere Umgebung, das Sonnensystem
>annähernd flach.

Das is abert eine *theoretische Erklärung*, die schon die Gültigkeit
der ART *voraussetzt*, und somit eine petitio principii.

>Andererseits muß man aber verstehen, daß die relativistische Physik
>mit einer anderen als der Beschreibung, den die ART liefert, nämlich
>daß die Raumzeit ein nichteuklidisches pseudoriemannsches Kontinuum
>darstellt, nicht vereinbar ist.

Was tatsächlich unvereinbar ist, ist die euklidische Geometrie,
zusammen mit den mechanischen Gesetzen der Newtonschen Mechanik und
den entsprechenden Korrespondenzregeln. Eine zur ART emprisch
äquivalente Theorie (also eine, die dieselben Beobachtungssätze
produziert), die die euklidische Geometrie voraussetzt, ist aber
möglich, und zwar dann, wenn die optischen und mechanischen Gesetze
geändert werden.


> Man kann natürlich das vierdim.
>riemannsche Kontinuum in einen höherdimensionalen Raum einbetten, nur
>daß dann (noch?) ungeklärt ist, ob diese höheren Dimensionen eine
>physikalische Rolle spielen oder nicht.

ja, das ist keine Option, der höherdimensionale euklidische Trägerraum
fällt Ockham's razor zum Opfer.

>Die Gravitation als solche wird durch die ART stets korrekt
>beschrieben, und die Periheldrehung des Merkur zeigt ganz klar die
>Nichteuklidizität der Raumzeit,

Genauer gesagt ist es eine Anomalie für die NM, die die ART erklären
kann.


[...]


>> Ja. Allerdings betrifft die "Kugelform" der Erde nicht nur die
>> Theorie, sondern ebenso viele Bereiche unseres sontigen Lebens, was
>> in Bezug auf kosmologische Theorien nicht der Fall ist.
>
>Hm, ich weiß ja nicht, was das für ein Argument ist. Nur weil eine
>Theorie nicht viele Bereiche des täglichen Lebens zu berühren scheint

Florian hat meinen Argument, dass eine Entscheidung zugunsten einer
bestimmten Geometrie aufgrund der Empirie nicht möglich ist, mit dem
Hinweis gekontert, dass lange Zeit auch die "Oberflächengeometrie"
der Erde (Scheibe - Kugel) nicht entscheidbar war, heute aber niemand
an iher (approximativen) Kugelförmigkeit zweifelt, die Frage also
letztlich entschieden ist. Das liegt aber an der "Belegelage", wir
müßten uns schon grundlegend irren, wenn die Erde trotz unserer
alltäglichen Erfahrungen, den Bildern der Satelliten, etc. nicht rund,
sondern doch scheibenförmig wäre. Die Evidenzen, die für oder gegen
bestimmte kosmologische Theorien sprechen, sind aber weit weniger
zwingend, es sind lediglich /theoretische/ Überzeugungen, die gehegt,
werden.


roland

Roland Harnau

unread,
Apr 16, 2001, 3:33:03 PM4/16/01
to
Hendrik van Hees <h.va...@gsi.de> schrieb...

>Roland Harnau wrote:


>
>
>> intrinsische Krümmung als "inkohärent" nachzuweisen. Du schuldest
>> Jutta und mir jetzt ein Beispiel eines 3-dimensionalen anschauulich
>> vorstellbaren nicht-euklidischen Raums. ;-)
>
>Sieh' Dich doch um ;-)). Der Raum, in dem Du Dich gerade befindest,
>ist ein dreidimensionaler nichteuklidischer Raum (gar Deine 4-dim.
>Raumzeit ist ein vierdimensionaler nichteuklidischer Raum). So wie Du
>die Beschleunigung eines Punktes oben als Anschauung für die Krümmung
>einer Kurver im 3D-Raum. genannt hast, darf Dir die Gravitation als
>Anschauung für die Krümmung der Raumzeit, die eine Krümmung Deiner
>von Dir momentan als "Raum" bezeichneten dreidim.
>Untermannigfaltigkeit impliziert.

Hier verfehlst du einfach das Thema: Selbst wenn der uns umgebene Raum
eine 3-dim Untermannigfaltigkeit der nicht-eukldischen Raumzeit ist,
solltest du mir ein Beispiel eines *anschaulich vorstellbaren* 3-dim.
nicht-euklidischen Raums geben. Die Gravitation ist nicht anschaulich
vorstellbar!

roland

Roland Harnau

unread,
Apr 16, 2001, 3:45:46 PM4/16/01
to
Florian Weimer <f...@deneb.enyo.de> schrieb...

>Roland Harnau <roland...@gmx.de> writes:
>
>> Nehmen wir an, t0 sei die Gegenwart. Zu einer Zeit t1 > t0 hat sich
>> die *Bedeutung* des Terms "Birne" soweit verändert, dass es generell
>> Obst umfasst. Du bist nun wie jemand, der in t1 sagt: "Sind die Leute
>> zur Zeit t0 doch blöd, sie erkannten nicht, dass Äpfel auch Birnen
>> sind". Wenn du also mit *deinem* Raumbegriff Kants kritiserst, so ist
>> das wohl kaum ernstzunehmen.
>
>Die Entwicklung verlief aber in die andere Richtung, d.h. heutzutage
>sieht man den Begriff/die Anschaung des Raum weitaus differenzierter
>als zu Kants Zeiten.

Ach, tatsächlich? Was ist ein Begriff? Was eine Anschuung? Dass sich
der math. Begriff des Raums geändert hat, ist natürlich klar.

>Ich fürchte aber, daß Kants Ansichten zum Raume auch sonst nicht
>besonders zwingend sind. Er schreibt z.B.:
>
>| Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von äußeren Erfahrungen
>| abgezogen worden. Denn damit gewiße Empfindungen auf etwas außer
>| mich bezogen werden, (d.i. auf etwas in einem anderen Orte des
>| Raumes, als darinnen ich mich befinde), imgleichen damit ich sie als
>| außer- und nebeneinander, mithin nicht bloß verschieden, sondern als
>| in verschiedenen Orten vorstellen könne, dazu muß die Vorstellung
>| des Raumes schon zum Grunde liegen. Demnach kann die Vorstellung des
>| Raumes nicht aus den Verhältnissen der äußeren Erscheinung durch
>| Erfahrung erborgt sein, sondern diese äußere Erfahrung ist nur durch
>| gedachte Vorstellung allererst möglich.
>
>Darüber, daß der Begriff der äußeren Erfahrung das Konzept eines
>(nicht notwendigerweise geometrischen) Raumes erfordert, brauchen wir
>nicht zu diskutieren, das ist ziemlich banal. Genauso erfordert die
>Interpretation einer äußeren Erfahrung als solche den Begriff des
>Raumes, wie Kant richtig bemerkt.
>
>Kann man daraus schließen, daß der Begriff des Raumes nicht aus
>äußeren Erfahrungen entsteht?

Möglicherweise ist das ein Missverständnis: Der Besitz des *Begriffs*
des Raums sicher nicht notwendig, um äußere Erfahrung zu haben, den
Erfahrungen liegt der Raum nicht als Begriff, sondern als *Form* der
Anschauung zugrunde.( Dinge sind nebeneinander, aufeinander, etc.; die
Fähigkeit, diese "Lagen" unterscheiden zu können, ist der Teil der
"Raumanschauung") Kant schreibt ja nicht, man müsse den *Begriff* des
Raums zum Grunde legen, sondern die *Vorstellung*. Außerdem handelt es
sich nicht um eine *genetische* Aussage, sondern um eine *logische*
Klärung über die Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung.

roland

Hendrik van Hees

unread,
Apr 17, 2001, 5:44:15 AM4/17/01
to
Roland Harnau wrote:

> Hier verfehlst du einfach das Thema: Selbst wenn der uns umgebene
> Raum eine 3-dim Untermannigfaltigkeit der nicht-eukldischen Raumzeit
> ist, solltest du mir ein Beispiel eines *anschaulich vorstellbaren*
> 3-dim. nicht-euklidischen Raums geben. Die Gravitation ist nicht
> anschaulich vorstellbar!

Aha, also was ist es denn dann, was mich sehr anschaulich auf meinem
Sitz hält. Dann definiere Du mir doch erst mal, was anschaulich für
Dich oder Kant überhaupt heißt, wenn nicht die Dinge, die ich um mich
herum wahrnehme?

Hendrik van Hees

unread,
Apr 17, 2001, 5:58:22 AM4/17/01
to
Florian Weimer wrote:

>
> Erkenntnistheorie ist relevant für die Physik, fürchte ich. Man
> muß dazu nur die ausgesprochen populären Diskussionen um rein
> metaphysische, empirisch ununterscheidbare Interpretationen
> physikalischer Theorien betrachten, um sich mehr Physiker zu
> wünschen, die sich ein wenig Erkenntnistheorie befaßt haben. Selbst
> die ganz Großen glaubten ziemlich lange, daß man Gewißheit in der
> Letzten Theorie finden könne; mittlerweile haben sich die Ansichten
> aber etwas gemäßigt, so wird zwar noch an die Letzte Theorie
> geglaubt, aber verbunden mit dem Zusatz, daß man niemals gewiß sein
> könne, daß diese Theorie tatsächlich alles Physikalische beschreibt.
>

Theorien, die die gleichen physikalischen Aussagen machen, sind
physikalisch äquivalent, also verschiedene Formulierungen identischer
Theorien, und da suche ich mir dann die für mein Problem angenehmste
raus, da ist das Problem immer noch kompliziert genug. Ansonsten ist
es natürlich richtig, daß man von einer TOE nie sicher sein kann, daß
sie wirklich die TOE ist. Es ist immer nur solange eine TOE als keine
Phänomene beobachtet werden, die ihr widersprechen oder gar nicht
durch sie beschrieben werden können (Beispiel: Es gäbe keine stabile
Materie, die mit Rutherfords Streuexperimenten in Übereinstimmung zu
bringen wäre, die durch die Newtonsche Mechanik und die klassische
E-Dynaik beschrieben werden könnten).

Hendrik van Hees

unread,
Apr 17, 2001, 5:53:39 AM4/17/01
to
Roland Harnau wrote:


> Was tatsächlich unvereinbar ist, ist die euklidische Geometrie,
> zusammen mit den mechanischen Gesetzen der Newtonschen Mechanik und
> den entsprechenden Korrespondenzregeln. Eine zur ART emprisch

Du irrst. Die Raumzeit der Newtonschne Mechanik ist eine euklidische
Struktur, sie baut ja auf der euklidischen Struktur auf. Da ist sogar
der Raum für sich und die Zeit für sich hübsch getrennt und einfach
eine direkte Summe zweier orientierter Vektorräume ohne verbindende
Struktur.

> äquivalente Theorie (also eine, die dieselben Beobachtungssätze
> produziert), die die euklidische Geometrie voraussetzt, ist aber
> möglich, und zwar dann, wenn die optischen und mechanischen Gesetze
> geändert werden.
>

Die optischen und mechanischen Gesetze können aber nicht einfach nach
Gutdünken geändert werden, sondern müssen über Meßvorschriften
definiert sein, die physikalischen Erfordernissen genügen müssen (bei
uns macht das die PTB und sie tut das in Zusammenarbeit mit den
anderen nationalen Meßinstituten um die Erfordernis der
Transportabilität der Einheiten zu gewährleisten). Die über sie
aufgestellten Naturgesetze müssen dem experimentellen Test
standhalten, und können nicht einfach abgeändert werden, weil ein
Philosoph des 18. Jh. gesagt hat, man müsse den Raum euklidisch
beschreiben.


> Florian hat meinen Argument, dass eine Entscheidung zugunsten einer
> bestimmten Geometrie aufgrund der Empirie nicht möglich ist, mit dem
> Hinweis gekontert, dass lange Zeit auch die "Oberflächengeometrie"
> der Erde (Scheibe - Kugel) nicht entscheidbar war, heute aber
> niemand an iher (approximativen) Kugelförmigkeit zweifelt, die Frage
> also letztlich entschieden ist. Das liegt aber an der "Belegelage",
> wir müßten uns schon grundlegend irren, wenn die Erde trotz unserer
> alltäglichen Erfahrungen, den Bildern der Satelliten, etc. nicht
> rund, sondern doch scheibenförmig wäre. Die Evidenzen, die für oder
> gegen bestimmte kosmologische Theorien sprechen, sind aber weit
> weniger zwingend, es sind lediglich /theoretische/ Überzeugungen,
> die gehegt, werden.

Es sind theoretische Überzeugungen, die durch Messungen am Universum
mit sehr überzeugender Genauigkeit (Redshift von Photonen im
Gravitationsfeld, die Verteilung der Hintergrundstrahlung, die
Rotverschiebung des Galaxienlichts und die Abhängigkeit von der
Entfernung usw.). All diese Messungen sprechen dafür, daß wir in
einem asymptotisch flachen (das dürfte ja dann den überzeugten
Kantianer wieder freuen) Robertson-Walker-Friedmann-Lemaitreuniversum
leben.

Es ist aber noch viel ungeklärt, aber eben nicht ungeklärt ist die
Tatsache, daß die ART die Meßdaten besser beschreibt als die
Newtonsche Mechanik.

Roland Harnau

unread,
Apr 17, 2001, 9:11:11 AM4/17/01
to
Hendrik van Hees <h.va...@gsi.de> schrieb...

>Roland Harnau wrote:


>
>> Hier verfehlst du einfach das Thema: Selbst wenn der uns umgebene
>> Raum eine 3-dim Untermannigfaltigkeit der nicht-eukldischen Raumzeit
>> ist, solltest du mir ein Beispiel eines *anschaulich vorstellbaren*
>> 3-dim. nicht-euklidischen Raums geben. Die Gravitation ist nicht
>> anschaulich vorstellbar!
>
>Aha, also was ist es denn dann, was mich sehr anschaulich auf meinem
>Sitz hält.

Was ist das für eine Frage? Warum muss die Ursache, die die physics
community für eine alltäglichen, anschaulichen Vorgang , nämlich das
Sitzen auf einem Stuhl, annimmt, selbst anschaulich sein.

> Dann definiere Du mir doch erst mal, was anschaulich für
>Dich oder Kant überhaupt heißt, wenn nicht die Dinge, die ich um mich
>herum wahrnehme?

Der Raum ist aber *kein* Gegenstand, der wahrgenommen wird, sondern
(bei Kant) eine reine Form der Anschauung, das, was bleibt, wenn allen
Erscheinungen ihr empirirscher Gehalt abgezogen wird.

roland

Roland Harnau

unread,
Apr 17, 2001, 9:11:00 AM4/17/01
to
Hendrik van Hees <h.va...@gsi.de> schrieb...

>Roland Harnau wrote:


>
>
>> Was tatsächlich unvereinbar ist, ist die euklidische Geometrie,
>> zusammen mit den mechanischen Gesetzen der Newtonschen Mechanik und
>> den entsprechenden Korrespondenzregeln. Eine zur ART emprisch
>
>Du irrst. Die Raumzeit der Newtonschne Mechanik ist eine euklidische

>Struktur, sie baut ja auf der euklidischen Struktur auf.Da ist sogar

>der Raum für sich und die Zeit für sich hübsch getrennt und einfach
>eine direkte Summe zweier orientierter Vektorräume ohne verbindende
>Struktur.

Die _Geometrie_ kann allerdings von den _physikalischen Gesetzen_ und
den _Korrespondenzregeln_ abgetrennt werden, die NM läßt sich etwa
schematisch als G_e + P_k schreiben.

>> äquivalente Theorie (also eine, die dieselben Beobachtungssätze
>> produziert), die die euklidische Geometrie voraussetzt, ist aber
>> möglich, und zwar dann, wenn die optischen und mechanischen Gesetze
>> geändert werden.
>>
>Die optischen und mechanischen Gesetze können aber nicht einfach nach
>Gutdünken geändert werden, sondern müssen über Meßvorschriften
>definiert sein, die physikalischen Erfordernissen genügen müssen (bei
>uns macht das die PTB und sie tut das in Zusammenarbeit mit den
>anderen nationalen Meßinstituten um die Erfordernis der
>Transportabilität der Einheiten zu gewährleisten). Die über sie
>aufgestellten Naturgesetze müssen dem experimentellen Test
>standhalten, und können nicht einfach abgeändert werden, weil ein
>Philosoph des 18. Jh. gesagt hat, man müsse den Raum euklidisch
>beschreiben.

Das ist ja gerade der Witz an der Sache, aus diesem Grund können
*mathematisch* "inkompatible" Theorien durchaus emprisch äquivalent
sein. Falls man nicht , wie Einstein es getan hat, die Geometrie
ändert, muss man die Gesetze so ändern, dass sich etwa starre Stäbe
in der Nähe schwerer Massen zusammenziehen, wobei die Kontraktion
nicht nur von der Entfernung, sondern auch von der Lage des Stabes
relativ zur radialen Richtung abhängt, etc. Da eine solche Theorie
gerade so /konstruiert/ ist, dass sie zur ART empirische äquivalent
ist, würde sie bei Experimenten auch die gleichen Resultate bringen.
Es gibt dazu mehrere Nachweise der prinzipiellen Machbarkeit einer
solchen Theorie, und Iljas GET schein ja in dieser Hinsicht eine recht
ausgearbeitete Version zu sein.(ich habe sie mir bisher aber nicht
wirklich angeschaut)


>> Florian hat meinen Argument, dass eine Entscheidung zugunsten einer
>> bestimmten Geometrie aufgrund der Empirie nicht möglich ist, mit dem
>> Hinweis gekontert, dass lange Zeit auch die "Oberflächengeometrie"
>> der Erde (Scheibe - Kugel) nicht entscheidbar war, heute aber
>> niemand an iher (approximativen) Kugelförmigkeit zweifelt, die Frage
>> also letztlich entschieden ist. Das liegt aber an der "Belegelage",
>> wir müßten uns schon grundlegend irren, wenn die Erde trotz unserer
>> alltäglichen Erfahrungen, den Bildern der Satelliten, etc. nicht
>> rund, sondern doch scheibenförmig wäre. Die Evidenzen, die für oder
>> gegen bestimmte kosmologische Theorien sprechen, sind aber weit
>> weniger zwingend, es sind lediglich /theoretische/ Überzeugungen,
>> die gehegt, werden.
>
>Es sind theoretische Überzeugungen, die durch Messungen am Universum
>mit sehr überzeugender Genauigkeit (Redshift von Photonen im
>Gravitationsfeld, die Verteilung der Hintergrundstrahlung, die
>Rotverschiebung des Galaxienlichts und die Abhängigkeit von der
>Entfernung usw.). All diese Messungen sprechen dafür, daß wir in
>einem asymptotisch flachen (das dürfte ja dann den überzeugten
>Kantianer wieder freuen) Robertson-Walker-Friedmann-Lemaitreuniversum
>leben.

Diese /Messungen/ werden aber selbst wieder *interpretiert*, zuweilen
von den gleichen Theorien, die eigentlich auf dem Prüfstand stehen! Es
gibt keine "reine Phänomen", insb. nicht in den eher spekulativen
kosmologischen Theorien, an denen eine Theorie testbar ist, und man
hat somit bei Bestätigungen das Problem eines möglichen Zirkels.

>Es ist aber noch viel ungeklärt, aber eben nicht ungeklärt ist die
>Tatsache, daß die ART die Meßdaten besser beschreibt als die
>Newtonsche Mechanik.

Letzteres bezweifle ich auch nicht. Es geht ja darum, ob es empirisch
äquivalente Theorien gibt, die *verschiedene* Geometrien, etwa einmal
eine euklidische Theorie (oder die Newtonsche "Raumzeit"), ein anderes
Mal die "gekrümmte" Raumzeit der ART voraussetzen.


roland

Wolfgang G. G.

unread,
Apr 18, 2001, 9:07:43 AM4/18/01
to
Dass Einstein die allgemeine Relativitätstheorie nicht so
ernst nahm, dass er an die daraus ableitbaren "schwarzen
Löcher" glaubte, ist bekannt. Aber Einstein's Versuche,
schwarze Löcher zu widerlegen, waren verständlicherweise
durch sein instinktives Bestreben beeinträchtigt, das
eigene Kind nicht zu strangulieren.

Selbst wenn man solche Mathematik wie das Vertauschen
von Raum und Zeitkoordinaten innerhalb schwarzer Löcher
akzeptiert, haben wir folgendes fundamentale Problem:

Ist "schwarzes Loch" ein absolutes oder ein relatives (d.h.
beobachterabhängiges) Konzept?

Schwarze Löcher treten in der Relativitätstheorie dort auf,
wo in der klassischen Physik die Entweichgeschwindigkeit
grösser als die Lichtgeschwindigkeit ist, oder genauer,
wenn die Potentialdifferenz vom Ort der Emission el.mag.
Strahlung bis zum Beobachter grösser als G = 0.5 c^2 ist.
Wenn die Potentialdifferenz g kleiner als G ist, kann
e.m. Strahlung zum Beobachter gelangen, wobei es zu einer
Frequenzabnahme um folgenden Faktor kommt:

Wurzel (1 - g^2/G^2]

Wenn die Sonne auf die Grösse zusammenschrumpfen würde, bei
der die Entweichgeschwindigkeit von ihrer Oberfläche exakt
c beträgt, wäre sie ein Schwarzes Loch für Beobachter
ausserhalb unserer Galaxie, denn g > G, nicht aber für
Beobachter auf der Erde, denn g < G. Strahlung von der Sonne
würde die Erde mit starker Frequenzabnahme erreichen. Aber
unabhängig von ihrer Herkunft und Frequenz könnte Strahlung
von der Erde einen Beobachter ausserhalb unserer Galaxie
erreichen. Der Widerspruch ist offensichtlich. Ein analoger
Widerspruch würde in der speziellen Relativitätstheorie bei
sich mit Überlichtgeschwindigkeit voneinander entfernenden
Beobachtern auftreten.

Da das Deja-Archiv noch nicht von Google verfügbar gemacht
worden ist, hier meine 5 Postings (auf sci.physics.relativity
und sci.astro) über diese Problematik:
http://members.lol.li/twostone/E/physics2.html

Roland Harnau in hudhdt8h0b7a2u31r...@4ax.com :

| Das ist ja gerade die Frage, der Poincaré nachgegangen ist. Wie

| sähe ein Experiment aus, das uns eine bestimmte Geometrie aufzwingt,


| ohne dass wir die Wahl haben, durch Uminterpretation der
| Korrespondenzregeln oder Verändern in der Theorie selbst eine
| eukldische Geometrie beizubehalten. Der Raum in unserer dirketen
| Umgebung scheint ja annähernd flach zu sein.

Lass uns als reines Gedankenexperiment annehmen:

- Es gelingt, verschiedene Galaxien(haufen), in jeweils
entgegengesetzten Richtungen (und damit in unterschiedlichen
Entwicklungsstadien und von entgegengesetzter Seite) zu
beobachten.
- Die geschätzten Abstände in beiden Richtungen ergeben
zusammengenommen jeweils ungefähr denselben Wert U.

Dann wäre die bei weitem naheliegenste Annahme, dass unser
Weltall ungefähr die Struktur einer 3D-Oberfäche einer
4D-Kugel mit Unfang U hat.

Also solche Fakten dann im Sinne einer drei-dimensionalen
euklidischen Geometrie zu interpretieren, wäre schlimmer
als nur das übliche Aufbereiten der Fakten (mit Hilfe von
ad-hoc-Hypothesen) zur "experimentellen Bestätigung"
der geglaubten Theorie.

Hendrik van Hees am 15.4. in 9bbgho$8jbb8$1...@fu-berlin.de :

> Die Gravitation als solche wird durch die ART stets korrekt
> beschrieben, und die Periheldrehung des Merkur zeigt ganz klar die

> Nichteuklidizität der Raumzeit, denn ohne sie ist sie nicht

> erklärbar. ...

Die "relativistische" Periheldrehung an und für sich
lässt auch Erklärungen innerhalb der euklidischen
Geometrie zu, so z.B. meine "Trägheitsäther-Hypothese",
die annimmt, dass die Trägheitsbewegung eines Körpers
an die Bewegung aller Himmelskörper gebunden bleibt,
durch die er Gravitationpotential verloren hat, und
zwar proportional zum verlorenen Gravitationspotential:

Merkur wird zu einem gewissen Anteil von der Sonne
beinflusst. Da die Sonne rotiert, bewegt sich die dem
Merkur zugewandte Seite der Sonne in Umlaufrichtung des
Merkur und die abgewandte Seite entgegengesetzt dazu.
Da die zugewandte Seite näher liegt, wirkt sie sich
stärker auf den Trägheitsäther am Ort des Merkur aus
als die abgewandte Seite. Der Trägheitsäther bekommt
so eine tangentiale Bewegungskomponente, d.h. er rotiert
in gewisser Hinsicht um die Sonne.

Diese Erklärung ist auch weit fruchtbarerer als die der
ART, denn anstatt im mathematischen Widerspruch (z.B.
wegen Division durch Null) eines schwarzen Lochs zu
enden, löst sie sogar andere offene Probleme:

Die aus der Bewegung des Trägheitsäthers resultierenden
Abweichungen von den Voraussagen der klassischen
Gravitationstheorie sind beim Planetensystem noch sehr
klein. Sie werden aber mit zunehmender Grösse der
kosmischen Gebilde (..., Galaxien, Galaxienhaufen, ...)
immer grösser, denn das Trägheitsätherpotential
zwischen den Gebilden wird immer kleiner und die eigene
Wirkung auf den Trägheitsäther immer grösser. Dass die
gemessenen Geschwindigkeiten umso mehr über den
theoretisch erwarteten liegen, je grösser die
untersuchten kosmischen Gebilde sind, ist bekannt und
wird durch die Hypothese eines immer grösser werdenden
Anteils von nicht beobachtbarer Materie erklärt.
http://members.lol.li/twostone/a4.html

Hendrik van Hees am 17.4. in 9bh3rg$99sj8$1...@fu-berlin.de :

> All diese Messungen sprechen dafür, daß wir in
> einem asymptotisch flachen (das dürfte ja dann den überzeugten

> Kantianer wieder freuen) Robertson-Walker-Friedmann-Lemaitre-
> universum leben.

Ein flaches Universum führt wie das negativ gekrümmte zum
Paradox, dass die Raum-Zeit in alle räumlichen Richtungen
unbegrenzt ist, obwohl sie in zeitlicher Hinsicht aber in
eine Richtung als (vom "grossen Knall") begrenzt angenommen
wird.

In der speziellen Relativitätstheorie herrscht Symmetrie
zwischen Zukunft und Vergangenheit. Die Zeittransformation
t' = gamma * (t - x*v/c^2) sagt aus, dass in einem mit v
bewegten Bezugssystem F' in eine Richtung alles Vergangenheit
und in die andere alles Zukunft ist. Es gibt nichts, was die
Zeitverschiebung gamma*(d*v/c^2) daran hindern könnte, minus
20 Milliarden Jahre zu unterschreiten.


Gruss,
Wolfgang Gottfried G


Bisherige Postings:
http://members.lol.li/twostone/google1.html


Ilja Schmelzer

unread,
Apr 18, 2001, 10:01:24 AM4/18/01
to
"Wolfgang G. G." <z...@z.lol.li> writes:
> Ist "schwarzes Loch" ein absolutes oder ein relatives (d.h.
> beobachterabhängiges) Konzept?

Ein absolutes.

> Wenn die Sonne auf die Grösse zusammenschrumpfen würde, bei
> der die Entweichgeschwindigkeit von ihrer Oberfläche exakt
> c beträgt, wäre sie ein Schwarzes Loch für Beobachter
> ausserhalb unserer Galaxie, denn g > G, nicht aber für
> Beobachter auf der Erde, denn g < G. Strahlung von der Sonne
> würde die Erde mit starker Frequenzabnahme erreichen.

Falsch. Dies gilt für Licht in der Newtonschen Theorie (samt
Partikeltheorie des Lichtes) aber nicht für die ART.

Ilja
--
I. Schmelzer, <il...@ilja-schmelzer.net>, http://ilja-schmelzer.net

Wolfgang G. G.

unread,
Apr 18, 2001, 7:09:14 PM4/18/01
to
[ Unverändertes Reposting wegen Nicht-Aufscheinen z.B. in Google ]


Hendrik van Hees am 9.4. in 9at85f$70ikg$1...@fu-berlin.de :

> Die Krümmung ist eine intrinsische Eigenschaft des
> betrachteten Raumes. Das ist die große Erkenntnis von Gauß. Er hat
> sogar das einzig richtige getan, was er als universell gebildeter
> Mensch tun konnte: Er hat versucht zu messen, ob unser
> Anschauungsraum, in dem wir leben, gekrümmt ist oder nicht, und zwar
> durch Triangulation. Er hat da irgendwelche drei Berge genommen
> (einer war wohl der Brocken ;-)) und hat versucht eine Abweichung der
> Winkelsumme von pi nachzuweisen, aber sofort gesehen, daß er das im
> Rahmen der Meßgenauigkeit nicht entscheiden konnte.

Also so blöd kann Gauss selber als "universell gebildeter
Mensch" doch nicht gewesen sein. Um festzustellen, dass eine
Abweichung von der euklidischen Geometrie zwischen drei
benachbarten Bergen nicht "im Rahmen der Meßgenauigkeit"
liegen kann, sind solche oberflächlichen Versuche ("sofort
gesehen") völlig irrelevant. Denn sowohl bei der Vermessung
der Erde (die ja nicht erst mit Gauss anfing) als auch beim
Planetensystem hatte immer alles die euklidische Geometrie
bestätigt.

Hendrik van Hees am 12.4. in 9b3lsr$7dtsb$2...@fu-berlin.de :

> Nochmal: Warum soll nicht auch ein nichteuklidischer Raum eine
> Anschauungsform sein können?

Warum soll nicht auch ein Metermass mit unterschiedlich langen
"Metern" (mit z.B. 20 cm als erstem "Meter", 30 cm als zweitem,
50 cm als dritten und so ähnlich weiter) zur Vermessung dienen?

Wolfgang Thumser am 12.4. in 3AD5A5A2...@mathematik.uni-bielefeld.de :

:: [ = Wolfgang G. ]
:: Eine vernünftige Definition von Pi ist trotzdem möglich,
:: da das Verhältnis von Umfang zu Durchmesser immer gegen Pi
:: geht, wenn der Durchmesser gegen Null geht.
:
: Das ist schlichtweg falsch. In o.a. Topologie existieren bspw.
: nicht nullhomotope Kreise beliebig kleinen Umfangs, die sich
: ueberhaupt nicht auf einen Punkt zusammenziehen lassen.

Die "nicht nullhomotope Kreise beliebig kleinen Umfangs"
haben nichts mit der Raumkrümmung zu tun, die wir hier
diskutieren.

Natürlich lassen sich die willkürlichsten Konstruktionen
bilden. Aber trotzdem können wir allgemeine und transparente
Argumente nicht mit Hinweis auf solche Spezialkonstruktion
ausser Kraft setzen.

: Der Radius solcher Kreise (i. S. eines konstanten Abstandes zu
: einem vorgegebenen Punkt) geht gegen unendlich, wenn ihr Um-
: fang (und damit sie selbst) gegen null geht. ...

Im Zusammenhang räumlicher Kontinua halte ich das für
ziemlichen Nonsense.

:: Zudem haben z.B. wir eine vernünftige Definition von Pi,
:: obwohl die ART ein negativ gekrümmtes Universum nicht
:: ausschliesst.
:
: Das haben wir dem gluecklichen Umstand zu verdanken, dass die
: Kruemmung, wenn existent, i.a. kaum messbar ist. ...

Selbst wenn wir eine Welt mit Krümmung im Meterbereich
bewohnen würden, wäre der Millimeterbereich ziemlich
flach. Die geometrische Definition von Pi bliebe völlig
unberührt und würde nach wie vor als ein Fundament des
Krümmungsbegriff dienen.

Stell dir einmal konkret ein Universum mit positivem
Krümmungsradius von 1 Meter vor. Es wäre dann die
Oberfläche einer 4D-Kugel mit 1 m Radius. Da hätte dann
nicht allzu viel Platz in diesem Universum.

:: Im Gegensatz zur üblichen Veranschaulichung (in Form eines
:: Sattels) herrscht in konstant negativ gekrümmten (genauso
:: wie in konstant positiven und flachen) Geometrien Homogenität
:: und Isotropie.
:
: Ein weiterer Schnellschuss: Es existieren sogar lokal flache Raeume,
: die Du im kleinen nicht von einem euklidischen Raum unterscheiden
: kannst und die endliches Volumen besitzen. ...

Das halte ich für so un/sinnig, wie korrekte Aussagen über
Kugeln mit dem Hinweis zu widerlegen, dass die Aussagen
bei z.B. Würfeln nicht gelten.

Roland Harnau am 13.4. in kv8edt0vicnqgd9u3...@4ax.com :

| Die begriffliche Innovation der Einführung der
| Riemannschen Geometrie war erst da möglich, als klar wurde, dass
| Krümmung /unabhängig/ von einer Relation zu einem umgebenen
| euklidischen Raum aufgefasst werden kann. Deshalb hat Wolfgang G.G.
| bei der Verteidigung seiner These "Raumkruemmung setzt die Vorstellung
| eines ungekruemmten Raums voraus" auch keine Probleme mit extrinsisch
| definierter Krümmung, wogegen er bestrebt sein muss, intrinsische
| Krümmung als "inkohärent" nachzuweisen.

Die These "Raumkrümmung setzt die Vorstellung eines
ungekruemmten Raums voraus" für sich ist auf jeden
Fall gültig und setzt nicht einmal voraus, dass sich
"intrinsische Krümmung" als inkohärent erweist.

Wolfgang Thumser am 15.4. in 3AD8D967...@mathematik.uni-bielefeld.de :

: Was Kant fuer falsch haelt, halte ich


: fuer wahr und wieder ein anderer fuer unentscheidbar. Ich fuer meine Person
: halte das Parallelenaxiom fuer ebenso anschaulich wie sein logisches Gegen-
: teil. Will Kant mir vorschreiben, was ich fuer anschaulich zu halten habe?

Solange man rein sprachlich denkt, ist alles möglich. Richtig
erscheinen dann ganz einfach die Gedankengänge (die Verknüpfungen
von Begriffen), die man ähnlich wie körperliche Bewegungsabläufe
eingeübt hat.

Kant's Bestreben war ja gerade, das "alles ist möglich (in
der Metaphysik)" in die Schranken der Vernunft zu verweisen.

Florian Weimer am 16.4. in 874rvpf...@deneb.enyo.de :

<< [ = Wolfgang G. ]


<< Die Frage, ob das Verzichten auf die zusätzliche Information, die in
<< der extrinsischen Krümmung liegt, nicht irgendwo zu Widersprüchen
<< führt, ist alles andere evident.
<
< Wenn ich auf Voraussetzungen verzichte, dann kann es höchstens
< passieren, daß gewisse Dinge nicht mehr entscheidbar sind, aber nicht,
< daß Widersprüche auftreten.

Wenn Autofahrer auf die Information verzichten, die in
Ampeln enthalten sind, kann das bös enden.

Konstant negativ gekrümmte Flächen sind weder in einem
3- noch einem anderen endlich-dimensionalen Trägerraum
möglich. Mit Trägerraum kann es für Punkte der Fläche
keine intrinsische Krümmungen geben, die dem "extrinsisch
Machbaren" widerspricht.

Verzichten wir auf die Information im Trägerraum, so fällt
ein einschränkendes Prinzip für intrinsische Krümmungen weg,
und mehr intrinsische Krümmungen werden möglich. Die Frage
stellt sich, ob das nicht Widersprüche nach sich zieht.

Solange man keine halbswegs konkreten Aussagen (z.B.
Entfernungsangaben macht, können Widersprüche natürlich
nicht erkannt werden.

<< Kant erkannte, dass geometrische Urteile nicht auf solche
<< analytische Weise zustande kommen, sondern räumliche
<< Anschauung voraussetzen.
<
< Das Urteil braucht sie vielleicht, aber der Satz und sein Beweis
< kommen ohne räumliche Anschauung aus.

Das wage ich zu bezweifeln. In zweittausend Jahren sind
viele Lücken in der euklidischen Axiomatisierung entdeckt
worden. Hilbert hat diese bekannten Lücken mit Zusätzen
geschlossen, und heutzutage glaubt man halt von Hilbert's
System, was früher von Euklid's geglaubt wurde. Für
praktische Zwecke dürfte es doch eher untauglich sein,
und solange es nicht benutzt wird, können auch keine
Unzulänglichkeiten zu Tage treten.

Dass sich jede Erkenntnis, nachdem sie gemacht worden ist,
in ein axiomatisches System binden lässt, ist trivial und
nichtssagend.

<< Und da nur das Gerade und Gleichmässige als Fundament dienen kann,
<< kommen gekrümmte Anschauungsformen als Fundament erst gar nicht in
<< Frage.
<

< Was ist das denn für ein Argument? ...

Eine Variante von Occam's razor.

<< Das Gekrümmte ist nur vor dem Hintergrund von etwas als
<< ungekrümmt Gedachtem krumm,
<
< Die Krümmung eines mathematischen Objektes ändert sich doch nicht
< dadurch, was ich von ihm denke! Die Annahme des Gegenteils ist
< sicherlich verlockend, aber ich glaube nicht, daß wir diese erlauchte
< Position innehaben.

Hier scheint mir die Unterscheidung zwischen primären und
sekundären Begriffen wesentlich.

"Die ursprünglichste Begriffsbildung ist die durch
Abstraktion (bzw. Induktion). Ausgehend von fünf Fingern
und von anderen Fünfergruppen kann selbst ein taubstummes
Kind den Begriff 'fünf' bilden. Wenn ein Kind sprechen
und schreiben lernt, werden mit diesem (primären)
abstrakten Begriff zusätzlich die Worte (konkrete
Zeichen) '5' und 'fünf' assoziativ verknüpft (durch
Konditionierung). Da diese Worte in verschiedenen
gesprochenen, geschriebenen und mentalen Formen
vorkommen, führt das zur Bildung eines neuen, sekundären
Begriffs aus diesen Formen. Eigentlich sind es solche
sekundären Begriffe und nicht konkrete Zeichen, die mit
primären abstrakten Begriffen assoziativ verknüpft sind.

Wenn man ein Wort oft hört oder liest, es aber nicht
gelingt, das Wort mit einem primären Begriff zu
verknüpfen, übernimmt leicht der sekundäre Begriff die
Funktion des primären. Das Wort steht dann für einen
Begriff, der nur für sich selbst steht. Beim Lernen, wo
und wann das Wort wie angewendet wird, entwickelt man
ein Gefühl für den Begriff und glaubt ihn schliesslich
zu verstehen. In vielen Fällen gibt es auch ein diffuses
Nebeneinander zwischen einem (oder mehreren) primären
und dem sekundären Begriff. Obwohl der Unterschied
zwischen abstraktem Begriff und konkretem Zeichen
spätestens im 12. Jh. bekannt war, ist er bis heute
im wissenschaftlichen Bewusstsein kaum verankert."
http://members.lol.li/twostone/a5.html

Insofern "Krümmung" unabhängig von dem ist, was wir
darüber (auschaulich) denken, handelt es sich um einen
rein "sekundären" Begriff, der mit dem aus der Erfahrung
abgeleiteten Begriff "Krümmung" nur den Namen gemeinsam
hat.

< Außerdem ergeben sich daraus extreme Probleme
< für die mathematische Methode, da man dann offenbar geneigt ist,
< weite Teile der Mathematik für nicht axiomatisierbar oder gar für die
< mathematische Methode unzugänglich zu halten.

Wesentlicher mathematischer Fortschitt setzt die Schaffung
sinnvoller Begriffe (z.B. "Platonischer Körper") und
Intuition voraus. Ein Gebiet lässt sich erst formalisieren,
nachdem es gut erforscht und verstanden ist.

Euklid begründete nicht die Geometrie, sondern er fasste
nur die in Jahrhunderten gemachten Erkenntnisse unter
seinen mindestens fragwürdigen Definitionen und Postulaten
zusammen.


Gruss, Wolfgang


Sonderbares Privatforum alt.philosophy.kant als Adressat
beseitgt; siehe:
http://groups.google.com/groups?q=a&seld=901654930&ic=1


Wolfgang Thumser

unread,
Apr 19, 2001, 12:43:26 PM4/19/01
to
Hallo Wolfgang,

> Die "nicht nullhomotope Kreise beliebig kleinen Umfangs"
> haben nichts mit der Raumkrümmung zu tun, die wir hier
> diskutieren.
>
> Natürlich lassen sich die willkürlichsten Konstruktionen
> bilden. Aber trotzdem können wir allgemeine und transparente
> Argumente nicht mit Hinweis auf solche Spezialkonstruktion
> ausser Kraft setzen.

Ich darf Dich daran erinnern, dass nicht ich, sondern Du es warst,
der mit Einbettungen konstant negativ gekruemmter Raeume in
euklidische Raeume angefangen hat:

Wolfgang G. G. in
Message-ID: <9avfnv$oqc$1...@newsreaderm1.core.theplanet.net>

: Wie verhält sich die Fläche des Kreises mit Radius r in
: Abhängigkeit von r bei einer 2-dimensionalen Geometrie mit
: konstanter "negativer Krümmung" von 1 Meter? (Beim analogen
: "positiven" Fall nehmen wir ganz einfach die Vorstellung
: der 2D-Oberfläche einer idealen 3D-Kugel mit 1 m Durchmesser
: zur Hilfe.)

Wenn Du jetzt mit den logischen Konsequenzen, die sich aus einer
solchen Konstruktion ergeben, nicht zufrieden bist, dann kannst Du
mich nicht dafuer verantwortlich machen! Mein Hinweis auf
diese "Spezialkonstruktion" geschah in der Absicht, Dir (und nicht
mir) die geometrischen Verhaeltnisse in solchen Raeumen zu ver-
deutlichen. Warum fragst Du denn in erster Instanz nach solchen
"Spezialkonstruktionen", wenn Du sie spaeter ohnehin nicht als Ein-
wand gegen die angeblich "allgemeinen und transparenten Argumente"
akzeptierst? Deine rhetorischen Absichten sind mir voellig unklar.

> : Der Radius solcher Kreise (i. S. eines konstanten Abstandes zu
> : einem vorgegebenen Punkt) geht gegen unendlich, wenn ihr Um-
> : fang (und damit sie selbst) gegen null geht. ...
>
> Im Zusammenhang räumlicher Kontinua halte ich das für
> ziemlichen Nonsense.

Wie kann man eine Behauptung mit dem Hinweis entkraeften, dass
man sie fuer "Nonsense" haelt? Deine persoenliche Meinung zu dieser
Behauptung ist voellig irrelevant.

Ueberleg' doch 'mal: Angenommen, ich wuerde die Eindeutigkeit der
Primfaktorzerlegung natuerlicher Zahlen fuer "Nonsense" halten
(was ja mein gutes Recht ist, siehe "Meinungsfreiheit"!).

Glaubst Du im Ernst, die Primfaktorzerlegung waere deswegen weniger
eindeutig? Siehst Du: Genau so verhaelt es sich auch mit Deiner Meinung!

Selbst wenn meine Behauptung falsch waere (was sie nicht ist!), koenntest
Du sie mit dem blossen Hinweis auf Deine Meinung niemals entkraeften
- selbst wenn sie richtig waere (was sie nicht ist!).

> Stell dir einmal konkret ein Universum mit positivem
> Krümmungsradius von 1 Meter vor. Es wäre dann die
> Oberfläche einer 4D-Kugel mit 1 m Radius. Da hätte dann
> nicht allzu viel Platz in diesem Universum.

Ich ueberlasse es Dir als Uebungsaufgabe, Deine eigene Behauptung zu
entkraeften, ein kleiner Tipp: Die Frage nach Platz hat auch etwas mit dem
zu tun, der ihn beansprucht.

> : Ein weiterer Schnellschuss: Es existieren sogar lokal flache Raeume,
> : die Du im kleinen nicht von einem euklidischen Raum unterscheiden
> : kannst und die endliches Volumen besitzen. ...
>
> Das halte ich für so un/sinnig, wie korrekte Aussagen über
> Kugeln mit dem Hinweis zu widerlegen, dass die Aussagen
> bei z.B. Würfeln nicht gelten.

Wieder verneige ich mein Haupt voller Demut vor Deiner Meinung. Wie soll
ich denn meine Aussage begruenden, wenn Du es vorziehst, sie nicht 'mal
anzugreifen?

> Solange man rein sprachlich denkt, ist alles möglich.

Ich halte es fuer unsinnig, sich darueber Gedanken zu machen, ob man
"rein sprachlich" denkt oder nicht (ehrlich gesagt, weiss ich ueberhaupt
nicht was es heissen soll, rein sprachlich zu denken!). Um moeglichen Ein-
waenden vorzubeugen: Ich sagte: "Ich halte es..." nicht etwa "Es ist..."!
Ersteres ist mein gutes Recht, letzteres kann ich nicht beurteilen.

> Richtig
> erscheinen dann ganz einfach die Gedankengänge (die Verknüpfungen
> von Begriffen), die man ähnlich wie körperliche Bewegungsabläufe
> eingeübt hat.

Die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung erscheint mir doch nach hundert-
maliger Rekapitulation nicht richtiger (ich frag' mich gerade, wie oft ich mir wohl
die Gleichung 1 + 1 = 3 in nat. Zahlen vorbeten muesste, damit sie mir halbwegs
plausibel erscheint).

> Kant's Bestreben war ja gerade, das "alles ist möglich (in
> der Metaphysik)" in die Schranken der Vernunft zu verweisen.

Damit kann ich genauso viel anfangen wie mit dem Satz:

"Nachts ist es kaelter als draussen"

oder um die philosophische Tradition zu pflegen:

"Methode ist das Bewusstsein ueber die Form der inneren Selbstbewegung
ihres Inhalts."

> Konstant negativ gekrümmte Flächen sind weder in einem
> 3- noch einem anderen endlich-dimensionalen Trägerraum
> möglich.

No comment.

Da IMHO die meisten meiner Bemerkungen nichts mit Mathematik
sondern mit Rhetorik zu tun haben, bitte ich um Beachtung des F'UP2
poster. Nachfogenden Beitraegen dieses Threads werde ich nur dann
antworten, wenn sie

1) etwas mit Mathematik zu tun haben oder
2) direkte und fachliche Antworten auf meine Beitraege sind.

Andernfalls kann mein Schweigen nicht als Einverstaendnis mit Ent-
gegnungen gewertet werden.

Gruss Wolfgang

--
Wolfgang Thumser
Universität Bielefeld
Fachbereich Mathematik
email: thu...@mathematik.uni-bielefeld.de

Roland Harnau

unread,
Apr 19, 2001, 2:49:02 PM4/19/01
to
Wolfgang Thumser <thu...@mathematik.uni-bielefeld.de> schrieb...
>> Kant könnte als Kontruktivist also das BTP für falsch halten, ohne
>> ~BTP für wahr zu halten, er könnte beides verwerfen, da in beiden
>> Fällen die/das Objekt nicht konstruierbar sind/ist.
>
>Aber gerade die Moeglichkeit, dies zu tun, macht doch BTP problematisch
>(ebenso wie das Parallelenaxiom). Was Kant fuer falsch haelt, halte ich
>fuer wahr und wieder ein anderer fuer unentscheidbar.

Genau an dieser Stelle versagt die "math. Methode", dann nämlich,
wenn nach der Rechtfertigung der Schlussweisen und Axiome gefragt
wird.

> Ich fuer meine Person
>halte das Parallelenaxiom fuer ebenso anschaulich wie sein logisches Gegen-
>teil. Will Kant mir vorschreiben, was ich fuer anschaulich zu halten habe?

Nuja, Philosophen sind niemals bescheiden in Bezug auf den
Geltungsanspruch ihrer Aussagen ;-) Ein Problem des
"bewußtseinszentrischen" Ansatzes ist aber tatsächlich, dass die
Bedeutung einige Grundbegriffe strittig ist.

>Dann stellt sich in der Tat die transzendentale Frage:
>
>Wie ist unter solchen Bedingungen Wissenschaft moeglich?

Sie ist ja offenbar *faktisch* möglich. Wenn man allerdings *zu* weit
fragt, entstehen solche Probleme.


[Anschaulichkeiten]


>> Nö, das Parallelenaxiom ist eben im Gegensatz zum AC anschaulich,
>
>Nur unter folgender Praemisse:
>
>> es gibt keine anschauliche 3-dim nicht-eukldische Geometrie.
>
>Ich verstehe nicht, was Du hier mit "anschaulich" meinst. Fuer mich sind
>z.B. gekruemmte Raeume deswegen anschaulich, weil ich mir in ihnen sehr
>gut zwei verschiedene von einem Punkt ausgehende, gerade Lichtstrahlen
>vorstellen kann, die sich in einem anderen Punkt wieder treffen. Es ist doch
>(relativ) leicht, sich durch entsprechende Projektionen, zweidimensionale
>Aufnahmen geometrischer Objekte dieser Raeume zu verschaffen, und sich
>anschliessend per Gedankenexperiment in sie hinein zuversetzen.

Die zweidimensionalen Projektionen ermöglichen es zumindest, dass man
eine gewisse "Intuition" für Verhältnisse in den Originalräumen
erhält, aber zumindest ich kann sie mir nicht wirklich vorstellen,
nicht so, wie ich mir die Verhältnisse im 3-dim. Raum vorstellen kann.
Man sollte vielleicht Anschuung und Intuition/Gewohnheit
unterscheiden, da man letzeres auch für recht abstrakte Dinge durch
Kenntnis der Theorie und von Beispielen erhält.

> Danach
>kann man sich doch anschaulich die perspektivischen Verhaeltnisse vorstellen.
>Ich sehe da ueberhaupt kein Problem.

Ich zumindest nicht. Es gibt ja auch eine andere Art, sich
"höherdimensionale" Objekte zumindest partiell vorzustellen. Aus dem
Zylinder S^1 x [0,1] kann man durch Verkleben von oberem und unterem
Rand durch a:S^1x{0} -> S^1x{1}, x|->x^* den Kleinschen Schlauch
gewinnen. Das Objekt passt nicht mehr in den R^3, man kann ihn sich
aber trotzdem "hinmalen", und zwar mit einer scheinbaren
Selbstdurchdringung. Aber auch hier ist es so, dass zumindest ich mir
den Schlauch nicht wirklich vorstellen kann.


roland

Wolfgang Thumser

unread,
Apr 19, 2001, 8:06:18 PM4/19/01
to
Hallo Roland,

> Genau an dieser Stelle versagt die "math. Methode", dann nämlich,
> wenn nach der Rechtfertigung der Schlussweisen und Axiome gefragt
> wird.

Vergleiche eine mathematische Theorie mit einem Spiel: Das Axiom mit
der Ausgangsstellung im Spiel, die Schlussregeln mit den erlaubten Zuegen,
Saetze mit erspielbaren Positionen, Beweise mit Partien, die Objekte der
Theorie (Mengen, Gruppenelemente, Punkte, Geraden, usw.) mit Figuren
des Spiels (Koenig, Laeufer, Bauer, Springer, Dame usw.), die "math.
Methode" mit der Strategie. Nehmen wir die euklidische Geometrie als
Theorie und Schach als Spiel.

Was ist nun die "Rechtfertigung" fuer die Ausgangsstellung im Schach,
was die "Rechtfertigung" fuer die Bewegung des Springers? Du sagst,
der Realitaetsbezug bei diesem Figurenschieben sei nicht erkennbar, nun:
"Bauer bedroht Dame" hat eine reale Bedeutung, die der Bedeutung des
Parallelenaxioms in nichts nachsteht. Bei der math. Methode geht es
ebensowenig um die Rechtfertigung der Schlussweisen und Axiome wie
es beim Schachspiel um die Rechtfertigung der einzelnen Schachregeln geht.
Die Methode macht erst im Umfeld mit ihren Regeln Sinn, sie setzt sie
voraus.

> Geltungsanspruch ihrer Aussagen ;-) Ein Problem des
> "bewußtseinszentrischen" Ansatzes ist aber tatsächlich, dass die
> Bedeutung einige Grundbegriffe strittig ist.

Der Grund fuer diese strittige Bedeutung ist moeglicherweise der, dass
es keine tiefere Bedeutung gibt. Vergleiche die Aussagen:

"EinPunkt ist, was kein Teil mehr hat." und
"Der Koenig im Schach ist eine Holzfigur."

Ebenso wie man sich darueber streiten kann, ob der Koenig nicht
vielleicht doch aus Marmor sein koennte, kann man sich darueber
streiten, ob der Punkt vielleicht doch eine Teil besitzt (wenn auch
einen "unendlich kleinen" :-)). Nur gehoert das eine nicht ins Schach-
spiel, und das andere nicht in die Euklidische Geometrie. Die Bedeutung
der Grundbegriffe tritt gegenueber ihrem gegenseitigen Zusammenwirken
(durch zwei verschiedene Punkte geht genau eine Gerade) und ihrer
Verwendung (Ein Koenig zieht ein Feld weit) in den Hintergrund.

> >Wie ist unter solchen Bedingungen Wissenschaft moeglich?
> Sie ist ja offenbar *faktisch* möglich.

Aber gluecklicherweise nicht unter solchen Bedingungen..

> Die zweidimensionalen Projektionen ermöglichen es zumindest, dass man
> eine gewisse "Intuition" für Verhältnisse in den Originalräumen
> erhält, aber zumindest ich kann sie mir nicht wirklich vorstellen,
> nicht so, wie ich mir die Verhältnisse im 3-dim. Raum vorstellen kann.

Frage Dich: Worin unterscheidet sich denn Dein raeumliches Vorstellungs-
vermoegen von dem Vorstellungsvermoegen in Bezug auf die Originalraeume?
In beiden Faellen sind doch die Abbilder auf Deiner Netzhaut zweidimensional,
und Deine Bewegungsfreiheit ist nicht erkennbar eingeschraenkt.

> Ich zumindest nicht. Es gibt ja auch eine andere Art, sich
> "höherdimensionale" Objekte zumindest partiell vorzustellen. Aus dem
> Zylinder S^1 x [0,1] kann man durch Verkleben von oberem und unterem
> Rand durch a:S^1x{0} -> S^1x{1}, x|->x^* den Kleinschen Schlauch
> gewinnen. Das Objekt passt nicht mehr in den R^3, man kann ihn sich
> aber trotzdem "hinmalen", und zwar mit einer scheinbaren
> Selbstdurchdringung. Aber auch hier ist es so, dass zumindest ich mir
> den Schlauch nicht wirklich vorstellen kann.

Wenn Du mit dem Begriff "Anschaulichkeit" immer gleich dreidimensionale
Realisierbarkeit verbindest, hast Du natuerlich Schwierigkeiten. Da verhaelt
es sich so wie mit dem relativistischen Zeitbegriff gegenueber dem absoluten.

Gruss Wolfgang

Wolfgang G. G.

unread,
Apr 22, 2001, 10:59:05 AM4/22/01
to
> = Ilja Schmelzer
>> = Wolfgang G.

>> Ist "schwarzes Loch" ein absolutes oder ein relatives (d.h.
>> beobachterabhängiges) Konzept?
>
> Ein absolutes.

Es gibt Überlegungen, die zeigen, dass "schwarzes Loch" ein
absolutes Konzept sein muss. Wenn es aber ebenso überzeugende
Gründe für die Annahme gibt, es müsse in gleicher Hinsicht ein
beobachterabhängiges Konzept sein, dann ist das Konzept wider-
legt --- ausser man greift zur stärksten Waffe der Bohr'schen
Metaphysik, dem Widerspruchsprinzip-Ausserkraftsetzungsprinzip.

"Eine Theorie, aus der widersprüchliche Aussagen folgen, gilt
in der Logik als widerlegt. Um aber zwei solche Aussagen
abzuleiten, benötigt man zwei Ableitungen, die sich in etwas
unterscheiden. Man kann dann immer argumentieren, die beiden
Aussagen seien KOMPLEMENTÄR, d.h. sie seien im Sinne ihrer
jeweiligen Ableitung richtig."
http://members.lol.li/twostone/a3.html

Widersprüche können auch beseitigt werden, indem die Begriffe
als komplementär (d.h. ableitungs- bzw. gedankengang-abhängig)
erklärt werden.

Anstatt der Widerlegung

Ableitung 1: x = 5 Meter
Ableitung 2: x = 7 Meter

haben wir dann

Ableitung 1: x = 5 A1_Meter
Ableitung 2: x = 7 A2_Meter

mit den komplementären Begriffen A1_Meter und A2_Meter.

Die Widersprüche der allgemeinen Relativitätstheorie führen
z.B. dazu, dass einfache Begriffe wie Masse oder Gravitations-
potential vermieden oder in verschiedene gedankengang-
abhängige Begriffe aufgespalten werden müssen, um der
Widerlegung der Theorie zu entgehen.

>> Wenn die Sonne auf die Grösse zusammenschrumpfen würde, bei
>> der die Entweichgeschwindigkeit von ihrer Oberfläche exakt
>> c beträgt, wäre sie ein Schwarzes Loch für Beobachter
>> ausserhalb unserer Galaxie, denn g > G, nicht aber für
>> Beobachter auf der Erde, denn g < G. Strahlung von der Sonne
>> würde die Erde mit starker Frequenzabnahme erreichen.
>
> Falsch. Dies gilt für Licht in der Newtonschen Theorie (samt
> Partikeltheorie des Lichtes) aber nicht für die ART.

Schwarze Löcher sind so definiert, dass sie dann auftreten,
wenn die klassisch gerechnete Entweichgeschwindigkeit von
ihrer Oberfläche mehr als c und der klassische Gravitations-
potential-Verlust somit mehr als G = 0.5 c^2 beträgt.

Selbst wenn man den Gebrauch analoger Konzepte in der ART
verbietet, muss es trotzdem irgend eine Grösse Q geben,
die (entweder absolut oder relativ zu einem Beobachter)
kontinuierlich bis Q_schwarzesLoch anwachsen kann. Und
solch eine Grösse Q als absolute Grösse aufzufassen,
widerspricht wesentlichen Grundgedanken der ART.

Die Zeitverlangsamung gamma ist am Ereignishorizont
(Schwarzschildradius) schwarzer Löcher unendlich, d.h.
die Zeit bleibt stehen:

t = t0/gamma mit gamma = unendlich

Wenn wir die Zeitverlangsamung gamma als (für die
Bildung schwarzer Löcher relevante) Grösse Q verwenden,
dann folgt, dass ein Ereignishorizont dann auftritt,
wenn gamma = unendlich.

In der SR gilt für Zeitverlangsamung

gamma(u+v) = gamma(u) * gamma(v) (Vorsicht: "+")

Aufgrund der Additionstheoreme, gilt dann u+v < c wenn
u < c und v < c. Wenn wir aber die Geschwindigkeit c (mit
gamma unendlich) zulassen, bekommen wir das grosse Problem,
dass kein kontinuierlicher Übergang von gamma(v) zu gamma(c)
mehr möglich ist. Egal wie gross die Zeitverlangsamung bei
Annäherung von v gegen c geht, der qualitative Unterschied
von laufender zu stehender Zeit bleibt bestehen. Ob 1 zu
unendlich oder 10^(10^100) zu unendlich, ist in diesem
Zusammenhang ein und dasselbe.

Die ART ist mit der SRT unter Anderem so verknüpft:

Die Zeitverlangsamung über kleine Potentialunterschiede stimmt
mit der Zeitverlangsamung DER Geschwindigkeit überein, DIE ein
ruhender Körper beim Fall durch diesen Potentialunterschied
annimmt. (Da gemäss ART c eine universelle Konstante ist,
ist auch der Potentialunterschied 1 m^2/s^2 = c^2 / 9*10^16
überall definiert.)

Das heisst dann: Ganz egal von wie nahe am Ereignishorizont
ein Probekörper fallen gelassen wird, bis zum Ereignishorizont
wird er immer auf c (mit gamma = unendlich) beschleunigt,
was nichts anderes bedeutet, als dass die "Entweich-
geschwindigkeit" vom Ereignishorizont zu JEDEM Punkt
ausserhalb dieses Horizonts c beträgt!

Hier kann man einwenden, dass gemäss vorherrschender Theorie
Probekörper (genauso wie Photonen) unabhängig davon, von wie
nahe am Ereignishorizont sie fallen gelassen werden, in alle
Ewigkeit fallen, den Ereignishorizont jedoch NIE (Eigenzeit
ausgenommen) erreichen werden.

Das zieht aber einen anderen Widerspruch nach sich:

Schwarze Löcher tauschen nach wie vor Impuls mit den
benachbarten Himmelskörpern aus, und zwar mittels sich
mit c ausbreitenden Kraftfeldern. Wie soll das aber
funktionieren, wenn das als Musterbeispiel einer Ausbreitung
mit c geltende Licht in endlicher Zeit nicht einmal den
Ereignishorizont eines schwarzen Lochs erreichen kann?

Wenn uns die Relativitätstheorie etwas lehrt, dann dass
geglaubte Theorien genausowenig widerbar sind, wie nicht-
geglaubte beweisbar sind. Logische Widersprüche können
immer durch Zusatzhypothesen ausser Kraft gesetzt werden,
und die Widerlegung solcher Zusatzhypothesen durch neue
Zusatzhypothesen.

Und solange man Ockham's Rasiermesser nicht ernst nimmt,
und sich somit nicht auf die direkten Interpretationen
der experimentellen Fakten beschränktt, sind Theorien auch
experimentell nicht widerlegbar.

Ein schönes Beispiel ist Brillet and Hall's Ätherdrift-
Experiment von 1978, dessen beeindruckende quantitative
Bestätigung meiner Relationalitätstheorie (ein "Ätherdrift"
von 200 m/s) einfach zum unerklärten "persistent spurious
signal" erklärt wird, damit das Experiment als Bestätigung
der Relativitätstheorie interpretiert werden kann.


Gruss,
Wolfgang Gottfried G


Meine vorigen Postings:
http://members.lol.li/twostone/google1.html#gpa

Zum Experiment von Brillet und Hall:
http://members.lol.li/twostone/aa2.html (sehr kurz)
http://members.lol.li/twostone/E/physics1.html (Englisch)

Begriffliche Begründung einer Relationalitätstheorie:
http://members.lol.li/twostone/relationality.html


Andreas Slateff

unread,
Apr 22, 2001, 12:47:14 PM4/22/01
to

Nochmal: Die mathematische Formulierung der ART ist bloss
Standard-Pseudo-Riemannsche Geometrie. Da gibt es keine Widersprueche.

Wenn Du mit der Uebersetzung Physik - Mathematik Probleme hast, halte
ich es nicht fuer zielfuehrend, in der Mathematik Widersprueche zu
suchen. Damit setzt Du naemlich an der falschen Stelle an...

Andreas

Ilja Schmelzer

unread,
Apr 30, 2001, 8:39:07 AM4/30/01
to
"Wolfgang G. G." <z...@z.lol.li> writes:
> Es gibt Überlegungen, die zeigen, dass "schwarzes Loch" ein
> absolutes Konzept sein muss. Wenn es aber ebenso überzeugende
> Gründe für die Annahme gibt, es müsse in gleicher Hinsicht ein
> beobachterabhängiges Konzept sein, dann ist das Konzept wider-
> legt

Es gibt aber keine Gründe für diese Annahme im Rahmen der klassischen
ART. Es gibt höchstens schlechte oder missverstandene
populärwissenschaftliche Literatur, die solche Vermutungen aufkommen
lässt.

> Schwarze Löcher sind so definiert, dass sie dann auftreten,
> wenn die klassisch gerechnete Entweichgeschwindigkeit von
> ihrer Oberfläche mehr als c und der klassische Gravitations-
> potential-Verlust somit mehr als G = 0.5 c^2 beträgt.

So sind schwarze Löcher in der Newtonschen Theorie definiert.

> Selbst wenn man den Gebrauch analoger Konzepte in der ART verbietet,
> muss es trotzdem irgend eine Grösse Q geben, die (entweder absolut
> oder relativ zu einem Beobachter) kontinuierlich bis Q_schwarzesLoch
> anwachsen kann. Und solch eine Grösse Q als absolute Grösse
> aufzufassen, widerspricht wesentlichen Grundgedanken der ART.

Nein, es wiederspricht höchstens populärwissenschaftlichem Nonsense
über die wesentlichen Grundgedanken der ART.

> Die Zeitverlangsamung gamma ist am Ereignishorizont
> (Schwarzschildradius) schwarzer Löcher unendlich, d.h.
> die Zeit bleibt stehen:
>
> t = t0/gamma mit gamma = unendlich
>
> Wenn wir die Zeitverlangsamung gamma als (für die
> Bildung schwarzer Löcher relevante) Grösse Q verwenden,
> dann folgt, dass ein Ereignishorizont dann auftritt,
> wenn gamma = unendlich.

Dies ist allerdings nicht die heute übliche absolute Definition. Nach
der gehört ein Raumzeitgebiet zu einem schwarzen Loch wenn kein
Lichtstrahl aus ihm ins Unendliche entweichen kann.

> Die ART ist mit der SRT unter Anderem so verknüpft:

> Die Zeitverlangsamung über kleine Potentialunterschiede ...

irrelevant für schwarze Löcher.

> Das zieht aber einen anderen Widerspruch nach sich:
> Schwarze Löcher tauschen nach wie vor Impuls mit den
> benachbarten Himmelskörpern aus,

Du verwendest das Wort "tauschen" in der Gegenwart, was einen Begriff
von Gleichzeitigkeit voraussetzt, der in der ART allerdings (im
Gegensatz zur Definition des schwarzen Lochs) nicht absolut ist.

It is loading more messages.
0 new messages